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Stoffkreisläufe und Stoffströme auf der

regionalen und lokalen Ebene optimieren


Handlungsfelder, Fallbeispiele und Empfehlungen
für die lokale Wirtschaft und Zivilgesellschaft

Für Mensch & Umwelt


Impressum
Herausgeber:
Umweltbundesamt
Fachgebiet I 1.1
Postfach 14 06
06813 Dessau-Roßlau
Tel: +49 340-2103-0
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/umweltbundesamt

Autoren:
von Martin Gsell und Günther Dehoust
Öko-Institut

unter Mitarbeit von Maic Verbücheln und Sandra Wagner-Endres,


Deutsches Institut für Urbanistik (Difu)

Im Auftrag des Umweltbundesamtes

Redaktion:
FG I 1.1. Jens Günther

Satz und Layout:


Sebastian Schaar | creative workers club

Publikationen als pdf:


www.umweltbundesamt.de/publikationen

Bildquellen:
DifU/Maic Verbücheln (Seiten 4, 6, 7, 10, 13, 15, 16, 21, 28, 35)
pixabay.com (Seiten 18, 29, 31)
Öko-Institut e.V. (Seite 33)
Stand:
April 2018

ISSN 2363-832X (Internet)


ISSN 2363-8311 (Print)

4
Stoffkreisläufe und Stoffströme auf der
regionalen und lokalen Ebene optimieren
Handlungsfelder, Fallbeispiele und Empfehlungen für
die lokale Wirtschaft und Zivilgesellschaft
Inhalt

Inhalt

Vorwort.................................................................................................................................5

1. RegioRess: Das Projekt..................................................................................................... 6

2. Stoffströme und Ressourceneffizienz – Herausforderungen und Handlungsfelder............... 8

3. Optimierung von Stoffströmen – fünf Beispiele für kommunales Engagement ................... 13

3.1 Ressourceneffiziente Quartiersentwicklung: Hammarby Sjöstad in Stockholm ...................................... 13

3.2 N
 achhaltige Gewerbestandorte: Strategie der Wirtschaftsförderung Duisburg...................................... 17

3.3 Wiederverwendung in regionalen Netzwerken: RECOM Ostwestfalen....................................................19

3.4 K
 ommunale Ressourcenstrategie: das Bauwerk Stadt Zürich............................................................... 22

3.5 R
 egionale Wertschöpfung durch Regiogeld: der Chiemgauer ............................................................... 24

4. Wege zur Optimierung von Stoffströmen und Stoffkreisläufen in Kommunen..................... 26

5. Bausteine zur Umsetzung von Stoffstromprojekten


für die lokale Wirtschaft und Zivilgesellschaft.................................................................. 30

6. Zusammenfassung und Ausblick..................................................................................... 34

7. Literaturverzeichnis........................................................................................................ 35

3
Vorwort

Vorwort

Seit mehr als zehn Jahren berechnet die Forschungsor- men und an Akteure der Zivilgesellschaft und soll eine
ganisation Global Footprint Network den ökologischen Hilfestellung bei der Optimierung von Stoffkreisläufen
Fußabdruck von über 150 Ländern – für Deutschland und Stoffströmen geben.
mit einem erschreckenden Ergebnis: Bereits am 24.
April 2017 waren rechnerisch die nachhaltig nutzbaren Im Rahmen von RegioRess wurden Vertreterinnen
erneuerbaren Ressourcen für das gesamte Jahr 2017 und Vertreter der Stadtverwaltung und des Umwelt-
verbraucht (German Overshoot Day). Dies zeigt sehr betriebs Bielefeld, der Stadtverwaltung Zürich, der
anschaulich, dass der Verbrauch natürlich verfügba- Stadtverwaltung und der Universität Stockholm, der
rer Ressourcen in Deutschland deutlich über unseren Stadtwerke Rosenheim, der Recyclingbörse Herford
Anteil an den global vorhandenen Ressourcenkapazi- (Arbeitskreis Recycling e.V.), der Wirtschaftsförderung
täten liegt und damit auf Kosten zukünftiger Generati- Duisburg, der Effizienz-Agentur NRW, der Sozialge-
onen geht. nossenschaft Regios eG, der Energie- und Ressour-
cen-Management GmbH, der Porta Möbel GmbH & Co.
Die Herausforderung, unsere natürlichen Ressourcen KG und der Deutschen Post DHL Duisburg befragt. Die
zu schützen, muss gesamtgesellschaftlich angegan- Mitwirkung dieser unterschiedlichen regionalen und
gen werden. Vor allem auf der regionalen und lokalen lokalen Akteure an der Untersuchung ermöglichte eine
Ebene kann der Ressourcenverbrauch durch die Opti- praxisnahe Untersuchung der im Projekt zu klärenden
mierung und Schließung von Stoffkreisläufen effektiv Fragestellungen, weshalb sich das UBA, das Difu und
reduziert werden. Akteure, die darauf Einfluss haben, das Öko-Institut an dieser Stelle ganz herzlich für die
sind in der lokalen Wirtschaft, Zivilgesellschaft, bereitgestellten Informationen sowie die Mitarbeit
Verwaltung sowie der Politik zu finden. Im Ressour- bedanken möchten.
ceneffizienzprogramm der Bundesregierung wurde
auf die besondere Rolle der Kommunen und lokalen
Akteure bei der Verbesserung der Ressourceneffizienz
verwiesen.

Vor diesem Hintergrund hat das Umweltbundesamt


(UBA) das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) und
das Öko-Institut e.V. mit dem Projekt „Hemmnisse und
Potenziale zur Ressourceneffizienzsteigerung durch
Optimierung regionaler und lokaler Stoffkreisläufe
und Stoffströme“, kurz: „RegioRess“, beauftragt. Diese
Broschüre ist ein Ergebnis des Projekts und soll den
kommunalen Akteuren Hinweise zur Optimierung
von Stoffkreisläufen und Stoffströmen geben. Es wird
einerseits auf die vielfältigen kommunalen Hand-
lungsfeldern hingewiesen und es werden andererseits
konkrete Beispiele zur Optimierung von Stoffströmen
und Stoffkreisläufen aus der Praxis anhand von fünf
Fallbeispielen beschrieben. Hierbei wurden verschie-
dene Handlungsfelder untersucht, zudem über den
Tellerrand hinausgeschaut und auch Beispiele aus der
Schweiz und Schweden aufgenommen. Des Weiteren
wurden Erfolgsfaktoren und Hemmnisse identifiziert
sowie Lösungsansätze und Handlungsoptionen für
kommunale Akteure abgeleitet. Die vorliegende Bro-
schüre richtet sich an Entscheidungsträgerinnen und
-träger, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unterneh-

5
RegioRess | Einführung in das Projekt

1. RegioRess: Das Projekt


Das Forschungsvorhaben „Hemmnisse und Potenzi- in Deutschland die Ressourceneffizienz zu erhöhen,
ale zur Ressourceneffizienzsteigerung durch Opti- wurde 2012 von der damaligen Bundesregierung das
mierung regionaler und lokaler Stoffkreisläufe und „Deutsche Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess)“
Stoffströme“ wurde im Auftrag des Umweltbundesam- beschlossen. Mit ProgRess sollen eine nachhaltige
tes (UBA) im Rahmen des Umweltforschungsplanes Rohstoffversorgung gesichert, Ressourceneffizienz
des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz in der Produktion gesteigert, Produkte und Konsum
und Reaktorsicherheit (BMU) mit der FKZ 371493 1000 ressourcenschonender gestaltet und eine ressourcenef-
durchgeführt. fiziente Kreislaufwirtschaft ausgebaut werden.

Hintergrund Potenziale in den Kommunen

Natürliche Ressourcen wie Rohstoffe, Boden, Wasser Große, bisher wenig beachtete Potenziale zur Erhö-
und Luft sind Grundlage unseres täglichen Lebens hung der Ressourceneffizienz werden auf regionaler
und Wirtschaftens. Um weniger natürliche Res- und lokaler Ebene gesehen. Den kommunalen Un-
sourcen zu verbrauchen und diese effizienter und ternehmen und der Zivilgesellschaft kommt bei der
nachhaltig zu nutzen, ist eine umfassende Kreislauf- Optimierung eine zentrale Rolle zu. Viele Stoffströme,
wirtschaft und auch Rohstoffwende anzustreben. Um wie zum Beispiel die Wasserver- und Abwasserent-
sorgung (z.B. Reststoffe, Klärschlämme) sowie viele
Abfallströme (z.B. Elektroaltgeräte) sind zumeist kom-
munal oder regional organisiert, Teil der regionalen
Wertschöpfung und können besser genutzt werden.
Dies wurde auch seitens des Bundes erkannt, weshalb
2016 die wichtige Rolle der Kommunen als Akteure der
Ressourceneffizienz im ProgRess II deutlich hervorge-
hoben wurde.

Der Forschungsansatz

Mit RegioRess wurden Möglichkeiten und Potenziale


der Optimierung regionaler und lokaler Stoffströme
und Stoffkreisläufe zur Steigerung der Ressourcenef-
fizienz und -effektivität identifiziert, evaluiert und
Handlungsempfehlungen für die Akteursgruppen
Kommunen sowie regionale Wirtschaft und Bürgerin-
nen und Bürger erarbeitet. Neben dieser Broschüre
wurde eine zweite Broschüre mit dem Titel „Res-
sourceneffizienz in Kommunen – Stoffströme und
Stoffkreisläufe auf der regionalen und lokalen Ebene
optimieren. Handlungsfelder, Fallbeispiele und Emp-
fehlungen für Kommunen“ veröffentlicht.

Grundlage war eine umfassende Recherche und die


Untersuchung von vorhandenen kommunalen Ideen,
Konzepten und Beispielen zur Verbesserung der
Ressourceneffizienz. Auf Basis der Recherche wurden
mehr als 200 Ansätze bzw. Projekte betrachtet. Über
ein mehrstufiges Verfahren erfolgte die Auswahl von
fünf unterschiedlichen Fallbeispielen zu regionalen

6
RegioRess | Einführung in das Projekt

und lokalen Stoff-, Energie-, und Finanzströmen, die Das Projekt startete im Jahr 2014 und wurde in 2018
anschließend umfassend und vertiefend analysiert abgeschlossen. Der Abschlussbericht des Vorhabens
wurden . Ziel der Untersuchung war es, wesentliche wird auf der Webseite des Umweltbundesamts (www.
Erfolgsbedingungen und Hindernisse zu identifizie- umweltbundesamt.de) veröffentlicht.
ren, um Lösungen für die Gestaltung und Umsetzung
von Ressourceneffizienz im regionalen und kommu-
nalen Kontext zu erarbeiten.

Darauf aufbauend wurden notwendige Rahmenbedin-


gungen für eine erfolgreiche Umsetzung ausgearbei-
tet und entsprechende Politikempfehlungen gegeben.
Dabei sollte auch die Frage beantwortet werden, wie
regionale und kommunale Managementprozesse ver-
stärkt integrativ ausgestaltet werden können.

7
Stoffströme und Ressourceneffizienz | Herausforderungen und Handlungsfelder

2. S
 toffströme und Ressourceneffizienz –
Herausforderungen und Handlungsfelder
Vor welchen Herausforderungen stehen wir? Der Schutz der natürlichen Ressourcen betrifft die
Belange des Umweltschutzes, aber insbesondere auch
Unsere Gesellschaft steht seit Jahren vor verschiede- der Wirtschaft. Gerade Deutschland, mit einem hohen
nen umweltpolitischen Herausforderungen wie der Anteil an Industrie und produzierendem Gewerbe, ist
Klimawandel, die zunehmende Verschmutzung der von einer sicheren Versorgung mit Rohstoffen – vor
Meere, die Übernutzung von natürlichen Ressour- allem durch den Import – abhängig. Zudem sind Ma-
cen etc., die bisher nicht zufriedenstellend gelöst terialkosten ein zentraler Faktor für die Wettbewerbs-
sind. Unser Wirtschaftsmodell, das aufgrund seines fähigkeit. Sie stellen im verarbeitenden Gewerbe den
Wachstumspostulats mit einem hohen Ressourcenbe- größten Kostenblock dar, der deutlich über den der
darf und Abfallaufkommen verbunden ist, sowie das Energie- und Personalkosten liegt. Die Knappheit
auf immer neue Produkte in kürzeren Lebenszyklen von Rohstoffen kann deren Kosten weiter in die Höhe
ausgerichtete Konsumverhalten der Gesellschaft ver- treiben.
stärken die Problematik. Hinzu kommen Trends wie
die weltweiten Urbanisierungsprozesse, die unweiger-
lich zu einer Ressourcenübernutzung und -knappheit Neben dem Verbrauch von fossilen, wer-
führen. Problematisch ist, dass die gesamte Wert- den auch die regenerativen Ressourcen seit
schöpfungskette mit Umweltfolgen verbunden ist, Jahren weit über ihre Regenerationsfähigkeit
d.h. von der Gewinnung, Aufbereitung, Nutzung, dem hinaus genutzt – das gefährdet unsere na-
Recycling bis hin zur Entsorgung. Gerade die Nutzung türliche Lebensgrundlage und birgt für die
fossiler Rohstoffe hat negative Auswirkungen auf den Wirtschaft zunehmend ökonomische Risiken.
Naturhaushalt. Wie relevant diese Entwicklungen
sind, zeigt die Infobox 1.

