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1. April 2022
© Maria G. Westdickenberg and Michael Westdickenberg
All Rights Reserved, 2016
These notes are based on the rst semester course on mathematics for students from Physics
and Electrical Engineering at the RWTH Aachen University. Many thanks go to Josef
Bemelmans for generously sharing the lecture notes that he had written while teaching
the course for many years at the RWTH. In addition, Till Knoke is gratefully acknowledged
for his help in compiling the original notes and creating the rst gures. We thank Harald
Günzel and Sebastian Noelle for additional comments on the document. We also gratefully
acknowledge Philippe Suchsland for his careful editing, expansion, and enhancement of the
notes during Summer Semester, 2016. Finally, thanks go to all of the students who have
asked and answered questions each term.
Inhaltsverzeichnis
2 Vektorräume 35
2.1 Der Vektorraum Rn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2.2 Weitere Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3 Reelle Funktionen 44
3.1 Denition und erste Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
3.2 Die Umkehrfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
3.3 Neue Funktionen aus Alten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
3.4 Polynome und rationale Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
3.5 Trigonometrische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
4 Zahlenfolgen 62
4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.2 Allgemeine Konvergenz und Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
4.3 Die Exponentialfunktion und der Logarithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
4.4 Bolzano-Weierstraÿ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
6 Dierentialrechnung 123
6.1 Lineare Approximation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
6.2 Die Ableitung in einem Punkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
6.3 Die abgeleitete Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
6.4 Rechenregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
6.5 Der Mittelwertsatz der Dierentialrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
6.6 Optimierungsprobleme, Monotonie und Konvexität . . . . . . . . . . . . . . 142
6.7 Randextrema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
6.8 Das Newtonsche Verfahren (reprise) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
6.9 Globale Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
6.10 Ableitung der Umkehrfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
6.11 Zusammenfassendes Beispiel mit Kurvendiskussion . . . . . . . . . . . . . . 157
9 Klausur 218
9.1 Struktur der Klausur und Beispielaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
9.2 Weitere Klausurähnlichefragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
9.3 Formelblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
Appendices 224
A Notation 225
x ∈ A.
Wir sagen, dass A das Element x enthält, dass x in A enthalten ist, oder, dass x zu A gehört.
Wenn x nicht zu A gehört, schreiben wir
x∈
/ A.
Beispiel.
Die geschweiften Klammern {. . .} zeigen an, dass wir es mit einer Menge zu tun haben.
Alternativ kann man Mengen denieren, indem man eine denierende Eigenschaft angibt.
Beispiel. Die Menge aller natürlichen Zahlen x, die die Gleichung x2 − 3x + 2 = 0 erfüllen.
{x : x ∈ N und x2 − 3x + 2 = 0}.
Der Doppelpunkt : zeigt an, dass danach die denierende Eigenschaft folgt.
Vier Mengen, die Sie schon kennen und mit denen wir oft arbeiten werden, sind
R = x : x = m, α1 α2 α3 . . . mit m∈Z und αi ∈ {0, 1, . . . , 9} .
Beispiel. 0, 5 ist eine rationale Zahl und eine reelle Zahl. 2 gehört zu N, Z, Q und R.
Bemerkung. Die Darstellung einer reellen Zahl als Dezimalbruch ist nicht eindeutig, zum
Beispiel sind 1, 000 . . . und 0, 999 . . . dieselbe Zahl, nämlich 1.
Jede natürliche Zahl ist auch eine ganze (rationale, reelle) Zahl. Das führt uns zu folgender
A ⊆ B.
x∈A =⇒ x ∈ B.
Wir werden zeigen, dass A ⊆ B. Wenn x∈A ist, dann gilt (Nachrechnen)
Im Beispiel oben ist A ⊆ B und A ist kleiner als B in dem Sinne, dass A weniger
Elemente enthält. Das Intervall (0, 1) ⊆ [0, 1] ist auch kleiner als [0, 1] in einem gewissen
Sinn, aber beide Mengen enthalten unendlich viele Elemente. Der Begri, den wir hier
formulieren möchten, ist der Begri einer echten Teilmenge.
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A ⊊ B.
Bemerkung (Notation). Manche Mathematiker schreiben A⊂B für A ist eine Teilmenge
von B. Manche Mathematiker schreiben A ⊂ B für A ist eine echte Teilmenge von B.
Wie immer in der Mathematik muss man die Notation präzise denieren und konsequent
benutzen. In diesem Kurs benutzen wir die Notation aus Denition 1.1.1 und 1.1.2.
C := {x ∈ Z : x2 + y 2 < 2x + 8 und y ∈ Z}
gleich der Menge B ist, die wir im obigen Beispiel deniert haben. Wir bemerken, dass C
die Menge aller Zahlen beschreibt, die die x-Koordinate eines Paares ganzer Zahlen ist, das
in einem oenen Kreis mit dem Radius 3 und dem Ursprung (1, 0) liegt. Tatsächlich gilt
Um Gleichheit zweier Mengen zu zeigen, ist die folgende Bemerkung oft sehr nützlich.
(iii) x∈
/A und x ∈ B,
(iv) x∈
/A und x∈
/ B.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 4
Also gilt A⊆B und B ⊆ A genau dann, wenn jedes x entweder (i) oder (iv) erfüllt, was
A=B entspricht.
Wenn wir beweisen möchten, dass zwei Mengen gleich sind, ist es oft am einfachsten (1.1.1) in
zwei Schritten zu beweisen. Dies üben wir unten, nachdem wir an die Begrie von Vereinigung
und Schnitt erinnert haben.
{x : x ∈ A oder x ∈ B} =: A ∪ B.
{x : x ∈ A und x ∈ B} =: A ∩ B.
Bemerkung. In der vorigen Grak entspricht A∪B den Mengen (i), (ii) und (iii). A ∩ B
entspricht (i).
A ∩ (B ∪ C) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C). (1.1.2)
Lösung.
Sei x ∈ A ∩ (B ∪ C).
⇒ x ∈ A und x ∈ B ∪ C
⇒ x ∈ A und (x ∈ B oder x ∈ C)
⇒ (x ∈ A und x ∈ B) oder (x ∈ A und x ∈ C)
⇒ x ∈ A ∩ B oder x ∈ A ∩ C
⇒ x ∈ (A ∩ B) ∪ (A ∩ C).
Also gilt
A ∩ (B ∪ C) ⊆ (A ∩ B) ∪ (A ∩ C). (1.1.3)
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 5
Andersherum gilt
Sei x ∈ (A ∩ B) ∪ (A ∩ C).
⇒ x ∈ A ∩ B oder x ∈ A ∩ C
⇒ (x ∈ A und x ∈ B) oder (x ∈ A und x ∈ C)
⇒ x ∈ A und (x ∈ B oder x ∈ C)
⇒ x ∈ A und x ∈ B ∪ C
⇒ x ∈ A ∩ (B ∪ C).
Also gilt
(A ∩ B) ∪ (A ∩ C) ⊆ A ∩ (B ∪ C). (1.1.4)
{x ∈ A : x ∈
/ B} =: A \ B.
Übung 1.1.5
Zeigen Sie, dass
(A \ B) \ C = A \ (B ∪ C).
A \ (B ∪ C) = (A \ B) ∩ (A \ C),
A \ (B ∩ C) = (A \ B) ∪ (A \ C),
Bemerkung. Vereinigung und Schnitt können analog für mehr als zwei (beliebig viele)
Mengen deniert werden. Ebenso lassen sich die DeMorgansche Gesetze verallgemeinern.
(ii) Anordnungsaxiome
Axiom
Bemerkung. Ein Körper ist eine Menge zusammen mit einer Addition + und einer Multipli-
kation ·, so dass (G), (A1)-(A4), (M1)-(M4) und (D) gelten. Welche der Körpereigenschaften
erfüllen N, Z, Q, R \ Q (mit +, · aus R)?
Bemerkung. Oft schreiben wir ab anstatt a · b. Wenn a·b+a·c oder ab + ac geschrieben
wird, interpretieren wir den Ausdruck als (a · b) + (a · c). Das heiÿt, wir folgen der Regel,
dass Multiplizieren zuerst ausgeführt wird.
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Ein Hauptziel der ersten Vorlesung ist zu verstehen, wie wir aus den 10 oben genannten
Axiomen Folgerungen ziehen. Zum Beispiel haben wir nicht angenommen, dass das neutrale
Element der Addition und das neutrale Element der Multiplikation eindeutig bestimmt sind.
Anstattdessen beweisen wir jetzt, dass Eindeutigkeit aus den algebraischen Axiomen folgt.
Ähnlich folgt, dass das zu a inverse Element der Addition und das zu a inverse Element der
Multiplikation eindeutig sind.
(i) Das neutrale Element der Addition und das neutrale Element der Multiplikation
sind eindeutig bestimmt.
Bemerkung. Angesichts der Eindeutigkeit ergibt es Sinn dem inversen Element einen Namen
zu geben:
a − b := a + (−b),
a
:= a · b−1 .
b
Beweis von Satz 1.2.1. zu (i) : Wir nehmen an, dass für 0, x ∈ R gilt
0 + x = 0.
1 · x = 1.
Also gilt
a+b = a+c
⇒ b + (a + b) = b + (a + c)
(1.2.1),(A2)
⇒ b+0 = (b + a) + c
(A3), (A1)
⇒ b = (a + b) + c
(1.2.1)
= 0+c
(A1)
= c+0
(A3)
= c.
zu (iii) : Übung
Bemerkung. Wir werden Eindeutigkeit sehr oft (wenn nicht immer) durch diese Methode
beweisen. (Man nimmt an, man hat zwei Elemente/Lösungen/... und zeigt, dass sie gleich
sind.)
Aus den algebraischen Axiomen kann man auÿerdem die üblichen algebraischen Regeln
der reellen Zahlen schlieÿen, zum Beispiel:
Satz 1.2.2
Es gilt
a + (−a) = 0
(i)
= (1 − 1) · a
(D)
= 1 · a + (−1) · a
(M3)
= a + (−1) · a.
−a + a + (−a) = −a + a + (−1) · a
(A1)
⇒ −a = (−1) · a.
Noch praktischer ist die Folgerung, dass wir Gleichungen der Form
lösen können.
a + x = b.
a · x = b. (1.2.2)
Bemerkung. Das genau oben sagt uns, dass wir beweisen müssen, dass die Lösung eindeutig
deniert ist. Wir werden in einem Schritt Existenz einer Lösung zeigen und in einem zweiten
Schritt Eindeutigkeit der Lösung zeigen.
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a·x = a · (a−1 · b)
(M2)
= (a · a−1 ) · b
(M4)
= 1·b
(M1)
= b·1
(M3)
= b.
Beispiel. Was ist das neutrale Element der Addition? Was ist das neutrale Element der
Multiplikation?
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(x, y) ⊕ (0, 0) = (x + 0, y + 0)
(A3) für R
= (x, y),
und, dass
(x, y) ⊙ (1, 0) = (x · 1 − y · 0, x · 0 + y · 1)
(M3) für R, Satz 1.2.2 (i)
= (x − 0, 0 + y)
(A3) für R
= (x, y).
Bemerkung. Die algebraischen Axiome der reellen Zahlen werden benutzt um zu zeigen,
dass C (G), (A1)-(A4), (M1)-(M4) und (D) erfüllt. Das heiÿt, wir nehmen die Eigenschaften
für R an, aber wir zeigen, dass C die Eigenschaften erfüllt.
Sie können selber die verschiedenen Aussagen für C testen. Als Beispiel zeigen wir, dass
z = x + iy
i2 = −1.
Denition 1.2.4
Für eine komplexe Zahl z = x + iy nennen wir x den Realteil und y den Imaginärteil
der Zahl. Wir schreiben dafür
x = ℜ(z), y = ℑ(z).
z̄
bezeichnet.
Man bemerkt:
z + z̄ = 2 ℜ(z), z − z̄ = 2ℑ(z)i.
Wichtige Bemerkung: Da C (G), (A1)-(A4), (M1)-(M4) und (D) erfüllt, erhalten wir
umsonst, dass die Sätze 1.2.1 - 1.2.3 auch für C gelten. Das gilt allgemein für alle Sätze,
die aus den Axiomen folgen. Darin liegt der Vorteil, eine saubere, elementare Struktur zu
erkennen und zu benutzen.
Axiom
a < b, b < a, a = b.
(O2) (Transitivität)
Wenn a<b und b<c ist, so gilt a < c.
(O3) (Monotoniegesetz der Addition)
Wenn a<b ist, so gilt a+c<b+c für alle c∈R
(O4) (Monotoniegesetz der Multiplikation)
Wenn a<b ist, so gilt a·c<b·c für alle c∈R mit c > 0.
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Satz 1.2.5
Für reelle Zahlen a, b, c, d gilt:
(vi) a·b>0 ⇔ entweder a>0 und b>0 oder a<0 und b < 0.
Notation 1.2.6
Gilt für eine Zahl a ∈ R, dass a > 0 (bzw. a < 0), dann nennen wir a positiv (bzw.
negativ). Ein a ∈ R mit a ≥ 0 (bzw. a ≤ 0) nennen wir nichtnegativ (bzw. nichtpositiv).
Als Beispiel zeigen wir (vi) . Wenn wir eine genau dann, wenn-Aussage beweisen möchten,
werden wir oft erst eine und danach die andere Richtung zeigen. Dies üben wir jetzt.
Beweis. Schritt 1: (Rückrichtung) Zu zeigen ist: Wenn a, b beide positiv oder beide
negativ sind, dann ist das Produkt a·b positiv.
Fall 1: Wir zeigen: Wenn a>0 und b > 0, dann gilt a · b > 0.
Da b>0 ist, schlieÿen wir aus 0 < a und (O4), dass
a · b > 0.
Jetzt können wir (O4) nicht direkt anwenden, da b nicht positiv ist. Zuerst zeigen wir,
dass das zu b inverse Element der Addition doch positiv ist (Teil (iii) von Satz 1.2.5).
Nach (O3) gilt
b + (−b) < 0 + (−b)
(A1), (A3)
⇒ b + (−b) < −b
(A4)
⇒ 0 < −b.
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Andererseits bemerken wir, dass a · (−b) das zu a·b inverse Element der Addition ist:
(D)
a · b + a · (−b) = a · (b − b) = 0 (1.2.4)
⇒ a · (−b) = −(a · b).
Aus (1.2.4) und (1.2.3) schlieÿen wir −(a · b) < 0, woraus folgt (wie oben), dass
a · b > 0.
Also impliziert a>0 und b>0 oder a<0 und b < 0, dass a · b > 0.
Schritt 2: (Hinrichtung)
Hier ist zu zeigen, dass a·b>0 impliziert a>0 und b>0 oder a<0 und b < 0.
Nach (O1) gibt es neun Fälle:
entweder a>0 und b>0
oder a>0 und b=0
oder a>0 und b<0
oder a=0 und b>0
oder a=0 und b=0
oder a=0 und b<0
oder a<0 und b>0
oder a<0 und b=0
oder a<0 und b < 0.
(O4)
a·b=b·a < 0·a
(M1)
= a·0
Satz 1.2.2 (i)
= 0.
Analog, wenn a<0 und b > 0. Also bleiben nur die einzige Möglichkeiten a, b > 0 oder
a, b < 0.
Prüfen Sie, ob Sie die anderen Aussagen aus Satz 1.2.5 beweisen können.
Bemerkung. Eine Anordnung mit den Eigenschaften (O1)-(O4) kann es für die komplexen
Zahlen nicht geben, denn Satz 1.2.5 (vii) würde implizieren
1 = 12 > 0 (1.2.5)
−1 = i2 > 0, (1.2.6)
1 < 0, (1.2.7)
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Bemerkung. Wir werden einen indirekten Beweis schreiben. Sobald Sie einen direkten
Beweis schreiben können, machen Sie es. Sie sind oft nützlicher und leichter zu verstehen.
Wenn Sie keinen direkten Weg nden, probieren Sie einen indirekten Beweis.
p2
= 2. (Warum?)
q2
Also gilt
p2 = 2q 2 . (1.2.8)
Wir dürfen annehmen (warum?), dass p und q keine gemeinsamen Faktoren haben.
2 2
Nach (1.2.8) ist p gerade. Wenn p ∈ N ist und p gerade ist, dann ist p gerade. (Warum?)
2 2 2 2 2
Aber dann impliziert (1.2.8), dass q gerade ist mit p = 4 · s , s ∈ N ⇒ 2 · s = q . Wir
schlieÿen daraus, dass q gerade ist, was widerspricht, dass p und q keine gemeinsamen
Faktoren haben.
Übung 1.2.8
Gibt es eine rationale Zahl r, so dass
r2 = 3?
r2 = 4?
Dann nennen wir s eine obere Schranke von A. Falls es keine solche Zahl gibt, dann
sagen wir, dassA nach oben unbeschränkt ist.
Die Menge A heiÿt von unten beschränkt (oder: nach unten beschränkt), falls es eine
Zahl s ∈ R gibt, so dass
x≥s für alle x ∈ A.
Dann nennen wir s eine untere Schranke von A. Falls es keine solche Zahl gibt, dann
sagen wir, dass A nach unten unbeschränkt ist.
Wenn A eine obere und eine untere Schranke besitzt, dann sagen wir, dass A
beschränkt ist.
Wenn A nach oben oder nach unten unbeschränkt ist, dann sagen wir, dass A
unbeschränkt ist.
Bemerkung. Nach der Denition ist jede Menge beschränkt oder unbeschränkt.
Beispiel. Sind die folgenden Mengen nach oben/unten beschränkt? Wenn ja, was ist eine
O
obere/untere Schranke der Menge?
1 {1, 2, 5, 9}
O2 (0, 5]
O3 (−∞, 9) ∪ (8, 10)
O4 Q
O5 x ∈ R : x = 1 + n1 , n ∈ N .
Man merkt, dass die obere Schranke einer (beschränkten) Menge nicht eindeutig deniert
ist. Z.B. ist 6 eine obere Schranke von (0, 5], aber das Gleiche gilt auch für 5 und 7. In der
Tat gilt: wenn s eine obere Schranke von einer Menge A ist, dann gilt das auch für
Wir schreiben
s = sup A.
Analog: Sei A⊆R nicht leer und nach unten beschränkt. Dann heiÿt s∈R die gröÿte
untere Schranke von A oder das Inmum von A, wenn gilt:
Wir schreiben
s = inf A.
Wenn die nichtleere Menge A⊆R nicht nach oben beschränkt bzw. nicht nach unten
beschränkt ist, dann ist
Bemerkung. (i) und (ii) besagen, dass s eine obere Schranke von A ist und dass alle anderen
oberen Schranken gröÿer gleich s sind.
Wenn wir mit Suprema arbeiten, hilft es manchmal die folgende alternative Charakterisierung
zu benutzen.
Lemma 1.2.11. Es sei A ⊆ R eine nichtleere Menge. Genau dann ist eine Zahl s∈R das
Supremum von A (also s = sup A), wenn gilt:
(ii)' Wenn für ein s′ ∈ R gilt s′ < s, dann existiert ein x ∈ A, so dass x > s′ .
A und B sind nach oben beschränkt und haben beide das Supremum 5. Der Unterschied ist,
dass A sein Supremum enthält.
Also besitzt in (1.2.9) B kein Maximum. Analog besitzen beide Mengen kein Minimum.
Man könnte enttäuscht sein, dass die nach oben beschränkte Menge (0, 5) kein Maximum
besitzt. Wichtig ist, dass jede nach oben beschränkte (nichtleere) Menge ein Supremum
besitzt. (Glauben Sie, dass das gilt?) Dies ist unser letztes Axiom über R.
Axiom
Bemerkung. Vorsicht!!! Hier bedeutet A besitzt s nicht, dass s zu A gehört! Das Axiom
sagt nur, dass eine reelle Zahl s existiert, die das Supremum von A ist.
Es reicht aus, dies für das Supremum anzunehmen, weil die analoge Aussage für das
Inmum daraus folgt, wie wir im folgenden Lemma zeigen.
Lemma 1.2.13. Jede nach unten beschränkte nichtleere Menge B ⊆R besitzt eine gröÿte
untere Schranke (ein Inmum) σ ∈ R.
Beweis. Sei B eine nach unten beschränkte nichtleere Menge. Wir denieren A :=
{−x̃ : x̃ ∈ B}. Dann gilt A ̸= ∅ und A ist nach oben beschränkt.
Nach dem Vollständigkeitsaxiom existiert das Supremum von A. Das heiÿt, es existiert
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 19
ein s ∈ R, so dass
das Inmum von B ist. Als erstes bemerken wir, dass für jedes x̃ ∈ B gilt:
Also ist σ eine untere Schranke von B. Dennoch bemerken wir, dass, wenn x̃ ≥ σ̃ für
alle x̃ ∈ B und ein σ̃ ∈ R, dann gilt
Obwohl man enttäuscht sein kann, dass B := (0, 5) sein Supremum nicht enthält, ist die
gute Nachricht, dass wir das Supremum mit Elementen der Menge B so gut wie gewünscht
approximieren können. Oft reicht uns eine gute Approximation.
y < x ≤ s. (1.2.13)
Beweis. Wenn s∈A ist, wählen wir x = s und dann gilt (1.2.13) für jedes y < s.
Jetzt betrachten wir den Fall s ∈
/ A. Wenn (1.2.13) falsch wäre, würde y∗ ∈ R
existieren mit y∗ < s, so dass y∗ ≥ x für alle x ∈ A. Dies widerspricht, dass s die
kleinste obere Schranke von A ist.
Lemma 1.2.16 (Satz von Archimedes). Für jedes Paar positiver, reeller Zahlen x, y existiert
ein n ∈ N, so dass
nx > y.
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Korollar 1.2.17 (Satz von Eudoxos). Für jede positive reelle Zahl x existiert ein n ∈ N, so
dass
1
< x.
n
Beweis zu Lemma 1.2.15. Wir nehmen an, es gäbe eine obere Schranke s̃ ∈ R. Nach (V)
gibt es dann eine kleinste obere Schranke s ∈ R. Nach Satz 1.2.14 existiert ein n ∈ N,
so dass
s − 1 < n ≤ s.
Dies impliziert n + 1 > s. Auÿerdem gilt n + 1 ∈ N. Dies widerspricht, dass s eine obere
Schranke von N ist.
Wie folgt Lemma 1.2.16 aus Lemma 1.2.15? Wenn die Aussage in Lemma 1.2.16 nicht
y
gelte, gäbe es ein Paar positiver, reeller Zahlen x, y , so dass n ≤ für alle n ∈ N. Also wäre
x
y
eine obere Schranke von N.
x
Wie folgt Korollar 1.2.17 aus Lemma 1.2.16?
Wir werden Korollar 1.2.17 sehr oft benutzen, z.B., wenn wir Folgen konstruieren. Lemma
1.2.16 kann man anwenden, um die folgende wichtige Tatsache zu beweisen.
x < q < y.
Satz 1.2.18 drückt aus, dass auch wenn Q nicht vollständig ist, es genügend rationale
Zahlen gibt, so dass wir jede reelle Zahl beliebig gut approximieren können. (Nehmen Sie
x ∈ R. Es existiert eine rationale Zahl q1 ∈ [x−1/10, x], eine rationale Zahl q2 ∈ [x−1/100, x],
und so weiter. Das beantwortet die Frage, ob es Löcher gibt. Diese Eigenschaft wendet man
jedes Mal an, wenn man π zum Beispiel durch eine rationale Zahl mit gewünschter Präzision
approximiert.
Den Beweis überspringen wir, aber die Werkzeuge dafür sind Lemma 1.2.16, Korollar 1.2.17
und das Wohlordnungsprinzip, das wir im Abschnitt 1.3 einführen.
√
Jetzt benutzen wir (V) um zu beweisen, dass 2 existiert.
r2 = 2.
√
Wir schreiben r= 2.
Beweisidee: Wir werden r als Inmum einer geeigneten Menge denieren. Dann werden
wir r2 > 2 und r2 < 2 ausschlieÿen. Aus (O1) wird folgen, dass r2 = 2 gilt. Überlegen Sie
2
sich: Was würde passieren, wenn r echt gröÿer als 2 wäre? Wenn es echt kleiner als 2 wäre?
Im ersten Fall werden wir zeigen, dass es ein x in der Menge gibt, s.d. x<r (widerspricht,
dass r eine untere Schranke der Menge ist). Im zweiten Fall werden wir zeigen, dass es eine
untere Schranke der Menge gibt, die gröÿer als r ist (Widerspruch zum zweiten Teil der
Denition von Inmum).
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Beweis. Sei A := {x ∈ R : x > 0 und x2 > 2}. Da 2 ∈ A gilt, ist A nicht leer. Da 0 eine
untere Schranke von A ist, existiert nach (V) eine gröÿte untere Schranke. Wir nennen
diese Zahl r . Es ist klar, dass r ≥ 0 und auch, dass r > 0 gilt. Jetzt möchten wir zeigen,
dass
r2 = 2.
Fall 1: Angenommen, r2 > 2. Dann existiert ein ε > 0, so dass r2 = 2 + ε. Wir denieren
n εo
ε̃ := min 2r, . (1.2.14)
r
Dann ist ε̃ > 0. Wir denieren
ε̃
x := r − .
2
Man merkt, dass
x > 0, (1.2.15)
x < r. (1.2.16)
Auÿerdem gilt
2
2 ε̃
x = r−
2
ε̃2
= r2 − ε̃r +
4
> r2 − ε̃r (weil ε̃ > 0)
= 2 + ε − ε̃r (Denition von ε)
(1.2.14) ε
≥ 2+ε−ε (weil ε̃ ≤ )
r
= 2. (1.2.17)
Nach (1.2.15) und (1.2.17) erhalten wir x ∈ A. Dann widerspricht (1.2.16), dass r eine
untere Schranke von A ist.
2
Fall 2: Angenommen, r < 2. Wir denieren
ε := 2 − r2 , (1.2.18)
n ε o
ε̃ := min ε, , 1 , (1.2.19)
2r
ε̃
x := r + .
2
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2
2 ε̃
x = r+
2
ε̃2
= r2 + rε̃ +
4
(1.2.19) ε ε
≤ r2 + +
2 4
(1.2.18) 3ε
= 2−ε+
4
< 2.
Also ist x<y für alle y ∈ A. Aber dann ist x eine untere Schranke von A, und x>r
widerspricht, dass r die gröÿte untere Schranke von A ist.
Analog zeigt man, dass es für jedes x ∈ [0,√∞) eine nicht negative, reelle Zahl gibt, deren
Quadrat gleich x ist. Diese Zahl nennen wir x.
Lemma 1.2.20. Für jedes x ∈ [0, ∞) gibt es genau ein r ∈ [0, ∞), so dass r die Gleichung
2
r =x löst.
Denition 1.2.21
2
Wenn für x ∈ [0, ∞) die Zahl r ∈ [0, ∞) √
die Gleichung r = x löst, dann nennen wir r
die Wurzel von x und wir schreiben r =: x.
√
Wir nennen die Abbildung x 7→ x die Wurzelfunktion.
Axiom
Wie schon erwähnt, verwendet man (W), wenn man die Dichtheit von Q in R beweist.
Auÿerdem ist das Axiom die Grundlage des Prinzips der vollständigen Induktion:
(i) 1 ∈ A;
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 23
Dann gilt A = N.
Beweis. Angenommen die Aussage ist falsch, dann ist die Menge
E := N \ A = {n ∈ N : n ∈ ̸ ∅.
/ A} =
Dann besitztE nach (W) ein Minimum, das wir m nennen. Nach (i) ist m ̸= 1. Nach
m ∈ E und m > 1 ist nach (ii) m − 1 ∈ E . Aber m − 1 < m und m − 1 ∈ E widerspricht,
dass m das Mimimum von E ist.
Bemerkung. Falls n0 ∈ A und (ii) für n ≥ n0 gilt, dann enthält A alle n∈N mit n ≥ n0 .
Beispiel. Zeigen Sie, dass
N 2 · (N + 1)2
13 + 23 + ... + N 3 = (1.3.1)
4
für jedes N ∈N gilt.
12 · (1 + 1)2
13 = 1 = .
4
Also ist (1.3.1) für N =1 wahr.
Schritt 2: (Induktionsschritt.) Wir nehmen an, dass (1.3.1) für eine gegebene natürliche
Zahl n gilt.
Unsere Arbeit: Wir müssen zeigen, dass (1.3.1) auch für n+1 gilt. Wir rechnen:
n2 · (n + 1)2
13 + 23 + ... + n3 + (n + 1)3 = + (n + 1)3 nach Annahme
4
n2 + 4(n + 1)
2
= (n + 1) ·
4
2
n + 4n + 4
= (n + 1)2 ·
4
(n + 1)2 · (n + 2)2
= ,
4
also erfüllt n+1 die Gleichung (1.3.1). Nach dem Prinzip der vollständigen Induktion
gilt (1.3.1) für jedes N ∈ N.
a1 = 1 3
a2 = 1 3 + 2 3
a3 = 1 3 + 2 3 + 3 3
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 24
a1 = 13 , an = an−1 + n3
n2 (n + 1)2
an =
4
deniert werden kann.
Wir wenden das Prinzip der vollständigen Induktion jetzt an, um die binomische Formel
zu beweisen. Zunächst erinnern wir an die Binomialkoezienten.
Denition 1.3.2
Für n ∈ N denieren wir die Fakultät als n! := 1 · 2 · · · · · (n − 1) · n und 0! := 1. Für
n ∈ N und k ∈ {0, 1, . . . , n} sind die Binomialkoezienten deniert durch
n n!
:= .
k k!(n − k)!
0
Auÿerdem setzen wir := 1.
0
1
1 1
1 2 1 (1.3.2)
1 3 3 1
1 4 6 4 1
. . . (usw.)
0 1 1 2 2 2
in dem die Binomialkoezienten = 1, = = 1, = 1, = 2, =1
0 0 1 0 1 2
in gleicher Reihenfolge vorkommen. Das folgende Lemma drückt aus, dass das (k + 1)-te
n
Element der (n + 1)-ten Reihe des Dreiecks gleich dem Binomialkoezienten ist.
k
Lemma 1.3.3. Für n∈N und k ∈ {1, 2, ..., n} gilt
n+1 n n
= + .
k k−1 k
Beweis. Übung.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 25
Notation 1.3.4
Für x∈R denieren wir
x0 := 1, xn := |x · x {z
· ... · x} .
n mal
n
X
xk := x1 + x2 + ... + xn .
k=1
n
n
X n
(x + y) = xn−k y k .
k
k=0
Beweis. Übung.
Denition 1.4.1
Der Absolutbetrag |x| einer reellen Zahl x ist durch
√
|x| := x·x (1.4.1)
deniert.
wobei ⊙ die Multiplikation der komplexen Zahlen darstellt. Man bemerkt, dass für z = x + iy
gilt p
|z| = x2 + y 2 .
Satz 1.4.2
Der Absolutbetrag hat die folgenden Eigenschaften:
Positive Denitheit:
Homogenität:
|α · x| = |α| · |x| für alle α∈R und x ∈ R. (1.4.3)
Dreiecksungleichung:
Abbildung 1.1: Wo der Name Dreiecksungleichung herkommt, merkt man in einer Dimension
2
nicht. Wir werden später zeigen, dass sie auch in R gilt, wo man doch den Sinne des Namens
2
versteht. Das obige Bild stellt die Dreiecksungleichung in R dar.
Übung 1.4.3
Wann ist |x + y| = |x| + |y| für x, y ∈ R?
Beweis von Satz 1.4.2. zu (1.4.2): Nach Satz 1.2.5 (vii) ist
Es folgt
|x| > 0 für alle x ̸= 0.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 27
α · x = 0, α · x > 0, α · x < 0.
α=0 oder x = 0,
also gilt
(1.4.5)
|α| · |x| = 0 = |α · x|.
Wenn α · x > 0, dann gilt
|α · x| = α · x. (1.4.6)
Auÿerdem haben α und x das gleiche Vorzeichen (Satz 1.2.5). Es folgt, dass
(1.4.6)
|α| · |x| = α · x = |α · x|.
Andererseits ist
Die Dreiecksungleichung ist eine sehr wichtige Ungleichung, und Sie werden diese Ungleichung
n
(in R, R , C) sehr oft anwenden.
Ein Fehler, der manchmal vorkommt, ist aus
x<y
und dem Monotoniegesetz der Addition zu behaupten, dass
|x + z| < |y + z|.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 28
|x − y| ≥ |x| − |y|,
|x| − |y| ≤ |x − y| (umgekehrte Dreiecksungleichung).
x̃ = y, ỹ = x − y,
so dass
|x̃ + ỹ| ≤ |x̃| + |ỹ| ⇒ |x| ≤ |y| + |x − y|.
Für die zweite Ungleichung kombinieren wir
|x| − |y| ≤ |x − y|
und
|y| − |x| ≤ |x − y| ⇒ |x| − |y| ≥ −|x − y|
um zu schlieÿen
−|x − y| ≤ |x| − |y| ≤ |x − y|,
was der umgekehrten Dreiecksungleichung entspricht.
Denition 1.4.5
Für x, y ∈ R ist der Abstand d(x, y) zwischen x und y deniert als
d(x, y) = |x − y|.
