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Merkblatt

6-18

b
Ausgabe: 02.2019/D

thermographie, 6valuation des bätiments, planning, execution, mesure, contröle de qualite, assurance de qua
seil en 6nergie

Erläuterungen zum Merkblatt


Dieses Merkblatt befasst sich mit bauphysikalischen Aspekten sowie messtechnischen Grundlagen der Infrarotthermogr
Bestandsgebäuden. Anforderungen an die Planung, Durchführung und Qualitätssicherung von thermografischen Die:
‚gen an Bestandsgebäuden gehören ebenfalls zum Umfang dieses Merkblattes.

Einleitung

Strahlungsul
Wärme und
Gerätetechnik

Messablauf
Vorbereitung der M
Durchführung der
Auswertung der Theı
Durchführung der
Bewertung des Wäl
Detektion von Bauteilf
Nachweis von (Luft)

Dokumentation, Gut

Vertrieb: WTA Publications, Tel. +49-89-578 697 27, Fax +49-89-578 697 29, email: wta@wta.de

Fraunhofer IRB „Verlag


Merkblatt 6-18 Ausgabe: 02.2019/D

Bauthermografie im Bestand
Deutsche Fassung vom Februar 2019

Referat 6 Bauphysik

Leiter des Referates


Gregor Scheffler

Leiter der Arbeitsgruppe


Benjamin Standecker

Mitglieder der Arbeitsgruppe


Wolfgang Böttcher Michael Pils
Christoph Dauberschmidt Holger Rieck
Karsten Grevsmähl Eugen Schneider
Ronald Hutterer Benjamin Standecker
Herbert Kratzel Ralf Zimmer

Erarbeitung des Merkblattes


Beginn der Arbeiten: März 2012
Ende der Arbeiten: August 2017
Merkblattentwurf: Januar 2018
Endgültige Fassung: Februar 2019

ISBN 978-3-7388-0292-4

WTA-Merkblätter

Herausgeber
WTA, Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e.V.

Schriftleitung
Clemens Hecht, Tobias Steiner

Vertrieb
WTA Publications
Tel. +49-89-578 697 27, Fax +49-89-578 697 29, email: wia@wta.de

Die Angaben in diesem Merkblatt stützen sich auf den derzeitigen Stand unserer Kenntnisse. Die WTA e.V. kann jedoch keinerlei
Haftung übernehmen. Vorschläge oder Einwände, die gegebenenfalls bei einer Neuauflage berücksichtigt werden können, sind
an die Geschäftsstelle der WTA e.V. zu richten.
Bei Streitfällen ist die deutsche Fassung gültig.
Den auftragvergebenden Architekten, Denkmalpflegeämtern und den staatlichen, kommunalen und kirchlichen Bauämtern wird
nahegelegt, auf dieses und die weiteren Merkblätter der WTA zum Bautenschutz und zur Bauwerksinstandsetzung in Ausschrei-
bungen und Aufträgen Bezug zu nehmen und deren Kenntnisnahme allen Auftragnehmern zur Auflage zu machen.
Fraunhofer IRB Verlag, 2019
Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau IRB
Postfach 80 04 69, D-70504 Stuttgart
Telefon (07 11) 9 70-25 00
Telefax (07 11) 9 70-25 99
E-Mail: irb@irb.fraunhofer.de
http://www.baufachinformation.de
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Kurzfassung
Dieses Merkblatt erläutert das Messverfahren der Infrarotthermografie und stellt Untersuchungs- und
Visualisierungsmethoden zur Analyse verschiedener bauphysikalischer Prozesse (Wärmebrücken, Feuch-
tigkeit, Schimmelpilzbildung, Luftdichtheit etc.) im Bestand vor. Die Leistungsfähigkeit der Untersuchungs-
methode wird beschrieben. Dabei wird insbesondere auf Mindestanforderungen an die Messtechnik sowie
die notwendigen Umgebungsbedingungen für ein aussagekräftiges Ergebnis eingegangen.
Deskriptoren: Thermografie, Thermographie, Bestandsanalyse, Planung, Ausführung, Messung, Qualitätsüberprüfung, baubeglei-
tende Qualitätssicherung, Energieberatung

Abstract
This Recommendation explains the infrared thermography measuring technique, and presents investiga-
tion and visualization methods for the analysis of various building physical processes in buildings (thermal
bridges, moisture, mold growth, air tightness e.a.). The performance level of the method is discussed,
focusing on the minimal performance requirements for the measuring technique as well as on the neces-
sary environmental conditions needed to obtain a reliable result.
Key Words: thermography, building assessment, planning, execution, measurement, quality control, quality assurance, energy con-
sultancy

Resume
La Recommandation explique la technique de mesure par thermographie infrarouge. Les methodes d’eva-
Iuation et de visualisation pour l’analyse de differents processus de physique du bätiment sont presentes
(ponts thermiques, humidite, moisissures, etancheite ä l’air etc.). Le niveau de performance de Ia methode
est discute, avec accent sur la performance minimale que la technique doit fournir ainsi que sur les condi-
tions environnementales necessaires pour garantir un resultat fiable.
Mots-Cl6s: thermographie, &valuation des bätiments, planning, ex&cution, mesure, contröle de qualite, assurance de qualit6, conseil
en 6nergie
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1 Einleitung fläche eines Gebäudes gibt, existieren für beste-


hende Gebäude nur wenige, oft nicht umfassen-
Keine physikalische Messmethode beschreibt de Richtlinien, welche Anforderungen an eine
medial besser das Brennpunktthema „Energie- fachgerechte Gebäudethermografie im Bestand
einsparung“ als die Gebäudethermografie. Nahe- dokumentieren.
zu täglich werden in den Medien durch Thermo-
gramme bauphysikalische Probleme, wie z. B. Das vorliegende Merkblatt soll diese Lücke
Schimmelpilzbefall in Gebäuden oder zu hohe schließen und Anwendern, Planern sowie Bau-
Energieverbräuche anhand von Wärmebildern herren gleichermaßen einen Handlungsleitfaden
dargestellt. Während es für den Neubau klar defi- an die Hand geben, mit dem bauphysikalische
nierte Anforderungen an die Bewertung von Stö- Bewertungen fachgerecht durchgeführt werden
rungen der wärmeübertragenden Umfassungs- können.

2 Definitionen und Begriffsbestimmungen


Absolute Luftfeuchte Massebezogener Anteil des Wasserdampfs im Gasgemisch Luft, gemessen
in g Wasser pro Kubikmeter Luft
aktiv / passiv aktiv = mit externer Anregungsquelle (z. B. Baustoffprüfung)
passiv = ohne externe Anregungsquelle (z. B. klassische Wärmebrücken-
thermografie)
Differenzdruckverfahren Messmethode zur Überprüfung der Luftdurchlässigkeit der wärmeübertra-
genden Umfassungsfläche eines Gebäudes oder Gebäudeteils (Luftdicht-
heitsprüfung)
Diffusion Konzentrationsausgleich von Flüssigkeiten oder Gasen, der ohne äußere
Einflüsse stattfindet
Emissionsgrad Anteil der abgegebenen Strahlung eines Körpers im Vergleich zu einem
Idealen Körper (Schwarzer Körper: Emissionsgrad = 100 %)
Geometrische Auflösung Maß für die kleinstmöglich aufzulösende Messfläche durch das Mess-
system
Konvektion Wärmeübertragungsmechanismus durch strömungsgebundenen Energie-
transport in Fluiden und Gasen
Leckage Volumenstrom eines Mediums, der eine Leckstelle (Luftdichtheitsebene,
Rohrleitung, etc.) durchdringt
Leckeintritts-/ austrittsstelle lokaler Bereich an der Bauteiloberfläche der wärmeübertragenden Umfas-
sungsfläche, in dem Außen- oder Raumluft in die Gebäudehülle eindringt
und über Leckagepfade zur Leckstelle führt
Leckstelle lokaler Bereich in der wärmeübertragenden Umfassungsfläche, in dem die
Luftdichtheitsebene unterbrochen ist
Level und Span Einstellungmöglichkeiten der Temperaturskala (Niveau und Spreizung)
Luftdichtheitsebene Ebene in der wärmeübertragenen Umfassungsfläche mit der Aufgabe der
Trennung der Raumluft von der Baukonstruktion (z. B. der Dämmebene)
Mindestwärmeschutz Mindestanforderung an den Wärmeschutz der wärmeübertragenden Um-
fassungsfläche zur Sicherstellung eines hygienischen Raumklimas
Qualitative Messung Bewertung der Temperaturdifferenzen innerhalb eines Thermogramms un-
abhängig von Absoluttemperaturen
Quasistationärer Zustand Zustand eines Objekts, der sich einstellt, wenn die auf das Objekt einwirken-
den, zeitlich veränderlichen Einflussgrößen, im der Messung vorangegan-
genen Zeitraum weitgehend konstant sind und dadurch praktisch einem sta-
tionären Zustand nahekommen.
Reflexionsgrad Anteil der reflektierten Strahlung eines Körpers an der „scheinbar“ abgege-
benen Strahlung eines Körpers
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Relative Luftfeuchte Verhältnis des vorhandenen Wasserdampfs in der Luft im Vergleich zu dem
bei gleicher Temperatur maximal aufnehmbaren Wasserdampf
Spezifische Wärme- erforderliche Energie, die notwendig ist, um einen Stoff mit der Masse
kapazität 1 Kilogramm um die Temperatur 1 Kelvin zu erhöhen
Taupunkt Temperatur, die unterschritten werden muss, damit Kondensat entsteht
(Erreichen des Sättigungsdampfdrucks)
Thermische Auflösung Maß für die kleinstmöglich aufzulösende Temperaturdifferenz durch das
Messsystem
Thermografie Messung und bildliche Darstellung der temperaturabhängigen Wärmestrah-
lung eines Körpers
Transmissionsgrad Grad der Durchlässigkeit eines Mediums für elektromagnetische Strahlung
(z. B. Luft, Atmosphäre)
Verdunstungswärme erforderliche Energiemenge, um eine Flüssigkeit in ein Gas umzuwandeln
(Änderung des Aggregatszustandes)
Wärmebrücke lokal abgegrenzter Bereich in der wärmeübertragenden Gebäudehülle, über
den bei gleichen Umgebungsbedingungen ein höherer Wärmestrom auftritt,
als über das ungestörte Bauteil
Wärmedurchgangs- Kehrwert des Wärmedurchgangswiderstandes; wird auch als U-Wert be-
koeffizient zeichnet
Wärmedurchgangs- Wärmedurchlasswiderstand des Bauteils einschließlich der Wärmeüber-
widerstand gangswiderstände innen und außen
Wärmedurchlasswiderstand Widerstand, den ein Bauteil oder eine Bauteilschicht dem Wärmestrom zwi-
schen seinen Oberflächen entgegensetzt. Wird bezogen auf eine Tempera-
turdifferenz von 1 Kelvin auf eine Fläche von 1 m?.
Wärmeleitung Wärmefluss innerhalb eines Körpers oder ruhenden Fluids infolge eines
Temperaturunterschiedes. Wärmeleitung kann auch zwischen Körpern und
Fluiden durch direkten Kontakt erfolgen.
Wärmestrahlung Wärmemechanismus durch elektromagnetische Eigenstrahlung
Wärmestrom quantitative physikalische Größe zur Beschreibung der Wärmeübertragung
(übertragene Wärmemenge je Zeiteinheit)
Wärmeübergangswiderstand Widerstand, den eine Grenzschicht bzw. Oberfläche dem Wärmestrom ei-
nes Körpers an einem angrenzenden Medium (z. B. Luft) entgegensetzt

