Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
2
▲ Der Hitzesommer 2003 brach alle Rekorde: Die rechte Karte zeigt die ▲ Die Wetter- und Klimabeobachtung des DWD unterstützt die Wind-
Temperaturabweichung im Sommer 2003 vom Temperaturmittel der kraftnutzung in Deutschland
Sommer der Referenzperiode 1961 bis 1990 (linke Karte)
Das Klima der Erde ändert sich permanent, die Kli- Der Deutsche Wetterdienst konnte durch wissen-
matologie nennt das natürliche „Klimavariabilität“. schaftliche Auswertung seiner Archive zeigen, wie sich
Dies geschieht auf kürzerer Zeitskala durch vielfältige das Klima in Deutschland geändert hat: Seit 1881 stieg
Wechselwirkungen im Klimasystem, längerfristig zum die Jahresmitteltemperatur um 1,2 Grad Celsius, also
Beispiel durch Vulkanausbrüche, Drift der Kontinente schneller als der weltweite Durchschnitt von etwa 0,8
und Veränderungen der Erdbahn. Doch seit Beginn Grad (seit 1900). Zudem nahmen im Winter die durch-
der Industrialisierung dreht auch der Mensch an der schnittlichen Niederschlagsmengen um fast zwanzig
Klimaschraube. Seitdem wird es wärmer. Ein un- Prozent zu, im Sommer blieben sie ungefähr gleich.
übersehbares Zeichen ist das rapide Abschmelzen
von Gletschereis und Meereis in der Arktis. Doch wie Auf den Klimawandel und seine Folgen für unser
stark ist der Mensch dafür verantwortlich? Welcher Land konzentriert sich der Deutsche Wetterdienst als
Anteil ist natürlich? Die Suche nach den Ursachen ist staatlicher Klimaberater. Der Bedarf an dieser Bera-
eine zentrale Aufgabe der Klimaforschung. tung wächst. Die Bundesregierung benötigt sie für
ihre 2008 gestartete „Deutsche Anpassungsstrategie
Der Klimawandel ist global, aber wird er auch unser an den Klimawandel“. Kommunen und Länder wol-
direktes Lebensumfeld in Deutschland beeinflussen? len etwa wissen, wie sie Hochwasserschutzanlagen,
Bei Fragen zu weltweiten und hiesigen, regionalen Deiche oder kommunale Abwassersysteme für die
Folgen des Klimawandels kommt der Deutsche Wet- kommenden Jahrzehnte auslegen müssen. Fehlent-
terdienst (DWD) ins Spiel. Er überwacht das Klima in scheidungen können schlimmstenfalls sogar Leben
Deutschland und nutzt Klimamodelle, um zukünftige von Menschen gefährden.
Klimaänderungen abschätzen zu können. Damit kön-
nen Aussagen über Auswirkungen des Klimawandels Ein Großteil der Naturkatastrophen in Deutschland
auf unsere Umwelt gemacht werden. Die Qualität der wird vom Wetter verursacht. Deshalb suchen Ent-
Klimamodelle lässt sich überprüfen, indem man die scheider aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft
Klimaveränderung der Vergangenheit mit dem Modell den Rat der Klimaexpertinnen und -experten des
nachberechnet und das Ergebnis mit der tatsäch- Deutschen Wetterdienstes. Andere Beispiele: Bei der
lichen Klimaveränderung in diesem Zeitraum ver- Planung einer Photovoltaikanlage können Daten des
gleicht. Hierfür sind die Klimaarchive des Deutschen Deutschen Wetterdienstes über die jährliche Sonnen-
Wetterdienstes besonders wertvoll. Bei einigen seiner einstrahlung in einzelnen Regionen genutzt werden.
Stationen reichen die „Zeitreihen“ an Wetterbeobach- Für die Planung von Windenergieanlagen bietet der
tungen bis ins 18. Jahrhundert zurück. Seit Mitte des Deutsche Wetterdienst detaillierte Winddaten an. Alle
19. Jahrhunderts kamen mit dem wachsenden mete- Dienstleistungen basieren auf den technischen Res-
orologischen Messnetz immer mehr und genauere sourcen und internationalen Kooperationen, über die
Wetterdaten hinzu. nur ein großer nationaler Wetterdienst verfügt.
