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Gesamtstädtisches

Klimagutachten
Aachen Kurzfassung und Bürgerinformation

Oberflächenstrahlungstemperaturen, Thermalbefliegung 23.09.1998, 20.00 – 21.20 Uhr


Impressum

Herausgeber:
Der Oberbürgermeister
der Stadt Aachen,
Fachbereich Umwelt.

Bearbeitung und Layout:


Steinicke & Streifeneder,
Umweltuntersuchungen GbR
Eisenbahnstraße 43, 79098 Freiburg.
Unter Mitwirkung des Fachbereichs
Umwelt der Stadt Aachen.

Grundlage:
Gesamtstädtisches Klimagutachten Aachen.
ƒ RWTH Aachen, Geographisches Institut
ƒ Steinicke & Streifender, Freiburg
ƒ Büro für Umweltmeteorologie, Paderborn

Redaktion:
Fachbereich Umwelt, Gerhard Peschel

Herstellung:

© Stadt Aachen, Juni 2001

Die Kurzfassung des Gesamtstädtischen


Klimagutachtens kann gegen einen
Unkostenbeitrag von 5,- DM angefordert
werden bei:

Fachbereich Umwelt der Stadt Aachen


Abteilung Luftreinhaltung,
Energie und Immissionsschutz
Wilhelmstr. 96, 52070 Aachen

Gerhard Peschel
Telefon: 0241 / 432 3662
Fax: 0241 / 432 2876
e-mail: gerhard.peschel@mail.aachen.de
Vorwort

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Der Erhalt eines gesunden Stadtklimas, die Das Gesamtstädtische Klimagutachten dient
Überwachung der Luftqualität und der Aufbau vorrangig dazu, die Gesichtspunkte des flä-
einer umweltverträglichen Energieversorgung chenbezogenen Immissionsschutzes stärker in
gehören in der Kur- und Badestadt Aachen die Bauleit- und Bauplanung einzubringen.
seit Jahren zu den zentralen Feldern kommu- Für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt wird
naler Umweltpolitik. durch die Gutachtenergebnisse und deren
planerische Umsetzung eine Verbesserung der
Die klimatisch-lufthygienischen Verhältnisse stadtklimatischen und lufthygienischen Ver-
unseres städtischen Lebensraums hängen da- hältnisse erreicht, was wiederum eine nach-
bei nicht nur von den natürlichen Gegeben- haltige Verbesserung der Wohn- und Lebens-
heiten ab, sondern auch von der räumlichen qualität bedeutet.
Verteilung verschiedener Nutzungen, ihrer
räumlichen Gliederung zueinander sowie der Nicht zuletzt ist die Stadt Aachen aufgefordert,
Ausformung und Intensität der Bebauung. die besonderen Anforderungen an das Klima
Grundsätzliche Entscheidungen hierzu werden und die Luftqualität in den Kurgebieten Mon-
im Rahmen der Flächennutzungs- und Bau- heimsallee und Burtscheid zu erfüllen und
leitplanung getroffen. damit die Voraussetzungen für eine dauerhaf-
te staatliche Anerkennung als Heilbad zu
Bisher lagen der Stadtverwaltung zur Beurtei- schaffen.
lung der klimatischen Situation eine ganze
Reihe von lokalbezogenen Einzelgutachten Für interessierte oder ratsuchende Bürgerin-
vor, die jedoch aufgrund der zeitlichen und nen und Bürger wurde diese Kurzfassung des
räumlichen sowie vor allem methodischen umfangreichen Städtischen Klimagutachtens
Unterschiede ein Zusammenfügen zu einem erarbeitet. In allgemein verständlicher Form
plausiblen gesamtstädtischen Gefüge nicht werden hier die Daten zum Stadt- und Ge-
ermöglichten. Das nun vorliegende Gesamt- ländeklima zusammengefasst und bewertet.
städtische Klimagutachten dokumentiert an-
hand verschiedener aktueller Untersuchungs- Für die sorgfältige Zusammenstellung des
programme die klimatischen Verhältnisse flä- Kurzberichtes danke ich den an der Planung,
chendeckend für das gesamte Stadtgebiet. Messung und Auswertung beteiligten Gutach-
tern, den Mitarbeitern des Fachbüros Steinicke
Die Ergebnisse lassen sich je nach Fragestel- & Streifeneder, Umweltuntersuchungen, Frei-
lung sehr differenziert darstellen. Sogenannte burg und des Fachbereiches Umwelt der Stadt
klimatische Gunst- und Lasträume konnten Aachen.
räumlich abgegrenzt werden. Eine ganze Rei-
he von planerischen Handlungsempfehlungen
allgemeiner und spezieller Art sind einem Ka-
pitel über Planungshinweise zu entnehmen.
Insbesondere kommunalpolitische Entschei-
dungen zur Aufrechterhaltung und Verbesse- Gisela Nacken
rung eines gesunden und erträglichen Stadt-
klimas sowie der örtlichen Luftqualitätsverhält- (Beigeordnete für Gesundheit und Umwelt)
nisse werden zukünftig mittels dieser abgesi-
cherten aktuellen Daten und Informationen
ermöglicht. Besonderer Handlungsbedarf
besteht in den baulich verdichteten Stadtbe-
reichen des Talkessels und im Verkehrssektor.
Mitwirkende Institute, Fachbüros
Geographisches Institut der RWTH Aachen
ƒ Federführung in der Durchführung und Gutachtenberichterstellung
ƒ Beteiligung an den terrestrischen Messungen (Feststationen, Wind-
feldmessungen), kleinräumige Vertikaluntersuchungen mittels Fessel-
ballon und Kleinsonde
Büro Steinicke & Streifeneder, Umweltuntersuchungen, Freiburg
ƒ Thermalscannerbefliegung / digitale Verarbeitung der Thermaldaten
ƒ Radarbefliegung Aachen als Teil eines Bundes-Forschungsprojektes
(3-D-Stadtklima) mit Teilergebnissen
ƒ GIS-Großkartenbearbeitung und –fertigung
Büro für Umweltmeteorologie (BfU), Paderborn
ƒ Betrieb eines Feststationsnetzes, Meßfahrten zur Erfassung von Luft-
temperatur und Luftfeuchte sowie Durchführung von Rauchgassondie-
rungen
Universität-Gesamthochschule Essen, Institut für Ökologie, Abtei-
lung Landschaftsökologie
ƒ Aerologisches Meßprogramm, Vertikalsondierungen mit einem Fessel-
sondensystem (Großballon), Standort Aachen-Mitte (Elisenbrunnen)
Universität Trier, Fachbereich VI – Geographie/Geowissenschaften,
Abteilung Klimatologie
ƒ Aerologisches Meßprogramm, Vertikalsondierungen mit einem
Fesselsondensystem (Großballon), Standort Aachen-Sief
Stadt Aachen, Chemisches- und Lebensmitteluntersuchungsamt
ƒ Begleitende luftchemische Untersuchungen zum aerologischen
Meßprogramm der Universitätsinstitute
Stadt Aachen, Fachbereich Umwelt, Abteilung Luftreinhaltung, E-
nergie und Immissionsschutz
ƒ Fachliche und organisatorische Begleitung sowie Gesamtkoordinaton
der Klimauntersuchung
ƒ Einsatz und Betreuung einer stadteigenen Klimameßeinrichtung im
Feststationsnetz
Inhaltsverzeichnis

Stadtklima – eine Einführung .................................................... 1

Klimatische Ausgangssituation für den Raum Aachen ............. 6

Lufttemperatur..................................................................................... 8
Niederschlag ....................................................................................... 8
Sonnenscheindauer, Bewölkung ......................................................... 9
Wind................................................................................................... 10

Aufgabenstellung und Methodik der Stadtklimaanalyse


Aachen ..................................................................................... 11

Ausgewählte Ergebnisse.......................................................... 13

Temperaturverhältnisse an den Temporären Feststationen ............ 13


Temperaturinversionen über dem Aachener Kessel ........................ 15
Kaltluftbildung und Kaltluftabfluß .................................................... 17
Thermal- und Radarbefliegung ........................................................ 19

Die Synthetische Klimafunktionskarte .................................... 21

Siedlungsklima .................................................................................. 22
Stadtklima ......................................................................................... 23
Innenstadtklima ................................................................................ 24
Gewerbe- und Industrieklima ........................................................... 25
Freilandklima .................................................................................... 26
Waldklima ......................................................................................... 26
Parkklima .......................................................................................... 27
Klima der Wasserflächen .................................................................. 27
Spezielle Klimafunktionen ................................................................ 28

Nutzung der Ergebnisse für die Stadtplanung ....................... 33

Allgemeine Planungsempfehlungen ................................................. 36


Karte der Planungsempfehlungen.................................................... 38
Spezielle Planungshinweise für Einzelvorhaben .............................. 40

Weiterführende Literatur......................................................... 42
Stadtklima – eine Einführung

Bei den Begriffen Klima oder Klimazonen Von besonderer Bedeutung sind dabei:
denkt man in der Regel an ganze Kontinente
oder Großregionen, wie die Tropen, Subtro- ♦ Versiegelungsgrad und Vegetationsanteil,
pen, Gemäßigten Breiten oder Polargebiete. ♦ Bebauungsstruktur (Höhe, Dichte, Form
Doch nicht nur diese großen Gebiete weisen und Anordnung der Bauten),
ein für sie typisches Klima auf, sondern auch ♦ Wärmespeicherkapazität und Wärmeleit-
kleinteilige Strukturen wie unsere Städte. Da fähigkeit der künstlichen Oberflächen,
sich das Phänomen Stadtklima zunächst aus ♦ Luftschadstoffe und Abwärme.
den Erscheinungen des täglichen Wetters oder
der Witterungsperioden zusammensetzt, müs- Wichtig ist außerdem, dass sich das Stadtkli-
sen zuerst diese allgemeinen Begriffe erklärt ma wie überhaupt kleinräumige Klimaeigen-
werden. heiten, am stärksten bei den sog. autochtho-
nen Wetterlagen ausprägen. Das sind wind-
Wetter – der augenblickliche Zustand der schwache Hochdruckwetterlagen mit Domi-
Atmosphäre an einem bestimmten Ort, ge- nanz der lokalen und regionalen Einflüsse.
kennzeichnet durch die meteorologischen Das Gegenteil dazu sind allochthone Wetter-
Elemente Luftdruck, Lufttemperatur, Luftfeuch- lagen, die meist mit Tiefdruckgebieten und
te, Wind, Bewölkung, Niederschlag und kräftigem Wind verbunden sind.
Strahlung.

Witterung - der Ablauf des Wetters während


eines mehrtägigen Zeitraumes.

Klima - beschreibt den mittleren Zustand der


atmosphärischen Witterungsbedingungen mit
ihren Schwankungsbereichen an einem be-
stimmten Ort der Erdoberfläche.

Von der World Meteorological Organization


(WMO) wurde 1981 der Begriff des Stadtkli-
mas folgendermaßen definiert:

Blick vom Lousberg auf den zentralen Talkessel


Stadtklima ist das durch die Wechselwir- von Aachen mit der Innenstadt.
kung mit der Bebauung und deren Auswir-
kungen (einschließlich Abwärme und Emission Das wohl bekannteste Phänomen des Stadt-
von luftverunreinigenden Stoffen) modifizierte klimas ist die sog. städtische Wärmeinsel, die
Klima. gegenüber ihrer Umgebung durch höhere
Lufttemperaturen gekennzeichnet ist. Die Ur-
Abweichend von den ersten Definitionen wer- sache für die Überwärmung von Städten liegt
den beim Stadtklima also nicht nur die meteo- vor allem in der weitreichenden Veränderung
rologischen Elemente berücksichtigt, sondern des Wärmehaushaltes gegenüber dem Frei-
auch der lufthygienische Aspekt. Wie sich das land: Wärmespeicherung durch die städtische
typische Stadtklima entwickelt, hängt zum Bebauung, herabgesetzte Verdunstung durch
einen von den natürlichen Gegebenheiten die fehlende Vegetation sowie verringerte
eines Raumes (geographische Lage, Gelände- langwellige Ausstrahlung aufgrund der Luft-
verhältnisse, Regionalklima) und zum anderen verunreinigungen in der Stadtatmosphäre. Im
von den vom Menschen geschaffenen Ver- Winter kommen Gebäudeheizungen als zu-
hältnissen (Art und Umfang der verschiedenen sätzliche Wärme- und Schadstoffquellen hin-
Nutzungen) ab. zu.

Stadtklima Aachen 1
Nach REUTER u.a. (1991) können unter be-
stimmten Witterungsbedingungen in Millio-
nenstädten Temperaturabweichungen von
mehr als +10 K im Vergleich zum Umland
erreicht werden. Im Jahresmittel liegen die
Temperaturerhöhungen bei +1 K bis +2 K.
Dabei besteht ein enger Zusammenhang zwi-
schen dem Versiegelungsgrad bzw. der Be-
bauungsdichte und der Lufttemperatur. Auch
der Schadstoffgehalt der Luft steigt mit zu-
nehmender Bebauungsdichte an, was heute in
erster Linie eine Folge des erhöhten Verkehrs-
aufkommens ist.

Kelvin – Temperaturdifferenzen werden in der Schematische Darstellung der Umströmung eines


Wissenschaft übereinstimmend in der Einheit Kelvin Gebäudes durch den Wind (ADAM, 1988).
[K] angegeben. Es ist die auf den absoluten Null-
punkt (0 K = -273,15 °C) bezogene Temperatur-
skala mit gleichen Gradabständen wie die Celsius-
Insbesondere bei strahlungsreichen, wind-
skala. schwachen Hochdruckwetterlagen kommt es
zur Ausbildung einer stadteigenen Zirkulati-
onsform, angetrieben durch den Temperatur-
Das zweite wesentliche Merkmal des Stadtkli- gegensatz zwischen warmer Stadt und kühle-
mas ist die starke Veränderung der Windver- rem Umland. Die als Flurwinde bezeichneten
hältnisse gegenüber dem Umland. Die erhöh- relativ schwachen Ausgleichsströmungen sind
te Rauigkeit der städtischen Bebauung bewirkt stadteinwärts gerichtet und vorwiegend in den
im Mittel eine Verringerung der Windge- Abend- und Nachtstunden zu beobachten.
schwindigkeiten, was gleichzeitig den Luft-
austausch und den Abtransport von Schad-
stoffen verschlechtert. So kommt es, dass sich
die Windverhältnisse in verschiedenen Höhen
über der Innenstadt, dem Stadtrand und dem
Freiland stark unterscheiden. Während im
Freiland in Bodennähe noch 65 % der Ge-
schwindigkeit des reibungsunbeeinflußten
Höhenwindes erreicht werden, sind es im Be-
reich der Innenstadt nur noch 30 %.

Im Gegensatz zu der im Mittel niedrigeren


Windstärke steht die Zunahme der Windge-
schwindigkeitsspitzen, also der Böigkeit des
Windes. Ursache dafür ist die Wirbelbildung Entstehung und Wirkungsweise von Flurwinden. Als
an großen Gebäuden, die zu Zugerscheinun- Konvektion wird die Aufwärtsbewegung von er-
gen in Bodennähe führt. Die nachfolgende wärmten Luftmassen bezeichnet.
Abbildung zeigt schematisch die Umströmung
eines Hochhauses. Dabei kommt es vor allem Bei Städten in ebenem Gelände bilden die
an den Gebäudeseiten zu Geschwindigkeits- Flurwinde oft die einzige Möglichkeit für die
zunahmen, während sich im Lee - also auf der Zufuhr frischer Luftmassen ins Stadtgebiet,
windabgewandten Seite - eine Schwachwind- während bei Städten in gegliedertem Gelände
zone mit rückläufiger Strömung ausbildet. Ein wie in Aachen eine weitere Zirkulationsform
weiterer Grund für Windböen ist die Veren- hinzukommt, die sogenannten Hangauf- und
gung des Strömungsquerschnittes in engen Hangabwinde. Ursache für die Ausbildung
Straßenschluchten oder in Hausdurchlässen dieser Windsysteme sind reliefbedingte hori-
("Düseneffekt"). zontale Temperaturunterschiede.

2 Stadtklima Aachen
So bildet sich nachts vor allem außerhalb der die Untersuchung von Kaltluftbildung und
bebauten Stadt durch die Abkühlung der Erd- Kaltluftabfluß von großer Bedeutung, weil
oberflächen eine bodennahe Kaltluftschicht diese Prozesse, insbesondere bei allgemein
(langwellige Ausstrahlung). Die daraus resul- austauschschwachen Wetterlagen, zusätzli-
tierenden Temperaturdifferenzen zwischen den chen Luftaustausch bewirken können. Je nach
Hanggebieten (Kaltluft) und der Luftschicht in konkreten Verhältnissen sind allerdings auch
gleicher Höhe über dem Tal (wärmere Luft) besondere lufthygienische Problemlagen mög-
setzt ein lokales Windsystem in Gang, bei lich, wenn sich nämlich Emittenten (emissions-
dem Kaltluft von den Hängen in die Täler intensive Betriebe oder vielbefahrene Straßen)
abfließt, während diese durch wärmere Luft im Wirkungsbereich stagnierender und abflie-
der freien Atmosphäre ersetzt wird (Hangab- ßender Kaltluft befinden.
winde). Tagsüber bewirkt die solare Einstrah-
lung eine Umkehrung der Verhältnisse, d.h.
die Luft steigt über dem erwärmten Hang auf
(Hangaufwinde).

langwellige Ausstrahlung – ist die Abgabe


von Wärmestrahlung von der Bodenoberfläche
oder einer Pflanzendecke in die Atmosphäre.