Infobox 1
Zahlen zur Ressourcennutzung
• V erzwölffachung des weltweiten Verbrauchs • D em Global Footprint Networks zufolge lebt
fossiler Energieträger im 20. Jahrhundert. die gesamte Weltbevölkerung derzeit (Stand
• Anstieg des Abbaus von Bodenschätzen um Juli 2017) so, als hätten wir 1,7 Erden zur Ver-
den Faktor 34. fügung.
• 16 Mg Werkstoffe werden in der EU pro Jahr • In Deutschland wurden 403 Mio. Tonnen fos-
und Einwohner verbraucht – davon fallen 6 sile Energieträger, 602 Mio. Tonnen Minerali-
Megagramm als Abfall an. en und 25 Mio. Tonnen Metallerze sowie 272
• China hat in drei Jahren 6,6 Gigatonnen Mio. Tonnen Biomasse verbraucht.
Zement verbaut (2011–2013), die USA haben Quellen: KOM (2011) 571, Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa, Brüssel
2011; US Geological Survey und IEA New Policies Scenario, 2017; UBA: DieNutzung
im ganzen 20. Jahrhundert 4,5 Gigatonnen natürlicher Ressourcen – Bericht für Deutschland, Dessau-Roßlau 2016

eingesetzt (1901–2000).
• Die Internationale Energie Agentur geht –
trotz Verlangsamung – von einem Anstieg der
Energienachfrage um 30 Prozent von 2017 bis
2040 aus.

8
Stoffströme und Ressourceneffizienz | Herausforderungen und Handlungsfelder

Development Goals – SDG) von einem nachhaltigeren


Umgang mit natürlichen Ressourcen abhängen.
Infobox 2
ProgRess II Auf der europäischen Ebene ist die „Leitinitiative
hier wurden u.a. folgende Aktivitäten zur Stär- Ressourcenschonendes Europa“ eine der sieben
kung der Ressourceneffizienz in Unternehmen Leitinitiativen der Europa2020-Strategie, wonach ein
aufgeführt: nachhaltiges Wachstum angestrebt wird. Die Stär-
kung der Ressourceneffizienz ist zudem als eine der
drei Hauptsäulen für die Verwirklichung der Vision
• Unterstützung von Ansätzen der industriel-
2050 „Gut leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen
len Symbiose zur Schließung von Ressour-
unseres Planeten“ benannt. Die Ressourceneffizienz
cenkreisläufen
ist Thema in unterschiedlichen, miteinander verbun-
• Etablierung spezifischer Informations- und
denen politischen Strategien, etwa dem Fahrplan der
Beratungsangebote für Ressourceneffizienz
EU für ein ressourcenschonendes Europa oder dem
in Unternehmen
Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft.
• Anreize schaffen für die Nutzung von Ener-
gie- und Ressourcenmanagement in Unter-
Deutschland strebt im Rahmen der nationalen
nehmen (z.B. KMU)
Nachhaltigkeitsstrategie an, den Anstieg der Rohstoff-
produktivität bis 2030 analog zum Trend der ersten
Dekade des 21. Jahrhunderts zu steigern (Bundesre-
Unterstrichen wird die Notwendigkeit zu handeln gierung 2016). Dabei ist auch auf das „Deutsche Res-
auch durch den Grundlagenbericht des International sourceneffizienzprogramm“ (ProgRess) zu verweisen,
Resource Panel, wonach der jährliche Rohstoffbe- das im Jahr 2012 beschlossen wurde. ProgRess basiert
darf von derzeit ca. 90 Mrd. Tonnen sich bis 2050 auf der Idee, dass Ressourceneffizienz und -schonung
verdoppeln könnte, wenn keine Gegenmaßnahmen gleichermaßen wirtschaftlichen und umweltpoli-
getroffen werden. Bei einer sektoralen Betrachtung tischen Zielen dienen. In ProgRess I (2012) wurden
z.B. des Mobilitätssektors wird deutlich, dass eine Leitideen und Handlungsansätze zum Schutz der na-
Transformation hin zu (batterie)elektrischen Antrie- türlichen Ressourcen festgelegt. Die Berichterstattung
ben die Fortführung des bisherigen Mobilitätsmodells zur Entwicklung der Ressourceneffizienz erfolgt im
durch die beschränkte globale Verfügbarkeit zentraler Turnus von vier Jahren. Kommunen sind als wichtiger
Ressourcen wie Lithium oder Coltan an seine Grenzen Akteur aufgeführt (Flächenverbrauch, BauGB, Abfall-
stoßen wird (Zimmer et al. 2016). trennung, Beratung). Im ProgRess II (2016) wurde die
wichtige Rolle der Kommunen zur Erhöhung der Res-
Welche politischen Rahmenbedingungen und sourceneffizienz deutlich hervorgehoben. ProgRess
Programme fördern Ressourceneffizienz? wird bis 2019 weiterentwickelt.

Wie wichtig Ressourcenschutz ist, zeigt sich deutlich an Die Steigerung der Ressourceneffizienz in Unterneh-
den Zielen und der Programmatik der internationalen, men, insbesondere von KMUs, ist das zentrale Thema
europäischen und nationalen Politik. International beim „Netzwerk Ressourceneffizienz“ (NeRess), aber
wurde in 2015 die G7-Allianz für mehr Ressourceneffizi- auch auf Länderebene bestehen Unterstützungsan-
enz gegründet, um Ressourceneffizienz dort als Schwer- gebote für Unternehmen wie z.B. Effizienzagentur
punktthema zu etablieren. Die G20 hat bei ihrem Gipfel NRW. Auch viele zivilgesellschaftliche Ansätze tragen
in Hamburg im Juli 2017 beschlossen, einen kontinuier- das Thema Ressourcenschonung über verschiedene
lichen Dialogprozess zu Ressourceneffizienz zu grün- Aktivitäten auf die politische Agenda (z.B. Transition
den – Ziel ist es, natürliche Ressourcen nachhaltiger Town -, Degrowth-, Reparatur und DIY-Bewegun-
zu nutzen. In Berlin fand Ende 2017 bereits der erste gen). Die Beispiele der Berliner Volksentscheide zur
G20-Ressourceneffizienz-Dialog statt. Auch im Agen- Rekommunalisierung der Energieversorgung oder die
da-2030-Prozess für eine nachhaltige Entwicklung Radinitiative zeigen auch, wie über direktdemokra-
werden Ressourcen eine wesentliche Rolle einneh- tische Instrumente ressourceneffiziente und soziale
men, da zwölf der 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Anliegen integriert befördert werden konnten.

9
Stoffströme und Ressourceneffizienz | Herausforderungen und Handlungsfelder

Das Themenfeld Ressourcenschonung wird


zukünftig stärker auf der politischen Agenda
Infobox 3 stehen und auch für Unternehmen eine wich-
Strategien des tigere Rolle einnehmen.
Ressourcenschutzes
Wie beeinflussen Stoffkreisläufe bzw. Stoff-
• Effizienz: Erhöhung der Ressourcenproduk- ströme die Ressourceninanspruchnahme?
tivität im Lebenszyklus eines Produktes.
Effiziente Ausnutzung der Ressourcen etwa Der Ressourcenbedarf kann minimiert werden, indem
durch verbesserte Technologien Strategien der Effizienz (z.B. relative Einsparungen), der
• Konsistenz: Ressourceneffektivität durch den Konsistenz (z.B. Kreislaufführung) und Suffizienz (z.B.
Einsatz umweltverträglicher Stoffe/Materiali- absolute Einsparungen) verfolgt und umgesetzt werden.
en und umweltfreundlicher Technologien Die hier untersuchten Ansätze lassen sich einer oder
• Suffizienz: Änderung von Konsummustern mehreren dieser drei Strategien zuordnen. Sie nehmen
zur Reduzierung der Nutzung bzw. Nachfrage direkt oder indirekt Einfluss auf Stoffkreisläufe und
von Ressourcen. Stoffströme. Die Optimierung von Stoffströmen und die
Schließung von Stoffkreisläufen dienen dem Schutz
der natürlichen Ressourcen. Optimierte Stoffkreisläufe
sind an der Funktionsweise natürlicher Ökosysteme
ausgerichtet, d.h. im Lebenszyklus eines Produktes
werden Reststoffe soweit möglich weiter genutzt. Durch

10
Stoffströme und Ressourceneffizienz | Herausforderungen und Handlungsfelder

die Steuerung bzw. das Management von Stoffströmen


Welche Gründe sprechen für die Optimierung
werden Stoffstromsysteme positiv beeinflusst, indem
von Stoffkreisläufen und Stoffströmen?
Materialien-, Stoff- und Finanzströme keine bzw. weniger
Ressourcen benötigen, was die Umweltinanspruchnah-
Zunächst hat die Optimierung von Stoffströmen eine
me reduziert.
positive Wirkung für den Klima- und Umweltschutz.
Stoffe können energetisch (Erzeugung elektrischer
Warum sind die lokale und regionale Ebene
Energie, Wärme) bzw. stofflich (z.B. Klärschlamm als
so wichtig?
Dünger) zur Deckung lokaler Bedarfe genutzt werden.
Der größte Teil des deutschen Rohstoffbedarfs wird
Ressourcennutzung hat immer einen räumlichen
zu fast 70 Prozent aus dem Ausland importiert, was
Bezug und lokale bzw. regionale „Endkonsumenten“.
Abhängigkeiten zur Folge hat. Durch die Nutzung
Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung
wiederaufbereiteter Rohstoffe, sog. Sekundärrohstof-
Globale Umweltveränderungen (WBGU) hebt in
fe, können hingegen primäre Energieträger und na-
seinem Hauptgutachten 2016 die globale Bedeutung
türliche Ressourcen substituiert werden. Des Weiteren
der Transformation in urbanen Räumen hervor. Auf
kann die Nutzung und Optimierung lokaler Stoff-
kommunaler Ebene werden große Mengen genutzt
kreisläufe wirtschaftliche Schocks infolge steigender
und nachgefragt, z.B. Baustoffe, Nahrungsmittel,
Rohstoffpreise abmildern und durch die Einsparung
Wasser, Energie. Das lokale Handeln, also der lokale
von Kosten für Rohstoffe zu einer Entlastung der
und regionale Ressourcenbedarf, hat somit direkte
Wirtschaft führen bzw. die regionale Wertschöpfung
Auswirkungen auf den globalen Ressourcenverbrauch
anregen.
und weltweite Emissionen. Gleichzeitig sind umwelt-
bewusste „Ressourcennutzer“ Motor für Innovations-
prozesse. Vor allem lokale Akteure haben das Wissen,
Potenziale vor Ort zu erkennen, Netzwerke aufzubau-
en und Maßnahmen zu realisieren. Natürlich sollten
Infobox 4
auch Impulse für Innovation von außen kommen, um Kreislaufwirtschaft bringt
ein „Kirchturmdenken“ zu vermeiden. Jedoch sollte
genau hier – auf der regionalen und lokalen Ebene
Vorteile
– der Hebel angesetzt werden, um natürlich auch
mit Unterstützung von „Dritten“ den Aufgaben der • Durch den Einsatz von Sekundärrohstoffen
Ressourcenschonung gerecht zu werden. (Zink, Verpackungen, Stahl, Aluminium etc.)
wurde im Jahr 2005 eine Wertschöpfung von 3,7
Wer sind die wichtigen Akteure? Mrd. Euro in Deutschland erreicht.
• Im produzierenden Gewerbe entfallen 44 Pro-
Auf der lokalen und regionalen Ebene spielen zivilge- zent der Kosten auf Material und Rohstoffe, 20
sellschaftliche (z.B. Vereine, Bürgerinitiativen), un- Prozent auf Personalkosten und nur 2 Prozent
ternehmerische oder wissenschaftliche Akteure sowie auf Energiezkosten.
kommunale Unternehmen, die lokale und regionale Quellen: Verein Deutscher Ingenieure (VDI) Technologiezentrum: Innovationen
gegen Rohstoffknappheit, Düsseldorf 2008, und VDI ZRE-Kurzanalyse Nr. 6,
Politik, die Kommunalverwaltungen eine wichtige Ressourceneffizienz im Fokus der betrieblichen Kostenrechnung, Berlin 2014.

Rolle. Bei den Unternehmen sind auch sozialwirt-


schaftliche Betriebe hervorzuheben, die in vielen
Kommunen ressourceneffiziente Ansätze (z.B. in
Reparatur und Wiederverwendung) betreibt. Zuneh-
mend stellen auch Startups und digitale Geschäftsmo-
delle wichtige Akteure für lokale Ressourceneffizien-
zansätze dar. Diese Akteure können jeweils die Rolle
als Initiator, Netzwerker, Umsetzer, Finanzier und
Unterstützer einnehmen.

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Stoffströme und Ressourceneffizienz | Herausforderungen und Handlungsfelder

In welchen Handlungsfeldern werden


Stoffströme optimiert? Dies zeigt, dass in den Kommunen bereits in vielen
Handlungsfeldern verschiedene Akteure einen Beitrag
Auf der regionalen und lokalen Ebene bieten verschie- zur Ressourcenschonung leisten. Unternehmen und
denste Handlungsfelder die Möglichkeit Stoffströme zu zivilgesellschaftliche Akteure gehen jedoch Ansätze zur
optimieren. Innerbetriebliche Aktivitäten der Prozessop- Stoffstromoptimierung oftmals nicht systematisch und
timierung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit beschränktem zeitlichen und finanziellen Budget an.
bzw. Aktivitäten der Industrie (z.B. Ökoprofit) oder als Teil Im nachfolgenden Abschnitt werden Beispiele aus
einer Corporate Social Responsibility (CSR) Strategie sind der Praxis zur Optimierung von Stoffkreisläufen und
wichtige Ansatzpunkte neben Aufgaben und Steuerungs- Stoffströmen zur Verbesserung des Ressourcenschutzes
möglichkeiten in den kommunalen Verwaltungen (z.B. vorgestellt.
Beschaffung, Stadtentwicklung, Umweltamt, Fuhrpark),
der Wirtschaftsförderung (z.B. Zero Emission Park) sowie
der kommunalen Unternehmen (z.B. Abfallwirtschaft).
Auch die Aktivitäten der zivilgesellschaftlichen Initia- Viele Ansätze bergen große Potenziale, führen
tiven zur Ressourcenschonung oder zum nachhaltigen aber bei gegebenen Rahmenbedingungen ein
Konsum (Wiederverwendung, Sharing) sind wichtige Nischendasein.
Handlungsbereiche, die auch mit anderen kommunalen
Akteuren kooperieren. (siehe Grafik).

