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1. Vorüberlegungen
Der offizielle Mythos einer "gran Revolución", die unter der mittler-
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sogenannte Anti-Comic von Autoren wie Eduardo del Río und Abel
Quezada, bietet das Potential für einen solchen "Diskurs" im Sinne
Foucaults. Auch wenn der "Anti-Comic" für ein umfassendes Verständnis
"more than a grammar school education" voraussetzt, so kann im 8
Von diesen ersten Formen der Bildgeschichte unterscheiden sich die Co-
mics im wesentlichen durch ihren Charakter als Massenmedium. Die von
Barrera-Vidal gegebene Definition umfaßt daher Comic und Bildgeschichte
gleichermaßen: "La bande dessinée est une histoire en images: elle contient
une narration basée sur des images et des textes synchronisés avec celles-ci.
Il existe donc bien un complexe qu´on pourrait appeler logo-iconographi-
que...D´une image á l´autre il y a une certaine continuité chronologique." 14
Es existiert ein Codierungssystem für die Gestaltung von Sprech- und Ge-
dankenblasen, für die graphische Umrahmung des Textes und für einen
Großteil der Bildsymbolik. Maier betont, daß auch die Darstellung der Fi-
guren einer Codierung unterliegt: "Bestimmte Körpermerkmale und Physi-
oggnomien stehen für bestimmte Charaktereigenschaften, Stimmungslagen
11Ochoa González (1985: 524) / In Mexiko publizierten Bildgeschichten kommt auch ein er -
heblicher Einfluß in anderen lateinamerikanischen Staaten zu, da dieses Land zugleich das größte
Publikationszentrum für spanischsprachige Comics in Lateinamerika ist. / Vgl. Hinds (1985: 25)
12Hinds (1985: 25)
13Rosalva de Valdés (1972): "Crónica General de la Historieta", in: La historieta mexicana. México,
S. 9 / Diese Tradition ist im modernen Mexiko noch sehr lebendig. So existiert u.a. ein
Literaturpreis "Tlacuilo de oro", der 1971 an Eduardo del Río verliehen wurde.
14Albert Barrera-Vidal (1973): "La bande dessinée au service de l´ enseignement des langues", in:
Praxis des neusprachlichen Unterrichts 20, S. 288-303, S. 289
3
[..] Sie signalisieren dem geübten Leser sofort die Funktion der gezeichne-
ten Person im Rahmen des Geschehens; sie ordnen sie in ein Schema von
Typen ein." Bei den sogenannten "stummen" Comics ist auf diese Weise
15
Demgegenüber setzt sich seit den 70er Jahren zunehmend eine For-
schungsmeinung durch, die den Comic als landeskundlichen Informations-
träger auffaßt, der in extrem verdichteter Form einen aktuellen Kenntnis-
stand der soziopolitischen, ökonomischen oder kulturellen Situation zu
vermitteln in der Lage ist. Fresnault-Deruelle (1973: 18) betont Möglichkei-
ten für eine Mentalitätsforschung: "Les B.D. comme source documentaire
certes, mais comme révelateur de nos désirs, craintes et phobies, peut-être
tout autant." Jaramillo formuliert, daß die in den Comics reflektierten Ste-
15Karl Ernst Maier (1973): Jugendschrifttum. Formen, Inhalte, Pädagogische Bedeutung. Regens-
burg, S. 178
16Während der Film verschiedene Ausdrucksformen der Bildgeschichte übernahm, zeigt sich der
reziproke Einfluß in der zunehmenden Verwendung von Kinotechniken. Zu beachten sind
insbesondere die Einstellungsgrößen, horizontale und vertikale Achsenverhältnisse und die mit der
Verwendung solcher Techniken beabsichtigten psychologischen Wirkungen. Vgl. Walter Herdeg /
David Pascal (1972): Die Kunst des Comic-Strip. Zürich, S. 119ff.
17Alfred Clemens Baumgärtner: "Comics in der Schule", in: Pforte (1974: 22-41, 25)
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reotypen "Teil eines dominanten Wertsystems" sind und auf "Mythen" ver-
weisen, die von der jeweiligen Gesellschaft erzeugt worden sind. Ganz in 18
Verhaltensnorm und die dichotome Rolle der "guten Frau" als sinnliche
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dere das offizielle Revolutionsbild und alle Medien, die dessen Verbreitung
dienen, fokalisiert. Hierzu gehören auch "offizielle" Comicserien und
Bände wie Episodios Mexicanos sowie México. Historia de un pueblo.
28 29
27Für die spanische Komödie des "siglo de oro" wurde diese Wirkung des Komischen am Beispiel
von Cervantes Entremeses untersucht. Vgl. Bernhard König (1988): "Miguel de Cervantes Saavedra.
Entremeses", in: Roloff, Volker / Wentzlaff-Eggebert, Harald (Hgg.): Das spanische Theater vom
Mittelalter bis zur Gegenwart, Düsseldorf, S. 53-69, S. 55ff./ Vgl. auch Cambio 16 vom 31.1.1983,
S. 2 unter "El que ríe el último": "El humor es una forma de luchar contra el poder y la opresión con
armas desconocidas por el poder y que él no puede utilizar."
28Bei Episodios Mexicanos (1981ff.) handelt es sich um eine vom "Consejo Nacional de Fomento
Educativo" herausgegebene Serie, in der die nationale Geschichte von den präkolumbischen Kul-
turen bis zur Unabhängigkeit ganz im Sinne offizieller Mythifizierungen behandelt wird. Zur Pflege
des Staatsheldenkultes vgl. besonders Nr. 29 "El caudillo popular".