Einstrahlung – die eine Atmosphärenschicht


oder die Erdoberfläche erreichende Gesamtstrah-
lung, welche teilweise absorbiert und teilweise
reflektiert wird.

Blick vom Lousberg auf den südöstlichen Talkessel.

Eine weitere Erscheinung des Stadtklimas ist


die sog. Dunstglocke. Die in erster Linie bei
Hochdruckwetterlagen sichtbare glockenför-
mige Haube über der Stadt entsteht durch die
Anreicherung von Emissionen (Staub, gasför-
mige Verunreinigungen, Wasserdampf) aus
Industrie, Hausbrand und Verkehr. Neben der
Einschränkung der Sichtweite vermindert die
Dunstglocke die kurzwellige UV-Strahlung
sowie die Sonnenscheindauer und erhöht die
Entstehung und Wirkungsweise von nächtlichen Niederschlagshäufigkeit. Letzteres ist darauf
Kaltluftabflüssen (Hangabwinde). zurückzuführen, dass die in der Stadtluft in
großer Zahl enthaltenen Feststoffpartikelchen
Nach dem selben Prinzip funktioniert auch das (Kondensationskerne) die Bildung von Regen-
Berg-Tal-Windsystem, jedoch sind die Strö- tropfen erleichtern.
mungen hier mächtiger und können den gan-
zen Talquerschnitt erfassen. Dabei weht der
Wind tagsüber talaufwärts (Talwind) und Emission – bezeichnet die von einer (festen oder
nachts talabwärts (Bergwind). Generell wird beweglichen) Anlage oder Produkten an die Um-
welt abgegebenen Luftverunreinigungen, Geräu-
Wind immer danach bezeichnet, woher er
sche, Strahlen, Wärme (z. B. Abwärme von Kühl-
kommt: Bergwind ist also der Wind, der vom türmen), Erschütterungen und ähnliche Erschei-
Berge her kommt, und Ostwind ist der Wind, nungen.
der aus Osten weht.
Immission – bezeichnet die Einwirkung von Luft-
Für die Analyse der klimatisch-lufthygienischen verunreinigungen, Geräuschen, Strahlen, Wärme,
Verhältnisse in Städten ist die Untersuchung Erschütterungen u. a. auf Menschen, Tiere, Pflan-
dieser lokalen Windsysteme bzw. allgemein zen und Sachgüter.

Stadtklima Aachen 3
Meist ist die Ausbildung der Dunstglocke mit Erst in größeren Höhen, oberhalb der "Inversi-
einer Inversion (= Temperaturumkehr) ver- onssperrschicht", setzt wieder eine normale
bunden. Normalerweise nimmt die Lufttempe- Temperaturabnahme mit der Höhe ein. Be-
ratur vom Boden ausgehend mit zunehmender sonders in den Herbst- und Wintermonaten
Höhe ab (zwischen 0,6 und 1 K pro 100 Me- können solche Inversionen länger andauern
ter) und da warme Luft leichter ist als kalte, und zu einer gefährlichen Anreicherung von
bestehen gute Voraussetzungen für eine verti- Schadstoffen in der Stadt führen. In dieser
kale Durchmischung der Luftschichten. Man Situation ist die beschriebene Dunstglocke
spricht von "labiler" Schichtung. Bei Schönwet- über der Stadt deutlich zu erkennen.
terlagen mit klarem Nachthimmel kühlt die
bodennahe Luftschicht infolge der intensiven In der folgenden Tabelle sind die wesentlichen
Ausstrahlung stark ab. Damit lagert am Boden Klimaunterschiede zwischen Stadt und Um-
schwere Kaltluft, darüber leichtere Warmluft, land noch einmal zusammengefaßt.
die Temperaturverhältnisse haben sich also
umgekehrt (= Inversion). Ein vertikaler Luft-
massenaustausch ist in dieser "stabilen"
Schichtung nicht möglich.

Vergleich Stadt – Umland (nach Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) im VDI und DIN 1993, verändert)

Element Bezugsgröße Änderung gegenüber dem Umland


Solare Strahlung Globalstrahlung bis 20 % weniger
Ultraviolettstrahlung Sommer bis 5 % weniger
Winter bis 30 % weniger
Sonnenscheindauer bis 15 % weniger
Lufttemperatur Jahresmittel bis 1,5 K höher
Nächtliches Minimum bis 12 K höher
Heiztage bis 10 % weniger
Dauer der Frostperiode bis 25 % kürzer
Bodeninversion im Stadtbereich kaum vorhanden
Luftfeuchte Jahresmittel (Relative Feuchte) Winter bis 2 % weniger
Sommer bis 10 % weniger
Verdunstung Mittelwert bis 60 % geringer
Windgeschwindigkeit Jahresmittel bis 30 % niedriger
Spitzenböen bis 20 % niedriger
Windstillen (Calmen) bis 20 % häufiger
Bewölkung Bedeckungsgrad bis 10 % höher
Sichtweite Nebelhäufigkeit etwas geringer
Sicht bis 5 km deutlich schlechter
Niederschlag Niederschlagshöhe bis 10 % größer
Tage mit mehr als 5 mm bis 10 % häufiger
Tage mit Schneefall bis 5 % weniger
Tau bis 65 % weniger
Anthropogene Luftbeimengungen stark erhöht
Vegetationsperiode ca. 8 bis 10 Tage länger

4 Stadtklima Aachen
Während es zum Thema Luftbelastung soge- Zusammenhänge Klimaelemente – Luftbelastung
nannte Grenz- und Vorsorgewerte gibt (z.B. (KRdL 1993)
die Immissionsgrenzwerte nach der "Techni-
schen Anleitung zur Reinhaltung der Luft" (kurz Direkte Beeinflussung der Luftschadstoffbelastung
TA Luft), Leitwerte der Weltgesundheitsorgani- Lufttemperatur • Heiztätigkeit,
sation (WHO) und der Europäischen Union Klimatisierung
(EU) sowie Luftqualitätsstandards nach KÜH- Strahlung • Heiztätigkeit,
LING 1986), existieren für das Klima bisher Klimatisierung
noch keine einheitlichen Bewertungsmaßstä- Wind • Staubaufwirbelung,
be. Zusätzlich können den Luftschadstoffen Heizung
objektive, d.h. meßbare Schädigungen des Niederschlag • Staubbindung
Menschen (z.B. Atemwegserkrankungen wie Schnee, Glatteis • Kfz-Verkehr
Asthma, Bronchitis, Pseudokrupp, Lungen- Schönes Wetter • Ausflugsverkehr
krebs) zugewiesen werden, während klimati-
Beeinflussung des Abtransportes und der Ver-
sche Begriffe wie Wärme- und Kältestress oder
dünnung von Luftverunreinigungen
Schwüle auch subjektiven Einschätzungen
unterliegen. Wind • Richtung und Ge-
schwindigkeit, Ver-
Man darf jedoch zwei Dinge nicht vergessen: frachtung und Ver-
dünnung
Inversion • Vertikaler und hori-
♦ den engen Zusammenhang zwischen Kli-
zontaler Luftaus-
ma und Lufthygiene und tausch
♦ die Belastung des menschlichen Orga- Strahlung • Inversionen, Konvek-
nismus während extremer thermischer Be- tion
dingungen sowohl im Sommer- als auch
im Winterhalbjahr, die in medizinischen Bildung und Abbau von Luftverunreinigungen
Studien nachgewiesen wurden. Strahlung • z. B. Ozon und an-
dere Photooxidantien
Die nebenstehende Tabelle verdeutlicht in Nebel, Regen, • Staub und Schadgas
vereinfachter Form die Zusammenhänge zwi- Schnee
schen den einzelnen Klimaelementen und der
Luftverschmutzung.

Erst durch die Kenntnis dieser Zusammenhän- Es gibt jedoch nicht nur direkte Zusammen-
ge können planerische Maßnahmen entwickelt hänge zwischen Klima und Lufthygiene bzw.
werden, die zur Vermeidung/Verminderung zwischen Klima und thermischer Belastung des
von Schadstoffbelastungen in unseren Städten Menschen. Das Klima ist Bestandteil der na-
beitragen. So sorgen z. B. genügend große türlichen Kreisläufe des Ökosystems Erde. In
Abstände zwischen den Häusern für eine bes- diese Kreisläufe von Boden, Wasser, Klima,
sere Durchlüftung und einen rascheren Ab- Luft, Tier- und Pflanzenwelt greift der Mensch
transport von Kfz-Abgasen. Bei engen Zwi- mit seinen Tätigkeiten ein. Insbesondere in
schenräumen verbleiben die Schadstoffe da- großen Städten werden die natürlichen Gege-
gegen in den Straßenschluchten oder werden benheiten stark verändert und belastet.
durch Leewirbel an den Häuserwänden hoch-
geblasen (vergleiche hierzu auch die Abbil-
dung auf Seite 2). Auch eine ungeschickte
Anordnung von Schornsteinen kann zu erheb-
licher Schadstoffbelastung führen.

Stadtklima Aachen 5
Klimatische Ausgangssituation für den Raum Aachen

Aachen liegt, wie Mitteleuropa insgesamt, im antizyklonal, Antizyklone - wanderndes


wechselseitigen Einflußbereich zweier steuern- Hochdruckgebiet, Hochdruckeinfluß.
der Luftdruckgebilde, dem Subtropenhoch
(Azorenhoch) im Süden und dem Subpolartief Kaltfront - die Grenzfläche zwischen warmer und
(Islandtief) im Norden. kalter Luft auf der Rückseite des Warmluftsektors
einer Zyklone.
Der jährliche Witterungsverlauf wird im we-
sentlichen durch eine rege zyklonale Tätigkeit Warmfront – Grenzfläche zwischen kalter und
bestimmt, die mit Wetterwechsel, reichlich warmer Luft auf der Vorderseite des Warmluftsek-
tors einer Zyklone.
Bewölkung, verbreitet auftretendem Nieder-
schlag und nicht selten deutlich auffrischen- zyklonal, Zyklone - wanderndes Tiefdruckge-
dem Wind verbunden ist. Eine solche Konstel-
biet, Tiefdruckeinfluß.
lation bedeutet in der Regel "schlechtes" Wet-
ter. Bioklimatisch ist das jedoch in mancherlei
Hinsicht als eher günstig zu beurteilen. Zwar Dagegen bleibt es bei Hochdruckeinfluß we-
ist allgemein mit wenig Sonnenschein und gen großräumig geringer Luftdruckunterschie-
häufigem Niederschlag zu rechnen, dafür de allgemein eher schwachwindig. Insbeson-
treten Wärme- und Schwülebelastung im dere in der warmen Jahreszeit ist es dann
Sommer bzw. Kältereize im Winter nur selten überwiegend sonnig, so dass der Tagesgang
auf. Der nicht selten mit beachtlicher Ge- vieler Klimaelemente nahezu ausschließlich
schwindigkeit wehende Wind, vorwiegend aus durch Ein- und Ausstrahlung bestimmt wird.
westlichen Richtungen, bringt außerdem wenig Auf Grund der Aachener Topographie (Tal-
belastete Meeresluft in den Aachener Raum kessellage) ist ein vertikaler Luftaustausch
und sorgt so für eine ausreichende Durchmi- dann vor allem während der Nachtstunden
schung der unteren Luftschichten. Daher kön- stark eingeschränkt bzw. gar unmöglich
nen sich im bodennahen Bereich auch Schad- (Temperaturinversion). Eine solche Kon-
stoffe nicht nennenswert anreichern. Dauert stellation wird bei längerer Andauer als "Anti-
eine derartige Situation mehrere Tage lang zyklonale Witterung" bezeichnet. Sie ist meist
an, herrscht "Zyklonale Witterung" vor. Tages- mit "schönem" Wetter verbunden, im Sommer
gang und innerstädtische Differenzierung der allerdings auch mit gelegentlicher Wärme-
Klimaelemente sind dann allgemein nur und Schwülebelastung. Tagesgang und inner-
schwach ausgebildet. städtische Differenzierung der Klimaelemente
sind dann allgemein sehr markant ausgebil-
det.

Entwicklungsstadien eines Tiefdruckgebietes.

6 Stadtklima Aachen
In Aachen werden die Klimaelemente seit Juli Die langjährigen Mittelwerte für den Zeitraum
1901 an der heute vom Deutschen Wetter- 1961 – 1990 sind in der folgenden Tabelle
dienst betriebenen Station auf dem Wingerts- aufgelistet. Die Klimaelemente Lufttemperatur,
berg, Pippinstraße 12 registriert. Da sich seit Niederschlag, Bewölkung und Wind werden
Inbetriebnahme der Station weder deren Lage auf den nächsten Seiten noch einmal detail-
noch deren Umgebung geändert haben, ist liert vorgestellt.
die Aachener Meßreihe als homogen zu be-
trachten.

Klimatologische Werte für die DWD-Station Aachen am Wingertsberg (202 m ü.NN) (1961 – 1990)

JAN FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT NOV DEZ Jahr
Lufttemperatur [°C] 2,4 2,8 5,4 8,4 12,8 15,6 17,3 17,1 14,4 10,8 6,1 3,4 9,7

Eistage 4,7 3,2 0,5 - - - - - - - 0,6 3,5 12,5

Frosttage 12,5 12,5 0,1 2,0 0,0 - - - - 0,5 5,0 11,4 51,7

Sommertage - - - 0,1 2,2 4,9 7,3 6,9 2,3 0,3 - - 24,1

Heiße Tage - - - 0,0 0,0 0,5 1,7 1,1 0,1 - - - 3,5

Sonnenscheindauer [h] 52 81 112 148 193 190 197 189 151 122 69 48 1552

Heitere Tage 2,3 3,4 3,2 3,4 3,1 2,4 3,4 3,6 3,7 4,0 2,5 2,2 37,3

Trübe Tage 17,5 13,8 13,8 12,1 11,1 10,8 10,8 8,9 9,7 11,3 15,0 17,7 152,5

Niederschlag [mm] 62 57 66 63 75 82 80 76 59 63 72 73 828

Zahl der Tage mit > 20 16 17 17 17 16 14 14 14 15 18 19 197


0,1 mm Niederschlag

Zahl der Tage mit > 13 11 12 12 12 12 11 10 9 9 12 13 135


1,0 mm Niederschlag

Zahl der Tage mit 8,4 8,2 3,6 0,5 0,0 - - - - 0,0 1,9 5,3 28,0
Schneedecke

Stadtklima Aachen 7
Lufttemperatur Jahresmittelwerte an den DWD-Stationen Aachen
(202 m ü.NN) und Wahnsdorf/Dresden Klotschze
(246/222 m ü. NN) (1961-1990)
Mit + 9,7° C weist Aachen eine für deutsche
Verhältnisse vergleichsweise hohe Jahresmit- Aachen Dresden
teltemperatur auf. Das ist im wesentlichen auf
die milden Wintertemperaturen zurückzufüh- Lufttemperatur [°C] 9,7 8,7
ren. Eine Mitteltemperatur des kältesten Mo- Eistage 12,5 27,3
nats (Januar) von + 2,4° C wird in Deutsch-
Frosttage 51,7 81,6
land nur an wenigen Stadtstationen entlang
der Rheinschiene zwischen Bonn und Duis- Sommertage 24,1 37,2
burg übertroffen. Auch Frosttage und Eistage Heiße Tage 3,5 7,6
treten ausgesprochen selten auf. Andererseits
ist die Mitteltemperatur des wärmsten Monats
(Juli) mit + 17,3° C als eher niedrig zu be-
zeichnen. Das gilt auch für die Zahl der Niederschlag
Sommertage und heißen Tage. Als Folge da-
von treten Kältereiz und Wärmebelastung in Mit einer Jahressumme von 828 mm liegt
Aachen vergleichsweise selten auf. Aachen zwar über dem Gebietsmittel für Ge-
samtdeutschland (764 mm), jedoch knapp
Eistage - Tage mit Dauerfrost, das heißt die Luft- unterhalb des entsprechenden Wertes für die
temperatur bleibt den ganzen Tag unter 0° C. alten Bundesländer (839 mm). Allerdings tre-
ten im langjährigen Mittel 197 Tage mit Nie-
Frosttage - Tage, an denen das Thermometer derschlag > 0,1 mm auf, ein Wert, der in
zeitweise unter 0° C sinkt. Deutschland unterhalb 300 m ü. M. flächen-
haft nur noch im Bergischen Land und dem
Sommertage – Tage, an denen die Lufttempera-
westlichen Sauerland übertroffen wird. Einen
tur mindestens 25° C erreicht.
Vergleich mit Dresden, das eine Jahressumme
Heiße Tage – Tage, an denen die Lufttemperatur von nur 668 mm Niederschlag aufweist, zeigt
mindestens 30° C erreicht. die unten stehende Abbildung. Vor allem die
Niederschläge in den Wintermonaten liegen
in Dresden deutlich unter den in Aachen ge-
Thermisch gesehen herrscht in Aachen somit messenen Niederschlagswerten. Die Anzahl
ein ausgeprägt "ozeanisches" Klima mit milden der Tage mit Niederschlag > 0,1 mm liegt in
Wintern und mäßig warmen Sommern vor. Dresden im langjährigen Mittel bei 183 Ta-
Eine Jahresamplitude (Differenz zwischen gen.
wärmstem und kältestem Monat) von nur
14,9 K wird selbst an der deutschen Nordsee-
küste (wegen der dort tieferen Wintertempera- 100
turen) allgemein nicht erreicht. So beträgt die 80
Jahresamplitude auf Norderney 15,2 K, in List
60
auf Sylt 15,3 K. Den Vergleich mit einer stär-
ker kontinental beeinflußten Stadt wie Dresden 40

mit einer Jahresamplitude von 18,7 K (der 20

kälteste Monat ist der Januar mit – 0,8° C, der 0


wärmste Monat der Juli mit + 17,9 C) und
MÄR

DEZ
MAI

OKT
FEB

APR

NOV
JAN

JUN

SEP
JUL

AUG

einer deutlich höheren Anzahl sowohl an Eis-


und Frosttagen als auch an Sommer- und Aachen Dresden

heißen Tagen zeigt die folgende Tabelle.