Abbildung 1

Akteure und Handlungsfelder der Ressourceneffizienz

• Prozessoptimierung (KMU)
• Akteurskooperationen
• Corporate Social
Responsibility
KMU
Wissenschaft

Kommunale
Unternehmen
Kommunalverwaltung

• nachhaltiger Konsum
- Wiederverwendung
- Sharing
• politische Einflussnahme Industrie
(Volksbegehren)
Zivilgesellschaft

Quelle: Difu

12
Optimierung von Stoffströmen – fünf Beispiele für kommunales Engagement

3. O
 ptimierung von Stoffströmen –
fünf Beispiele für kommunales Engagement
Welchen Beitrag kann ein lokales und regionales Stadtteils sein sollte – d.h. eine Reduzierung um 50%
Stoffstrommanagement konkret zur Verbesserung der des Ressourcenbedarfs sollte angestrebt werden.
Ressourceneffizienz leisten? Die nachfolgend darge- Die Planung wie auch die Gebäude im Gebiet sollten
stellten fünf Fallbeispiele zeigen exemplarisch Poten- sich an dem Prinzip der natürlichen Kreisläufe aus-
ziale, aber auch Grenzen der Optimierung lokaler und richten.
regionaler Stoffströme. Sie adressieren verschiedene
Stoffströme (u.a. Energie, Wasser, Abfall, Finanzen, Des Weiteren wurde vorgegeben, dass Kreisläufe
Baustoffe, Konsumgüter) sowie unterschiedliche Ziel- auf lokaler Ebene geschlossen und die Energie aus
gruppen und zeigen modellhafte Ansätze mit hoher erneuerbaren Quellen aus dem Gebiet selbst genutzt
Übertragbarkeit auf andere Kommunen. Sie geben werden sollen.
einen Überblick über die zentralen Akteure, Instru-
mente sowie Prozesse. In Textboxen sind die wesentli-
chen Akteure, die identifizierten Erfolgsfaktoren und
Hemmnisse hervorgehoben.

3.1 Ressourceneffiziente Quartiersentwicklung:


Hammarby Sjöstad in Stockholm

Hammarby Sjöstad ist ein Stadtteil in Stockholm, wel-


cher seit 1996 an einem ehemaligen Gewerbestandort
sowie auf Brachflächen entwickelt wird. Der teilweise
kontaminierte Boden wurde aufbereitet. Hammarby
Sjöstad wird nach seiner Fertigstellung im Jahr 2018
ein eigenständiger Stadtteil mit ca. 28.000 Einwoh-
nerinnen und Einwohnern und umfangreichen
Büroflächen sein. Die Optimierung der Stoffkreisläufe
auf der Quartiersebene war ein erklärtes Ziel dieser
Siedlungsentwicklung.

Akteure der ressourceneffizienten


Quartiersentwicklung
• Stadt Stockholm (Politik und Verwaltung)

• Kommunale Ver- und Entsorgungsunternehmen


(später teilw. privat)

• Bauentwicklungsgesellschaften

• Bewohnerschaft und Zivilgesellschaft

• Wissenschaft
Im Jahr 1996 wurde ein Umweltprogramm für die
Entwicklung des Stadtteils konzipiert. Im Rahmen
Hintergrund war eine politische Vorgabe aus dem des Umweltprogramms wurde das ecocycle-Modell
Jahr 1995, wonach der Stadtteil „twice as good“ als als Hammarby-Modell (siehe Abb. 2) entwickelt und
der Stand der Technik beim Bau eines vergleichbaren 1997 als Konzept für die Entwicklung vereinbart.

13
Optimierung von Stoffströmen – fünf Beispiele für kommunales Engagement

Abbildung 2

Das Hammarby-Modell der Stadt Stockholm 2014

Energy

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Högdalen’s combined
heat and power plant Fer tiliser Hammarby heat plant

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Reprocessing/landfill Lake Hammarby Sjö

Lake Mälaren/drinking water plant Sedimentation


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Quelle: City of Stockholm

Dabei wurden die städtischen Ver- und Entsorger Von den Erfahrungen aus Hammarby sollen nach-
dazu aufgefordert, ihre Input-/Outputsysteme mittels folgende Stadtentwicklungsprojekte profitieren. So
eines integrierten Ansatzes stärker aufeinander abzu- wurde 2009 im Stadtrat entschieden, das Entwick-
stimmen. Das Modell wurde somit im Rahmen einer lungsgebiet Royal Seaport als nachhaltigen Stadtteil
Kooperation zwischen den kommunalen Betrieben der „Weltklasse“ zu entwickeln. Zur Erreichung
Stockholm Energi (heute Fortum), Stockholm Vatten dieser Vision soll – wie schon in Hammarby – ein
AB und den Stockholmer Abfallwirtschaftsbetrieben integrierter Ansatz umgesetzt werden, indem bereits
erarbeitet. Das Hammarby-Modell verfolgt einen inte- im Planungsprozess Stadtverwaltung, Stadtwerke,
grierten Planungsansatz und betrachtet Stoffströme Entwickler und Wirtschaft eng zusammenarbeiten.
sektorübergreifend, um Synergien zu generieren. Die Das übergeordnete Ziel ist es, in dem Stadtteil bis zum
Energie aus erneuerbaren Quellen soll aus dem Gebiet Jahr 2030 „klimaneutral“ zu sein, die Gesamtstadt
selbst genutzt werden. soll dies bis 2050 erreichen.

Insgesamt konnte ein neuer ressourcenschonender


Stadtteil entwickelt werden.

14
Optimierung von Stoffströmen – fünf Beispiele für kommunales Engagement

Warum wurde Hammarby Sjöstad als Fallbeispiel Stadtentwicklungsplanung ein wichtiges Themen-
ausgesucht? feld für die Optimierung der Ressourcennutzung.
Das Projekt Hammarby Sjöstad fokussiert auf die
Hammarby Sjöstad ist international bekannt für die Stadt- und Quartiersentwicklung als Handlungsfeld
Anwendung des Industrial-Ecology-Gedankens in der Optimierung lokaler und regionaler Ressour-
der Stadtentwicklung (Urban Symbiosis). In Städten cenkreisläufe. Das Beispiel zeigt eindrucksvoll die
gibt es einen hohen Ressourcenbedarf und in vielen Möglichkeiten und Herausforderungen integrierter
Städten ist weiterhin ein Wachstum der Wirtschaft Infrastrukturversorgung auf lokaler Ebene auf.
und Bevölkerung zu verzeichnen. Deshalb ist die

Hemmnisse bei der ressourceneffizienten Quartiersentwicklung

• Verwaltungsstrukturen: Fehlende „horizontale“ • Interessenskonflikt: Vermarktungsanspruch (z.B.


Kommunikation zwischen den verschiedenen große Fensterflächen zum Wasser nach Norden,
Verwaltungseinheiten erschwert die Umsetzung größeres Parkraumangebot) und Umweltvorga-
integrierter Ansätze. ben (Energieeffizienzziel von 60 kWh/m²/a).

• Mangelnde Ressourcen: Aufwändiges Prozess- • Zielkonflikt: Effizienz versus Nutzerverhalten


management bindet Personalressourcen. (z.B. Wasserverbrauch/Person).

• Nachgelagerte Umweltvorgaben: Umweltpro- • „Weiche“ Übertragung der Ziele und Aufgaben in


gramm Hammarby Sjöstad hätte früher in den Kaufverträge mit Projektentwicklern.
Prozess eingebracht werden sollen.
• Politikwechsel nach Neuwahlen

• Fehlende frühzeitige Bürgerbeteiligung

15
Optimierung von Stoffströmen – fünf Beispiele für kommunales Engagement

Erfolgsfaktoren der ressourceneffizienten Quartiersentwicklung

• Formulierung einer politischen Vision: • Vorgaben: Umweltprogramm mit klar formulierten


„twice as good” Zielen und Aufgaben

• Überparteiliche politische Unterstützung auch • Einführung eines Monitoringsystems: zeitnahe


über mehrere Legislaturperioden hinweg und turnusmäßige Überprüfung der Zielerrei-
chung der Vorgaben
• Optimierung der Stoffströme unter Betrachtung
verschiedener räumlicher Ebenen (z.B. Block, • Wissenstransfer: Übertragen des gewonnenen
Quartier, Stadtteil) und Verknüpfung unter- Wissens auch in Bezug auf Kommunikations-
schiedlicher Sektoren strukturen und Prozesse in die Verwaltung

• Etablierung von Organisationsstrukturen: früh- • Formulierung eines quartierseigenen Umweltpro-


zeitige Einbindung aller Akteure, koordinierende gramms und entsprechender Umsetzungsziele
Funktionsstelle, regelmäßige Treffen, schnelle
• Möglichst geringer Stellplatzschlüssel für Pkw
Entscheidungswege
(hier 0,7) und Förderung alternativer Mobilitäts-
• Optimierung der kommunalen Liegenschaftspo- formen (Fahrrad, ÖPNV)
litik: Flächen für die Entwicklung des Stadtteils
• Wettbewerbe für Architekten und Entwickler
sollten in kommunaler Hand liegen

16
Optimierung von Stoffströmen – fünf Beispiele für kommunales Engagement

3.2 Nachhaltige Gewerbestandorte: Strategie


Akteure
der Wirtschaftsförderung Duisburg
• Gesellschaft für Wirtschaftsförderung
Die Entwicklung ressourceneffizienter Gewerbe-
Duisburg mbH
standorte gewinnt in den Kommunen zunehmend an
Bedeutung. Zentrale Gründe dafür sind einerseits die • Energieeffizienzagentur NRW (EFA NRW)
Umsetzung kommunaler Nachhaltigkeitsziele, die auf
• ThermoPlusWärmeDirektService GmbH
einem wachsenden Bewusstsein für Klimaschutz, die
Endlichkeit der Ressource Boden und die Grenzen der • Zero Emission GmbH
Siedlungsentwicklung basieren. Zum anderen belasten
• Interessengemeinschaften der Unternehmen an
insbesondere die Folgekosten von Flächenerschließun-
den Standorten Kaßlerfeld/Neuenkamp (IGKN),
gen die öffentlichen Haushalte. Nicht zuletzt steigen die
Neumühl und Mevissen (in Planung)
Anforderungen der Unternehmen an moderne Gewer-

Energie- und Ressourceneffizienz zukünftig für Unter-


nehmen aus ökologischen und ökonomischen Gründen
Infobox 5 steigen wird. Beispielsweise machen im verarbeitenden
Gewerbe die Rohstoffkosten 45 Prozent der Kostenstruk-
Förderprogramm Ökoprofit tur aus, der Anteil an Personalkosten liegt hingegen
nur bei 20 Prozent (VDI ZRE 2014). Im Rahmen der
ÖKOPROFIT® Duisburg wird vom Ministerium für Um- Bestandspflege durch die Wirtschaftsförderung wer-
welt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz den deshalb in einem ersten Schritt die ansässigen
des Landes Nordrhein-Westfalen (MULNV) finanziell Betriebe aktiv bei der Verbesserung der betrieblichen
gefördert. Ziel ist die nachhaltige ökonomische und Energie- und Ressourceneffizienz unterstützt.
ökologische Stärkung von Unternehmen. Durch ein
System aufeinander abgestimmter Maßnahmen wird Das Förderprogramm „Ökoprofit“, an dem sich auch
es den Unternehmen ermöglicht, Kosten zu senken die Wirtschaftsförderung selbst beteiligt, wird dabei
und ihre Öko-Effizienz zu steigern. Zentrale Themen als Instrument für die Einstiegsberatungen und die
sind die Reduktion des Wasser- und Energiever- Umsetzung einzelbetrieblicher Maßnahmen der
brauchs sowie die Abfallreduktion und die Erhöhung Unternehmen genutzt. Die Beratung übernimmt die
der Materialeffizienz. unabhängige Effizienzagentur Nordrhein-Westfalen
(EFA NRW), die als kontinuierlicher Kooperations-
Quelle: https://www.gfw-duisburg.de/dienstleistungen-fuer-sie/kooperatio-
nen-partnerschaften/oekoprofit-duisburg/ partner strategisch von der Wirtschaftsförderung
Duisburg eingebunden ist. Im Fokus der Wirtschafts-
förderung steht aber auch die Gesamtbilanz in den
Duisburger Gewerbegebieten mit dem Ziel einer
nachhaltigen Entwicklung. So werden mit weiteren
Kooperationspartnern Projekte initiiert, die auch
bestandorte hinsichtlich günstiger Energiekosten und überbetriebliche Effizienzpotenziale berücksichtigen,
eines attraktiven Betriebsumfeldes. Rund 40 Prozent wie z.B. die Abwasserwärmerückgewinnung durch
des deutschen Endenergieverbrauchs entfällt auf die den Aufbau eines lokalen Wärmerings.
Sektoren „Industrie“ bzw. „Gewerbe, Handel, Dienst-
leistungen“ – und damit auf Aktivitäten, die großen- In die Aktivitäten einbezogen wurden bislang drei
teils in Industrie- und Gewerbegebieten stattfinden. Für Standorte. Die vorhandene Interessengemeinschaft
Kommunen ist das Thema damit Herausforderung und der Unternehmen am Standort Kaßlerfeld/Neu-
Potenzial zugleich. enkamp trug wesentlich zum Erfolg bei, denn sie
übernahm eine wichtige Schnittstellenfunktion
Der strategische Ansatz der Wirtschaftsförderung Duis- bei der Ansprache und in der Kommunikation mit
burg basiert auf der Annahme, dass die Bedeutung von den Betrieben. Am Standort Mevissen konnte nicht