29México. Historia de un pueblo (1982f.) ist eine 20bändige Comicbuch-Serie, die in mehreren Neu-
auflagen bis heute von der Secretaría de Educación Pública (SEP) herausgegeben wird. Sie be -
handelt zahlreiche Stationen der Entwicklung Mexikos von der Frühgeschichte bis zur Gegenwart
und darunter als einen Schwerpunkt die Revolution. (Vgl. Band 19: "Pancho Villa y la División del
Norte. Los Dorados". México 1982) Die Bände sind exemplarisch für die Pflege offizieller Ge -
schichts-mythen und verweisen darauf, daß von staatlicher Seite das Machtpotential der Comics
längst erkannt worden ist. Die SEP publizierte in den letzten Jahrzehnten nicht nur eine Vielzahl
offizieller Comicsserien in Millionenauflage, sondern versuchte dies auch als Bildungsbeitrag zu
legitimieren. Vgl. Aida Reboredo (1981): "Sin las historietas millones de mexicanos serían
analfabetos funcionales: Javier Barros, de la SEP", in: Uno Más Uno vom 11.7. / Verteidiger
offizieller Comics - wie Barros - stellen vor allem die soziopolitischen Informationen positiv heraus.
Dies ist aber in Hinblick auf den ideologischen Auftrag dieser Comics und auf den hohen Anteil
"heroischer Kampfszenen" zu relativieren. Zum Staatsheldenkult als wichtiges herrschafts-
stabilisierendes Element im offiziellen Diskurs vgl. Carlos Monsivais (1972): "Mi sangre, aunque de
héroe también tiñe de rojo", in: La Cultura en México (Suplemento de Siempre), 17.5.1972 In
formaler Hinsicht entspricht der offizielle Comic weitgehend den tradi tionellen Unterhaltungs-
comics.
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denen del Río bekannt wurde, sowie Comicreihen von Quezada in
Excelsior und Siempre . Sie stehen damit in einem Kontext internationaler
Bemühungen um eine neue Form von Comic, die sich sowohl von der
Masse traditioneller Unterhaltungscomics als auch von staatlichen
Publikationen unterscheiden soll und deren frühe Beispiele in den
nordamerikanischen "Underground-Comics" der 60er Jahre gesucht werden
können. Hierzu gehören Zeichner wie Robert Crumb, Bodé und Moscoso,
die über ihre Bildgeschichten bewußt den Mythos vom unbegrenzten
Fortschritt in einer freien Marktwirtschaft aufgriffen und über Themen wie
Atombombe, Umweltverschmutzung, Rassismus, polizeilicher Repression
und inhumaner Automatisierung des Individuums einen Beitrag zur
Entmythifizierung leisteten. Ihr intellektueller Rückhalt ist zunächst
insbesondere in den Universitäten von New York und Kaliforniens zu
suchen. Teilweise zeitgleich erscheinen in vielen lateinamerikanischen
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Unter der Regierung Díaz Ordaz kam es zu mehreren Konflikten mit den
staatlichen Behörden, in deren Verlauf Los Supermachos zensiert und der
Autor selber zeitweilig verhaftet wurde. Nach mehrmaliger Zensur durch
33
internationales Publikum eröffnete sich der Autor jedoch erst mit seinem
ersten Comicbuch Cuba para principiantes, das 1972 bereits acht Neuauf-
lagen verzeichnete und in sechs Sprachen übersetzt worden war. Es folg- 36
ten andere Bücher ähnlichen Typs, von denen sich die ideologiekritischen
Werke auf dem deutschen Markt besonders gut durchsetzten: Marx für An-
fänger (1981), Mao für Anfänger (1982), Kapital Verbrechen (1984) und
im Zusammenhang mit der sandinistischen Revolution in Nicaragua Hallo
Nicaragua (1983). Keines der späteren Werke, zu denen auch das hier zu
behandelnde La Interminable Conquista de México (1976) gehört, erreichte
jedoch den Verbreitungsgrad des Kuba-Bandes.
In allen Bänden erscheint del Río als "Aufklärer". Kagelmann (1986:
140) formuliert: "Er will Informationen an den Mann bringen, aber
vermutlich ist sein Erfolg darauf zurückzuführen, daß er sich weniger als
Lehrer und Didakt begreift [...], sondern als jemand, der die Leute zum
Nachdenken über Probleme anregen will und das sind in erster Linie die
politischen, sozialen, auch kulturellen Probleme seines Heimatlandes."
Hierzu gehören neben einer Vielzahl von lateinamerikanischen Themen wie
der "Scheinwahl" und "Pseudodemokratie" vor allem das Scheitern der
mexikanischen Revolution, das in La Interminable Conquista de México
und später noch sehr viel ausführlicher und ähnlich erfolgreich in La
Revolucioncita Mexicana behandelt wurde. Derzeit schreibt er an weiteren
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rückständige Betschwester Emerencia, die als komisches Pendant zu Yáñez "mujeres enlutadas" be -
trachtet werden kann, und allen gegenüber als positives Gegenstück der weise und philosophische
aber arme Indio Juan Calzónzin. Ein prinzipieller Unterschied zu diesen Revolutionsromanen ist ne -
ben der Verwendung von Komik als Hauptkritikmedium die Unmittelbarkeit der Kritik. Letzteres
bietet in Zusammenhang mit der relativ großen Verbreitung des "Anti-Comic" gegenüber den Revo -
lutionsromanen eine Erklärung für die massiven staatlichen Eingriffe in del Ríos Arbeit, während
Yáñez und Rulfo unbelästigt blieben.
34Charles M. Tatum, ebda., in: Kagelmann (1991: 55f.) berichtet, daß del Río 1969 von der Militär-
polizei erst in das Gefängnis von Toluca eingewiesen und nach einem Tag in die Berge de portiert
worden war, wo ihm "wegen Verbrechen gegen die Regierung" mit der Hinrichtung gedroht wurde.
35Die Auflage von Los Supermachos betrug bei wöchentlicher Publikation im Durchschnitt 135.000
Stück, auf dem Höhepunkt 200.000 - solange del Río als Zeichner tätig war. Los Agachados begann
mit 50.000 und stieg bis auf 150.000. Solche Auflagen sind für einen Anti-Comic relativ hoch, rei -
chen jedoch keineswegs an die Popularität traditioneller Unterhaltungs- und Abenteuercomics wie
Kalimán (2 Millionen wöchentlich) heran. / Vgl. Charles M. Tatum, ebda., S. 58
36Rosalva de Valdés (1972: 73)
37Eduardo del Ríos La revolucioncita mexicana erschien 1986 bereits in der 22ten Auflage, La In-
terminable Conquista de México 1984 in 18ter Auflage.