3 Abkürzungsverzeichnis
EnEV Energieeinsparverordnung — Verordnung über energiesparenden Wärme-
schutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (voraussichtlich
in Zukunft Gebäudeenergiegesetz - GEG)
frsı.Wert Temperaturfaktor zur Bewertung der Einhaltung des in DIN 4108 Teil 2
geforderten Mindestwärmeschutzes im Bereich von Bauteilanschlüssen
(Wärmebrücken)
FOV / IFOV Beschreibung der geometrischen Auflösung eines Messsystems

mrad Einheit zur Beschreibung des FOV / IFOV

°CIK physikalische Einheit zur Beschreibung der Temperatur / einer Temperatur-


differenz
VATh e.V. Bundesverband für angewandte Thermografie e.V.
VIS für das menschliche Auge sichtbarer Wellenlängenbereich
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4 Physikalische Grundlagen
4.1 Optische Gesetze Röntgen- und ultravioletten Strahlung über das
Das Spektrum der elektromagnetischen Strah- sichtbare Licht und die Infrarotstrahlung bis zu
Iung geht von der kurzwelligen Gammastrahlung, den langwelligen Mikro- und Radiowellen.

Elektromagnetisches Spektrum
Mikro- M
Gamma | Röntgen wellen Radiowellen

Sichtbares Licht + Infrarot-Spektrum

0,4 - 0,75 m 6-14 um >14 um


SW2-5um LW 8 - 12 um Wellenlänge A in m
Abb. 1: Elektromagnetisches Spektrum

Die in der Thermografie genutzte Wärmestrah- Körper, dessen Temperatur oberhalb des abso-
lung (thermisches Infrarot, IR) umfasst die Wel- luten Nullpunktes (0 Kelvin = -273 °C) liegt, gibt
lenlängen von 0,8 — 13 um. Die meisten IR- Wärmestrahlung ab. Die Verteilung dieser Strah-
Kameras messen entweder im Mittelwellenband lung über das elektromagnetische Spektrum ist
(MW = Mid Wave) von 2 — 5 um oder im Langwel- abhängig von der Temperatur des Körpers
lenband (LW = Long Wave) von 8 — 12 um. Jeder [Plank’-sches Strahlungsgesetz].

Spektrale Strahldichte
[WtT/m2yum]

012 34 56 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Wellenlänge [um]
Abb. 2: Plank’sches Strahlungsgesetz [Quelle: Dr. B. Schönbach]
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Die Temperatur des Körpers bestimmt die Ge- Eine Verdoppelung der Temperatur bedeutet so-
samtstrahlungsenergie über das elektromagne- mit die 16-fache Gesamtstrahlungsenergie. Die
tische Spektrum gemäß dem Stefan-Boltz- eher geringe Strahlungsenergie von Oberflächen
mann’schen Gesetz. Diese entspricht dem Inte- mit niedrigen Temperaturen, wie sie in der Bau-
gral, d.h. der Fläche unter der Plank’schen Kurve thermografie üblicherweise bestimmt werden, er-
[Formel 1]. fordert daher eine sehr empfindliche und genaue
Mit ansteigender Temperatur wächst die Messtechnik (siehe Punkt 5 Gerätetechnik).
Gesamtstrahlungsenergie in der vierten Potenz.

Spektrale Stahldichte
[Wi/m2yum]
180
160
140
120
100
80

60 EL ET
40 aufsummierte Strahlung
20 ET CN

01234 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Wellenlänge [um]

Abb. 3: Stefan Boltzmann’sches Gesamtstrahlungsgesetz [Quelle: Dr. B. Schönbach]

E =0+T* [Formel 1]

Die Temperatur des Körpers bestimmt weiterhin Auge genau in diesem Bereich die Strahlung als
die Wellenlänge mit der maximalen Ausstrah- sichtbares Licht wahrnimmt oder dass dieses
lung. Je höher die Temperatur des Körpers ist, Strahlungsmaximum von den grünen Pflanzen-
desto weiter verschiebt sich das Strahlungsmaxi- blättern für die Photosynthese genutzt wird.
mum Richtung kurzwelligem sichtbaren Licht
In der Bauthermografie mit Oberflächentempera-
[Wien’sches Verschiebungsgesetz, Formel 2].
turen von ca. -20 °C bis +20 °C liegt das Aus-
Die Sonne mit einer Oberflächentemperatur von strahlungsmaximum zwischen 8 um und 12 um.
ca. 5.500 °C hat ihr Strahlungsmaximum im grü- Dementsprechend werden in der Bauthermogra-
nen Spektrum (ca. 0,5 um) des sichtbaren Lichts. fie üblicherweise Langwellen-Kameras verwen-
Es ist also kein Zufall, dass das menschliche det.
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Spektrale Strahldichte
[Wi/m2yum]
180 SMg

]
160

E
140

ME . 0 ME
120

100

80

60
40
20
0
012 34 5 6 78 9 10 11 12 13 14 15 16
Wellenlänge [um]
Abb. 4: Wien’sches Verschiebungsgesetz [Quelle: Dr. B. Schönbach]

2 3000
[‚wn] [Formel 2]
mx * TPC]+273,15

4.2 Materialeigenschaften In der Summe ist die von einem Körper reflek-
tierte, absorbierte und transmittierte Strahlung
Trifft Strahlung auf einen Körper, so wird ein Teil gleich der auftreffenden Strahlung. Der Körper
davon an dessen Oberfläche reflektiert, ein Teil befindet sich im thermischen Gleichgewicht
im Inneren absorbiert und ein Teil zur gegenüber- („Energieerhaltungssatz“). Dies gilt unter der
liegenden Seite hindurchgelassen (transmittiert). Voraussetzung, dass im Körper selbst keine
Das Verhältnis dieser drei Wirkungsweisen zu- Wärmequelle ist.
einander ist abhängig von der Strahlungsart
(Wellenlänge) und dem Material des Körpers, auf
den sie trifft. Beispielsweise ist eine Glasscheibe
für das sichtbare Licht transparent, langwellige
IR-Strahlung wird jedoch nahezu vollständig ab-
sorbiert bzw. reflektiert. Neben dem Material bes-
timmt auch die Oberflächenbeschaffenheit des
Körpers das Reflexionsverhalten. Blank polier-
tes Eisen reflektiert IR-Strahlung, ist seine Ober-
fläche dagegen oxidiert, wird die Strahlung zum
großen Teil absorbiert. Glatte Oberflächen reflek-
tieren die Strahlung stärker als raue Oberflächen. Abb. 5: Strahlungsverhältnisse an einem realen Körper

Auch die Strahlungsrichtung spielt eine Rolle.