Mittlere Monatssummen des Niederschlages [in
mm] an den DWD-Stationen Aachen (202 m
ü.NN) und Wahnsdorf/Dresden-Klotschze (246/
222 m ü. NN) (1961-1990).

8 Stadtklima Aachen
In den Sommermonaten sind die durchschnitt- Mittlere Monatssummen der Sonnenscheindauer
lichen Niederschlagshöhen in Aachen – bei [in Stunden] an den DWD-Stationen Aachen (202
geringerer Häufigkeit - größer als im Winter. m ü.NN) und Wahnsdorf/Dresden Klotschze
So beträgt die mittlere Niederschlagsergiebig- (246/222 m ü. NN) (1961-1990)
keit pro Niederschlagstag z.B. im Juli 5,7 mm,
gegenüber 3,1 mm im Januar. Das ist neben Aachen Dresden
dem jahreszeitlich unterschiedlichen thermisch
Januar 52 56
bedingten Wasserdampfgehalt der Luft insbe-
sondere auch auf die mitunter recht ergiebi- Februar 81 74
gen sommerlichen Gewitterschauer zurückzu- März 112 112
führen. Diese jahreszeitliche Differenzierung
bezieht sich auch auf die extremen Nieder- April 148 147
schlagshöhen (Starkniederschläge). Bezogen Mai 193 202
auf den Zeitraum 1951 – 1980 ist in den Juni 190 200
Monaten Mai bis September durchschnittlich
einmal im Jahr mit einer Tagessumme von Juli 197 209
36,2 mm zu rechnen, in den Monaten Okto- August 189 198
ber bis April dagegen nur mit 26,0 mm.
September 151 149
Oktober 122 124
Sonnenscheindauer, Bewölkung November 69 58
Dezember 48 46
Im Vergleich zu Gesamtdeutschland ist die Jahr 1552 1575
jährliche Sonnenscheindauer von 1552 Stun-
den als eher gering zu bezeichnen. Dem oze-
anischen Klima entsprechend treten "Trübe
Tage" (d.h. ≥ 80 % des Himmelsgewölbes sind
mit Wolken bedeckt) mehr als viermal so oft
auf wie "Heitere Tage" (durchschnittliche
Himmelsbedeckung ≤ 20 %). Das ist insbe-
sondere auf den Einfluß der häufig durchzie-
henden Tiefdruckausläufer zurückzuführen,
die in der kalten Jahreszeit stärker wetterwir-
sam sind als insbesondere im Spätsommer.
Dennoch zeigt ein Vergleich wiederum mit
Dresden, dass die hier etwas höhere jährliche
Sonnenscheindauer von insgesamt 1575
Stunden vor allem durch mehr Sonnenstunden
in den Sommermonaten zustande kommt. Die
mittleren Monatssummen der Sonnenschein-
dauer für Aachen und Dresden sind in der
folgenden Tabelle dargestellt.

Stadtklima Aachen 9
Wind Beaufort-Skala und Windgeschwindigkeit in m/s.
Die Skala ist nach Admiral Beaufort benannt, der
sie im Jahr 1805 entwickelt hat.
Nach der unten gezeigten Abbildung sind die
im Raum Aachen absolut vorherrschenden Beau- Bezeichnung m/s
Windrichtungen diejenigen aus Süd bis West, fort-
mit deutlichem Maximum aus Südwest. Etwa Grad
60 % aller Registrierungen entfallen auf die- 0 still 0 – 0,2
sen Quadranten. Insbesondere bei höheren
1 leiser Zug 0,3 – 1,5
Windgeschwindigkeiten weht der Wind ganz
überwiegend aus diesen Richtungen. An der 2 leichte Brise 1,6 – 3,3
Klimameßstation der RWTH auf der Hörn 3 schwache Brise 3,4 – 5,4
(Zeitraum 1987 – 1999) werden an etwa 160
4 mäßige Brise 5,5 – 7,9
Tagen im Jahr Spitzenböen von mindestens 6
Beaufort-Graden (starker Wind), an knapp 50 5 frische Brise 8,0 – 10,7
Tagen solche von mindestens 8 Beaufort- 6 starker Wind 10,8 – 13,8
Graden (stürmischer Wind) registriert und an
etwa 8 Tagen solche von mindestens 10 Be- 7 steifer Wind 13,9 – 17,1
aufort-Graden (schwerer Sturm). Nicht zuletzt 8 stürmischer Wind 17,2 – 20,7
aus diesem Grund ist die Durchlüftung des 9 Sturm 20,8 – 24,4
Aachener Raumes allgemein als gut zu be-
zeichnen. Dem steht allerdings gegenüber, 10 schwerer Sturm 24,5 – 28,4
dass es an mehr als einem Viertel aller Tage 11 orkanartiger Sturm 28,5 – 32,6
schwachwindig ist (< 3 Beaufort-Grade).
12 Orkan 32,7 – 36,9

Mittlere Windverhältnisse in Aachen

10 Stadtklima Aachen
Aufgabenstellung und Methodik der Stadtklimaanalyse Aachen

Im Herbst 1997 gab der heutige Fachbereich ♦ An 3 verschiedenen Untersuchungstermi-


Umwelt der Stadt Aachen - Abteilung Luftrein- nen wurden jeweils mehrere Meßfahrten in
haltung, Energie- und Immissionsschutz - ein den Abend-, Nacht- und frühen Morgen-
gesamtstädtisches Klimagutachten in Auftrag. stunden durchgeführt. An insgesamt 201
Die vorzulegenden Materialien und Analysen Meßpunkten wurden dabei aus zwei Meß-
sollten die Kenntnisse über die klimatische fahrzeugen Lufttemperatur und Luftfeuchte
Struktur Aachens erweitern und es den Pla- aufgezeichnet. Zusätzlich wurden während
nungsbehörden und politischen Entschei- einer Meßkampagne an insgesamt 18
dungsträgern ermöglichen, in ihre Arbeit auch Meßpunkten im Laufe der Nacht mehr-
gesicherte klimatologische Gesichtspunkte mit mals jeweils 10-minütige Windmessungen
einzubeziehen. durchgeführt.

Zur Erfassung der verschiedenen raumbezo- ♦ Zur Untersuchung der vertikalen Schich-
genen klimatischen Gegebenheiten in Aachen tungsverhältnisse über dem Stadtgebiet
wurden daher zwischen April 1998 und Juni von Aachen fanden an ebenfalls 3 Unter-
1999 zahlreiche Untersuchungen vor Ort suchungsterminen Vertikalsondierungen
durchgeführt, von denen hier die wichtigsten (Fesselballonaufstiege) statt. Im Vorder-
genannt werden. Die folgende Abbildung grund dieser Untersuchungen standen die
zeigt die wichtigsten stadtklimatischen Mes- vermuteten unterschiedlichen atmosphäri-
sungen in einer Übersichtskarte. schen Schichtungs- und Austauschverhält-
nisse zwischen dem Aachener Talkessel
♦ An insgesamt 13 meteorologischen Meß- und insbesondere dem südlich gelegenen
stationen wurden über den genannten höheren Stadtbereich außerhalb des Kes-
Zeitraum die Klimaelemente Lufttempera- sels (Meßstandort "Sief").
tur und Luftfeuchte gemessen, an 10 von
13 Meßstationen zusätzlich die Parameter
Windgeschwindigkeit und –richtung.

Angaben zu den Temporären Klimameßstationen (meteorologische Meßstationen)

Station Höhe u.NN Standort Ausstattung

Hörn 198 Wohnsiedlungsbereich TT, UU, FF, DD


Aachen-Mitte 166 Citystandort TT, UU, FF, DD
Burtscheid 169 Dichtversiegelter, citynaher Stadtteil TT, UU, FF, DD
Oppenhoffallee 166 Altes Wohn- und Mischgebiet TT, UU, FF, DD
Recyclinghof 146 Altes Industrie- und Gewerbegebiet TT, UU, FF, DD
Eilendorf 195 Lockere bis mäßig verdichtete Bebauung TT, UU
Richterich 182 Lockere Bebauung in verdichtetem Ortskern TT, UU, FF, DD
Brand 266 Kuppenlage, Pfarrgelände von St. Donatus TT, UU
Vetschau 189 Offener Standort in landwirtschaftl. Umgebung TT, UU, FF, DD
Kornelimünster 222 Dörfliche Struktur im alten Ortskern TT, UU, FF, DD
Sief 270 Windoffene, rauigkeitsarme Hochebene TT, UU, FF, DD
Tour Baudouin 390 Waldstandort TT, UU, FF, DD
Kronprinzenrast 336 Waldstandort TT, UU
TT – Lufttemperatur, UU – relative Feuchte, FF – Windgeschwindigkeit, DD – Windrichtung

Stadtklima Aachen 11
♦ Zum Nachweis bodennaher Kaltluftabflüs-
se wurden an mehreren Standorten ver-
schiedene Rauchgasversuche jeweils ca. 2
Stunden nach Sonnenuntergang bzw. vor
Sonnenaufgang während austauscharmer
Wetterlagen durchgeführt.

♦ Zur Untersuchung der Kaltluftbildungs-


und –abflußverhältnisse wurde eine flä-
chendeckende Auswertung durch ein Schema der Thermalscannerbefliegung
Geographisches Informationssystem (GIS)
durchgeführt. Als Datengrundlage dienten
sowohl die Ergebnisse der meteorologi- ♦ Im Juli 1998 fand im Rahmen eines vom
schen Meßprogramme als auch die zur Bundeministerium für Bildung und For-
Verfügung stehenden Fernerkundungsda- schung (BMBF) geförderten Forschungs-
ten. projektes mit dem Titel "3D – Stadtklima"
eine Radarbefliegung über Aachen statt.
♦ Während einer frühherbstlichen Schönwet- Sie diente der Beschaffung von Daten zur
terlage wurden im September 1998 zwei Oberflächenbeschaffenheit (Relief, Ge-
Thermalscannerbefliegungen durchge- bäude, Baumbewuchs) des Untersu-
führt. Der erste Flug fand kurz nach Son- chungsgebietes.
nenuntergang, der zweite Flug kurz vor
Sonnenaufgang statt, um so die unter- Eine Radaraufnahme liefert flächendeckende,
schiedlichen städtischen Oberflächentem- hochauflösende Daten der Erdoberfläche. Da-
peraturverhältnisse und das nächtliche bei werden Mikrowellenpulse vom Flugzeug
Abkühlungsverhalten der Erdoberfläche zu aus zur Seite und schräg nach unten abge-
erfassen. Aufnahmegerät war ein flug- strahlt. Die an der Erdoberfläche reflektierten
Radar-Echos werden entlang des Flugweges
zeuggestützer Scanner vom Typ Daedalus
empfangen und als Rohdaten aufgezeichnet.
AADS 1250, der die Erdoberfläche zei- Beim interferometrischen Radar wird eine zwei-
lenweise im thermischen Infrarot (Wellen- te Empfangsantenne für die Radarechos instal-
längenbereich 8 - 14 μm) abtastet. liert. Sie ist quer zur Flugrichtung gegenüber
der ersten Antenne um etwa 1 - 1,5 m versetzt
Ein Scanner funktioniert nicht wie eine Kame- am Flugzeugrumpf angeordnet. Durch den
ra, d. h. er macht keine Photos, sondern es unterschiedlichen Abstand beider Antennen
handelt sich um einen sog. opto- zur Erdoberfläche entsteht eine minimale Lauf-
mechanischen Abtaster. Dieses Verfahren be- zeitdifferenz der Radar-Echos. Dieser Versatz
ruht auf der Verwendung von schnell bewegli- ist als Phasenverschiebung der Signale meß-
chen Drehspiegeln, die das Aufnahmegebiet bar, welche bei der Datenverarbeitung in Hö-
quer zur Flugrichtung zeilenweise abtasten. henunterschiede der Oberfläche umgerechnet
Die von der Erdoberfläche ausgehende Strah- wird.
lung wird dabei über ein optisches System, das
die Strahlung in einzelne Wellenlängenberei-
che zerlegt, auf Detektoren geleitet, die die In-
tensität der Strahlung messen. Die Größe der
emittierten Strahlung ist von der Oberflächen-
temperatur der Erdoberfläche, dem Emissions-
koeffizienten des Oberflächenmaterials, dem
Abstand des Scanners vom Aufnahmeobjekt
und der Temperatur der Atmosphäre abhän-
gig.

Datenaufnahme bei der Radarbefliegung

12 Stadtklima Aachen
Ausgewählte Ergebnisse

Aus den zahlreichen Untersuchungen, die im Die Freilandstationen Vetschau, Sief und Tour
Rahmen der Stadtklimaanalyse durchgeführt Baudouin (hier auch absolut und relativ hö-
wurden, werden im folgenden Abschnitt bei- henbedingt) sind allgemein kälter als das be-
spielhaft einige der Ergebnisse, die sich aus baute Areal.
der Auswertung der Temporären Meßstatio-
nen und den Untersuchungen zu Kaltluftbil- Allgemein läßt sich sagen, dass
dung und Kaltluftabfluß ergeben haben, vor- ♦ die Jahresmitteltemperaturen der Statio-
gestellt. nen in bebauten Gebieten ausnahmslos
höher sind als diejenigen in unbebauten
Temperaturverhältnisse an den Gebieten,
Temporären Feststationen ♦ trotz etwa gleicher Höhenlage die Frei-
landstation Sief im Jahresmittel um 0,7 K
Die folgende Tabelle zeigt die Temperaturver- kälter ist als die Station Vetschau,
hältnisse (gemeint ist immer die Lufttempera- ♦ die Station Kornelimünster eine um 0,3 K
tur) an den Temporäre Meßstationen für den niedrigere Jahresmitteltemperatur aufweist
Untersuchungszeitraum von April 1998 bis als diejenige im benachbarten Brand.
März 1999. Als Referenzstation wurde die
RWTH-Station auf der Hörn gewählt. Gegenüber der Hörn liegen die durchschnittli-
chen Tageshöchsttemperaturen im Aachener
Gegenüber der Referenzstation Hörn ist die Kessel sowie in Eilendorf höher, in Richterich
Jahresmitteltemperatur im Aachener Kessel und Kornelimünster etwa gleich hoch. Mehr
um bis zu 0,5 K (Aachen-Mitte) höher. In der oder weniger deutlich niedrigere mittlere Ma-
Soers (Recyclinghof) und in Eilendorf sind die xima weisen die vorgenannten Freilandstatio-
Temperaturunterschiede mit höchstens 0,1 K nen auf, wobei die um mehr als 2 K tiefere
sehr gering. Deutlich niedrigere Jahresmittel- Temperatur auf dem Tour Baudouin wiederum
temperaturen sind im bebauten Bereich in auf die Geländehöhe der Station im oberen
Richterich, Brand und insbesondere in Korne- Aachener Wald zurückzuführen ist.
limünster (ΔT – 0,8 K) zu verzeichnen.