Bemerkung. Für z, w ∈ C deniert man d(z, w) = |z − w|, wobei |·| der Absolutbetrag in
C ist.
Satz 1.4.6
Es gilt
Positive Denitheit:
Symmetrie:
d(x, y) = d(y, x) für alle x, y ∈ R.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 29
Dreiecksungleichung:
Abbildung 1.2: Wenn man von hier nach da reisen muss und einen schönen
Zwischenaufenthalt in Italien möchte, kann es die Reise nur länger machen.
Beweis. Übung.
Wir lassen den Beweis als Übung. Wichtig ist auch, dass das Lemma 1.5.1 nicht aussagt,
dass x<y+ε für alle ε>0 impliziert x < y.
Als Nächstes betrachten wir die Bernoullische Ungleichung. Diese Ungleichung ersetzt
(1 + x)n (n Multiplikationen) durch 1 + nx (eine Multiplikation).
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 30
Ob (und wann) (1.5.1) oder (1.5.2) eine gute Approximation ist oder nicht, können Sie
sich überlegen.
Da für n > 1 (1.5.2) stärker ist als (1.5.1), reicht es aus zu zeigen, dass (1.5.2) für
x ̸= 0, n > 1 gilt. Wir benutzen vollständige Induktion.
Schritt 1: (Base case oder Induktionsanfang.) (n = 2) Für x > −1, x ̸= 0 ist
(1 + x)2 = 1 + 2x + x2
> 1 + 2x weil x ̸= 0,
Also gilt (1.5.2) für N + 1. Nach dem Prinzip der vollständigen Induktion (Satz 1.3.1)
gilt (1.5.2) für alle n ≥ 2.
Übung 1.5.3
1000 e und kaufen dafür Aktien. Sie sind sicher, dass die
Sie leihen sich von Ihren Eltern
Aktien irgendwann steigen werden. Aber in den ersten Jahren verlieren sie 2 % an Wert
pro Jahr. Wenn Sie mehr als 500 e verlieren, kriegen Sie Ärger. Sie fragen sich, wie lange
Sie das noch durchhalten können (aber Sie haben keinen Taschenrechner dabei). Wenden
Sie die Bernoullische Ungleichung an, um eine untere Schranke (ohne Taschenrechner)
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 31
zu nden.
Es wird oft nützlich sein, ein Produkt durch eine Summe zu ersetzen. Das erste Ergebnis in
diese Richtung ist folgendes:
1 1
xy ≤ x2 + y 2 . (1.5.3)
2 2
Es folgt
√ 1 1
xy ≤ x + y für alle x, y ≥ 0, (1.5.4)
2 2
ε 2 1
xy ≤ x + y 2 für alle x, y ∈ R und ε > 0. (1.5.5)
2 2ε
(x − y)2 ≥ 0. (1.5.6)
√ √
Wenn man (1.5.3) mit x̃ = x, √ ỹ = y1 betrachtet, erhält man (1.5.4). Für (1.5.5)
betrachtet man (1.5.3) mit x̃ = εx, ỹ = √ε y .
x+y
2
auf der rechten Seite ist das arithmetische Mittel von x und y. Auf der linken Seite ist
√
xy
das sogenannte geometrische Mittel von x und y . Also drückt (1.5.4) aus, dass das geometrische
Mittel zweier reeller Zahlen kleiner dem arithmetischen Mittel der Zahlen ist. (Wann gilt
Gleichheit?) Man kann sich fragen, ob es eine Verallgemeinerung dieser Tatsache gibt. Seien
n positive reelle Zahlen {x1 , x2 , ..., xn } gegeben. Falls es eine reelle Zahl r gibt, so dass
rn = x1 · x2 · ... · xn
gilt, nennen wir r die n-te Wurzel aus x1 · x2 · ... · xn . Wir schreiben
√
r = n x1 · x2 · ... · xn .
Man erhält:
Satz 1.5.5
Es seien positive reellen Zahlen x1 , ..., xn für n≥2 gegeben. Dann gilt
√ x1 + x2 + ... + xn
n
x1 · x2 · · · · · x n ≤ . (1.5.7)
n
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 32
x1 = x2 = ... = xn . (1.5.8)
Bemerkung. Man kann die zweite Aussage auch als Optimierungsproblem formulieren. Sei
die Summe x1 + x2 + ... + xn gegeben. (Dies ist die Bedingung des Optimierungsproblems.)
Man möchte das gröÿte Produkt
erhalten. Was sollte man für x1 , x2 , ..., xn wählen? (1.5.8) drückt aus, dass die eindeutige
Lösung des Problems
x1 = x2 = ... = xn
ist.
Beweis von Satz 1.5.5. Wir benutzen vollständige Induktion. Der Fall n=2 wurde in
(1.5.4) bestätigt und (1.5.8) für n=2 folgt aus (1.5.6). Es bleibt zu zeigen, dass, wenn
die Aussage für ein N ∈ N gilt, dann gilt die Aussage auch für N +1. Zunächst bemerken
wir, daÿ aus
x1 = x2 = . . . = xN +1
(1.5.7) mit Gleichheit folgt. Also reicht es aus, wenn wir (1.5.7) mit echter Ungleichheit
für x1 , . . . , xN +1 nicht alle gleich zeigen.
Also seien x1 , . . . , xN +1 nicht alle gleich gegeben. Dann gilt
x1 + . . . + xN +1
min{x1 , . . . , xN +1 } < < max{x1 , . . . , xN +1 }. (1.5.9)
| N +
{z 1 }
=:S
xN = min{x1 , . . . , xN +1 }, xN +1 = max{x1 , . . . , xN +1 },
annimmt. Jetzt möchten wir die Induktionsannahme anwenden. Dazu bemerken wir, daÿ
N S = (N + 1)S − S = x1 + . . . + xN +1 − S
= x1 + . . . + xN −1 + y, (1.5.11)
wobei y := xN + xN +1 − S deniert ist. Man merkt, dass y>0 aus (1.5.10) folgt. Der
Vorteil in (1.5.11) ist, daÿ wir auf der rechten Seite die Summe von N Zahlen haben.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 33
Des weiteren ist nach (1.5.11) das arithmetische Mittel dieser N Zahlen S, so dass die
Induktionsannahme für diese N Zahlen liefert
x1 · x2 · · · · xN −1 · y ≤ S N . (1.5.12)
x1 · x2 · · · · xN −1 · y · S ≤ S N +1 . (1.5.13)
y · S > xN · xN +1
(1.5.10)
y · S = (xN + xN +1 − S)S = (S − xN )(xN +1 − S) + xN xN +1 > xN xN +1 .
Es wurde 2012 im Spiegel über angewandte Probleme in der Schule berichtet. 97 Schul-
kindern wurde folgendes Problem präsentiert:
Auf einem Schi benden sich 26 Schafe und 10 Ziegen. Wie alt ist der Kapitän?
76 der 97 befragten Kinder rechneten ein Ergebnis aus. (Was ist die falsche und populäre
Antwort? Jeder erkennt sie: 36 Jahre.)
Unsere Aufgaben sind fortgeschrittener, aber es ist für uns genauso wichtig, nichts auszu-
rechnen, bevor wir uns die Logik überlegt haben.
Beispiel. Die Orte A und D seien 100 km voneinander entfernt. Die Strecke von A nach
D wurde mit einer Geschwindigkeit von v1 = 60 km/h zurückgelegt, die von D nach A mit
v2 = 40 km/h. Was ist die Durchschnittsgeschwindigkeit?
Bemerkung. Hier ist die einzige nichttriviale Frage: Was ist die Denition von Durchschnitts-
geschwindigkeit?
100 km 10
T1 = = h
60 km/h 6
100 km 10
T2 = = h
40 km/h 4
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 34
25
T = T1 + T2 = h
6
gedauert. Die Durchschnittsgeschwindigkeit war also
200 km
25 = 48 km/h.
h
6
Bemerkung. Man kann es auch so formulieren: Aus 60 und 40 erhält man 48, indem man
1
1 1 1
km/h
2 40
+ 60
1
1 1 1 1
n x1
+ x2
+ ... + xn
n
1 √ 1X
n ≤ n
x1 · x2 · ... · xn ≤ xi .
1
P 1 n i=1
n xi
i=1
Abbildung 1.3: Welche Mittel spielen eine Rolle in Serien- und Parallelschaltkreisen?
O1 L.F. Henderson, The Theorem of the Arithmetic and Geometric Mean and its Application
to a Problem in Gas Dynamics, ZAMP 25 (1965) betrachtet die Frage: Was ist der
minimale Entropie-Anstieg in einem System von Stoÿwellen?
O2 C.G. Carvalhaes und P. Suppes, Approximations for the period of the simple pendulum
based on the arithmetic-geometric mean, Am.J.Phys 76 (2008) leitet approximative
Lösungen der Pendelgleichung her, die sehr schnell konvergieren.
Kapitel 2
Vektorräume
In der Regel werden wir die 1 nicht mehr schreiben. Wir werden auch für jetzt keinen
Unterschied machen zwischen der Spaltenschreibweise (2.1.1) und der Zeilenschreibweise
(x, y). (Wir werden erst später sehen, dass die beiden Objekte nicht dasselbe bedeuten.)
Es ist aber sehr wichtig sich klarzumachen, dass die beiden reellen Zahlen geordnet sind:
x y
̸= falls x ̸= y .
y x
Wir können uns eine komplexe Zahl z = x + yi als einen Punkt in der Ebene vorstellen,
wobei x die Koordinate des Punktes in horizontaler Richtung darstellt und y die Koordinate
in vertikaler Richtung. Falls der Imaginärteil y gleich null ist, dann identizieren wir z = x+0i
mit der reellen Zahl x; in diesem Sinne sind die reellen Zahlen R in den komplexen Zahlen
C enthalten. Wir haben gesehen, dass man komplexe Zahlen addieren kann:
x1 x2 x1 + x 2
⊕ = , (2.1.2)
y1 y2 y1 + y2
d.h. wir addieren die entsprechenden Komponenten miteinander und erhalten eine komplexe
Zahl (ein geordnetes Paar reeller Zahlen). Wir können auch multiplizieren:
x1 x2 x1 · x2 − y1 · y2
⊗ = .
y1 y2 x1 · y2 + y1 · x2
Falls einer der Faktoren eine reelle Zahl ist (d.h. der Imaginärteil ist null), dann gilt
x α x α·x−0·y α·x
α· := ⊗ = = . (2.1.3)
y 0 y α·y+0·x α·y
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 36
Denition 2.1.1
Unter dem Vektorraum Rn verstehen wir die Menge
x1
n ..
R := x = . : x1 , . . . , xn ∈ R , (2.1.4)
xn
x1 + y 1 x1 y1
. .. ..
x + y := . für alle x = . , y = . ∈ Rn ;
.
xn + y n xn yn
αx1 x1
. . n
αx := . für alle x= . ∈ R , α ∈ R.
. .
αxn xn
Nach Denition ergeben die Addition und die skalare Multiplikation wieder Vektoren in
Rn . Notation: In der Regel hat ein Vektor x die Komponenten x1 , . . . , xn ∈ R etc.
Bemerkung. Zwei Vektoren sind gleich, wenn alle Komponenten übereinstimmen, also
x1y1
.. ..
x= . =.=y ⇐⇒ xi = y i für alle i = 1, . . . , n.
xn yn
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 37
Die Regeln für das Rechnen mit reellen Zahlen haben wir in den algebraischen Axiomen
n
für R zusammengefasst; siehe Abschnitt 1.2.1. Da R Tupel reeller Zahlen enthält, übertragen
sich einige dieser Rechenregeln auf die Addition und skalare Multiplikation von Vektoren.
−x1
..
=: −x (Inverses Element der Addition);
.
−xn
Beweis. Übung.
Analog zu unserem Vorgehen bei den komplexen Zahlen, die wir als Kombination von 1
und i dargestellt haben, wollen wir nun auch für den Rn eine solche Zerlegung angeben.
Denition 2.1.3
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 38
0
..
.
0
ej := 1 (die 1 steht an der j ten Stelle)
0
.
..
0
1 0
x1 0 n
.. X
.. .
x = . = x1 .. + . . . + xn = xj e j .
. 0 j=1
xn
0 1
| {z } | {z }
e1 en
Denition 2.1.4
Für zwei Vektoren x, y ∈ Rn denieren wir das Skalarprodukt · als
n
X
x · y := x1 y1 + . . . + xn yn = xi y i
i=1
(wird auch inneres Produkt genannt). Alternativ werden wir die Schreibweise
(x, y) := x · y
für das Skalarprodukt verwenden. Die euklidische Norm eines Vektors ist
√
q
∥x∥ := x · x = x21 + · · · + x2n .
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 39
d(x, y) := ∥x − y∥.
Bemerkung. Beachten Sie, dass wir in der Vergangenheit das Symbol · für die Multiplikation
von reellen Zahlen benutzt haben. Wir haben auÿerdem vereinbart, diese Schreibweise möglichst
nicht mehr zu verwenden. Es ist aus dem Zusammenhang jeweils klar, ob · für die Multiplikation
von reellen Zahlen oder das Skalarprodukt steht. Beachten Sie auch, dass das Skalarprodukt
n
eine Zahl liefert, keinen Vektor. Es deniert keine Multiplikation auf dem Vektorraum R .
Eine solche müsste zwei Vektoren wieder einen Vektor zuordnen.
Positive Denitheit:
Symmetrie:
x·y =y·x für alle x, y ∈ Rn .
Linearität:
Beweis. Übung.
Positive Denitheit:
Homogenität:
∥αx∥ = |α|∥x∥ für alle α∈R und x ∈ Rn .
Dreiecksungleichung:
Beweis. Die ersten zwei lassen wir als Übung. Die Dreiecksungleichung wird unten in
(2.2.3) gezeigt.
Bemerkung. Vergleichen Sie Satz 2.1.6 mit Satz 1.4.2. Der Begri der Norm verallgmeinert
also den Begri des Absolutbetrags, den wir für reelle Zahlen eingeführt haben. Auÿer der
n
euklidischen Norm gibt es andere Möglichkeiten, einem Vektor x ∈ R eine Zahl zuzuordnen
derart, dass die Eigenschaften positive Denitheit, Homogenität und Dreiecksungleichung wie
in Satz 2.1.6 erfüllt sind. Eine solche Zuordnung nennen wir Norm. Beispiele sind
Die Begrie Norm und Abstand lassen sich auf viele andere Vektorräume verallgemeinern,
in manchen Fällen auch der Begri des Skalarprodukts. Die Rechenregeln in Satz 2.1.6
bezeichnet man auch als Normaxiome, weil sie die Eigenschaften jeder Norm festlegen.
Analog sind die Aussagen in Satz 2.1.5 die denierenden Eigenschaften jedes Skalarprodukts.
Übung 2.1.7
Wann ist ∥x + y∥ = ∥x∥ + ∥y∥ für x, y ∈ R2 ?
Übung 2.1.8
Skizzieren Sie die Menge n o
2
x ∈ R : ∥x∥ ≤ 1 .
Was ändert sich, wenn Sie die euklidische Norm durch die Normen in (2.1.5) ersetzen?
n n
X X
x ≤ |xi |, (2.2.1)
i
i=1 i=1
n v v
X X n u n
X
u n
u uX
2t
xi y i ≤ |xi yi | ≤ xi yi2 , (2.2.2)
t
i=1 i=1 i=1 i=1
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 41
v v v
u n u n u n
uX uX uX
2
t (xi + yi )2 ≤ t xi + t yi2 . (2.2.3)
i=1 i=1 i=1
Bemerkung. Wenn man x = (x1 , x2 , ..., xn ), y = (y1 , y2 , ..., yn ) als Vektoren in Rn zusammen
mit dem Vektorprodukt und der Norm
n
X n
X
2
(x, y) := xi y i , ∥x∥ := x2i
i=1 i=1
betrachtet, dann erhält man aus (2.2.1) und (2.2.2) die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung
und man erkennt (2.2.3) als die Dreiecksungleichung der euklidischen Norm in Rn :
∥x + y∥ ≤ ∥x∥ + ∥y∥.
Beweis von Satz 2.2.1. Die erste Ungleichung (2.2.1) kann man mit vollständiger Induktion
aus der Dreiecksungleichung für den Absolutbetrag reeller Zahlen schlieÿen. (Übung!)
Für die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung (2.2.2), denieren wir
v v
u n u n
uX uX
X := t x2i , Y := t yi2 .
i=1 i=1
n
P
Wenn X = 0, dann ist xi = 0 für alle i = 1, .., n, so dass xi y i = 0
und (2.2.2) dabei
i=1
erfüllt wird. Das Gleiche gilt, wenn Y = 0. Also dürfen wir annehmen, dass X > 0, Y > 0.
Wir denieren
xi yi
x̂i := , ŷi := für alle i = 1, .., n.
X Y
Dann ist (2.2.2) äquivalent zu
Xn X n
x̂i ŷi ≤ |x̂i ŷi | ≤ 1. (2.2.4)
i=1 i=1
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 42
Xn X n
x̂i ŷi ≤ |x̂i ŷi | (aus (2.2.1))
i=1 i=1
n
1X 2
≤ (x̂ + ŷi2 ) (Youngsche Ungleichung)
2 i=1 i
n n
!
1 1 X 2 1 X 2
= x + y
2 X 2 i=1 i Y 2 i=1 i
= 1.
n
X n
X n
X n
X
2
(xi + yi ) = x2i +2 xi y i + yi2
i=1 i=1 i=1 i=1
n n n
! 12 n
X X X X
≤ x2i +2 x2i yi2 + yi2 (Cauchy-Schwarzsche Ungleichung)
i=1 i=1 i=1 i=1
v v 2
u n u n
uX uX
= t x2 + t y2 .
i i
i=1 i=1
Bemerkung (Geometrische Perspektive). Man kann den Beweis von (2.2.2) auch aus einer
geometrischen Perspektive anschauen. Hier benutzen wir die Notation aus der vorherigen
Bemerkung. Man möchte zeigen, dass
Diese Ungleichung ist sicherlich richtig, falls x oder y der Nullvektor ist. Wir betrachen also
nur den Fall, dass x ̸= 0 ̸= y . Das impliziert insbesondere, dass ∥x∥ > 0 und ∥y∥ > 0. Man
erhält Informationen über (x, y) durch die Ungleichung
Diese Identität gilt für alle t ∈ R, insbesondere für jenes t, für das die rechte Seite (äquivalent:
die Länge des Vektors x − ty ) so klein wie möglich wird. Das passende Bild ist
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 43
Anschaulich erwarten wir also, dass wir t so wählen, dass der Vektor x − ty senkrecht auf y
steht. Das bedeutet, dass das Skalarprodukt ((x − ty), y) verschwindet. Umformen ergibt das
2 2
optimale t∗ = (x, y)/∥y∥ . Mit dieser Wahl erhalten wir aus 0 ≤ ∥x − t∗ y∥ , dass
2
(x, y) (x, y)
2
∥x∥ − 2 (x, y) + ∥y∥2 ≥ 0 ⇐⇒ (x, y)2 ≤ ∥x∥2 ∥y∥2 .
∥y∥2 ∥y∥2
Denition 2.2.2
Zwei Vektoren x, y ∈ Rn mit der Eigenschaft (x, y) = 0 nennen wir orthogonal. Orthogonale
Vektoren mit Norm eins nennen wir orthonormal.
alle unsere Intuition und grundlegendes Wissen hier anzuwenden, um Verständnis für
die Situation aufzubauen, und
g
x(t) = h − t2 h, g ∈ R,
2
f (x) = x + 1,
y(θ) = cos θ.
Was ist eine Funktion?
Beispiel.
A := {1, 3}, B := {2, 4}, A × B = {(1, 2), (1, 4), (3, 2), (3, 4)}
Denition 3.1.2
Eine Teilmenge f ⊆A×B wird Funktion genannt, wenn gilt:
Das heiÿt, zu jedem x∈A gibt es höchstens ein y∈B mit (x, y) ∈ f .
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 45
y = f (x)
f −1 (U ) := x ∈ A : f (x) ∈ U }.
Beachten Sie, dass das Urbild immer deniert ist (kann leer sein). Es ist zu unterscheiden
von der Umkehrfunktion, die wir später denieren werden!!!
Wenn A und B Mengen reeller Zahlen sind, dann heiÿt f eine reelle Funktion oder
eine reellwertige Funktion einer reellen Variablen.
Grob gesagt: f ist eine Regel, die jedem x ∈ D(f ) ein eindeutiges y ∈ W(f ) zuordnet.
Achtung! Obwohl das Bild von x ∈ D(f ) eindeutig bestimmt ist, kann ein Wert y ∈ W(f )
2
mehr als ein Urbild haben. Beispiel: f (x) = x , y = 4.
Beispiele.
O √ √
2 f = {(x, x) : x ≥ 0} oder f (x) = x, x ≥ 0,
O3 f (x) = 1
(1−x)2
,
O
−x x < 0
4 f (x) = 5 x=0
2
x x > 0.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 46
Übung 3.1.3
Was sind der Denitionsbereich und der Wertebereich der oben denierten Funktionen?
1
Oft wird der Denitionsbereich nicht explizit angegeben, z.B. f (x) = x2 , g(x) = (1−x)2,
√
h(x) = x2 − 4. In diesem Fall nehmen wir an, dass der Denitionsbereich so groÿ wie
möglich ist, z.B. D(f ) = R, D(g) = {x ∈ R : x ̸= 1} , D(h) = {x ∈ R : x ≥ 2 oder x ≤ −2} =
(−∞, −2] ∪ [2, ∞).
Es ist oft nützlich den Graphen einer Funktion anzuschauen.
1+x x<0
Beispiel. f (x) =
−1 − x x > 0.
Bemerkung. (1) Jede vertikale Linie berührt den Graph einer Funktion genau einmal.
(2) Eine horizontale Linie kann den Graph einer Funktion mehr als einmal berühren.
Was bedeutet es, wenn eine waagerechte Linie y=b den Graph einer Funktion f genau
einmal berührt? Dass b nur ein Urbild hat, d. h., dass es nur ein x ∈ D(f ) gibt, so dass
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 48
f (x) = b.
Was bedeutet es, wenn jede waagerechte Linie den Graph einer Funktion f nur einmal
berührt ? Dass für jeden Wert y ∈ W(f ) es nur ein x ∈ D(f ) gibt, so dass f (x) = y .
Was bedeutet es, wenn jede waagerechte Linie den Graph einer Funktion f mindestens einmal
berührt ? Dass der Wertebereich der Funktion ganz R ist.
Denition 3.1.4
Eine Funktion f heiÿt injektiv (oder eins zu eins), wenn gilt:
f (x1 ) = f (x2 ) =⇒ x1 = x2 .
Das heiÿt, bei Gleichheit der Bilder müssen die Urbilder auch gleich sein.
Denition 3.1.5
Eine Funktion f :X→Y heiÿt surjektiv von X nach Y, wenn gilt:
Wenn f sowohl surjektiv als auch injektiv ist, dann sagen wir, dass f bijektiv ist.
(2) surjektiv, wenn jedes y∈Y mindestens ein Urbild in X hat (bspw. x3 ), und
(3) bijektiv, wenn jedes y∈Y genau ein Urbild in X hat (bspw. x).
Erinnerung: Graphen helfen uns enorm, die Eigenschaften einer Funktion zu bemerken.
Wenn allerdings nach einem Beweis gefragt wird, müssen wir analytisch argumentieren.
1
Beispiel. Finden Sie den Wertebereich W(f ) von f (x) = (x−4)2
.
1
Lösung. Der Wertebereich ist (0, ∞). Dies begründen wir wie folgt. Zunächst bemerken
wir, dass
D(f ) = {x ∈ R : x ̸= 4} .
1
f (x) = > 0,
(x − 4)2
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 49
y0 ∈ (0, ∞)
setzen:
1
x0 := √ + 4.
y0
1 1
f (x0 ) = 2
= 2 = y 0 .
(x0 − 4) √1
y0
1
x̃0 = − √ + 4,
y0
Wir erinnern uns an die Denition 1.1.2, wo wir gesehen haben, wie man die Gleichheit zweier
Mengen zeigt.
Wir betrachten jetzt ein paar andere mögliche Eigenschaften einer Funktion.
Denition 3.1.6
Eine reelle Funktion f heiÿt gerade, wenn gilt
Beispiel. Die Funktion f (x) = x2 ist gerade. Die Funktion f (x) = x ist ungerade. Allgemein
2n
ist f (x) = x , n ∈ N, gerade und f (x) = x2n−1 , n ∈ N, ungerade.
Übung 3.1.7
Geben Sie an, ob folgende Funktionen gerade, ungerade oder keins von beiden sind:
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 50
Denition 3.1.8
Wir nennen eine reelle Funktion f monoton wachsend (bzw. monoton fallend), wenn für
alle x, y ∈ D(f ) die folgende Implikation gilt:
Wenn f monoton wachsend oder monoton fallend ist, dann nennen wir f monoton.
Die Funktion f ist streng monoton wachsend, wenn für alle x, y ∈ D(f ) gilt:
mit einer analogen Aussage für f streng monoton fallend. Wenn f streng monoton
wachsend oder streng monoton fallend ist, dann nennen wir f streng monoton.
Achtung! Nach der Denition ist f (x) ≡ 2 monoton wachsend! Das gleiche gilt für
x + 1 x ≤ −1
g(x) = 0 −1 < x ≤ 1
x−1 x > 1.
Wir kennen den Begri von Beschränktheit einer Menge. Was bedeutet es für eine
Funktion, beschränkt zu sein?
Denition 3.1.9
Eine reelle Funktion f heiÿt nach unten beschränkt, wenn es eine reelle Zahl m gibt, die
eine untere Schranke für W(f ) ist. Das heiÿt, falls gilt:
Analog für nach oben beschränkt. Ist f sowohl nach unten als auch nach oben beschränkt,
so nennen wir f beschränkt.
Diese Eigenschaft ist wichtig, zum Beispiel für Optimierungsprobleme. Für f (x) = x3
besitzt das Problem
inf f (x).
x∈R
Aber Vorsicht: Dies bedeutet nicht, dass es ein x0 ∈ R gibt, so dass f (x0 ) = inf f (x).
x∈R
Beispiel. Es gilt
inf tanh(x) = −1
x∈R
aber es gibt kein x∗ ∈ R, so dass tanh(x∗ ) = −1.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 51
Denition 3.2.1
Sei f :X→Y eine Funktion. Gibt es eine Funktion g:Y →X mit
g(y) = f −1 (y)
und sagen, dass f eine Umkehrfunktion besitzt, oder, dass f invertierbar ist.
Bemerkung. Beachten Sie, dass dasselbe Symbol f −1 auch für das Urbild einer Menge
benutzt wird; siehe Denition 3.1.2. Falls f eine reelle Funktion ist, schreiben wir auch
1
(f (y))−1 = .
f (y)
Auf den Kontext achten!!!
Beispiel. Bestimmen Sie, ob die folgenden Funktionen eine Umkehrfunktion besitzen. Wenn
ja, nden Sie die Umkehrfunktion. Wenn nein, nden Sie das gröÿte Intervall I ⊆ D(f ), so
O
dass f auf I eine Umkehrfunktion besitzt und geben Sie diese Funktion an.
1 f (x) = x2 besitzt keine Umkehrfunktion, aber g(x) = x2 , x ∈ [0, ∞) besitzt die Umkehr-
funktion
√
g −1 (y) =
y, y ∈ [0, ∞).
−1
√
(Oder g (x) =
√ x, x ∈ [0, ∞).) Analog besitzt g(x) = x2 , x ∈ (−∞, 0] die Umkehrfunk-
−1
tion g (x) = − x, x ∈ [0, ∞).
O
1
(x + 1) −1 ≤ x < 1
2 f (x) = 2 2
−x + 2x + 4 1 ≤ x ≤ 3.
y y
f f −1
5 5
4 4
3 3
2 2
1 1
x x
−1 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5
−1 −1
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 52
1
y = (x + 1) ⇔ x = 2y − 1.
2
Auf [1, 3] gilt
y = −(x2 − 2x − 4)
= −[(x − 1)2 − 5]
⇔ (x − 1)2 = −y + 5
p
⇔ x = 5 − y + 1 weil x ≥ 1 ist).
Dieses Beispiel zeigt, dass eine Funktion nicht monoton sein muss, um eine Umkehr-
funktion zu besitzen.
O
1
(x + 1) 0 ≤ x < 1
3 f (x) = 2
−x2 + 2x 1 ≤ x ≤ 3.
y y
3 3
g −1
2 2
1 1
f
x x
−3 −2 −1 1 2 3 −3 −2 −1 1 2 3
−1 −1
−2 −2
−3 −3
Man stellt sich die allgemeine Frage: Welche Funktionen besitzen eine Umkehrfunktion?
Satz 3.2.2
Eine Funktion f :X→Y besitzt eine Umkehrfunktion g:Y →X genau dann, wenn f
von X nach Y bijektiv ist. Auÿerdem ist die Umkehrfunktion eindeutig bestimmt.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 53
Also ist f injektiv. Jetzt betrachten wir ein beliebiges y ∈ Y. Wir denieren x ∈ X
durch x := g(y). Dann gilt nach (3.2.2)
f (x) = f (g(y)) = y.
Bemerkung. Angesichts der Eindeutigkeit reden wir von der Umkehrfunktion einer Funktion.
Da f :X→Y nur eine Umkehrfunktion besitzt, wenn f surjektiv ist, nehmen wir an, wenn
nur die Funktion f und nicht die Menge Y gegeben wird, dass Y = W(f ) gemeint wird. z.B.
ist tanh invertierbar, weil tanh : R → (−1, 1) invertierbar ist. Aber tanh : R → R ist nicht
invertierbar.
Mit der Denition 3.1.2 und nach Satz 3.2.2 wäre eine äquivalente Denition von Umkehrfunktion:
Denition 2.1.2'. Sei f :X→Y eine injektive Funktion. Dann nennt man
g = {(y, x) ∈ Y × X : (x, y) ∈ f }
Wie das triviale Beispiel f (x) ≡ 2 zeigt, impliziert f ist monoton nicht, dass f −1 existiert.
Strenge Monotonie reicht jedoch aus.
Satz 3.2.3
Eine streng monotone Funktion besitzt eine Umkehrfunktion
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 54
Beweis. Sei f eine streng monotone Funktion. Wie jede Funktion ist f surjektiv auf
W(f ). Wir müssen also nur überprüfen, ob f injektiv ist. Da f streng monoton ist,
impliziert
dass
x1 = x2 .
f f f (x)
: A′ → R, (x) := .
g g g(x)
E(h) = mgh, m, g ∈ R+ .
Dann ist die potentielle Energie des Körpers als Funktion von t gegeben durch die
Zusammensetzung:
s
g 2
2h0
(E ◦ h)(t) = mg h0 − t , t ∈ 0, .
2 g
O2 Sei d = d(t)die Verschiebung eines Teilchens als Funktion von t, wobei t Zeit in
Minuten ist. Sei t(s) =
s
. Dann ist D(s) = d ◦ t(s) = d
s
die Verschiebung als
60 60
Funktion von s, wobei s Zeit in Sekunden ist.
O3 f (x) =
√
x2 − 4, g(x) = 1
x
. Dann ist
1
g ◦ f (x) = √ .
x2 −4
Hier ist D(f ) = (−∞, −2] ∪ [2, ∞) und
Man bemerkt, dass −2 und 2 nicht zu D(g ◦ f ) gehören, weil f (−2) und f (2) nicht zu
D(g) gehören.
Wir schreiben oft pn (x) für ein Polynom, wobei n den Grad des Polynoms bezeichnet.
Wir bemerken, dass konstante Funktionen, die nicht gleich Null sind, Polynome nullten
Grades sind. Das Nullpolynom f ≡ 0 ist auch ein Polynom, aber das Grad des Nullpolynoms
ist nicht Null, da a0 = 0 ausgeschlossen wurde. Es ist (aus technischen Gründen) bequem zu
denieren:
Denition 3.4.2
Wir denieren das Grad des Nullpolynoms als −∞. Wenn wir also für n = 0, 1, . . . von
Polynomen Grad n und weniger reden, ist das Nullpolynom immer mit dabei.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 56
Satz 3.4.3
Zwei Polynome sind genau dann gleich, wenn ihre Koezienten gleich sind. Das heiÿt:
Ein Polynom ist durch seine Koezienten bestimmt.
Beweis. Seien
n
X n
X
k
pn (x) = ak x , qn (x) = bk x k
k=0 k=0
zwei Polynome vom Grad n. Die Tatsache, dass pn (x) = qn (x), wenn ak = b k für alle
k = 0, .., n ist klar. Für die umgekehrte Richtung müssen wir zeigen, dass
impliziert, dass
a0 = b 0 . (3.4.3)
also
an xn−1 + an−1 xn−2 + ... + a1 = bn xn−1 + bn−1 xn−2 + ... + b1 für alle x ∈ R \ {0} .