Da die Materialien in der Regel für IR-Strahlung
Trifft die Strahlung in einem flachen Winkel auf
undurchlässig sind, wird zur Vereinfachung der
die Oberfläche, so wird sie stärker reflektiert als
Transmissionsgrad vernachlässigt. Die auf den
bei einem spitzen bis rechten Winkel. Körper eintreffende IR-Strahlung kann folglich
nur reflektiert oder absorbiert werden. Der
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Absorptionsgrad beschreibt die Fähigkeit eines lien mit einem niedrigen Emissionsgrad empfiehlt
Materials, IR-Strahlung zu absorbieren. Der ver- sich die messtechnische Ermittlung, da sonst
bleibende Anteil wird reflektiert. Dabei ist die Abweichungen vom wirklichen Emissionsgrad zu
Fähigkeit des Materials IR-Strahlung zu absor- großen Messfehlern führen.
bieren gleich der Fähigkeit, Energie in Form von
Strahlung zu emittieren [Kirchhoff’sches Strah-
lungsgesetz, Formel 3]. 4.3 Strahlungsumgebung
A, =E, [Formel 3] Eine IR-Kamera misst die ins Objektiv eindrin-
gende Strahlung und errechnet daraus die Ober-
Für die IR-Thermografie ist der Emissionsgrad flächentemperatur des Messobjektes. Die Ka-
von größerer Bedeutung, weil er angibt, wie viel mera kann nicht unterscheiden, welche Strahlung
Strahlungsenergie eine Oberfläche in Abhängig- vom Messobjekt emittiert und welcher Strah-
keit von ihrer Temperatur abgibt. Tabelle 1 gibt lungsanteil von sonstigen in der Umgebung be-
eine Übersicht typischer Emissionsgrade: findlichen Wärmequellen an der Oberfläche des
Messobjektes in Richtung Kameraobjektiv reflek-
Tabelle 1: Emissionsgradbeispiele ausgewählter tiert wird. Für eine genaue Temperaturermittlung
Materialien im Bauwesen muss im Vorfeld die Strahlungsumgebung des
Messobjektes analysiert und die reflektierte
Material: Emissionsgrad £: Strahlung (Hintergrundtemperatur) berücksichtigt
werden.
Lacke und Farben ca. 0,8 — 0,95
Bei Oberflächen mit geringem Emissionsgrad
Holz ca. 0,7 — 0,9 und damit gleichzeitig einem hohen Reflexions-
Mauerwerk, verputzt ca. 0,94 grad muss die Hintergrundtemperaturgerade bei
gerichteter Strahlung („Spiegeleffekt“) für jeden
Glas ca. 0,85 Messfleck punktgenau ermittelt werden. Die
Temperaturermittlung wird dann um die Hinter-
Aluminumblech ca. 0,09 grundtemperatur korrigiert. In der Gebäudether-
mografie geht die Bandbreite der Hintergrund-
Aluminum (oxidiert) ca. 0,2
temperatur von minus 70 °C (klarer Himmel) bis
Kupfer (poliert) ca. 0,03 5.500 °C (Sonne) und sie hat einen großen Ein-
fluss auf das Messergebnis.
Kupfer (oxidiert) ca. 0,6 — 0,7
Die Atmosphäre zwischen IR-Kamera und Mess-
Eisen (poliert) ca. 0,14 — 0,38 objekt beeinflusst zusätzlich das Messsignal.
Zum einen wird es durch die Lufttemperatur ver-
Eisen (oxidiert) ca. 0,74 — 0,89 stärkt und zum anderen durch den Feuchtegehalt
der Luft gedämpft. Diese Effekte nehmen mit der
Wasser ca. 0,96
Entfernung zu. Das Messsignal muss also auch
Menschliche Haut ca. 0,98 um die Atmosphärentemperatur und die relative
Luftfeuchte sowie den Objektabstand korrigiert
werden.
Die IR-Kamerasysteme messen die von einem
Körper abgegebene Strahlung und berechnen Bei den in der Gebäudethermografie üblichen
daraus die Oberflächentemperatur des Körpers. Objektabständen von maximal 50 Metern, ist der
Bei Materialien mit einem geringen Emissions- Einfluss der Atmosphäre auf das Messergebnis
grad wird die gemessene Oberflächentemperatur jedoch sehr gering.
im Wesentlichen durch die reflektierte Strahlung
aus der Umgebung des Messobjektes bestimmt.
Materialien mit einem geringen Emissionsgrad 4.4 Wärme und Wärmeübertragung
haben z. B. bei niedriger Umgebungstemperatur,
Die Gebäudethermografie findet in der Regel
eine anscheinend niedrigere Temperatur als Ma-
nicht unter Laborbedingungen statt. Daher ist es
terialen mit einem hohen Emissionsgrad. Um die
wichtig sich mit der Umgebung des Messobjektes
tatsächlichen Oberflächentemperaturen zu ermit-
zu befassen. Über Wärmestrahlung, Wärmelei-
teln, muss bei der Messung der jeweilige Emis-
tung und Konvektion tauscht das Messobjekt
sionsgrad berücksichtigt werden.
ständig Energie mit den umliegenden Objekten
Der Emissionsgrad kann durch den Thermogra- aus. Bei der Auswertung eines Thermogramms
fen abgeschätzt, messtechnisch ermittelt oder müssen diese Wechselwirkungen berücksichtigt
aus Tabellen entnommen werden. Bei Materia- werden.
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Die Bewegungsenergie der Atome, Moleküle und Tabelle 3: Wärmeleitfähigkeiten von ausgewähl-
Elektronen in einem Körper entspricht der enthal- ten Baumaterialien:
tenen Wärmeenergie in Joule [J] oder in Kilowatt-
stunden [kWh]. Die Temperatur in Grad Celsius Material x’{;{(';‘:';;;; K
[°C] oder Kelvin [K] beschreibt das Energie-
niveau.
Aluminium 237
Die Wärmemenge, welche ein Körper speichern
bzw. abgeben kann, ist abhängig von seiner spe- Kupfer 401
zifischen Wärmekapazität. Materialien mit einer
Eisen 80
großen Wärmekapazität können mehr, Materia-
lien mit einer kleinen Wärmekapazität weniger
ziegel, Hochlüchziegel __ 008 bis 05
Mara Bivole ] asper
Energie speichern (siehe nachfolgende Tabelle
2). Die spezifische Wärmekapazität verschiede-
ner Baustoffe zeigt sich insbesondere bei Tem-
peraturänderungen. Bei gleicher Energiezufuhr
erwärmen sich Objekte mit einer höheren Wär-
mekapazität langsamer und kühlen auch langsa-
ea | osoeze
mer ab als Objekte mit einer geringeren spezi- Glaswolle 0,04
fischen Wärmekapazität. Dieser Effekt wird bei Holz 0,13 bis 0,17
der Analyse von verdeckten Strukturen oder
Feuchtigkeitseinschlüssen genutzt (z. B. Fach- Wasser 0,6
werk, durchfeuchtetes Flachdach).
Luft, trocken 0,025
Tabelle 2: Ausgewählte Materialien mit unter- Xenon 0,0051
schiedlichen Wärmekapazitäten

Material Walig\/;l|((i;pazutat Eine Wärmeübertragung findet immer statt, wenn


ein Temperaturunterschied zwischen zwei Kör-
Aluminium 0,90 pern besteht. Dabei strömt die Wärme immer in
Richtung des Temperaturgefälles von einem
Kupfer . 0,39 höheren auf ein geringeres Temperaturniveau
[1. Hauptsatz der Thermodynamik]. Die Wärme-
Eisen 0,45
übertragung erfolgt durch Wärmeleitung, Kon-
vektion und Wärmestrahlung.
Mauerwerk 0,70 bis 0,95
Die Wärmeleitung beruht auf der Übertragung
Glaswolle 0,84
der Bewegungsenergie zwischen benachbarten
Holz 2,00 bis 2,50
Atomen und Molekülen in einem Körper. Dabei
regen sich die Teilchen gegenseitig an und ge-
Wasser 4,19 ben die Wärmeenergie an das nächste Teilchen
weiter. In Metallen übertragen zusätzlich freie
Eis (bei 0 °C) 2,06 Elektronen die Wärmeenergie. Daher sind Metal-
0,72 le sehr gute Wärmeleiter.
Luft (trocken)
0,097 Wärmeleitung erfolgt in allen Aggregatzustän-
Xenon den, unabhängig davon, ob das Material fest,
flüssig oder gasförmig ist. In festen Körpern er-
Die Stoffkonstante Wärmeleitfähigkeit [\] be- folgt die Wärmeübertragung überwiegend durch
schreibt die in Abhängigkeit von der Temperatur- Wärmeleitung.
differenz übertragene Wärmemenge in W/(mK). Bei flüssigen oder gasförmigen Stoffen wird die
Nachfolgende Tabelle 3 zeigt die Wärmeleit- Wärmeleitung meist von der konvektiven Wärme-
fähigkeiten von gängigen Baumaterialien: übertragung (Übertragung durch Strömung, Kon-
vektion) überlagert.
Unter Konvektion versteht man das Mitführen von
Wärme bei einem Stofftransport. Konvektion tritt
an Grenzflächen von flüssigen und gasförmigen
Stoffen untereinander, sowie auch zu festen Stof-
fen auf. Sie beschreibt den Transport von Wär-