3
Die Vermessung des Klimas
„Die Klimalehre wird… die Aufgabe haben, uns den mittleren Zuständen der
Atmosphäre über verschiedenen Teilen der Erdoberfläche bekannt zu machen.“
Julius Ferdinand von Hann (1839-1921), österreichischer Meteorologe
▲ Der DWD sammelt und analy- Besonders wichtige „Klimaparameter“ sind Tempe-
siert Niederschlagsdaten aus raturen und Niederschlagsmengen. Sie werden über
aller Welt: Die Grafik zeigt die
größere Zeiträume gemittelt. Ändern sie sich langfris-
Abweichung im Frühjahr 2013
tig, kann sich das direkt auf unsere Lebensumstände
vom langjährigen Frühjahrs-
mittel des Zeitraums 1961 auswirken, zum Beispiel weil die Winter milder werden
bis 1990 oder wir häufiger mit Hitzewellen rechnen müssen.
4
Aus der Vielzahl unterschiedlicher meteorologischer
Messsysteme kommen weitere Daten hinzu. Um den
Klimawandel dingfest zu machen, muss man aller-
dings die heutigen Klimadaten verlässlich mit frühe-
ren Daten vergleichen können. Dazu hat die Weltorga- ◀ Der DWD erstellt im Auftrag der
nisation für Meteorologie (WMO) eine dreißigjährige Weltorganisation für Metorolo-
gie jährlich einen Bericht über
Zeitreihe aus der Vergangenheit als Vergleichsbasis
das Klima in Europa und dem
definiert. Diese Referenzperiode umfasst den Zeit-
Mittleren Osten
raum von 1961 bis 1990 und definiert den klimatolo-
gischen „Normalzustand“. Der Deutsche Wetterdienst
verwendet zusätzlich Klimadaten der jüngeren Perio-
de 1981-2010, da in diese viele der wärmsten Jahre
seit Aufzeichnungsbeginn fallen. Sie beschreibt
also unser heutiges Klima besser.
werden Klimadaten verarbeitet. Entsprechend im-
Bäume und allgemein Pflanzen sind gute mens ist der Aufwand, der zum Beispiel hinter dem
Klimabotschafter. Die langfristige Beob- schlichten ersten Satz des Bulletins von 2007 steckt:
achtung der jährlichen Vegetationsphasen „In vielen Orten unserer Region war es das wärmste
ausgewählter Pflanzen gibt verlässliche oder zweitwärmste Jahr seit Anfang der Messungen.“
Hinweise darüber, ob sich das örtliche Klima Der Deutsche Wetterdienst spielt als einer der welt-
verschiebt. Heute blühen zum Beispiel die weit größten nationalen Wetterdienste eine zentrale
Apfelbäume in Deutschland im Schnitt 14 Tage Rolle im internationalen Daten- und Informationsaus-
früher als vor fünfzig Jahren. Die Lehre von tausch. Nur solche Anstrengungen verschaffen den
den pflanzlichen Erscheinungen, die Phänologie, Klimatologen eine möglichst genaue Datenbasis, mit
leistet also einen bedeutenden Beitrag zur Klimato- der sie den globalen Klimawandel bis ins regionale
logie. Deshalb unterhält der Deutsche Wetterdienst in Detail verfolgen können. Die Analysen des Klimabulle-
Deutschland rund 1300 phänologische Beobachtungs- tins fließen wiederum in den jährlichen WMO-Bericht
stellen. zum Zustand des globalen Klimas ein.
5
Das Klima gestern und heute
„Klima ist eine Funktion der Zeit. Es wechselt;
es ist Gegenstand von Fluktuationen; es hat eine Geschichte.“
Emmanuel Le Roy Ladurie (*1929), französischer Historiker
°C
Es wird wärmer in Deutschland: Die Grafik zeigt die Jahresmitteltemperaturen von 1881 bis 2012. Die schwarze Linie steht für den Mittelwert
der neueren Referenzperiode 1981 bis 2010. Die rote Linie stellt den langfristigen Trend als 30jähriges, gleitendes Mittel dar. Auf der rechten
Achse können die Jahresmitteltemperaturen auch als Abweichung von dem Mittelwert der Referenzperiode abgelesen werden.