(3.4.4)
Wir behaupten, dass a1 = b1 aus (3.4.4) folgt. Wir können aber nicht wie mit (3.4.3)
argumentieren, da x = 0 in (3.4.4) nicht erlaubt ist. Stattdessen nden wir eine obere
Schranke für |a1 − b1 | wie folgt:
(3.4.4)
|a1 − b1 | ≤ |a xn−1 + ... + a2 x − bn xn−1 − ... − b2 x|
n
≤ (|an | + |bn |)xn−2 + ... + |a2 | + |b2 | |x| für alle x ∈ R \ {0}
≤ ||an | + |bn | + ... + |a2 | + |b2 || |x| für alle x ∈ (−1, 1) \ {0}
≤ C|x| für alle x ∈ (−1, 1) \ {0}
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 57
für ein C < ∞. Da wir |x| beliebig klein wählen können, erhalten wir aus Lemma 1.5.1,
dass
|a1 − b1 | = 0, also a1 = b 1 .
Was macht man mit Polynomen? Übliche Fragen sind z.B. folgende:
(1) Was sind die Nullstellen des Polynoms, d. h., für welche x∈R gilt pn (x) = 0?
(2) Wie kann man das Polynom in Faktoren zerlegen?
(3) Wie kann man eine komplizierte Funktion durch Polynome approximieren? (Polynome
sind glatt und relativ einfach - also gäbe es einen Vorteil daran...)
Denition 3.4.4
Eine reelle Zahl x0 ∈ R heiÿt Nullstelle von pn (x), falls gilt
pn (x0 ) = 0.
Einx0 ∈ R heiÿt m-fache Nullstelle des Polynoms pn (x), wenn es ein Polynom qn−m vom
Grad n − m gibt mit der Eigenschaft, dass für alle x ∈ R gilt
und qn−m (x0 ) ̸= 0. Man nennt m die Vielfachheit oder die Multiplizität der Nullstelle
x0 . Man nennt x − x0 einen Linearfaktor des Polynoms.
Beispiele.
O3 p(x) = x2 + 1
Nullstellen.
kann nicht in Linearfaktoren zerlegt werden und besitzt keine reellen
Das Problem, das wir im dritten Beispiel entdeckt haben, ist das einzige Problem, das
vorkommt. Diese Tatsache machen wir in der untenstehenden Bemerkung genauer.
Denition 3.4.5
Ein Polynom mit der quadratischen Form
a2 x 2 + a1 x + a0 mit a0 , a1 , a2 ∈ R,
das man nicht in der Form a2 (x − x1 )(x − x2 ) mit reellen Zahlen x1 , x2 schreiben kann,
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 58
Bemerkung (Zerlegung eines Polynoms). Was kann man im Allgemeinen über die Zerlegung
eines Polynoms sagen?
(1) Der Fundamentalsatz der Algebra [Gauÿ] sagt, dass jedes Polynom n-ten Grades mit
reellen Koezienten in n Linearfaktoren mit komplexen Zahlen zerlegt werden kann:
(2) Wenn z ∈ C eine Nullstelle des reellen Polynoms pn ist, dann ist auch z, die zu z
konjugierte komplexe Zahl, eine Nullstelle von pn . (Aus pn (z) = 0 erhält man pn (z) =
0.)
(3) Es folgt, dass irreduzible Polynome das einzige potenzielle Problem sind im folgenden
Sinn:
Jedes reelle Polynom n-ten Grades pn (x) kann als Produkt von Linearfaktoren
mit reellen Nullstellen und gegebenenfalls irreduziblen quadratischen Polynomen
geschrieben werden.
(Um dies aus den vorherigen Punkten zu schlieÿen, beachten Sie, dass für jedes z∈C
(x − z)(x − z)
Der Fundamentalsatz der Algebra impliziert nicht, dass es leicht ist, die Nullstellen zu
nden! Sie kennen die Lösungsformel für quadratische Gleichungen: Das Polynom
p(x) = ax2 + bx + c
Beispiel. Finden Sie alle komplexen Nullstellen von x3 + 3x2 + x − 5. Man ndet durch
Ausprobieren schnell die Nullstelle x1 = 1, sodass man durch Polynomdivision
(x3 + 3x2 + x − 5) : (x − 1) = x2 + 4x + 5
auf die Faktorisierung (x − 1)(x2 + 4x + 5) kommt. Nun ndet man leicht die zusätzlichen
p
Nullstellen x2 = −2 + (−1) = −2 + i und x3 = −2 − i. Daraus ergibt sich die Zerlegung
in Linearfaktoren:
Denition 3.4.6
Seien pn (x) und qm (x) Polynome von Grad n bzw. m. Dann heiÿt
pn (x)
R(x) =
qm (x)
Jetzt suchen wir eine äquivalente Darstellung von R in dem Fall m < n.
Satz 3.4.7
pn (x)
Sei R(x) =qm (x)
, wobei pn und qm Polynome vom Grad n bzw. m sind und n ≥ m.
Dann gibt es Polynome sn−m und tk , so dass für alle x ∈ D(R) gilt
tk (x)
R(x) = sn−m (x) + . (3.4.5)
qm (x)
Die Funktion tk ist entweder identisch Null oder ein Polynom vom Grad k < m.
wobei
an n−m
tn−1 (x) = pn (x) − x qm (x)
bm
vom Grad kleiner gleich n − 1 ist, weil der n-te Term verschwindet. Dies wiederholt man,
bis der Grad des Zählerpolynoms in (3.4.6) kleiner gleich dem Grad des Nennerpolynoms
ist (also, maximal n−m+1 mal).
x3 + x
R(x) =
x−1
in der Form (3.4.5). Zeichnen Sie den Graphen der Funktion.
2
R(x) = x2 + x + 2 + .
x−1
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y
8
7
6
5 x2 + x + 2 = (x + 21 )2 + 7
4
4
3
2
1
x
−3 −2 −1 1 2
y y y
4 4 4
3 1 3 1 3 2
x (x−1) (x−1)
2 2 2
1 1 1
x x x
−2 −1 1 2 −1 1 2 3 −1 1 2 3
−1 −1 −1
−2 −2 −2
−3 −3 −3
−4 −4 −4
y
10
9
8
R(x)
7
6
5
4
3
2
1
x
−1 1 2 3
−1
−2
−3
−4
sin(x)
sin(x) = b, cos(x) = a, tan(x) = ,
cos(x)
wobei (a, b) ein Punkt des Einheitskreises ist und x der Winkel gegen den Uhrzeigersinn
zwischen der x-Achse und dem Segment von (0, 0) bis (a, b) ist.
y
(a,b)
x
x
(0,0) (1,0)
sin(0) = 0, cos(0) = 1,
|sin(x)| ≤ 1, |cos(x)| ≤ 1,
cos(x) = 1 − 2 sin2 x2 ,
als die Umkehrfunktionen von sin : [−π/2, π/2] → [−1, 1] bzw. cos : [0, π] → [−1, 1].
Kapitel 4
Zahlenfolgen
Wir werden oft mit Zahlenfolgen arbeiten müssen. Auÿerdem werden wir Folgen als Werkzeug
benutzen, z.B. um den Grenzwert einer Funktion zu denieren.
4.1 Einleitung
Was ist eine Folge? Eine Folge ist eine Funktion auf N oder auf einer unendlichen Teilmenge
davon.
Denition 4.1.1
Eine auf N oder auf einer unendlichen Teilmenge von N denierte reellwertige Funktion
heiÿt Zahlenfolge oder Folge. Statt n 7→ f (n)schreiben wir für das Bild f (n) von n
∞
meistens an . Für a1 , a2 , a3 , ... schreiben wir auch {an }n=1 . Die Werte an heiÿen Folgenglieder.
Es ist unerheblich, dass die Nummerierung mit 1 beginnt. a5 , a7 , a12 , ... ist ebenfalls eine
Folge. Wie wir schon bemerkt haben, können Folgen explizit oder rekursiv deniert werden.
Als Beispiel betrachten wir
1
an := (−1)n , n ∈ N (explizit)
2n
1 2
a1 = 2, an = an−1 + , n = 2, 3, 4, . . . (rekursiv).
2 an−1
Wie andere Funktionen kann eine Folge monoton, beschränkt, usw. sein.
Beispiel. Ein Ball fällt aus der Höhe h auf einen Tisch und springt bis zur Höhe 0, 9h zurück
usw. Bestimme die jeweiligen Sprunghöhen und den Gesamtweg, den der Ball bis zum N -ten
Auftreen zurückgelegt hat. Man erhält
{an }∞
n=1 ist streng monoton fallend, nach oben durch h beschränkt, nach unten durch
0 beschränkt.
{bn }∞
n=1 ist streng monoton wachsend und nach unten durch h beschränkt. Ist {bn }∞
n=1
auch nach oben beschränkt? Ja, wie wir jetzt zeigen.
n
rk
P
Lemma 4.1.2. Deniere sn := für alle n∈N und r ∈ R. Dann ist die Folge {sn }
k=0
1 − rn+1
sn = . (4.1.1)
1−r
n n
1k , 1k
P P
Beweis. Für r ≥ 1 ist sn ≥ also reicht es aus, wenn wir zeigen, dass
k=0 k=0
n
k
P
nach oben unbeschränkt ist. Da 1 = |1 + 1 +
{z... + 1} = n + 1, folgt dies aus der
k=0
n+1 mal
Unbeschränktheit von N. Für r ∈ (0, 1) rechnen wir aus
sn = 1+r + ... + rn ,
rsn = r + ... + rn + rn+1 ,
so dass
(1 − r)sn = 1 − rn+1 .
Dies entspricht (4.1.1). Aus den Ungleichungen 1−rn+1 < 1 und 1−r > 0 folgt auÿerdem
1
sn < ,
1−r
sodass sn nach oben beschränkt ist. (Wichtig ist, dass die rechte Seite unabhängig von
n ist.) Aus (4.1.1) und rn+1 ≤ r für r ∈ (0, 1) schlieÿen wir, dass
1−r
sn ≥ = 1,
1−r
so dass sn nach unten durch 1 beschränkt ist. Also ist sn beschränkt.
1
an = (−1)n ,
2n
n
9
gn = (−1)n ·h
10
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 64
∞
sind einfache Beispiele nicht monotoner Folgen. Man merkt sowohl für {an }n=1 als auch für
{gn }∞
n=1 , dass die Folgenglieder sich immer mehr der Zahl x = 0 nähern. Diese Beispiele
sind einfach wegen der Homogenität des Absolutbetrags (siehe Satz 1.4.2) und der Form der
Folgen. Z.B. erhält man
1 1
|an | = |(−1)n | = .
2n 2n
Den Begri sich an 0 zu nähern machen wir explizit in der folgenden Denition.
Denition 4.1.3
Eine Folge {an }∞
n=1 reeller Zahlen heiÿt Nullfolge, wenn es zu jeder Zahl ε > 0 ein
N = N (ε) in N gibt, so dass
Wir sagen, die Folge hat den Grenzwert Null (oder: konvergiert gegen Null), und schreiben
Notation 4.1.4
Wenn man
an ↑ 0 bzw. an ↓ 0
schreibt, bedeutet es, dass {an }∞
n=1 monoton wachsend bzw. monoton fallend gegen Null
für n→∞ konvergiert. Alternativ ndet man die Notation
an ↗ 0 bzw. an ↘ 0.
Bemerkung. Man denkt an ε > 0 sehr klein und erwartet, dass N im Allgemeinen sehr
groÿ gewählt werden muss. ε > 0 spielt die Rolle einer Fehlertoleranz. Diese ist das Input
und wird gegeben. Zurückgeliefert wird ein passendes Output N , so dass der Fehler für alle
zukünftigen Folgenglieder kleiner gleich der Toleranz ist.
9 n
, ε = 10−4 .
Beispiel. cn = 200 10
Dann ist |cn | ≤ ε0 für alle n ≥ 138. Also gibt man
zurück N = 138.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 65
Beispiel.
a1 = 1,
a2 = 0,
1
a3 = ,
4
a4 = 0,
a5 = 0,
1
a6 = ,
4
a7 = 0 usw.
Bemerkung. Ob {bn }∞
n=1 eine Nullfolge ist, hat nur mit dem Verhalten für groÿe n zu tun.
· 5n n = 1, 2, ..., 500
10000
bn = 1
n
5
n ≥ 501
Beispiel. Bestimmen Sie, ob die folgenden Folgen gegen Null konvergieren oder nicht
1
(1) an = n
,
(2) bn = b + (−1)n b + n1 , b ∈ R,
√ √
(3) cn = n + 1 − n .
1
N := ,
ε
wobei für x ∈ R ⌈x⌉ die kleinste ganze Zahl gröÿer gleich x bezeichnet. Da ε > 0, ist
N ∈ N. Auÿerdem gilt
1
n≥ für alle n ∈ N mit n ≥ N,
ε
so dass
1
≤ε für alle n ∈ N mit n ≥ N,
n
wie gewünscht.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 66
Zu (2) : Für b=0 haben wir schon in (1) gezeigt, dass {bn } eine Nullfolge ist. Wir
zeigen jetzt für b ̸= 0, dass {bn } keine Nullfolge ist. Für n gerade ist
1
bn = 2b + .
n
Wenn b > 0, dann setzen wir ε := 2b. Dann ist
1
|bn | = bn = 2b + >ε für alle gerade n ∈ N.
n
Wenn b < 0, dann setzen wir ε := |b| Für n ≥ 1/|b| und gerade gilt dann
1
|bn | = 2|b| − ≥ |b| ≥ ε.
n
Zu (3) : Die Idee ist, dass
√ √
n+1≈ n für n groÿ,
√ √
so dass n + 1− n klein ist für n groÿ. Diese Idee müssen wir irgendwie präzise machen.
Der Trick, der hier nützlich ist, ist das Erweitern mit Eins:
√ √
√ √ n+1+ n
0 ≤ cn = ( n + 1 − n) · √ √
n+1+ n
1 1
=√ √ <√ . (4.1.2)
n+1+ n n
1
Sei ε>0 gegeben. Wir wählen N =
ε2
. Dann ist
(4.1.2) 1 1
cn ≤ √ ≤ √ ≤ ε for all n ≥ N.
n N
Also ist {cn }∞
n=1 eine Nullfolge.
Wie im letzten Beispiel gesehen, hilft es oft, mit einer einfacheren Folge zu vergleichen.
für alle n ∈ N, die gröÿer als eine feste Zahl N0 sind. Wenn an → 0 für n → ∞, dann
gilt auch bn → 0 für n → ∞.
Denition 4.1.6
∞
Wenn (4.1.3) gilt, dann nennen wir {an }n=1 eine Majorante von {bn }∞
n=1 . Man sagt, dass
{an }∞ ∞
n=1 die Folge {bn }n=1 majorisiert.
Lösung. Wir wenden die Bernoullische Ungleichung an. Da |α| ∈ (0, 1), ist
1
=1+h
|α|
1 1 1
|α|n = n
≤ ≤ .
(1 + h) 1 + nh nh
∞
1
{|α|n }∞ {αn }∞
Da eine Nullfolge ist, ist auch n=1 eine Nullfolge und somit auch n=1 .
nh n=1
(i) {an }∞
n=1 ist beschränkt,
(iv) {an · cn }∞
n=1 ist eine Nullfolge.
Wir setzen
und denieren
C̃ := max {C, 1} .
Zu (ii) : Nach der Dreiecksungleichung und der Homogenität des Absolutbetrags gilt
Sei ε > 0 gegeben. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir annehmen, dass
α ̸= 0 und β ̸= 0. (Warum?) Da {an }∞ ∞
n=1 , {bn }n=1 Nullfolgen sind, existieren N1 , N2 ∈ N,
so dass
ε ε
|an | < für alle n ≥ N1 , |bn | < für alle n ≥ N2 . (4.1.5)
2|α| 2|β|
ε ε
|αan + βbn | ≤ + =ε für alle n ≥ max {N1 , N2 } .
2 2
Zu (iii) : Zu ε>0 wählen wir N ∈ N, so dass
Nach (ii) ist {M |an |}∞n=1 eine Nullfolge. Da |an · cn | ≤ M |an |, schlieÿen wir mit Satz
4.1.5, dass {an · cn }∞
n=1 eine Nullfolge ist.
Fall (iv) oben ist der einfache Fall. Sehr oft werden wir Folgenglieder der Form
an · c n
betrachten, wobei {an }∞
n=1 {cn }∞
eine Nullfolge ist und n=1 eine unbeschränkte Folge ist. Die
Frage ist die Rate: verschwindet an schneller oder wächst cn schneller? Als Beispiel betrachten
wir die Folge mit Folgengliedern
1
|α|n ≤ für ein h>0
hn
angewendet. Hier reicht diese Abschätzung nicht aus, weil wir daraus nur
1
|nαn | ≤
h
erhalten. Wegen √1 >1 können wir h̃ durch
|α|
1
p = 1 + h̃
|α|
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 69
denieren und erhalten somit eine bessere Rate, wie wir jetzt zeigen.
1
p = 1 + h̃
|α|
1 1
|nαn | = n|α|n = n · ·
(1 + h̃)n (1 + h̃)n
1 1
≤n· · (Bernoullische Ungleichung)
1 + nh̃ 1 + nh̃
1
≤n·
(nh̃)2
1
= ,
n(h̃)2
Frage: Können Sie eine noch bessere Rate des Abfallens von {αn } erhalten? Inwiefern?
xn
Beispiel. Ist an = n!
,x ∈ R, eine Nullfolge?
Lösung. Ja, Abfallen durch Fakultät schlägt exponentielles Wachstum. Wir schreiben
xn x x x x x
= · · ... · · · ... · , (4.1.6)
n! |1 2 {z m} |m + 1{z n}
=:Cm n−m Terme
wobei Cm < ∞ für m groÿ aber fest (endlich) gilt. Wir wählen m∈N groÿ genug, so
dass
x 1
< . (4.1.7)
m 2
Dann ist
n
x (4.1.6) (4.1.7)
≤ Cm · x
n−m
1 n−m
n! ≤ Cm 2
m
1 n
= Cm 2m 2
.
1 ∞ xn ∞
Für m fest ist Cm · 2m eine feste Zahl. Da
n=1 2n
eine Nullfolge ist, ist auch
n! n=1
eine Nullfolge. (Nach Satz 4.1.7 (ii) und Satz 4.1.5.)
Bemerkung. Die Formulierung m groÿ aber fest bedeutet, dass wir zwar je nach x m sehr
groÿ wählen müssen. Dieses so gewählte m muss jedoch nicht mehr im Laufe des Beweises
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 70
geändert werden und kann somit im Folgendem auch als etwas Festes, Gegebenes betrachtet
werden. Daher ist oft die Reihenfolge in Beweisen wichtig. In diesem ist x gegeben und dann
wählen wir unser m. Danach ist es nicht mehr möglich x zu ändern, der Beweis müsste dann
wieder von vorne betrachtet werden.
n3 xn n!
, , , usw.
n! n2 np · xn
Denition 4.2.1
Die Folge {an }∞
n=1 heiÿt konvergent mit Grenzwert a, oder an konvergiert gegen a, wenn
es ein a ∈ R gibt mit der Eigenschaft, dass die Folge {an − a}∞
n=1 eine Nullfolge ist. Das
heiÿt, zu jedem ε > 0 gibt es ein N ∈ N, so dass
Notation 4.2.2
Analog zur Notation für Nullfolgen schreibt man
wenn {an }∞
n=1 für n → ∞ monoton wachsend bzw. monoton fallend gegen a konvergiert.
Denition 4.2.3
Die Folge{an }∞
n=1 heiÿt konvergent, wenn es eine Zahl a ∈ R gibt, so dass limn→∞ an = a.
∞
Ansonsten heiÿt die Folge {an }n=1 divergent.
Man betrachte
an = n, bn = (−1)n · n.
Beide sind divergent, aber das Verhalten ist sehr verschieden. Um über den Unterschied
reden zu können, führen wir folgende Denition ein:
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 71
Denition 4.2.4
Wir sagen, dass {an }∞
n=1 gegen Unendlich divergiert, wenn es für jedes M ∈ R ein
N = N (M ) gibt mit der Eigenschaft, dass
an ≥ M für alle n ≥ N.
an −→ ∞ oder lim an = ∞.
n→∞
Analog für an −→ −∞. Wenn an −→ ∞ oder an −→ −∞, dann sagen wir, dass die
Folge {an }∞
n=1 bestimmt divergent ist. Wenn {an }∞
n=1 divergent, aber nicht bestimmt
divergent ist, dann sagen wir, dass die Folge unbestimmt divergent ist.
Die Folge an = n von oben ist eine bestimmt divergente Folge. Beispiele unbestimmt
divergenter Folgen:
{(−1)n }∞
n=1 , {(−1)n · n}∞
n=1 , {(1 + (−1)n )n}∞
n=1 .
lim an = ∞
n→∞
nicht impliziert, dass {an } konvergent ist (weil Unendlich keine reelle Zahl ist; sehen Sie
Denition 4.2.3).
Satz 4.2.5
Der Grenzwert einer konvergenten Folge ist eindeutig bestimmt.
a ã
1
ε := |a − ã|.
2
Da an → a konvergiert, existiert ein N ∈ N, so dass
Übung 4.2.6
Schreiben Sie einen direkten Beweis.
Man erhält die folgenden Verallgemeinerungen der Sätze 4.1.5 und 4.1.7.
an ≤ b n ≤ c n für alle n ≥ N,
a ≤ b ≤ c.
bn −→ a für n → ∞.
1 1
−→ für n → ∞.
an a
Übung 4.2.9
Beweisen Sie den Satz. (Hinweis: Die Ideen wurden schon im Abschnitt 4.1 eingeführt.)
Bemerkung. Satz 4.2.7 (ii) wird das Sandwich-Kriterium genannt, weil bn zwischen zwei
Folgen eingeschlossen ist, wie der Käse zwischen zwei Brotscheiben.
Bemerkung. Man sollte Satz 4.2.8 (ii) nicht für selbstverständlich halten. Wir schauen uns
dazu das folgende Beispiele an. Sei {ak }∞
k=1 eine Zahlenfolge. Man deniert die Folge
xn := sup {ak , k ≥ n}
| {z }
eine Menge
Es gilt
aber die linke Seite kann echt kleiner sein, zum Beispiel für
an = (−1)n , bn = (−1)n+1 .
Wir schauen uns jetzt an, wie Satz 4.2.8 in den Hausaufgaben vorkommen könnte.
Beispiele. Bestimmen Sie, ob die folgenden Folgen konvergieren. Wenn ja, geben Sie den
Grenzwert an. Begründen Sie Ihre Antwort.
O1
5n3 + 3n − 2
an = ,
2n3 − n
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 74
O2
n
1 n
an = ,
2 2n + 5
O3
n
1
an = n2 ,
2
O4
√
n
an = x, x > 0, (4.2.1)
O5
√
n
an = n. (4.2.2)
Lösung. zu
Potenz von
O
n
1 : Für solche rationale Funktionen von n dividieren wir durch die gröÿte
um die Folgenglieder in die folgende Form zu bringen:
5n3 + 3n − 2 5 + n32 − 2
n3
lim = lim
n→∞ 2n3 − n n→∞ 2 − n12
3 2
5 + lim 2 − lim3
n→∞ n n→∞ n
= 1
2− lim 2
n→∞ n
5
= ,
2
zu O2
wobei wir Satz 4.2.8 (ii) , (iv) und (vi) angewendet haben.
: Wir wenden Satz 4.2.8 (iv) an.
n n
1 n 1 n
lim = lim · lim
n→∞ 2 2n + 5 n→∞ 2 n→∞ 2n + 5
1
= 0 · lim
n→∞ 2 + 5
n
1
=0·
2
= 0.
0
Wenn man in einer ähnlichen Situation einen Ausdruck der Form 0 · ∞ oder oder
0
O
∞
erhält, muss man einen anderen Weg nehmen.
∞
zu 3 : Die oben angewendete Methode ergibt 0·∞. Das Abfallen von n ist stärker
1
2
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 75
als das Wachsen von n2 . Wir können dies deutlich machen, wenn wir zeigen, dass
also für n≥N für ein N ∈ N. Wenn (4.2.3) gilt, dann ist
n
1 n2 1
0≤ n2 ≤ 3 = für n ≥ N.
2 n n
1
Aus dem Vergleichskriterium für Nullfolgen und
n
→ 0 für n → ∞ erhalten wir, dass
∞
{an }n=1 eine Nullfolge ist. Um (4.2.3) zu zeigen, benutzen wir vollständige Induktion.
Für n = 10 ist (4.2.3) wahr. Wir nehmen an, dass (4.2.3) für ein N ≥ 10 gilt und müssen
zeigen, dass
Wir rechnen
Annahme
2N +1 = 2 · 2N > 2 · N 3.
N 3 > 3N 2 + 3N + 1.
Dies folgt aus den drei Relationen (die leicht nachzuweisen sind)
3N + 4N < 4N 2
2
für N>4, (4.2.6)
Man erhält
Nach dem Prinzip der vollständigen Induktion erhalten wir, dass (4.2.3) für alle n∈N
mit
O
n ≥ 10 gilt.
zu 4 : Hier werden wir das Vergleichskriterium anwenden. Wir fangen mit x ≥ 1 an.
Nützlich ist, wenn man
√ √
n
x = (1 + ( n x − 1)) = 1 + yn
√ √
x = ( n x)n = (1 + ( n x − 1))n = (1 + yn )n
√ √
≥ 1 + nyn = 1 + n( n x − 1) ≥ n( n x − 1) (Bernoulli).
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 76
√
Aus x ≥ n( n x − 1) schlieÿen wir
√ x
1≤ n
x≤1+ .
n
Das Vergleichskriterium ergibt
√
n
x→1 für n→∞ für x > 1.
√
n
1 1
x= q = √
n y
, y > 1,
n 1
x
und wenden Satz 4.2.8 an. (Der Grenzwert des Quotienten ist der Quotient der Grenzwerte.)
Übung 4.2.10
Zeigen Sie O5 .
Die vorherigen Beispiele waren alle schön in dem Sinne, dass wir den Grenzwert identizieren
konnten. Manchmal kann man das nicht tun. Gibt es Kriterien um zu verstehen, ob eine Folge
konvergiert, ohne den Grenzwert zu wissen ? Wir haben gesehen, dass konvergente Folgen
beschränkt sind. Gilt die Umkehrung? Sind beschränkte Folgen konvergent? Das einfache
n
Beispiel an = (−1) zeigt, dass dies nicht der Fall ist. Monotonie ist anscheinend auch
nicht ausreichend, da an = n nicht konvergiert. Wenn man allerdings Beschränktheit und
Monotonie kombiniert, hat man ein ausreichendes Kriterium gefunden.
Satz 4.2.11
Eine monotone Zahlenfolge, die beschränkt ist, konvergiert.
Anders gesagt, wenn eine Folge divergiert, müssen die Mitglieder beliebig groÿ im Absolutbetrag
werden oder oszillieren.
Bemerkung. Meist wenden wir den Satz direkt in folgender Form an: Eine monoton wachsende
Zahlenfolge, die nach oben beschränkt ist, sowie eine monoton fallende Zahlenfolge, die nach
unten beschränkt ist, konvergiert.
Beweis von Satz 4.2.11. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit (warum?) können wir
∞
annehmen, dass {an }n=1 monoton wachsend ist. Wir denieren
a := sup {an : n ∈ N} .
Da {an }∞
n=1 beschränkt ist, ist a < ∞. Auÿerdem gilt an ≤ a für alle n∈N (weil a
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 77
eine obere Schranke ist) und für jedes ε>0 existiert ein N ∈ N, so dass
aN > a − ε
Also haben wir insgesamt: Für jedes ε>0 existiert ein N ∈ N, so dass
a − ε ≤ an ≤ a für alle n ≥ N.
an → a für n→∞
gezeigt.
x n
lim 1+ (4.3.1)
n→∞ n
existiert. Diesen Grenzwert (als Funktion von x) nennen wir die Exponentialfunktion:
x n
exp(x) := lim 1 + . (4.3.2)
n→∞ n
Auÿerdem nennen wir
n
1
e := lim 1 + (4.3.3)
n→∞ n
die Eulersche Zahl. Nachdem wir gezeigt haben, dass der Grenzwert (4.3.1) existiert, werden
wir bestätigen, dass die in (4.3.2) denierte Funktion die erwarteten Eigenschaften (z.B.
exp(x + y) = exp(x) · exp(y)) hat. In (4.3.3) ist es wichtig zu bemerken, dass das Kleinwerden
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 78
Es gilt 1 + n1 ↓ 1 und (1 + α)n ↑ ∞ für alle α > 0. In (4.3.3) muss man zwei konkurrierende
Limiten gleichzeitig betrachten.
Satz 4.3.1
Für alle x∈R existiert x n
lim 1+ .
n→∞ n
x
n+1 x n+1
en+1 1 + n+1 1 + n+1 x
= n = · 1 +
1 + nx 1 + nx
en n
x
= (1 + h)n+1 · 1 + ,
n
wobei wir
x
1 + n+1
h := −1
1 + nx
x
gesetzt haben. Für n > −x gilt 1+ n
> 0, s.d. h > −1. In diesem Fall ergibt die
Bernoulli-Ungleichung
en+1 x
≥ (1 + (n + 1)h) 1 +
en n
n n+x
= ·
n+x n
= 1.
⌈
(n+1+x)n n
1 + (n + 1)h = 1 + (n + 1) (n+1)(n+x) −n−1= n+x
.
⌊
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 79
x n
Wir brauchen noch eine obere Schranke. Da en = 1 + monoton wachsend ist
n
x n
für n > −x, ist 1 − monoton wachsend für n > x und deshalb ist
n
1
bn := n
1 − nx
Aus (4.3.4) und(4.3.5) folgt es, dass en für n > x nach oben beschränkt ist. Es folgt nach
∞
Satz 4.2.11, dass {en }n=1 konvergiert.
1 n
lim 1 +
n2
,
n→∞
2
1 n
lim 1 + n
,
n→∞
g(n)
lim 1+ 1
f (n)
.
n→∞
Übung 4.3.2
Als alternativer Beweis, dass en+1 > en für n groÿ genug, kann man die Ungleichung
zwischen dem geometrischen und arithmetischen Mittel, auch AGM-Ungleichung genannt,
verwenden; siehe (1.5.7). Verwenden Sie die AGM-Ungleichung für ein Produkt von
(n + 1) Faktoren, um zu zeigen, dass für x∈R und n∈N mit n ≥ −x, x ̸= 0, gilt:
n+1
x n x
1+ < 1+ .
n n+1
Jetzt bemerken wir, dass exp(·) sich wie eine Potenz verhält.
(i) exp(0) = 1,
1
(iv) exp(−x) = exp(x)
für alle x ∈ R.
n
X
n n
a − b = (a − b) an−k bk−1 .
k=1
Beweis von Satz 4.3.3. (i) ist klar. (iv) folgt aus (i) und (ii) . (Wie?)
zu (iii) : Nach (iv) reicht es zu zeigen, dass exp(x) > 0 für x ≥ 0. Nach der Bernoulli-
Ungleichung gilt
x n
exp(x) = lim 1+ ≥1+x>0 für x ≥ 0.
n→∞ n
zu (ii) : Seien x, y ∈ R gegeben. Nach Satz 4.2.7 gilt
n
x+y x n y n
|exp(x + y) − exp(x) exp(y)| = lim 1 +
− 1+ 1+
n→∞ n n n
x+y x y
= lim 1 + − 1+ 1+
n→∞ n n n
n
n−k
X x+y x y k−1
1+ 1+ 1+ ,
k=1
n n n
(4.3.6)
wobei wir Lemma 4.3.4 angewendet haben. Der erste Term auf der rechten Seite ist
x y x y xy xy
1+ + − 1+ + + 2 = − 2. (4.3.7)
n n n n n n
Andererseits gilt für jeden Term in der Summe
n−k
x+y x y k−1
1+ 1+ 1+
n n n
n−k n−k k−1 k−1
|x| |y| |x| |y|
≤ 1+ 1+ 1+ 1+
n n n n
n−1 n−1
|x| |y|
= 1+ 1+
n n
1
≤ exp(|x|) exp(|y|)
1 + |x|
n
1 + |y|
n
wobei wir uns in der vorletzten Gleichung an die Monotonie der Konvergenz gegen exp(·)
erinnert haben. Die Dreiecksungleichung zusammen mit (4.3.6), (4.3.7) und (4.3.8) ergibt
xy
|exp(x + y) − exp(x) · exp(y)| ≤ lim 2 · n · exp(|x|) exp(|y|) = 0.
n→∞ n
p √
q
Da eq = ep für e = exp(1) schon deniert ist, möchten wir jetzt
miteinander vergleichen.
p
Lemma 4.3.5. Sei x= q
eine rationale Zahl. Dann gilt
exp(x) = ex . (4.3.9)
Da (4.3.9) für alle x∈Q gilt, ergibt die folgende Denition Sinn.