9
Grundlage die Biographien politischer Gefangener in mexikanischen Ge-
fängnissen sein sollen. Für del Ríos Stil ist ein "media-mixing" charakte-
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Máximo Tops eine eigene bis heute publizierte Comicserie, die jedoch
primär einen fiktionalen Boxer und Ringeralltag thematisiert und auf
politische Konfliktthemen weitgehend verzichtet. 40
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Abel Quezadas Revolución entsteht im Kontext von Fidel Castros ersten
militärischen Erfolgen im kubanischen Guerillakrieg und vor dem Hinter-
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tion und Armut. Die neue Geldmenge zu den Füßen des Caudillos "C" (V.
10) und die steigende Anzahl der Geldkoffer bei der Flucht (V. 4, 13) zei-
gen ihn korrupter und skrupelloser als seinen Vorgänger. Der Kleinbauer ist
demgegenüber nun mager, hat Flicken auf seiner Kleidung und wird statt
von kleinen Vögeln von Geiern umflogen, die dem zerstörten Land sehr na-
he kommen (V. 5, 14). Auch der kärgliche Baum, Symbol geringer Frucht-
42Zum militärischen Stand der kubanischen Revolution 1957 vgl. Hugh Thomas (1986): The Cuban
Revolution, London und Herbert L. Matthews (1970): Revolution in Cuba. An Essay in Understan-
ding, New York. Wendemarken, die Quezada zur Zeichnung von Revolución inspiriert haben dürf-
ten, sind Castros Erfolge bei La Plata (17.1.1957) und Arroyo del Infierno (22.1.1957).
43Zu den Propagandazielen der Regierung Ruiz Cortines gehörte neben den traditionellen Zielen ei -
ner Demokratisierung und Prosperisierung des Landes die Beseitigung der strukturellen Korruption.
Ersteres wurde ganz in postrevolutionärer Tradition nie ernsthaft in Angriff genommen, die Wirt -
schaftspolitik konzentrierte sich - vergleichbar dem neoporfiristischen Kurs von Calles, Avila
Camacho und Alemán - mehr auf eine Förderung der Großindustrie als auf die von einer
Bevölkerungsmehrheit betriebene traditionelle Agrarwirtschaft und die sicher zeitweilig
ernstzunehmenden Maßnahmen gegen die Korruption scheiterten nicht zuletzt an parteiinternen
Interessen. Vgl. im Detail Lerner de Sheinbaum/Ralsky de Cimet (1976): El poder de los
presidentes. Alcances y perspectivas. 1910-1973. México, S. 251-302, Agustín (1991: 119ff.)
44Vgl. Vignetten 1 und 10 mit einer Veränderung der Thronausrichtung von der linken zur rechten
Seite.
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barkeit, ist nun im Sterben begriffen. Wieder erhebt sich ein Caudillo (V.
11: Coronel "D") gegen den Diktator und vertreibt ihn, aber auch diesesmal
wird mit der Anlehnung an die USA (V. 15) eine Tradition der Vorgänger
fortgesetzt, die kein Ende des "círculo vicioso" erhoffen läßt.
Der Zyklus gewinnt seinen diabolischen Charakter nicht nur durch die
Kontinuität diktatorischer Regierungsformen, die das Land zunehmend
skrupelloser ausbeuten. Erschreckend ist die politische Kurzsichtigkeit der
Volksmasse, die immer wieder mit der gleichen Begeisterung den nächsten
Caudillo auf seinem Weg zur Macht unterstützt und sich anschließend über
den vermeintlichen Sieg freut (V. 2, 3 / 11, 12). Dieser Hinweis auf "patria-
chica"-Mentalität und "servilismo" spiegelt sich ganz in filmtechnischer
45
45Hierbei handelt es sich um Mentalitätsstrukturen, deren Beitrag zum Scheitern der mexikanischen
Revolution in der modernen Historiographie häufig hervorgehoben, wenn auch selten ausführlich
behandelt wird. Vgl. Dietmar Dahlmann (1986): Land und Freiheit. Machnovscina und Zapatismo
als Beispiele agrarrevolutionärer Bewegungen, Stuttgart, S. 215ff. / Alan Knight (1980): Peasant
and Caudillo in revolutionary Mexico. 1910-17, in: D. A. Brading (Hg.): Caudillo and peasant in the
Mexican Revolution, London, S. 37ff./ Dieter Rünzler (1988): Machismo - die Grenzen der
Männlichkeit, Wien, Köln, S. 98ff./ Mols (1983: 12ff.)
46Zur Terminologie vgl. Thomas Kuchenbuch (1978): Filmanalyse, Theorien, Modelle, Kritik. Köln
und Alphons Silbermann (1980): Filmanalyse. München
47Die den "campesino" umkreisenden und ihn so symbolisch gefangen haltenden Vögel gewinnen
existenzielle Bedeutung, rauben sie doch die Saat und damit die Nahrungs- und Überlebensgrundla-
ge. Die Inaktivität des mexikanischen Kleinbauern gegenüber dieser Fremdbestimmung seines Le -
bens kann als Verweis auf den im lateinamerikanischen Roman häufig kritisierten Fatalismus einer
iberoamerikanischen Bevölkerungsmehrheit interpretiert werden. Vgl. das Thema der Gleichgültig -
keit gegenüber dem Tod bei Gabriel García Márquez (1981): Crónica de una muerte anunciada und
Rafael F. Muñoz (1931): ¡Vámonos con Pancho Villa!. Bei Martín Luis Guzmán (1928): El águila y
la serpiente. Madrid, S. 203 weist der athenäistische Ich-Erzähler den Fatalismus als "cosa profun -
damente mexicana" aus und belegt dies mit dem Verhalten der ruralen Bevölkerungsmehrheit wäh-
rend der mexikanischen Revolution. Sie reagiere auf alle Veränderungen mit einer "resignación fatal
y fácil" (ebda.) und werde gerade deswegen zum Opfer von Caudillos und deren bewaffneter Klien-
tel.