17
Optimierung von Stoffströmen – fünf Beispiele für kommunales Engagement

an bereits bestehende Organisationsstrukturen der


Unternehmerschaft angeknüpft werden. Für den
Gewerbestandort Mevissen wurden deshalb zu-
nächst über ein Klimaschutz-Teilkonzept auf Basis
Infobox 6
des Zero-Emission-Park-Konzeptes Potenziale für Zero-Emission-Park-
gebietsübergreifende Kooperationen zur Verrin-
gerung des Ressourcenverbrauchs, vor allem von
Konzept
Energie, Wasser, Abfällen sowie CO 2 -Emissionen,
ermittelt. • Ein „Zero Emission Park“ ist ein Industrie-
oder Gewerbegebiet, das alle schädlichen
Nebenwirkungen des Wirtschaftens im
Gebiet reduziert, im Idealfall bis auf null =
zero.
• Das Konzept basiert auf dem BMVBS-geför-
derten Modellprojekt „Zero Emission Park
– länderübergreifendes Modellprojekt zur
Entwicklung von nachhaltigen Gewerbege-
bieten“ aus den Jahren 2008 bis 2009 der
Technischen Universität Kaiserslautern.
• Darauf aufbauend wurde die Methodik
„Zero-Emmission-Park-Konzept“ zur Nach-
haltigen Entwicklung von Industrie- und
Gewerbestandorten entwickelt.

Quelle: Veronika Wolf (2010): Modellprojekt „Zero Emission Park“, 2010.

Erfolgsfaktoren

• Organisationsstruktur: Interessenvertretungen • Themen mit Relevanz für Unternehmen: bei ge-


der Unternehmerschaft als zentrale Kontakt- und meinsamen Aktivitäten darauf achten, dass die-
Schnittstelle zwischen Betrieben und der Kommu- se einen Nutzen für mehrere Betriebe bewirken
ne bzw. Dienstleistern nutzen
• Lernprozesse: erfolgreiche Maßnahmen von
• Strategische Partnerschaften: die kontinuier- anderen Standorten übertragen
liche Zusammenarbeit zwischen Wirtschafts-
• Kommunikation und Austausch: regelmäßige
förderung (Schnittstelle zur Wirtschaft) und
Veranstaltungen oder Treffen nutzen, um neue
Effizienzagentur NRW (Fachexperten) fördert die
Projekt zu initiieren
zielgerichtete Ansprache der Unternehmen und
die Projektentwicklung • „Kümmerer“: durch feste Ansprechpartner für
die Unternehmen und Koordination gemeinsa-
• Türöffner: Unternehmen individuell und über kon-
mer Projekte die Verstetigung fördern
krete Kosteneinsparungen ansprechen (Wie kann
der Betrieb wirtschaftlicher werden?)

18
Optimierung von Stoffströmen – fünf Beispiele für kommunales Engagement

3.3 W
 iederverwendung in regionalen Netz-
Hemmnisse
werken: RECOM Ostwestfalen
• Vorurteil „Klimaschutz kostet“: Das Thema Kli-
Der Verein Arbeitskreis Recycling e.V. und die von
maschutz (Zero Emission) löst häufig Bedenken
ihm getragene „RecyclingBörse!“ engagieren sich seit
aus, dass damit zusätzliche Kosten verbunden
1986 für die Wiederverwendung von Konsumgütern
sein könnten.
im Kreis Herford. Das Projekt RECOM (RecoveryEco-
• Kosten-Nutzen-Gefälle: Zu hohe Amortisations- logical Management) wurde durch den Arbeitskreis
zeiten oder ein zu geringer Nutzen verhindern Recycling e.V. initiiert und als Modellprojekt in Rah-
Investitionen in Effizienzmaßnahmen. men des Förderprogramms „CSR – Gesellschaftliche
Verantwortung im Mittelstand“ durch das Bundesmi-
nisterium für Arbeit und Soziales und den Europäi-
Neben einer Stoffstromanalyse für das Gesamtgebiet schen Sozialfonds von 2012 bis 2014 gefördert. Nach
und der Ableitung von Handlungsfeldern wurden in der Konzeption in der Region Ostwestfalen-Lippe und
einem dialogischen Prozess mit den ansässigen Un- der darauffolgenden Umsetzung wurden deutsch-
ternehmen Ideen für gemeinsame Maßnahmen landweit in vier weiteren Regionen RECOM-Projekte
entwickelt. Als Ergebnis konnten Projekte wie ge- initiiert (Frankfurt a.M., München, Mönchenglad-
meinsamer Stromeinkauf, ein Firmenticket (mit dem bach, Mittweida). Mit dem konzeptionellen Ansatz
Ziel der Reduzierung des Individualverkehrs) sowie Corporate Social Responsibility (CSR) wurden das ge-
die Wärmenutzung einer lokalen Hackschnitzelver- sellschaftliche Engagement insbesondere privatwirt-
brennungsanlage anvisiert werden. Im Gewerbege- schaftlicher Unternehmen für das Thema Wiederver-
biet Mevissen wurde über das Sichtbarmachen von wendung aktiviert und Kooperationen und regionale
Synergien durch gemeinsame Ressourceneffizienz- Netzwerke etabliert.
maßnahmen die Gründung einer Interessenvertre-
tung der Unternehmen initiiert. Das erklärte Ziel der
Akteure des regionalen Netzwerkes
Wirtschaftsförderung Duisburg ist es, Unternehmen
an allen Gewerbestandorten bei der Verbesserung der
• Arbeitskreis Recycling e.V./RecyclingBörse!
Ressourceneffizienz zu unterstützen.
• Stadt Bielefeld
Warum wurde die Zukunftsstrategie der Wirtschafts-
• Umweltbetriebe Stadt Bielefeld
förderung Duisburg ausgewählt?
• Möbelhaus Porta
Der umfassende strategische Ansatz der Wirtschafts-
förderung Duisburg, die Energie- und Ressourcenef-
fizienz in allen Industrie- und Gewerbegebieten der Durch RECOM wurden in der Region dauerhafte
Stadt zu verbessern und die Standorte sukzessive Partnerschaften zwischen sozialwirtschaftlichen
nachhaltig zu entwickeln, ist im deutschlandweiten Betrieben, gewerblich-privatwirtschaftlichen KMU
Vergleich vorbildlich. Ausgehend von einzelbetrieb- und öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern (örE)
lichen Maßnahmen werden auch Gebietspotenziale sowie Ämtern, Kammern, Umweltverbänden sowie
erhoben und daraus unternehmensübergreifende Bürgerinnen und Bürgern geschlossen und damit
Kooperationsprojekte entwickelt, die die Verbräuche die Ressourcenschonung durch regionale Wiederver-
von Energie, Wasser, Abfall und weiteren Ressourcen wendung qualitativ und quantitativ verbessert. So
für den gesamten Standort reduzieren. Die Strategie wurden im Kreis Herford durch die „Recyclingbörse!“
der Wirtschaftsförderung wird dabei getragen von fünf Sammelbörsen unterhalten, Sammelaktionster-
einem breiten Netzwerkgedanken, der langfristige mine organisiert und damit die kreisweite Wieder-
Partnerschaften aufbaut und damit die Verstetigung verwendung gesichert. Das Möbelhaus Porta wurde
und Weiterentwicklung von Projekten verbessert. als Kooperationspartner gewonnen und liefert seither
Rücksendungen zur Wiederverwendung.

19
Optimierung von Stoffströmen – fünf Beispiele für kommunales Engagement

Das Projekt RECOM erzielte neben seiner ökologischen ckelt. Entsprechend der europäischen Gesetzgebung
Wirkung (geringere Ressourceninanspruchnahme sollen Akkreditierungsrichtlinien für Initiativen festge-
in der Region) auch ökonomische (z.B. Ersparnis von legt und ein Zertifizierungsstandard entwickelt werden.
Entsorgungskosten für kooperierende Betriebe) und Darüber hinaus sollen Kooperation mit den Kommunen
soziale Effekte (Beschäftigung und Qualifikation von zur finanziellen Sicherung der Wiederverwendung
Langzeitarbeitslosen, Bereitstellung von preisgünstigen gestärkt werden.
Gebrauchtwaren).

So entstanden win-win-Kooperationen, die dauerhaft die Erfolgsfaktoren


Verwertungsströme von Konsumgütern in der Region op-
timieren können. Der aus dem Projekt entstandene WIR • Politik und Verwaltung: Unterstützung und Ak-
e.V. (Wiederverwendung im regionalen Netzwerk) setzt zeptanz auf allen politischen Ebenen
sich überregional dafür ein, dass neben einer besseren
• Strategische Partnerschaften: Kommunen als
Verwertung der bereits produzierten Güter auch andere
finanzielle Unterstützer gewinnen
Strategien der Abfallvermeidung verfolgt werden, die
über eine „end of pipe“-Lösung hinausgehen (z.B. Kon- • Finanzierung: Finanzierungskonzept entwickeln
sumentenaufklärung zur Abfallvermeidung, Strategien
• Netzwerkmanagement: Die sozialwirtschaftliche
des Re-Designs oder Gesetzesinitiativen).
Initiative ist fester Ansprechpartner und Koordi-
nator des Vorhabens
Langfristiges Ziel ist der Aufbau einer gemeinsamen
deutschlandweiten Dachmarke, die Qualitätsstandards • Kommunikation: Vertrauensbasis zwischen
für Wiederverwendungs- und Reparaturzentren entwi- beteiligten Partnern herstellen und geeignete
Kommunikations- und Kooperationsstrukturen
aufbauen

Infobox 7 • Angebot und Nachfrage: Partner aus Handel und


Produktion gewinnen, breites und wechselndes
Kreislaufwirtschaft in Angebot entwickeln

Deutschland • Marketing: Aufmerksamkeit durch regelmäßige


Werbung z.B. für Sammel- und Sonderaktionen

• S eit 2012 gilt in Deutschland ein neues • Bewusstsein für Wiederverwendung: über CSR
Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), das den sozialen, ökologischen und gesellschaftli-
die EU-Abfallrahmenrichtlinie (Richtlinie chen Nutzen kommunizieren
2008/98/EG, AbfRRL) in deutsches Recht
• Transfer: Austausch und Vernetzung mit anderen
umsetzt.
Initiativen
• Das Gesetz stärkt durch die Festlegung
von Recyclingquoten für Siedlungsabfälle
(mind. 65% bis 2020) die Abfallvermeidung
und Wiederverwendung.
• Gebraucht- und Reparaturshops sind meist Warum wurde das regionale Netzwerk RECOM
kleine Betriebe, oft auch Sozialunternehmen. ausgewählt?
• Darüber hinaus wurde erkannt, dass durch
Re-Use-Initiativen Arbeitsplätze geschaffen Unter einer systemischen Betrachtung gelang es dem
werden können. Modellprojekt RECOM auf mehrere Entwicklungen
• Regionen profitieren also in mehrfacher gleichzeitig zu reagieren und Synergieeffekte für alle
Hinsicht von Wiederverwendung: mehr Ar- beteiligten Partner sowie eine verbesserte Nutzung von
beit, mehr lokale Wertschöpfung, weniger Konsumgütern in der Region zu erzielen und damit
Abfälle, weniger Rohstoffverbrauch. einen Beitrag zur Optimierung regionaler Stoffkreisläu-
fe zu leisten. Durch den ganzheitlichen Ansatz wurden
Möglichkeiten zur Beschäftigung und Qualifizierung

20
Optimierung von Stoffströmen – fünf Beispiele für kommunales Engagement

von Langzeitarbeitslosen geschaffen, das Kreislauf-


wirtschaftsgesetz umgesetzt und die Wiederverwen- Hemmnisse
dung verbessert. Darüber hinaus wurde das Inter-
esse von KMU an der Übernahme gesellschaftlicher • Politikwillen: fehlende politische Unterstützung
Verantwortung (CSR) für Re-Use-Aktivitäten genutzt zur dauerhaften Sicherung von Wiederverwen-
und gestärkt sowie der Verbrauch an Primärressourcen dungsinitiativen in den Kommunen
reduziert. Das Projekt schafft Anreizmechanismen
• Finanzierung: Unterstützung durch die Kommunen,
für alle Beteiligten, sich dauerhaft zu engagieren und
z.B. durch Abfallgebühren, schwer umsetzbar
die Netzwerke zu verstetigen. Damit solche Initiativen
ihre ökologische Wirksamkeit verstärken können, sind
jedoch ein verändertes Verbraucherverhalten, die Ein-
führung neuer Geschäftsmodelle und Anstrengungen
im Re-Design durch die Unternehmen erforderlich.