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Merkblatt 6-18 Ausgabe: 02.2019/D

meenergie, welcher an die Strömung eines Medi- Wenn durch eine Temperaturänderung der Ag-
ums gebunden ist. gregatzustand wechselt, wird beim Phasenüber-
gang (fest « flüssig —> gasförmig) Energie ge-
Bei der Gebäudethermografie von außen muss
bunden bzw. frei. Diese Erstarrungs-, Verduns-
deshalb — insbesondere wenn genaue Tempera-
tungs-, Verdampfungs- oder Kondensationswär-
turen bestimmt werden sollen — auf möglichst
me wird für den Aufbau bzw. das Auflösen der
windstille Bedingungen geachtet werden.
Bindungskräfte zwischen den einzelnen Molekü-
Als dritte Möglichkeit kann die Wärmeenergie len oder Atomen freigesetzt bzw. benötigt. Dabei
durch Strahlung übertragen werden. Dabei benö- werden die zuvor beschriebenen Wärmeübertra-
tigt die Wärmestrahlung kein Trägermedium. gungsmechanismen (Wärmestrahlung, Wärme-
Eine Übertragung ist auch im Vakuum möglich. leitung und Konvektion) deutlich überlagert.
Die transportierte Wärmemenge hängt im We-
Dies spielt beispielsweise bei der Thermografie
sentlichen von der Wellenlänge der Strahlung ab.
von feuchten Fassaden eine Rolle, weshalb eine
Je kurzwelliger die Strahlung, desto höher ist die
Thermografie unter diesen Gegebenheiten ver-
übertragene Wärmemenge.
mieden werden sollte. Bei Ortung von Feuchtig-
Der Strahlungsaustausch zwischen zwei Körpern keit wird dagegen genau dieser Effekt genutzt.
ist ein sehr komplexer Vorgang, da dieser von
Um die Beeinflussung all dieser Wärmeübertra-
verschiedenen Variablen abhängig ist:
gungsmechanismen auf das Messergebnis ge-
- Temperaturen ring und nachvollziehbar zu halten, sollte die Ge-
- Emissionsgraden bäudethermografie bzw. Messung bei möglichst
- Geometrie (Winkel und Abstände zwischen stationären Bedingungen erfolgen.
den Körpern, Winkelprojektionen usw.)
Das bedeutet:
Trotz Komplexität muss der Thermograf immer - keine Sonneneinstrahlung vor und während
das Strahlungsumfeld bei der Auswertung be- der Messung
rücksichtigen, um Fehlinterpretationen auf Grund
- das Messobjekt muss trocken sein
benachbarter Strahlungsquellen (klarer Himmel,
Sonne, heiße Leitungen etc.), Verschattungen - Störeinflüsse wie Wind, Regen, Nebel 0.ä.
oder Reflexionen auszuschließen. sind zu vermeiden
- das Messergebnis beeinflussende Tempera-
Besteht eine Temperaturdifferenz zwischen der
turschwankungen sind zu berücksichtigen
Oberfläche eines festen Bauteils und seiner
Umgebung (i.d.R. Luft), fließt ein Wärmestrom in - ausreichende Vorlaufzeit für Aufheizvorgän-
Richtung des Temperaturgradienten. Dabei fin- ge ist zu berücksichtigen.
det an der Grenzfläche fest / gasförmig ein Wär- Nur bei Sondermessungen werden bewusst in-
meübergang statt. Dieser wird durch den Wärme- stationäre Bedingungen (z. B. aufgehende Son-
übergangskoeffizienten h charakterisiert, der sich ne) genutzt, um Materialeigenschaften wie Ver-
aus einem konvektiven Anteil (hev) und einem An- dunstungswärme oder unterschiedliche Wärme-
teil aus Wärmestrahlung (hr) zusammensetzt. Für kapazitäten von Materialien darzustellen.
die praktische Anwendung im Bereich des Bau-
wesens werden die Wärmeübergangskoeffizien-
ten der Konvektion und der Strahlung zu einem
gemeinsamen Wärmeübergangskoeffizienten h 5 Gerätetechnik
zusammengefasst. (vgl. „Quantitative Messung“).
In der Praxis wird für Standardanwendungen Unterschiedliche Messaufgaben bestimmen die
meist mit konstanten Werten, z. B. gemäß DIN Anforderungen an die Messtechnik. Vor jeder
EN ISO 6946 gerechnet. Siehe Tabelle 4. Aufgabe ist das Verfahren sowie die Eignung und
Wahl des zu verwendenden Messsystems genau
Tabelle 4: Wärmeübergangskoeffizienten an zu beurteilen. Oftmals sind zur Bestimmung der
einer Wandfläche [W/m?K] Messparameter sowie zur Validierung der Ergeb-
nisse alternative Messverfahren zum Hauptver-
Richtung des Wärmestromes fahren hinzuzuziehen. Grundsätzlich sollte die
Messtechnik des jeweiligen Messverfahrens den
Aufwärts | Horizontal | Abwärts allgemein anerkannten Regeln der Technik ent-
sprechen. Einen Überblick gibt nachfolgende
hi intern 10 8 6 Tabelle 5:
he extern 25 25 25

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Merkblatt 6-18 Ausgabe: 02.2019/D

Tabelle 5: Anerkannte Regel der Technik eines IR-Kamerasystems’


mittelwellig (2 — 5 um)
Spektralbereich
langwellig (8 -12 um)
Temperaturmessbereich - 20°C bis + 100°C
Einsatzbereich - 10°C bis + 40°C
Normal-, Weitwinkel- sowie Teleobjektive sind aufgabenbezogen zu
Objektive
verwenden
Thermische Auflösung < 60 mK bei 30°C (Empfehlung < 30 mK)
Messgenauigkeit, absolut 2 K bzw. +/- 2 % (Empfehlung 1 K bzw. +/-1 %)
Detektorauflösung 2 320 x 240 Pixel (Empfehlung 640 x 480)
Basisfunktionen genaue Eingabe des Emissionsgrades sowie der refl. Temperatur
Kalibrierung Kalibrierung (nach Herstellerempfehlung) sowie regelmäßige Über-
prüfung, z. B. an Prüfstrahlern

Ein weiteres wichtiges Kriterium der Eignung 6 Untersuchungsmethoden


eines Kamerasystems für eine Messaufgabe ist
die geometrische Auflösung. Die reale Mess- 6.1 Messablauf
fleckgröße muss in jedem Fall kleiner als die Die Möglichkeiten und Grenzen des Messver-
aufzulösende Bauteilstruktur sein. Aufgrund die- fahrens sind abzuschätzen. Insbesondere sind
ser Anforderung sind der Abstand vom Messob- relevante Parameter, wie z. B. die geometrische,
jekt und der daraus resultierende Bildausschnitt thermische und zeitliche Auflösung des Mess-
festzulegen. Beispielsweise erfordert die Mes- systems auf die Messaufgabe abzustimmen. Ört-
sung einer Häuserzeile mit einem Messsystem liche Gegebenheiten sind zu berücksichtigen.
mit hoher geometrischer Auflösung weniger
Einzelaufnahmen als die Messung mit geringer
geometrischer Auflösung. 6.1.1 Vorbereitung der Messung
Aufgabenbezogen muss das Messsystem regel- Die Vorbereitung der Messung hat aufgabenbe-
mäßig bezüglich seiner Genauigkeit bewertet zogen zu erfolgen. Um eine fachgerechte Mes-
werden (Drift, Kalibrierung). Dies kann z. B. mit- sung durchführen zu können ist es erforderlich,
tels Schwarzstrahler oder Referenzmessungen grundlegende, die Messung beeinflussende Pa-
erfolgen. rameter, wie z. B. Temperatur und Luftfeuchte zu
erfassen und zu dokumentieren. Ein Tempera-
Weiterhin sind entsprechend der jeweiligen
turausgleich zwischen dem Messsystem und der
Messaufgabe ergänzende Messverfahren zur
Umgebung hat zu erfolgen. Die Messbedingun-
Bestimmung der Parameter, Reproduzierbarkeit
gen sind aufgabenbezogen zu wählen (siehe
der Messergebnisse oder zur Validierung der
hierzu die Ausführungen in den nachfolgenden
Messung hinzuzuziehen. Messgeräte zur Bestim-
Kapiteln). Gegebenenfalls ist das Messobjekt für
mung der Luftfeuchtigkeit, Bauteilfeuchte, Luftge-
die Messung vorzubereiten. Weiterhin müssen
schwindigkeit oder Messeinrichtungen zur Be-
allgemeine Daten zum Ortstermin, wie Datum
stimmung der Luftdurchlässigkeit der Gebäude-
und Uhrzeit, eine genaue Beschreibung der
hülle im Differenzdruck-Verfahren sind Beispiele
Messsituation bzw. des Messobjektes dokumen-
für solche Ergänzungen.
tiert werden.
Vorgenannte Aufführung der Geräteeigenschaf-
ten stellt eine Empfehlung dar. Konkrete Anfor-
derungen ergeben sich aus der Messaufgabe. 6.1.2 Durchführung der Messung
In begründeten Fällen kann von vorgenannten Die Messung beeinflussende Parameter wie
Vorgaben abgewichen werden, wenn es die Emissionsgrad, Umgebungstemperatur, Abstand
Messaufgabe oder die Messsituation erfordert. zwischen Infrarotkamera und Messobjekt müs-
Diese Abweichungen sind im Messbericht zu be- sen in der Kamera eingegeben werden. Aussa-
gründen und dokumentieren. gekräftige Messungen erfordern die Anpassung

1 vgl. VATH-Richtlinie „Bauthermografie“: 2016-06 [9]


12
Merkblatt 6-18 Ausgabe: 02.2019/D

und die Dokumentation von Level und Span. Der


Temperaturmessbereich ist aufgabenbezogen zu
wählen. Weiterhin sind für die Messaufgabe
geeignete Objektive zu verwenden. Jedem Infra-
rotbild ist zum besseren Verständnis ein Realbild
zuzuordnen.