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Auffällig ist der Grad der Stereotypisierung: Quezada zeichnet keine
Individuen sondern Typen, wie z.B. den Diktator als eine Uniform tragende
und mit Orden überhäufte Figur. Vor dem Hintergrund der lateinamerikani-
schen Unabhängigkeitskriege und der mexikanischen Revolution wird Dik-
tatur hier unmittelbar als Militärdiktatur verstanden, wobei ein Säbel, der
Thron und ein Hut aus dem 19ten Jahrhundert auf den archaischen Charak-
ter dieser Regierungsform verweisen. Einem Klischee entspricht auch die
Flucht des Diktators: Mit Geldkoffern beladen versucht er per Kutsche (V.
4) bzw. per Auto (V. 13) zu entkommen, obwohl bereits Díaz seine Trans-
aktionen 1910 über Banken abgewickelt hatte. Die Korrumpierbarkeit der
politischen Elite wird jedoch über den symbolischen Geldkoffer prägnant
und verständlich zusammengefaßt. Die Widerspiegelung des "pueblo mexi-
cano" über einen Kleinbauern folgt einer ruralen Charakterisierung Mexi-
kos, die im mexikanischen Revolutionsroman bis zum "boom" dominiert. 48
48Vgl. Romane wie Mariano Azuelas Los Caciques (1914/17) und Los de abajo (1916), sowie
Rafael F. Muñoz ¡Vámonos con Pancho Villa! (1931), Agustín Yáñez Al filo del agua (1947) und
Juan Rulfos Pedro Páramo (1955).
49Zugrunde gelegt wird die gängige Revolutionsdefinition bei Peter Waldmann (1976): "Stagnation
als Ergebnis einer ´Stückwerkrevolution´", in: Geschichte und Gesellschaft 2, 2, S. 160-187, S. 161f.
Demnach beinhaltet eine Revolution "eine tiefgreifende Umwälzung der Strukturen eines gesell-
schaftlichen Systems", was sowohl die politische, als auch die soziale, ökonomische und kulturelle
Ordnung betrifft, für deren Entwicklung "neue Orientierungsmarken" gesetzt werden sollen. / Die
offizielle Propaganda einer "institutionalisierten Revolution" wird vor dem Hintergrund dieser Defi-
nition als terminologisches Paradoxon betrachtet.
50Vgl. die vierbändige Sammlung von Wahlkampfreden, im ersten Band insbesondere "Suma de
revoluciones. La Mexicana es una gran Revolución", in: Salinas de Gortari (1987: 3ff.)/ Zur theore-
tischen Auseinandersetzung mit dem offiziellen Revolutionsmythos und seiner Herrschaftsle-
gitimierungsfunktion insbesondere GRAL (1985) und (1982) mit Aufsätzen von Carlos Monsivais
und Enrique Florescano; außerdem Florescano (1981): "Los historiadores y el po der", in: Nexos 4,
46, 1981, S. 27-37 und Monsivais (1972): "Mi sangre aunque de héroe también tiñe de rojo", in: La
Cultura en México (Beiblatt zu Siempre) vom 10.5.
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rücksichtigt man das Stilmittel der Übertreibung als ein Heiterkeit provo-
zierendes Charakteristikum der Gattung "Comic", so lassen sich gegenüber
dem offiziellen Geschichtsbild in mehrerer Hinsicht prinzipielle inhaltliche
Übereinstimmungen zwischen der modernen Historiographie und Quezadas
Anti-Comic feststellen. Hierzu gehören sowohl die allgemeine These eines
überwiegenden Scheiterns der mexikanischen Revolution als auch die An-
nahmen einer massiven Manipulation der Bevölkerungsmehrheit, der
durchgehenden Korrumpierung der Revolutionsführung, eines allgegenwär-
tigen Machteinflusses der USA und einer im Verlauf der postrevolutionären
Entwicklung tendenziell eher wieder zunehmenden Diskrepanz zwischen
einer pauperisierenden ruralen Bevölkerungsmasse und einer prosperisie-
renden politischen Elite.
Ein weitgehendes Scheitern der Revolution bestätigt Mols (1983: 69),
wenn er in "den Serien von Einzelrevolutionen, Bürgerkriegen, Cliquen-
und Caudillokämpfen" nur ein geringes, hauptsächlich auf den Bereich der
Mentalitäten wirkendes "transformatorisches Potential" erkennt, das er auf
die Caudillolenkung der Erhebung von 1910 zurückführt. Solch eine 51
51Ähnlich bei Tobler (1984: 14ff.)/ Einen aktuellen Überblick gibt das im Auftrag der UNAM
(1986) durchgeführte Interview.
52Salinas de Gortari (1987: 5)
53Hans Werner Tobler: "Bauernerhebungen und Agrarreform in der mexikanischen Revolution", in:
Mols/ders. (1976: 115-170, 165)
54Peter H. Smith (1979): Labyrinths of Power. Political Recruitment in 20th Century Mexico.
Princeton, S. 164ff., 184f.
14
versteht sich, daß im offiziellen Diskurs jeder systembedingte Kausalbezug
negiert wird. Die Immunisierung des Präsidenten wegen dessen Doppel-
funktion als Regierungs- und Staatschef schließt zudem persönliche Kor-
ruptionsvorwürfe weitgehend aus. Die Existenz von Korruption wird
55
Der offizielle Diskurs hat solche äußeren Einflüsse auf den Revolutions-
verlauf ebenso wie ökonomische und politische Abhängigkeiten der zeitge-
nössischen PRI-Regierungen im Zeitraum der Entstehung und Publikation
von Quezadas ersten Bildgeschichten weitestgehend verschwiegen. So kon-
statiert Mols ein "nahezu völlige(s) Fehlen außenpolitischer Aggressivitä-
ten" bei den mexikanischen Regierungen der 40er, 50er und 60er Jahre und
resümiert dies als eine "Politik des ´low profile´", die "auch eine natürliche
Folge der allgemeinen Dependenzsituation wie der speziellen Verflochten-
heit mit den USA" sei. 57
Die zweite Bildgeschichte von Quezada, die 1957 ohne Titel in Siempre
veröffentlicht wurde, führt die bei Revolución angedeutete Korrumpierung
des revolutionären Caudillos als Folge von Machtakkumulation weiter aus.