Temperaturverhältnisse an den Temporären Meßstationen im Zeitraum 04/98 bis 03/99

Station TT ΔT TX ΔT TN ΔT
Hörn 10,3 13,5 7,3
Aachen-Mitte 10,8 0,5 14,2 0,7 7,7 0,4
Burtscheid 10,6 0,3 14,1 0,6 7,3 0,0
Oppenhoffallee 10,5 0,2 13,9 0,4 7,1 -0,2
Recyclinghof 10,3 0,0 14,2 0,7 6,5 -0,8
Eilendorf 10,2 -0,1 13,9 0,4 6,7 -0,6
Richterich 10,0 -0,3 13,5 0,0 6,6 -0,7
Brand 9,8 -0,5 13,3 -0,2 6,5 -0,8
Vetschau 9,7 -0,6 13,0 -0,5 6,6 -0,7
Kornelimünster 9,5 -0,8 13,4 -0,1 5,6 -1,7
Sief 9,0 -1,3 12,7 -0,8 5,3 -2,0
Tour Baudouin 8,8 -1,5 11,4 -2,1 6,2 -1,1
Kronprinzenrast 8,5 -1,8 11,3 -2,2 5,9 -1,4

TT = Mitteltemperatur [°C] ΔT = Abweichung von der Referenzstation Hörn [K]


TX = Mittleres tägliches Maximum [°C] TN = Mittleres tägliches Minimum [°C]

Stadtklima Aachen 13
Vergleicht man die Tagestiefstwerte so weist In den Stadtteilen Eilendorf, Richterich und
nur die Station Aachen-Mitte einen höheren Brand waren es 40 – 50 Tage, während die
Wert als die Referenzstation Hörn auf. Die Freilandstationen Tour Baudouin (58 Tage)
Temperaturunterschiede der Stationen in den und Sief (64 Tage) eine deutlich größere
verschiedenen Stadtteilen sind hier im wesent- Frosthäufigkeit verzeichneten. Auffallend ist
lichen auf die jeweilige topographische Lage der ungewöhnlich häufige Frost in der Soers
der entsprechenden Station zurückzuführen (Recyclinghof), in Kornelimünster, aber auch
und nur zu einem geringen Teil durch den an der Station Kronprinzenrast im Aachener
Wärmeinseleffekt bedingt. So ist es z. B. am Wald.
Recyclinghof trotz gewerbe- bzw. industriebe-
dingter Überwärmung wegen der Lage der Eistage (Tage mit Dauerfrost) traten am sel-
Station am Rande der Soers um 0,8 K kälter tensten am Recyclinghof auf (4 Tage). 5 – 7
als auf der Hörn, in Kornelimünster um 0,9 K Eistage wurden an den Stationen Aachen-
kälter als in Brand und auf dem Tour Bau- Mitte, Eilendorf, Brand und Oppenhoffallee
douin – aus den erwähnten Gründen – um verzeichnet. An den Freilandstationen Vet-
0,6 K wärmer als z. B. in Sief. Bemerkenswert schau und Sief waren es 11 bzw. 14 Tage,
ist auch, dass das mittlere tägliche Minimum während in den höchsten Lagen des Aachener
am Recyclinghof lediglich um 0,3 K höher Waldes 20 bzw. 23 Eistage verzeichnet wur-
liegt als auf dem Tour Baudouin. den.

Die Anzahl der Tage, an denen ein definierter Im Bereich des Aachener Kessels einschließ-
Schwellenwert der Lufttemperatur unter- bzw. lich Burtscheid und Eilendorf wurden mehr als
überschritten wird, ist in der folgenden Tabelle 25 Sommertage (Tage, an denen die Lufttem-
dargestellt. peratur mindestens 25° C erreicht) gezählt. An
den Stationen Brand und Richterich waren es
Im Untersuchungszeitraum traten Frosttage mit 20 – 24 Tagen etwas weniger, während
(Tage, an denen das Thermometer zeitweise auf der Hörn nur 18 Sommertage verzeichnet
unter 0° C sinkt) am seltensten an den Statio- wurden. Im Aachener Wald traten - höhenbe-
nen Aachen-Mitte, Oppenhoffallee und Hörn dingt - nur 10 bzw. 11 Sommertage auf.
mit weniger als 40 Tagen auf.

Zahl der Besonderen Tage im Zeitraum 04/98 bis 03/99

Station Eistage Frosttage Sommertage Heiße Tage Grillparty-Abende


Hörn 9 28 18 6 17
Aachen-Mitte 5 32 30 9 28
Burtscheid (7) (36) 29 9 19
Oppenhoffallee 7 36 27 8 16
Recyclinghof 4 48 29 8 13
Eilendorf 5 43 28 9 9
Richterich 8 46 24 7 (10)
Brand 6 48 22 8 10
Vetschau 11 44 (18) (5) 9
Kornelimünster 6 (60) (22) (8) (6)
Sief 14 64 (17 (4) (7)
Tour Baudouin 23 (59) (16) (3) (15)
Kronprinzenrast 20 (58) 11 1 12

( ) Werte wegen Meßausfall z. T. extrapoliert

14 Stadtklima Aachen
Im zentralen Aachener Kessel sowie in Burt- Allein aus diesem Tatbestand (eine mittlere
scheid, Eilendorf und Brand konnten 8 – 9 Temperaturabnahme mit der Höhe von
Heiße Tage (Tage, an denen die Lufttempera- -1K/100m) geht hervor, dass die vertikale
tur mindestens 30° C erreicht) verzeichnet Luftdurchmischung über der Aachener Innen-
werden. In Richterich und auf der Hörn waren stadt – im weiteren Sinne über dem gesamten
es 7 bzw. 6 Tage, während heiße Tage im Aachener Talkessel – im Jahresmittel in aus-
Bereich des Aachener Waldes ausgesprochen reichendem Maße gewährleistet ist. Es beste-
selten auftraten. hen daher keine Voraussetzungen für eine
nennenswerte Anreicherung der unteren Luft-
In neueren Stadtklimaanalysen wird auch das schichten mit Luftschadstoffen.
Maß der abendlichen Abkühlung in der war-
men Jahreszeit ausgezählt. Beträgt die Luft- Dieser Tatbestand ist aber sowohl tageszeitlich
temperatur um 21.00 Uhr MESZ noch min- als auch witterungsabhängig zu modifizieren.
destens + 20° C, dann spricht man von ei- So war es bei überwiegend antizyklonaler
nem Grillparty-Abend. Bei diesem Parameter Witterung (Hochdruckwetterlage) an 95 der
ist die innerstädtische Differenzierung beson- insgesamt 365 Tage des Untersuchungszeit-
ders markant. An der Station Aachen-Mitte raumes auf dem Tour Baudouin an mindes-
wurden insgesamt 28 Grillparty-Abende re- tens einer der 24 Tagesmessungen wärmer als
gistriert, gegenüber nur 19 in Burtscheid bzw. in der Innenstadt, so dass von einer Tempera-
16 an der Oppenhoffallee. In den Ortsteilen turinversion (Temperaturumkehr mit der Höhe)
Brand, Eilendorf und Richterich gab es nur 9 gesprochen werden kann. Dieser Wert (95
bzw. 10 Grillparty-Abende und damit weniger Tage) liegt deutlich über den in anderen Städ-
als an der Kronprinzenrast und ebenso viele ten der Region gemessenen Werten und steht
wie an den Freilandstationen Vetschau und in engem Zusammenhang mit der ausgepräg-
Tour Baudouin. ten Talkessellage Aachens.

Temperaturinversionen über dem


Aachener Kessel

Der Aachener Talkessel liegt etwa 100 bis


200 Höhenmeter tiefer als seine Umgebung.
Die Luftqualität in dieser nahezu geschlosse-
nen Hohlform hängt – bei als konstant anzu-
nehmenden Emissionen – insbesondere vom
Grad der Luftdurchmischung ab. Diese erfolgt
in horizontaler Richtung (in Abhängigkeit von
der jeweiligen Windgeschwindigkeit), aber
Blick vom Aachener Wald über Freiflächen Rich-
auch in vertikaler Richtung (in Abhängigkeit tung Innenstadt während einer winterlichen groß-
vom jeweiligen vertikalen Temperaturgradien- räumigen Inversionswetterlage.
ten, d. h. dem Ausmaß der Temperaturab-
nahme mit der Höhe). Der vertikale Tempera- Zur Ausbildung einer Temperaturinversion
turgradient kann aus den Registrierungen der kommt es vor allem in den Nachtstunden. Die
temporären Feststationen mit sehr guter Nä- Luft über dem Aachener Wald bzw. der Venn-
herung durch die Temperaturunterschiede fußfläche kühlt sich dann – höhenbedingt –
zwischen den Stationen Aachen-Mitte (in 160 stärker ab als in der Innenstadt, wird dadurch
m Höhe ü. NN) und Tour Baudouin (in 370 m spezifisch schwerer, strömt hangabwärts und
Höhe ü. NN) bestimmt werden. So liegt im sammelt sich in der Innenstadt unter weiterer –
Durchschnitt sämtlicher 8760 Einzelmessun- strahlungsbedingter – Abkühlung. Die maxi-
gen die Mitteltemperatur an der Station Aa- male Stärke der Inversion betrug im Untersu-
chen-Mitte bei + 10,8° C und am Tour Bau- chungszeitraum 5,5 K (auf Stundenbasis), im
douin bei + 8,8° C. Sechsstundenmittel (22 – 04 Uhr) lag der ent-

Stadtklima Aachen 15
sprechende Wert bei maximal 3,7 K. Die
längste registrierte Andauer einer Inversion
zwischen Aachen-Mitte und Tour Baudouin
lag bei 15 Stunden (am 12. März1999) und
am darauffolgenden Tage nochmals bei 12
Stunden. Dazwischen stellte sich aber für we-
nige Stunden ein vertikaler Temperaturgra-
dient von mehr als -2 K/100 m ein, so dass
auch bei dieser Extremsituation zwischenzeit-
lich eine ausreichende vertikale Luftdurchmi-
schung gewährleistet war.
Fesselballonsondierungen sind ein wichtiges Hilfs-
Für das Stadtklima ist die Temperaturschich- mittel zur Bestimmung der unterschiedlichen
tung deshalb so bedeutsam, weil sie durch Schichtungs- und Austauschverhältnisse über dem
Förderung oder Unterbindung des vertikalen Stadtgebiet. Die am Fesselballon befestigten Meß-
Luftaustausches zu einer raschen Verdünnung geräte sind im Bild links neben der Turmspitze der
oder zu einer Anreicherung von Schadstoffen St. Foillan-Kirche zu erkennen.
in der Luft führen kann. Ist es am Tour Ba-
douin wärmer als in Aachen-Mitte ist die verti-
kale Luftdurchmischung stark eingeschränkt, Die im Untersuchungszeitraum registrierten
so dass es zur Anreicherung von Schadstoffen Temperaturinversionen zwischen den Statio-
im Talkessel kommen kann. In solchen Fällen nen Aachen-Mitte und Tour Badouin sind
ist wegen der dann herrschenden geringen noch einmal in der untenstehenden Tabelle
Windgeschwindigkeit auch die horizontale zusammengefasst.
Luftdurchmischung behindert. So betrug an
der Meßstation Hörn an den insgesamt 29
Tagen mit einer Inversionsandauer von min-
destens 8 Stunden die durchschnittliche ma-
ximale Windgeschwindigkeit etwa 1,5 m/s
(fast Windstille) und erreichte nur in einem
Falle knapp 3 m/s (leichte Brise) als absolu-
tem Spitzenwert. Die entsprechenden Windge-
schwindigkeiten in der Innenstadt waren noch
geringer.

Temperaturinversionen zwischen den temporären Feststationen Aachen-Mitte (165 m ü.NN) und Tour
Badouin (368 m ü.NN) im Zeitraum 04/98 bis 03/99

Zahl der Tage mit Temperaturinversion 95


Zahl der Tage mit maximalem Temperaturgradienten ≥ +2 K 35
Zahl der Tage mit maximalem Temperaturgradienten ≥ +5 K 5
Zahl der Tage mit Temperaturinversion von ≥ 8 h Dauer 29
Zahl der Tage mit maximalem Temperaturgradienten von ≥ +5 K und ≥ 8 h Andauer 5
Maximaler Temperaturgradient (12.03.1999/25.03.1999) 5,5 K
Maximaler durchschnittlicher Temperaturgradient zwischen 22 und 04 Uhr
(20.07.1998/25.03.1999) 3,7 K
Maximale Andauer (12.03.1999) 15 h

16 Stadtklima Aachen
Kaltluftbildung und Kaltluftabfluß Die flächendeckende Auswertung erfolgte mit
Hilfe eines Geographischen Informationssys-
tems (GIS). Hierzu wurde ein Kriterienkatalog
Die Untersuchung von Kaltluftbildung und für Flächen mit unterschiedlichen Eigenschaf-
Kaltluftabfluß ist für die Analyse der klima- ten in bezug auf Kaltluftbildungs- und Kaltluf-
tisch-lufthygienischen Verhältnisse in Städten tabflußverhalten aufgestellt.
wie Aachen von großer Bedeutung, weil diese
Prozesse, insbesondere bei allgemein aus-
tauschschwachen Wetterlagen, zusätzlichen
Kriterienkatalog zur Bestimmung von Kaltluftflä-
Luftaustausch bewirken können. chen im GIS-Modell:

Kaltluftbildung bzw. -abfluß kann in verschie- 1. Kriterium: Freiflächeneigenschaft


denen Größenordnungen ("Scales") auftreten. 2. Kriterium: Temperatureigenschaft
Aus praktischen Gründen wird hier unter-
schieden zwischen Effekten in Zusammenhang 3. Kriterium: Hangneigungseigenschaft
mit bodennahem Kaltluftabfluß an flachen
Hängen und in kleinen Mulden und den Ge-
samtwirkungen von Kaltluftbildungsprozessen Einen Ausschnitt aus der GIS-Auswertung zeigt
in Form von Kaltluftströmen in den größeren die Abbildung auf der nächsten Seite.
Tälern bei insgesamt bewegterem Relief. Eine
derartige Kombination von Kaltluftbildungs- Bodennaher Kaltluftabfluß wurde in allen in
und -abflußstrukturen ist typisch für das Mit- Frage kommenden Stadtteilen festgestellt. Für
telgebirgsvorland. Mittelgebirgstypische Relief- folgende Taleinzugsgebiete im Stadtgebiet
strukturen mit den noch größeren Tälern lie- konnten besonders abgesicherte und wirksa-
gen im Untersuchungsgebiet jedoch nicht vor. me Kaltluftabflüsse mit Planungsrelevanz
nachgewiesen werden:
Bei den im Stadtgebiet von Aachen vorliegen-
den Reliefverhältnissen und der gegebenen ♦ Im Einzugsgebiet der Wurm und ihrer
Struktur und Lage der Siedlungs- und Freiflä- Quellbäche oberhalb von Burt-
chen spielen die Auswirkungen von Kaltluftab- scheid liegt Kaltluftabfluß auf allen grö-
flüssen eine besondere Rolle. Die klimatisch- ßeren - mehr oder weniger isolierten -
lufthygienischen Auswirkungen von stadttypi- Freiflächen (entlang des Goldbachtals,
schen Nutzungen und geländebedingten Phä- um Diepenbenden und entlang des Grün-
nomenen liegen hier - anders als im Tiefland tals ab Köpfchen) vor, so dass ein zu-
oder im Bergland - in ähnlichen Größenord- sammenhängendes Kaltluftsystem ange-
nungen. Daher bestehen einerseits erhebliche nommen werden kann.
klimatische Wechselwirkungen und anderer-
seits können Planungsvorhaben in besonde- ♦ Am Hitfelder Bach und an anderen
rem Maße klimatische Rückwirkungen verur- Tälchen im Randbereich des Be-
sachen. Aus diesem Grund wird den klimati- verbachtals ergaben sich deutliche
schen Phänomenen in Zusammenhang mit Hinweise für Kaltluftabfluß, so dass eine
Kaltluftbildung bzw. -abfluß besondere Auf- Zufuhr von Kaltluft in den unteren Ta-
merksamkeit gewidmet. labschnitt des Beverbachs auch aus diesen
Bereichen anzunehmen ist.
Zur Untersuchung bodennaher Kaltluftabflüsse
im Stadtgebiet wurden die Ergebnisse vergan- ♦ Im gesamten Einzugsgebiet der Inde
gener Untersuchungen und den im Rahmen treffen die Kriterien entlang der größeren
des Gesamtstädtischen Klimagutachtens Talzüge, aber auch in einigen kleineren
durchgeführten Detailuntersuchungen (Bo- Nebentälern zu.
denmessungen, Ballonsondierungen, Rauch-
gasversuche) auf das gesamte Stadtgebiet mit
Hilfe der Fernerkundungsdaten (Thermal- und
Radarbefliegung) übertragen.