6.1.3 Auswertung der Thermogramme und


ergänzender Messungen / Messbericht
Den Thermografieaufnahmen vor Ort folgt die
Auswertung. Diese beinhaltet insbesondere die
aufgabengerechte Einstellung von Level und
Span sowie das Setzen von Messpunkten oder
Messfeldern. Die ausgewerteten Thermogramme
sind soweit vorhanden mit Planunterlagen und
den Ergebnissen von unterstützenden Messver-
fahren (z. B. Bauteilfeuchte- und Raumklimames-
sungen) zusätzlich abzugleichen.
Abb. 6: Konstruktive und geometrische Wärmebrücke
Die Ergebnisse sind in einem Messbericht
zusammenzuführen und nachvollziehbar darzu-
stellen. Allgemeine Daten wie Ort und Zeit, Auf- Grundsätzlich lassen sich Wärmebrücken am re-
traggeber und Grund der Beauftragung sind im alen Bauwerk nicht vollständig vermeiden. Ihr
Messbericht ebenso zu erfassen wie die Doku- Einfluss ist zu minimieren, um entsprechende
mentation ergänzender Messungen (z. B. Daten- Wärmeverluste zu begrenzen sowie Schimmel-
logger mit Feuchtemessung). Grundsätzlich ist und Feuchteprobleme zu vermeiden. Die Auf-
darauf hinzuweisen, dass die Messergebnisse gabe der Thermografie ist es die Wärmebrücken
eine Momentaufnahme des untersuchten Objekts nachzuweisen.
darstellen. - Konstruktive Wärmebrücken stellen sich bei
Aufnahmen von außen als lokal erhöhte und
bei Aufnahmen von innen als verringerte
Wandoberflächentemperatur dar.
6.2 Durchführung der Messung nach
- Geometrische Wärmebrücken stellen sich an
konkreter Aufgabenstellung
der wärmeübertragenden Gebäudehülle ent-
6.2.1 Bewertung des Wärmeschutzes weder als lokale Erhöhung (z. B. Innenecke)
6.2.1.1 Ortung und Bewertung von Wärme- oder als Verringerung der Oberflächentem-
brücken peratur (z. B. Außenecke) im Außenthermo-
gramm dar.
Wärmebrücken sind konstruktiv oder geome-
trisch bedingte Änderungen des Wärmestroms - Konvektive Wärmebrücken stellen sich durch
durch die thermische Gebäudehülle. Als Wärme- ein- oder ausströmende Luft als lokale Berei-
brücken bezeichnet man Bereiche in der ther- che mit veränderter Oberflächentemperatur
mischen Gebäudehülle, bei denen aufgrund von dar.
- Materialwechseln / konstruktiven Gegeben- Wärmebrücken sollten von innen betrachtet wer-
heiten (konstruktive Wärmebrücke) den. Aufgrund des höheren inneren Wärmeüber-
- der Bauteilgeometrie (geometrische Wärme- gangswiderstandes führen Inhomogenitäten an
brücke) der Bauteilinnenseite zu größeren Temperatur-
unterschieden an der Oberfläche.
- Fugen und Undichtheiten (konvektive Wär-
mebrücke, vgl. Abbildung 9) Konvektive Wärmebrücken sind aufgrund der lo-
kal erhöhten oder verminderten Oberflächentem-
während der Heizperiode gegenüber dem unge-
peraturen am Besten bei Unterdruck von innen zu
störten Bauteil erhöhte bzw. zusätzliche Wärme-
orten.
ströme auftreten, so dass auf der inneren Seite
von Außenbauteilen die Oberflächentemperatur Eine quantitative Bewertung der Wärmebrücken
Örtlich begrenzt stark absinkt (vgl. Abbildung 6). hinsichtlich der Größe des Wärmebrückenver-
lustkoeffizienten kann die Thermografie nicht lie-
fern. Zur Beurteilung sind spezielle Wärmebrü-
ckenberechnungsprogramme erforderlich.

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Merkblatt 6-18 Ausgabe: 02.2019/D

6.2.1.2 Bewertung des Mindestwärmeschut- — sung können die Intervallgrenzen verringert wer-
zes den.
Ein wesentliches Einsatzgebiet der Thermografie Auf der Grundlage der als Intervall oder Grenz-
ist die Bewertung der Bauteiloberflächentempe- wert vorliegenden frsı-Werte ist es unter Verwen-
ratur im Bereich von Wärmebrücken. Das Ziel dung der aus der Definition des frsı abgeleiteten
dieser Untersuchungen ist überwiegend die Ur- einfachen Zusammenhänge möglich, verschie-
sachenermittlung von Schimmelpilzbildung. dene Fragen zu beantworten.
Die Grundlage dafür bietet die DIN 4108-2:2013- ©e = (frsı* Oi - Osi)
/ (frsı - 1),
2, Mindestanforderungen an den Wärmeschutz.
oder
Bewertungsmaßstab ist der Temperaturfaktor
frsı = (Osi - Oe)/(©i - Oe). Dabei ist @si die Osi= frsı (Oi - Oe) + 0e,
raumseitige Wandoberflächentemperatur, @e die
Außenlufttemperatur, ©i die Innenlufttemperatur.
Als Randbedingungen wird ein Raumklima von
50 % r.F. bei 20 °C und eine Außentemperatur
von -5 °C definiert. Unter diesen Bedingungen
darf die oberflächennahe Luftfeuchtigkeit nicht
größer als 80 % (schimmelpilzkritische Luftfeuch-
te) sein, was gleichbedeutend mit der Forderung
nach einer Oberflächentemperatur größer
12,6 °C ist. Dem entspricht ein Temperaturfaktor
frsı 2 0,70. Es handelt sich dabei um eine kon-
stante, bauspezifische Größe, die von dem
aktuell herrschenden Temperaturunterschied
zwischen Innen und Außen unabhängig ist. Da-
mit kann der Temperaturfaktor als Bewertungs-
maßstab für das Bauteil dienen. Die Berechnung
des Temperaturfaktors aus den momentan ge-
messenen Temperaturen führt aufgrund der Pha-
senverschiebung der Wärmewellen durch das
Bauteil zu meist irrealen Ergebnissen. Brauch-
bare Ergebnisse sind deshalb nur unter Berück-
sichtigung der zurückliegenden Temperaturver-
läufe am zu untersuchenden Bauteil möglich.
Überwiegend sind die Temperaturverläufe nicht
bekannt, aber die Grenzen, in denen sie erfolg-
ten, können ermittelt oder plausibel angenom-
Abb. 7: Thermografieaufnahme einer Außenwand,
men werden. Im Bereich von Wärmebrücken unterschrittener Mindestwärmeschutz mit
sollte ein Betrachtungszeitraum von. 6-8 frsı < 0,7 ist rot hinterlegt
Stunden bei der Bestimmung des Intervalls der
Außentemperatur ausreichend sein. Die Schwan- Eine interessante Anwendung der ermittelten
kungsbreite der raumseitigen Oberflächentempe- Temperaturgrenzen bietet aus der Sicht des
ratur ist meist geringer und folgt weniger träge der Mindestwärmeschutzes die bildliche Darstellung
Raumtemperatur. kritischer Bereiche in Thermografieaufnahmen.
Durch die Betrachtung der oberen Grenzen der Dazu wird in der Formel zur Berechnung der
Temperaturintervalle für außen und innen kann Wandoberflächentemperatur die Außen- und
ein Temperaturfaktor auf der „sicheren Seite“ er- Innentemperatur eingesetzt sowie der Tempera-
mittelt werden. Der Temperaturfaktor ist dann turfaktor 0,7. Der Temperaturbereich unterhalb
nicht geringer als auf Grundlage der Messung be- dieser so berechneten, kritischen Oberflächen-
rechnet. Werden die unteren Grenzwerte zugrun- temperatur wird im Thermogramm farbig hinter-
de gelegt, ergibt sich ein Wert, der nicht besser legt und weist auf die thermischen Schwach-
sein kann, als berechnet. Die Genauigkeit der punkte hin.
Bestimmung der Temperaturgrenzen entscheidet Bei der messtechnischen Bewertung des Min-
über die mögliche Annäherung an den tatsächli- destwärmeschutzes ist zu beachten, dass die
chen Temperaturfaktor. Bei dem Vorliegen von Einhaltung der kritischen Oberflächentempera-
Temperaturmesswerten aus einer Langzeitmes- turen (frsı 2 0,70) nur unter Berücksichtigung der