Leitidee ist die populäre These von einem Verrat an den Revolutionsidea-
len, die wenige Jahre später von Carlos Fuentes in La muerte de Artemio
Cruz (1962) sehr detailliert aufgegriffen wird. Nicht zufällig entsteht Que-
zadas Bildgeschichte am Ende der Präsidentschaft von Ruiz Cortines,
zeichnete dieser doch die bis dahin in der mexikanischen Geschichte
höchsten Auslandskredite und förderte massiv ausländische Investitionen. 60
Bei Oppositionsgruppen brachte ihm dies den Ruf ein, ganz in der Tradition
seines Vorgängers Alemán den "Ausverkauf des Landes" weiter vorange-
trieben zu haben. Wir betrachten im folgenden die Gegenbilder von Que-
61
(Senator, Minister) durch eine "Aufsicht 2" ersetzt wird und daß die
durchgehende Profilsicht auf dem Kulminationspunkt (Minister) einem "en-
62Die lange Nase könnte mit der Bedeutung von Heuchlerei (vgl. den "enano na rigudo") in Ver-
bindung gebracht werden; in jedem Fall dient sie einer Ridikülisierung der Figur.
17
face"-Porträt am nächsten kommt. So suggeriert der Zeichenstil eine mit der
politischen Karriere wachsende Unterlegenheit des Protagonisten als
Befehlsempfänger und lädt zu einer erneuten Reflexion und Evaluation
solcher "Karrieren" ein. 63
Diese "lealtad a los jefes" bestimmt - spätestens seit 1920 - auch den Le-
bensweg von Quezadas Protagonisten und erscheint als Grundlage für des-
sen politische Karriere.
Auch wenn die These eines "Revolutionsverrates" sehr umstritten ist, 65
63Es ist auffällig, daß die letzte Stufe dieser "Karriere", die Präsidentschaft, ausgelassen bzw. durch
die Ehefrau oder Geliebte ersetzt wird. Möglicherweise hat Quezada nicht gewagt, diese im
offiziellen Diskurs sakrosankte Figur direkt zu ridikülisieren.
64Marta Margarita López Urrutia (1973): México y lo mexicano en la obra de Carlos Fuentes. Uni-
versity of Arizona, S. 184 / Vgl. auch Armando de María y Campos zum Beginn des Revolutions -
verrates (1962): Episodios de la Revolución. Carranza y el Constitucionalismo. México, S. 236: "El
gobierno de Carranza [...] se derrumbó por haber faltado a todas las promesas revolucionarias; por
haber establecido la corrupción como sistema y haber implantado el reinado de los favoritos."
65In der modernen Historiographie dominiert mittlerweile die Auffassung, daß die Revolution insge -
samt einen bürgerlichen Charakter hatte und nicht etwa erst nachträglich in diesen Charakter per -
vertierte. Ein früher Vertreter dieser Meinung ist Dagoberto Fuentes (1971): La desilusión de la
revolución mexicana de 1910, vista en la obra de Carlos Fuentes. Los Angeles, S. 9: "Yo creo pues
que la revolución mexicana [...] fue fiel, fue fiel a todos sus principios políticos reales, sus intereses
de clases reales; nunca pretendió ser una revolución proletaria, socialista."
66Die Argumentation ist einer gängigen Forschungsposition um Arnaldo Córdova zu entnehmen, der
die Erhebung von 1910 wiederholt als "revolución burguesa" charakterisiert hat. Vgl. Córdova in
dem zitierten UNAM-Interview (1986: 27). Außerdem Arnaldo Córdova (1981): "México.
Revolución burguesa y política de masas", in: ders. (u.a.): Interpretaciones de la revolución mexi-
cana, México, S. 55-89/ Enrique Semo (1981): "Reflexiones sobre la revolución mexicana", ebda.,
S. 135-150, S. 135: "La revolución mexicana es el concepto fundamental de la ideología burguesa
contemporánea en nuestro país."
18
bzw. sozioökonomischen Karriere erreichen. Ebenso übereinstimmend
67
67Zu Quezadas Bildgeschichte vgl. die Vignette 5 "1950: Ministro". Zum Werdegang des
fiktionalen Artemio Cruz formuliert López-Urrutia (1973: 187): "Se convierte Artemio en uno de
los hombres más ricos e importantes del país, y durante el alemanismo su imperio económico llega a
su jauja y consolidación definitivas."/ Ähnlich bei Fernando Moreno (1989): Carlos Fuentes. La
mort d´ Artemio Cruz entre le mythe et l´histoire. Paris, S. 97
68Agustín (1991: 119) gibt dem Zeitraum von 1952 bis 1958 den Titel "El desarrollo estabili zador".
Mols (1983: 105) bezeichnet Ruiz Cortines und seinen Nachfolger López Mateos als "mittlere
Präsidenten", die "in alter Tradition ohne radikalen Bruch mit der Politik des Vorgän gers"
fortfahren.
69Jesús Romero Flores (1960): Del porfirismo a la revolución constitucionalista. México, S. 8/ Vgl.
Salinas de Gortari (1987: 10): "Desde 1917 ha ocurrido el cambio bajo nombres diferentes, pero con
el mismo propósito: reconstrucción se le llamó en los años veinte; revolución en los treinta [...]
después fue desarrollo; hoy ha reencontrado sus orígenes al convertirse en renovación social."
70Adolfo Ruiz Cortines, zitiert in: Carlos Chico Alatorre (1953): Cauce y Horizontes de la Revo-
lución Mexicana. México, S. 177
71Ausschnitte beigefügt als "Anhang II und III"
72Die erste Auflage von La Interminable Conquista de México erschien 1976. Die hohe Rezeption in
den Folgejahren (1984 erschien die 18te Auflage) legt es aber nahe, anstelle einer einfachen Fokali -
19
als eine Serie zyklisch immer wiederkehrender Phasen von Eroberungen
und Ausbeutungen des Landes durch ausländische Mächte. Die Mächte sel-
ber und auch ihre "Eroberungspraktiken" haben sich im Verlauf historischer
Entwicklungen verändert, die Grundkonstellation einer Fremdherrschaft
über Mexiko, die von eigennützigen oder naiven Caudillos und Kaziken in-
nerhalb des Landes gestützt wird, unterliegt nach "Rius" keinem fundamen-
talen Wandel. Wir betrachten im folgenden die Titelseite und den Abschnitt
über die mexikanische Geschichte von 1910-17 im Detail.
