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ROUNDUP 3: Deutsche Industrie fordert härteren Kurs gegenüber China

(neu: DIHK-Statement)

BERLIN/PEKING (dpa-AFX) - Dumping-Preise, Übernahmen europäischer Hightech-Firmen, staatliche Eingriffe - China


wird auch mit umstrittenen Methoden zur wirtschaftlichen Supermacht. Die deutsche Industrie schlägt Alarm. Sie fordert
einen härteren Kurs gegenüber Peking. Die Marktwirtschaft müsse "widerstandsfähiger" gemacht werden, heißt es in
einem Grundsatzpapier des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). "Zwischen unserem Modell einer liberalen,
offenen und sozialen Marktwirtschaft und Chinas staatlich geprägter Wirtschaft entsteht ein Systemwettbewerb."

Kernaussage des am Donnerstag vorgestellten Papiers ist: Die europäische und deutsche Industrie mit dem Modell einer
liberalen und sozialen Marktwirtschaft ist noch in einer starken Position auf dem Weltmarkt. Doch China wird immer
stärker - und die EU muss aufpassen, bei Zukunftstechnologien wie der Künstlichen Intelligenz nicht den Anschluss zu
verlieren. Deswegen müsse die EU ihre Instrumente nachschärfen und der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt mehr
entgegensetzen. "Der Systemwettbewerb mit China zwingt uns dazu, strategischer und langfristiger zu denken", heißt es
in dem Papier.

China entwickle sich entgegen früherer Erwartungen absehbar nicht hin zu Marktwirtschaft und Liberalismus, so BDI-
Präsident Dieter Kempf. Das Land verzerre durch staatliche Eingriffe Märkte und Preise. Die Folge seien weltweite
Überkapazitäten etwa bei Stahl. Künftig sei damit auch zum Beispiel bei Robotik oder Batteriezellen zu rechnen.

Der BDI legt 54 Forderungen vor, damit Europa und Deutschland wettbewerbsfähiger gegenüber dem chinesischen
Staatskapitalismus werden können. Unter anderem müssten das EU-Beihilferecht und die Anti-Subventions-Instrumente
geschärft werden. Europa müsse effektiv gegen Firmen vorgehen können, die nicht in der EU produzieren und staatliche
Subventionen erhalten.

Zwar seien ausländische Investitionen auch aus China grundsätzlich willkommen. Es solle aber eine Subventionskontrolle
eingeführt werden, die staatlich finanzierte Übernahmen europäischer Technologieunternehmen untersuchen und notfalls
verhindern soll. In der öffentlichen Auftragsvergabe sollten hohe Qualitätsstandards ein Muss werden, Dumping-Preise
ausländischer Anbieter müssten auf Subventionen durchleuchtet werden können.

Auch die EU-Fusionskontrolle müsse man anpassen. Während in China durch Eingriffe der Regierung im weltweiten
Maßstab Großkonzerne geschmiedet werden, berücksichtigen die EU-Wettbewerbshüter als relevanten Markt bei
europäischen Fusionen allein den hiesigen Binnenmarkt. "Hier sollte gegengesteuert und das vom Markt getriebene
Bilden europäischer Champions zugelassen werden."

Die EU-Kommission prüft derzeit die Zusammenlegung der Zugsparten von Siemens und Alstom - Hintergrund ist die
Konkurrenz des weltgrößten Bahnkonzerns CRRC aus China. Medienberichten zufolge steht die Fusion aber wegen
Bedenken der EU-Wettbewerbshüter auf der Kippe.

Siemens-Chef Joe Kaeser warnte indirekt vor einem Scheitern: "Die beabsichtigte Formung eines global agierenden
europäischen Champions in der Bahntechnik wird ein prominenter Testfall werden, ob die Europäische Union verstanden
hat, wie man mit umsichtiger und langfristig angelegter Unternehmenspolitik nachhaltige Antworten auf staatsgelenkte
Firmenpolitik findet", sagte er. Der künftige Chef des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft sprach sich für
eine langfristig orientierte China-Strategie von Wirtschaft und Politik aus.

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sieht Herausforderungen, setzt aber andere Akzente.
Außenwirtschaftschef Volker Treier sagte: "Gemeinsam mit der Wirtschaft sollte die Politik gegenüber unseren
chinesischen Partnern auf eine Öffnung der Wirtschaft für ausländische Unternehmen pochen." China biete auch in
Zukunft enorme Geschäftschancen für deutsche Unternehmen.

China ist wichtigster Handelspartner Deutschlands außerhalb der EU. Das Reich der Mitte versucht seit Jahren, über
Firmenkäufe Spitzentechnologie zu übernehmen und über Investitionen in die Infrastruktur politischen Einfluss zu
gewinnen. Das Hauptvehikel ist die "neue Seidenstraße". Bis 2049, zum 100. Geburtstag der Volksrepublik, will China
technologisch Weltspitze sein.
Die deutsche Industrie wolle auch weiterhin die Chancen des wirtschaftlichen Austausches mit China nutzen, betonte
Kempf. Direkte Markteingriffe sollten in Europa die Ausnahme bleiben. Jedoch dürfe niemand die Herausforderungen, vor
die China die EU und Deutschland stelle, ausblenden: "Ohne in unsere Infrastruktur zu investieren, unsere
Bildungssysteme zu verbessern und die Forschung und Entwicklung in Zukunftsbranchen zu fördern, haben wir wenig
Chancen, mit einem China zu konkurrieren, das genau diese Dinge tut."

Der chinesische Markt müsse sich außerdem für ausländische Investoren weiter öffnen: "Während chinesische
Unternehmen bisher einen relativ freien Zugang zum EU-Binnenmarkt genießen, gilt dies umgekehrt nicht in gleichem
Maße für ausländische Unternehmen in China." Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sieht
Herausforderungen, setzt aber in einem im Dezember vorgelegten Aktionsplan andere Akzente und auf einen "Wandel
durch Handel".

Der Präsident des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, bescheinigte deutschen Managern und Politikern,
"viel zu naiv" zu sein. Der "Wirtschaftswoche" sagte er: "Als der China-Boom begann, war unsere Annahme, dass sich
Marktwirtschaft, Liberalismus und Demokratie einander bedingen, wir also nur lange genug Freihandel treiben müssen,
damit China zu einer Demokratie wird."

Die Grünen-Politikerin Kerstin Andreae sagte: "Es ist wichtig und richtig, dass Deutschland und Europa eine
selbstbewusstere Haltung gegenüber China an den Tag legen. Die Bundesregierung agiert hier viel zu zurückhaltend,
obwohl neben Chinas Staatskapitalismus auch die protektionistische Politik der USA genug Anlässe bieten, eine breite
industriepolitische Strategie zu entwickeln."/hoe/DP/jha

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