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Merkblatt 6-18 Ausgabe: 02.2019/D

normativen Randbedingungen sinnvoll ist. Ist die “Rechnerische Prognose des Schimmelpilz-
Außenlufttemperatur geringer als -5 °C, ist ein wachstumsrisikos”).
frsı= 0,70 nicht mehr ausreichend. Bei von DIN
Bei der Untersuchung von Schimmelpilz- bzw.
4108-2 abweichenden Standardklimaten kann es
trotz Einhaltung des frsı-Wertes zu Schimmel- mikrobiellem Befall geht es also zunächst um die
bildung kommen. Frage, ist ausreichend Feuchtigkeit vorhanden
und wo entsteht diese. Hier bietet sich die Ther-
Die Ermittlung der kritischen Oberflächentempe- mografie als geeignetes Messwerkzeug an. Wie
raturen erfolgt in Abhängigkeit des vorhandenen im Kapitel Mindestwärmeschutz beschrieben
Raumklimas gemäß DIN 4108-3, Anhang A.1 lässt sich thermografisch nachweisen, ob die
Oberflächentemperatur von Bauteilen dauerhaft
So weit absinkt, dass über einen längeren Zeit-
6.2.1.3 Abschätzung des U-Wertes raum im Zusammenwirken mit der Raumluft-
Die Abschätzung des U-Wertes aus Thermogra- feuchte schimmelpilzkritische Situationen ent-
fieaufnahmen ist begrenzt möglich. Wie bereits stehen können.
im vorhergehenden Kapitel 6.2.1.2 beschrieben, Thermografisch kann die durch Bauteilfeuchte
sind plausible Temperaturverhältnisse unter Be- hervorgerufene Verdunstungswärme als Tempe-
rücksichtigung der Phasenverschiebung Basis raturabsenkung gemessen werden (siehe
für die Bewertung des Wärmedurchgangskoeffi- 6.2.2.2.).
zienten. Durch den Einfluss der Wärmeüber-
gangswiderstände sowie dem Wärmespeicher- Der Anwendungsbereich erstreckt sich dabei auf
vermögen kommt es zu Ungenauigkeiten. die Erkennung von
a) konstruktiven / geometrische Wärmebrücken,
Normativ zugrunde gelegte Wärmeübergangs-
widerstände gehen bei der Berechnung des U- wie z. B. monolithisch hergestellten Balkonan-
Wertes als feste Größen ein. Diese entsprechen schlüssen (siehe 6.2.1.1 Ortung und Bewer-
nicht immer realen Bedingungen. tung von Wärmebrücken)
b konvektiven Wärmebrücken, wie z. B. Kaltluft-
Aus der Oberflächentemperatur von Bauteilen eintritt in Trockenbaukonstruktionen (siehe
mit geringem Wärmespeichervermögen (geringe 6.2.3 Nachweis von (Luft)-Undichtheiten in
Phasenverschiebung) können U-Werte verlässli- der Gebäudehülle)
cher abgeschätzt werden als bei Bauteilen mit
großem Wärmespeichervermögen (große Pha- C} Bauteilfeuchtigkeit, wie z. B. in die Konstruk-
senverschiebung). Diese erfordern eine Betrach- tion eindringende Feuchtigkeit (siehe 6.2.2
tung der Oberflächentemperaturen über einen Detektion von Bauteilfeuchtigkeit).
längeren Zeitraum. Bei allen vorgenannten Anwendungsbereichen
Für eine genaue U-Wertbestimmung sind zer- sind ergänzende Messungen (z. B. Feuchtemes-
störende Bauteilöffnungen und weitere Berech- sungen) zur eindeutigen Zuordnung der Ursa-
chen der gemessenen Temperaturverteilung
nungen erforderlich. Inhomogenitäten sind bei
der Wahl der Anzahl und Positon der Bauteilöff- zwingend notwendig.
nungen zu berücksichtigen. Achtung:
Zur quantitativen Bestimmung der tatsächlich
vorhandenen Feuchtigkeit sind direkte Messver-
6.2.1.4 Untersuchung bei mikrobiellem Befall fahren, wie z.B. die Darr-Probe einzusetzen. Indi-
In der Umgebungsluft sind immer Schimmelpilz- rekte Messverfahren, wie z. B. elektrische Wider-
sporen und Mikroben enthalten. Dies wird aus standsmessungen sind nur als vergleichende
bautechnischer Sicht problematisch, wenn die Messungen verwendbar!
Mikroorganismen geeignete Wachstumsbedin-
gungen vorfinden:
* Temperaturen zwischen 0 °C bis 60 °C 6.2.1.5 Prüfung von außen- und/oder in-
nenseitig gedämmten Baukonstruk-
* organisches Material (Nährstoff)
tionen
*_ Milieu mit einem pH-Wert von ca. 4 bis 10
(wachstumsbegünstigend: saures Millieu) Seit Mitte des letzten Jahrhunderts werden
Außenbauteile zur Reduktion von Wärmeverlus-
* ausreichende, anhaltende Feuchtigkeit.
ten außen und / oder innenseitig mit Dämmsys-
Von den vorgenannten Punkten ist die Feuch- temen versehen. Hierbei haben sich zum einen
tigkeit der entscheidende und beeinflussbare Wärmedämm-Verbundsysteme (z.B. Dämmstoff-
Wachstumsfaktor (vergl. WTA-Merkblatt 6-3 platten) und zum anderen Gefachkonstruktionen
mit eingebrachten Dämmstoffen (z. B. Einblas-

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Merkblatt 6-18 Ausgabe: 02.2019/D

dämmung) bewährt. Dabei bestimmen die Mate- Durch instationäre Randbedingungen bei der
rialeigenschaften und Dämmstoffdicken den Thermografie und infolge der Einmalmessung
Wärmedurchlasswiderstand der Baukonstruk- sind nachfolgende Aussagen nicht oder nur ein-
tion. Abweichungen von Sollvorgaben können zu geschränkt möglich:
Bauschäden führen und / oder den Wärmebedarf - quantitative Bestimmung von Transmissions-
des Gebäudes verändern. wärmeverlusten (U-Wert) der Gebäudehülle
Die Aufgabenstellung an den Thermografen kann - Aussagen zum Energiebedarf und /oder
z. B. einen oder mehrere Bereiche beinhalten: —verbrauch
- Bestandsaufnahme (z. B. energetischer Zu- - Ursache für einen mikrobiellen Befall an Fas-
stand, Schwachstellenanalyse) sadenflächen
- Bauschäden (z.B. fehlerhaftes Dübel- oder - Beurteilung der energetischen Qualität von
Fugenbild) Fenstern
- Baubegleitende Qualitätssicherung (z. B. - Beurteilung von hinterlüfteten Bauteilen
Prüfung von beschichteten Dämmsystemen) - Beurteilung von Bauteilen mit geringem
- Monitoring (z. B. Überprüfung des Schwund- Emissionsgrad.
verhaltens).
Die thermografischen Messergebnisse basieren
6.2.2 Detektion von Bauteilfeuchtigkeit
immer auf der tatsächlich ausgeführten Baukon-
struktion, welche nicht immer mit den Planungs- Aufgrund der Vielzahl möglicher Feuchtequellen
vorgaben übereinstimmt. ist es meistens schwierig, einem Schadensbild
die Ursache eindeutig zuzuordnen. In der Praxis
Im Gegensatz zur „klassischen“ Messmethode hat es sich bewährt, zunächst nicht in Frage kom-
der Thermografie, welche meist im Winter durch- mende Feuchtequellen auszuschließen. Die An-
geführt wird, kann bei der Thermografie von wendung dieses Ausschlussprinzips verhindert
außenseitig aufgebrachten Dämmsystemen die das Übersehen von potentiellen Feuchtequellen.
Erwärmung der Oberfläche durch Sonnenein-
strahlung genutzt werden, um oberflächennahe
Unregelmäßigkeiten detektieren zu können. Die 6.2.2.1 Ortung von wasserführenden Lei-
Wärmespeicherfähigkeit von „schweren“ Kon- tungen und Leckstellen
struktionen lassen Strukturen in der außen ge-
Werden Leitungssysteme von Medien durch-
dämmten Baukonstruktion erkennen. Zur bes-
strömt, deren Temperatur höher als die der um-
seren Darstellung der Messergebnisse kann der
gebenden Materialien (z. B. Baustoffe, Erdreich)
Effekt der Verdunstungswärme unterstützend
ist, bildet sich in diesen ein Wärmestrom, der an
wirken. Bei innenseitig aufgebrachten Dämmsys-
deren Oberfläche detektiert werden kann. Folgt
temen erfolgt die thermografische Untersuchung
aus der Wärmeübertragung nur eine geringe
von der Raumseite aus.
Temperaturdifferenz an der Oberfläche, sind ho-
Folgende Besonderheiten können mit Hilfe der he Anforderungen an die thermische Auflösung
Thermografie von außen- und / oder innenseitig der Wärmebildkamera gestellt. Bei der Durchfüh-
aufgebrachten Dämmstoffsystemen lokalisiert rung der Untersuchung sind folgende Randbedin-
bzw. identifiziert werden: gungen zu beachten:
- Materialwechsel / ungedämmt Teilflächen * _ Bei der thermischen Leckortung ist ein Volu-
(z. B. Brandriegel, unterschiedliche WLS- menstrom sicherzustellen.
Wärmeleitstufe) * Die Temperatur des Leitungsmediums muss
- Fugenbild (nicht fachgerecht ausgeführte in Abhängigkeit der Wärmedämmung / Über-
Stoß- und Anschlussfugen) deckung über der Leitung einen messbaren
- Durchfeuchtungen Wärmestrom an der Bauteiloberfläche bewir-
ken.
- Dübelbild
*_ Die erforderliche Temperatur des Mediums ist
- Beschädigungen der Fassadendämmung
aufgaben- und bauteilbezogen vor der Mes-
(z. B. Insekten, Nagetiere, Vögel)
Sung zu gewährleisten. Eine zu frühzeitige Er-
- Bauteilanschlüsse (z. B. Fensterbank, Tür- wärmung kann die Temperaturunterschiede
schwellen, Dachanschlüsse, Fehlstellen in zwischen der zu ortenden Leitung und den
der Luft-/ Winddichtheitsebene) umgebenden Bauteilen reduzieren.
- Durchdringungen (z. B. Brüstungen, auskra-
Werden oberflächennahe Leitungssysteme von
gende Bauteile, Schornstein).
Medien durchströmt, deren Temperatur nahe an
Merkblatt 6-18 Ausgabe: 02.2019/D