Die Titelseite akzentuiert die Verfolgung eines unbewaffneten Indio
durch einen Conquistador, der selber wiederum von einem "Gringo" gejagt
wird. Alle drei Figuren sind bei geringen historischen Vorkenntnissen über
ihre Kleidung unmittelbar identifizierbar, ihre Größendimension (vom Ver-
folgten zum Verfolger ansteigend), das Netz als gemeinsames Attribut von
Conquistador und Nordamerikaner sowie der Laufschritt aller drei Figuren
stellen die Szene als Verfolgungsjagd heraus. Der spanische Soldat verweist
über sein Schwert auf den gewaltsamen Charakter seiner Jagd, während der
Zylinder des Amerikaners die ökonomische Macht betont. Insgesamt han-
delt es sich um eine bildlich-pointierte Vorentlastung des Titels, der als
Textblock unmittelbar folgt. Der Beginn (mitten im Titel), die Reihung der
einzelnen Wörter ohne Rücksicht auf Wortgrenzen und Seitenbegrenzungen
und der versetzte Zeilenanfang verweisen auf die Unendlichkeit der Con-
quista. Den Abschluß bildet eine Sonne - möglicherweise die aztekische
Gottheit Tonatiuh. Sie weint und verbleibt so als Symbol des ausgebeuteten
Mexiko.
Aus dem Textausschnitt zur mexikanischen Revolution ist zu entneh- 73
men, daß der Sturz von Porfirio Díaz, der militärische Erfolg Maderos, des-
sen Ermordung während des Huerta-Putsches und der Sturz Huertas auf ei-
ne, primär ökonomischen Interessen folgende Herrschaftsstabilisierungs-
politik der USA zurückzuführen ist. Klare Bezüge sind die Ausrüstung der
maderistischen Armee mit nordamerikanischen Waffen, die Beteiligung des
amerikanischen Botschafters Henry Lane Wilson an Sturz und Ermordung
Maderos zugunsten Huertas und schließlich ein vehementer politischer
Druck gegen Huerta, der in der militärischen Okkupation von Veracruz
(21.4.1914) kulminiert. Die Bildgeschichte arbeitet mit einer monokausalen
sierung der Echeverría-Administration (1970-1976), die Präsidentschaften von López Portillo (1976-
1982) und De la Madrid (1982-1988) mitzuberücksichtigen und in ihrer Exemplarität für das postre -
volutionäre politische System auf strukturelle Kontinuitäten hin zu untersuchen.
73Wegen der extremen Verdichtung der Revolution in La Interminable Conquista de México er-
scheint die exemplarische Behandlung der dortigen Seiten sinnvoller als die Fokalisierung eines
Textausschnittes von La Revolucioncita Mexicana. Bei letzterem Werk wäre im Rahmen dieses
Aufsatzes eine Beschränkung auf ein einziges Detail des Revolutionsverlaufes notwendig gewesen.
20
Verkürzung der Revolutionsereignisse auf den Einfluß der USA. Für del
Ríos Zeichenstil typisch sind die Informationen fast ausschließlich dem
Begleittext oder Sprechblasen außenstehender Beobachter zu entnehmen.
Die "grobschlächtigen" Hauptfiguren verweisen oft auf solche "Randtexte",
so der triumphierende "gringo" (V. 5) mit Frack und Zylinder, in dessen
Rücken der Kommentar die ökonomischen Interessen der USA zusammen-
faßt: "¿Es que los gringos simpatizaban con la Revolución Mexicana? No.
Pero les interesaba muchísimo ´controlarla´..." Charakteristisch ist auch die
Funktion der Komik als Medium, das den Rezipienten zu den kritischen
Aussagen des Autors führt. Die Karikatur provoziert Heiterkeit durch die
Simplizität ihrer Zeichnung und durch fehlerhafte Proportionen (Kopf und
Hut überdimensional, Arme und Beine extrem verkürzt), ähnlich "lustig"
wirkt zunächst der Widerspruch von Aussage und Gedanke, der durch die
Sprechblase komprimiert wiedergegeben und unmittelbar dem "Gringo" zu-
geordnet wird: "¡Viva la Revolución! (Pero no mucha...)" Spätestens der
eher informative als unterhaltende Randtext lenkt aber den belustigten Re-
zipienten auf eine ernste Seite des Inhalts, die das Verhalten des "Gringo"
als Ausdruck einer in fremdem Machtinteresse begründeten Hypokresie er-
klärt. Die nächsten Vignetten verweisen mit dem politischen Mord an Ma-
dero und einer Marginalisierung der mexikanischen Bevölkerungsmehrheit 74
74Der Darstellung in Martín Luis Guzmáns (1928): El águila y la serpiente sehr ähnlich zeichnet del
Río in La Interminable Conquista de México (1984) und La Revolucioncita Mexicana (1986) den
Revolutionsverlauf als eine Serie elitärer Machtkämpfe, in denen der Bevölkerungsmehr heit nur
eine sehr marginale politische Bedeutung zukommt.
21
Nordamerikaner" und durch skrupellose Caudillos hervorzuheben. Das 75
77Mols (1976), ebda., S. 216f. zur Auslandsverschuldung: 1950 = 0.8% des Bruttosozialproduktes/
1970 = 22% (7.2 Mrd. US-Dollar)/ 1974 = 28% (ca. 22 Mrd. US-Dollar). Nahezu die Hälfte der
Schuldensumme stammt 1974 von amerikanischen Privatbanken. Der negative Saldo für Außenhan-
del und Dienstleistungen betrug 1970, zu Beginn der Echeverría-Administration, noch 1,2 Mrd. US-
Dollar, 1975 bereits 5,4 Mrd.. Parallel wurden verstärkt Kredite im Ausland aufgenommen: 1970
noch 1,1 Mrd. US-Dollar, 1975 5,2 Mrd. US-Dollar./ Judith Adler Hellman (1983): Mexico in crisis.