21
Optimierung von Stoffströmen – fünf Beispiele für kommunales Engagement

verstärkte Sanierungs- und Ersatzbautätigkeit anfallen-


3.4 K
 ommunale Ressourcenstrategie:
den Rückbaumaterialflüsse aufbereitet werden können.
das Bauwerk Stadt Zürich
Der Anteil der Rückbaustoffe soll deutlich erhöht werden,
wobei deren Einsatz in gebundener Form im Hoch- und
Die Stadt Zürich hat sich die Umsetzung der Vision einer Tiefbau Priorität gegenüber dem Einbau in loser Form hat.
2.000-Watt-Gesellschaft als Ziel bis 2050 gesetzt und Bei dem Rückbau sollen Anforderungen entsprechend der
in diesem Zusammenhang verschiedene Maßnahmen Normen wie etwa SIA 4302 eingehalten werden, um Ma-
im Bereich Energie, Bauen, Wirtschaft und Mobilität terialien wie Betonabbruch, Mischabbruch, Holz, Metalle
eingeleitet. Vor dem Hintergrund wurde in Zürich eine getrennt zu erfassen. Es wurde festgelegt, dass vermehrt
Ressourcenstrategie für das Bauwerk Stadt erarbeitet. Recyclingbaustoffe (z.B. Recyclingbeton) in allen Anwen-
Für die Erreichung der Ziele der 2.000-Watt-Gesellschaft dungen einzusetzen sind. Um mögliche Bedenken gegen
wurden bewusst Stoffströme aus dem Baubereich ausge- den Einsatz von Sekundärrohstoffen zu minimieren,
wählt, da sie zu den mengenmäßig größten zählen und sollte die Qualität der Recyclingprodukte weiter verbessert
die „graue“ Energie1 eine große Rolle spielt. Zudem ist werden. Vor diesem Hintergrund wurden in der Strategie
Zürich eine wachsende Stadt, in der eine große Nachfrage Maßnahmen für die Akteure der Stadt Zürich formuliert,
nach Gebäuden (Bereiche: Wohnen, Wirtschaft, Kultur wie etwa der Einsatz von RC-Beton im Hochbau oder auch
etc.) besteht. ökologische Vorgaben bei Leistungsvergaben im Rückbau.

Mit der Ressourcenstrategie sollen Kapazitäten im Zur Unterstützung der Umsetzung der in der Ressour-
Baustoffrecycling aufgebaut werden, damit die durch censtrategie „Bauwerk Stadt Zürich“ aufgeführten Ziele
und Maßnahmen wurde das Programm der 7-Meilen-
schritte erarbeitet. Die 7-Meilenschritte sind ein politisch
legitimiertes Instrument, da die dort aufgeführten Vorga-

Infobox 8
Konzept 2.000-Watt- Hemmnisse der kommunalen
Gesellschaft Ressourcenstrategie in Zürich

• Überzeugungsarbeit: Aufklärung von Firmen der


• Entwickelt Mitte der 1990er-Jahre an der Eidge-
Baustoffaufbereitung, des Weiteren von Bau-
nössischen Technischen Hochschule in Zürich
trägern, Ingenieuren und Architekten über die
(ETH).
Qualität des Produktes
• Primärenergie (Watt Dauerleistung pro Person)
und Treibhausgasemissionen (Tonnen CO2-Äqui-
• Kein vorhandener Markt für Sekundärprodukte
valente pro Person und Jahr) sollen im Jahr
2100 in der Schweiz pro Einwohner 2.000 Watt
• Zusammenarbeit: ressortübergreifend zwischen
Dauerleistung (Stufe Primärenergie) und 1 Tonne
den Ämtern der Stadt Zürich
CO2-Äquivalente pro Einwohner/in und Jahr
betragen.
• Örtlichkeit/Regionalität: räumliche Diskrepanz
• Vergleichswerte: 2013 pro Einwohner 5.400 Watt
zwischen Anfallsort und Nutzungsort; Entfernun-
und bei 7,2 Tonnen.
gen sollten nicht über 30 km liegen
• Effizienz, Konsistenz und Suffizienz sind die
drei übergeordneten Umsetzungsstrategien des
• Rechtsunsicherheiten: fehlende oder unklare
Konzeptes.
Normung führt zu Unsicherheiten bei Bauträgern
Quelle: https://www.2000watt.ch

• Wirtschaftlichkeit: Preise für Primärbaustoffe


wurden von Privaten reduziert, um am Markt ge-
genüber RC-Betonen konkurrenzfähig zu bleiben

22
Optimierung von Stoffströmen – fünf Beispiele für kommunales Engagement

ben vom Stadtrat beschlossen wurden und somit verbind-


lich umgesetzt werden müssen. Die vorgegebenen Stan- Akteure der kommunalen
dards des „Minergie Labels“ sehen den verpflichtenden Ressourcenstrategie in Zürich
Einsatz von z.B. mindestens 50 Prozent Recyclingbeton
(RC-Beton) vor. Die 7-Meilenschritte gelten für städtische • Stadt Zürich (z.B. Amt für Hochbauten, Fachstelle
Bauten (Neubau und Instandsetzung) sowie Vorhaben nachhaltiges Bauen, Tiefbauamt)
von städtischen Institutionen.
• Kommunale Einrichtungen der Stadt Zürich
Warum wurde die Ressourcenstrategie Zürich ausge-
wählt? • Ingenieure/Ingenieurinnen, Architekten/Archi-
tektinnen, private Bauträger
Mineralische Bauabfälle gehören zu den mengenmäßig
größten Stoffströmen und besitzen dadurch eine hohe • Think Tank und Informationsplattform „Kies für
Relevanz. Die Ressourcenstrategie setzt genau dort an, Generationen“ (verschiedene Akteure, u.a. Behör-
da sie sich mit der Frage befasst, welche Pfade der Res- den, Architekten/Ingenieure, Forschung und
sourcennutzung für den Umbau des Gebäudebestandes Consulting, Fachgremien und Vereine)
zu einer 2000-Watt Gesellschaft zur Verfügung stehen.
Die Stadt stellt damit zugleich eine enge Verbindung
zwischen ihrer Energie- und Umweltpolitik her.

Erfolgsfaktoren der kommunalen Ressourcenstrategie in Zürich

• Ziele und Verbindlichkeiten: Aufnahme der • Planungsrecht: Die Nutzung des Labels kann
2.000-Watt-Gesellschaft in die Gemeindeverord- unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. bei
nung der Stadt Zürich hoher Bebauungsdichte) durch das Planungsamt
eingefordert werden.
• Maßnahmenplanung 7–Meilenschritte: Durch
Beschluss des Stadtrats sind die aufgeführten • Beteiligung der relevanten Akteure und Überzeu-
Anforderungen verbindlich umzusetzen. gungsarbeit: der Aufbau eines Netzwerks und
Einbindung von Forschung und Wissenschaft
• Integrierte kommunale Strategien und Ziele: Ein- (z.B. ETH Zürich)
bindung 7-Meilenschritte in Masterplan Energie
• Forschung und Entwicklung: Der Fachstelle
• „Klein anfangen und Vertrauen aufbauen“: Der nachhaltiges Bauen steht regelmäßig ein Budget
Einsatz von RC-Beton wurde sukzessive ausge- (Freigabe durch Gemeinderat) für wissenschaft-
hend von Trennwänden in Gebäuden auf alle liche Untersuchungen zur Weiterentwicklung
Bereiche im Hochbau ausgeweitet. von Strategien der lokalen Ressourcenpolitik zur
Verfügung.
• Vergabepolitik: Verpflichtung zum eco-Label und
somit zu Sekundärmaterialien (z.B. RC-Beton) in • Label und Normen: Verankerung der Wiederver-
kommunalen Ausschreibungen bzw. Vergabever- wendung in bestehenden Zertifikaten zur Nach-
fahren für eigene Liegenschaften haltigkeit von Bauten, z.B. Minergie-eco-Label

1Graue Energie umfasst Energie zum Gewinnen von Materialien, zum Herstellen und Verarbeiten von Bauteilen, zum Transport von Menschen, Maschinen, Bauteilen und Materialien zur Bau-
stelle, zum Einbau von Bauteilen im Gebäude sowie zur Entsorgung. Siehe Baunetzwissen: https://www.baunetzwissen.de/glossar/g/graue-energie-664290 (Abruf am 15.09.17).
2Die SIA 430 ist eine eingetragene Norm der Schweizerischen Normen-Vereinigung (SNV) und gibt Empfehlungen für die Entsorgung von Bauabfällen bei Neubau, Umbau- und Abbrucharbeiten.
Sie thematisiert u.a. Planung (inkl. Entsorgungskonzept), Berechnung, Material, Ausführung, Aufgaben der Fachleute sowie Leistungen und Ausmaß.

23
Optimierung von Stoffströmen – fünf Beispiele für kommunales Engagement

3.5 R
 egionale Wertschöpfung durch gen und Güter lenkt. Der Chiemgauer wurde durch die
Regiogeld: der Chiemgauer Initiative von Privatpersonen aufgebaut und weiterent-
wickelt. Als Träger fungiert der Verein „Chiemgauer e.V.“.
Das Fallbeispiel „Chiemgauer“ beleuchtet den Beitrag ei- Am Netzwerk sind 469 Unternehmen aus mehr als 140
ner regionalen Komplementärwährung zur Optimierung verschiedenen Branchen der Region Chiemgau beteiligt.
lokaler und regionaler Stoffkreisläufe. Mit Komplemen- Darunter befinden sich neben klassischen Dienstleistern
tärwährungen wie dem Chiemgauer ist grundsätzlich (Friseure, Schneidereien, Maler, Kfz-Werkstätten) auch
das Ziel verbunden, die Nachfrage nach regionalen Gü- Reiseveranstalter, Apotheken, Filialen von Banken,
tern zu erhöhen und gleichzeitig den Abfluss finanzieller Ausrüster für Arbeitsschutz und Versicherungsmakler,
Mittel in andere Regionen zu reduzieren. Viele Instru- die ihre Produkte und Dienstleistungen auch in der
mente der klassischen Wirtschaftsförderung orientieren Währung Chiemgauer anbieten. Mit den erworbenen
sich an der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Chiemgauern fragen die Unternehmen selbst Güter und
Unternehmen, während eine Regionalwährung ein Inst- Dienstleistungen von Zulieferern aus der Region nach
rument für die Steigerung der regionalen Wertschöpfung und bezahlen zum Teil Löhne und Gehälter.
ist und die Nachfrage stärker auf regionale Dienstleistun-

Abbildung 3

Entwicklung von Unternehmensumsatz und regionaler Wertschöpfung


im Chiemgauer-Netzwerk 2003 bis 2014 in Euro

8.000.000

6.000.000

4.000.000

2.000.000

2003 2005 2007 2009 2011 2013 0

Chiemgauer-Umsatz aller Unternehmen Chiemgauer-Wertschöpfung in der Region ( = BIP)

Quelle: Eigene Darstellung und Berechnungen nach Gelleri (2015).

Hemmnisse der regionalen Wertschöpfung durch Regiogeld



• Beteiligung: gering bei Unternehmen, die in • Organisationsstrukturen: Abhängigkeiten vom En-
höherem Maße an überregionale Strukturen und gagement einzelner Personen erhöhen die Gefahr
Lieferketten gekoppelt sind des Scheiterns, wenn einige Aktive das Projekt
verlassen.
• Traditionelle Konsummuster: Je weniger Bedürfnis-
se aus dem Netzwerk gedeckt werden können, des- • Fehlender regionaler Zusammenhalt: Größere An-
to schwieriger fällt es, eingefahrene Konsummuster onymität und Vereinzelung bzw. höhere Diversität
hinsichtlich einer regionaleren Konsumweise zu der Lebensstile in Großstädten erschweren den
verändern. Aufbau von Komplementärwährungsstrukturen.
Einsatz von Regiogeld: Wenn kommunale Abgaben,
Beiträge und Steuern nicht in Regiogeld beglichen
werden können, wird Ausbreitung/Nutzung einge-
schränkt.

24
Optimierung von Stoffströmen – fünf Beispiele für kommunales Engagement

Akteure

• Chiemgauer e.V. Infobox 9




Chiemgauer Regiogeld UG (haftungsbeschränkt)
Sozialgenossenschaft, die Regios eG
Komplementärwährung
• Unternehmen
• Nutzerinnen und Nutzer • Regionale Währungssysteme oder Komple-
mentärwährungen stellen eine Form von
Local Exchange Trade Systems (LETS) dar.
Viele dieser Tausch- und Währungssysteme
Einzelpersonen und Privathaushalte können ihrer-
gehen auf die Freiwirtschaftstheorie von
seits auch Dienstleistungen und Produkte anbieten,
Silvio Gesell (Gesell 1920) zurück und sind
sind aber i.d.R. als Verbraucher am Netzwerk be-
als Reaktion auf die Kritik am bestehenden
teiligt. Verbraucher können Chiemgauer an Aus-
Geld- und Zinssystem entstanden.
gabestellen eintauschen oder bargeldlos über eine
• Viele LETS sind nicht direkt konvertibel mit
elektronische Chipkarte ihre Einkäufe abwickeln,
den offiziellen Währungssystemen, was
jedoch können sie ihrerseits keine in Euro zurück-
auch dazu führt, dass diese lokalen Wirt-
tauschen. Neben den beteiligten Unternehmen
schaftskreisläufe graduell gegenüber den
und Privathaushalten sind Vereine aus der Region
Entwicklungen und Krisen der Weltwirtschaft
zentrale Akteure des Chiemgauer-Netzwerks. Einer-
abgeschirmt sind und sich diesen gegenüber
seits bieten sie ihre Angebote im Netzwerk an, und
als resilient erwiesen haben.
Mitgliedsbeiträge bzw. Aufwandsentschädigun-
gen können z.T. in Chiemgauer beglichen werden.
Andererseits profitieren Vereine dadurch, dass drei Auch Kommunen und Gemeinden sind vereinzelt Mit-
Prozent einer jeden Euro-Chiemgauer-Einwechslung glieder im Chiemgauer-Netzwerk. Sie betreiben Ausgabe-
eines Mitglieds an dessen Wunschverein gehen. Da- stellen oder beschaffen Leistungen aus dem Netzwerk.
durch besteht ein Anreiz für die Teilnahme und die Außerdem unterstützen sie den Chiemgauer ideell und
aktive Mitgliederwerbung für das Netzwerk durch durch aktive Förderung und Werbung neuer Mitglieder.
die Vereine.