Stadtklima Aachen 17
♦ Im Haarbachtal wurde ein Zutreffen der ♦ Im Einzugsgebiet des Amstelbach-
Kriterien insbesondere auch im östlichen tals liegen die Kriterien kontinuierlich ent-
Teil des Einzugsgebiets, einem großen lang des Tals selbst (von Küppershof bzw.
Freiflächenareal östlich der A 44 zwischen Uersfeld bis zur Stadtgrenze) bzw. entlang
Brand und Brander Wald, festgestellt. Da- des größten Nebentals (Talmulde des
her muß von einem relativ großen Kalt- Crombacher Bachs an der nördlichen
lufteinzugsgebiet ausgegangen werden. Stadtgrenze) vor. Kaltluftabflüsse sind
Gleiches gilt auch im Talabschnitt unter- auch in den kleineren, zum Einzugsgebiet
halb von Eilendorf und im unteren Ab- gehörenden Mulden, vor allem quer zu
schnitt des Rödgerbachtals und ebenfalls der westlich von Horbach gelegen nord-
für die weniger umfangreichen Kaltluftab- nordwest-südsüdost verlaufenden Gelän-
flüsse auf den Flächen im Bereich Eilen- destufe, zu erwarten. Dies wurde auch
dorf-Süd, wobei nach den Ergebnissen durch Nebelbeobachtungen bestätigt.
anderer Untersuchungen hier sicher ist,
dass Kaltluft aus diesen Flächen im Ort ♦ Hinweise für Kaltluftabflüsse ergeben sich
aufgelöst wird. ebenso östlich von Orsbach in der in
Richtung Vlengendal / Bocholtz weisenden
♦ Im oberen Rödgerbachtal, dessen Talmulde.
mittlerer Talabschnitt durch den in Hoch-
lage geführten Madrider Ring und den ♦ Die Kriterien für Kaltluftabfluß werden
Siedlungsbereich Rothe Erde verbaut ist, praktisch im gesamten Senserbachtal
trafen die Kriterien an der breiten Unter- in kontinuierlicher Abfolge von den obers-
führung der Vennbahntrasse zu. Als künst- ten Talbereichen oberhalb von Vaalser-
liche Abflußrinne dient hier statt des natür- quartier am Aachener Wald über die Frei-
lichen Talverlaufs die Schneise am Eisen- flächen in Vaalserquartier und am Rand
bahnweg (Straße, Grünstreifen, Bahntras- von Vaals bis unterhalb von Lemiers ange-
se), in deren weiteren Verlauf sich - nahe troffen. Hier liegt ein großes zusammen-
dem Bahnhof Rothe Erde - auch wiederum hängendes Kaltlufteinzugsgebiet vor. Im
Hinweise auf Kaltluftabfluß ergeben. innerhalb der Stadt Aachen gelegenen
Teil des Einzugsgebiets gibt es nur nord-
♦ Östlich von Verlautenheide gibt es westlich von Orsbach eine einmündende
Hinweise auf ein Kaltlufteinzugsgebiet, das markante Talmulde, aus der seitlicher
die Freiflächen beiderseits der A 44 um- Zufluß von Kaltluft erwartet werden kann.
faßt und mit einem Kaltluftabfluß in Rich-
tung Gut Schwarzenbruch verbunden ist. ♦ Im Dorbachtal entsprechen die Verhält-
nisse anscheinend denen im benachbar-
♦ In den Randbereichen des Kaltluft- ten Johannisbachtal bzw. dem Kannegie-
sammelgebiets Soers treffen die Krite- ßerbachtal. In dessen weiteren Verlauf
rien einerseits im Haarbachtal und im (beim Übergang in das Wildbachtal, das
Wildbachtal und andererseits im Bereich die natürliche Fortsetzung des Dorbachtals
Kalkofen, Ravelsberg, Berensberg, Richte- darstellt) ergaben sich klare Hinweise für
rich und Lousberg zu. Hier sind bodenna- Kaltluftabfluß im unmittelbaren Umfeld
he Kaltluftzuflüsse sowohl aus den ge- des Uniklinikums (sowohl im künstlich an-
nannten Tälern als auch von den um die gelegten Talverlauf im Osten als auch in
Soers gelegenen kleineren Freiflächen zu der natürlichen Mulde am Steinbergweg)
erwarten. Hinweise auf bodennahen Kalt- sowie im Bereich des Golfplatzes und
luftabfluß ergaben sich auch im Wurmtal dann - weiter talabwärts - entlang des ge-
in Richtung Herzogenrath-Kohlscheid. samten Talverlaufs bis zur Schurzelter
Mühle. Im unteren Talbereich muß von ei-
nem Überströmen des Bahndamms in öst-
liche Richtung in den Ortsteil Laurensberg
ausgegangen werden.

18 Stadtklima Aachen
♦ Im Einzugsgebiet Kannegießer- Thermal- und Radarbefliegung
bach/-Ponellbach ergaben sich Hin-
weise auf Kaltluftabfluß über den kleineren
Grünflächen im Bereich Ronheide. Die beiden folgenden Karten zeigen die Er-
gebnisse der beiden Thermalbefliegungen. In
♦ Im Einzugsgebiet des Tüljebachs der dritten Karte sind die Thermaldaten aus
treffen die Kriterien entlang des gesamten der Abendbefliegung mit den Produkten aus
Talverlaufs (von Entenpfuhl/Preuswald ü- der Radarbefliegung überlagert, was eine
ber Bildchen bis zur Stadtgrenze), aber dreidimensionale Darstellung der Ergebnisse
auch in Nebentälchen im Bereich von möglich macht. Dadurch wird das Oberflä-
Hergenrath zu. chentemperaturverhalten in gegliedertem Ge-
lände plastisch darstellbar.

Für eine ganze Reihe von Bachtälern konnten Die Thermalkarte Abendsituation zeigt den
darüber hinaus Kaltluftabflüsse als mittlere Zustand kurz nach Sonnenuntergang, nach-
Volumenströme quantifiziert werden. Diese dem sich die unterschiedlichen Oberflächen
Daten sind zur Bewertung der Wirksamkeit im Laufe des Tages aufgrund der Sonnenein-
von Kaltluftabflüssen auf bebaute Bereiche strahlung erwärmen konnten.
von besonderer Bedeutung.
Siedlungsflächen wie das Stadtzentrum und
Berechnete Volumenströme [m³/s] für ausgewählte die bebauten Flächen im Außenbereich sind
Kaltluftabflüsse im Stadtgebiet durch hohe Temperaturen (Gelb- und Rottö-
ne) gekennzeichnet, während die landwirt-
Rolleftal / Vennbahnbrücke 1163 schaftlich genutzten Gebiete niedrigere Tem-
Gillesbachtal / Branderhofer Weg 674 peraturen aufweisen (Grün- bis Blautöne). Die
Kannegießerbachtal / Brüsseler Ring 3168 insgesamt höchsten Temperaturen werden in
Ponellbachtal / Schillerstraße 1690 der dicht bebauten Innenstadt ("Aachen-Mitte")
erreicht.
Johannisbachtal / Auf der Mauer 607
Dorbachtal / Steppenberg 1283 Besonders stark erwärmt sind größere Haupt-
Westbahnhof / Kopernikusstraße 298 verkehrsstraßen sowie einzelne Plätze, die in
Wildbach / Schurzelt 1886 die höchste Temperaturklasse fallen. Größere
Haarbachtal / Birkstraße 1974 Grün- und Parkanlagen heben sich durch ihre
niedrigen Temperaturen deutlich von den
Soers / Stadtgärtnerei 1750
bebauten und versiegelten Flächen des Aa-
chener Stadtzentrums ab.

Wälder erscheinen auf der Thermalkarte e-


benfalls mit relativ hohen Temperaturen. Hier
muß jedoch beachtet werden, dass durch den
Thermalscanner die Oberfläche des Kronen-
dachs erfaßt wird, nicht jedoch die Verhältnis-
se im Stammraum, wo weitaus niedrigere
Temperaturen herrschen. Die in Rottönen er-
scheinenden Waldflächen sind also nicht mit
den überwärmten Siedlungsflächen zu verglei-
chen, sondern besitzen thermisch günstigere
Verhältnisse.

Neben den Siedlungsbereichen zeigen auch


Autobahnen und andere Straßen hohe Tem-
peraturen, so dass sie als rote Linien im land-
wirtschaftlich genutzten Bereich hervorstechen.

Stadtklima Aachen 19
In der Thermalkarte Morgensituation ist der Aus den Radardaten wurde ein hochauflösen-
Zustand der maximalen Abkühlung kurz vor des dreidimensionales Rasterbild erzeugt. Für
Sonnenaufgang dargestellt, so dass allgemein jeden Bildpunkt wird dabei die exakt berech-
die in blauen und grünen Farbtönen darge- nete Höhe über NN angegeben. Das flächen-
stellten niedrigen Temperaturen dominieren. deckende digitale Höhenmodell (DHM) zeigt
dabei feinste Details von Relief, Gebäuden
Trotz des insgesamt niedrigeren Temperatur- und Baumbewuchs. Die Genauigkeit der Hö-
niveaus heben sich die Siedlungsflächen heninformation wird von der Signalqualität
durch ihre höhere Temperatur von den umge- des Radar-Echos bestimmt und reicht von
benden Flächen ab, die Waldgebiete fallen wenigen Dezimetern (Gebäude, Straßen, Fel-
ebenfalls durch hohe Temperaturen auf. Ähn- der) bis zu ca. 1,5 m (Baumkronen). Um aus
lich wie in der Abend- ist auch in der Mor- der Höhenstruktur die Nutzungshöhen (Ge-
genaufnahme ein räumliches Nebeneinander bäude, Vegetation) abzuleiten, muß die Ge-
von erwärmten Straßenzügen und weniger ländehöhe (Relief) subtrahiert werden. Dies
warmen Siedlungsbereichen erkennbar. Die geschieht durch Festlegung von Basishöhen in
Straßen und Gebäude erwärmen sich tags- freiem, unbebautem Gebiet. Dabei entstehen
über stark, und geben die Energie in Form getrennte Datensätze zum Relief (digitales
von langwelliger Strahlungsenergie nachts Geländemodell) und zur Oberflächenrauig-
wieder an ihre Umgebung ab. Aufgrund der keit.
Horizonteinschränkung ist dabei die Abküh-
lung innerhalb der Straßenschluchten geringer
als im Dachniveau.

Die wärmsten Flächen sind jedoch nicht die


Siedlungsbereiche sondern die kleinen Teiche
und Weiher im Umland. Wasser besitzt ein
äußerst hohes Wärmespeichervermögen und
reagiert nur sehr langsam auf Veränderungen
der Lufttemperatur. Das sich tagsüber erwär-
mende Wasser gibt daher auch noch in den
Morgenstunden Wärme an die kühlere Um-
gebung ab und erscheint somit in der Ther-
malaufnahme als warme Fläche.

Im Vergleich zu anderen Großstädten zeigt die


morgendliche Thermalaufnahme für große
Teile des stark versiegelten Stadtzentrums von
Aachen jedoch relativ niedrige Oberflächen-
temperaturen. Dies ist vor allem auf die erläu-
terte positive Wirkung der Bachtäler (Kaltluft-
abflüsse) zurückzuführen, die eine stärkere
Abkühlung ermöglichen.

20 Stadtklima Aachen
Die Synthetische Klimafunktionskarte

Wichtigstes Ergebnis der Klimauntersuchung Nach klimaökologischen Aspekten unterglie-


für die Stadt Aachen ist die Synthetische Kli- dert sich das Stadtgebiet in acht verschiedene
mafunktionskarte. Sie gibt die lokal- und regi- Klimatope, die man in vorwiegend bebaute
onalklimatischen Verhältnisse im Untersu- und unbebaute Klimatoptypen unterteilen
chungsgebiet flächendeckend wieder und ist kann und die auf den folgenden Seiten vorge-
Grundlage für konkrete Planungshinweise und stellt werden.
Planungsempfehlungen.

Die flächenhaften Einheiten der Synthetischen Bebaute Flächen Unbebaute Flächen


Klimafunktionskarte werden Klimatope ge-
nannt. Sie werden aus der klimatischen Wir- Siedlungsklima Freilandklima
kung vorhandener Klimafaktoren wie z. B. den Stadtklima Waldklima
Reliefverhältnissen, der Flächennutzung, dem
Versiegelungsgrad und der Höhenlage sowie Innenstadtklima Klima der Wasserflä-
konkreten Meßergebnissen aus den genann- chen
ten Untersuchungen abgeleitet. Daneben Gewerbe- und Indust- Parkklima
werden spezielle, nicht ausschließlich flächen- rieklima
bezogene Klimafunktionen in der Syntheti-
schen Klimafunktionskarte dargestellt, wie
z. B. lokaler Kaltluftabfluß an Hängen und in
Mulden, Kaltluftströme in Tälern oder auch
besonders belastete Hauptverkehrsstraßen.

Stadtklima Aachen 21
Siedlungsklima

ƒ Versiegelungsgrad: überwiegend 10-70 %


ƒ Bebauungsstruktur: gemischte Bauweise
(Einfamilien- bzw. Reihenhäuser)
ƒ Nutzung: fast ausschließlich Wohnen

Zum Klimatoptyp Siedlungsklima gehören


überwiegend locker bebaute und gut durch-
grünte Wohnsiedlungen. Der geringe Versie-
gelungsgrad und die gute Durchgrünung wir-
ken einer starken Überwärmung entgegen und
unterstützen die Durchlüftung. Die schwache
bis mäßige lufthygienische Belastung stammt
in erster Linie vom Autoverkehr und vom
Hausbrand. Insgesamt besitzt das Siedlungs-
klima für den Menschen günstige bioklimati-
sche Eigenschaften.

Das Siedlungsklima umfaßt vor allem die


Siedlungsschwerpunkte in den Außenbezirken Siedlungsklima in der Synthetischen Klimafunkti-
der Stadt, sowie große Bereiche der Stadtteile onskarte (hellgelbe Signatur), Beispiel Burtscheid
Forst, Südviertel, Burtscheid, Hanbruch, Kro- mit dem durch die hellblaue Linie abgegrenzten
nenberg, Steppenberg/Kullen und Königshü- Kurgebiet.
gel. Neben Gebieten mit einem hohen Anteil
an Reihenhäusern, Zeilenbebauung und Ge- Die lufthygienische Situation in lockeren
bäudekomplexen zählen zu diesem Klimatop- Wohnsiedlungsbereichen hat sich in den letz-
typ auch spezielle Nutzungen wie Kasernen, ten Jahrzehnten durch technische Maßnah-
Forschungseinrichtungen, sowie Sport- und men wie die Verdrängung von Kohle im Wär-
Freizeiteinrichtungen. memarkt und die Umstellung auf modernste
Erdgasfeuerung großräumig verbessert. Dem
steht aber ein erhebliches Flächenwachstum
der Stadt gegenüber, was in den stadtnahen
Wohnsiedlungsbereichen eine Verschlechte-
rung der Belüftungssituation zur Folge hat. Da
in solchen Bereichen örtlich auch konzentrier-
te Verkehrsemissionen vorliegen, kann es lo-
kal zu einer ungünstigen Immissionssituation
kommen.

Blick auf das südliche Burtscheid.

22 Stadtklima Aachen
Stadtklima

ƒ Versiegelungsgrad: überwiegend 70-85 %


ƒ Bebauungsstruktur: vorwiegend innerstäd-
tische Blockrandbebauung
ƒ Nutzung: vorwiegend Wohnen, teilweise
Dienstleistungen
ƒ Emissionen: verkehrliche und Hausbrand-
emissionen

Zum Klimatoptyp Stadtklima gehören vor al-


lem die innerstädtischen Blockrandbebauun-
gen mit vorwiegender Wohnnutzung und
Dienstleistungen. Die dichte städtische Be-
bauung verursacht ausgeprägte Wärmeinseln
mit eingeschränkten Luftaustauschbedingun-
gen. Die lufthygienische Situation ist durch
erhöhte verkehrliche Emissionen, aber auch
durch nennenswerte Hausbrandemissionen
geprägt. Dem Stadtklima müssen daher luft-
hygienisch und klimatisch mittlere bis stark
belastende Eigenschaften zugeschrieben wer-
den.
Stadtklima in der Synthetischen Klimafunktionskarte
(dunkelgelbe Signatur), Beispiel südliche Innen-
stadt mit Nordteil von Burtscheid.

Neben den der Innenstadt angegliederten


Stadtteilen wie dem Hochschulviertel, den
relativ dicht bebauten Tal- und Kuppenlagen
im Westen und Süden, Teilgebieten von Burt-
scheid mit seiner Mischnutzung, dem Fran-
kenberger Viertel mit relativ einheitlicher
Blockbebauung, dem Ostviertel, Alt-Forst,
Rothe Erde und Jülicher Straße zählen zum
Typ Stadtklima auch die Subzentren außerhalb
der Innenstadt. Dazu gehören Teilbereiche
von Forst, Brand, Eilendorf, Haaren und Lau-
Blick vom Kreishaus auf das Kurgebiet Burtscheid. rensberg.

Stadtklima Aachen 23
Innenstadtklima

ƒ Versiegelungsgrad: überwiegend >85%


ƒ Bebauungsstruktur: uneinheitlich struktu-
rierte, aber sehr dichte Bebauung
ƒ Nutzung: Dienstleistungen, teilweise Woh-
nen
ƒ Emissionen: überwiegend verkehrliche
Emissionen

Im hochverdichteten Innenstadtbereich ist die


städtische Wärmeinsel am meisten ausge-
prägt. Hier zeigen sich die stärksten Verände-
rungen der Klimaelemente gegenüber dem
Freiland: stark erhöhte Temperaturen, sehr
geringe nächtliche Abkühlung, geringe relati-
ve Feuchte und starke Einschränkung der
Durchlüftung bei gleichzeitiger Böigkeit des
Windes. Ursachen dafür sind die hochverdich-
tete Bebauung und der geringe Grünflächen-
anteil sowie die zentrale Lage innerhalb des
Stadtkörpers. Durch ungünstige Luftaus-
tauschbedingungen kommt es verstärkt zu
bioklimatischen und lufthygienischen Be- Innenstadtklima in der Synthetischen Klimafunkti-
lastungen. Insgesamt ist das Innenstadtklima onskarte (rote Signatur) mit immissionsseitig be-
als stark belastend für den Menschen einzu- lasteten Hauptverkehrsstraßen.
stufen.