New York, London, S. 62f. zur Situation beim Amtsantritt von De la Madrid (Auslandsver-
schuldung 1982: 80 Billionen Pesos): "Mexico had earned the dubious distinction of being the most
indebted country in the world."/ Vor dem Hintergrund einer Entwicklung Mexikos unter
Echeverrismo und Lopezportillismo konstatiert Mols eine "wachsende Dependenzsituation", die
wahrscheinlich "der Machterhaltung des Regimes der Institutionalisierten Revolution zugute ge-
kommen" sei. Manfred Mols: "Faktoren der politischen Stabilität Mexikos", in: Steger/ Schneider
(1980: 521-543, 535)
78Manfred Mols, ebda., S. 211
79Der Artikel 27 der Verfassung von Querétaro, der über die Deklaration mexikanischer Boden -
schätze als Eigentum der mexikanischen Nation die Möglichkeit von Enteignungen ausländischer
Ölförderer und Minenbesitzer bot, war Zentrum langjähriger Spannungen zwischen nordamerikani -
schen Regierungen und den Regierungen Carranza bzw. Obregón. Die 1938 dann unter Lázaro Cár -
denas erfolgende Nationalisierung des Erdöls reaktualisierte den alten Konfliktstoff zeitweilig. Vgl.
Manfred Mols (1983: 85ff.) Detaillierter bei Karl M. Schmitt (1974): Mexico and the United States.
1821-1973: Conflict and Coexistence. New York, S. 163ff. und Octavio Ianni (1977): El Estado
Capitalista en la época de Cárdenas. México, S. 81ff.
80Hans-Werner Tobler (1976): "Zur Historiographie der mexikanischen Revolution 1910-40", in:
Mols/ders. (1976: 4-48, 27)
23
Ein Detailvergleich der zahlreichen in Del Ríos Comicbuch angespro-
chenen Interventionen mit den Ergebnissen der modernen Historiographie
würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Insgesamt ist aber auffällig, daß
Del Río einen starken Gebrauch von der "Übertreibung" macht. Hierzu
gehören eine monokausale Verkürzung der Revolutionsabläufe auf den
Faktor USA und eine mitunter dogmatische Verwendung populärer Mythen
zur historischen Erklärung. Beispielhaft ist die Behauptung, der Versuch
einer Besteuerung ausländischer Ölgesellschaften wäre Maderos "sentencia
de muerte" gewesen (V. 6) und die Ermordung Maderos sei auf "órdenes
directas" (ebda.) des amerikanischen Botschafters Henry Lane Wilson
zurückzuführen. Die deutlich pointierte Überspitzung historiographisch
gesicherter Fakten, an deren Ende ein ebenso kohärentes wie verzerrendes
82
81Knight (1986: 183ff.) argumentiert eher gegen eine Überbewertung der nordamerikanischen
Interventionen.
82Zu den konspirativ-subversiven Tätigkeiten des amerikanischen Botschafters Henry Lane Wilson
beim Militärputsch gegen die Regierung Madero insbesondere Berta Ulloa (1971): La Revolución
intervenida - Relaciones diplomáticas entre México y Estados Unidos (1910-1914). México, S. 26-
55, P. Edward Haley (1970): Revolution and Intervention: The Diplomacy of Taft and Wilson with
Mexico, 1910 bis 1917. Cambridge, S. 21-73 und Karl M. Schmitt (1974): Mexico and the United
States. 1821 bis 1973: Conflict and Coexistence. New York, S. 111-126
83Borsó (1990: 35)/ Zur Konkretisierung vgl. Michel Foucault (1969) in Archéologie du savoir.
Paris (dt.: Archäologie des Wissens, München 1973). Demnach muß eine "Menge von Aussagen"
vier Kriterien erfüllen, um als Diskurs bezeichnet werden zu können. Sie muß (1.) "auf einen
gleichartigen Objektbereich verweisen", (2.) "eine gleichgeartete Äußerungsmodalität" anwenden,
um diesen Bereich zu behandeln, (3.) "gleichgearteten argumentativen Wahlmöglichkeiten und
Argumentationsstrategien" folgen und (4.) überindividuellen Charakter haben. (ebda., S. 82)
Letzteres, bei Foucault (1971) in L´ordre du discours, Paris, S. 39ff. detailliert behandelte Kriterium
24
gehende Verzicht auf die in konventionellen Unterhaltungscomics und of-
fiziellen Comics übliche "Ausmalung" der Figuren und ihrer zeitlichen und
räumlichen Handlungskontexte", der weitgehende Verzicht auf eine far-
84
resümiert Borsó (1990: 34) in drei Kriterien. Demnach ist ein Diskurs (1.) eine "das individuelle
und soziale Bewußtsein transzendierende Instanz, welche die Logik der Aussage bestimmt", er hat
(2.) eine "interne Logik", welche die Regelung der Machtverteilung bestimmt und er beinhaltet (3.)
"Zwänge, die sich als Zufälle verschleiern und auf der Ebene des Sprachsystems selber ansiedeln".
84Vgl. die fast naturalistischen Landschaft- und Personenporträts bei der Comicreihe Tarzan. Die
Revolutionsgeschichten in der, von der Secretaría de Educación Pública herausgegebenen Reihe
México. Historia de un pueblo sind zwar künstlerisch mit der Tarzanreihe kaum vergleichbar,
zeigen aber eine sehr ähnliche Präferenz für die "dokumentarisch-realistische" Vermittlung
realitätsferner Konstrukte.
85Der Verzicht auf Farben folgt mitunter auch Kostengründen.
86Borsó (1990: 35f.) verweist auf einen solchen Mechanismus im Zusammenhang mit der regula-
tiven Funktion der Literatur gegenüber den wissenschaftlichen Diskursen.