Nicht nur alte Bäume sind lebende Archive der Klima- vor allem die Klimadaten aus Deutschland, aber auch
geschichte. Auch die Datenarchive des Deutschen Wet- umfangreiche Datenbestände aus Europa und der gan-
terdienstes „leben“ gewissermaßen, denn sie wachsen zen Welt. Basis der Daten sind konventionelle Beobach-
Jahr für Jahr. Gigantische hundert Milliarden Wetter- tungen über dem Land und Meer und zunehmend auch
beobachtungen aus dem Stationsnetz hat der Deutsche Fernerkundungsdaten von Satelliten und Wetterra-
Wetterdienst inzwischen angesammelt. daranlagen. Ein wichtiger Bestandteil des CDC ist ein
Datenkatalog mit einer standardisierten Beschreibung
Mit seinem Climate Data Center (CDC) (Kasten S. 19) aller vorhandenen Daten.
ermöglicht der Deutsche Wetterdienst den zentralen
Zugang auf alle historischen und aktuellen Klimada- Die wissenschaftlich aufgearbeiteten Klimadaten für
ten, die in seinem Archiv liegen. Das CDC wird künftig Deutschland reichen derzeit rund 130 Jahre zurück,
auch die projizierten Klimadaten enthalten. Das betrifft für einzelne Stationen sogar noch deutlich länger.
6
Im Seewetteramt des DWD in ▶
Hamburg lagern rund 37000
Schiffstagebücher, die Schritt
für Schritt für die Klimafor-
schung erschlossen werden.
Nationale Klimadaten: Neben dem Sammeln der aktuellen Daten ist aus kli-
• c a. 100 Milliarden Beobachtungen aus Deutschland matologischer Sicht auch das Aufarbeiten historischer
• c a. 5000 Regalmeter historische Aufzeichnungen Informationen in alten maritimen Beobachtungsta-
Globale Niederschlagsdaten: gebüchern wichtig. 37 000 solcher meteorologischer
•N
iederschlagsdaten seit 1840 mit über 40 Millionen monatlichen Schiffsjournale liegen im Hamburger Archiv des Deut-
Niederschlagsmengen von knapp 90 000 Stationen aus aller Welt schen Wetterdienstes. Sie werden nach und nach elek-
Maritim-klimatologische Daten: tronisch erfasst. Das älteste Buch ist von 1829 und
•p ro Jahr über 1,5 Millionen Schiffswettermeldungen aus fast stammt von der Bark Henriette. Solche historischen
20 Ländern Quellen dokumentieren auch die damalige Häufigkeit
• insgesamt 300 Millionen Wettermeldungen von Schiffen,
extremer Wettereignisse wie Orkane oder tropische
Automaten und Bojen aus allen Seegebieten seit 1850
Wirbelstürme.
7
Woher kommen die Daten?
„Die Atmosphäre bildet einen riesigen Ozean über uns,
aber einen wenig erforschten Ozean.“
Baden F. S. Baden-Powell (1860-1937), britischer Major und Flugpionier
8
◀ Satellitenblick
auf die Erde
Der Wetterradarverbund des DWD zeigt die Nieder- Wichtig für Photovoltaik-Betreiber: Der DWD berechnet die Globalstrahlung, hier für
schlagsmengen einer Kaltfront am 14. Juli 2010 das Jahr 2012
9
Wolken oder Schnee. Helle Wolken und weiße Land- quellen ausgleichen lassen. Für die Klimatologen kann
flächen wirken wie Spiegel, die einen beachtlichen aber schon eine durchgehend um ein Zehntel Grad
Teil der Strahlung von der Sonne ins All reflektieren. zu hoch liegende Temperatur die Frage entscheiden,
Diese kühlende „Klimaanlage“ hat großen Einfluss auf ob sich das Klima ändert. Also müssen sie Messfehler
das Erdklima. akkurat herausrechnen.