Erfolgsfaktoren

• Marktforschung vor der Initiierung: Konsumver- • Einfache Handhabung und Transparenz: regel-
halten, zentrale Angebote sowie bereits vorhan- mäßiger und klar formulierter Informationsfluss,
dene Wertschöpfungskreisläufe identifizieren, transparente Zahlungsabläufe, demokratische
um Potenziale für regionale Kreislaufwirtschaft Mitwirkung aller Teilnehmenden und Klarheit in
zu ermitteln. Entscheidungsprozessen.

• Regionale Wirtschaftsstruktur: Inhabergeführte • Angebote und Nachfrage: Unternehmen nehmen


Geschäfte, Handwerker und Dienstleister mit nur dann teil, wenn Nachfrage hoch genug ist
Hauptsitz in der Region sind mitwirkungsbereiter und stabile Kundenbeziehungen aufgebaut
als Großkonzerne. werden können.

• Lokale Verbundenheit und Identifikation mit • Regionalen Bezug wahren: Wirkungskreis


der Heimatregion: Akteure sind motiviert, an soll sich räumlich nicht allzu sehr ausweiten,
dem Netzwerk teilzunehmen, wenn es für sie Orientierungswert ist eine Entfernung bis zu 50
wichtig ist, regionale Strukturen direkt fördern Kilometer, in der Güter-, Kapital- und Informa-
zu können. tionsströme intensiv vernetzt und persönlich
kommuniziert werden können.

25
Wege zur Optimierung von Stoffströmen und Stoffkreisläufen in Kommunen

Warum wurde das Regiogeld Chiemgauer als Fallbei- Gesellschaft ist jedoch der Beitrag einer Komplementär-
spiel ausgewählt? währung breiter zu fassen. Die öffentliche Diskussion,
die auch durch begleitende Öffentlichkeitsarbeit unter-
Eine Regionalwährung kann dabei helfen, die Wirt- stützt werden kann, führt jenseits der direkten Beiträge
schaftskreisläufe regionaler auszurichten. Durch Regi- durch die Ausrichtung auf Regionalität zu einem stär-
onalwährungen können Transportwege verkürzt und keren Bewusstsein für ökologische und soziale Folgen
qualitativ hochwertige Produkte besser platziert werden. der globalen Produktionsweise. In der Region Chiemgau
Mit einem auf die Region fokussierten Zahlungs- und entstand dazu ein kritischer Diskurs. Gleichzeitig bieten
Regionalgeldsystem können lokal vorhandene Ressour- Regionalwährungen durch transparentere Konsum-
cen, Stoffströme und Kompetenzen für die Nutzung in strukturen einen konkreten und gemeinschaftlichen
der Region aktiviert und optimiert zwerden. In Bezug Lösungsansatz für nachhaltigen Konsum.
auf den Beitrag für eine nachhaltige Transformation der

4. Wege zur Optimierung von Stoffströmen und Stoffkreisläufen


in Kommunen
Die skizzierten Fallstudien zeigen, dass lokale Akteure gehoben und auch der Bekanntheitsgrad der Ansätze
auf vielfältige Art und Weise Stoffströme aktiv optimie- verbreitert werden. Um Ressourceneffizienz durch KMU
ren und Wege zur Erhöhung der Ressourceneffizienz und die Zivilgesellschaft langfristig und kontinuierlich
existieren. zu entwickeln, sind verlässliche und förderliche Rah-
menbedingungen auch auf kommunaler Ebene stärker
Die Begutachtung von insgesamt mehr als 200 Ansät- zu verankern. Zur Hebung weiterer Potenziale für Res-
zen zur Optimierung von Stoffströmen – mit Fokus auf sourceneffizienz können folgende aus den Fallstudien
Deutschland – hat ergeben, dass das Thema durch KMU abgeleitete Schritte als Handlungsmöglichkeiten dienen,
und Zivilgesellschaft vor allem im Rahmen von Ein- die insbesondere für die kommunale Ebene eine hohe
zelmaßnahmen angegangen wird und unterschiedlich Relevanz haben:
stark ausgeprägt bzw. verankert ist. Ein wichtiger lokaler
Akteur ist die kommunale Wirtschaftsförderung. Ein 1. Wirtschaftlichkeit herstellen
allgemeines oder übergreifendes Verständnis für das
Thema „Ressourceneffizienz“ ist auf der lokalen Ebene 2. F
 inanzierung sichern und Nachfrage stärken
noch nicht verankert und grundlegende Organisations-
bzw. Verwaltungsstrukturen als Schnittstellen sind nicht 3. A
 kteure vernetzen, Projekte lokal sichtbar
ausreichend entwickelt und finanziert. In den untersuch- machen
ten Ansätzen sind oft auch andere Zielsetzungen mit
Maßnahmen verknüpft, die Ressourceneffizienz adres- 4. Partizipation und Mitbestimmung
sieren, werden von den Akteuren jedoch oft nicht unter
dieser Perspektive wahrgenommen. Vorliegende Potenzi-
ale zur Verbesserung des lokalen Ressourcenschutzes
1. Schritt: W
 irtschaftlichkeit herstellen
werden bislang nicht umfassend ausgeschöpft.

>> Das Projekt sollte für die Unternehmen wirt-


Die KMU sind die Hauptzielgruppe politischer Instru- schaftlich sein.
mente und Maßnahmen zum Ressourcenschutz. Das
Zentrum Ressourceneffizienz VDI ZRE zum Beispiel >> Einbindung und Etablierung von Netzwerken
berät, bündelt und unterstützt Maßnahmen zur Ressour-
>> Komfort und Bequemlichkeit der Leistungen
ceneffizienz insbesondere in KMU. Durch ein besseres muss gewährleistet sein
Zusammenspiel mit der lokalen Verwaltung könnten
weitere Potenziale für Ressourceneffizienz insbeson-
dere durch Unterstützung, Beratung und Vernetzung

26
Wege zur Optimierung von Stoffströmen und Stoffkreisläufen in Kommunen

Diverse Maßnahmen zur Ressourceneffizienz werden in


Unternehmen bereits umgesetzt. Ein Treiber für die Um-
2. Schritt: Finanzierung sichern und
setzung von Maßnahmen ist vor allen die Wirtschaftlich-
Nachfrage stärken
keit, d.h. wenn die Maßnahmen mit Kosteneinsparun-
gen verknüpft werden können. Unternehmen scheuen
>> Finanzierungsmöglichkeiten für regionale Ansät-
allerdings zusätzliche Aufwendungen (insbesondere Zeit ze über Gebührenhaushalte (z.B. Abfallgebüh-
und Geld), die mit der Umsetzung von Maßnahmen ver- renhaushalt) helfen bei der Umsetzung
bunden sein können – insbesondere wenn diese mit un-
>> Die Kommunen selbst, aber auch große und klei-
klaren, nicht konkret zurechenbaren oder erst langfristig
nere Unternehmen sind wichtige Nachfrager der
wirkenden Erfolgen und Verbesserungen einhergehen. Leistungen aus Stoffstromoptimierungsprozessen.
Somit ist es für die Umsetzung von Stoffstromprojekten Dies steigert deren Kapazitäten und Skaleneffekte
durch die lokale Wirtschaft wichtig, dass diese einerseits (z.B. öffentliche Beschaffung)

kostensenkend wirken und andererseits der erforderliche >> Ausrichtung der Arbeitsmarktförderung als
Mehraufwand gering bleibt bzw. dieser entsprechend Herausforderungen für zivilgesellschaftliche und
gefördert und unterstützt wird. Die Einbindung und unternehmerische Initiativen
Etablierung von lokalen Netzwerken (etwa für Gewerbe-
betreibende eines Gewerbegebiets) kann die Initiierung
und Beteiligung unterstützen. Über bestehende Struk- von Löhnen und Gehältern in der Region, Transport-
turen der lokalen Wirtschaftsförderung können kon- wege und z.T. schlechte Arbeitsbedingungen werden
krete (überbetriebliche) Problem- oder Fragestellungen reduziert und regional vorhandene Kompetenzen
angegangen werden, etwa indem sich lokale Netzwerke (z.B. traditionelle Berufe) verstärkt nachgefragt. Loka-
bilden und etablieren. le Tauschwährungen stellen dabei ein gutes Beispiel
dar, wie regionale Wertschöpfungsketten ausgebaut
Insbesondere ansässige Großunternehmen, die lokale und stabilisiert werden können. Die Etablierung und
Märkte bedienen, stellen mit ihrer großen und beständi- Stärkung lokaler Wertschöpfungskreisläufe, im Rah-
gen Nachfrage einen wichtigen Hebel für die Skalierung, men derer Waren und Dienstleistungen erstellt und
Übertragung und Vertiefung verschiedener Stoffstrom- Löhne und Gehälter im regionalen Kreislauf erwirt-
modelle dar. Besteht ein ausreichendes Angebot bzw. schaftet werden, setzt auch die Bereitschaft und Mög-
ausreichende Nachfrage, können Ansätze ökonomisch lichkeiten von Kommunen voraus, sich selbst an den
betrieben und entsprechende Skaleneffekte generiert lokal erstellten Leistungen und Waren als Anbieter
werden. Diese können dann auch kostensenkend wirken oder Nachfrager zu beteiligen. Der ökonomische, aber
und dazu führen, dass ökologisch sinnvolle Ansätze auch ideelle Impuls für die lokalen Kreislaufsysteme
vertieft und verbreitert werden, da sich die fixen Kosten kann durch beständige kommunale Nachfrage zu
durch überbetriebliche Stoffstrommanagementsysteme einer Skalierung der Angebote führen.
leichter amortisieren lassen.
Zivilgesellschaftliche Initiativen (z.B. im Reparatur-
Dazu ist eine starke Beteiligung der Zivilgesellschaft oder Wiederverwendungsbereich), deren Mitarbei-
auf der Nachfrageseite wichtig. Konsumentinnen und terinnen und Mitarbeiter über den zweiten Arbeits-
Konsumenten können insbesondere dann erfolgreich markt gefördert werden, sind oft mit einer unsteten
von lokalen Stoffstromangeboten angesprochen werden, kommunalen Arbeitsmarktförderung konfrontiert.
wenn diese einfach und intuitiv in gewohnheitsmäßiger Drohende Änderungen in den Förderzielen erschwe-
und alltagstauglicher Form umgesetzt werden können. ren den kontinuierlichen Betrieb und Ausbau, was
Die Nutzerfreundlichkeit alternativer Angebote sollte den verschiedenen bzw. nicht-kohärenten politischen
sich am Status quo konventioneller Angebote orientieren Ressortzielen geschuldet ist. Wünschenswert wäre
(z.B. elektronischer Zahlungsverkehr beim Chiemgauer). hier eine stärkere Verzahnung und integrierte Maß-
nahmenplanung für Nachhaltigkeitsziele, auch und
Für KMU und die lokale Zivilgesellschaft bringen die insbesondere über Ressortgrenzen hinaus, um z.B.
Intensivierung und Vertiefung regionaler Wirtschafts- Maßnahmen zur Ressourceneffizienz mit den Mitteln
kreisläufe durch lokale und regionale Stoffkreisläufe der Arbeitsmarktförderung besser zu verzahnen.
ökonomische, ökologische und soziale Vorteile mit
sich. Ein Teil der Wertschöpfung verbleibt in Form

27
Wege zur Optimierung von Stoffströmen und Stoffkreisläufen in Kommunen

geeigneten Formate bzw. Plattformen bereit, welche


ganz wesentlich zu Fortbestand, Verstetigung und
3. Schritt: Akteure vernetzen, Projekte
Weiterentwicklung von Initiativen und Projekten
sichtbar machen
beitragen könnten. Die Wirtschaftsförderung Duisburg
verknüpft ihre Aktivitäten deshalb gezielt mit lokalen
>> Bildung von unternehmerischen Interessen-
gemeinschaften und strategischen Partner- Unternehmensgemeinschaften bzw. deren Entwick-
schaften, um zu bündeln und um gemeinsame lung, um eine gemeinsame Plattform für Information
Strategien zu entwickeln und Austausch zu gewährleisten. Informierte und
vernetzte kommunale Akteure in Wirtschaft und
>> ie Bildung regionaler Kooperationsstrukturen (z.B.
D
KMU, öffentlich-rechtliche Entsorgungsunternehmen, Zivilgesellschaft tragen zur Stärkung des Prob-
Verwaltung) ist eine wichtige Voraussetzung. lembewusstseins und zur Erweiterung der lokalen
Handlungsmöglichkeiten bei. Information und
>> Förderung der regionalen Unterstützung durch
weitere Akteure und Multiplikatoren zur Auswei- Transparenz können Bewusstseinsbildungsprozesse
tung und Verbreitung der Ansätze beschleunigen. Diese sollten aber mit konkreten Er-
fahrungen (z.B. erfolgreiche Beispielprojekte) unter-
>> Kommunalpolitik und Verwaltung sind für
Initiativen wichtige Partner für die Förderung der legt werden. Oft erkennen die jeweiligen Akteure den
Bekanntheit und Unterstützung von Glaubwür- konkreten Nutzen bzw. Handlungsbedarf ohne um-
digkeit/Seriosität der Ansätze. fassende Information und Beratung nicht. So hat das
Projekt RECOM die Aufmerksamkeit für das Thema
Re-Use bei lokalen Akteuren und in der Bevölkerung
Eine erhöhte Transparenz zwischen allen relevanten durch Informationsveranstaltungen, Beratungen und
Akteuren in der Kommune oder Region kann durch Vernetzungsinitiativen erhöht.
Kommunikation, Austausch und Netzwerkbildung
befördert werden. In vielen Fällen stehen für die Konkrete und politisch geförderte kommunale Bera-
Kommunikations- und Informationsprozesse keine tungsangebote für Unternehmen stellen wichtige Be-
gleitfaktoren dar, um Informationen zu bestehenden
unternehmerischen Einsparpotenzialen zu ermitteln
und aufzuzeigen. Beratungsleistungen werden leich-
ter angenommen, wenn deren Kosten über Förderpro-
gramme gedeckt sind und die Beratung durch neutra-
le und unabhängige Dienstleister erfolgt. Zusätzlich
helfen weitere Akteure, insbesondere Unterstützerin-
nen und Unterstützer aus der Kommunalpolitik und
Verwaltung, als Multiplikatoren bei der Ausweitung
und Verbreiterung der Ansätze.