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das der zeitgenössischen offiziellen Mythen verdichtet zu inszenieren,
dadurch angreifbarer zu machen und letztendlich durch die Zersetzung
herrschaftslegitimierender Revolutionsbilder einen Beitrag zur
Destabilisierung einer irrationalen Herrschaftsform zu leisten.
Auch wenn die "Anti-Comics" noch nicht von "der breiten Masse" gele-
sen werden, so ist ihre Distribution doch ungleich höher als die der von
Borsó (1992) behandelten modernen Romane und "crónicas". Die
Rezeptionsgewohnheiten der mexikanischen Bevölkerungsmehrheit legen
zudem die These nahe, daß sich die "Leserschaft" der "Anti-Comics" in den
nächsten Jahren und Jahrzehnten erheblich vergrößern wird. Zu betonen ist,
daß Comics neben Fernsehen und Radio die Hauptinformationsträger für
die Masse der mexikanischen Bevölkerung darstellen. Da Fernsehen und
Radio staatlich streng kontrolliert werden, Comics hingegen in der
Vergangenheit kaum zensiert wurden und prinzipiell schwerer zu
kontrollieren sind, liegen gerade hier Möglichkeiten für einen effizienten
Gegendiskurs, eben weil dieser die "breite Masse" erreicht, die
zumindestens einer kontinuierlichen Festigung und Vertiefung ihrer im
allgemeinen sehr oberflächlichen kritischen Bewußtseinsinhalte bedarf, um
einen dauerhaften Mentalitätenwandel zu vollziehen. Das Scheitern der
mexikanischen Revolution hat gezeigt, daß soziale Veränderungen
kurzfristig über eine Verschärfung der jahrhundertealten Tradition
politischer Gewalt nicht zu erreichen sind. Der "Anti-Comic" bietet sich als
eine, auf die Rezeptionsgewohnheiten der Zielgruppe weitestgehend
zugeschnittene Gegendiskursform an, über die langfristig Bewußtseins-
änderungen als Grundlage für kollektive Verhaltensänderungen vollzogen
werden könnten. Nicht etwa alternativ, sondern im Kontext von anderen
Gegendiskursen sowie dem Bemühen um eine erhöhte Allgemeinbildung,
aber auch den direkten Ansätzen zum Abbau von Korruption, "Compa-
drazgo" und oligarchischen Strukturen im Staatsapparat, liegt hier ein
großes emanzipatorisches Potential, das noch relativ wenig genutzt und
noch ungleich weniger gefördert wurde.
Resumen:
En conexión con la desestabilización reciente del gobierno mexicano el
autor expresa su escepticismo acerca de la posibilidad de llegar a un cambio
fundamental del sistema político por medio de la violencia. Las esperanzas
para este cambio se concentran en un cambio de mentalidades provocado
por los "anti-discursos". A este terreno pertenecen los "anti-comics" como
forma de arte que tiene la capacidad de reflejar mitos sociales y que se
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distingue de otros anti-discursos más tradicionales (como la Novela de la
Revolución) por una distribución relativamente amplia. Considerando las
costumbres generales de recepción se declara que los "anti-comics" son un
"anti-discurso" moderno con la capacidad de contribuir a un cambio de
mentalidades de la masa mexicana.
Como obras ejemplares de un "anti-comic" mexicano se investiga Re-
volución y una obra sin título (1957) de Abel Quezada, además la parte que
trata la revolución en Eduardo del Ríos La Interminable Conquista de
México (1976). Se descubre que estas obras adaptan y exageran
conscientemente unas tesis centrales de la historiografía moderna para
desestabilizar mitos oficiales que legitiman el poder del PRI.
En una oposición directa a los mitos oficiales se muestra la incompatibi-
lidad de las dos "imágenes" de la revolución. Esta incompatibilidad - aún
más fuerte en el contexto contemporáneo de la publicación de las historietas
- debería servir como base para una concientización del receptor.
En el nivel de la estructura del discurso "comic" se constata el intento de
una desestabilización del discurso oficial por medio del reflejo paródico de
los mitos oficiales. Así se entiende la exageración en los "anti-comics" no
solamente como un medio principal de mostrar al receptor (por medio del
humor) la crítica inminente en el comic sino también como una sátira al
modelo presentado como discurso oficial coherente y real. Por tanto, es a
partir de la exageración producida por el comic que éste obliga al receptor a
enfrentarse a fondo con la artificialidad del discurso oficial.
Ausgewählte Bibliographie:
A. Werkausgaben
del Río, Eduardo (1976): La Interminable Conquista de México. México
B. Untersuchungen
Agustín, José (1991): Tragicomedia Mexicana I. La vida en México de 1940-1970. México
Borsó, Vittoria (1992): "Die Aktualität mexikanischer Literatur: von der Identität zur
Heterogenität", in: Iberoamericana 16, 46, S. 84-108
Fresnault-Deruelle, Pierre (1973): "La langue des bandes dessinées et leur contenu culturel", in: Le
Francais dans le Monde 98, S. 14-19
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GRAL (Hg./1985): Pouvoir et contre-pouvoir dans la culture mexicaine. Paris
Hinds, Harold E. (1985): "Comics", in: Studies in Latin American Popular Culture 4, S. 24-26
Mols, Manfred (1983): Mexiko im 20ten Jahrhundert. Politisches System, Regierungsprozeß und
politische Partizipation. Paderborn, München
Ochoa González, Oscar (1985): "El Comic en el contexto de los valores sociales", in: Anuario
Veritas, 4, S. 521-530
Salinas de Gortari, Carlos (1987): Juntos enfrentaremos los retos. Discursos de campaña, I (ges. 4
Bde.). México
Salinas de Gortari, Carlos (1990): Segundo Informe de Gobierno (jährlich folgend). México
Tobler, Hans-Werner (1984): Die mexikanische Revolution. Gesellschaftlicher Wandel und politi-
scher Umbruch. 1876-1940. Frankfurt
UNAM (Hg./1986): "Vieja Revolución. ¿Nueva Historiografía?", in: Universidad de México 44,
466, S. 18-40
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