Allerdings genügt es nicht, einfach die Daten der Wet- Satellitendaten liefern eine Fülle wichtiger Informati-
tersatelliten zu archivieren. Ihre Bahnen schwanken on, die den Klimatologen anders nicht zugänglich sind.
und ihre Instrumente altern mit den Jahren. Für die Da ihre Auswertung besonderes Fachwissen erfordert,
tägliche Wettervorhersage ist das kein Problem, da arbeiten Experten mehrerer europäischer Staaten
sich die Abweichungen anhand anderer Informations- unter dem Dach der Satellitengestützten Klimaüber-
wachung (Satellite Application Facility on Climate
Monitoring, CM SAF) zusammen. Unter der Federfüh-
rung des Deutschen Wetterdienstes unterstützt das
Das Messnetz des CM SAF seit 2007 die globale Klimaüberwachung.
Deutschen Wetterdienstes Inzwischen decken die Klimazeitreihen aus den Satel-
•k
napp 2 000 haupt- und nebenamtliche Wetterwarten, litendaten die vergangenen dreißig Jahre ab.
Wetter- und Niederschlagsstationen
• 17 Wetterradarstationen Auch der Ausbau erneuerbarer Energien profitiert
• knapp 1 300 phänologische Stationen zur Pflanzenbeobachtung von CM SAF, denn der Deutsche Wetterdienst erstellt
• 9 Radiosondenstationen mit jährlich 7500 Wetterballonaufstiegen daraus Karten mit Solarstrahlungsdaten für Europa
• Wetterdaten von etwa 300 Flugzeugen und die Welt. Damit kann man zuverlässig Photovol-
• Wettermeldungen von rund 650 Handelsschiffen
taik-Anlagen planen. Erste Smartphone-Apps helfen
bereits, damit den Jahresertrag der eigenen Anlage zu
• Daten von Wettersatelliten wie Meteosat und Metop
errechnen.
10
a b
11
Foto: Fotolia
12
Forscher arbeiten an Vorhersagen und Projektionen von Wetter und Klima aus einem Guss: Die
Vorhersage des Wetters stützt sich fast ausschließlich auf den aktuellen Zustand der Atmosphä-
re. Je länger der Vorhersagezeitraum reicht, desto wichtiger werden andere Komponenten des
Klimasystems wie der Ozean und die Eisbedeckung. Bei den Klimaprojektionen, die heute bis zum
Ende des Jahrhunderts reichen, hängen die Ergebnisse der Projektionen nicht vom Anfangszu-
stand ab, sondern vor allem von der vermuteten Entwicklung der Treibhausgas-Konzentrationen.
Da besonders bei Zeiträumen, die kürzer als 10 Jahre sind, die natürlichen Einflüsse auf das
Klima und dessen systemeigene Variabilität den menschengemachten Treibhauseffekt zeitweise
überlagern können, sind Klimaprojektionen für das kommende Jahrzehnt bisher wenig aussage-
kräftig. Es besteht zwischen der Langfristvorhersage und den Klimaprojektionen noch erheblicher
Forschungsbedarf.
▲
Wenn die Klimaforschung den Blick in unsere Zukunft 21. Jahrhunderts und darüber hinaus. Die aktuellen
richtet, dann hat sie es mit drei Unbekannten zu tun. Szenarien dagegen folgen einer festgelegten Treibhaus-
Die größte Unbekannte ist die zukünftige Entwick- gaskonzentration, dem sogenannten repräsentativen
lung der Menschheit und damit ihre Produktion an Konzentrationspfad RCP (Representative Concentrati-
Treibhausgasen. Die zweite Ungewissheit steckt in on Pathway). Im Unterschied zum traditionellen Vorge-
den zwangsläufigen Vereinfachungen der Klimamodel- hen werden erst nachträglich die sozio-ökonomischen
le, denn kein Modell kann alle Vorgänge an allen Or- Entwicklungen an die zu erreichende Konzentration
ten in der Atmosphäre im Detail erfassen. Die dritte angepasst. Dieses Vorgehen erlaubt somit politische
Unbekannte sind Wechselwirkungen im Klimasystem, Vorgaben hinsichtlich der Emissionsminderung und
die noch weiter zu erforschen sind. Anpassungsmaßnahmen zu berücksichtigen.