Denition 4.3.6
Wir denieren
ex := exp(x) für alle x ∈ R \ Q.
ep = (exp(1))p
= exp(1) · exp(1) · ... · exp(1)
| {z }
p mal
= exp(1| + 1 +
{z... + 1}) (nach Satz 4.3.3 (ii) )
p mal
= exp(p).
p
Für x= q
mit p, q ∈ N reicht es zu zeigen, dass (ex )q = (exp(x))q ist. Da xq ∈ N ist,
folgt aus dem vorherigen Schritt, dass
wo wir Satz 4.3.3 (ii) nochmals angewendet haben. Für x = − pq mit p, q ∈ N erhält man
1 (4.3.10) 1 1
ex = p = =
e q
exp pq exp(−x)
Satz 4.3.7
Es gilt:
(iii) exp(·) kann in einer Umgebung von Null durch lineares Wachstum dominiert
werden:
|x|
| exp(x) − 1| ≤ für alle x∈R mit |x| < 1.
1 − |x|
Insbesondere gilt
Beweis. zu (ii) : Für x ≤ −1 ist 1 + x ≤ 0. Mit exp(x) > 0 (nach Satz 4.3.3) ist (4.3.11)
erfüllt. Nach dem Beweis vom Satz 4.3.1 ist für x > −1 die Folge mit den Folgengliedern
x n
1+
n
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 83
x n
1+x≤ 1+ ≤ exp(x).
n
zu (i) : Seien x<y gegeben. Es gilt
exp(x) 1 (ii) 1
= ≤ < 1.
exp(y) exp(y − x) 1+y−x
−x
1 − ex ≤
1+x
zeigen, was äquivalent zu
x
ex ≥ 1 +
1+x
ist. Dies erhalten wir aus
(ii) 1 + 2x x
ex ≥ 1 + x ≥ =1+ .
1+x 1+x
Für x ∈ [0, 1) müssen wir
x
ex − 1 ≤
1−x
zeigen, also
x 1
ex ≤ 1 + = .
1−x 1−x
Wir erinnern an folgende Tatsache aus dem Beweis von Satz 4.3.1: Für n>x gilt
x n (4.3.5) 1 1
ex = lim 1+ ≤ lim x
n ≤ , (4.3.12)
n→∞ n n→∞ 1 −
n
1−x
1
wobei wir die Monotonie von n für die letzte Ungleichung benutzt haben.
√ (1− nx )
zu (iv) : Für x > 4n2 ist x > 2n, so dass
x √
> x. (4.3.13)
2n
Es folgt
x 2n (4.3.13) √ √
ex > 1 + > (1 + x)2n > ( x)2n = xn ,
2n
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 84
womit die Ungleichung in (iv) gezeigt ist. Es bleibt uns zu zeigen, dass die Grenzwerte
x
wie angegeben sind. Aus e ≥ x + 1 > x erhält man
1 1
0 ≤ lim e−n = lim n
≤ lim = 0.
n→∞ n→∞ e n→∞ n
(i)
en ≥ eN > N > M für alle n ≥ N.
Satz 4.3.7 (iv) macht es plausibel, dass W(exp(·)) = (0, ∞). Da wir noch nicht Grenzwerte
und Stetigkeit reeller Funktionen deniert haben, brauchen wir einen fundamentaleren Beweis.
Wir wenden uns an das Vollständigkeitsaxiom.
Satz 4.3.8
Der Wertebereich der Exponentialfunktion ist (0, ∞).
Beweis. Angesichts (4.3.14) müssen wir nur zeigen, dass (0, ∞) ⊆ W(exp(·)). Sei y ∈
(0, ∞) beliebig. Wir müssen zeigen, dass es ein x ∈ R gibt, so dass exp(x) = y . Wir
denieren
M := {x ∈ R : ex < y} .
Wegen lim e−n = 0 ist M nicht leer. Ferner ist M nach oben durch y beschränkt, da
n→∞
es = y.
Da s das Supremum von M ist, gibt es in der Tat zu jedem n∈N ein Element xn ∈ M ,
so dass
1
s− ≤ xn ≤ s (4.3.15)
n
1
(Approximation des Supremums). Auÿerdem ist
n
∈ s+
/ M , weil s eine obere Schranke
von M ist. Also erhalten wir aus der Monotonie der Exponentialfunktion, dass
1 1 (4.3.15) 1 1
es e− n = es− n ≤ exn < y ≤ es+ n = es e n ,
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 85
y = es .
Die Exponentialfunktion taucht bei vielen Anwendungen auf. Sie ist auch wichtig für gewöhn-
liche Dierentialgleichungen der Form
f ′ (x) − f (x) = 0,
f ′′ (x) − c2 f (x) = 0, c ∈ R,
f ′′ (x) − c2 f (x) = h(x), c ∈ R,
wie wir später sehen werden.
Die Exponentialfunktion erlaubt uns, die Hyperbelfunktionen zu denieren.
Denition 4.3.9
Für alle x∈R denieren wir:
Sinus Hyperbolicus
exp(x) − exp(−x)
sinh(x) := ,
2
Kosinus Hyperbolicus
exp(x) + exp(−x)
cosh(x) := ,
2
Tangens Hyperbolicus
sinh(x)
tanh(x) := .
cosh(x)
Da exp(·) streng monoton wachsend ist, ist sie injektiv. Also besitzt exp(·) auf W(exp(·))
eine Umkehrfunktion. Diese Funktion ist auch wichtig für Anwendungen und wird Logarithmus
genannt.
Denition 4.3.10
Die Umkehrfunktion der Exponentialfunktion heiÿt Logarithmus und wird mit log(·)
bezeichnet.
Satz 4.3.11
Für den Logarithmus gilt
Auÿerdem gilt
Für den Logarithmus erhalten wir die erwarteten Eigenschaften und Abschätzungen, die
wir im nächsten Satz sammeln.
log(xn ) = n log(x).
Bemerkung. (iv) drückt aus, dass der Logarithmus langsamer als jede lineare Funktion
wächst.
Analog ist
x
log = log(xy −1 )
y
= log(exp(u)(exp(v))−1 )
= log(exp(u) exp(−v))
= log(exp(u − v))
=u−v
= log(x) − log(y).
so dass
x
log(x) < für x > 4n2 .
n
1
Für c>0 gegeben wählen wir N ∈ N, so dass
N
<c und wir setzen M = 4N 2 .
Mit Hilfe der Exponentialfunktion und des Logarithmus können wir endlich die allgemeine
Potenz denieren:
Denition 4.3.13
Für a>0 und x∈R denieren wir
ax := exp x log(a) .
Satz 4.3.14
Für a, b > 0 und x, y ∈ R gilt
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 88
(i) (ab)x = ax bx ,
(iii) ax ay = ax+y .
Beweis. Übung.
4.4 Bolzano-Weierstraÿ
In diesem Abschnitt entwickeln wir ein tieferes Verständnis für Zahlenfolgen und kommen
insbesondere zum Satz von Bolzano-Weierstraÿ. Dieses Werkzeug benötigen wir später, um
das Verhalten von stetigen Funktionen zu analysieren.
Grob gesagt werden wir jetzt ausdrücken, dass, obwohl eine beschränkte Folge nicht
konvergieren muss, die Folge unendlich oft nah an (mindestens) einen Punkt kommt. Als
motivierendes Beispiel betrachten wir
1
an = (−1)n + ,
n
die viel Zeit in einer Umgebung von −1 und viel Zeit in einer Umgebung von +1 verbringt.
Die Folge konvergiert nicht, aber ±1 sind besondere Punkte. Um über solche Ideen deutlich
reden zu können, brauchen wir ein paar Denitionen.
Denition 4.4.1
Eine Umgebung von x0 ∈ R ist eine Menge U ⊆ R, so dass
Also ist eine punktierte Umgebung von x0 eine Menge V, so dass gilt
x0 ∈
/ V, und
Denition 4.4.2
Es sei {xn }∞
n=1 eine Zahlenfolge. Dann heiÿt x0 ∈ R ein Häufungspunkt der Folge, wenn
jede Umgebung von x0 unendlich viele Folgenglieder enthält.
Es sei M eine Menge reeller Zahlen. Dann heiÿt x0 ∈ R ein Häufungspunkt der Menge,
wenn jede Umgebung von x0 unendlich viele Elemente von M enthält.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 89
Beispiele.
O
n n=1
Bemerkung. x0 ist genau dann ein Häufungspunkt von M ⊆ R, wenn jede Umgebung von
x0 mindestens ein x∈M mit x ̸= x0 enthält.
Bemerkung. Eine Menge heiÿt abgeschlossen, wenn sie alle ihre Häufungspunkte enthält.
Wir sprechen ausführlich über oene und abgeschlossene Mengen in HMII (Kapitel 3).
1
∞
Im Beispiel oben bemerkt man, dass, obwohl (−1)n + n n=1
nicht konvergiert, die Folge
der Folgenglieder mit geradem Index
1
(−1)2n +
2n
doch konvergiert.
Wir möchten jetzt ähnliches Verhalten für allgemeine Folgen bemerken. Wir fangen mit einer
Denition an.
Denition 4.4.3
Es seien {an }∞
n=1 eine Zahlenfolge und {nk }∞
k=1 eine streng monoton wachsende Folge
natürlicher Zahlen. Dann heiÿt
Also sind
∞ ∞
2n 1 1
(−1) + und (−1)2n+1 +
2n n=1 2n + 1 n=1
1
∞
konvergente Teilfolgen von (−1)n + n n=1
. Als weiteres Beispiel betrachten wir
∞
(−1)n + 1
cos π ,
2 n=1
Satz 4.4.4
Die Folge {xn }∞
n=1 hat x0 als Häufungspunkt genau dann, wenn es eine Teilfolge gibt,
die gegen x0 konvergiert.
Beweis. (Hinrichtung): Wir nehmen zunächst an, dass x0 ein Häufungspunkt der Folge
ist. Dann enthält (x0 − 1, x0 + 1) ein Folgenglied xN , N ∈ N. Wir setzen
n1 := N.
Analog existiert für jedes k∈N ein N (k) ∈ N, so dass N (k) > N (k − 1) und
1 1
xN (k) ∈ x0 − , x0 + .
k k
Wir setzen
nk = N (k).
1
|xnk − x0 | ≤ ,
k
also konvergiert die Teilfolge gegen x0 .
(Rückrichtung): Wenn eine Teilfolge {xnk }∞
k=1 gegen x0 konvergiert, dann gibt es für
jedes δ>0 ein K ∈ N, so dass
Satz 4.4.5
Die Folge {xn }∞
n=1 konvergiert genau dann, wenn jede Teilfolge konvergiert.
Beweis. Übung.
Bemerkung. Bemerken Sie, dass Konvergenz jeder Teilfolge einer Folge impliziert, dass
jede Teilfolge den gleichen Grenzwert hat.
Äquivalent ist: Eine beschränkte Folge reeller Zahlen besitzt eine konvergente Teilfolge
(cf., Satz 4.4.4).
Dieser wichtige Satz entspricht der Kompaktheits-Eigenschaft von R, eine sehr wichtige
Eigenschaft, die leider für viele Funktionenräume fehlt (und deren Fehlen Probleme für uns
macht).
Um Satz 4.4.6 zu beweisen, benutzen wir das Prinzip der Intervallschachtelung.
Denition 4.4.7
Eine Folge von abgeschlossenen Intervallen [an , bn ] (mit an , bn reelle Zahlen) heiÿt Intervall-
schachtelung, falls gilt
Beweis. Aus
folgt
{an }∞
n=1 ist monoton wachsend und beschränkt,
∞
{bn }n=1 ist monoton fallend und beschränkt.
Einerseits folgt es aus der Denition von a, b und dem Vergleichskriterium, dass
an ≤ a ≤ b ≤ b n für alle n,
woraus folgt
\
[a, b] ⊆ [an , bn ].
n∈N
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 92
an → a, bn → b für n → ∞,
woraus wir
\
[a, b] ⊇ [an , bn ].
n∈N
a+b a+b
A := a, , B := ,b .
2 2
Da {xn }∞
n=1 unendlich viele Folgenglieder hat, muss A oder B unendlich viele Folgenglieder
enthalten. Wenn A unendlich viele Folgenglieder enthält, denieren wir a1 , b1 durch
[a1 , b1 ] = A,
[a1 , b1 ] = B.
a1 + b 1 a1 + b 1
a1 , und , b1 ,
2 2
und wie oben denieren wir a2 , b2 so, dass [a2 , b2 ] unendlich viele Folgenglieder enthält.
Die so konstruierte Folge {[an , bn ]}∞
n=1 ist eine Intervallschachtelung mit
b−a
b n − an =
2n
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 93
und für jedes n ∈ N enthält [an , bn ] unendlich viele Folgenglieder von {xn }∞
n=1 . Aus
Lemma 4.4.8 folgt, dass eine reelle Zahl x0 existiert mit
\
{x0 } = [an , bn ].
n∈N
Auÿerdem ist x0 ein Häufungspunkt der Folge, weil jede Umgebung von x0 ein Intervall
[an , bn ] für irgendein n ∈ N enthält (warum?) und deshalb auch unendlich viele Folgenglied-
∞
er von {xn }n=1 enthält.
Kapitel 5
Grenzwerte und Stetigkeit reeller
Funktionen
y y
3 3
f g
2 2
x x
−2 −1 1 2 −2 −1 1 2
−1 −1
−2 −2
−3 −3
In Abbildung 5.1 haben beide Funktionen den Grenzwert 1 in x = 0. Dies kann man
sehen, indem man eine beliebige Folge xn → 0 mit xn ̸= 0 betrachtet und sich überlegt,
was mit den Funktionswerten
f (xn ),
g(xn )
Wichtig ist, dass wir nicht nur eine Folge betrachten, sondern jede Folge. Zum Beispiel
merkt man in Abbildung 5.2, dass wenn
dann geht h(xn ) gegen 2. Dies bedeutet allerdings nicht, dass h den Grenzwert 2 in Null
hat, da es auch Nullfolgen gibt, so dass h(xn ) nicht gegen 2 geht.
y
3
h
x
−2 −1 1 2
−1
−2
−3
Denition 5.1.1
Sei f auf einer punktierten Umgebung V von x0 ∈ R deniert. Wir sagen, dass f an der
Stelle x0 den Grenzwert y0 ∈ R besitzt, wenn für jede Folge {xn }∞
n=1 mit
xn ̸= x0 , xn ∈ V, lim xn = x0 (5.1.1)
n→∞
gilt
lim f (xn ) = y0 . (5.1.2)
n→∞
oder
lim f (x) = y0 (bzw. lim f (x) = y0 ).
x→x−
0 x→x+
0
Bemerkung. Den Grenzwert y0 in x0 zu haben, hat nichts mit dem Funktionswert f (x0 )
zu tun! f muss nicht in x0 deniert sein. Auch wenn f in x0 deniert ist, muss f (x0 ) nicht
gleich y0 sein. Sehen Sie sich g in Abbildung 5.1 oben an.
Beispiele.
O
(
2x, x>0
2 g(x) =
x − 1 x ≤ 0.
Es gilt
O
(
2x, x > 0
3 h(x) =
x2 x < 0.
Es gilt
lim h(x) = 0.
x→0
O
(
0, x = n1 , n ∈ N
4 m(x) =
1 sonst.
lim m(x) = 1.
x↑0
Der Einfachheit halber haben wir in Denition 5.1.1 vorausgesetzt, dass f auf einer
punktierten Umgebung von x0 deniert ist. Dies wird meist in den Beispielen, die wir uns
anschauen, der Fall sein. Aber betrachten Sie die Folge
3n
xn = , n∈N
1 + 6n
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 97
1
f (xn ) = , n∈N
n
deniert ist. Man möchte schon ausdrücken können, dass f gegen Null geht, wenn x gegen
1 1
geht. Allerdings ist f auf keiner punktierten Umgebung von deniert. Somit ist eine
2 2
Verallgemeinerung von Denition 5.1.1:
gibt, dann sagen wir, dass f in x0 den Grenzwert y0 besitzt, wenn für jede Folge xn mit
xn ∈ D(f ), xn ̸= x0 , lim xn = x0
n→∞
gilt
lim f (xn ) = y0 .
n→∞
Wie bei Folgen möchte man wissen, ob man neue Grenzwerte aus Alten schlieÿen kann.
Aus Satz 4.2.8 für Folgen erhalten wir:
Satz 5.1.2
Seien f, g auf einer punktierten Umgebung von x0 deniert. Wenn für y0 , z0 ∈ R gilt
dann gilt
f (x)
lim (5.1.6)
x→x0 g(x)
betrachten, dann fragen wir uns:
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 98
Wenn y0 = 0 gilt, dann gibt es eine Methode um den Grenzwert des Quotienten
analysieren zu können. (Wie immer ist die entscheidende Frage, mit welcher Rate f
und g in x0 verschwinden.)
Übung 5.1.3
Berechnen Sie den Grenzwert:
x2 − 4
lim .
x→2 x − 2
Beispiel. Sei
p(x)
R(x) = ,
q(x)
wobei p, q Polynome sind und x0 eine Nullstelle von beiden ist. Sei x0
Dann gilt
xn − 1
h(x) = , n ∈ N,
x−1
benutzen wir Lemma 4.3.4, um h als
n
xn−k
P
(x − 1)
k=1
h(x) =
(x − 1)
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 99
n
X
lim h(x) = lim xn−k
x→1 x→1
k=1
n
X
= lim xn−k (5.1.7)
x→1
k=1
n
X
= 1
k=1
= n,
ex −1
Beispiel. Besitzt f (x) =x
einen Grenzwert in x = 0? Nenner und Zähler verschwinden
inx= 0. Wir haben in Satz 4.3.7 gesehen, dass die Exponentialfunktion in einer Umgebung
von 0 linear wächst, also erwarten wir einen von Null verschiedenen Grenzwert. Aus Satz
4.3.7 (iii) erhalten wir
x
e − 1 1
x ≤ 1 − |x| , x ∈ (−1, 1) \ {0} . (5.1.8)
x = x
≥ 1 x ∈ (0, 1), (5.1.9)
x
e − 1 1 − ex
1
und
x = −x
≥ x ∈ (−1, 0), (5.1.10)
1−x
wobei wir (4.3.12) für die letzte Ungleichung benutzt haben. Zusammen implizieren (5.1.9)
und (5.1.10), dass
x
e − 1 1
x ≥ 1 + |x| . (5.1.11)
1 1
1 lim = lim = 1,
1−|x| n→∞ 1 + |xn | n→∞ 1 − |xn |
2.5
schlieÿen wir aus dem Sandwich-Kriterium für Folgen,
2
dass
1.5 ex −1 xn
x e − 1
1
lim =1
n→∞ xn
1
0.5
1+|x| für jede Nullfolge {xn }∞
n=1 mit xn ̸= 0. Aus Denition
x 5.1.1 und exp(x) > 1 für x > 0, exp(x) < 1 für x < 0
−1 −0.5 0.5 1
schlieÿen wir
ex − 1
Abbildung 5.3: Visuelle Darstellung
lim = 1. (5.1.13)
x→0 x
von Gleichung (5.1.12).
Wir haben eben gesehen, dass das Sandwich-Kriterium für Folgen benutzt werden kann,
um den Grenzwert einer Funktion zu identizieren. Dies formulieren wir in einen Satz um.
dann ist
lim g(x) = y0 .
x→x0
Übung 5.1.5
Schreiben Sie den Beweis. (Hinweis: Benutzen Sie Denition 5.1.1 und das Sandwich-
Kriterium für Folgen.)
Denition 5.1.1 (Epsilon-Delta Denition von Grenzwert). Sei f auf einer punktierten
Umgebung V von x0 deniert. f besitzt an der Stelle x0 den Grenzwert y0 , wenn es für jedes
ε>0 ein δ > 0 gibt, so dass
Bemerkung. Hier spielt ε > 0 die Rolle einer Fehlertoleranz. δ > 0 ist der Parameter, den
wir anpassen können, damit f (x) ε-nah an y0 liegt. Wenn ε sehr klein ist (der schwierige
Fall), dann muss δ vielleicht auch sehr klein gewählt werden.
y
f (x0 )
y0 + ε
y0
y0 − ε
x
x 0 − δ1 x 0 x 0 + δ2
Abbildung 5.4
Ein Beispiel, das die neue Denition verdeutlicht, ist in Abbildung 5.4 skizziert. Für ε>0
beliebig klein gegeben, wählt man δ := min{δ1 , δ2 }. Für x ∈ (x0 − δ, x0 + δ) mit ̸ x0 ist
x=
f (x) ∈ (y0 − ε, y0 + ε). Der Graph einer Funktion, die das Kriterium in der neuen Denition
nicht erfüllt, ist in Abbildung 5.5 skizziert. Zu ε=1 (und zu jedem positiven ε̃ < 1) gibt es
kein δ > 0, so dass
y0 + 1
y0
x
x0
Abbildung 5.5
Sobald x < x0 nah an x0 liegt (und egal wie nah x an x0 liegt), ist f (x) ≥ y0 + 1.
Übung 5.1.6
Finden Sie zu f (x) := 5x + 1 den Grenzwert L in x0 = 2. Bestimmen Sie zu ε = 14
ein δ > 0, so dass 0 < |x − x0 | ≤ δ impliziert, dass |f (x) − L| ≤ ε. Finden Sie eine
quadratische Funktion g mit dem gleichen Grenzwert in x0 = 2. Bestimmen Sie, ob zum
gegebenen ε das geeignete δ gröÿer oder kleiner als das zu f gefundene δ sein müsste.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 102
Übung 5.1.7
Finden Sie zu
(
5x + 1 x ̸= 2
f (x) :=
27 x=2
1
den Grenzwert L in x0 = 2. Bestimmen Sie zu ε= 4
ein δ > 0, so dass 0 < |x − x0 | ≤ δ
impliziert, dass |f (x) − L| ≤ ε.
Satz 5.1.8
′′
Denition 5.1.1 und Denition 5.1.1 sind äquivalent.
Beweis. Übung.
Man redet auch von Konvergenz gegen Unendlich oder vom Verhalten von f für x gegen
Unendlich. Über diese Begrie möchten wir auch reden können. Dafür führen wir die
folgenden Denitionen ein.
Satz 5.1.10
Denition 5.1.9 ist äquivalent zum folgenden Kriterium: Für jedes M ∈R gibt es ein
δ > 0, so dass 0 < |x − x0 | < δ impliziert f (x) ≥ M .
Beispiel.
1 −1
lim = ∞, lim = −∞,
x→0 x2 x→1 (x − 1)2
1
aber x besitzt in 0 keinen Grenzwert, da
1 1
lim = ∞, aber lim = −∞.
x↓0 x x↑0 x
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 103
lim f (x) = y0 ,
x→∞
lim f (xn ) = y0 .
n→∞
1
lim = 0, lim tanh(x) = 1.
x→∞ x2 x→∞
Satz 5.1.12
Denition 5.1.11 ist äquivalent zu: zu jedem ε>0 gibt es ein M ∈ R, so dass
lim f (x) = ∞,
x→∞
lim f (xn ) = ∞.
n→∞
Analog für
Satz 5.1.14
Denition 5.1.13 ist äquivalent zu: zu jedem K∈R gibt es ein M ∈ R, so dass
Wie für eigentliche Grenzwerte in x0 ∈ R kann man sich fragen, ob für diese uneigentlichen
Grenzwerte der Grenzwert einer Summe die Summe der Grenzwerten ist, und das Gleiche
für Produkte und Quotienten. Ein Vergleichskriterium kann man sich auch überlegen. Zum
Beispiel impliziert
lim g(x) = y0 .
x→∞
lim g(x) = ∞
x→∞
impliziert?
Übung 5.1.15
Formulieren Sie einen Satz wie Satz 5.1.2 für uneigentliche Grenzwerte.
Übung 5.1.16
Berechnen Sie
|2x − 1| − |2x + 1|
lim .
x→0 x
5.2 Stetigkeit
Jetzt können wir Stetigkeit einer Funktion f in einem Punkt x0 ∈ R leicht denieren. Dies
bedeutet nichts Anderes als:
Während die Existenz des Grenzwerts in x0 nichts mit dem Funktionswert zu tun hat, spielt
dieser Wert für Stetigkeit eine wichtige Rolle. Stetige Funktionen sind gut in dem Sinne,
dass sie sich so verhalten, wie man erwartet. Wir werden mehrere wichtige Sätze über stetige
Funktionen beweisen können.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 105
Denition 5.2.1
Sei f auf einer Umgebung von x0 deniert. f ist in x0 stetig, falls der Grenzwert lim f (x)
x→x0
existiert und es gilt
lim f (x) = f (x0 ).
x→x0
Sei f auf (a, b) deniert. f ist auf (a, b) stetig (oder einfach stetig), wenn f in jedem
Punkt von (a, b) stetig ist. Sei f auf [x0 , b) deniert. f ist in x0 rechtsseitig stetig, wenn
Auÿerdem nennen wir f auf [x0 , b) stetig, wenn f auf (x0 , b) stetig ist und f in x0
rechtsseitig stetig ist. Analog für linksseitig stetig. f ist auf (a, ∞) oder (−∞, a) oder
(−∞, ∞) stetig, wenn f in jedem Punkt des Intervalls stetig ist.
Bemerkung. Stetigkeit freut uns, weil wir mehr Rechenwege zur Verfügung haben. Zum
1
Beispiel können wir Stetigkeit von exp(·) limn→∞ 3 n jetzt
verwenden, um den Grenzwert als
1 1 1 1
lim 3 = lim exp(log(3 )) = lim exp
n n log(3) = exp lim log(3) = 1
n→∞ n→∞ n→∞ n n→∞ n
Übung 5.2.2
Was passiert, wenn Sie diese Idee mit n1/n anwenden?
Wie für Grenzwerte, können wir auch Stetigkeit durch ein ε- δ Kriterium denieren.
Denition 5.2.1' (Epsilon-Delta Denition von Stetigkeit). Sei f auf einer punktierten
Umgebung V von x0 deniert. f ist in x0 stetig, wenn es für jedes ε > 0 ein δ>0 gibt, so
dass
Übung 5.2.3
Bestätigen Sie die folgenden Tatsachen.
p(x)
Eine rationale Funktion
q(x)
ist auf ihrem Denitionsbereich stetig.
exp(·) ist stetig auf R. log(·) ist stetig auf (0, ∞).
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 106
Die Funktion
(
0 x∈R\Q
f (x) =
1 x∈Q
Die Funktion
(
0 x∈R\Q
f (x) = 1
q
x = pq ∈ Q (vollständig gekürzt)
Die Funktion
(
1 − x2 x ̸= 1
g(x) =
5 x=1
ist in x = 1 nicht stetig. Wir können g aber stetig machen, wenn wir g(1) als 0
statt 5 denieren.
Die Funktion
1
x2
ist in x=0 nicht stetig, und dies können wir nicht reparieren.
Die letzten Beispiele zeigen, dass es unterschiedliche Weisen gibt, in denen Stetigkeit
fehlen kann. Wir möchten zwischen diesen Typen unterscheiden können.
Denition 5.2.4
Wenn f auf einer punktierten Umgebung U̇ von x0 stetig ist und lim f (x) existiert (als
x→x0
reelle Zahl), dann heiÿt f in x0 stetig ergänzbar. Die Funktion
(
f (x) x ∈ U̇
f˜(x) =
lim f (x) x = x0
x→x0
ist aufU̇ ∪ {x0 } stetig und heiÿt die stetige Ergänzung oder die stetige Fortsetzung von
f. Man sagt,f habe in x0 eine hebbare Unstetigkeit.
Falls es keine solche Fortsetzung f˜ gibt (weil der Grenzwert nicht existiert), dann
sagen wir, dass f eine nicht hebbare Unstetigkeit in x0 hat.
Jetzt möchten wir uns die ersten Eigenschaften stetiger Funktionen anschauen.
Satz 5.2.5
(i) Es seien f, g : (a, b) −→ R in x0 ∈ (a, b) stetig. Dann sind auch f +g und f ·g in
x0 stetig. Falls g(x0 ) ̸= 0, dann ist fg in x0 stetig.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 107
y y y
x x x
x0 x0 x0
(a) hebbare Unstetigkeit (b) nicht hebbare Unstetigkeit (c) nicht hebbare Unstetigkeit
(ii) Sei lim f (x) = y0 ∈ (c, d) und g : (c, d) −→ R in y0 stetig. Dann gilt
x→x0
lim (g ◦ f ) (x) = g lim f (x) = g(y0 ).
x→x0 x→x0
(iii) Es seien f : (a, b) −→ R in x0 ∈ (a, b) stetig und y0 := f (x0 ) ∈ (c, d). Auÿerdem
sei g : (c, d) −→ R in y0 stetig. Dann ist g ◦ f in x0 stetig.
(iv) Es sei f : (a, b) −→ R streng monoton und stetig. Dann ist ihre Umkehrfunktion
−1
f : W(f ) −→ R ebenfalls streng monoton und stetig. Ferner ist W(f ) ein Intervall.
Übung 5.2.6
Teil (ii) drückt aus, dass wir den Grenzübergang n → ∞ mit der Auswertung der
Funktion vertauschen können, wenn g stetig ist. Geben Sie ein Gegenbeispiel an in dem
Fall, dass g in y0 nicht stetig ist.
Übung 5.2.7
Verwenden Sie den Satz, um
1
lim exp sin
n→∞ n
zu berechnen. (In der Klausur, wäre wahrscheinlich nur nach dem Grenzwert gefragt,
ohne den Hinweis, welchen Satz bzw. welche Eigenschaft zu verwenden. Sie müssten
dann erwähnen, was Sie dabei verwenden.)
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 108
Partieller Beweis von Satz 5.2.5. zu (ii) : Wir betrachten eine beliebige Folge {xn }∞
n=1
mit xn ∈ (a, b) und xn ̸= x0 für alle n ∈ N, und xn → x0 für n → ∞. Nach Annahme
gilt
f (xn ) → y0 . (5.2.1)
Ferner ist f (xn ) ∈ (c, d) für n groÿ genug. (Warum?) Also deniert {f (xn )}∞
n=1 eine
Folge, die gegen y0 konvergiert, und Stetigkeit von g in y0 impliziert
Da {xn }∞
n=1 beliebig war, erhalten wir aus der Denition des Grenzwerts, dass
lim g(f (x)) = g(y0 ) = g lim f (x) .
x→x0 x→x0
Bemerkung. Wir sollten die Stetigkeit von g zu schätzen wissen. Fehlt sie, dann kann
die Zusammensetzung viel schlimmer sein, als die ursprünglichen Funktionen. Zum Beispiel
kann die Zusammensetzung g◦f nirgendwo stetig sein, obwohl f nur auf Q nicht stetig ist
und g nur in einem Punkt nicht stetig ist. Ein Beispiel ist:
(
1
q
, x = pq ∈ Q (vollständig gekürzt)
f (x) =
0, x∈/ Q,
(
1, x ̸= 0
g(x) =
0, x = 0.
Die Zusammensetzung
(
1, x∈Q
(g ◦ f )(x) =
0, x∈
/Q
Übung 5.2.8
Finden Sie die Konstante c, so dass g auf R stetig ist:
(
x 2 − c2 x < 4
g(x) =
cx + 20 x ≥ 4.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 109
Übung 5.2.9
Finden Sie Konstanten c und d, so dass h auf R stetig ist:
2x
x<1
2
h(x) = cx + d 1 ≤ x ≤ 2
4x x > 2.
Übung 5.2.10
Bestimmen Sie ob für den gegebenen Punkt a die Funktion f eine hebbare Unstetigkeit
in a hat. Falls ja, dann nden Sie die stetige Fortsetzung.
O 1 a = 7,
x−7
f (x) = .
|x − 7|
O 2 a = 9, √
3− x
f (x) = .
9−x
Satz 5.3.1
Eine auf [a, b] denierte Funktion, die stetig ist, ist beschränkt.
Wenn f stetig auf einem unbeschränkten Intervall ist, gilt die Aussage nicht. Gegenbeispiel:
f (x) = x auf [0, ∞).
Wenn f
stetig auf einem nicht abgeschlossenen Intervall ist, gilt die Aussage nicht.
1
Gegenbeispiel: f (x) = x auf (0, 1].
Beweis von Satz 5.3.1. Sei f : [a, b] → R stetig. Wir werden zeigen, dass f nach oben
beschränkt ist. Analog zeigt man, dass f nach unten beschränkt ist.
Wenn f nicht nach oben beschränkt wäre, würde es für jedes n ∈ N ein xn ∈ [a, b]
geben, so dass
f (xn ) ≥ n. (5.3.1)
Da {xn }∞
n=1beschränkt ist, existiert nach dem Satz von Bolzano-Weierstraÿ eine konver-
∞
gente Teilfolge {xnk }n=1 mit Grenzwert x0 ∈ R. Aus
folgt, dass
a ≤ x0 ≤ b,
(5.3.1)
f (x0 ) = lim f (xnk ) = ∞,
k→∞
Wir haben häug bemerkt, dass eine Funktion sein Supremum und Inmum nicht annehmen
muss (z.B. f (x) = x auf (0, 1) oder tanh(x) auf R). Der nächste Satz sagt uns, dass stetige
Funktionen auf kompakten Mengen doch ihr Supremum und ihr Inmum annehmen. (Dies
ist später z.B. für Optimierungsprobleme und den Mittelwertsatz wichtig.)