Man unterscheidet im Bereich der Innenstadt


zwischen
♦ der City mit überwiegend tertiären Nut-
zungen (Dienstleistungen) und ungeordne-
ter Bebauungsstruktur,
♦ der nordöstlichen Innenstadt und Stadtbe-
reichen auch östlich des Alleenrings mit
größeren Häuserblocks und relativ hohen
Verkehrsemissionen,
♦ dem Pontviertel mit häufig kleinen Häu-
serblocks und engen Straßen (Altstadtvier-
tel), aber mit noch günstiger Belüftungssi-
tuation und
Blick vom Kreishaus zur Aachener Innenstadt über
die Hauptverkehrsachse Theaterstraße. ♦ der dicht bebauten südwestlichen Innen-
stadt mit ebenfalls kleinteiliger, ungeord-
neter Blockbebauung und insgesamt noch
günstiger Belüftungssituation wegen der
Luv-Lage zur verkehrsstarken City und der
klimatischen Wirkung der Bachtäler.

24 Stadtklima Aachen
Gewerbe- und Industrieklima

ƒ Versiegelungsgrad: überwiegend > 70 %


ƒ Bebauungsstruktur: überwiegend große
Gebäude mit größeren Zwischenräumen
ƒ Nutzung: gewerbliche Nutzungen
ƒ Emissionen: verkehrliche und gewerbliche

Der Klimatoptyp Gewerbe- und Industrieklima


mit einem Versiegelungsgrad größer 70 %
gleicht in seiner klimatischen Ausprägung den
Stadt- bzw. Innenstadtklimaten. Es handelt
sich häufig um Gebiete mit erhöhter Schad-
stoff- und Abwärmebelastung und z. T. un-
günstigen bioklimatischen Bedingungen. Die
typisch industrielle Nutzung mit erheblichen
Luftschadstoff- und Wärmeemissionen hat sich
aber in vielen deutschen Großstädten und so
auch in Aachen bis auf sehr wenige Standorte
stark zurückentwickelt, was die Immissionssi-
tuation im besonders empfindlichen Talkessel
von Aachen in den letzten 20 Jahren nachhal- Gewerbe- und Industrieklima in der Synthetischen
tig verbessert hat. Klimafunktionskarte (rotbraune Signatur), Beispiel
Rothe Erde mit den Industriebetrieben Continental
Grundsätzlich unterscheiden sich Gewerbege- und Philips als größere noch verbliebene Einzel-
biete aber dadurch von Wohngebieten, dass emittenten.
eine geringere Immissionsempfindlichkeit vor-
liegt (zeitlich begrenzter Aufenthalt von Perso-
nen, geringer Schutzstandard), ein erhöhtes
Verkehrsaufkommen vorauszusetzen ist und
die Möglichkeit umfassender und rascher E-
missionsminderungsmaßnahmen (z. B. neue
und hocheffiziente Heiz- und Produktionstech-
nologien, Fernwärmeanschluß) besteht.

Zu den verbliebenen, noch industriell gepräg-


ten Gewerbegebieten gehören Teilflächen von
Rothe Erde, Jülicher Straße und Süsterfeld.

Stadtklima Aachen 25
Freilandklima Waldklima

ƒ Versiegelung: < 10% ƒ Versiegelung: < 10 %


ƒ Bebauung: nur einzelne Gebäude bzw. ƒ Bebauung: nur einzelne Gebäude bzw.
Straßen Straßen
ƒ Vegetation: flächendeckende landwirt- ƒ Vegetation: flächendeckende Bepflanzung
schaftliche Nutzung bzw. Brachen mit nie- mit Bäumen meist einheitlicher Höhe
derer oder jahreszeitlich bedingt fehlender
Vegetation, nur einzelne Baumpflanzun-
gen

Waldklima in der Synthetischen Klimafunktionskar-


te (grüne Signatur), Bereich Aachen Stadtwald,
Preuswald.
Freilandklima in der Synthetischen Klimafunktions-
karte (hellblaue Signatur), hier Aachen- Wald nimmt mit seiner klimatischen Aus-
Oberforstbach, Schleckheim. gleichsfunktion einen flächenmäßig überaus
großen Anteil am Stadtgebiet von Aachen ein
Das Freilandklima zeichnet sich durch stark (Aachener Wald und Münsterwald). Hier sind
ausgeprägte Tagesgänge von Strahlung, Luft- die Temperatur- und Strahlungsgänge stark
temperatur und Feuchte aus. Es herrschen gedämpft, die relative Luftfeuchtigkeit ist er-
Windoffenheit und eine intensive Kalt- bzw. höht. So kommt es im Stammraum zur Ausbil-
Frischluftproduktion vor. Das klimatische Po- dung eines eigenen "Binnenklimas" oder Be-
tential der Freiflächen ist als überaus hoch zu standsklimas. Wichtigstes Merkmal dieses
bewerten. Insbesondere die Heckenlandschaft Bestandsklimas ist der ausgeglichene Tempe-
im Bereich der Vennfußfläche und das Grün- raturgang. Im Waldinneren ist es an einem
land mit Gehölzstrukturen in den Bachtälern Sommertag tagsüber kühler und nachts wär-
sind hier hervorzuheben. mer als im Umland. Im Stammraum herrschen
außerdem meist Windruhe und relativ hohe
Luftreinheit. Hinsichtlich der klimatischen Ei-
genschaften muß man auch hier zwischen
Nadelwald, Laubwald und Mischwald bzw.
parkartigen Bereichen unterscheiden. Insge-
samt besitzen Wälder eine hohe klimatische
Gunstfunktion für den Menschen.

"Wald hat eine große Filterwirkung, die oft unter-


schätzt wird, die sich aber die Stadtplanung zunut-
ze machen sollte. Die Waldluft hat 200 bis 1000
mal weniger Staub und Ruß (Kondensationskerne)
als die Luft über Städten."

26 Stadtklima Aachen
Parkklima
Klima der Wasserflächen
ƒ Versiegelung: < 10 %
ƒ Bebauung: nur einzelne Gebäude bzw. Aufgrund ihres geringen Flächenanteils sind
Straßen die Wasserflächen im Aachener Stadtgebiet
ƒ Vegetation: Bepflanzungen unterschied- nur von untergeordneter Bedeutung. Die vor-
licher Höhe bei eingestreuten offenen handenen kleinen Gewässer (Teiche, Stauwei-
Grünflächen, teilweise kleiner Wasser- her) besitzen höchstens für die unmittelbare
flächen Umgebung klimatische Ausgleichsfunktion.

Die besonderen Merkmale des Klimas der


Wasserflächen beruhen vor allem auf einer
starken Dämpfung des Temperaturtagesgan-
ges, die v.a. durch die hohe Wärmespeicher-
kapazität des Wassers hervorgerufen wird.
Große Wasserflächen können wegen der ex-
trem geringen Bodenreibung Belüftungsfunkti-
onen übernehmen.

Parkklima in der Synthetischen Klimafunktionskarte


(hellgrüne Signatur), Beispiel Teilausschnitt Aache-
ner Südviertel.

Zum Klimatoptyp Parkklima gehören alle Flä-


chen mit wenig oder ohne Bebauung und mit
geringem bis mäßigem Großgehölzbestand.
Je nach Bewuchs sind sowohl die Lufttempera-
tur und der Strahlungsgang als auch die
Windgeschwindigkeiten stark gedämpft. Es
sind bioklimatisch wertvolle Stadtoasen, die je
nach Größe und Lage auch klimatische Aus-
gleichsfunktionen für ihre unmittelbare Umge-
bung übernehmen können, zumeist aber keine
bedeutende klimatische Fernwirkung besitzen.

Zum Klimatoptyp Park gehören vor allem die


wenigen innerstädtischen Grünflächen, Fried-
höfe, Kleingärten und durchgrünte Sportanla-
gen, sowie die Parks am Stadtrand von Aa-
chen.

"Und wie Meßergebnisse in Frankfurt/M. gezeigt


haben, hat selbst ein innerstädtischer Park noch
fünf mal weniger Staubteilchen pro Luftquantum
als das Stadtzentrum und eine baumbestandene
Straße noch dreimal weniger als eine baumfreie
Straße." (Franke, 1976)

Stadtklima Aachen 27
Spezielle Klimafunktionen Es bilden sich vielerorts im Stadtgebiet klein-
räumige Kaltluftabflüsse aus, die Mächtigkei-
ten bis einige Meter und Abflußgeschwindig-
Von den insgesamt 13 in der Klimafunktions- keiten meist deutlich unter 1 m/s (3,6 km/h)
karte dargestellten speziellen Klimafunktionen erreichen. Die Wirkung lokaler Kaltluftabflüsse
sollen hier nur die wichtigsten genannt wer- besteht überwiegend in einer horizontalen
den. Hierzu zählen insbesondere Belüftungs- Belüftung. Sofern diese Kaltluftabflüsse in die
funktionen und besondere lufthygienische Bebauung hinein gerichtet sind, können sie
Verhältnisse wie z. B. kleinräumig eine Senkung des Luftschadstoff-
niveaus und eine Abkühlung überwärmter
ƒ lokaler Kaltluftabfluß an Hängen und in Siedlungsbereiche ermöglichen. Dies ist aller-
Mulden, dings nur dann möglich, wenn es sich um
ƒ Kaltluftströme in Tälern, unbelastete Kaltluft handelt. Dann kann be-
lastete Luft in den Siedlungsbereichen durch
ƒ Kaltluftstau und Kalt- und Frischluft ersetzt werden.
ƒ Kaltluftsammlung sowie
ƒ besonders belastete Hauptverkehrsstraßen Kaltluftströme in Tälern
und
ƒ besondere Anforderungen an die Luftqua-
litätsverhältnisse in den Kurgebieten Aa-
chens.

Lokaler Kaltluftabfluß an Hängen und in Mul-


den

Kaltluftströme in Tälern in der Synthetischen Klima-


funktionskarte (blaue Pfeilsignatur, groß) am Bei-
spiel Rollefbach- und Indetal.

Bei entsprechend ausgeprägten Reliefverhält-


nissen können sich in größeren Bachtälern
Aachens erhebliche Kaltluftströme ausbilden,
die vertikale Mächtigkeiten bis über 30 m und
Abflußgeschwindigkeiten von mehr als 1 m/s
Lokaler Kaltluftabfluß an Hängen und in Mulden in erreichen. Die Belüftungswirkung ist der von
der Synthetischen Klimafunktionskarte (blaue Pfeil- lokalen Kaltluftabflüssen ähnlich, jedoch kann
signatur, klein) am Beispiel der Talbereiche von sich ihre Wirkung, wie in fast allen größeren
Holzbach und Oberforstbach.
Bachtälern, aufgrund des erheblichen Volu-
menstroms auf ganze Stadtteile erstrecken.
Während sog. austauschschwacher Strah-
Hierzu zählen alle größeren Bachtäler im Tal-
lungswetterlagen (windschwache Schönwetter-
kesselrandbereich sowie die Talsysteme der
lagen) kommt es abends und nachts zu starker
Inde und des Iterbachs sowie des Senserbachs
Abkühlung der Erdoberfläche und der boden-
außerhalb des Talkessels (siehe auch die Ta-
nahen Luftschicht. Die kältere, dichtere und im
belle auf Seite 19).
Vergleich zu höheren Luftschichten schwerere
Luft fließt dem Gefälle nach talwärts ab.

28 Stadtklima Aachen
Kaltluftstau Kaltluftsammelgebiet

Kaltluftstau in der Synthetischen Klimafunktionskar- Kaltluftsammelgebiet in der Synthetischen Klima-


te (mittelblau schraffierter Bereich) am Beispiel funktionskarte (dunkelblau schraffierter Bereich)
Wildbachtal mit Bahndamm-Stauzone. am Beipiel der Soers.

Unter Kaltluftstau versteht man die Behinde- Die Soers stellt - zusammen mit ihren Randbe-
rung des Abflusses von Kaltluftströmen in Tä- reichen - eine große Hohlform dar, die nur
lern durch Hindernisse (z. B. kompakte Be- mit einem relativ engen Talausgang (Wurmtal)
bauung, dichte Gehölzbestände oder Däm- verbunden ist. Bei austauscharmer Witterung
me) oder geringes Gefälle. Die hieraus resul- strömt von den Hängen und aus den Tälern
tierenden relativ geringen Strömungsge- der Umgebung Kaltluft ein und sammelt sich
schwindigkeiten der Kaltluft bedingen eine hier bis zu großen Mächtigkeiten an. Damit
starke Auskühlung und damit eine erhöhte verbunden sind eine erhöhte Neigung zu
Frost- und Nebelgefährdung sowie eine Ten- Spät- und Frühfrösten, zu Nebelbildung und
denz zur Schadstoffanreicherung. der Gefahr zeitlich beschränkter Schadstoff-
anreicherung.

Die negativen Auswirkungen dieser Kaltluftan-


sammlungen herrschen nicht nur über den
noch unbebauten Flächen der zentralen Soers
vor, sondern wirken auch auf die tiefergele-
genen bebauten Bereiche in der Umgebung
zurück (Teile von Laurensberg, Haaren, Kur-
gebiet Monsheimallee, Gewerbegebiet Jüli-
cher Straße).

Stadtklima Aachen 29
Besonders belastete Straßenabschnitte Kurgebiete

Für die beiden Kurgebiete Monheimsallee


nördlich der Innenstadt und Burtscheid,
südöstlich der Innenstadt gelegen (siehe Kli-
mafunktionskarte), gelten besondere Anforde-
rungen an die Luftqualität und das Ortsklima.
Diese Anforderungen sind in der sog. Bäder-
richtlinie, einer internen Bewertungsgrundlage
des Deutschen Heilbäderverbandes, für alle
Kurorte festgeschrieben. Die einzuhaltenden
lufthygienischen Standards bezüglich ver-
schiedener Parameter wie Schwebstaub, Ruß,
Stickstoffdioxid (NO2) und auch Benzol liegen
im Vergleich zu anderen gesetzlichen Luftqua-
Besonders belastete Straßenabschnitte in der Syn- litätsvorgaben auf besonders niedrigem Im-
thetischen Klimafunktionskarte (rote Liniensigna- missionsniveau.
tur).
Die auf der nächsten Seite gezeigte Tabelle
Im Aachener Talkessel liegen einige Haupt- zeigt einen Vergleich verschiedener lufthygie-
verkehrsstraßen, die anhand eines Straßen- nischer Standards (Richtwerte), die
Screenings (Modellrechnungen) und teilweise
durch Schadstoffmessungen von Benzol und ƒ verkehrsbezogen für Hauptverkehrsstraßen
Ruß als besonders belastet herausgearbeitet nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz
wurden. Dies sind alle Straßenabschnitte mit (BImSchG)
Immissionskonzentrationen, die nach Berech- ƒ als allgemeingültige Luftqualitätsrichtwerte
nungen und Messungen 1998/99 mehr als nach EU-Richtlinien und
90 % der Richtwerte nach der 23. Verordnung ƒ für Kurgebiete nach den Richtlinien des
zur Durchführung des Bundes-Immissions- Deutschen Heilbäderverbandes
schutzgesetzes (23. BImSchV) erreichten. Sie
liegen vornehmlich in der Innenstadt und de- gültig sind.
ren Randbereichen. Daneben befinden sich
einige besonders immissionsbelastete Stra- Für Messungen zur Bewertung der Luftqualität
ßenabschnitte in den Ortsteilen Haaren und sind in den verschiedenen Ortsbereichen des
Eilendorf. Kurortes bzw. des Kurgebietes nach den Richt-
linien des Deutschen Heilbäderverbandes
Die 23. Verordnung zur Durchführung des Probenahmestellen einzurichten. Man unter-
Bundes-Immissionsschutzgeseztes (23. scheidet dabei zwischen den Ortsbereichen
BImSchV) enthält Konzentrationswerte für die
Schadstoffkomponenten Stickstoffdioxid, Ruß und ƒ KG = Kurgebiet als Anwendungsbereich
Benzol, bei deren Überschreiten Maßnahmen zu des ortsgebundenen Heilmittels (z.B.
Verkehrsbeschränkungen nach § 40 des Bundes- Thermalquellen) zur Ermittlung der örtli-
Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) eingeleitet chen lufthygienischen Hintergrundbelas-
werden können. tung,
ƒ OZ = Ortszentrum zur Ermittlung der
örtlichen lufthygienischen Zusatzbelastung
ohne unmittelbare Einwirkung verkehrsbe-
dingter Emissionen,
ƒ VZ = Verkehrszentrum zur Ermittlung der
verkehrsbezogenen Zusatzbelastung an
einem verkehrsreichen Standort im Orts-
zentrum.