Entscheidend für das Klima der Zukunft wird sein, Die verschiedenen Szenarien speist die Klimafor-
wie viele Menschen zukünftig die Erde bevölkern schung in ihre Klimamodelle ein. Die Modelle er-
und wie sie leben werden. Wie wird sich die Welt- rechnen dann auf Basis dieser Annahmen, wie sich
wirtschaft entwickeln? Werden unsere Technologien das Klima der Zukunft entwickeln könnte. Wegen
effizienter, so dass wir weniger Treibhausgase pro- der Ungewissheiten ist das Ergebnis natürlich keine
duzieren? Einfache Antworten auf diese Fragen gibt hundertprozentig sichere Vorschau in eine mögliche
es nicht. Der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Zukunft, sondern eine Klimaprojektion. Diese besagt,
Panel on Climate Change) arbeitet deshalb mit ver- wie sich das Klima im angenommenen Szenario wahr-
schiedenen denkbaren Antworten auf diese Fragen. scheinlich entwickeln wird. Auch Expertinnen und
Experten des Deutschen Wetterdienstes arbeiten an
Die bisherigen Entwicklungsszenarien des IPCC erzähl- den IPCC-Berichten mit. Sie prüfen Teile des Berichts
ten mögliche „Zukunftsgeschichten“ der Menschheit als Regierungsgutachter, bringen aber auch eigene
und ihrer Treibhausgasemissionen bis zum Ende des Beiträge ein.
13
Regionalisierung von Klimaprojektionen – Aussagen über zukünftige, kleinräumige Auswirkungen des Klimawandels stehen am Ende einer
komplexen Modellkette. Den Anfang geben Zukunftsszenarien zur weltweiten Entwicklung von Treibhausgas-Emissionen vor. Aus ihnen
errechnen globale Klimamodelle Zukunftsprojektionen, die wiederum feiner gerasterte Regionalmodelle antreiben. Wirkmodelle verfeinern
deren Ergebnisse schließlich zu speziellen lokalen Aussagen, zum Beispiel über die Veränderung eines Stadtklimas.
Wenn man verstehen will, was Klimamodelle simu- Kohlendioxid in der Luft, hebt so die Temperatur an
lieren, muss man sich die echte „Klimaküche“ an- der Erdoberfläche auf angenehme durchschnittliche
schauen. Unsere „Zentralheizung“ ist die Sonne. Ein 14 Grad Celsius. Ohne ihn wären es bittere minus 18
Teil ihrer Strahlung dringt durch die Erdatmosphäre Grad kalt. Solange der Anteil der Treibhausgase in der
bis zum Boden. Er heizt sich auf und erwärmt die Atmosphäre nicht zu groß wird, sind sie also gut für
Luft von unten. Ein anderer Teil wird bereits von der uns. Allerdings haben wir Menschen seit Beginn der
Atmosphäre aufgenommen. Am Ende strahlt die Erde Industrialisierung zum Beispiel den Kohlendioxidan-
zusammen mit der Atmosphäre die komplette Energie teil um rund 40 Prozent hochgetrieben. Der Mantel
des Sonnenlichts wieder ins Weltall zurück. Andern- um die Erde droht, zu warm zu werden.
falls würde sie sich immer mehr aufheizen.
Diese Strahlungsbilanz berechnen die Klimamodelle.