Bemerkung. Der Satz ist nicht konstruktiv: Er sagt uns nicht, was xm , x M sind, oder wie
wir die Zahlen nden oder approximieren können.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 111
m := inf f, M := sup f.
[a,b] [a,b]
Angesichts
a ≤ xn ≤ b
(5.3.2)
f (x0 ) = f ( lim xnk ) = lim f (xnk ) = M.
k→∞ k→∞
Übung 5.3.3
Begründen Sie folgende Behauptung:
Ich baue ein rechteckiges Gehege. Dafür habe ich 100m Zaun zur Verfügung.
Es gibt ein gröÿtmögliches Gehege, das ich einrichten kann.
f (x) = y.
m := min f, M := max f.
[a,b] [a,b]
f (x) = y.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 112
Bemerkung. Obwohl die Aussage des Satzes nicht konstruktiv ist, geben wir einen konstrukiven
Beweis an.
Bemerkung. Wissen Sie noch, wieviel Mühe es gekostet hat, zu zeigen, dass W(exp(·)) =
(0, ∞) gilt? Geben Sie eine Abkürzung mithilfe des Zwischenwertsatzes an. Vergessen Sie
nicht, Stetigkeit zu verwenden.
Bemerkung. Wenn f nicht stetig ist, gilt der Satz nicht! Gegenbeispiel:
(
x2 + 1, x ∈ [1, 2]
f (x) =
x2 − 2, x ∈ [0, 1).
Dann ist
f (x) = 1.
Übung 5.3.5
Begründen Sie, dass es kein x ∈ [0, 2] gibt, so dass für die obige Funktion gilt f (x) = 1.
Übung 5.3.6
Betrachten Sie
(
1 − x2 0≤x≤1
f (x) =
1 + x2 1 < x ≤ 2.
O
1 Zeigen Sie, dass f nicht stetig auf [0, 2] ist.
O
2 Zeigen Sie, dass f nicht jeden Wert zwischen f (0) und f (2) annimmt.
Beweis von Satz 5.3.4. Wenn m=M ist, dann ist f konstant:
Also nehmen wir an, dass m < M. Dass es xm , x M gibt mit f (xm ) = m, f (xM ) = M ,
folgt aus dem Satz über die Extremwerte. Also nehmen wir o.B.d.A. an, dass
y ∈ (m, M ). (5.3.3)
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 113
Wir denieren
g(x) := f (x) − y.
g(x̄) = 0.
a1 = x m , b1 := xM ,
a1 + b 1
c := .
2
Es gilt entweder
a2 := a1 , b2 := c,
a2 := c, b2 := b1 .
Falls für ein n∈N gilt g(c) = 0, dann haben wir die gewünschte Nullstelle x̄ gefunden.
Ansonsten haben wir eine Intervallschachtelung {[an , bn ]}∞
n=1 deniert, wobei
lim an = lim bn =: x̄
n→∞ n→∞
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 114
so dass
g(x̄) = 0.
Übung 5.3.7
Begründen Sie die Aussage:
Für jedes Polynom (2n − 1)-ten Grades ist der Wertebereich ganz R.
Übung 5.3.8
Zeigen Sie, dass p(x) = x2 + x − 1 zwei reelle Nullstellen x± hat und bestimmen Sie
ganze Zahlen s± , so dass gilt
Übung 5.3.9
Zeigen Sie, dass eine positive Lösung der Gleichung
cos(x) = exp(x) − 1
existiert.
Übung 5.3.10
Zeigen Sie, dass
sin (x) = exp(−x)
eine Lösung besitzt.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 115
Übung 5.3.11
Zeigen Sie, dass
1
sin = exp(−x)
x
eine Lösung x∗ ∈ (0, 2π) besitzt.
Übung 5.3.12
Für die Funktion f gegeben durch
1
f (x) = x3 − ,
x
zeigen Sie, dass es einen Punkt x∗ gibt, so dass f (x∗ ) = 10.
Übung 5.3.13
Verwenden Sie den Zwischenwertsatz, um zu zeigen, dass es ein r ∈ R gibt, so dass
r2 = 2.
Übung 5.3.14
Sie gehen am Montag vom Marktplatz zum Hauptgebäude. Sie verlassen den Marktplatz
um 10 Uhr und kommen am Hauptgebäude um 10 : 24 Uhr an. Am Dienstag nehmen
Sie den gleichen Pfad vom Hauptgebäude um 10 Uhr zum Marktplatz und kommen um
10 : 24 Uhr an. Beweisen Sie, dass es einen Punkt entlang des Pfades gibt, wo Sie zum
genau gleichen Zeitpunkt an beiden Tagen waren.
Methode zur Nullstellenbestimmung: Wie erwähnt, enthält der Beweis einen Algorithmus,
durch den man den Punkt x̄ nden kann. Das so genannte Bisektionsverfahren ist eine
zuverlässige Methode, Nullstellen zu nden, aber leider konvergiert es sehr langsam. In dieser
a +b
Methode nimmt man immer den Mittelpunkt c = n n um das neue Intervall zu denieren,
2
egal wie sich f verhält. Eine andere Möglichkeit wäre es, mehr Infomation über die Funktion
f zu benutzen, um ein neues Intervall zu nden.
aα b
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 116
Stellen Sie sich vor: Wir suchen eine Nullstelle x̄ von f . Wir betrachten die Sekante l, die
(a, f (a)) und (b, f (b)) miteinander verbindet. Wenn f fast linear wäre, also f (x) ≈ l(x) (in
irgendeinem Sinne), dann wäre es schlau, x̄ durch die Nullstelle α von l zu approximieren.
Diese Idee führt zur Sekantenmethode.
Die Sekantenmethode
Gegeben seien a, b ∈ R mit
Man deniere
b−a
α := a − f (a) · .
f (b) − f (a)
Wenn f (α) ̸= 0 ist, dann fährt man wie folgt fort:
Wenn f (a) · f (α) < 0 ist , dann setze man
a1 = a, b1 = α,
sonst
a1 = α, b1 = b.
b n − an
αn+1 = an − f (an ) · .
f (bn ) − f (an )
Die Sekantenmethode ist schneller als das Bisektionsverfahren und ist relativ zuverlässig,
insbesondere wenn man ungefähr weiÿ, wo die Lösung liegt.
Übung 5.3.15
Betrachten Sie die Gleichung f (x) = x2 − 2 = 0 auf [1, 2].
O1 Finden Sie die nächsten zwei Intervalle, die Sie mit dem Bisektionsverfahren erhalten.
Noch schneller ist das so gennante Newtonverfahren. Wir können die Methode genauer
besprechen, wenn wir die Ableitung deniert haben. Die grobe Idee ist, dass die Newtonsche
∞
Methode eine Folge {αn }n=1 erzeugt mit
αn = φ(αn−1 ),
ᾱ = φ(ᾱ).
Also ist ᾱ ein Fixpunkt von φ.
Bemerkung. Man kann an konkreten Beispielen sehen, dass im Allgemeinen die Rate des
Newtonverfahrens besser ist.
Denition 5.3.16
Ein Fixpunkt einer Funktion f ist ein Punkt x ∈ R, so dass
x = f (x).
y=x
ᾱ
φ
ᾱ
Abbildung 5.7: Der Fixpunkt ᾱ ist der Schnittpunkt zweier Graphen: dem von φ und dem
von y(x) = x.
Beispiel. Die Funktion f (x) = x + 1 hat keine Fixpunkte. Die Funktion f (x) = x2 hat zwei
Fixpunkte, x=0 und x = 1. Jedes x ∈ R ist ein Fixpunkt der Funktion f (x) = x.
Der letzte Satz dieses Abschnitts liefert Existenz eines Fixpunkts einer stetigen Funktion.
Satz 5.3.17
Sei f : [a, b] → R stetig mit W(f ) ⊆ [a, b]. Dann besitzt f mindestens einen Fixpunkt.
Beweis. Wenn f (a) = a bzw. f (b) = b, dann ist a bzw. b ein Fixpunkt. Wenn nicht,
dann ist f (a) ∈ (a, b] und f (b) ∈ [a, b). Also gilt für f˜(x) := f (x) − x, dass
Nach dem Zwischenwertsatz gibt es ein x̄ ∈ (a, b) mit f˜(x̄) = 0. Also ist x̄ ein Fixpunkt
von f.
Fixpunkte sind oft wichtig für numerische Verfahren (z.B. für Runge-Kutta Methoden)
und sind auch für die Theorie wichtig (z.B. um zu zeigen, dass Lösungen von gewöhnlichen
Dierentialgleichungen existieren).
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 118
War dies nicht die Denition von Stetigkeit ? Was ist der Unterschied?
In der Deniton oben hängt δ von εund nur von εab. Dass f auf D(f ) stetig ist,
bedeutet, dass f in jedem Punkt x0 ∈ D(f ) stetig ist. Die Funktion f ist in x0 stetig, wenn
es zu jedem ε > 0 ein δ > 0 gibt, so dass
Beispiel. Um den Unterschied besser zu verstehen, schauen wir uns das Beispiel f (x) =
1
x
, x ∈ (0, 1) an. Die Funktion f ist stetig. Aber was passiert mit δ = δ(ε, x) für x nah an 0?
1
x1
1
x2
x1 x2 1
Abbildung 5.8: Für x1 nah an 0 ist δ = δ(ε, x1 ) viel kleiner als δ = δ(ε, x2 ) für x2 nah an 1.
Sei ε>0 gegeben und x0 ∈ (0, 1). Wir suchen ein Kriterium, damit
1 1
− ≤ε
x x0
ist. Es gilt
− 1 = x0 − x ≤ ε,
1
x x0 xx0
wenn
x0 x20 ε
x≥ und |x − x0 | ≤ .
2 2
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 119
x0 x0
Da aus |x − x0 | ≤ 2
die Ungleichung x ≥ x0 − |x − x0 | ≥ 2
folgt, reicht es aus, wenn wir
x0 x20
δ = min , ε
2 2
wählen. Man merkt, dass δ von x0 abhängt. Jetzt zeigen wir, dass f in der Tat nicht
gleichmäÿig stetig ist. Sei ε = 1. Wenn f gleichmäÿig stetig wäre, würde es ein δ > 0
geben, so dass
|x − y| ≤ δ ⇒ |f (x) − f (y)| ≤ 1.
|f (x) − f (y)| ≤ 1
δ̃
folgen. Aber für x = δ̃, y = 2
gilt
δ̃
|x − y| = ≤ δ̃
2
und
1 2 1 1
|f (x) − f (y)| = − = ≥ 1 = 2.
δ̃ δ̃ δ̃ 2
1
Im letzten Beispiel haben wir die Struktur der Funktion
x
f (x) =
benutzt, um einen
direkten Beweis zu geben. Jetzt schauen wir uns ein Beispiel an, in dem die Funktion
komplizierter ist.
Beispiel. Die Funktion log(·) : (0, ∞) → R ist nicht gleichmäÿig stetig. Dies zeigen wir mit
einem Beweis durch Widerspruch. Wir nehmen an, dass es für ε=1 ein δ>0 gäbe, so dass
(Hier betrachten wir nur |x| ≤ 1, weil das Verhalten in einer Umgebung von Null das Problem
ist.) O.B.d.A. dürfen wir annehmen (warum?), dass
δ < 1. (5.4.2)
3
x0 < δ, |log(x0 )| > . (5.4.3)
δ
Dies ist möglich, weil
lim|log(x)| = ∞.
x↓0
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 120
Allerdings gilt
1 1
wobei N = δ (die gröÿte ganze Zahl kleiner gleich δ ). Aus (5.4.1) und (5.4.4) schlieÿen
wir
1 (5.4.2) 2
|log(x0 )| ≤ N + 1 ≤ +1 < , (5.4.5)
δ δ
da die Vorraussetzung |x − y| ≤ δ aus (5.4.1) für alle Summanden in (5.4.4) erfüllt ist. Die
Ungleichung (5.4.5) widerspricht (5.4.3).
Übung 5.4.2
Zeigen Sie, dass
Wir haben eben zwei Beispiele gesehen, bei denen eine nichtbeschränkte, stetige Funktion auf
einem oenen Interval nicht gleichmäÿig stetig ist. Man kann den obigen Beweis anpassen,
um eine allgemeine Tatsache zu zeigen:
Satz 5.4.3
Wenn f : (a, b) −→ R gleichmäÿig stetig ist, dann ist f beschränkt.
Übung 5.4.4
Beweisen Sie den Satz. Andererseits geben Sie ein Beispiel an, in dem eine auf (a, b)
stetige und beschränkte Funktion nicht gleichmäÿig stetig ist.
Übung 5.4.5
Zeigen Sie, dass log(x) auf (1, ∞) gleichmäÿig stetig ist.
Übung 5.4.6
Zeigen Sie, dass x2 auf (0, L) für L∈R gleichmäÿig stetig ist.
Der einfache Fall ist: Wenn f auf [a, b] deniert und stetig ist, dann ist f auf [a, b]
gleichmäÿig stetig. Die Idee ist, dass es in diesem Fall ein schlimmstes δ gibt.
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Satz 5.4.7
Eine auf einem beschränkten, abgeschlossenen Intervall denierte und stetige Funktion
ist gleichmäÿig stetig.
Beweis. Sei f : [a, b] → R stetig. Wir nehmen für den Widerspruch an, dass f nicht
gleichmäÿig stetig ist. Dann existiert ε0 > 0 und für jedes n∈N Punkte xn , yn ∈ [a, b],
so dass
1
|xn − yn | ≤ und |f (xn ) − f (yn )| ≥ ε0 .
n
Da {xn }∞
n=1 und {yn }∞
n=1 beschränkt sind, besitzen sie nach dem Satz von Bolzano-
Weierstraÿ konvergente Teilfolgen
x = y.
Aber dann erhalten wir aus dem Vergleichskriterium und dem Satz über den Grenzwert
einer Summe den Widerspruch, dass
√
Angesichts Satz 5.4.7 ist f (x) = x auf [0, 1] gleichmäÿig stetig, obwohl der Graph sehr steil
′
ist für x klein (f (x) → ∞ für x ↓ 0).
Auf beschränkten, abgeschlossenen Intervallen sind alle stetige Funktionen gleichmäÿig
stetig. Wie sieht es auf beschränkten, oenen Intervallen aus? Was ist der Unterschied
zwischen
√
1 1
x, , x, oder sin auf (0, 1)?
x x
Welche sind gleichmäÿig stetig?
Übung 5.4.8
Untersuchen Sie auf gleichmäÿige Stetigkeit auf (0, 1):
O1
x2 log(x),
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O2
1
√ ,
x
O3
1
x sin ,
x
O4
1
α
x sin .
x
Übung 5.4.9
Zeigen Sie, dass 1/(x2 + 1) auf R gleichmäÿig stetig ist.
Kapitel 6
Dierentialrechnung
Sei f : [a, b] → R gegeben. Wenn f in x0 ∈ (a, b) stetig ist, dann ist
Wir erhalten allerdings keine Rate dafür wie schnell f (x) nach f (x0 ) konvergiert. Diese Rate
ist in x0 = 0 in der Tat für
√
f (x) = x, g(x) = x und h(x) = x2
verschieden, obwohl alle den gleichen Grenzwert haben. Die grundlegende Frage dieses Abschnitts
ist, obund wiewir f noch besser durch eine geeignete lineare Funktion ℓ(x; x0 ) approximieren
können. Diese Frage führt uns in die Dierentialrechnung.
(Achtung! Die Funktion ℓ(x; x0 ) hat x0 als (fester) Parameter und ist linear als Funktion
von x.)
Notation 6.1.1
Wir schreiben f (h) = o(h) (für h ↓ 0), wenn
f (h)
lim = 0.
h↓0 h
Wir schreiben f (h) = O(h) (für h ↓ 0), wenn es ein C∈R gibt, so dass
f (h)
lim sup ≤ C.
h↓0 h
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 124
Beispiele.
ℓ(x; x0 ) = f (x0 ) + α · (x − x0 )
zu bestimmen. Wir werden sagen, dass die lineare Funktion ℓ die beste lineare Approximation
der stetigen Funktion f in einer Umgebung von x0 ist, wenn ℓ und f zu erster Ordnung
miteinander übereinstimmen:
Denition 6.1.2
Eine reelle Funktion f heiÿt in x0 linear approximierbar, wenn es ein α ∈ R gibt, so dass
gilt
f (x) − f (x0 ) + α(x − x0 ) = o(|x − x0 |) für x → x0 .
Wir nennen ℓ(x; x0 ) = f (x0 ) + α(x − x0 ) die beste lineare Approximation von f in x0 .
Bemerkung. Nach der Denition ist jede Funktion, die in x0 linear approximierbar ist, in
x0 stetig.
Bemerkung. Nicht jede stetige Funktion ist linear approximierbar! Zum Beispiel die Funktion
g(x) = |x| ist durch ℓ1 (x) = x für x>0 und durch ℓ2 (x) = −x für x < 0 gut (sehr gut!)
approximiert. Aber es gibt keine lineare Funktion ℓ(x) = α · x, die eine gute Approximation
von g in einer Umgebung von Null ist.
Denition 6.1.3
Für eine reelle Funktion f ist die Dierenzfunktion von f in x0 durch
deniert. Wenn f in x0 linear approximierbar ist, dann ist das Dierential von f in x0
durch
dx0 f (x) := α · (x − x0 )
Wenn f linear approximierbar ist, wie nden wir die beste lineare Approximation? Wir
erhalten eine lineare Approximation für f in einer Umgebung von x0 durch die Sekante,
die (x0 , f (x0 )) und (x1 , f (x1 )) miteinander verbindet. Wie Sie wissen, ist die Steigung der
Sekante
f (x1 ) − f (x0 )
.
x1 − x 0
f (x0 )
f (x3 ) f (x3 ) − f (x0 )
x3 − x0 f (x2 ) − f (x0 )
f (x1 )
x1 − x0
x
x1 x2 x3 x0
Achtung! Weder die Sekante noch die Steigung ist für x1 = x 0 deniert. Aber man
bemerkt, dass, je näher x1 an x0 liegt, desto besser wird die Approximation (cf. Maple
∞
Worksheet). Sei {xn }n=1 eine Folge mit xn ̸= x0 , so dass xn gegen x0 konvergiert. Man
könnte die Folge der Steigungen
f (xn ) − f (x0 )
αn :=
xn − x0
denieren und versuchen, α als Grenzwert dieser Folge zu denieren. Wie das Beispiel
g(x) = |x| zeigt, bedeutet die Existenz dieses Grenzwerte für eine Folge nicht, dass die
ursprüngliche Funktion linear approximierbar ist. Aber wenn der Grenzwert für jede Folge
existiert, dann bedeutet es doch, dass f linear approximierbar ist.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 126
Satz 6.1.4
Eine Funktion f : (a, b) → R ist in x0 ∈ (a, b) linear approximierbar genau dann, wenn
f (x) − f (x0 )
lim (6.1.1)
x→x0 x − x0
existiert. Auÿerdem gilt für die Steigung α der besten linearen Approximation
f (x) − f (x0 )
α = lim . (6.1.2)
x→x0 x − x0
Bemerkung. Wenn der Grenzwert α in (6.1.2) existiert, dann wird die Funktion
Denition 6.2.1
Sei f : (a, b) → R eine Funktion und x0 ∈ (a, b). Der Dierenzenquotient von f in x0 ist
f (x) − f (x0 )
Dx0 f (x) := .
x − x0
Wenn der Grenzwert des Dierenzenquotients für x → x0 existiert, dann heiÿt dieser
Grenzwert die Ableitung von f in x0 und wird mit
df
f ′ (x0 ) oder (x0 )
dx
bezeichnet. In diesem Fall sagt man, dass f in x0 dierenzierbar ist.
Bemerkung. Dierenzierbarkeit in einem Punkt ist eine lokale Eigenschaft einer Funktion.
Oben haben wir bemerkt, dass f in x0 stetig ist, wenn f in x0 linear approximierbar
ist. Nach Satz 6.1.4 kann man die Bedingung in Dierenzierbarkeit umformulieren. Die
Verbindung zwischen Stetigkeit und Dierenzierbarkeit ist für uns so wichtig, dass wir
diese Bemerkung als Lemma ausdrücken.
Lemma 6.2.2. Wenn f : (a, b) → R in x0 ∈ (a, b) dierenzierbar ist, dann ist f in x0 stetig.
Also gilt
Beispiele.
xn − 1 ex − 1
lim =n und lim =1 (6.2.1)
x→1 x − 1 x→0 x
gezeigt. Nach Denition 6.2.1 ist
xn − 1 f (x) − f (1)
= = D1 f (x)
x−1 x−1
der Dierenzenquotient von f (x) = xn in x0 = 1. Also impliziert der erste Grenzwert
in (6.2.1), dass
d n
f ′ (1) = n oder x |x=1 = n. (6.2.2)
dx
Analog ist
ex − 1 ex − e0
= = D0 g(x)
x x−0
der Dierenzenquotient von g(x) = ex in x0 = 0. Der zweite Grenzwert in (6.2.1) sagt
uns, dass
d x
g ′ (0) = 1 oder e |x=0 = 1. (6.2.3)
dx
Aus (6.2.2) und (6.2.3) schlieÿen wir:
y y y
exp(x) x3 x2
1 + 3(x − 1) 1 + 2(x − 1)
x+1
x x x
|x|
lim
x→0 x
nicht existiert.
Im zweiten Beispiel oben haben wir eine Funktion, für die der linksseitige Grenzwert und
der rechtsseitige Grenzwert
Denition 6.2.3
Wenn (x, x0 ] ⊆ D(f ) und der Grenzwert
f (x) − f (x0 )
lim
x↑x0 x − x0
existiert, dann nennen wir den Grenzwert die linksseitige Ableitung von f in x0 . Wir
schreiben
df −
f−′ (x0 ) oder (x0 )
dx
dafür und sagen, dass f in x0 linksseitig dierenzierbar ist. Wenn [x0 , x) ⊆ D(f ) und
der Grenzwert
f (x) − f (x0 )
lim
x↓x0 x − x0
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 129
existiert, dann nennen wir den Grenzwert die rechtsseitige Ableitung von f in x0 . Wir
schreiben
df +
f+′ (x0 ) oder (x0 )
dx
dafür und sagen, dass f in x0 rechtsseitig dierenzierbar ist.
Notation 6.2.4
Sei I⊆R ein Intervall, f :I→R eine Funktion, und x0 ein Punkt in I. Wir benutzen
die Notation
lim f (x)
x→x0
x∈I
Bemerkung.
dg − dg +
(0) = −1, (0) = 1.
dx dx
Man überprüft, dass eine Funktion f in x0 genau dann dierenzierbar ist, wenn
df − df +
(x0 ) und (x0 )
dx dx
beide existieren und
df − df +
(x0 ) = (x0 )
dx dx
gilt.
df −
Verwechseln Sie dx (x0 ) mit
lim f ′ (x)
x↑x0
nicht.
Übung 6.2.5
O 1 Lösen Sie die Ungleichung
|x + 1| + |x + 2| < 7.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 130
f (x) = |x + 1| + |x + 2|.
Wo ist g dierenzierbar?
Übung 6.2.6
Angenommen f ist in a dierenzierbar, berechnen Sie
f (x) − f (a)
lim √ √ .
x→a x− a
Denition 6.3.1
Sei I ⊆R ein Intervall. Wenn f : I −→ R in jedem Punkt in I dierenzierbar ist, also
wenn
f (x) − f (x0 )
lim existiert für alle x0 ∈ I ,
x→x0
x∈I
x − x0
so heiÿt f einfach dierenzierbar. Die Funktion
f ′ : I −→ R, x0 7→ f ′ (x0 )
heiÿt die Ableitung (oder die abgeleitete Funktion) von f . Wenn f ′ stetig auf I ist, dann
heiÿt f stetig dierenzierbar und man schreibt
f ∈ C 1 (I).
Wichtig: Die Ableitung in einem Punkt ist eine reelle Zahl. Die Ableitung (oder abgeleitete
Funktion) ist eine Funktion.
Frage: Schauen Sie, ob Sie eine Funktion, die dierenzierbar aber nicht stetig dierenzierbar
ist, nden können.
O2 f (x) = ex . Es gilt
ex − ex0 0
f ′ (x0 ) = lim . (6.3.1)
x→x0 x − x0 0
Um weiter zu kommen ist es nützlich, x in einer Umgebung von x0 als x = x0 + h zu
schreiben. Dann nimmt (6.3.1) die Form
wobei wir (5.1.3) und (5.1.13), angewendet haben. Also ist f ′ (x) = ex .
O3 f (x) =
√
x. Dann ist
√ √
′ x0 + h − x0 0
f (x0 ) = lim .
h→0 h 0
Wir sind blockiert und brauchen eine zusätzliche Idee. Der alte Trick, der uns wieder
hilft, ist Erweitern mit Eins:
√ √ √ √
′ x0 + h − x0 x0 + h + x0
f (x0 ) = lim ·√ √
h→0 h x0 + h + x0
h
= lim √ √
h→0 h · ( x0 + h + x0 )
1
= lim √ √
h→0 x0 + h + x0
1
= √ .
2 x0
1
f ′ (x) = − .
x2
Wie oben hilft Erweitern mit Eins.
d d
sin(x) = cos(x), cos(x) = − sin(x) (6.3.2)
dx dx
und verwandte Ergebnisse zeigen.
Bemerkung. Angesichts (6.3.2) lösen sin(·) und cos(·) die (gewöhnliche Dierential-) Gleichung
f ′′ + f = 0.
Wie mit Dierenzierbarkeit in einem Punkt und Stetigkeit in einem Punkt gibt es eine
Verbindung zwischen Dierenzierbarkeit (auf D(f )) und Stetigkeit (auf D(f )).
Lemma 6.3.2. Sei I ⊆R ein Intervall. Wenn f : I −→ R dierenzierbar ist, dann ist f
(auf I) stetig.
Dass f auf dem oenen Intervall stetig ist, folgt aus Lemma 6.2.2. Stetigkeit in einem
Endpunkt zeigt man analog.
p
Die Umkehrung gilt nicht: Man bemerkt, dass |x| und |x| stetig (auf R), aber nicht
dierenzierbar (auf R) sind.
Übung 6.3.3
Skizzieren Sie den Graphen von
6.4 Rechenregeln
Aus den Eigenschaften des Grenzwerts erhalten wir folgende Eigenschaften der Ableitung.
Satz 6.4.1
Seien f, g : (a, b) −→ R in x0 ∈ (a, b) dierenzierbar. Dann gilt
(ii) (Produktregel) f ·g ist in x0 dierenzierbar und (f · g)′ (x0 ) = f ′ (x0 ) · g(x0 ) + f (x0 ) ·
g ′ (x0 ).
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 133
f
(iii) (Quotientenregel) Wenn g(x0 ) ̸= 0 ist, dann ist
g
in x0 dierenzierbar und es gilt
′
f f ′ (x0 ) · g(x0 ) − f (x0 ) · g ′ (x0 )
(x0 ) = .
g (g(x0 ))2
Insbesondere ist ′
1 g ′ (x0 )
(x0 ) = − .
g (g(x0 ))2
Die Aussage (i) drückt aus, dass Ableiten eine lineare Abbildung ist. Diese Tatsache ist
sehr wichtig. Alle drei Regeln sind sehr nützlich für uns beim Rechnen.
Beispiele.
O2 g(x) = x2
ex +x
, g ′ (x) = 2x(ex +x)−(ex +1)x2
(ex +x)2
.
Partieller Beweis von Satz 6.4.1. Der Beweis folgt aus den Eigenschaften der Grenzwerte.
Als Beispiel zeigen wir (ii) . Es gilt
Oben haben wir sowohl den Satz über den Grenzwert einer Summe als auch die Tatsache,
dass
Auch sehr wichtig ist die Kettenregel. Wir werden diese Regelund später ihre Verallgemeinerung
für Funktionen mehrerer Veränderlicheroft benutzen.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 134
Satz 6.4.2
Seien f : (a, b) −→ R und g : (c, d) −→ R Funktionen, wobei für ein x0 ∈ (a, b) gilt:
y0 := f (x0 ) ∈ (c, d), f ist in x0 dierenzierbar und g ist in y0 dierenzierbar. Dann ist
g ◦ f in x0 dierenzierbar und es gilt
g(f (x)) − g(f (x0 )) g(f (x)) − g(f (x0 )) f (x) − f (x0 )
lim = lim ·
x→x0 x − x0 x→x 0 f (x) − f (x0 ) x − x0
g(f (x)) − g(f (x0 )) f (x) − f (x0 )
= lim · lim
x→x0 f (x) − f (x0 ) x→x 0 x − x0
|{z} | {z }
=:y =:y0
′ ′
= g (y0 )f (x0 )
= g ′ (f (x0 ))f ′ (x0 ).
Übung 6.4.3
Benutzen Sie diese Idee um einen sauberen Beweis zu schreiben. Hinweis: Argumentieren
Sie mit Folgen.
Wir schreiben einen alternativen Beweis. Dafür bemerken wir, dass der Dierenzenquotient
stetig ergänzbar ist.
in x0 stetig.
Beweis von Satz 6.4.2. Lemma 6.4.4 angewendet auf f in x0 und g in y0 ergibt
Ferner können wir annehmen, dass f (x) ∈ (c, d) für alle x ∈ (a, b). (Warum?) Wir
denieren y ∈ (c, d) durch y := f (x) für x ∈ (a, b) und erhalten aus (6.4.3), dass
Man erhält
Aus Satz 5.2.5 (ii) , Stetigkeit von f in x0 und Stetigkeit von g∗ in y0 folgt
Aus (6.4.4) und dem Satz über den Grenzwert eines Produkts erhält man (6.4.1).
Alternativer Beweis von Satz 6.4.2. Nach Satz 6.1.4 reicht es aus, wenn wir
g(f (x)) − g(f (x0 )) − g ′ (f (x0 ))(f (x) − f (x0 )) = o(|f (x) − f (x0 )|). (6.4.8)
Beispiele.
O1 h(x) = ex .
2
Man setzt f (x) = x2 , g(y) = ey . Dann ist h(x) = g ◦ f (x) und
2
h′ (x) = g ′ (f (x))f ′ (x) = ex · 2x.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 136
1 1
(g ◦ f )(x) = , f ′ (x) = 2x + 5, g ′ (x) = − ,
x2 + 5x x2
und
−1
(g ◦ f )′ (x) = · (2x + 5).
(x2 + 5x)2
O3 h(x) =
erhält
√ 2
ex +5x . Dann ist h(x) = (g ◦ f )(x), wobei g(x) =
√
x und f (x) = ex
2 +5x
. Man
1
g ′ (x) = √ ,
2 x
2
f ′ (x) = (2x + 5)ex +5x (weitere Anwendung der Kettenregel),
1 2
(g ◦ f )′ (x) = √ 2 · (2x + 5)ex +5x .
2 ex +5x
Wir werden oft höhere Ableitungen betrachten.
Denition 6.4.5
Wenn f auf (a, b) dierenzierbar ist und f ′ : (a, b) −→ R in x0 dierenzierbar ist, dann
heiÿt
f ′ (x) − f ′ (x0 )
lim
x→x0 x − x0
die zweite Ableitung von f in x0 . Wir schreiben dafür
d2 f
(x0 ) oder f ′′ (x0 )
dx2
und sagen, dass f in x0 zweimal dierenzierbar ist. Analog ist die n-te Ableitung von f
in x0
dn f (n) f (n−1) (x) − f (n−1) (x0 )
(x 0 ) = f (x 0 ) = lim .
dxn x→x0 x − x0
Denition 6.4.6
Wenn f ∈ C 1 ((a, b)) und f ′′ : (a, b) → R existiert, dann sagen wir, dass f (auf (a, b))
zweimal dierenzierbar ist. Wenn zusätzlich f ′′ auf (a, b) stetig ist, dann sagen wir, dass
f (auf (a, b)) zweimal stetig dierenzierbar ist und kürzen dies
f ∈ C 2 ((a, b))
Die Ableitung f ′ sagt uns, wie sich die Funktion f in einer innitessimalen Umgebung um
′′ ′
einen Punkt verändert. Die zweite Ableitung f sagt uns, wie f sich verändert. Also: Wie
die Steigung der Tangente sich ändert. Dieses Verhalten werden wir auch noch im nächsten
Semester an Kurven im Raum genauer untersuchen.
m>1
m=1
m=0
Abbildung 6.3: Die Steigung der Tangente wächst, also ist f ′′ positiv.
Wir werden später in Denition 6.6.9 die Bedeutung der zweiten Ableitung genauer
untersuchen.
Wie interpretiert man den Satz? Sei f die Verschiebung eines Massepunktes als Funktion
f (b)−f (a) ′
der Zeit. Dann ist die Durchschnittsgeschwindigkeit. Andererseits ist f (x) die
b−a
sogenannte momentane Geschwindigkeit, die beschreibt, wie schnell sich der Massepunkt
zu einem Zeitpunkt bewegt. Der Massepunkt kann sich schneller (oder langsamer) als die
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 138
Durchschnittsgeschwindigkeit bewegen, aber nicht die ganze Zeit über. Der Mittelwertsatz
sagt aus, dass der Massepunkt sich in (mindestens) einem Moment mit genau der Durchschnitts-
geschwindigkeit bewegt.