Die Durchführung lokaler Forschungs- und Entwick-


lungsprojekte, basierend auf realen Daten, kann
dabei helfen, konkrete Monitoring- und Evaluations-
systeme aufzubauen, um eine zukünftige effiziente
Steuerung zu ermöglichen und bestehende Probleme
besser zu verdeutlichen. Eine Voraussetzung ist, dass
die benötigten Ressourcen (z.B. Forschungsbudgets)
und Kapazitäten (z.B. lokale Universitäten, For-
schungsinstitute) für deren Beforschung, Einrichtung
und Steuerung vorhanden sind. Dies ist nur in grö-
ßeren Kommunen der Fall, und deren Bereitstellung
hängt wiederum vom politischen Willen ab.

Die Bildung von unternehmerischen Interessenge-


meinschaften und strategischen Partnerschaften

28
Wege zur Optimierung von Stoffströmen und Stoffkreisläufen in Kommunen

kann dabei unterstützen, Informationen, Kompeten- grad von Projekten. In anonymeren urbanen Struk-
zen und Ressourcen zu bündeln und gemeinsame turen sind dabei auch der Einsatz von Marketing und
Strategien zu entwickeln. Die Bildung von regionalen sozialen Medien nötig, um Bekanntheitsgrad, Ver-
Kooperationsstrukturen (z.B. KMU, öffentlich-rechtli- trauen und Image zu steigern und neue Zielgruppen
che Entsorgungsunternehmen, Verwaltung, Vereine, zu erschließen. Unter Berücksichtigung der vorhan-
Bürgerinitiativen) kann für Stoffstromprojekte wichti- denen (knappen) Ressourcen sollte eine Abwägung
ge Katalysatoren sein. vorgenommen werden, was die konkreten Marketing-
ziele sind, insbesondere welche Zielgruppen erreicht
werden sollen.

4. Schritt: Partizipation und


Die Initiative zivilgesellschaftlicher Akteure im
Mitbestimmung
Bereich von Ansätzen zur Stoffstromoptimierung und
Ressourceneffizienz ist eine wichtige Voraussetzung.
>> Funktionierende zivilgesellschaftliche Struk-
turen sind entscheidend für verschiedene Wie die Recherchen gezeigt haben, sind diese sehr
Initiativen. vielfältig in ihrer thematischen Ausrichtung und im
Umfang. Auch politische Zielvorgaben können über
>> Durch die Partizipation und Mitbestimmung der
direktdemokratische Instrumente und Initiativen,
Bevölkerung (z.B. Volksentscheide) können wichtige
Grundlagen und Ziele verankert werden. wie z.B. Volksbegehren, durch die Zivilgesellschaft
vorangetrieben werden.
>> Förderung wissenschaftlicher Beratungsleistungen für
die Steuerung und Umsetzung von Projekten
Durch geeignete Fördermaßnahmen können Res-
>> Durch Lobbyarbeit zur Beeinflussung von Geset- sourcen bereitgestellt werden, die das soziale En-
zesinitiativen auf allen Ebenen können Regulie- gagement, den Austausch und die Vernetzung von
rungen optimiert werden.
Bürgern und Unternehmen auf horizontaler Ebene
unterstützen. Hier könnte an geeignete bestehende
Strukturen angesetzt werden, z.B. Quartiersmanage-
Es bestehen Wechselwirkungen zwischen der Nut-
ment und -rat, Vereine und soziale Initiativen oder
zung verschiedener lokaler Stoffstromsysteme und
Bürgerstellen an Rathäusern. Diese sollten dazu be-
der Stiftung lokaler Identität. Eine ausgeprägte lokale
fähigt werden, die Koordination von ehrenamtlichem
Verwurzelung und Identifizierung sind für die weitere
Engagement, sozialen Innovationen und Community
Ausbreitung und Vertiefung der Ansätze wichtig und
Organizing transparent zu gestalten. Dies wäre eine
steigern den Bekanntheitsgrad und das Vertrauen.
wichtige Grundlage, um die Kommunikation und
Sind Projekte in die kommunale Wirtschaft und in
den Austausch der Bürger und Bürgerinnen über die
sozialen Initiativen der jeweiligen Kommune gut ein-
lokale Nutzung von Kompetenzen und Stoffströmen
gebunden und vernetzt, ist dies für die erfolgreiche
zu fördern, auch und vor allem in urbanen Regionen,
Entwicklung von Projekten grundsätzlich förderlich.
die stärker durch Vereinzelung geprägt sind.
Dies stärkt darüber hinaus die Glaubwürdigkeit,
verbessert das Image und steigert den Bekanntheits-

29
Bausteine zur Umsetzung von Stoffstromprojekten für die lokale Wirtschaft und Zivilgesellschaft

5. Bausteine zur Umsetzung von Stoffstromprojekten für die


lokale Wirtschaft und Zivilgesellschaft
Die Umsetzung von Maßnahmen zur Optimierung von diese zu vertiefen und zu verbreitern (z.B. regelmäßige
Stoffströmen und -kreisläufen kann inhaltlich und strate- Feste oder Aktivitäten von Vereinen). Hierfür sollten
gisch unterschiedlich erfolgen, wie an den aufgeführten kommunale Vertreterinnen und Vertreter durch die Initi-
Fallbeispielen verdeutlicht wurde. Des Weiteren lassen atorinnen und Initiatoren aktiv angesprochen, informiert
sich aus den oben dargestellten vier Handlungsschritten und eingeladen werden. Der Bekanntheitsgrad kann ge-
wichtige allgemeingültige Bausteine zur Umsetzung steigert werden, Image und Vertrauen verbessert und die
eines ressourceneffizienten Handelns in den Kommunen Projekte besser aktiv im kommunalen Handeln verankert
darstellen. Im abschließenden Teil dieser Broschüre werden (z.B. Gebrauchtgüterkäufe durch die öffentliche
sollen deshalb beispielhaft Umsetzungsmöglichkeiten Beschaffung). Da hier auch parteipolitische Interessen
erläutert werden, an denen sich zivilgesellschaftliche wirksam werden und die Kontinuität nach einem politi-
Akteure und Unternehmen orientieren können, um schen Wechsel durch Wahlen gefährdet werden könnte,
Maßnahmen zur Optimierung von Stoffkreisläufen und ist nach Möglichkeit eine parteiübergreifende politische
Stoffströmen in der Praxis umzusetzen. Unterstützung zu organisieren. Feste Kooperationsstruk-
turen zwischen Verwaltungsstellen, kommunalen Un-
Politische Unterstützung organisieren, Ziele ternehmen, KMU und der Zivilgesellschaft (z.B. Runder
einfordern und vorgeben! Tisch) helfen dabei, die praktische Umsetzung, Kontinu-
ität und eine langfristige Zusammenarbeit zu fördern. Im
Um politische Unterstützung von Projekten durch Projekt RECOM haben die gelungenen Partnerschaften
kommunale Akteure (Gemeinderat, Stadtverwaltung, mit der Stadt Bielefeld oder auch privaten Unternehmen
Bürgermeister usw.), durch Unternehmen oder die Zivil- zu einer Verstetigung der Initiativen über den Förderzeit-
gesellschaft wirksam zu aktivieren, sollte an bestehende raum hinaus geführt.
Strukturen und Aktivitäten angeknüpft werden, um
Werden ambitionierte Ziele für Ressourceneffizienz und
-schutz politisch vorgegeben, stellt dies insbesondere
die Wirtschaft vor das Erfordernis, einen Suchprozess zu
starten und konkrete Vorhaben zu planen und umzu-
Infobox 10 setzen. In Zürich wurde das Ziel der „2.000-Watt-Ge-
Berliner Volksbegehren sellschaft“ vom Stadtrat kommunal verankert und
umgesetzt, was die Schaffung eines funktionierenden
„Neue Energie“ Sekundärbaustoffmarkts in der Region nach sich zog.
An der Entwicklung kommunaler politischer Strategien,
Am 3. November 2013 wurde per Volksent- Ziele und Konzepte sollten Bürger und lokale Wirtschaft
scheid „Neue Energie“ über die Rekommu- von Anfang an beteiligt werden, um die Akzeptanz zu er-
nalisierung der Berliner Energieversorgung höhen. Der Versuch des Berliner Volksbegehrens zur Re-
abgestimmt. kommunalisierung der Stadtwerke im Jahr 2013, welches
nur knapp am Quorum scheiterte, zeigt, wie Forderun-
gen und Vorgaben aus der Zivilgesellschaft gleichzeitig
Gefordert wurde die Errichtung von Stadt- ökologische und soziale Zielsetzungen befördern können
werken als Anstalt öffentlichen Rechts, die und eine wichtige Debatte zur Ausrichtung der künftigen
einen Beitrag zu einer nachhaltigen Energie- kommunalen Energiepolitik in Berlin anstoßen. Das glei-
versorgung leisten und Berliner Einwohner che gilt auch für das Volksbegehren der Fahrradinitiative
und Einwohnerinnen den Zugang zu bezahl- in Berlin, das zum ersten bundesweiten Mobilitätsgesetz
barer Energie langfristig ermöglichen sollte. geführt hat.

https://www.wahlen-berlin.de/Abstimmungen/VE2013_NEnergie/AllgemInfo.
asp?sel1=6052&sel2=1000

30
Bausteine zur Umsetzung von Stoffstromprojekten für die lokale Wirtschaft und Zivilgesellschaft

richtet sind. Integrierte Ansätze sind allerdings auch in


diesen Strukturen immer häufiger zu finden, etwa unter
dem Stichwort Sektorkopplung. Auch in der Kommunal-
verwaltung sind traditionell Fachabteilungen zu finden,
die vom Aufgabenprofil bereits stärker integriert han-
deln, wie etwa das Umwelt- und das Bauplanungsamt. In
diesen Bereichen finden sich leichter mögliche Ansprech-
partnerinnen und Ansprechpartner für zivilgesellschaft-
liche oder unternehmerische Akteure (z.B. Flächen für
Nachbarschaftsgärten).

Wie das Beispiel der Wirtschaftsförderung in Duis-


burg gezeigt hat, kann die Schaffung einer zentralen
Schnittstelle mit Querschnittsaufgaben („Kümmerer
Ressourceneffizienz“) dazu führen, dass sich dauerhafte
Aktivitäten im Bereich Information, Koordinierung und
Netzwerkentwicklung etablieren. An diese Stelle könnten
sich Initiativen aus den kommunalen KMU als zentrale
Übersicht über die wesentlichen Hand- Anlaufstelle wenden. Hier ist der politische Wille gefragt,
lungsansätze: eine solche Stelle mit Querschnittsaufgaben auch für Ak-
teure aus der Zivilgesellschaft einzurichten und diesen
• Politische Unterstützung organisieren, Ziele damit ein größeres Gewicht zu geben.
einfordern und vorgeben!
• Schnittstellen einrichten, Prozesse anpassen! Informieren und beraten!
• Informieren und beraten!
• Wirtschaftlichkeit anstreben! Das Bewusstsein für Energie- und Ressourceneffizienz
• Förderprogramme wahrnehmen! ist in den letzten Jahren bei Unternehmen und der Zivil-
gesellschaft stetig gestiegen. Bewusstwerdungsprozesse
dauern lange und haben auch noch nicht zu einer dyna-
mischen Entwicklung bei der Umsetzung entsprechen-
Schnittstellen einrichten, Prozesse anpassen!
der Maßnahmen geführt. Sichtbarkeit und Transparenz
über Fortschritte und umgesetzte Maßnahmen helfen
Kommunale Politik und Verwaltung gehen das Thema
dabei, die interessierte Zivilbevölkerung und kommuna-
Ressourceneffizienz und -schonung nicht als übergrei-
le Wirtschaft in den Fortbestand, die Verstetigung und
fendes Thema an, sondern aus den Perspektiven der
die Weiterentwicklung von Initiativen und Projekten ein-
jeweiligen Ressorts. Akteure aus der Zivilgesellschaft
zubinden. Hier sollten in Kommunen geeignete Formate
oder von Unternehmen sind hier vor die Problematik
und Strukturen gefunden werden, um die benötigten
gestellt, dass insbesondere für integrierte bzw. themen-
Kommunikations- und Informationsprozesse zu initiie-
übergreifende Ansätze keine wirklich zuständige Person
ren, voranzubringen und zu verstetigen. Beispielsweise
in Politik oder Verwaltung zu identifizieren ist. Da die
können mittels der Entwicklung und Umsetzung von
Unterstützung durch Politik und Verwaltung grundsätz-
Demonstrationsprojekten technische Möglichkeiten
lich förderlich ist für die Verbeiterung und Vertiefung
aufgezeigt und bestehender Kritik begegnet werden. Sie
von Ansätzen, sollten Konzepte so angepasst werden,
weisen auf technische und politische Machbarkeit hin
dass eine größere Überschneidung mit den bestehen-
und zeigen auch mögliche Voraussetzungen und Poten-
den Verwaltungsstrukturen hergestellt werden kann.
ziale für die Übertragung auf andere Kommunen oder
Außerdem sollten konkrete Personen, möglichst als
Regionen auf. Im Projekt RECOM konnten Erfahrungen
dauerhafte Ansprechpartner für Politik und Verwaltung,
und Ansätze aus Modellprojekten an andere Kommunen
benannt werden. Auch bei Kooperationen mit kommuna-
weitergegeben werden. Unabhängige kommunale Bera-
len Unternehmen der Ver- und Entsorgung, z.B. aus den
tungsangebote für Unternehmen und die interessierte
Sektoren Abfall, Energie und Wasser/Abwasser, muss
Zivilbevölkerung können weitere Informationen zu be-
beachtet werden, dass diese vor allem sektoral ausge-
stehenden Einsparpotenzialen ermitteln und aufzeigen.