der Temperatur der Umgebungsflächen liegt, 6.2.2.2 Feuchtigkeit von außen


kann durch die Auffeuchtung der angrenzenden Feuchte an raumseitigen Bauteiloberflächen
Bauteile im Leckaustrittsbereich die an der Bau- kann durch von außen eindringende Feuchtigkeit
teiloberfläche entstehende Verdunstungswärme wie Schlagregen oder drückendes Wasser her-
detektiert werden. vorgerufen werden. Ursachen können technische
Bei der Beurteilung der Thermogramme ist zu Mängel am Bauwerk, wie z. B. Risse, Fehlstellen
beachten, dass es sich bei Auffälligkeiten nicht in der Abdichtungsebene, nicht fachgerecht aus-
um eine Leckstelle handeln muss. Auffälligkeiten geführten Bauteilfugen, nicht geeignete Materia-
können u.a. auch durch eine ungleichmäßige lien oder Konstruktionen sein.
Verlegehöhe oder verminderte Wärmedämmung, Je nach Ursache und dem Grad der Durchfeuch-
z. B. an Formstücken auftreten. tung ergeben sich unterschiedliche Signaturen im
Ergänzende Feuchtemessverfahren sind aufga- Thermogramm. Mit dem Verfahren der Thermo-
benbezogen hinzuzuziehen. grafie kann grundsätzlich nicht direkt Feuchte ge-
messen werden. Jedoch können die Auswirkun-
Kaltwasserleitungen und darin auftretende Leck-
gen der Feuchtebeaufschlagung über die Ver-
stellen können mit der Infrarotthermografie detek-
dunstungswärme im Thermogramm dargestellt
tiert werden, wenn die Systeme mit Warmwasser
werden.
beaufschlagt werden. Die Vorbereitungsarbeiten
sollten durch eine Sanitärfachfirma durchgeführt Feuchtigkeit in Baustoffen verändert die Wärme-
werden. leitfähigkeit bzw. die Wärmekapazität. Dieser
Effekt kann insbesondere in der kalten Jahreszeit
Ein weiteres Anwendungsgebiet der Thermogra-
zur Detektion von Feuchtigkeit in Außenwänden
fie ist in diesem Zusammenhang die Untersu-
infolge der Veränderung des Wärmestroms ge-
chung von Kühlsystemen. Insbesondere betrifft
nutzt werden. Weiterhin hat eine Erhöhung der
dies den Nachweis der Funktionstüchtigkeit von
Bauteilfeuchte einen großen Einfluss auf die Ver-
Kühldecken (Kassetten- und kerntemperierte Be-
dunstungswärme an der Oberfläche des Bauteils.
tondecken). Daraus resultierende Temperaturunterschiede
an der Bauteiloberfläche werden mit der Wärme-
bildkamera visualisiert. Die Eintrittsstelle der
Feuchtigkeit in den Baukörper muss nicht
zwangsläufig mit der gemessenen Feuchtevertei-
lung an der Bauteiloberfläche übereinstimmen.
In gleicher Weise ist von innen in die Baukon-
struktion eindringende Feuchtigkeit zu unter-
suchen.

6.2.2.3 Feuchtigkeitsanfall durch Kondensat


Auf Bauteiloberflächen oder in Bauteilen, die
nicht ausreichend wärmegedämmt sind, kann es
zur Taupunktunterschreitung kommen und damit
Feuchtigkeit anfallen. Gerade im Bereich von
Fehlstellen in der Luftdichtheitsebene ist mit kon-
vektivem Feuchteeintrag zu rechnen. Der Nach-
weis der Kondensationsfeuchte erfolgt mit den
gleichen messtechnischen Methoden wie bei von
außen eindringendem Wasser, da es durch die
Feuchtigkeit zur Abkühlung an der vorhandenen
Bauteiloberfläche kommt. Die Unterscheidung
der Ursachen der Feuchtigkeit ist, auch bei An-
wendung verschiedener Nachweisverfahren,
nicht immer zweifelsfrei möglich. Aufschluss über
die Herkunft kann die Beurteilung der Lage, die
Abb. 8: Flächenheizung (IR-Aufnahme) sowie Kühl- Verteilung und die Kenntnis über die zeitliche
decke (IR-Aufnahme) Entwicklung der Feuchtigkeit geben.

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Merkblatt 6-18 Ausgabe: 02.2019/D

Beachte folgende WTA-Merkblätter: Für die thermische Leckortung ist ein Tempera-
- Merkblatt 6-3-05/D „Rechnerische Prognose turunterschied zwischen Innen und Außen erfor-
des Schimmelpilzwachstumsrisikos“ derlich. Alle weiteren Randbedingungen welche
die Bauthermografie beeinflussen, (z. B. Sonnen-
- Merkblatt 6-9-15/D „Luftdichtheit im Bestand,
einstrahlung, Restwärme im massiven Baustoff,
Teil 1: Grundlagen der Planung“
Oberflächenfeuchte, Wind, Schnee, Nebel, Re-
- Merkblatt 6-10-15/D „Luftdichtheit im Bestand, gen) haben so gut wie keinen relevanten Einfluss
Teil 2: Detailplanung und Ausführung“ auf das Ergebnis.
- Merkblatt 6-11-15/D „Luftdichtheit im Bestand,
Auf Grund der Temperaturdifferenz zwischen ein-
Teil 3: Messung der Luftdichtheit“
strömender Luft und Raumluft kommt es zur Flan-
- Merkblatt 6-15-13/D „Technische Trocknung kenkühlung oder -erwärmung. Dies führt auch zu
an durchfeuchteten Bauteilen, Teil1: Grundla- einer Temperaturänderung bei hinterströmten
gen“ Bauteilen. Dabei ist die Zeit die zur Veränderung
der Flankentemperatur führt von der Luftge-
schwindigkeit an der Leckstelle, dem Wärme-
6.2.3 Nachweis von (Luft)-Undichtheiten in speichervermögen des Bauteils, der absoluten
der Gebäudehülle Temperaturdifferenz zwischen innen und außen
Im Gegensatz zu geometrischen und konstruktiv sowie der Länge des Strömungsweges durch die
bedingten Wärmebrücken entstehen konvektiv Konstruktion abhängig.
bedingte Wärmebrücken nur, wenn ein Luftaus- Zur Unterscheidung von dynamischen und stati-
tausch durch die wärmeübertragende Umfas- schen Wärmebrücken ist eine vergleichende
sungsfläche hindurch erfolgt. Sie werden daher Messung ohne Druckbeaufschlagung notwendig.
auch als dynamische Wärmebrücken bezeichnet. Die statischen Wärmebrücken werden damit
Die Konvektion wird durch Luftdruckunterschiede dokumentiert.
hervorgerufen. Diese können z. B. durch Wind
oder thermischen Auftrieb im Gebäude entste-
hen. Durch diese Konvektion kann warme und 6.2.4 Detektion von verdeckt liegenden Kon-
feuchte Raumluft von innen nach außen trans- struktionen
portiert werden. In der Regel geht dies mit einem
erhöhten Feuchteeintrag in die Konstruktion ein- Die Detektion von verdeckt liegenden Konstruk-
her. Als Folge kann es zum Ausfall von Tauwas- tionen (z. B. verputztes Fachwerk, Ständerwerk)
ser und zur Durchfeuchtung von Dämmstoffen mittels Wärmebildkamera kann abhängig von
und Bauteilen bis hin zur Zerstörung der Baukon- den klimatischen Randbedingungen zum Zeit-
struktion kommen. Gleichzeitig führen Leckstel- punkt der Aufnahmen über eine Außenthermo-
len zu erhöhten Lüftungswärmeverlusten und zur grafie und/oder Innenthermografie erfolgen.
Beeinträchtigung der Nutzerbehaglichkeit. Mittels Diese Konstruktionen können in Lage und Ver-
thermischer Ortung können diese ungewollten lauf bestimmt werden.
Luftströmungen lokalisiert werden. Hierzu wird Grundlage dafür bilden die unterschiedlichen
zwischen Raumluft und Außenluft im Gebäude physikalischen Eigenschaften der Bauteile (z. B.
ein Unterdruck hergestellt (empfohlen 50 Pa in Holz, Mauerwerk, Stahl, Stahlbeton) und die
Anlehnung an DIN EN 13829). hieraus resultierende thermische Signatur.
Ausgehend von der Aufgabenstellung sind die
einwirkenden physikalischen und klimatischen
Randbedingungen zu berücksichtigen.