Also angenommen, Sie fahren in 30 Minuten von Aachen nach Köln. Auch wenn Sie
behaupten, Sie seien immer nur 130 km/h gefahren, so impliziert der Mittelwertsatz doch,
dass Sie mindestens einen Moment lang mit Geschwindigkeit
80 km
= 160 km/h
1/2 Stunde
gefahren sind.
Ein weiteres Beispiel ist: Ich laufe von einer Seite des Raumes (in einer Linie) zur anderen
Seite und zurück. Meine Geschwindigkeit ist in (mindestens) einem Moment gleich Null. Das
Gleiche passiert, wenn ich einen Ball hochwerfe und ihn wieder fange. Irgendwann hat der
Ball die Geschwindigkeit Null. (Vergleichen Sie mit dem Zwischenwertsatz.)
f (b)−f (a)
m= b−a
a x∗ b
f (b)−f (a)
Abbildung 6.4: In einem Punkt x∗ hat die Tangente genau die Steigung
b−a
.
Im Beweis benutzen wir den Satz über die Extremwerte und die Denition der Ableitung.
Beweis von Satz 6.5.1. Es reicht, wenn wir eine Funktion f mit f (a) = f (b) betrachten
′
und einen Punkt ξ ∈ (a, b) nden mit f (ξ) = 0. Das liegt daran, dass wir, wenn f (b) ̸=
f (a) ist,
f (b) − f (a)
f˜(x) = f (x) − (x − a).
b−a
denieren können. (Wir drehen das Bild in Abbildung 6.4, bis die Sekante waagerecht
ist.) Dann gilt für f˜, dass
f (b) − f (a)
f ′ (ξ) = .
b−a
Also nehmen wir an, dass f (b) = f (a).
Wenn f (x) = f (a) für alle x ∈ [a, b], dann ist die Aussage f ′ (x) = 0 für alle x ∈ (a, b)
erfüllt. Angenommen, f ist nicht identisch f (a), dann gibt es ein x ∈ (a, b) mit f (x) ̸=
f (a). Ohne Beschränkung der Allgemeinheit nehmen wir an, dass
Da f auf [a, b] stetig ist, gibt es nach dem Satz über die Extremwerte einen Punkt
x∗ ∈ [a, b] mit
x∗ ∈ (a, b).
f (x) − f (x∗ )
≥0 für alle x ∈ [a, x∗ ), (6.5.3)
x − x∗
f (x) − f (x∗ )
≤0 für alle x ∈ (x∗ , b]. (6.5.4)
x − x∗
Da f dierenzierbar ist, erhalten wir aus
dass f ′ (x∗ ) = 0.
Bemerkung. Wenn f nicht auf (a, b) dierenzierbar ist, gilt der Satz nicht. Gegenbeispiel:
|x| auf [−1, 1]. Wenn f auf (a, b), aber nicht auf [a, b] stetig ist, gilt der Satz nicht. Gegenbeispiel:
(
x x ∈ [0, 1)
f (x) =
0 x = 1.
Anwendungen.
besitzt keine (reelle) Nullstelle. Also existiert keine zweite Nullstelle x2 von p.
√ x
1+x<1+ für x>0 oder |sin(x) − sin(y)| ≤ |x − y|.
2
Übung 6.5.2
Sei f (x) = (x + 1)/(x − 1). Zeigen Sie, dass es kein c ∈ (0, 2) gibt, so dass
f (2) − f (0)
f ′ (c) = .
2−0
Wieso ist dies kein Widerspruch zum Mittelwertsatz?
Übung 6.5.3
Zeigen Sie, dass x5 + 10 + 3 = 0 genau eine reelle Lösung hat.
Übung 6.5.4
Angenommen f ist auf [2, 5] stetig und auf (2, 5) dierenzierbar mit 1 ≤ f ′ (x) ≤ 4 für
alle x. Zeigen Sie, dass
3 ≤ f (5) − f (2) ≤ 12.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 141
Übung 6.5.5
Angenommen f ist ungerade und ist überall dierenzierbar. Zeigen Sie, dass es zu jedem
b>0 ein c ∈ (−b, b) gibt, so dass gilt f ′ (c) = f (b)/b.
Übung 6.5.6
Verwenden Sie den Mittelwertsatz um zu zeigen, dass
| sin(a) − sin(b)| ≤ |a − b|
für alle a, b ∈ R.
Übung 6.5.7
√
Zeigen Sie, dass 1 + x < 1 + 12 x für alle x > 0.
Es gilt h(a) = h(b). Auÿerdem ist h auf [a, b] stetig und auf (a, b) dierenzierbar. Also
existiert ein c ∈ (a, b), so dass
h′ (c) = 0.
Man kann Satz 6.5.8 benutzen, um die berühmte Regel von l'Hôspital zu beweisen. (Wir
erinnern an die Notation 6.2.4.)
• lim
x→a
f (x) = lim
x→a
g(x) = 0 oder
x∈I x∈I
• lim
x→a
f (x) = ±∞ und lim
x→a
g(x) = ±∞ und in allen dieser Fälle
x∈I x∈I
f ′ (x)
• lim
x→a g ′ (x)
= B, wobei B∈R oder B = ±∞,
x∈I
dann gilt
f (x)
lim = B.
x→a
x∈I
g(x)
Seien Sie bitte vorsichtig, dass Sie die l'Hôspitalsche Regel nur anwenden, wenn die
Annahmen erfüllt werden! Betrachten Sie zum Beispiel
5
lim .
x→0 10 + 2x
O1
exp(x)
lim
O
x→∞ x2
2
exp(x)
lim
x
O
x↓0
3
lim x log(x).
x↓0
Denition 6.6.1
Sei f : (a, b) −→ R eine Funktion und x0 ∈ (a, b). Wenn
f (x0 ) ≥ f (x)
für alle x in einer Umgebung von x0 , dann sagen wir, dass f in x0 ein lokales Maximum
besitzt und dass x0 ein lokales Maximum von f ist. Wir nennen f (x0 ) den lokalen
Maximalwert. Analog für lokales Minimum. Wenn f in x0 ein lokales Maximum oder
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 143
Minimum hat, dann sagen wir, dass x0 ein lokales Extremum von f ist.
Übung 6.6.2
Untersuchen Sie auf lokale Extrema:
O1 (
−x x<0
f (x) :=
−1 + x x ≥ 0
O2 (
−x x<0
g(x) :=
−1 − x x ≥ 0
O3 (
−x x≤0
h(x) :=
−1 + x x > 0
O4 (
−x x<0
ℓ(x) :=
1−x x≥0
Denition 6.6.3
Wenn f in x0 dierenzierbar ist und
f ′ (x0 ) = 0,
Beweis. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit nehmen wir an, dass x0 ein lokales Maxi-
∞
mum ist. Sei {xn }n=1 eine beliebige Folge mit
xn ̸= x0 , xn → x0 für n → ∞.
Dann ist
f (xn ) − f (x0 )
f ′ (x0 ) = lim . (6.6.1)
n→∞ xn − x0
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 144
f (xn ) − f (x0 )
≤0 für alle n groÿ genug,
xn − x0
so dass aus (6.6.1) und dem Vergleichskriterium
f ′ (x0 ) ≤ 0 (6.6.2)
f (xn ) − f (x0 )
≥0 für alle n groÿ genug,
xn − x0
aus dem folgt
f ′ (x0 ) ≥ 0. (6.6.3)
f ′ (x0 ) = 0.
Bemerkung. Die Umkehrung gilt nicht! Es ist möglich, dass f in x0 dierenzierbar ist und
f ′ (x0 ) = 0,
obwohl f kein Extremum in x0 hat. Beispiel: f (x) = x3 , x0 = 0.
Also ist f ′ (x0 ) = 0 eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung dafür, dass die
dierenzierbare Funktion f in x0 ein lokales Extremum hat.
f (x) = |x|
zeigt, kann ein Punkt x0 (hier x0 = 0) ein lokales Extremum sein, ohne dass
f ′ (x0 ) = 0.
Wenn wir alle lokalen Extrema einer Funktion suchen, werden wir folgendes Korollar zu
Lemma 6.6.4 anwenden:
Wenn x0 ein lokales Extremum von f ist, dann gilt entweder f ′ (x0 ) = 0 oder f ′ (x0 )
existiert nicht.
Dann ist f konstant auf (a, b), das heiÿt, es existiert c ∈ R, sodass
Beweis. Wenn f nicht konstant wäre, dann würde es x, y ∈ (a, b) geben mit x<y und
f (x) ̸= f (y). Nach dem Mittelwertsatz gäbe es ein ξ ∈ (x, y), so dass
f (y) − f (x)
f ′ (ξ) = ̸= 0.
y−x
Zunächst bemerken wir, dass es eine Verbindung zwischen Monotonie von f und dem
Vorzeichen vonf ′ gibt.
Satz 6.6.6
Sei f : (a, b) −→ R dierenzierbar.
(i) f ist genau dann monoton wachsend bzw. monoton fallend, wenn
f ′ (x) ≥ 0 für alle x ∈ (a, b) bzw. f ′ (x) ≤ 0 für alle x ∈ (a, b).
(ii) Wenn
f ′ (x) > 0 für alle x ∈ (a, b) bzw. f ′ (x) < 0 für alle x ∈ (a, b),
Bemerkung. In (ii) gilt die Umkehrung nicht. f (x) = x3 ist streng monoton auf R, aber
f ′ (0) = 0.
f (xn ) − f (x0 )
f ′ (x0 ) = lim (6.6.5)
n→∞ xn − x0
Vorzeichen hat:
f (xn ) − f (x0 )
≥0 für alle n ∈ N. (6.6.6)
xn − x0
Aus (6.6.5) und (6.6.6) folgt
f ′ (x0 ) ≥ 0.
x
Beispiel. Zeigen Sie, dass f (x) = √ streng monoton wachsend ist. Dies folgt aus
1 + x2
1
f ′ (x) = 3 >0
(1 + x2 ) 2
und Satz 6.6.6 (ii).
Satz 6.6.7
Sei f : (a, b) −→ R stetig und auf (a, b) \ {x0 } dierenzierbar. Wenn für ein δ>0 gilt
dann besitzt f in x0 ein lokales Maximum, analog für Minimum. Umgekehrt, wenn
f ′ (x) > 0 auf (x0 − δ, x0 + δ) \ {x0 }, oder f ′ (x) < 0 auf (x0 − δ, x0 + δ) \ {x0 },
Bemerkung. Wenn f in x0 dierenzierbar ist und (6.6.7) gilt, dann folgt f ′ (x0 ) = 0. Mit
dem Satz kann man allerdings auch Funktionen wie
p
f (x) = |x| oder g(x) = |x|
betrachten.
Satz 6.6.7 ergibt eine Methode, durch die wir Extrema einer Funktion nden und aussortieren
können.
Algorithmus #1: Um die lokalen Extrema von f : (a, b) → R zu nden, für f stetig und
in allen auÿer endlich vielen Punkten dierenzierbar.
(2) Untersuche das Vorzeichen von f′ in einer Umgebung von jedem xi0 , i = 1, .., n.
Beispiel.
p
|x| + 3
−1 < x ≤ 1
f (x) = x + 1 1<x<2
2
x − 10x + 19 2 ≤ x < 10.
Dann ist f auf (−1, 10) stetig (Übung!), und f ′ existiert nicht (Übung!) in genau den Punkten
x40 = 5.
Man erhält
Bemerkung. Da wir alle Punkte, wo f′ verschwindet, als Kandidaten haben, ist keine Vor-
zeichenänderung in einem anderen Punkt möglich. Das heiÿt, wir können einen beliebigen
i i+1
Punkt in (x0 , x0 ) als Testpunkt wählen.
Wenn f
so glatt ist, dass zwei Ableitungen von f existieren und stetig sind, dann können
′′
wir kritische Punkte durch das Vorzeichen von f (x0 ) analysierenwenn dies ein Vorzeichen
hat.
Satz 6.6.8
Sei f : (a, b) −→ R zweimal stetig dierenzierbar. Sei x0 ∈ (a, b) ein kritischer Punkt von
f. Es gilt:
(i) Falls f ′′ (x0 ) < 0 ist, dann ist x0 ein Maximum von f.
(ii) Falls f ′′ (x0 ) > 0 ist, dann ist x0 ein Minimum von f.
′′ ′′
Was sagt der Satz, wenn f (x0 ) = 0? Nichts! [KEINE AUSSAGE, WENN f (x0 ) = 0.]
′′ 4 4
Was passiert, wenn f (x0 ) = 0? Alles ist möglich. Betrachten Sie f1 (x) = x , f2 (x) = −x ,
f3 (x) = x3 . (Wir besprechen diese Situation wieder, wenn wir über die Taylorformel sprechen.)
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 148
Beweis von Satz 6.6.8. zu (i) : Da f ′′ stetig ist und f ′′ (x0 ) < 0, gibt es ein ε > 0, so dass
Also ist f′ streng monoton fallend auf (x0 − ε, x0 + ε). Aus f ′ (x0 ) = 0 folgt
− − f ′′
x0
+ − f′
Skizze zu dem Beweis von Satz 6.6.8, die
x0 Umkreisten +, − geben das Vorzeichen der
Funktion in dem Bereich an.
f
x0
Aus Satz 6.6.7 folgt, dass x0 eine lokale Maximalstelle von f ist. Der Beweis von (ii)
erfolgt analog.
f ′ (x0 ) = 0.
f ′′ (x0 )
f ((1 − t)x + ty) ≤ (1 − t)f (x) + tf (y) für alle x, y ∈ I und jedes t ∈ (0, 1). (6.6.8)
Falls (6.6.8) mit echter Ungleichheit gilt, so heiÿt f strikt konvex. Analog heiÿt f konkav,
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 149
falls gilt
f ((1 − t)x + ty) ≥ (1 − t)f (x) + tf (y) für alle x, y ∈ I und jedes t ∈ (0, 1).
Manchmal drückt man es so aus: Wenn f konvex ist, dann sitzt der Graph von f unter
dem der Sekanten. Denition 6.6.9 macht deutlich, was hiermit gemeint wird.
x y
f ((1 − t)x + ty)
Satz 6.6.10
Sei f : [a, b] −→ R stetig.
(i) Wenn f auf (a, b) dierenzierbar ist, dann ist f genau dann konvex, wenn f′ auf
(a, b) monoton wachsend ist.
(ii) Wenn f auf (a, b) zweimal dierenzierbar ist, dann ist f genau dann konvex, wenn
′′
f (x) ≥ 0 für alle x ∈ (a, b).
Den Beweis überspringen wir, aber er ist nicht schwer. Man verwendet, dass Konvexität
äquivalent dazu ist, dass die Steigung der Sekanten monoton wachsend ist, also dass für alle
x1 < x̃ < x2 gilt
f (x̃) − f (x1 ) f (x2 ) − f (x̃)
≤ .
x̃ − x1 x2 − x̃
Die Funktion
(
x2 x≤0
f (x) := 1 2
2
x x>0
Denition 6.6.11
Sei f ∈ C 2 ((a, b)). Ein Punkt x0 ∈ (a, b) heiÿt ein Wendepunkt von f , wenn für ein δ > 0
gilt
f ′′ (x) > 0 auf (x0 − δ, x0 ) und f ′′ (x) < 0 auf (x0 , x0 + δ)
oder umgekehrt.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 150
Bemerkung. Da f ∈ C2
angenommen wurde, gilt in einem Wendepunkt x0 nach Stetigkeit
′′
der zweiten Ableitung, dass f (x0 ) = 0. (Achtung! Das ist nicht die Denition von Wendepunkt!
4
Der Punkt x = 0 ist KEIN Wendepunkt der Funktion x !)
Beispiele.
Wenn man den Graphen einer Funktion zeichnet, ist es nützlich, alle Extrempunkte und
′ ′′
Wendepunkte zu identizieren und Informationen über das Vorzeichen von f und f zu
2 ′′
benutzen. Wenn f ∈ C , dann kann man Informationen über das Vorzeichen von f auf
einer punktierten Umgebung von einem kritischen x0 benutzen, um den kritischen Punkt
′′
auszusortieren (wenn zum Beispiel f (x0 ) = 0).
6.7 Randextrema
Bis jetzt haben wir lokale Extrema nur für Funktionen auf oenen Intervallen deniert. Für
eine Funktion f mit D(f ) = [a, b] oder D(f ) = [a, b) oder D(f ) = (a, b], kann f auch ein
lokales Extremum in einem Endpunkt des Intervalls haben. Um Randextrema zu denieren,
geben wir diese Verallgemeinerung von Denition 6.6.1 an.
Denition 6.6.1'. Sei I⊆R ein Intervall und f : I −→ R eine Funktion. Ein Punkt x0 ∈ I
heiÿt ein lokales Maximum von f, falls es eine Umgebung U von x0 gibt, so dass
Wir nennen f (x0 ) einen lokalen Maximalwert von f. Analog für lokales Minimum. Wenn
x0 ein lokales Maximum oder ein lokales Minimum von f ist, dann nennen wir x0 ein
lokales Extremum von f.
Bemerken Sie, dass eine dierenzierbare Funktion f ein lokales Extremum in einem
Endpunkt x0 haben kann, ohne dass f ′ (x0 ) = 0. Für eine dierenzierbare Funktion f :
[a, b] → R erhält man nur
Andersherum gilt: Wenn f auf [a, b] stetig und dierenzierbar ist, dann gilt:
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 151
f ′ (a) = 0 oder f ′ (b) = 0 muss man zusätzliche Information verwenden, zum Beispiel
Falls
′ ′′ ′′
das Vorzeichen von f für x > a bzw. x < b oder f (a), f (b), falls die zweite Ableitung
existiert und ein Vorzeichen hat.
Beispiel. Als kleines Beispiel betrachte man x2 auf [1, 2], wobei die Funktion ein lokales
Minimum in x=1 und ein lokales Maximum in x = 2 hat.
Beispiel. Für die Funktion x2 auf [−1, 2] ist sowohl x = −1 als auch x = 2 ein lokales
Maximum. (x =0 ist ein lokales Minimum.)
Übung 6.7.1
Finden und klassizieren Sie alle lokale und Randextrema:
(
1
8
+ x + 21 x ∈ [−1, − 21 )
f (x) =
x3 − 3x2 + 1 x ∈ [− 12 , 4].
Wir bemerken, dass Dierenzierbarkeit auf [a, b] nicht notwendig ist, um die Randpunkte
als lokale Optima zu haben. Wenn f auf [a, b] stetig und auf (a, b) dierenzierbar ist, dann
impliziert
f ′ (x) > 0 für x ∈ (a, a + δ) (für ein δ > 0), dass a ein lokales Minimum ist.
Betrachten Sie zum Beispiel die stetige Fortsetzung von −x log(x) auf [0, 1/2]. Dann hat die
Funktion ein lokales Minimum in x=0 aber die Ableitung in Null existiert nicht.
f ′ (x) = 0
anwenden, approximieren wir kritische Punkte von f . Andere Anwendungen sind zum Beispiel
√
6
2 mit einer Genauigkeit von sechs Nachkommastellen berechnen
√
x6 = 2 x6 − 2 = 0 ,
6
2=x ⇒ ⇒
g(x) = 0 (6.8.1)
durch die Sekantenmethode approximiert. Die Idee war, dass wir die Approximation xn−1
durch die Nullstelle einer geeigneten Sekante zu ersetzen. Im Newtonschen Verfahren ersetzen
wir xn−1 durch die Nullstelle der Tangente des Graphen von g in (xn−1 , g(xn−1 )), also durch
g(xn−1 )
xn = xn−1 − .
g ′ (xn−1 )
Also ist
g(x)
φ(x) = x −
g ′ (x)
die Funktion, deren Fixpunkt x wir im Abschnitt 5.3 nden wollten. Diese Funktion ist
′ ′
in einer Umgebung von x stetig, wenn g und g stetig sind und g (x) ̸= 0. Wenn wir die
Gleichung
f ′ (x) = 0
′
lösen möchten, also g = f in (6.8.1), dann benötigen wir für das Newtonsche Verfahren,
2 ′′
dass f ∈ C in einer Umgebung der gesuchten Nullstelle x und f (x) ̸= 0. Sie können das
Newtonsche Verfahren in Maple oder Matlab (oder ähnlichesoder mit einem einfachen
Taschenrechner) ausprobieren.
Übung 6.8.1
Berechnen Sie zwei Schritte des gegebenen Verfahrens um die Lösung von cos(x) = x zu
nden:
Denition 6.9.1
Sei f eine reelle Funktion. Ein Punkt x0 ∈ D(f ) heiÿt globales Minimum von f, wenn
Wir nennen f (x0 ) den (globalen) Minimalwert von f. Analog für globales Maximum.
Wenn wir die globalen Minima von f nden möchten, müssen wir nicht nur die kritischen
Punkte von f, sondern auch die Funktionswerte in diesen Punkten betrachten. Wenn D(f )
ein beschränktes, abgeschlossenes Intervall [a, b] ist, dann reicht es aus, die Funktionswerte
in allen kritischen Punkten und die Funktionswerte in a und b zu betrachten.
Algorithmus #3: Um das globale Minimum zu nden, für f : [a, b] → R stetig und auÿer
in endlichen vielen Punkten dierenzierbar.
(1) Alle Punkte xi0 , i = 1, .., n nden, in denen f ′ (xi0 ) = 0 oder f ′ (xi0 ) nicht existiert.
(3) Alle Punkte aus {a, b, x10 , x20 , ..., xn0 } wählen, in denen f am kleinsten ist.
Alternativ kann man zuerst lokale Maxima und im Allgemeinen Extrema, die nicht
Minima sind, ausschlieÿen.
Algorithmus #4: Um die globalen Minima zu nden, für f : [a, b] → R stetig und auÿer
in endlichen vielen Punkten dierenzierbar.
(1) Alle Punkte xi0 , i = 1, .., n nden, in denen f ′ (xi0 ) = 0 oder f ′ (xi0 ) nicht existiert.
(2) Aus {a, b, x10 , . . . , xn0 } alle Punkte y01 , ..., y0m identizieren, die lokale Minima sind.
(4) Alle Punkte aus {y01 , y02 , ..., y0m } wählen, in denen f am kleinsten ist.
Beispiel.
stetig aber nicht dierenzierbar. Also ist 1 auch ein kritischer Punkt. Um zusätzliche
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 154
kritische Punkte zu nden, suchen wir Lösungen von f ′ (x) = 0. Für x<1 berechnen
wir
2 1 − x − 25 x 1 − 57 x
0 = f ′ (x) = (1 − x)2/5 − x(1 − x)−3/5 = = (6.9.1)
5 (1 − x)3/5 (1 − x)3/5
genau dann, wenn
5
x= .
7
Für x>1 berechnen wir
7
2 x−1
0 = f ′ (x) = (x − 1)2/5 + x(x − 1)−3/5 = 5 , (6.9.2)
5 (x − 1)3/5
so dass wir keine weiteren kritischen Punkte nden. Also sind die kritischen Punkte:
5
−1, , 1, 2 .
7
Da wir nach der Aufgabenstellung die lokalen Extrema klassizieren müssen, ist es
sinnvoll, Algorithmus #4 zu verwenden. Wir berechnen:
x= 5
7
ist ein lokales Maximum,
25
5 2
f (5/7) = < 1, f (2) = 2,
7 7
so dass x=2 das globale Maximum ist. Für das globale Minimum vergleichen wir:
2
f (−1) = −1 · 2 5 < 0, f (1) = 0,
Die Randpunkte sind kritische Punkte. Ist S auf [0, 1] stetig? Stetigkeit auf (0, 1] ist
klar. In x=0 gilt
lim S(x) = 0,
x↓0
also ist S auf [0, 1] stetig. Um zusätzliche kritische Punkte zu nden, betrachten wir
die Gleichung
0 = S ′ (x) = − log(x) − 1,
die nur in x0 := e−1 erfüllt ist. Auf (0, x0 ) ist S ′ (x) > 0 und auf (x0 , 1] ist S ′ (x) < 0.
Daraus schlieÿen wir, dass x=0 ein lokales Minimum, x0 ein lokales Maximum, und
x=1 ein lokales Minimum ist. Da x0 das einzige Maximum ist und S auf [0, 1] stetig
ist, erhalten wir, dass x0 das globale Maximum ist. Falls nach dem Maximalwert gefragt
wäre, müssten wir zusätlich S in x0 evaluieren.
Übung 6.9.2
O
1 Finden Sie alle lokalen und globalen Maxima von f (x) = x3 (x − 2)2 auf [−1, 2].
O
2 Bestimmen Sie das globale Minimum von f (x) := x2 log(x).
Wenn f für x → ∞ oder x → −∞ oder auf einem oenen oder halb-oenen Intervall
deniert ist (anstatt nur auf einem abgeschlossenen Interval, wie bisher angenommen), dann
muss man auch das Verhalten für x→∞ bzw. x → −∞ bzw. x↓a bzw. x↑b betrachten.
Übung 6.9.3
Finden Sie den globalen Minimalwert und das globale Minimum (bzw. angeben, wenn f
nach unten unbeschränkt ist oder f ein Inmum aber kein Minimum besitzt).
O
1 f (x) = x2 − x.
O
2 f (x) = (x2 − x) log(x).
O
3 f (x) = log(x)/x.
O
4 f (x) = (x2 − x) exp(x).
Frage: Wie muss man den Algorithmus ändern, wenn f in endlich vielen Punkten a1 , ..., aN
nicht stetig ist? Dann muss man die (gegebenenfalls einseitigen) Grenzwerte und Funktionswerte
von f in a1 , ..., aN auch betrachten.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 156
y
y y
x
a 1 b x x
a 1 b a b
(a) kein globales Minimum (b) globales Minimum x = 1 (c) kein globales Minimum auf
auf [a, b], da für x ↑ 1 nach [a, b]; das Inmum wird für
unten unbeschränkt x ↑ 0 erreicht
y
f −1
m=4
y=x
m= 1
4
f
x
a
Satz 6.10.1
Seif : [a, b] −→ R eine stetige Bijektion. Angenommen f ist in x0 ∈ (a, b) dierenzierbar
′
und f (x0 ) ̸= 0, dann ist die Umkehrfunktion g in y0 := f (x0 ) dierenzierbar, und es gilt
1 1
g ′ (y0 ) = = . (6.10.1)
f ′ (x 0) f ′ (g(y0 ))
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 157
Gleichung (6.10.1) ist oft nützlich, wenn man Ableitungen ausrechnen muss.
Beispiel. Zu f (x) = exp(x) = y ist die Umkehrfunktion g(y) = log(y) = x assoziiert. Nach
(6.10.1) gilt
1 1 1 1
g ′ (y) = = = = .
f ′ (x) exp(x) exp(log(y)) y
1
y
x
p
1 − y2
Abbildung 6.7: Mithilfe des Einheitskreises lassen sich Ausdrücke wie cos(arcsin(y))
vereinfachen.
gemeint wird. Natürlich können wir nicht unendlich viele Terme addieren (man hat nicht
genug Zeit dafür). Stattdessen addiert man zunächst n Terme und dann n+1 Terme usw.
und man hot, dass man ungefähr die richtige Zahl erhält, wenn man genügend Terme
addiert hat. Das heiÿt, wenn wir
s1 := a1
s2 := a1 + a2
.
.
.
sn := a1 + ... + an
denieren, möchten wir überprüfen, ob die Folge {sn }∞
n=1 konvergiert. Wenn ja, dann benutzen
wir die Notation (7.0.1) für den Grenzwert. Im Abschnitt 7.1 und 7.2 schauen wir uns solche
sogennante Reihen an und wir sammeln hinreichende Konvergenzkriterien. Im Abschnitt 7.3
schauen wir uns Reihen der Form
∞
X
ak x k
k=1
an, wobei die Terme nicht einfach reelle Zahlen sind, sondern die Monome ak xk . Reihen dieser
Form werden Potenzreihen genannt. Dies führt zum Abschnitt 7.4, wo wir die Taylor-Formel
einer Funktion betrachten. Allgemeinere Reihen der Form
∞
X
fk (x)
k=1
sind komplizierter als Potenzreihen und werden hier nicht betrachtet, aber sehen Sie hierzu
zum Beispiel Wade, An Introduction to Analysis, Chapter 7 an.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 159
n
X
sn := ak
k=1
∞
X
ak := lim sn
n→∞
k=1
∞
P
ak = ∞ (die Reihe divergiert gegen ∞),
k=1
∞
P
ak = −∞ (die Reihe divergiert gegen −∞) bzw.
k=1
∞
P
ak ist unbestimmt divergent,
k=1
Beispiele.
O1 Wir haben in Lemma 4.1.2 gesehen, dass die endliche geometrische Reihe
n
X
sn := rk
k=0
die Gleichung
1 − rn+1
sn = für r ∈ (0, 1) (7.1.1)
1−r
erfüllt. Aus (7.1.1), Denition 7.1.1 und rn+1 → 0 für r ∈ (0, 1) und n→∞ schlieÿen
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 160
∞
X 1
rk = für r ∈ (0, 1)
k=0
1−r
gilt.
∞
X
(−1)n . (7.1.2)
n=1
Wir bemerken
s1 = −1, s2 = −1 + 1 = 0
und im Allgemeinen
Wir werden uns mit verschiedenen Kriterien für Konvergenz einer Reihe und passenden
Beispielen beschäftigen. Da wir sehr oft den Wert einer konvergenten Reihe nicht explizit
berechnen können, ist es nützlich, das sogenannte Cauchysche Kriterium für Konvergenz
einer Folge einzuführen.
Denition 7.1.2
Eine Zahlenfolge {an }∞
n=1 wird Cauchyfolge genannt, wenn es zu jedem ε>0 ein N ∈N
gibt, so dass
an → ∞ für n→∞
obwohl
√ √ 1
|an − an+1 | = n+1− n≤ √ .
2 n
Das m in (7.1.3) muss beliebig groÿ gewählt werden können, unabhängig von n.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 161
Beweis. (⇒) Sei ε>0 gegeben. Wenn an gegen a∈R konvergiert, dann existiert ein
N ∈ N, so dass
ε
|an − a| < für alle n ≥ N.
2
Es folgt aus der Dreiecksungleichung, dass
n, m ≥ N .
für alle
∞
(⇐) Wenn {an }n=1 eine Cauchyfolge ist, dann ist sie beschränkt. Um dies zu sehen,
setze man ε = 1 und wähle N ∈ N so, dass
Insbesondere gilt
so dass
ank → a für k → ∞.
ε
|am − an | < für alle n, m ≥ N.
2
Man wähle k ∈ N, so dass
ε
nk ≥ N und |ank − a| < .
2
Dann gilt für alle m ≥ N, dass
Dies folgt direkt aus dem Cauchyschen Kriterium für Folgen angewendet auf die Folge
P∞
der Teilsummen von ak .
k=1
∞
P
Korollar 7.1.5. Eine notwendige Bedingung für Konvergenz von ak ist
k=1
lim ak = 0. (7.1.5)
k→∞
Es ist wichtig zu merken, dass (7.1.5) keine hinreichende Bedingung ist. Die sogenannte
harmonische Reihe
∞
X 1
k=1
k
erfüllt (7.1.5) und divergiert gegen Unendlich. Dies kann man zeigen, indem man
1 1 1 1 1 1 1 1 1
1+ + + + + + + +... + + . . . + K+1
2 3 4 5 6 7 8 2K + 1 2
| {z } | {z } | {z }
≥2· 14 ≥4· 81 ≥2K · 1
2K+1
1 K
≥1+ +
2 2
rechnet. Also gilt
K+1
2X
1 3+K
≥ .
k=1
k 2
Da die Folge der Teilsummen monoton wachsend ist und eine Teilfolge besitzt, die gegen
Unendlich divergiert, divergiert die harmonische Reihe gegen Unendlich:
∞
X 1
= ∞. (7.1.6)
k=1
k
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 163
Also ist es für Konvergenz nicht hinreichend, wenn die Terme einer Reihe verschwinden. Wie
Sie vielleicht raten würden, ist es hinreichend, wenn die Terme schnell genug verschwinden.
Wir werden zum Beispiel sehen, dass
∞
X 1
< ∞, (7.1.7)
k=1
k2
∞
X 1
für jedes α>0 gilt
1+α
< ∞.
k=1
k
(Dies werden wir später beweisen. Sehen Sie dazu die Beweisidee des Cauchyschen Verdicht-
ungssatzes.)
Übung 7.1.6
P∞
Bestimmen Sie, ob die Reihe k=1 ak mit
1 1
ak = −
3k k
konvergiert oder divergiert.
Satz 7.1.7
∞
P ∞
P
Seien ak , bk konvergente Reihen. Dann gilt
k=1 k=1
∞
X ∞
X
αak = α ak ,
k=1 k=1
∞
X ∞
X ∞
X
(ak + bk ) = ak + bk .
k=1 k=1 k=1
Unsere ersten Kriterien für Konvergenz behandeln Reihen mit positiven Termen.
ak
L := lim existiert,
k→∞ bk
dann gilt:
Die Beweise von Satz 7.1.8 und Satz 7.1.9 lassen wir als Übung.