30 Stadtklima Aachen
Vergleich verschiedener lufthygienischer Standards zur Beurteilung der Luftschadstoffbelastung. Angaben in
μg/m³ Luft, gültig für mittlere Belastungen über 1 Jahr (Jahresmittel) (Stand 2001)

Gesetzliche Grundlagen

Luftschadstoff- BImSchG EU- Deutscher Heilbäderverband


Parameter Richtlinien Kurgebiet Ortszentrum Verkehrszentrum
(KG) (OZ) (VZ)
Schwebstaub als Fein- - 46,4 17,0 20,0 28,0
staub PM10 1
Stickstoffdioxid (NO2) 160 40 ² 18,0 24,0 34,0
(½ h Kurz-
zeitwert)
Ruß 8,0 noch nicht 1,7 ³ 2,1 ³ 5,5 ³
verabschie-
det
Benzol 10,0 5² keine Erhe- keine Erhe- 5,0
bung laut Bä- bung laut Bä-
derrichtlinie derrichtlinie
1
: PM10-Staubfraktion ≤ 10 μm Durchmesser (gesundheitlich relevanter Feinstaub)
²: einzuhalten bis 2010
³: für einen Übergangszeitraum bis 2004 wird eine Überschreitung des Ruß-Richtwertes bis zu 20 % toleriert

Die Bewertung der Luftqualität in Kurorten Der Luftbericht 1999 der Stadt Aachen doku-
erfolgt durch Vergleich der gemessenen Luft- mentiert anhand verschiedener zwischen 1997
qualitätskenngrößen mit den entsprechenden und 1999 durchgeführter Meßprogramme die
Richtwerten des Heilbäderverbandes. Die in aktuelle Situation der Luftqualität als immissi-
der Tabelle genannten Richtwerte gelten ab- onsseitige Belastung. Die flächenbezogenen
gestuft für die drei verschiedenen Ortsberei- Ergebnisse der Rasteruntersuchungen (km-
che KG, OZ und VZ in den beiden Kurgebie- Quadrate) zeigen bei allen Luftschadstoffpa-
ten der Stadt Aachen. rametern insgesamt eine fallende Tendenz.

In Aachen erfolgte zuletzt 1991-93 eine um- Die nachfolgende Karte zeigt die flächenbe-
fassende Untersuchung der Luftqualität in den zogenen Stickstoffdioxid (NO2)-Immissionen
Kurgebieten. Dabei wurde festgestellt, dass im Talkessel von Aachen (Meß- und Bearbei-
das Kurgebiet Burtscheid den Anforderungen tungsstand 1998). Die Kurgebiete Monheims-
der Bäderrichtlinie noch genügt, während im allee und Burtscheid mit ihren besonderen
Kurgebiet Monheimsallee – u.a. auch wegen Anforderungen an die Luftqualität liegen bei-
der Verkehrsbeeinflussung der nahegelegenen de im schlechter durchlüfteten Talkessel. Sie
Innenstadt – einige Richtwertüberschreitungen sind in der Karte durch Grenzumrisse gekenn-
auftraten. Daraufhin wurde von der Stadt Aa- zeichnet. Die in naher Zukunft durchzuführen-
chen ein Maßnahmenkonzept zur Verbesse- den neuerlichen Kurgebietsmessungen lassen
rung der Luftqualität in den Kurgebieten ent- nach konservativer Einschätzung der bisheri-
wickelt. gen Meßergebnisse aus 1992/93 und
1997/98 sowie der Neufassung und Ver-
Für 2001/2002 ist eine erneute Überprüfung schärfung der Bäderrichtlinie Überschreitun-
der Luftqualität mittels eines einjährigen Meß- gen von Richtwerten erwarten. Insoweit wer-
programms vorgesehen. Die aktuellen Durch- den weitere verkehrsplanerische, energiebe-
führungsbestimmungen des Heilbäderverban- zogene und / oder auch städtebauliche Maß-
des schreiben klimatische und lufthygienische nahmen in und auch außerhalb der Kurgebie-
Untersuchungen für Kurgebiete mittlerweile te erforderlich sein, um eine ausreichende
alle 5 statt bisher 10 Jahre vor. Luftqualität in den Kurgebieten zu sichern.

Stadtklima Aachen 31
Stickstoffdioxid-(NO2)-Immissionen (μg/m³) im Stadtgebiet Aachen. Mittelwerte für Beurteilungsflächen (I1).

32 Stadtklima Aachen
Nutzung der Ergebnisse für die Stadtplanung
ƒ "die allgemeinen Anforderungen an ge-
Im klimatischen Sinne sollte eine umweltver- sunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse..." (§
trägliche Stadtentwicklung darauf ausgerichtet 1 Abs. 5 Nr. 1) und
sein, einem für den Menschen "idealen Stadt-
ƒ "die Belange des Umweltschutzes..., des
klima" möglichst nahezukommen. Vom Fa-
Naturschutzes und der Landschaftspflege,
chausschuß "Biometeorologie" der Deutschen
insbesondere ... der Luft..., sowie das Kli-
Meteorologischen Gesellschaft wurde das
ma" (§ 1 Abs. 5 Nr. 7)
"ideale Stadtklima" folgendermaßen definiert:

Daneben gelten sowohl auf Bundes- als auch


"Ideales Stadtklima ist ein räumlich und auf Länderebene weitere Gesetze und Verord-
zeitlich variabler Zustand der Atmosphäre in nungen, aus denen sich Begründungen für
urbanen Bereichen, bei dem sich möglichst stadtklimatische Zielvorstellungen ableiten
keine anthropogen erzeugten Schadstoffe in lassen:
der Luft befinden und den Stadtbewohnern in
Gehnähe (charakteristische Länge: ca. ♦ Bundesraumordnungsgesetz (ROG 1989)
150 m) eine möglichst große Vielfalt an At- ♦ Bundes-Naturschutzgesetz (BNatschG
mosphärenzuständen (Vielfalt der urbanen 1986)
Mikroklimate) unter Vermeidung von Extremen ♦ Bundes-Waldgesetz (BWaldG 1975)
geboten wird." ♦ Umweltverträglichkeitsgesetz (UVPG
1990)
Wichtige Schlagworte sind demnach: ♦ Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG
1990)
ƒ die räumliche und zeitliche Variabilität der ♦ Verwaltungsvorschrift "Technische Anlei-
Atmosphärenzustände tung zur Reinhaltung der Luft" (TA Luft
ƒ die Klimavielfalt auf kurzen Wegen 1986)
♦ Verordnung zu § 40 Abs. 2 BImSchG (23.
ƒ die Vermeidung von Extremen und BImSchV, 1996)
ƒ die Vermeidung von Schadstoffemissionen ♦ Landesplanungs-, Raumordnungs- und
Bauordnungsgesetze auf Länderebene
Während die räumliche und zeitliche Variabili- Einschränkend ist zu sagen, dass in den ge-
tät der Atmosphärenzustände vom Witterungs- nannten Gesetzestexten allgemeine Formulie-
verlauf abhängt und vom Menschen daher rungen dominieren und nur selten konkrete
nicht zu beeinflussen ist, können die übrigen Angaben zu finden sind, wie die Sicherung
drei Bereiche im Rahmen einer umweltverträg- klimatisch-lufthygienisch relevanter Flächen in
lichen Bauleitplanung gesteuert werden. der Planung zu erfolgen hat. Dies zeigt sich
auch in dem Fehlen von Fachausdrücken für
Wichtigstes Regelwerk für die städtebauliche solche Flächen. Eine Ausnahme bildet das
Planung ist das Baugesetzbuch (BauGB Bundes-Waldgesetz, das mit der Bezeichnung
1987), das gleich in § 1 das Prinzip der pla- "Klima- bzw. Immissionsschutzwald" die Ver-
nerischen Vorsorge hervorhebt. Folgende bindung zu den Schutzfaktoren Klima/Luft
Grundsätze sollen unter anderem bei einer explizit herausstellt.
geordneten städtebaulichen Entwicklung ge- Die Sicherung klimatisch-lufthygienisch be-
wahrt bleiben (BauGB, 31. Aufl. 2000): deutsamer Flächen kann daher meist nur indi-
rekt erfolgen und zwar über die Ausweisung
von Nutzungen, die mit diesen Funktionen
vereinbar sind.

Stadtklima Aachen 33
In den folgenden Tabellen sind Maßnahmen chenden Rechtsgrundlagen auf der Ebene der
zur Umsetzung klimatischer und lufthygieni- Flächennutzungsplanung und der Bebauungs-
scher Zielvorstellungen sowie die entspre- planung zusammengestellt.

Maßnahmen auf der Ebene der Rechtsgrundlage


Flächennutzungsplanung
Anordnung der Baugebiete nach ihrer verträg- § 49 Abs. 1 und 2 und § 50 BImSchG
lichsten Nutzung § 5 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 6 BauGB
Erhaltung und Ausbau von innerstädtischen und § 1 Abs. 12 BwaldG
stadtnahen Freiflächen mit dem Ziel ihrer Ver- § 8a BnatSchG
netzung
§ 5 Abs. 2 Nr. 5, 7, 9 und 10 BauGB
Sicherung zusammenhängender Vegetations- § 1 Abs. 12 BwaldG
flächen als Grünzäsuren zwischen Stadtteilen § 8a BnatSchG
Freihalten von Luftleitbahnen sowie von Hang- § 49 Abs. 1 und 2 BimSchG
lagen von Strömungshindernissen und Emitten- § 5 Abs. 2 Nr. 5, 6, 8, 9 und 10 BauGB
ten
Verträgliche Linienführung und Gestaltung von § 5 Abs. 2 Nr. 3 und 6 BauGB
Verkehrsstraßen Verordnung zu § 40 Abs. 2 BimSchG
Reduzierung des motorisierten Individualver- § 5 Abs. 2 Nr. 3 und 6 BauGB
kehrs bei gleichzeitiger Förderung umwelt- Verordnung zu § 40 Abs. 2 BimSchG
freundlicher Verkehrsmittel
Förderung umweltfreundlicher Energieversor- § 5 Abs. 2 Nr. 4 BauGB
gung

Maßnahmen auf der Ebene der Rechtsgrundlagen


Bebauungsplanung
Verringerung der Oberflächenversiegelung § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB
§§ 1, 16, 17 und 19 BauNVO
Sinnvolle Anordnung und Dimensionierung der § 9 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 10 und 22 BauGB
Gebäude §§ 1, 16, 17 und 22 BauNVO
Gute Durchgrünung der Baugebiete; Pflanz- § 9 Abs. 1 Nr. 4, 10, 15, 16, 18, 20, 24 und
zwang und Pflanzbindung; Förderung der Re- 25 BauGB
genwasserversickerung § 12 Abs. 4 BauNVO
Dach- und Fassadenbegrünung § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB
Ausweisung von Immissionsschutzstreifen § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB
Festsetzung von Verbrennungsverboten für § 9 Abs. 1 Nr. 23 und 24 BauGB
emissionsintensive Heizenergien
Festsetzung energiesparender Bauweisen für § 9 Abs, 1 Nr. 23 und 24 BauGB
Neubauten

34 Stadtklima Aachen
Entsprechend dieser Zielvorstellungen könnte Die Städtebauliche Klimafibel (Wirtschaftsmi-
die stadtklimatisch ideale Stadt stark verein- nisterium Baden-Württemberg, 1998) gibt in
facht in etwa so aussehen, wie sie in unten Hinblick auf den planerischen Handlungsbe-
stehender Abbildung skizziert ist. Die ideale darf folgende Ziele klimagerechter Planung
Stadt weist radial angeordnete Grünzüge auf, an:
die ein Zuströmen von Kalt- und Frischluft aus
dem Umland bis ins Stadtzentrum sowohl bei ƒ Verbesserung der Aufenthaltsbedingungen
der Hauptwindrichtung als auch während bzgl. des Behaglichkeitsklimas / Bioklimas
schwachwindiger Wetterlagen mit Windrich-
ƒ Verbesserung der Siedlungsdurchlüftung
tungen aus anderen Sektoren ermöglichen.
Diese Vorgaben sind in Aachen zum großen ƒ Förderung der Frischluftzufuhr durch loka-
Teil erfüllt. Täler, die als Luftleitbahnen die- le Windsysteme
nen, sind in der Idealstadt frei von Hindernis- ƒ Verminderung der Freisetzung von Luft-
sen und Querriegeln. Die Industrie ist dort schadstoffen und Treibhausgasen
angesiedelt, wo sie weder im Einflußbereich
der Hauptwindrichtungen noch im Einflußbe- ƒ Ermittlung und sachgerechte Bewertung
reich der bei austauscharmen Inversionswet- vorhandener oder zu erwartender Belas-
terlagen auftretenden Windrichtungen liegt. tungen
ƒ Sachgerechte Reaktion auf Belastungssi-
tuationen durch Anpassung von Nut-
zungskonzepten

Idealstadt aus klimatisch-lufthygienischer Sicht.

Stadtklima Aachen 35
Allgemeine Planungsempfehlun- Für den Südrand des Talkessels ein-
gen schließlich des Südteils der Innenstadt ist die
klimatisch-lufthygienische Situation eng mit
der Belüftungswirkung der Bachtäler verbun-
Für das Stadtgebiet von Aachen lassen sich den. Im Vordergrund stehen hier insgesamt
auf der Grundlage der Reliefverhältnisse, der Empfehlungen, die auf eine nachhaltige Si-
räumlichen Verteilung der Flächennutzungen, cherung und Stärkung der entsprechenden
der allgemeinen Merkmale der Immissionssi- Belüftungsfunktionen abzielen.
tuation sowie der klimatischen Funktionen
allgemeine Planungsempfehlungen ableiten.
Im Stadtteil Burtscheid ist der Kurbereich mit
dessen besonderen Anforderungen und dem
Grundsätzlich sind im Stadtgebiet in bezug auf
hohen Stellenwert des Kurbetriebs für die Stadt
den Luftaustausch und die klimatischen Ver-
von besonderer Bedeutung. Hier gelten spe-
hältnisse drei Hauptbereiche zu unterschei-
zielle Grenzwerte im Bereich der Luftreinhal-
den:
tung. Innerhalb Burtscheids ist eine mäßige
Belüftungs- und Immissionssituation festzustel-
♦ Bereiche mit tendenziell besonders un- len. Die Hauptemittenten sind hier Verkehr
günstigen Luftaustauschverhältnissen (Aa- und Hausbrand. Allgemeine Planungsempfeh-
chener Kessel und die markanten Tallagen lungen beziehen sich in erster Linie auf eine
v.a. innerhalb des Einzugsgebiets der Inde Verbesserung der Emissionssituation und auf
und des Senserbachs). Hier ist generell ei- den Erhalt bzw. eine Verbesserung der Belüf-
ne Verbesserung der Immissionssituation tung durch Kaltluftabflüsse. Für Burtscheid ist
und eine Sicherung der Belüftungsfunktio- wegen des hochrangigen Schutzstatus trotz
nen vordringlich. der allgemein nur mäßigen lufthygienischen
Belastung weiterer Untersuchungsbedarf zu
♦ Bereiche mit tendenziell besonders günsti- sehen.
gen Luftaustauschverhältnissen (v.a. die
höher gelegenen Flächen in den Stadttei- Im Bereich Forst, Driescher Hof und Ei-
len Richterich und Laurensberg). In diesen lendorf-Süd ist aufgrund der überwiegend
Gebieten ist derzeit allgemein kein Hand- relativ geringen Bebauungsdichte in Kombina-
lungsbedarf zu sehen, allerdings liegen tion mit der Kuppenlage davon auszugehen,
hier übergeordnete, großräumige Belüf- dass klimatisch-lufthygienische Problemfälle
tungsfunktionen vor, deren Erhalt langfris- auf einige Bereiche - insbesondere in Zusam-
tig gesichert werden sollte. menhang mit verkehrlichen bzw. gewerblichen
Emittenten - beschränkt sind. Da in der direk-
♦ Bereiche mit kleinräumig sehr variablem, ten Umgebung wichtige Belüftungsfunktionen
überwiegend aber mäßigem Luftaustausch vorliegen (Beverbachtal, Rödgerbachtal,
(übrige Gebiete). Hier liegen komplexe Haarbachtal), ist eine Ausweitung des Baube-
klimatische Funktionen vor, deren pla- stands überwiegend nicht zu empfehlen. Ge-
nungsbezogene Bewertung im einzelnen genwärtig nicht bebaute größere Frei- bzw.
sehr unterschiedlich ausfällt. Brachflächen, sollten insbesondere dann gesi-
chert werden, wenn sie Verbindung zum Au-
Für die folgenden Teilgebiete der Stadt lassen ßenbereich bzw. untereinander haben oder
sich gebietsbezogen weitere allgemeine Pla- wenn solche Verbindungen hergestellt werden
nungsempfehlungen ableiten. könnten (z.B. als in die Bebauung gerichtete
Freiflächenzüge). Diese Freiflächen können
geeignet sein, langfristig notwendige Belüf-
tungsfunktionen zu übernehmen, insbesondere
dann, wenn der Baubestand verdichtet werden
soll.