31
Bausteine zur Umsetzung von Stoffstromprojekten für die lokale Wirtschaft und Zivilgesellschaft

anbieten, die der Vermittlung von fachlichen Kom-


petenzen, Weiterbildungen und dem Austausch der
kommunal verantwortlichen Mitarbeiterinnen und
Infobox 11 Mitarbeiter, auch untereinander, dienen. Auch durch
Der Bund fördert die die Einbindung fachlicher Kompetenzen externer
Partner, insbesondere auch technischer Partner,
Ressourceneffizienz auf können die Angebote und Services der Verwaltung
der lokalen Ebene, u.a. auf verbessert und Projekte praxistauglich ausgerichtet
werden. Hierdurch können Kompetenzen gestärkt,
diese Weise: weitergegeben und praxisnah vertieft werden.

• M
it www.ressource-deutschland.de be-
treibt das VDI ZRE ein Web-Portal, mit dem Wirtschaftlichkeit anstreben!
die Umsetzung von unternehmerischen
Ressourceneffizienz-Maßnahmen durch Maßnahmen und Projekte lassen sich deutlich einfa-
Beratung und Bündelung gefördert werden cher umsetzen, wenn ihre Wirtschaftlichkeit gegeben
soll. ist. Eine Möglichkeit, Systemkosten einzusparen, ist
dann gegeben, wenn durch die Skalierung der An-
• A
uf der Webseite http://ressourceneffizien- sätze die Stückkosten reduziert werden können. Hier
tekommune.de sind Informationen zur Res- bieten die kommunale Nachfrage der lokalen KMU,
sourceneffizienz in Kommunen zu finden. der lokal ansässigen Großunternehmen, aber auch
die Nachfrage aus der kommunalen Verwaltung und
Kommunalpolitik einen wichtigen Hebel, um Ansätze
skalieren zu können.
Kompetenzen ausprägen und vermitteln
Kleinere oder inhabergeführte Unternehmen tendie-
Bei unterschiedlichen kommunalen Akteuren liegen
ren auch aus regionaler Verbundenheit eher dazu,
profunde Wissensbestände und Kompetenzen vor:
sich an regionalen Stoffstromsystemen zu beteiligen.
Zu nennen sind hier Verwaltungsstrukturen (z.B.
Größere Unternehmen wiederum könnten über etwa-
Umwelt-, Planungs- und Tiefbauämter oder Beschaf-
ige vorhandene CSR-Strukturen in Projekte eingebun-
fungsstellen), aber auch kommunale Einrichtungen
den werden. Das Thema CSR kann als „Türöffner“
(z.B. Wirtschaftsförderung) und kommunale Unter-
bzw. Einstiegsargument wirken. Insbesondere für die
nehmen der Ver- und Entsorgung (z.B. im Bereich
Verbreiterung von Maßnahmen und Projekten kann
Abfall, Energie und Abwasser). Die Umsetzung von
die Teilnahme einzelner Großunternehmen durch die
Maßnahmen erfordert fachliche Kenntnisse und Kon-
große Nachfrage- bzw. Angebotsmacht zu Sogwirkun-
tinuitäten. In vielen Kommunen kam es in der Ver-
gen und Nachahmungseffekte in einer Region füh-
gangenheit im Rahmen von Sparmaßnahmen zu Kür-
ren. Im Projekt RECOM konnte über den CSR-Ansatz
zungen im Personalbestand. In vielen Fällen wurden
erfolgreich ein größerer regionaler Möbelhersteller
freie Stellen nicht neu besetzt, was zu einem Kompe-
für die Mitwirkung gewonnen werden. Um langfristig
tenzverlust in Politik und Verwaltungen geführt hat.
tragfähig zu sein, sollten Unternehmen eingebunden
Verschärft wird dies durch den eingetretenen demo-
werden, die auch außerhalb von Förderprogrammen
grafischen Wandel mit der Folge, dass bereits jetzt
das Konzept aktiv und kontinuierlich umsetzen
Stellen älterer und erfahrener Mitarbeiterinnen und
wollen.
Mitarbeiter nicht mehr besetzt werden können. Der
Umbruch bietet andrerseits auch Möglichkeiten neue
Damit die Nachfrage der kommunalen Verwaltung
und innovative Ideen und Umsetzungen des Verwal-
und Politik für lokale Ansätze zur Stoffstromopti-
tungshandelns anzugehen und auszuprobieren.
mierung wirksam werden kann, müssen geeignete
rechtliche Rahmenbedingungen gegeben sein. Diese
Hierzu können zivilgesellschaftliche Akteure und
sind für Unternehmen und die Zivilgesellschaft, aber
lokale Unternehmen gezielte Weiterbildungsmaßnah-
auch für die interessierten Akteure aus der kommu-
men, Veranstaltungen und Seminare entwickeln und
nalen Verwaltung und Politik nicht ohne Weiteres zu

32
Bausteine zur Umsetzung von Stoffstromprojekten für die lokale Wirtschaft und Zivilgesellschaft

verändern. Hier können in begrenztem Maße Lob-


byarbeit und beständige Überzeugungsarbeit helfen,
die mitunter nur langfristig wirken.

Infobox 12
Wirtschaftlichkeit
und Finanzierung
• Wie die Projekte RECOM und Chiemgauer
zeigen, sind Finanzierungsmöglichkeiten
zwar gegeben, aber durch gesetzliche Vor-
gaben beschränkt.

• Für die Wiederverwendung könnte der Ab-


fallgebührenhaushalt stärker in Anspruch
genommen werden.

• Kommunen mit erfolgreichen Komplemen-


tärwährungen sollten die Möglichkeiten be-
kommen, auch die lokal verankerte Tausch-
währungen für die teilweise Begleichung
von kommunalen Gebühren und Abgaben
zulassen zu können (z.B. Bristol Pound).

Infobox 13
Förderprogramme wahrnehmen! Förderung zur Optimie-
Förderprogramme für die Zivilgesellschaft und Un-
rung von Stoffströmen
ternehmen, die sich direkt auf die Optimierung von im Rahmen der Nationa-
Stoffströmen beziehen, werden aktuell im Rahmen
der Nationalen Klimaschutzinitiative angeboten,
len Klimaschutzinitiative
etwa „Kurze Wege für den Klimaschutz“. Des Weite- (NKI) nutzen:
ren können Unternehmen und die Zivilgesellschaft
weitere Förderprogramme oder Wettbewerbe nutzen,
• Neben Kommunen sind auch Vereine oder
um das Thema voranzubringen (etwa Mittel zum
Genossenschaften förderfähig.
Stadtumbau oder im Bereich Klimaschutz).

• „Kurze Wege für den Klimaschutz“ fördert


Auf der lokalen Ebene ist es möglich, durch lokale
Vorhaben, die umsetzungsorientierte An-
Förderprogramme ein ressourceneffizientes Verhalten
gebote zur Realisierung klimaschonender
etwa bei Bürgerinnen und Bürgern anzuregen. Bei-
Aktivitäten auf Nachbarschaftsebene bzw.
spielsweise genügt häufig ein „geringer“ finanzieller
in Quartieren schaffen:
Betrag in Kombination mit ökologischen Aspekten,
um Mitbürgerinnen und Mitbürger von der Umset-
Informationen sind beim Service- und Kompe-
zung von Maßnahmen bzw. von Verhaltensweisen
tenzzentrum: Kommunaler Klimaschutz (SK:KK)
zu überzeugen. Dies können länger angelegte lokale
zu finden (www.klimaschutz.de/kommunen)
Programme wie auch einzelne Aktionen sein.

33
Zusammenfassung und Ausblick

6. Zusammenfassung und Ausblick


Zahlreiche Ansätze zur Ressourceneffizienz durch lungsfeldern Potenziale nicht umfassend genutzt.
lokale Stoffstromsysteme sind in den Kommunen Um dies anzugehen, sind weitere Informationen und
durch Engagement der Zivilbevölkerung oder von Förderungen zur Stärkung der kommunalen Akteure
Unternehmen initiiert worden. Die Beispiele zeigen, erforderlich sowie die Anpassung des rechtlichen
wie unternehmerische und zivilgesellschaftliche Rahmens.
Akteure bereits heute unterschiedliche Projekte und
Maßnahmen zur Optimierung von Stoffströmen mit Zur Erreichung von Zielen zum Klima- und Ressour-
begrenzten Mitteln und Zeitbudgets, zum Teil neben censchutz müssen heute schon die Konzepte entwi-
ihren eigentlichen Aufgaben, umsetzen. Festzustellen ckelt und Maßnahmen in Angriff genommen werden,
ist, dass ohne lokale Akteure eine umfassende Umset- die sich erst im Laufe der nächsten Jahre und unter
zung der Optimierung von Stoffkreisläufen und Stoff- sich ändernden Rahmenbedingungen amortisieren
strömen zur Steigerung der Ressourceneffizienz nicht werden. Darüber hinaus müssen Finanzierungs-
denkbar ist, um die Ressourcenziele zu erreichen. Die möglichkeiten für klima- und ressourcenschonende
Akteure nehmen dabei verschiedenste Rollen ein und Projekte geschaffen werden, die volkswirtschaftlich
unterschiedliche Handlungsfelder werden bespielt. heute schon nützlich sind, die Gewinnerwartungen
Unternehmen und die Zivilgesellschaft sind dabei von privaten Investoren aber in der Regel nicht erfül-
Initiatoren, Koordinatoren, Umsetzer, Finanziers und len können.
Begleiter von Maßnahmen zur Steigerung der Res-
sourcenschonung.

Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse, dass unter ge-


gebenen Rahmenbedingungen die Potenziale der
Ansätze nicht ausgeschöpft werden können. Um diese
Potenziale besser nutzen zu können, sind zum Teil
passende institutionelle Rahmenbedingungen (z.B.
Organisations- und Kommunikationsstrukturen)
innerhalb der Verwaltung, aber auch in Unterneh-
men, als Ansprechpartner und Schnittstellen, noch
nicht ausreichend vorhanden und müssen entwickelt
werden. Verbindlich definierte kommunale Ziele,
Strategien und Leitbilder, die auch aus der Zivilge-
sellschaft und Unternehmen heraus partizipativ oder
auch gegen bestehende Widerstände durchgesetzt
werden müssen, sind ein wichtiger Bestandteil, um
den Ressourcenschutz voranzubringen. Rechtliche
Rahmenbedingungen, wie gesetzliche Vorgaben und
Reglementierungen (z.B. Abfallrahmenrichtlinie
für die Wiederverwendung, Reglementierung des
Rückbaus von Gebäuden), sowie die Definition von
Normen sind wichtige Schalthebel für die Umsetzung,
allerdings für Unternehmen und die Zivilgesellschaft
nicht direkt veränderbar.

Festzuhalten ist, dass Unternehmen und die Zivilge-


sellschaft in vielen Bereichen bereits in der Lage sind,
zentrale Funktionen und Leistungen zur Optimierung
von Stoffkreisläufen und Stoffströmen zu erfüllen und
dies bereits auch tun. Jedoch sind in vielen Hand-

34
Literaturverzeichnis

Literaturverzeichnis
Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland (2016): Deut-
sche Nachhaltigkeitsstrategie, Neuauflage 2016 (Nachhaltigkeits-
strategie für Deutschland), Berlin.

Gelleri, Christian (2015). Chiemgauer-Statistik 2003 bis 2014.


Chiemgauer e.V.

VDI ZRE (2014): Ressourceneffizienz im Fokus der betrieblichen


Kostenrechnung, Kurzanalyse Nr. 6, Berlin.

Zimmer, Wiebke, et al. (2016): Endbericht Renewbility III. Optio-


nen einer Dekarbonisierung des Verkehrssektors, Berlin u.a.

35
RESSOURCENEFFIZIENZ IN KOMMUNEN

Stoffströme und Stoffkreisläufe auf der


regionalen und lokalen Ebene optimieren
Handlungsfelder, Fallbeispiele und Empfehlungen
für Kommunen

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