Doch die Erde „übersetzt“ dabei, grob gesagt, sicht- Ganz am Anfang stehen die Globalmodelle. Sie simu-
bares Sonnenlicht in langwellige Wärmestrahlung. lieren das Klima der gesamten Erde und müssen dabei
Dieser recht komplexe Übersetzungsprozess treibt komplexe Prozesse im „Erdsystem“ erfassen. Dazu
die Wetterküche an. Dabei kommen die Treibhausgase zählt auch der starke Einfluss der Ozeane auf das Kli-
ins Spiel. Sie wirken wie ein wärmender Mantel für ma. Sie transportieren Wasser, das die Sonne am Äqua-
die Erde, denn sie verzögern sozusagen die kühlen- tor erwärmt hat, in die Polarregionen und heizen diese
de Energieabgabe zurück ins Weltall. Der natürliche auf. Gäbe es den Golfstrom zum Beispiel nicht, dann
„Treibhauseffekt“, vor allem durch Wasserdampf und hätten wir in Deutschland ein deutlich kälteres Klima.
14
Klimamodelle
Der DWD verfügt zurzeit über ein
Ensemble von mehr als 40 Klimaprojek-
tionen basierend auf 3 Klimaszenarien,
5 globalen Klimamodellen und 13
Vom Globalmodell zum Wirkmodell
Regionalmodellen.
Globalmodelle haben allerdings nur eine grobe Auflö-
sung. Ihr Rechengitter, mit dem sie den Globus wie ein
Strumpf überziehen, hat eine „Maschenweite“ von 200
bis 500 Kilometern. Feiner gestrickte Globalmodelle Land- und Forstwirtschaft, den Wasserhaushalt oder
würden die Rechenleistung heutiger Supercomputer die Gesundheit simulieren. Erst damit können Politik
überfordern. Um die Folgen des Klimawandels zum und Wirtschaft geeignete Anpassungsstrategien an
Beispiel für Deutschland zu simulieren, braucht man die Folgen des Klimawandels entwickeln.
daher Regionalmodelle, welche die Ergebnisse der
Globalmodelle verfeinern. Sie überdecken ein kleine- Klimamodelle simulieren wie die numerischen Mo-
res Gebiet, lösen dessen Strukturen aber viel genauer delle der Wettervorhersage die physikalischen Vor-
auf. So können sie den Einfluss von Gebirgen, Seen gänge in der Atmosphäre. Wegen der verschiedenen
oder der Landnutzung, zum Beispiel durch Landwirt- Zeitspannen, die sie umfassen, werden sie aber
schaft, besser einbeziehen. unterschiedlich „angetrieben“. Wettermodelle brau-
chen eine sehr präzise Eingabe des Ist-Zustands
Somit zeichnen Regionalmodelle ein detaillierte- der Atmosphäre, um das Wetter in den kommenden
res Bild über den wahrscheinlichen Klimawandel in Tagen vorherzusagen. Für Klimamodelle sind dagegen
Deutschland. Allerdings bleibt die Frage, wie dieser langfristige Veränderungen der Atmosphäre entschei-
sich konkret auf unser direktes Lebensumfeld aus- dend, etwa steigende Treibhausgas-Konzentrationen.
wirken wird. Die Antwort darauf liefern „Wirkmodel- Wegen dieser verschiedenen „Betriebsarten“ klafft
le“, die der Deutsche Wetterdienst für verschiedene derzeit zwischen den Wetter- und den Klimamodellen
Anwendungen entwickelt und betreibt. Stadtklima- eine „Vorhersage“-Lücke im Bereich eines Jahres und
modelle zum Beispiel zeigen, welche Auswirkung der eines Jahrzehnts. Der Deutsche Wetterdienst beteiligt
Klimawandel in einer Stadt haben kann. Es gibt auch sich an den Forschungsarbeiten zu einem Modellsys-
Wirkmodelle, die den Einfluss des Klimawandels auf tem, das diese Lücke schließen soll.
15
Foto: Fotolia
16
Hochwasser in Hamburg
▲
Besonders kritisch kann es im warmen Oberrhein-
graben werden. In Mannheim etwa gibt es bisher
durchschnittlich nur alle 25 Jahre einen Tag mit einer
Höchsttemperatur von 39 Grad Celsius oder mehr.