Im Allgemeinen kann das Vorzeichen der Terme einer Reihe eine wichtige Rolle spielen.
Diese Idee entwickeln wir im folgenden Beispiel.
n+j
(−1)k+1 (−1)j−1
X
n+2 1 1 1
= (−1) − + − ... +
k=n+1
k n + 1 n + 2 n + 3 n+j
1 1 (−1)j−1
f (n, j) := − + ... + .
n+1 n+2 n+j
Wenn j ungerade ist, so gilt
1 1
≤ f (n, j) ≤ . (7.1.8)
n+j n+1
Wenn j gerade ist, so gilt
1
0 ≤ f (n, j) ≤ . (7.1.9)
n+1
Aus (7.1.8) und (7.1.9) folgt
1
|f (n, j)| ≤ für alle j ∈ N,
n+1
so dass für ε>0 beliebig klein und N groÿ genug gilt
n+j
X (−1)k+1
≤ε für alle n ≥ N, j ∈ N.
k
k=n+1
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 165
Analog beweist man das folgende wichtige Kriterium für alternierende Reihen.
∞
X
(−1)k+1 ak .
k=1
Es ist nützlich zwischen Reihen zu unterscheiden, die nur mit Hilfe des Vorzeichens
konvergieren oder nicht.
Denition 7.1.11
P∞ P∞ P∞
Die Reihe a
k=1 Pk heiÿt absolut konvergent, wenn
P∞ k=1 |a k | konvergiert. Wenn k=1 ak
∞
konvergiert und k=1 |a k | divergiert, so heiÿt a
k=1 k bedingt konvergent.
Wenn eine Reihe absolut konvergent ist, dann erhält man den gleichen Wert, wenn man
die Summanden umordnet. Andererseits, wenn eine Reihe bedingt konvergent ist, dann kann
man jede reelle Zahl als Summe erhalten mit einer geeigneten Umordnung!
dann gilt
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 166
P∞
α<1 =⇒ k=1 ak ist absolut konvergent.
P∞
α>1 =⇒ k=1 ak ist divergent.
ak+1
Wenn α = 1, dann liefert der Satz KEINE AUSSAGE. Man merkt, dass ak → 1 für
∞
1
P
(divergent),
k
k=1
∞
1
P
(konvergent).
k(k+1)
k=1
ak+1
Beweisidee Wenn ak → α und α < 1, dann hat man ein bisschen Spielraum zwischen
1−α
Wenn wir ε := 2
wählen, erhalten wir
α+1
|aN +1 | ≤ β|aN | für N groÿ (β := < 1).
2
Iteration liefert
|aN +2 | ≤ β 2 |aN |
.
.
.
∞
X
βm für β ∈ (0, 1).
m=1
Das Quotientenkriterium ist oft nützlich, wenn die Terme der Reihe ein Produkt oder eine
Fakultät enthalten.
Es gilt
ak+1 2k+1
k! 2
ak (k + 1)! · 2k = k + 1 → 0 k → ∞.
= für
Bemerkung. Das Quotientenkriterium ist hinreichend, aber nicht notwendig. Zum Beispiel
∞
X 2 + (−1)k
S := (7.2.1)
k=1
2k−1
∞
3
P
konvergiert nach Vergleich mit 2k−1
, obwohl
k=1
(3
ak+1
2
für k ungerade
ak = 1
6
für k gerade.
Das nächste Kriterium, das wir uns anschauen, ist das Wurzelkriterium. Dieses Kriterium
ist allgemeiner und man kann es zum Beispiel auch für das Analysieren der Reihe in (7.2.1)
anwenden (siehe unten).
p
k
α := lim sup |ak |.
k→∞
Wie das Quotientenkriterium liefert auch das Wurzelkriterium für α=1 keine Aussage.
Man bemerkt:
r r
k 1 k 1
lim sup = lim sup = 1,
k→∞ k k→∞ k2
Beispiele.
p √
k
p
k
k
2 + (−1)k 3 1
|ak | = k−1 ≤ − k1
→ < 1.
2 k 2·2 2
Das Wurzelkriterium impliziert, dass S absolut konvergent ist.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 168
O2 Wir betrachten
∞ k
X k+1
S := .
k=1
2k + 3
Für diese Reihe passt das Wurzelkriterium besonders gut, da die Terme in der Form
einer Potenz von k sind. Man berechnet
s k
k k+1 k+1 1
= → .
2k + 3 2k + 3 2
Ein noch stärkeres Werkzeug ist das sogenannte Cauchysche Verdichtungsprinzip, das die
Idee benutzt, mit der wir Divergenz der harmonischen Reihe gezeigt haben. Wir geben das
∞
1
P
Prinzip an und dann stellen wir die Beweisidee durch das Beispiel dar.
kα
k=1
∞
X
2k a2k .
k=0
∞
X 1
S := , α ∈ R.
k=1
kα
Für α<1 divergiert die Reihe gegen Unendlich nach Vergleich mit der harmonischen Reihe
(siehe (7.1.6)). Für α>1 benutzen wir ein analoges Argument, um Konvergenz von S zu
zeigen. Wir sammeln die Terme der Teilsumme bis 2K+1 − 1 wie folgt:
1 1 1
1+ α
+ α + ... + K+1
2 3 (2 − 1)α
1 1 1 1 1 1
=1 + + + + ... + α + ... + + ... + K+1
2α 3α 4α 7 (2K )α (2 − 1)α
1 1 1
≤1 + 2 · α + 4 · α + ... + 2K K α
2 4 (2 )
K K
X 1 X 1
= 2k · kα = α−1 k .
k=0
2 (2 )
k=0 |{z}
>1
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 169
wenn ak ≤ c
k1+ε
für ein c ∈ R und ein ε > 0, dann konvergiert die Reihe. Also reicht
polynomisches Verschwinden der Terme mit Rate echt gröÿer als Eins für Konvergenz
der Reihe aus.
Beweis von Satz 7.2.3. Die Aussage folgt aus der Monotonie der Teilsummen und der
Bemerkung
1
ak =
k log(k)
hinreichend für Konvergenz der zugehörigen Reihe ist. Bemerken Sie, dass für k groÿ gilt
schlieÿen wir aus Satz 7.2.3 und Divergenz der harmonischen Reihe, dass S gegen Unendlich
divergiert. Bemerken Sie, dass weder das Quotientenkriterium noch das Wurzelkriterium eine
∞
1
P
Aussage für liefert.
k log(k)
k=2
7.3 Potenzreihen
In diesem Abschnitt betrachten wir Objekte der Form
∞
X ∞
X
k
ak x oder ak (x − x0 )k ,
k=0 k=0
∞
X
ak xk =: f (x)
k=0
eine Funktion von x ist, also viel komplizierter als die Reihen reeller Zahlen, die wir bis jetzt
betrachtet haben. Insbesondere stellen sich die Fragen:
∞
ak x k
P
(1) Konvergiert für alle x ∈ R? Für keine x∈R auÿer 0? Oder für welche?
k=0
(2) Ist f für die x, für die f wohldeniert ist, stetig? Dierenzierbar?
∞
X
f ′ (x) = k · ak xk−1 ?
k=0
Potenzreihen sind aber viel einfacher zu analysieren als allgemeine Reihen der Form (7.3.1).
Auÿerdem sind Potenzreihen wichtig, weil die sogenannte Taylorreihe einer Funktion eine
Potenzreihe ist (siehe Abschnitt 7.4).
Denition 7.3.1
Eine Reihe der Form
∞
X
ak x k
k=0
heiÿt eine Potenzreihe (in x) (um Null). Die Zahlen ak heiÿen Koezienten. Die Zahl
( ∞
)
X
k
R := sup |x| : ak x konvergiert
k=0
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 171
∞
X
ak (x − x0 )k
k=0
für ein x0 ∈ R eine Potenzreihe um den Punkt x0 (mit Spezialfall x0 = 0 oben). Der
Konvergenzradius ist dann analog durch Verschieben um x0 deniert:
( ∞
)
X
R := sup |x − x0 | : ak (x − x0 )k konvergiert
k=0
Satz 7.3.2
∞
ak x k
P
Sei eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R. Es gilt
k=0
(ii) Wenn R > 0, so ist die Potenzreihe absolut konvergent für alle x ∈ (−R, R).
Ob die Potenzreihe in x = ±R konvergiert, muss man seperat betrachten. (An der Grenze
muss man immer vorsichtig sein.)
Beweis von Satz 7.3.2. (i) und (iii) folgen aus der Denition von R. Um (ii) zu zeigen,
wählen wir ein x ∈ (−R, R) \ {0}. Nach Denition 7.3.1 existiert ein y mit
so dass
∞
X
ak y k
k=0
k xk (7.3.3) x k
k
|ak x | = ak y k ≤
y y
= qk für ein q ∈ (0, 1),
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 172
wobei wir (7.3.2) angewendet haben. Nach Vergleich mit der geometrischen Reihe schlieÿen
P∞ k
wir absolute Konvergenz von k=0 ak x .
Beispiele.
(k + 1)k+1 xk+1
ak+1 k!
lim = lim ·
k→∞ ak k→∞ (k + 1)! k k xk
k
k+1
= lim x
k
k→∞
k
1
= |x| · lim 1 +
k→∞ k
= |x| · e.
1
Nach dem Quotientenkriterium konvergiert die Reihe für |x| < e
und die Reihe divergiert
1 1
für |x| > e . Also ist R = e .
= 0.
Nach dem Quotientenkriterium konvergiert die Reihe für alle x ∈ R, also ist R = ∞.
Mit dem Wurzelkriterium erhält man die folgende Formel für den Konvergenzradius einer
Potenzreihe.
Satz 7.3.3
Der Konvergenzradius der Potenzreihe
∞
X
ak x k
k=0
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 173
1
R= p ,
lim sup k
|ak |
k→∞
1 1
mit der Konvention
∞
:= 0, 0
:= ∞.
Also ist
∞
X
f (x) := ak x k
k=0
1
R= q = 1.
k 1
lim sup k
k→∞
∞ ∞
P 1
P (−1)k
Da k
divergiert und k
konvergiert, ist I = [−1, 1).
k=1 k=1
Satz 7.3.4
∞
ak x k
P
Sei f (x) = eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R > 0. Dann ist f auf
k=0
(−R, R) stetig.
Beweis. Sei x ∈ (−R, R) gegeben. Wir müssen zeigen, dass aus |x − y| klein folgt
X∞ ∞
X
k k
ak x − ak y klein.
k=0 k=0
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 174
∞
X ∞
X
k
ak x und ak y k (7.3.4)
k=N0 k=N0
−R xR
R − |x|
Y := |x| +
2
und bemerken, dass |x| < Y < R. Wir wählen N0 ∈ N, so dass
∞
X ε
|ak |Y k < .
k=N0
4
für alle y ∈ [−Y, Y ]. Andererseits wählen wir δ > 0, so dass aus |x − y| ≤ δ folgt
N N0
X0 X ε
k k
a x − a y < . (7.3.6)
k k
2
k=0 k=0
∞ ∞
N N0
∞ ∞
X X X 0 X X X
ak x k − ak y k ≤ ak x k − ak y k + ak x k + ak y k
k=0 k=0 k=0 k=0 k=N0 k=N0
ε ε ε
≤ + + =ε
2 4 4
R − |x|
δ̃ := min δ, .
2
Wir werden auch in der Lage sein müssen, Potenzreihen miteinander zu multiplizieren.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 175
Satz 7.3.5
∞ ∞
ak x k bk x k
P P
Seien und Potenzreihen mit Konvergenzradius R R̃. Dann ist das
bzw.
k=0 k=0 n o
Produkt eine Potenzreihe mit Konvergenzradius gröÿer gleich min R, R̃ und es gilt
∞
! ∞
! ∞
X X X
k k
ak x · bk x = ck x k
k=0 k=0 k=0
k
P
mit ck = am bk−m .
m=0
Man kann zeigen, dass Potenzreihen auf (−R, R) viel besser als stetig sind.
Satz 7.3.6
∞
ak x k
P
Sei f (x) = eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R > 0. Dann ist f auf
k=0
(−R, R) dierenzierbar und es gilt
∞
X
′
f (x) = k · ak xk−1 für x ∈ (−R, R). (7.3.7)
k=1
Iteration ergibt:
∞
ak x k
P
Korollar 7.3.7. Sei f (x) = eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R > 0. Dann
k=0
ist f ∈ C ∞ ((−R, R)) und es gilt
∞
(n)
X k!
f (x) = ak xk−n für x ∈ (−R, R).
k=n
(k − n)!
Die Formel (7.3.7) soll man nicht für selbstverständlich halten! Hierbei tauscht man zwei
Grenzwerte. Dabei muss man immer vorsichtig sein:
Übung 7.3.8
Zeigen Sie, dass für
xn+1
fn (x) = auf [0, 1]
n+1
gilt
d d
lim fn (x) ̸= lim fn (x).
n→∞ dx dx n→∞
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 176
7.4 Taylor-Formel
Im vorherigen Abschnitt haben wir mit einer Reihe angefangen, und diese Reihe als Funktion
von x betrachtet. Jetzt nehmen wir eine andere Sichtweise: Wir fangen mit einer Funktion
f an, und wollen f ein Polynom zuordnen. Welches Polynom? In Abschnitt 6.1 haben wir
die beste lineare Approximation eingeführt. Jetzt fragen wir uns:
(a) f und die beste lineare Approximation in π/2.(b) Die grüne Kurve zeigt das Taylorpolynom
zweiter Ordnung in π/2. Welche Approximation
ist besser?
Denition 7.4.1
Sei f : (a, b) −→ R n-mal dierenzierbar. Das Taylorpolynom n-ter Ordnung um x0 ∈
(a, b) ist
n
X f (k) (x0 )
Tn (x; x0 ) := (x − x0 )k .
k=0
k!
Der Restterm ist
Rn (x; x0 ) := f (x) − Tn (x; x0 ).
Beispiel. Finden Sie das Taylorpolynom dritter Ordnung von f (x) = exp(x) um x0 = 0.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 177
1 1 1 1 x2 x3
T3 (x; 0) = + x + x2 + x3 = 1 + x + + .
0! 1! 2! 3! 2 6
Beispiel. Finden Sie das Taylorpolynom zweiter Ordnung für das Beispiel in der obigen
Abbildung.
Das Polynom ist das Taylorpolynom zweiter Ordnung von f (x) = sin(x) um x0 = π/2.
Also brauchen wir
−1 1
T2 (x; π/2) = 1 + (x − π/2)2 = 1 − (x − π/2)2 . (7.4.1)
2! 2
Bemerkung. Manche würden die Formel (7.4.1) ausmultiplizieren. Dies ist erlaubt aber
nicht empfohlen.
Natürlich ist f selber im Allgemeinen kein Polynom. Aber solange f n-mal dierenzierbar
ist, können wir f durch ein Polynom n-ter Ordnung approximieren. Gut, aber dann fragen
wir uns natürlich, Wie gut ist diese Approximation?
Wichtig!: Um zu wissen, ob die Approximation gut ist (und für welche x-Werte), müssen
wir den Restterm abschätzen können. Dafür brauchen wir (nur!) noch eine zusätzliche
Ableitung:
n
X f (k) (x0 ) f (n+1) (c)
f (x) = (x − x0 )k + (x − x0 )n+1 . (7.4.2)
k=0
k! (n + 1)!
Wichtig zu bemerken ist, dass (7.4.2) nicht sagt, dass jede Funktion ein Polynom ist!
Warum nicht? Weil der Punkt c von x abhängt!
Für n=0 ist (7.4.2) der Mittelwertsatz.
Man kann Satz 7.4.2 anwenden, um die Qualität einer Approximation zu überprüfen.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 178
Beispiel. Sei f ∈ C 3 ((a, b)). Wie gut ist die Approximation für f mit der Taylor-Polynom
zweiter Ordnung, wenn
Es gilt
C
|f (x) − T2 (x; x0 )| ≤ |x − x0 |3 .
6
√
Beispiel. Finden Sie das Taylorpolynom zweiter Ordnung von f (x) = 3
x in x0 = 8. Wie
genau ist diese Approximation für 7 ≤ x ≤ 9?
Wir berechnen
1 1
T2 (x) = 2 + (x − 8) − (x − 8)2 .
12 288
Für 7≤x≤9 gilt
√ 1 1
3
x≈2+ (x − 8) − (x − 8)2
12 288
und die Genauigkeit schätzen wir mit dem Satz von Taylor ab:
′′′
5|x − 8|3
f (c) 3
|R2 (x)| =
(x − 8) = , (7.4.3)
3! 81c8/3
|x − 8|3 ≤ 1 (7.4.4)
Übung 7.4.3
Geben Sie eine Abschätzung für
|ex − (x + 1)|
Man kann Satz 7.4.2 auch anwenden, um zu bestimmen, ob ein kritischer Punkt x0 zum
Beispiel ein lokales Minimum ist.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 179
Übung 7.4.4
Angenommen f ∈ C 4 ((a, b)) und für x0 ∈ (a, b) gilt
f ′ (x0 ) = f ′′ (x0 ) = 0.
Übung 7.4.5
Benutzen Sie die Funktion
( 1
e − x2 x ̸= 0
f (x) :=
0 x = 0.
Man kann zeigen, dass sin(·), cos(·) und exp(·) auf R analytisch sind und dass gilt
∞
X x2k+1
sin(x) = (−1)k ,
k=0
(2k + 1)!
∞
X x2k
cos(x) = (−1)k ,
k=0
(2k)!
∞
X xk
exp(x) = .
k=0
k!
O1
∞
X n2
n3 + 1
O
n=1
2
∞
X n + n4
n + n2
O
n=1
3
∞
X n + n2
n + n4
O
n=1
4
∞
X n + n2
n4 − n
O
n=2
5
∞
X (−1)n
√4
n
O
n=1
6
∞
X (−1)n
n4
O
n=1
7
∞ n
X n
3n − 1
O
n=1
8
∞ r
X n−1
n
O
n=1
9
∞
X sin(n)
1 + n2
O
n=1
10
∞
X 1
n(log(n))2
O
n=1
11
∞
X 1 · 3 · 5 · · · · · (2n − 1)
n=1
5n n!
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 181
O
12
∞
X log(n)
(−1)n+1 √
n=1
n
O1
∞
X 22n+1
5n
O
n=1
2
∞
X
(−1)n−1 n−3
O
n=1
3
∞
X
arctan(n + 1) − arctan(n)
O
n=1
4
∞
X (−1)n xn
n=1
22n n!
Bestimmen Sie den Konvergenzradius und das gröÿtmögliche Intervall, auf dem sie konvergiert.
O1
∞
X (−3)n x2n
n+1
O
n=0
2
∞
X xn
3n n3
O
n=1
3
∞
X (x + 1)n
nn
O
n=1
4
∞
X 2n (x − 3)n
√
n=0
n+3
Kapitel 8
Lineare Algebra
(M1) (α + β) · a = α · a + β · a (Distributivität)
(M2) α · (a + b) = α · a + α · b (Distributivität)
Die Elemente aus V heiÿen Vektoren, die Elemente aus R (bzw. C) Skalare. Man kann
zeigen, dass das Element aus (A3) eindeutig deniert ist. Man nennt es den Nullvektor.
Auch ã aus (A4) ist eindeutig deniert und statt ã schreiben wir −a.
Wenn es nicht anders angegeben wird, werden wir mit Vektoren über R arbeiten.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 183
Beispiele.
O1 Rn
über
mit der üblichen Vektoraddition und Multiplikation mit Skalaren ist ein Vektorraum
R. (Aber nicht über C.)
O2 Die Menge P2 aller Polynome von Ordnung zwei oder weniger mit reellen Koezienten
ist ein Vektorraum über R. (Hierbei erinnern wir an Denition 3.4.2.)
Denition 8.1.2
SeiV ein Vektorraum über R. Eine Teilmenge U ⊆V heiÿt Teilraum oder Unterraum
von V , wenn gilt
0∈U
Also ist U ⊆ V ein Teilraum, wenn U den Nullvektor enthält und U abgeschlossen
bezüglich Addition und Multiplikation mit Skalaren ist.
Beispiele.
O
x
1 Sei V = R2 . U= ∈ R2 : x ∈ R ist ein Teilraum.
x
O2 Sei V der Vektorraum aller 2 × 2-Matrizen mit reellen Koezienten.
zu W gehören, aber A1 + A2 ∈
/ W.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 184
Denition 8.1.3
Der Vektor v heiÿt eine Linearkombination der Vektoren v1, . . . , vn, wenn es Skalare
α1 , . . . , α n gibt, so dass
v = α1 v 1 + . . . + αn v n .
Die Menge aller Linearkombinationen von v1, . . . , vn heiÿt lineare Hülle oder Spann von
v1, . . . , vn und wird mit
Sp{v 1 , . . . , v n }.
Sp {v 1 , ..., v n }
Übung 8.1.4
Schreiben Sie p(x) = −1 + 2x2 als Linearkombination von p1 (x) = 1 + 2x − 2x2 , p2 (x) =
−1 − x, p3 (x) = −3 − 4x + 4x2 .
Denition 8.1.5
Die Vektoren v 1 , . . . , v n heiÿen linear abhängig, wenn es Skalare α1 , . . . , αn gibt, von
denen mindestens einer von Null verschieden ist, so dass
α1 v 1 + . . . + αn v n = 0.
Dann sagt man, dass die Menge {v 1 , . . . , v n } linear abhängig ist. Wenn v1, . . . , vn nicht
linear abhängig sind, dann heiÿen sie linear unabhängig.
n
P
Also, wenn v 1 , ..., v n linear unabhängig sind, dann impliziert αi v i = 0, dass α1 = α2 =
i=1
... = αn = 0.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 185
Mit den oben genannten Begrien können wir jetzt eine Basis denieren.
Lemma 8.1.7. Wenn {v 1 , . . . , v n } ein Erzeugendensystem von V ist, dann besitzt V eine
Basis.
Beweis. Übung.
Lemma 8.1.8 (Koordinaten). Sei V ein Vektorraum und B eine Basis davon. Es gibt genau
eine Möglichkeit, einen Vektor v∈V als Linearkombination
v = α1 b1 + . . . + αn bn
zu schreiben.
Beweis. Übung.
Denition 8.1.9
Die Zahlen α1 , . . . , α n heiÿen Koordinaten von v bezüglich der Basis B. Wir nennen
α1
..
v [B] = .
αn
Lemma 8.1.10. Sei B = {b1 , . . . , bn } eine Basis des Vektorraums V. Dann ist für m>n
jede Sammlung von m Vektoren linear abhängig.
n o
Beweis. Angenommen y 1 , y 2 , ..., y m ist linear unabhängig. Dann ist jedes y j ̸= 0 für
n
X
y1 = α i bi
i=1
dargestellt werden, und, da y 1 ̸= 0, ist ein Koezient von Null verschiedenzum Beispiel
αk ̸= 0. Dann kann man bk als lineare Kombination der Vektoren aus
n o
y 1 , b1 , ..., bk−1 , bk+1 , ..., bn = B2
schreiben. Also wird V von B2 aufgespannt. Jetzt wiederholt man dies mit
n
X
y2 = βi bi + βk y 1
i=1
i̸=k
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 187
usw., bis man y n+1 als lineare Kombination von y 1 , ..., y n schreibt, was linearer Unabhängig-
n o
keit von y 1 , ..., y m widerspricht.
Also besitzt jede Basis eines Vektorraums die gleiche Anzahl von Vektoren. (Warum?) Diese
Zahl bekommt einen besonderen Namen.
Denition 8.1.11
Wenn der nichttriviale Vektorraum V eine Basis {b1 , . . . , bn } besitzt, dann heiÿt n die
Dimension des Vektorraums. Wir schreiben
dim(V ) = n.
Denition 8.1.12
Wenn ein Vektorraum V Dimension n∈N besitzt, dann heiÿt er endlich-dimensional.
Beweis. Sei v 1 , ..., v n linear unabhängig. Sei v∈V ein beliebiger Vektor. Nach Lemma
8.1.10 ist
{v, v 1 , ..., v n }
linear abhängig. Also gibt es Konstanten α0 , α1 , ..., αn , wobei nicht alle Null sind und
α0 v + α1 v 1 + ... + αn v n = 0.
Da v 1 , ..., v n linear unabhängig sind, kann α0 nicht gleich Null sein. Also gilt
1
v=− (α1 v 1 + ... + αn v n ).
α0
Da v beliebig ist, haben wir gezeigt, dass {v 1 , ..., v n } ein Erzeugendensystem von V ist.
Da {v 1 , ..., v n } auch linear unabhängig ist, ist {v 1 , ..., v n } eine Basis.
Bemerkung. Es lohnt sich, eine gute/geeignete Basis zu nden. Zum Beispiel nimmt die
lineare Abbildung von R2 → R2 deniert durch
B = {v, w} ,
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 188
wobei w ein Einheitsvektor orthogonal zu v ist. Wenn x auf die Basis bezogen wird,
x1
x[B] = ,
x2
x1
dann ist die Projektion von x .
0
Übung 8.1.14
1
,v
1
2 1
eine Basis von R ist. Schreiben Sie bezüglich dieser Basis.
0
O
1 3
2 Ergänzen Sie v 1 = 1 und v 2 = 0 zu einer
Basis von R3 . Wie kann man
1 2
x ∈ R3 bezüglich dieser Basis darstellen?
Jetzt zeigen wir, dass jede linear unabhängige Sammlung von Vektoren eines endlich-
dimensionalen Vektorraums zu einer Basis ergänzt werden kann.
Beweis. Nach Lemma 8.1.10 ist m ≤ n. Wenn {v 1 , ..., v m } V aufspannt, dann ist {v 1 , ..., v m }
eine Basis von V . Wenn nicht, dann gibt es ein x1 ∈ V , so dass {v 1 , ..., v m , x1 } linear
unabhängig ist. Entweder gilt Sp {v 1 , ..., v m , x1 } = V oder es existiert ein zusätzliches
Element x2 , so dass {v 1 , ..., v m , x1 , x2 } linear unabhängig ist. Nach Lemma 8.1.10 endet
dieser Prozess in n − m Schritten.
Beispiele.
O
dx
Denition 8.2.2
Sei L : V −→ W eine lineare Abbildung. Das Bild von L ist
dies ist ein Teilraum von W. Die Dimension des Bildes heiÿt Rang von L.
Der Kern (oder Nullraum) von L ist
{v ∈ V : L(v) = 0};
dies ist ein Teilraum von V. Die Dimension des Kerns heiÿt Defekt von L.
Für Bild und Kern einer linearen Abbildung L werden wir BL und KL schreiben.
Bemerkung. Eine lineare Abbildung ist injektiv genau dann, wenn Kern(L) = {0}.
d
V = W = Polynome in x vom Grad < n, L = ,
dx
ist der Kern von L die Menge der konstanten Funktionen.
Übung 8.2.3
Sei L : V → W eine lineare Abbildung. Zeigen Sie, dass Bild(L) ein Teilraum von W ist
und Kern(L) ein Teilraum von V ist.
Satz 8.2.4
Sei L : V −→ W eine lineare Abbildung. Es gilt
dim(BL ) ≤ dim(V ).
[Warum?] Wenn dim(BL ) = dim(V ), dann ist dim(KL ) = 0. [Warum?] Wenn dim(BL ) =
0, dann ist dim(KL ) = dim(V ). [Warum?] Also reicht es aus, wenn wir
betrachten. Sei {w1 , ..., wr } eine Basis von BL und v 1 , ..., v r zugehörige Urbilder:
L(v i ) = wi , i = 1, ..., r.
Sei {x1 , ..., xk } eine Basis von KL . Wir behaupten, dass B = {v 1 , ..., v r , x1 , ..., xk } eine
Basis von V ist.
Schritt 1: B ist linear unabhängig. Tatsächlich stimmt das, denn wenn
α1 v 1 + ... + αr v r + β1 x1 + ... + βk xk = 0,
dann gilt
r
X r
X
0= αi L(v i ) = αi w i ,
i=1 i=1
so dass α1 = ... = αr = 0 (weil die wi linear unabhängig sind), aber dann ist β1 = ... =
βk = 0 (weil die xj linear unabhängig sind).
Schritt 2: B ist ein Erzeugendensystem von V . Sei v ein beliebiger Vektor aus V .
Man kann L(v) als lineare Kombination der w i schreiben:
r
X
L(v) = αi w i (8.2.1)
i=1
r
X
ṽ := αi v i (8.2.2)
i=1
r r
(8.2.1),(8.2.2)
X X
L(v − ṽ) = αi wi − αi wi = 0.
i=1 i=1
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 191
k
X
v − ṽ = βj xj
j=1
k
X
v = ṽ + βj xj
j=1
r k
(8.2.2)
X X
= αi v i + β j xj .
i=1 j=1
Als Folgerung erhält man zum Beispiel für eine lineare Abbildung L : Rn → Rm , wobei
m < n, dass es ein v ̸= 0 in Rn gibt, so dass
Lv = 0.
Oder für L : Rn → Rn , wobei KL = {0}, dass es für jeden Vektor b ∈ Rn eine Lösung der
Gleichung
Lx = b
gibt. (Übung.)
Denition 8.2.5
Wenn eine lineare Abbildung L : V −→ W bijektiv ist, dann heiÿt sie invertierbar. Man
schreibt
L−1
für die Umkehrfunktion.
Als Folgerung von Satz 8.2.4 merkt man, dass wenn V, W endlich-dimensional sind und
L invertierbar ist, dann gilt
dim(V ) = dim(W ).
Man kann neue Abbildungen aus alten denieren: Seien L1 , L2 lineare Abbildungen von V
nach W. Dann ist
(L1 + L2 ) : V → W
durch
L2 ◦ L1 : V → X
durch
L2 ◦ L1 = L2 L1 .
d
L1 (αp1 + βp2 ) = (αp1 (x) + βp2 (x)) = αp′1 (x) + βp′2 (x) = αL1 (p1 ) + βL1 (p2 ),
dx
L2 (αp1 + βp2 ) = x(αp1 + βp2 ) = αxp1 (x) + βxp2 (x) = αL2 (p1 ) + βL2 (p2 ),
d 2
aber L1 ◦ L2 (x) = dx
x = 2x ̸= x = L2 ◦ L1 (x).
Ein wichtiges Beispiel einer linearen Abbildung ist eine Projektion.
Denition 8.2.6
Eine lineare Abbildung P :V →V heiÿt Projektion, falls gilt
P 2 = P. (8.2.3)
Übung 8.2.7
Sei V = stetige Funktionen auf [−1, 1] und
f (x) + f (−x)
(P f )(x) =
2
(der gerade Teil von f ). Zeigen Sie, dass P eine Projektion auf V ist.
8.3 Matrizen
Wir stellen lineare Abbildungen oft durch Matrizen dar.
Satz 8.3.1
Für {lij }i=1,...,m ist die Abbildung L̃ : Rn −→ Rm , die durch L̃(x) = w mit
j=1,...,n
n
X
wi = lij xj (8.3.1)
j=1
gegeben ist, eine lineare Abbildung. Andererseits kann jede lineare Abbildung L : Rn −→
Rm in der Form (8.3.1) mit geeigneten Zahlen lij dargestellt werden.
n
X
[L̃(αx + βy)]i = lij (αxj + βyj ) = [αL̃(x) + β L̃(y)]i
j=1
n
X
x= xj e j
j=1
n
bezüglich der Standardbasis ej j=1 (mit ej = (0, 0, ..., 0, |{z}
1 , 0, ..., 0)) dargestellt
j -te Stelle
ist. Da L linear ist, gilt
n
X
L(x) = xj L(ej ). (8.3.2)
j=1
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 194
lij := (Lej )i .
n
X n
X
[L(x)]i = xj [L(ej )]i = xj lij . (8.3.3)
j=1 j=1
Da dies für jedes x ∈ Rn gilt, ist L durch die Zahlen {lij }i,j auf ganz Rn festgelegt.
Denition 8.3.2
Sei L : Rn −→ Rm eine lineare Abbildung. Die Matrix L von L ist
l11 · · · l1n
. .
L = (lij )i=1,...,m = . . ,
. .
j=1,...,n
lm1 · · · lmn
wobei lij = (Lej )i . Die Zahlen lij heiÿen Koezienten der Matrix. (li1 , . . . , lin ) heiÿt die
i-te Reihe und
l1j
.
. heiÿt die j -te Spalte.
.
lmj
Wir nennen L eine m × n-Matrix und schreiben L ∈ Rm×n .
Bemerkung. Der Raum der m × n-Matrizen bildet einen Vektorraum der Dimension m · n.
Beispiel. Wir betrachten jetzt ein paar Abbildungen und ihre Matrixdarstellungen.
1
α
α
1
O
v1
2 V =W =R 2
, v ∈R 2
gegeben mit ∥v∥ = 1, v = . L sei die Spiegelung an der
v2
Geraden {tv, t ∈ R}.
L(e1 )
v
(v, e1 ) · v − e1
e1
(v, e1 ) · v
Es gilt
so dass
2v12 − 1 2v1 v2
L= . (8.3.4)
2v2 v1 2v22 − 1
O 3 d
Finden Sie eine Matrixdarstellung für dx auf dem Vektorraum aller Polynome Grades
2 und kleiner.