36 Stadtklima Aachen
Im Ortsteil Brand liegt grundsätzlich eine Auch in den tieferen Ortslagen von Lau-
ähnliche Situation vor, wobei der etwas stär- rensberg und im Bereich Süsterfeld ist
ker exponierten und daher für die Belüftung wegen der nahezu ebenen Tallage von ten-
günstigen Kuppenlage bereits schon heute denziell ungünstigerem Luftaustausch auszu-
eine größere und flächenhaftere Ausdehnung gehen (Kaltluftsammelgebiet Soers). Bei einer
der Bebauung gegenüber steht. Hier konzent- Lage im Luv der Stadt ist die Situation hier
rieren sich die klimatisch-lufthygienischen allerdings weniger problematisch. Generell
Probleme auf die verkehrliche Situation (Trie- sollten hier zusätzliche Emissionen vermieden
rer Straße, Freunder Landstraße) und eine werden. In einigen Bereichen besteht aller-
mögliche Ausdehnung der Bebauung (Erhalt dings Handlungsbedarf. Insbesondere in den
der Belüftungsfunktion des Indetals und des tieferen Lagen des Wildbachtals sollte die
Einzugsgebiets des Haarbachtals östlich von Wirkung von Kaltluftabflüssen aus dem obe-
Brand). ren Wildbachtal erhalten werden.

Für die Ortsteile Eilendorf und Rothe Erde In den zentralen und östlichen Teilen der In-
sowie für das Ostviertel und das Gewerbe- nenstadt stehen den verschiedenen hoch-
gebiet Hüls können wegen der uneinheitli- rangigen und zudem konkurrierenden Nut-
chen Nutzungs- und Bebauungsstruktur und zungsanprüchen (Gewerbe, Einkaufen, Woh-
wegen der räumlich stark differenzierten Belüf- nen, Verkehr) ungünstige Belüftungsverhältnis-
tungsfunktionen nur wenige allgemeine Emp- se gegenüber. Das Gebiet ist durch die Ver-
fehlungen gegeben werden. Angesichts der kehrsbelastung hohen Immissionen ausge-
Lage innerhalb des Aachener Kessels und setzt, während spezielle positive Belüftungswir-
zusätzlich teilweise im Lee der Innenstadt (be- kungen vom südlichen und westlichen Stadt-
zogen auf die Hauptwindrichtung) ist von all- rand aus nicht bis hierher reichen. Hier sollte
gemein ungünstigen Luftaustauschverhältnis- unbedingt eine Reduzierung der Emissionen,
sen auszugehen, so dass hier Maßnahmen zur insbesondere an den Brennpunkten, aber
Emissionsminderung und zum Erhalt vorhan- auch im Gebiet insgesamt, angestrebt wer-
dener Belüftungsfunktionen im Vordergrund den. Jede weitere Verschlechterung der Belüf-
stehen sollten. tungssituation, etwa durch bauliche Verdich-
tung, muß vermieden werden. Die wenigen
Für die Stadtbereiche, die in bezug auf die verbliebenen innerstädtischen Grünflächen
Hauptwindrichtung voll im Lee der Innenstadt sind planungsrechtlich zu sichern.
und innerhalb des Kaltluftsammelgebiets So-
ers liegen und die wegen der gewerblichen In fast allen Außenbezirken stellt sich die
Nutzung und des hohen Verkehrsaufkommens Situation bei allgemein guten Luftaustausch-
zusätzlich ein hohes Emissionspotential auf- verhältnissen und überwiegend geringer Emis-
weisen (Grüner Weg, Jülicher Straße, sionsdichte deutlich günstiger dar. Im Vorder-
Haaren), sollte eine Absenkung des Emissi- grund der Maßnahmen steht hier allgemein,
onsniveaus und der Erhalt vorhandene Belüf- dass Siedlungserweiterungen nicht in die Kalt-
tungsfunktionen im Vordergrund stehen. Der- lufteinzugsgebiete hinein erfolgen sollen. Hier
zeit noch vorhandene Freiflächen mit nach- ist zudem zu beachten, dass die großen zu-
gewiesenen bzw. vermuteten Belüftungsfunkti- sammenhängenden Freiflächenzüge in der
onen (u.a. entlang der natürlichen Tal-ansätze Substanz zu erhalten sind. Nur im Kernbereich
von Haarbach und Wurm bzw. entlang des von Kornelimünster sind aufgrund der Tallage
Grünen Wegs) sind planungsrechtlich zu si- (relative hohe Verkehrsbelastung im Kaltluft-
chern. Innerhalb und in der Umgebung der einzugsgebiet) zeitweise lufthygienische Prob-
Wohngebiete sollte zunächst keine weitere leme zu erwarten.
bauliche Verdichtung vorgenommen werden,
in den vorhandenen Gewerbegebieten sollte
eine Nachverdichtung zurückhaltend gehand-
habt werden.

Stadtklima Aachen 37
Karte der Planungsempfehlungen Für den Lastraum des hochverdichteten
Innenstadtbereichs (rote Signatur) steht
eine Verringerung der Emissionen, insbeson-
Die Karte der Planungsempfehlungen setzt die dere der verkehrsbedingten Emissionen im
flächendeckenden Aussagen der Klimafunk- Vordergrund der Empfehlungen. Hierzu gehört
tionskarte in Handlungsempfehlungen um. z. B. die Förderung und Schaffung von Vor-
Die Empfehlungen basieren auf dem in der rangflächen für den ÖPNV, eine intelligente
Klimafunktionskarte dargestellten Gefüge von Radwegeplanung sowie Maßnahmen der Ver-
klimarelevanten städtischen Nutzungen und kehrslenkung bis hin zu Verkehrssperrungen
speziellen klimatischen Funktionen. und der Anlage von Pförtneranlagen. Der
Erhalt und Ausbau von Grün- und Freiflächen,
insbesondere wenn diese Belüftungsfunktionen
Flächenbezogene Planungsempfehlungen übernehmen, sowie eine Erhöhung des Vege-
tationsanteils, sind ebenfalls von besonderer
Für den Ausgleichsraum der Freiflä- Bedeutung. Von weiteren Versiegelungsmaß-
chen (hellblaue Signatur) wird empfohlen, nahmen ist abzusehen.
deren kleinräumige Wechselwirkung mit be-
bauten Arealen am Siedlungsrand zu erhalten In den Lasträumen der Gewerbe- und
und die möglicherweise vorhandenen über- Industriegebiete (rotbraune Signatur) lie-
geordneten Belüftungsfunktionen entlang grö- gen vor allem innerhalb des Aachener Kessels
ßerer Freiflächenzüge nicht zu gefährden. hohe lufthygienische und klimatische Belas-
tungen vor. Dementsprechend sind hier Maß-
Der Ausgleichsraum der offenen nahmen wie das Freihalten von Belüftungs-
Grün- und Parkflächen (hellgrüne Signa- bahnen, die Entsiegelung und Begrünung von
tur) sollte wegen der wichtigen Ausgleichs- Freiflächen, der Aufbau von Gehölzstrukturen
funktionen für den Siedlungsraum in der Regel sowie die Reduzierung verkehrsbedingter E-
unbedingt erhalten bleiben. Örtlich können missionen vordringlich. Bei Nachverdichtun-
wegen Konflikten mit anderen Klimafunktio- gen ist hier besondere Vorsicht geboten. Bei
nen Veränderungen an den Gehölzstrukturen den wenig intensiv genutzten gewerblichen
erforderlich sein. Flächen im Stadtrandbereich sind Nachver-
dichtungen dagegen weniger kritisch, insbe-
Der Ausgleichsraum Wald (dunkelgrüne sondere dann wenn keine Konflikte mit ande-
Signatur) ist grundsätzlich zu erhalten, wenn ren klimatischen Funktionen auftreten.
nicht - im Sinne einer Vernetzung - auszudeh-
nen.

Für den Lastraum der Wohnsiedlungs-


gebiete (hellgelbe Signatur) ist überwiegend
kein akuter Handlungsbedarf zu sehen. Bei
baulichen Veränderungen ist jedoch auf den
Erhalt der Belüftungsfunktionen zu achten.

Für den Lastraum des verdichteten


Stadtbereichs (dunkelgelbe Signatur) sind
oftmals Verbesserungen der Situation anzu-
streben. Hierzu gehört vor allem eine Erhö-
hung des Vegetationsanteils (Baumpflanzun-
gen, Dach- und Fassadenbegrünung), die Innerstädtische Grünflächen wie hier der Elisengar-
durch Maßnahmen der Blockinnenhofentker- ten tragen wesentlich zu einer lokalen Verbesse-
nung, -entsiegelung und –begrünung in Ver- rung des städtischen Klimas bei.
bindung mit einer Öffnung der Blockinnenhö- Planungsempfehlungen bezogen auf spezielle
fe begleitet werden sollte. Eine Reduktion der Klimafunktionen
Emissionen ist vorzusehen.

38 Stadtklima Aachen
Gesamtstädtisches Klimagutachten
Aachen
Lufthygiene

Herausgeber: Stadt Aachen, Fachbereich Umwelt, Bearbeitung und Layout: Lehr-und Forschungsgebiet
Abteilung Luftreinhaltung, Energie Physische Geographie
und Immissionsschutz RWTH Aachen
Aachen, 2000 52056 Aachen

RHEINISCH-
WESTFÄLISCHE
TECHNISCHE
HOCHSCHULE

AACHEN

Räumliche Verteilung von Schadstoffen im Stadtgebiet


am Beispiel der CO-Emissionen und -Immissionen
hohe Emissionen hohe Emissionen und
( = 75 %-Perzentil) hohe Immissionen
hohe Immissionen
( = 75 %-Perzentil)
Zur Erläuterung: “75 %-Perzentil” bedeutet, daß die dargestellten Flächen zu den
25 % (43 von 130) der Rasterflächen mit den jeweils höchsten Werten gehören. N
0 1 2 3 4 km
Stadtgrenze
Die folgenden Empfehlungen sind darauf sionen weiter verringert werden (Gewerbege-
ausgerichtet, die Kaltluftentstehung in ausrei- biet Jülicher Straße und Rothe Erde).
chendem Maße zu gewährleisten und die
Voraussetzungen für eine möglichst wirkungs- Die räumliche Verteilung von Schadstoffen im
volle Belüftungsfunktion durch Kaltluftabflüsse Stadtgebiet von Aachen ist in der folgenden
zu erhalten: Übersichtskarte am Beispiel des Schadstoffpa-
rameters Kohlenmonoxid (CO) dargestellt.
♦ Speziell in den Kaltluftentstehungs- und Die Schadstoffverteilung wurde für 1 km-
abflußgebieten mit besonderer Bedeutung Rasterflächen berechnet und bezieht sich auf
für den Luftaustausch (wie z. B. die Frisch- die mittlere Schadstoffbelastung im Untersu-
luftschneise zwischen Eilendorf und Brand chungsjahr.
u. a.) sollte jede weitere Inanspruchnahme
von Flächen unterbleiben. Hier sollten ƒ Bei Rasterflächen mit einer Überschreitung
auch die im Freiraum vorhandenen iso- nur bei den Emissionen kann davon aus-
lierten Siedlungsansätze begrenzt, vor- gegangen werden, dass das Immissionsni-
handene Bebauungsgrenzen äußerst strikt veau wegen einer günstigen Belüftungssi-
eingehalten und Wald- und Freiflächen tuation und eines Abtransports von Schad-
stärker miteinander verzahnt werden. stoffen verhältnismäßig gering bleibt.
ƒ Wird der Wert nur bei den Immissionen
♦ Die bedeutsamen Kaltluftabflußbahnen überschritten, ist eine generell relativ un-
(größere Bachtäler) sind von allen Arten günstige Belüftungssituation oder sogar
von Hindernissen freizuhalten und ihr ein Schadstoffeintrag anzunehmen.
Querschnitt durch strenges Einhalten der ƒ Liegt eine Überschreitung sowohl bei Im-
bestehenden Bebauungsgrenzen zu si- missionen als auch bei Emissionen vor,
chern. Dort, wo die Kaltluftabflußbahnen kann zumindest festgestellt werden, dass
in den Siedlungsbereich einmünden, sind im betreffenden Gebiet hohe Schadstoff-
örtlich Maßnahmen zur Minimierung ne- konzentrationen auch mit hohem Schad-
gativer Auswirkungen der Bebauung auf stoffausstoß einhergehen.
die Kaltluftströme erforderlich.

Die Planungsempfehlungen für die Luftqualität Die sonstigen Empfehlungen zielen auf die
zielen darauf ab, die lufthygienischen Belas- Berücksichtigung der besonderen Anforderun-
tungen zu reduzieren. Auf das in der Karte der gen an Kurgebiete ab, wobei wiederum eine
Planungsempfehlungen ausgewiesene Gebiet Sicherung vorhandener Belüftungsfunktionen
mit flächenhaft hohem Emissionsaufkommen bei Reduzierung der Emissionen im Vorder-
(nördliche Innenstadt, teilweise das Ostviertel grund stehen sollte. In anderen Bereichen des
sowie das Gewerbegebiet Jülicher Str. bis Stadtgebietes liegen Windverhältnisse mit
Haaren) sollten Emissionsminderungsmaß- hohen Windgeschwindigkeiten wie z. B. Zug-
nahmen konzentriert werden. Für das sich mit erscheinungen und Windverwirbelungen vor,
letztgenanntem teilweise überschneidende die im Hinblick auf eine erwünschte hohe
Gebiet mit flächenhaft ungünstigem Luftaus- Aufenthaltsqualität problematisch sein kön-
tausch (Teilflächen des Niederungsgebietes nen.
Soers) wird zudem dringend der Erhalt von Insgesamt ist deutlich erkennbar, dass vor
noch vorhandenen Freiflächen empfohlen. allem im lufthygienisch höher belasteten Tal-
Die verkehrlichen Emissionen sind insbeson- kesselbereich Emissionsminderungsmaßnah-
dere in den als besonders belastet ausgewie- men notwendig sind.
senen Straßenabschnitten (rote Liniensignatur)
zu reduzieren. Dringender Handlungsbedarf in
bezug auf Verkehrsemissionen ist ferner in den
Bereichen zu sehen, in denen Kaltluftströme Spezielle Planungshinweise für
mit konzentrierten Emissionen in Kontakt Einzelvorhaben
kommen (Boxgraben, Junkerstr., Von-Coels- Von den insgesamt 17 ausgewählten und
Str.). In einigen wenigen Ortsbereichen sollten untersuchten Teilflächen im Stadtgebiet Aa-
punkthafte gewerbliche oder industrielle Emis-

Stadtklima Aachen 39
chen, für die angesichts eines erhöhten Pla-
nungsdrucks detaillierte Planungsempfehlun-
gen erarbeitet wurden, werden hier beispiel-
haft zwei Gebiete vorgestellt.

Sonderuntersuchungsgebiet Kalkofen

Das Gebiet befindet sich nordöstlich des Eu- Gut Kalkofen ist eine sehr bedeutende Kalt-
ropaplatzes und wird begrenzt im Südosten luftentstehungsfläche innerhalb des Aachener
von der Autobahn A 544, im Nordosten vom Kessels. Der Bereich ist von größeren Gewer-
Madrider Ring und im Nordwesten von der begebieten entlang von Jülicher Straße im
Wurm. Nähere Informationen über mögliche Nordwesten und Breslauer Straße im Südosten
bauliche Maßnahmen liegen nicht vor. Es umgeben und nimmt von daher eine sehr
handelt sich um eine Fläche von insgesamt wichtige – thermische, aber auch lufthygieni-
ca. 50 ha. sche – Ausgleichsfunktion wahr. Im Falle einer
Bebauung würde diese Ausgleichsfunktion
entfallen. Die Folge wäre eine sehr erhebliche
Verschlechterung des Lokalklimas östlich der
Innenstadt sowohl in thermischer als auch in
lufthygienischer Hinsicht. Außerdem würden
Belüftungsfunktionen für das Gewerbegebiet
Jülicher Straße und den Ortsteil Haaren weg-
fallen. Aus diesen Gründen sind jegliche bau-
liche Maßnahmen mit sehr großem Nach-
druck abzulehnen.

Lageskizze für das Sonderuntersuchungsgebiet


Kalkofen

Gut Kalkofen

40 Stadtklima Aachen
Sonderuntersuchungsgebiet Gemmenicher
Weg

In der nordwestlichen Fortsetzung des Wohn-


gebietes Hanbruch ist parallel zu der auf ei-
nem Damm geführten Güterbahnstrecke Aa-
chen-West – Montzen ein ca. 5 ha großes
Areal als Wohnsiedlungsgebiet vorgesehen
und teilweise schon bebaut. Das Gelände ist
vergleichsweise stark in nordöstlicher Richtung
geneigt und wird wegen der leichten Hohlform
auch als Gemmenicher Talmulde bezeichnet.
Lageskizze für das Sonderuntersuchungsgebiet
Der topographischen Lage entsprechend Gemmenicher Weg.
kommt es im geplanten Bebauungsgebiet, wie
auch westlich des Bahndammes zu bedeuten-
den Kaltluftabflüssen, teilweise auch - durch
Überströmen des Bahndamms - aus dem
Dorbachtal. Diese Kaltluft strömt in Richtung
Vaalser Straße und trägt wesentlich zur Belüf-
tung dieses Bereichs bis an den Westpark bei.
Die Kaltluftströmung in diesem lokalklimatisch
sensiblen Bereich hat also nicht unerhebliche
Fernwirkung für den Westparkbereich und
möglicherweise für die westliche Innenstadt.
Die vorgesehene Baumaßnahme ist aus kli-
matologischer Sicht von daher nachdrücklich
abzulehnen.

Gemmenicher Talmulde

Stadtklima Aachen 41
Weiterführende Literatur

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42 Stadtklima Aachen

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