2100 werden wahrscheinlich im Mittel vier Tage im
Jahr so heiß werden. Besonders belastend ist das für
Senioren und Menschen mit Herzkreislauferkran-
kungen. Daher betreibt der Deutsche Wetterdienst
Foto Matthias Küttgen (PandaMedia.net)
ein Hitzewarnsystem. Auf dieser Basis können sich
Seniorenheime und Gesundheitsämter rechtzeitig auf
Hitzewellen vorbereiten.
17
Mehr heiße Tage mit Höchst-
temperaturen von mindes-
tens 30 Grad Celsius
Häufigere Ernten, aber auch Trockenheit serwirtschaft) erforscht der Deutsche Wetterdienst
Pflanzen reagieren schon längst auf die Klimaerwär- gemeinsam mit Bayern, Baden-Württemberg und
mung. Bis Ende des Jahrhunderts könnte die Vegetation Rheinland-Pfalz, wie sich dort der Klimawandel auf
in Deutschland im Frühjahr zwei Wochen eher starten. den Wasserhaushalt in den einzelnen Regionen aus-
Für die Landwirtschaft birgt das Risiken und Chancen. wirkt. Seine Modellsimulationen zeigen, mit welchen
So könnte eine früher einsetzende Obstblüte stärker Hochwasserszenarien die Kommunen in Zukunft rech-
durch Nachtfröste bedroht sein. In manchen Regionen nen müssen. Bayern und Baden-Württemberg verstär-
könnten künftig aber auch zwei Ernten im Jahr möglich ken bereits Hochwasserschutzanlagen und schaffen
sein. Allerdings drohen auch verstärkt Trockenperioden überflutbare Ausgleichsflächen an Flüssen.
im Frühjahr und im Sommer, die die Ernten gefährden.
Die Agrarklimatologen des Deutschen Wetterdienstes Für solche Anpassungsstrategien ist der Deutsche
helfen Landwirten, sich auf diesen Klimawandel ein- Wetterdienst ein wichtiger Berater. Das gilt auch für
zustellen. Ihre Erkenntnisse fließen in eine praxisnahe die Folgen anderer extremer Wetterereignisse. Neben
Beratung, die zum Beispiel Ertragsschwankungen in Hochwassern verursachen vor allem Stürme große
der Landwirtschaft verringern kann. Schäden. 2007 forderte der Orkan Kyrill zum Beispiel
13 Todesopfer und verursachte Schäden von 2,4
Milliarden Euro.
Extreme Wetterereignisse
Besonders wichtig für den Bevölkerungsschutz ist Deshalb arbeitet der Deutschen Wetterdienst eng mit
die Frage, ob mit dem Klimawandel die Anzahl extre- dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katas-
mer Wetterereignisse in Deutschland steigen könnte. trophenhilfe (BBK) zusammen. Zum Beispiel werden
Tatsächlich deuten die Klimaprojektionen darauf hin, detaillierte Statistiken über extreme Wetterereignisse
dass etwa Starkniederschläge vermehrt auftreten der Vergangenheit erstellt, um stärker gefährdete
könnten – besonders im Winter. Im Projekt KLIWA Regionen auszumachen und sich auf dort zukünftig
(Klimaveränderungen und Konsequenzen für die Was- häufigere Bevölkerungsschutzeinsätze vorzubereiten.
18
Foto Fotolia
Damit Feuerwehren, Polizei und das Technische Hilfs- einzustellen. Der Deutsche Wetterdienst deckt mit
werk schnell auf heraufziehende Unwetter reagieren seinen Klimaservices bereits alle Komponenten des
können, hat der Deutsche Wetterdienst automatische GFCS ab und bringt sein Expertenwissen in nationa-
Frühwarnsysteme aufgebaut. len und internationalen Gremien ein.
19
Impressum
Text: Roland Wengenmayr, www.roland-wengenmayr.de
Redaktion: Uwe Kirsche, DWD
Fotos und Abbildungen: DWD (wenn nicht anders gekennzeichnet)
Gestaltung: monista Mediendesign, www.monista.de
Druck: Druckerei der BMVBS
Papier: Dieses Produkt stammt aus nachhaltig
bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten Quellen.
Titelfoto: Claudia Hinz
DWD 2. Auflage 10.000 / 02.14