Abb. 9: Bodentreppe zu Kaltdach bei Unterdruck


Merkblatt 6-18 Ausgabe: 02.2019/D

7 Dokumentation, Gutachten
Struktur, Inhalt und Umfang des Berichts sind von
der konkreten Aufgabenstellung abhängig. Nach-
folgende Mindestanforderungen an den Inhalt der
Dokumentation sind zu berücksichtigen:
Allgemeine Angaben:
- Auftraggeber (Name, Anschrift)
- Sachverständiger (Name, Anschrift)
- Aufgabenstellung
- Objektbeschreibung
- Objektadresse
- Beschreibung der Baukonstruktion
- Klimadaten vor, während und nach der Mes-
sung
- Temperatur (innen, außen)
- Wind
- Sonneneinstrahlung
- Zeitpunkt der Messungen
- sonstige Randbedingungen
- Angaben zum Kamerasystem

Darstellung der Thermogramme:


- geeignete Farbpalette
- deutlich erkennbare Temperaturskala
- Digitalfoto mit gleichem Bildausschnitt zum
Abb. 10: Verdeckt liegendes Fachwerk unter Be- Thermogramm
schichtung - einheitliche Temperaturskalierung der Ther-
mogramme?
Im Gegensatz zu den üblichen bauthermogra-
- Darstellung der Messsituation
fischen Messmethoden (z. B. der Thermografie
von Wärmebrücken) kann bei der Thermografie
von verdeckt liegenden Konstruktionen die Son- Auswertung
der Thermogramme:
neneinstrahlung als Anregungsquelle von Wär- Alle zur Reproduzierbarkeit notwendigen Para-
meströmen zur Darstellung der Konstruktions- meter (Emissionsgrad, Klimadaten, Hintergrund-
details genutzt werden. Der bauphysikalische temperatur, rel. Luftfeuchte) sind zu dokumen-
Hintergrund ist das unterschiedliche Wärmespei- tieren. Die Thermogramme sind in Abhängigkeit
chervermögen der Baustoffe und Baukonstruktio- der Aufgabenstellung hinsichtlich der Tempera-
nen, welche die gespeicherte Energie unter- turverteilung zu bewerten. Es kann sinnvoll sein
schiedlich schnell abgeben. vergleichbare oder ähnliche Auffälligkeiten ge-
mäß nachfolgendem Schema zu bewerten:
Nach erfolgter Sonneneinstrahlung auf den Bau-
körper wird an der Oberfläche der rückgerichtete
Wärmestrom der Bauteile mit hoher Wärmekapa-
Kategorie 0: thermische Auffälligkeit; kein Hand-
zität gemessen. Der Messzeitpunkt ist unter Be-
lungsbedarf erforderlich.
rücksichtigung aller Randbedingungen (wie z. B. Kategorie 1: thermische Auffälligkeit, geringes
der Intensität und Dauer der Sonneneinstrahlung, Schadenspotenzial vorhanden;
Orientierung des Bauteils) zu wählen. kein unmittelbarer Handlungsbe-
darf erforderlich, weiter beobach-
ten. Berücksichtigung bei Instand-
haltungs-, Instandsetzungs- sowie
Modernisierungsmaßnahmen.

2 In begründeten Fällen kann von vorgenannten Vorgaben Messsituation erfordert. Diese Abweichungen sind im
abgewichen werden, wenn es die Messaufgabe oder die Messbericht zu begründen und dokumentieren!

19
Merkblatt 6-18 Ausgabe: 02.2019/D

Kategorie 2: thermische Auffälligkeit, hohes


Schadenspotenzial vorhanden;
Handlungsbedarf erforderlich.
Beispiel: Dübelbild eines Wärmedämmsystems
oder der Anschlüsse an angrenzende Bauteile.
Bei nicht eindeutigen Messergebnissen sind
ergänzende Untersuchungen durchzuführen.

8 Personalqualifizierung
Thermografische Untersuchungen sind aus-
schließlich von Personen durchzuführen, aus-
zuwerten und zu beurteilen, welche speziell für
dieses Messverfahren ausgebildet sind. Weitge-
hende Kenntnisse in den Bereichen Messtechnik,
Thermodynamik, Baukonstruktion sowie Bau-
physik sind aufgrund der Komplexität des Mess-
verfahrens sowie der ständig wechselnden und
Ooft anspruchsvollen Messaufgaben unerlässlich.
Nachfolgende Mindestinhalte müssen im Zuge
der Ausbildung vermittelt werden. Als Empfeh-
lung wird ein Zeitansatz von ca. 80 h angesehen.
» Temperatur und Wärme
* Wärmeübertragung
* Temperaturmessung / Temperatur-und Strah-
lungssensoren
» Gesetze der Strahlungsphysik
* IR-Gerätetechnik und Systemparameter
* Randbedingungen und Störeinflüsse bei IR-
Messungen
» IR-Messung und Messablauf
» Baustofftechnologie / Bauphysik
» Baukonstruktion
» Technische Gebäudeausrüstung
Personen, welche die vorgenannten Kenntnisse
durch eine fachspezifische Ausbildung (z. B.
durch ein technisches oder naturwissenschaft-
liches Studium) erlangt haben und eine mehrjäh-
rige Praxiserfahrung auf dem Gebiet der Bauther-
mografie vorweisen können, erfüllen die Anforde-
rungen dieses Merkblattes gleichwertig.

20
Merkblatt 6-18 Ausgabe: 02.2019/D

9 Literatur
Nachfolgende Literatur wurde in vorliegendem Merkblatt berücksichtigt bzw. enthält ergänzende Informa-
tionen:

(1 DIN EN 473: Zerstörungsfreie Prüfung — Qualifizierung und Zertifizierung von Personal


2008-09 der zerstörungsfreien Prüfung — Allgemeine Grundlagen
2] DIN EN ISO 9712: Zerstörungsfreie Prüfung — Qualifizierung und Zertifizierung von Personal
2012-12 der zerstörungsfreien Prüfung

B] DIN EN 13187: Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden — Nachweis von Wärmebrü-


1999-05 cken in Gebäudehüllen — Infrarot-Verfahren
M] DIN EN 13829: Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden — Bestimmung der Luft-
2001-02 durchlässigkeit von Gebäuden — Differenzdruckverfahren

] ISO 9972: Wärmetechnisches Verhalten von Gebäuden — Bestimmung der Luft-


2015-12 durchlässigkeit von Gebäuden — Differenzdruckverfahren
[6] DIN 4108-2: Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden — Teil 2: Mindestan-
2013-02 forderungen an den Wärmeschutz

7] DIN 4108-3: Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden — Teil 3: Klimabe-


2014-11 dingter Feuchteschutz; Anforderungen, Berechnungsverfahren und Hin-
weise für Planung und Ausführung

[8] DIN 4108-7: Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden — Teil 7: Luftdichtheit


2011-01 von Gebäuden, Anforderungen, Planungs- und Ausführungsempfehlun-
gen sowie -beispiele

[9] VATH-Richtlinie „Bauthermografie“, Stand 2016-06, Bundesverband für angewandte Ther-


2016-06 mografie e.V., Nürnberg

[10] DIN-Fachbericht Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden — Teil 8: Vermeidung


4108-8:2010-09 von Schimmelwachstum in Wohngebäuden

[11] „Sachstandsbericht zur Messung der Feuchte von mineralischen Baustof-


fen“ (Fraunhofer IRB-Verlag ISBN 3 - 8167 - 6353 - 7), kostenloser Down-
load unter https://www.baufachinformation.de/literatur/04039025830
[12] WTA Merkblatt Rechnerische Prognose des Schimmelpilzwachstumsrisikos, Hrsg.: Wis-
6-3-05/D senschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung
und Denkmalpflege e.V., Referat 6 Bauphysik, Eigenverlag, Pfaffenhofen
[13] WTA Merkblatt 6-9 Luftdichtheit im Bestand, Teil 1: Grundlagen der Planung, Hrsg.: Wissen-
Ausgabe: 11.2015/D schaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und
Denkmalpflege e.V., Referat 6 Bauphysik, Eigenverlag, Pfaffenhofen

[14] WTA Merkblatt 6-10 Luftdichtheit im Bestand, Teil 2: Detailplanung und Ausführung, Hrsg.:
Ausgabe: 11.2015/D Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung
und Denkmalpflege e.V., Referat 6 Bauphysik, Eigenverlag, Pfaffenhofen
[15] WTA Merkblatt 6-11 Luftdichtheit im Bestand, Teil 3: Messung der Luftdichtheit, Hrsg.: Wissen-
Ausgabe: 12.2015/D schaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und
Denkmalpflege e.V., Referat 6 Bauphysik, Eigenverlag, Pfaffenhofen

[16] WTA Merkblatt 6-15 Technische Trocknung an durchfeuchteten Bauteilen, Teil 1: Grundlagen,
Ausgabe: 08.2013/D Hrsg.: Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkser-
haltung und Denkmalpflege e.V., Referat 6 Bauphysik, Eigenverlag, Pfaf-
fenhofen

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Konstruktive und geometrische Wärmebrücke

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