Die Form (8.3.4) ist nicht besonders schön, weil die Standardbasis der Abbildung nicht
gut passt. Wir werden gleich eine schönere Darstellung identizieren. Zuerst schauen wir uns
Matrixaddition und -multiplikation an.
Doch wie stellt man Addition und Multiplikation linearer Abbildungen durch ihre Matrizen
dar? Man merkt Folgendes:
Seien A, B : V → W lineare Abbildungen mit zugehörigen Matrizen (A)ij = aij , (B)ij =
bij , i = 1, ..., m, j = 1, ..., n. Dann ist A + B durch die Matrix
n
X
(BA)kj = bki aij , k = 1, ..., m, j = 1, ..., l
i=1
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 196
Also ist derm-Vektor B v im Spann der Spalten von B. Wenn wir B als Sammlung von
Spaltenvektoren B j schreiben:
B = B 1 B 2 ... B m ,
dann ist
B v = v1 B 1 + v2 B 2 + ... + vm B m .
Bemerkung. Da im Abschnitt 8.2 gemerkt wurde, dass die Zusammensetzung linearer Abbildungen
im Allgemeinen nicht kommutativ ist, ist Matrixmultiplikation im Allgemeinen nicht kommutativ.
Beispiel:
0 1 0 0
A= , B= .
0 0 1 0
Auÿerdem impliziert A2 = 0 nicht, dass A = 0 ist. Beispiel:
0 1
A= .
0 0
Denition 8.3.3
SeiL : Rn −→ Rm eine lineare Abbildung und {v j }nj=1 , {wi }m i=1 Basen von R
n
bzw. Rm .
Die Matrix von L bezüglich dieser Basen ist (˜
lij )i=1,...,m , wobei ˜lij durch
j=1,...,n
m
X
L(v j ) = ˜lij w
i
i=1
deniert ist.
Beispiel. Jetzt schauen wir uns die Spiegelung an der Geraden {tv, t ∈ R} nochmals an.
Für die Basis von R2
B = {v, w} , wobei (v, w) = 0,
gilt
Bemerkung. Wegen der linearen Unabhängigkeit von {w1 , ..., wm } in Denition 8.3.3 sind
die Koezienten ˜
lij eindeutig bestimmt.
Wie sind die Matrizen L und L̃ von L bezüglich der Basen B V , B W miteinander verbunden?
Wenn wir B und C durch
B : v j 7→ ej , C : wi 7→ ei
C L̃ B −1 = L.
Denition 8.3.4
Seien L ∈ Rn×n und L̃ ∈ Rn×n Matrizen, die
L = B L̃ B −1
erfüllen für eine invertierbare (n × n)-Matrix B . Dann werden L und L̃ ähnlich genannt.
Wir werden später Eigenschaften ähnlicher Matrizen genauer anschauen. Da (wie oben
gemerkt) sie die gleiche lineare Abbildung darstellen, würde man erwarten, dass ihre grundliegenden
Eigenschaften gleich sind.
Ax = b
Denition 8.4.1
Ein System der Form
Ax = b (8.4.1)
(2) Ist die Lösung zu (8.4.1) eindeutig bestimmt? Äquivalent ist: Ist A injektiv?
(3) Was ist die Lösung? Äquivalent ist: Welches x ∈ Rn ist ein Urbild von b ∈ Rm unter
A? Angewandter ausgedrückt: Wie berechnet man die Lösung?
Aktuelle angewandte Frage: Wie approximiert man schnell die Lösung, wenn A sehr groÿ
ist?
Sie wissen aus der Schule, dass es für A ∈ R2×2 , b ∈ R2 drei Möglichkeiten gibt: Das
lineare Gleichungssystem besitzt eine eindeutige Lösung, keine Lösung oder unendlich viele
Lösungen.
l1 l1 l1 = l2
l2
l2
(a) Eine eindeutige Lösung (b) Keine Lösung (c) Unendlich viele Lösungen
Das Gleiche ist im Allgemeinen wahr. Um dies zu besprechen, übersetzen wir Satz 8.2.4
für Matrizen. Zunächst denieren wir:
Denition 8.4.2
Sei A (m × n)-Matrix. Die maximale Anzahl linear unabhängiger Zeilenvektoren
eine
heiÿt Zeilenrang von A. Die maximale Anzahl linear unabhängiger Spaltenvektoren
heiÿt Spaltenrang von A. Bild, Kern, und Defekt einer Matrix werden als Bild, Kern,
und Defekt der durch A bestimmten linearen Abbildung deniert. (Sehen Sie Denition
8.2.2.) Bild und Kern werden mit BA und KA gekürzt. Die Dimension des Bildes wird
Rang von A genannt.
Satz 8.4.3
Sei A ∈ Rm×n . Es gilt
Jetzt kehren wir zum System Ax = b zurück. Aus Satz 8.2.4 erhalten wir:
Rang(A) + dim(KA ) = n.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 199
(iii) Eine Lösung x von Ax = b ist eindeutig bestimmt genau dann, wenn
KA = {0}.
x + αw, wobei w ∈ KA .
Ax = b lösen,
heiÿt das Gauÿsche Eliminationsverfahren. Wir lernen diese Methode durch Beispiele kennen.
Beispiele.
O1 Lösung(en) von
x1 + x2 = 3,
x1 − x2 = 1.
Wir nennen die erste Reihe R1 und die zweite Reihe R2 und ersetzen die zweite Reihe
durch die zweite Reihe minus (Eins mal) die erste Reihe:
R2 → R2 − 1 · R1 .
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 200
Was uns wichtig ist, ist, dass wir jetzt eine Matrix in oberer Dreiecksform haben, das
heiÿt, die Matrix
1 1
0 −2
hat Nullen unter der Diagonalen. Jetzt, da die Matrix (8.4.2) diese Form erreicht
hat, lösen wir durch sogenannte Rückwärtselimination (das heiÿt, wir lösen durch
Einsetzen):
−2x2 = −2 ⇒ x2 = 1,
1 · x1 + 1 · x2 = 3 ⇒ 1 · x1 + 1 = 3 ⇒ x1 = 2.
x1 2
Die eindeutige Lösung ist also = .
x2 1
O2 Lösung(en) von
x1 + x2 + 2x3 = 0,
2x1 + x2 + x3 = 1,
x1 + 2x3 = −2.
Zunächst erhalten wir zwei Nullen unter der Eins in Reihe 1, Spalte 1, indem wir
R2 → R2 − 2 · R1 und R3 → R3 − R1
ersetzen:
1 1 2 0
0 −1 −3 1 .
0 −1 0 −2
(Hier war uns wichtig, dass a11 ̸= 0 war. Das Element a11 wird hier das Pivotelement
gennant.) Jetzt brauchen wir nur eine Null in Reihe 3, Spalte 2, also ersetzen wir
R3 → R3 − 1 · R2
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 201
3x3 = −3 ⇒ x3 = −1,
−1 · x2 − 3x3 = 1 ⇒ −1 · x2 + 3 = 1 ⇒ x2 = 2,
x1 + x2 + 2x3 = 0 ⇒ x1 + 2 + 2 · (−1) = 0 ⇒ x1 = 0.
Die eindeutige Lösung ist
x1 0
x2 = 2 .
x3 −1
O3 Lösung(en) von
x1 − 2x2 − x3 = −2,
2x1 + x2 + 3x3 = 1, (8.4.3)
−3x1 + x2 − 2x3 = 1.
T
Die letzte Gleichung ist trivial (0 x = 0), und die ersten zwei Gleichungen ergeben
5x2 + 5x3 = 5 ⇒ x2 = 1 − x3
x1 − 2x2 − 1 · x3 = −2 ⇒ x1 = 2(1 − x3 ) + x3 − 2 = −x3 .
Hier bleibt x3 als freier Parameter, und Lösungen haben die Form
−c 0 −1
x = 1 − c = 1 + c −1 für c ∈ R. (8.4.4)
c 0 1
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 202
In diesem Beispiel ist x in (8.4.4) mit c als Parameter allgemeine Lösung von (8.4.3)
genannt.
O4 Lösung(en) von
x1 − 2x2 − x3 = −2,
2x1 + x2 + 3x3 = 1,
−3x1 + x2 − 2x3 = 1,1.
1 −2 −1 −2
2 1 3 1
−3 1 −2 1,1
R2 → R2 − 2 · R1 , R3 → R3 + 3 · R1
1 −2 −1 −2
0 5 5 5
0 −5 −5 −4,9
R3 → R3 + R2
1 −2 −1 −2
0 5 5 5 .
0 0 0 0,1
0 · x1 + 0 · x2 + 0 · x3 = 0, 1
kann nicht erfüllt werden. Dieses System besitzt keine Lösung. (Und Rang(A) < 3.)
Denition 8.4.5
Falls x∗ eine partikuläre Lösung des Systems Ax = b ist und w1 , . . . , wj den Kern von
A aufspannen, dann heiÿt
x ∗ + c1 w 1 + · · · + cj w j
Übung 8.4.6
Berechnen Sie Bild(A) und Kern(A) für die Matrix aus dem letzten Beispiel.
Als wir das Gauÿsche Eliminationsverfahren angewendet haben, haben wir das System
Ax = b (8.4.5)
à x = b̃ (8.4.6)
verändert und behauptet, dass die Lösungen zu (8.4.5) und (8.4.6) gleich sind. Frage: Welche
Eigenschaften von A und à sind gleich und welche Eigenschaften von A wurden durch das
Verfahren verändert? Der Gauÿsche Algorithmus basiert auf den Operationen
(iii) die i-te Zeile durch die Summe der Zeilen i und j ersetzen.
Wenn à aus A durch den Gauÿalgorithmus konstruiert wird, dann sagen wir, dass à und
A reihenäquivalent sind. Wenn A und à reihenäquivalent sind, dann haben sie den gleichen
Zeilenspann und dadurch den gleichen Zeilenrang. Da Zeilenrang gleich Rang ist, haben sie
auch den gleichen Rang. Wenn die erweiterte Matrix
A b
à b̃
Ax = b
à x = b̃.
8.5 Matrixinverse
Man kann das Gauÿsche Eliminationsverfahren benutzen, um die Inverse einer Matrix zu
berechnen.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 204
Denition 8.5.1
Sei A eine (n × n)-Matrix. A heiÿt invertierbar oder nichtsingulär, wenn es eine (n × n)-
Matrix B gibt, so dass
1 0 ... 0
.. .
. .
0 1 .
BA = AB = I := . . .
.. . . . . . 0
0 ... 0 1
B = A−1 .
Was immer A bewirkt, wird von A−1 rückgängig gemacht. Nicht alle Matrizen haben eine
Inverse. A besitzt eine Inverse genau dann, wenn die assoziierte lineare Abbildung bijektiv
ist, also genau dann, wenn
Kern(A) = {0} .
Damit ist bewiesen:
Satz 8.5.2
Eine (n × n)-Matrix A ist nichtsingulär genau dann, wenn Kern(A) = {0}.
Ax = b
äquivalent zu
x = A−1 A x = A−1 b.
Allerdings löst man ein lineares System so gut wie nie durch diese Vorgehensweise!
Beispiele.
O1 Eine Diagonalmatrix
d1 0 ... 0
.. ..
0 d2 . .
A=.
.. ..
.. . . 0
0 ... 0 dn
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 205
ist genau dann invertierbar, wenn keines der Diagonalelemente Null ist. Dann ist
1
d1
0 ... 0
0 1
d2
... 0
A−1 = . .. .
.. ..
.. . . .
1
0 ... 0 dn
O2 Eine 2 × 2-Matrix
a b
A=
c d
(A B)−1 = B −1 A−1 ,
denn
(Wenn man zuerst Socken und dann Schuhe anzieht, dann muss man zuerst die Schuhe
wieder ausziehen.)
Es ist fast immer unpraktisch, die Inverse zu berechnen! Allerdings schauen wir uns an,
wie man die Inverse durch das sogenannte Gauÿ-Jordan-Eliminationsverfahren berechnen
kann. Man möchte die Gleichung
A A−1 = I
spaltenweise lösen. Als Beispiel betrachten wir eine 3 × 3-Matrix A und wir bezeichnen die
−1
Spalten der gesuchten Matrix A mit
A−1 = x1 x2 x3 .
Man möchte
A A−1 = A x1 x2 x3 = e1 e2 e3
lösen - also muss man drei Gleichungssysteme lösen. Um eine n × n-Matrix zu invertieren,
muss man n Gleichungssysteme lösen!
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 206
2 −1 0 1 0 0
−1 2 −1 0 1 0
0 −1 2 0 0 1
erhalten wir die obere Dreiecksmatrix
2 −1 0 1 0 0
0 32 −1 21 1 0 ,
4 1 2
0 0 3 3 3
1
8.6 LU-Zerlegung
Eine praktischere Alternative zur Lösung eines linearen Systems durch Berechnung der
Inversen ist, die LU-Zerlegung anzuwenden. Die LU-Zerlegung einer Matrix ist die Zerlegung
in
A = L U, (8.6.1)
wobei L eine untere Dreiecksmatrix mit Einsen auf der Diagonalen und U eine obere Dreiecks-
matrix ist. Der Vorteil der Zerlegung ist, dass Gleichungssysteme mit Dreiecksmatrizen leicht
zu lösen sind. (Man benutzt Vorwärts- oder Rückwärtselimination.) Sei das Problem
Ax = b (8.6.2)
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 207
gegeben. Angenommen man hat eine LU-Zerlegung von A wie in (8.6.1), dann schreibt man
(8.6.2) als
L( U x ) = b.
|{z}
y
Man löst
Ly = b
nach y und anschlieÿend
Ux=y
nach x auf.
Um die LU-Zerlegung genauer anzuschauen, schreiben wir das Gauÿsche Eliminationsverfahren
m×n
als Matrix-Produkt. Der erste Schritt des Algorithmus für A ∈ R , wenn a11 (das sogenannte
Pivotelement) nicht verschwindet, ist
aj1
Rj → Rj − R1 für j = 2, ..., m.
a11
Das heiÿt, man berechnet
M 1 A x = M 1 b,
wobei
1 0 0
− a21 1
a11
M 1 = − aa31 0 1
11
0
− aam1
11
0 0 1
eine sogenannte Eliminationsmatrix ist. Glücklicherweise ist die Inverse von M 1 leicht abzulesen:
1 0 0
a21
a11
1
a31
M −1 = 0 1 .
1 a11
0
am1
a11
0 0 1
Durch solche Eliminationsmatrizen (wenn das Pivotelement in jedem Schritt von Null verschieden
ist) berechnet man
wobei L eine untere Dreiecksmatrix mit Einsen auf der Diagonalen ist.
Im allgemeinen Fall, wenn a11 oder ein anderes Pivotelement (M j−1 ...M 1 A)jj verschwindet,
muss man Zeilen vertauschen. Dies tut man mittels einer Permutationsmatrix.
Denition 8.6.1
Eine (n×n)-Permutationsmatrix enthält die n Zeilen von I in einer beliebigen Reihenfolge.
Beispiel. Sei
0 1
A= .
1 1
0 1 1 1
Für P = ist PA= .
1 0 0 1
Im Allgemeinen entfernt man triviale Pivotelemente durch Permutationsmatrizen und
man erhält eine Matrix
Obwohl diese keine Dreiecksmatrix ist, kann man M trotzdem leicht invertieren. Man kann
auch die Permutationen umordnen, so dass man im Allgemeinen eine Zerlegung
P A = LU
Satz 8.6.2
Jede (n × n)-Matrix A besitzt eine Zerlegung
P A = LU ,
wobei L eine untere Dreiecksmatrix mit Einsen auf der Diagonalen, U eine obere Dreiecks-
matrix, und P eine Permutationsmatrix ist. A ist singulär genau dann, wenn U eine Null
auf der Hauptdiagonalen hat.
8.7 Determinanten
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 209
Denition 8.7.1
Es sei
A = (aij )i=1,...,m
j=1,...,n
AT = (aji ) j=1,...,n .
i=1,...,m
Denition 8.7.3
Die Determinante det ist eine Funktion von n Rn -Vektoren nach R, die die folgenden
Eigenschaften erfüllt:
(ii) det(a1 , ..., an ) ist multilinear im folgenden Sinne: Für jeden Index i und beliebige
Rn -Vektoren aj , j ̸= i, ist die folgende Abbildung linear:
ai 7→ det(a1 , . . . , ai , . . . , an ).
(1) det(A) ist gleich dem (orientierten) Volumen des Parallelepipeds, das von a1 , ..., an
n
aufgespannt ist. (Wichtig für HM III und Integrale in R !)
Ax = b
zu nden. Dies schauen wir uns unten im Satz 8.7.6 an.
(iv) Wenn à aus A konstruiert wird, indem ai und aj miteinander vertauscht werden,
dann ist
det(Ã) = − det(A).
det(a1 , . . . , an ) = 0.
(vi) Wenn à aus A konstruiert wird, indem ãi = ai + αaj für j ̸= i, α ∈ R, dann gilt
det(A) = det(Ã).
(vii) Wenn A eine Dreiecksmatrix ist, dann ist det(A) gleich dem Produkt der Diagonal-
elemente.
(viii) Es gilt
(ix) Es gibt höchstens eine Abbildung, die die Eigenschaften aus Denition 8.7.3 erfüllt.
det(tA) = tn det(A).
Beweis. zu (iv) : Sei ak fest für alle k auÿer i und j. Wir setzen b := ai , c := aj und
Man bemerkt
zu (v) : (⇒): Wenn a1 , ..., an linear abhängig sind, dann gibt es einen Vektor aj , der
als Linearkombination der anderen geschrieben werden kann: Ohne Beschränkung der
Allgemeinheit nehmen wir an, dass j = 1, so dass
a1 = c2 a2 + ... + cn an .
Dann ist
(⇐): Folgt aus der LU-Zerlegung (insb. Satz 8.6.2) und (vii) , (viii) weil det(A) = 0 ⇒
T
Kern(A) ̸= {0} ⇒ es existiert x ̸= 0, so dass A x = 0 ⇒ a1 , ..., an sind linear
abhängig.
zu (vi) : folgt aus (i) und (ii) .
zu (vii) :Wenn ein Diagonalelement gleich Null ist, dann ist det(A) = 0. Wenn nicht,
dann benutzt man Elimination, um A in Diagonalform zu bringen. Dann benutzt man
(vi) und
D1 (U −1 )D1 (L−1 )D1 (P )D1 (A) = D2 (U −1 )D2 (L−1 )D2 (P )D2 (A).
1
D1 (U −1 ) = D2 (U −1 ) = ,
u11 · ... · unn
D1 (L−1 ) = D2 (L−1 ) = 1,
D1 (P ) = D2 (P ) = ±1.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 212
Also folgt
D1 (A) = D2 (A),
wie gewünscht.
zu (x) : Folgt aus Multilinearität.
n
X
det(A) = aij Cij , (8.7.2)
j=1
mit der Matrix A′ij , die wir aus A bekommen, wenn wir die i-te Reihe und j -te Spalte
eliminieren.
Man nennt (8.7.2) die Entwicklung der Determinante nach der i-ten Reihe. Angesichts (8.7.1)
kann man auch die Determinante einer Matrix durch die Entwicklung nach der i-ten Spalte
berechnen:
n
X
det(A) = aji Cji für jedes i ∈ {1, . . . , n}. (8.7.4)
j=1
Beispiel.
2 −1 0 0
−1 2 −1 0
A4 =
0 −1 2 −1 .
0 0 −1 2
Wir betrachten eine 4×4-Matrix mit 2 auf der Hauptdiagonalen und −1 auf der Nebendiagonalen.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 213
= 2|A3 | − |A2 |.
Man berechnet det(A3 ) = 4 und det(A2 ) = 3, so dass
det(A4 ) = 2 · 4 − 3 = 5.
Für solche −1 2 − 1-Matrizen erhält man im Allgemeinen
Man kann die Determinante benutzen, um die Lösung eines linearen Gleichungssystems
zu berechnen.
Ax = b
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
Bi = A1 A2 . . . Ai−1 b Ai+1 . . . An .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
Beispiel. Benutzen Sie die Cramersche Regel um das folgende System zu lösen:
x1 − x2 + x 3 = 0
x1 + x2 − 2x3 = 1
x1 + 2x2 + x3 = 6.
In diesem Beispiel ist
1 −1 1 0 −1 1 1 0 1 1 −1 0
A = 1 1 −2 , B 1 = 1 1 −2 , B 2 = 1 1 −2 , B 3 = 1 1 1 .
1 2 1 6 2 1 1 6 1 1 2 6
Also erhält man det(A) = 9, det(B 1 ) = 9, det(B 2 ) = 18, det(B 3 ) = 9 und, nach der
Cramerschen Regel, gilt
x1 = 1, x2 = 2, x3 = 1.
Man überprüft, dass dies in der Tat eine (die!) Lösung des Gleichungssystems ist.
Wo kommt die Cramersche Regel her? Zunächst erinnern wir an die Formel der Matrixinverse
einer nicht singulären 2 × 2 Matrix. Für
a b −1 1 d −b
A= ist A = ,
c d ad − bc −c a
wenn ad − bc ̸= 0. Also gilt
−1 1 d −b
A = , (8.7.5)
det(A) −c a
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 215
und die Matrix auf der rechten Seite ist genau die Matrix der Kofaktoren (cf. (8.7.3)) von
A:
C = (cij ).
1
A−1 = CT (8.7.6)
det(A)
gilt im Allgemeinen für eine nicht singuläre n×n Matrix A. Dies erkennt man, indem
man das Matrixprodukt
a11 . . . a1n C11 . . . Cn1
. .. . . .. .
Y = A CT = . . . .
. . . . . .
an1 . . . ann C1n . . . Cnn
gilt, weil es die Entwicklung der Determinanten bzgl. der ersten Reihe ist. Analog ist
weil es die Entwicklung der Determinanten bzgl. der j-ten Reihe ist. Auÿerdem bemerkt
man, dass
a11 . . . a1n
a11 . . . a1n
a31 . . . a3n
.. .
.
. .
an1 . . . ann
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 216
bzgl. der zweiten Reihe ist, und analog, dass yij = 0 für jedes i ̸= j , so dass (8.7.6)
tatsächlich gilt. Der Satz ist bewiesen, wenn man die Lösung des Gleichungssystems als
(8.7.6) 1
x = A−1 b = CT b
det(A)
schreibt, und (C T b)i als die Determinante der Matrix Bi (die in der Aussage vom Satz
8.7.6 deniert wurde) erkennt.
O3 Wenn
ist
A und B n × n zwei Matrizen sind, wobei A nichtsingulär ist und A B = 0, dann
B = 0.
O4 Finden Sie den Kern von
1 2 1 3
A = 2 4 3 1 .
3 6 6 2
(a)
x2 + x3 − x4 = 0
x1 − x2 + 3x3 − x4 = −2
x1 + x2 + x3 + x4 = 2.
(b)
x1 − 2x2 + x3 = 2
2x1 + x2 − x3 = 1
−3x1 + x2 − 2x3 = −5.
(c)
x1 − x2 − x3 = 1
x 1 + x3 = 2
x2 + 2x3 = 3.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 217
(d)
x1 + x2 + x3 + 4x4 = 4
2x1 + 3x2 + 4x3 + 9x4 = 16
−2x1 + 3x3 − 7x4 = 11.
(a)
1 0 0
0 1
−2
A=
4 0
0
0
0 0 0 0 1
(b)
2 1 1
B = 4 −6 0
−2 7 2
1 2 0 x 3
2 1 0 y = b .
3 1 a z c
Für welche a, b, c ∈ R besitzt das System (i) eine Lösung, (ii) genau eine Lösung, (iii)
eine nicht leere Lösungsmenge, die ein Vektorraum ist?
a 1 1 x b
1 a 1 y = c
1 1 1 z 2
(b) Für die Werte von a, b, c, für die das System eine nicht eindeutig denierte Lösung
besitzt, beschreiben Sie die Lösungsmenge.
Kapitel 9
Klausur
Am Ende des Semesters schreiben Sie die HM I Klausur. Sie ist anders als eine Klassenarbeit
aus der Schule und anders als die Übungsaufgaben. Wir sammeln hier ein paar übliche Fragen
und Antworten über die Klausur.
Das Niveau der Aufgaben (A-, B- und Z-Teil) ist im Allgemeinen mit dem Niveau
der Klausur vergleichbar. Es gibt aber ein paar Unterschiede. Einige Übungsaufgaben
sind so gewählt, dass Sie gewisse Rechentechniken und Herangehensweisen durch die
Aufgabe gut trainieren. Manchmal sind die Aufgaben vom Umfang länger oder man
braucht für die Lösung eine neue/kreative Idee. Manche sind gewählt, damit wir später
in der Vorlesung auf dem Sto aufbauen können.
2. Reicht es für die Klausur aus, wenn ich die Übungsaufgaben lösen kann?
NEIN. Wenn dies hinreichend wäre, könnten wir Ihnen einfach zu Beginn des Semesters
alle Übungsblätter zur Verfügung stellen. Trotzdem ist das Lösen der Übungsaufgaben
ein wichtiger Bestandteil zur Klausurvorbereitung. Wenn Sie also groÿe Schwierigkeiten
mit den Aufgaben haben, ist dies ein schlechtes Zeichen für die Klausur. Im Abschnitt
(c) und (d) nden Sie ein paar Ratschläge, was Sie in diesem Fall tun können. Wenn
Sie mit den Aufgaben gut klarkommen, ist dies schon mal eine gute Voraussetzung
für die Prüfung. ABER Sie müssen berücksichtigen, dass die Übungsaufgaben nur eine
beliebige Auswahl aller möglichen Aufgaben sind. Wir können vorbereitend nicht eine
Aufgabe zu jedem Teil der Vorlesung stellen. Selbst wenn wir das könnten, wäre dies
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 219
nicht der Punkt: In einer Prüfung zeigt man, dass man den Sto der Veranstaltung
gelernt und verstanden hat, indem man neue Aufgaben (mit bekannten Methoden und
Werkzeugen) bearbeiten kann. Nur die Musterlösungen zu den Übungen durchzugehen
ist keine gute Vorbereitungsmethode; man kann Mathematik nicht durchs Lesen alleine
lernen.
Sie werden den Sto von HMI meistern, in dem Sie aktives Lesen/Zuhören üben.
Dies bedeutet, dass Sie das Skript lesen und die Videos anschauen und dabei aktiv
mitdenken. Jedes Mal, wenn Sie etwas neues lesen/hören, stellen Sie sich Fragen, um
zu klären, ob Sie die Inhalte tatsächlich verstanden haben. Wenn eine Übung/Frage
gestellt wird, dann lösen Sie sie oder stellen Sie mindestens fest, dass Sie wissen, wie Sie
sie lösen würden. Wenn es für Sie NICHT klar ist, dann besprechen Sie den Punkt mit
Ihren Kommiliton:innen, mit den Tutor:innen, im Forum, oder im interaktiven Skript
oder besuchen Sie uns in der contact hour.
Wenn wir die Klausur erstellen, dann gehen wir davon aus, dass Sie sowohl die gestellten
Übungsaufgaben und eTest-Fragen als AUCH den Sto der Vorlesung (bzw. des Skriptes)
gemeistert haben.
3. Wie bereite ich mich auf der Klausur vor? Oder: Wie kann ich mir sicher sein, dass
ich die Klausur bestehen werde?
Lösen Sie die Übungsaufgaben und eTest-Fragen während des gesamten Semesters.
Lesen Sie das Skript und schauen Sie die Videos aktiv. Sprechen Sie mit Ihren Kommil-
iton:innen über die Aufgaben und über den Sto der Vorlesung. Tauschen Sie sich
mit den Tutoren der Kleingruppenübungen aus. Auch wenn Sie denken, Sie kommen
alleine mit dem Sto klar, werden Sie ein viel tieferes Verständnis entwickeln, wenn
Sie regelmäÿig über den Sto reden. Stellen Sie sich selber Fragen zu jedem Thema
der Vorlesung und beantworten Sie sich diese. Holen Sie Feedback zu Ihren Lösungen,
durch die Korrektur, im Austausch mit den Tutoren oder besuchen Sie uns in der
contact hour.
Haben Sie bemerkt, dass wir keine Denitionen oder Theoreme in den Übungsblättern
abfragen (weil das nicht zielführend wäre), aber in der Klausur erwarten, dass Sie die
Denitionen und Resultate kennen und wiedergeben können!? Das bedeutet allerdings
nicht, dass wir in der Klausur fragen, Was war Satz 1.4.2?. Stattdessen wäre eine
mögliche Frage, Geben Sie die Dreiecksungleichung für reelle Zahlen an und geben Sie
einen Beweis dafür.
Mathematik lernt man, in den man übt. Man bearbeitet neue Aufgaben. Manchmal
sitzt man (länger) vor einem leeren Blatt und weiÿ nicht, wie man anfangen soll.
Man macht sich eine Skizze, um eine erste Idee zu entwickeln. Man schreibt sich
auf, was man gegeben hat und was man zeigen möchte. Und dann versucht man
irgendetwas. Es funktioniert nicht. Man fängt neu an. Man freut sich, eine Lösung
gefunden zu haben. Später entdeckt man eine Lücke im Beweis. Man füllt die Lücke.
Versuchen und nochmals versuchen. Wenn Sie während des Semesters viele dieser
Herausforderungen gemeistert haben, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Sie
in der Klausur erfolgreich sein werden.
Mathematik lernt man wie ein Lied. Erst hört man zu. Dann versucht man selber
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 220
zu singen. Dann wiederholt man den Text, bis man das Lied auswendig gelernt hat.
Gehen Sie zurück zum ersten Kapitel. Kennen Sie das Lied noch? Sehen Sie, wie die
Strophen zusammenhängen? Als wir mit C gearbeitet haben, konnten wir Ergebnisse,
die wir für R gezeigt haben, übertragen. Ähnlich ist es, wenn wir uns die allgemeine
Konvergenz von Folgen anschauen. Wir werden die Beweismethodiken, die wir für
Nullfolgen gemacht haben, übertragen können. Mathematik ist Struktur. Struktur
erkennen, untersuchen und ausnutzen.
Falls Sie keine Lerngruppe haben, dann nden Sie eine. Falls Sie dabei Hilfe benötigen,
dann können wir Ihnen helfen. Kommunikation über die groÿen Ideen und kleinen
Details der Vorlesung ist essentiell. Falls Sie schon eine Lerngruppe haben, es Ihnen
aber nicht sehr hilft, sich dort auszutauschen, dann schauen Sie, ob eine andere Gruppe
für Sie hilfreicher ist. Besuchen Sie die contact hour und sprechen mit anderen Kommil-
iton:innen oder tauschen Sie sich in den Kleingruppenübungen mit dem Tutor, der
Tutorin oder untereinander aus. Jedes Gespräch bringt etwas.
Versuchen Sie insbesondere Ihre Fragen zu formulieren und bringen Sie diese mit in
die Kleingruppenübungen oder in die contact hour. Falls Sie keine konkreten Fragen
formulieren können, kommen Sie trotzdem und fragen Sie, Können Sie mir helfen,
XYZ besser zu verstehen? Das ganze HöMa Team ist daran interessiert, Ihnen zu
helfen, erfolgreich zu werden.
Manchmal helfen zusätzliche Internet-Videos oder eine private Nachhilfe. Jedoch ist das
HöMa Team genau auf dieser Vorlesung (und auf die zukünftige Klausur) spezialisiert.
Falls Sie Lücken in Ihrem Hintergrundswissen haben oder Schwierigkeiten mit dem
Sto vom Anfang des Semesters haben, werden Sie aktiv! Kommen Sie zu uns oder
suchen Sie sich die Hilfe, die Sie brauchen. Je früher man aktiv wird, desto gröÿer ist die
Wahrscheinlichkeit, dass man Probleme lösen/vermeiden kann. Wenn man Schwierig-
keiten nicht als solche anerkennt, hat man meist später ernste Probleme.
Sie dürfen kein eigenes Formelblatt, keinen Taschenrechner und keine sonstigen Hilfsmittel
zur Klausur mitbringen. Es wird ein von uns erstelltes Formelblatt geben; siehe unten
für ein solches Beispiel. Falls Sie während des Semesters Formeln haben, die Sie gerne
auf das Formelblatt aufnehmen möchten, können Sie diese gerne im Forum Feedback
und Ergänzungswünsche melden. Eben WEIL es kein selbst erstelltes Formelblatt
geben wird, ist es sehr wichtig, dass Sie vor allem während des Semesters versuchen
auch die Übungen ohne Hilfsmittel zu lösen.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 221
Teil I
In diesem Teil sind die Aufgaben 2 Punkte wert. Für die richtig/falsch Fragen ist bei einer
richtigen Aussage keine Begründung verlangt und wird auch nicht bewertet; im Falle einer
falschen Aussage geben Sie ein passendes Gegenbeispiel bzw. eine kurze Begründung an.
Frage Antwort
√
Richtig oder falsch: Für alle a, b > 0 gilt ab ≤ 21 (a + b).
Zeichnen Sie den Graphen einer Funktion f : [0, 1] → [0, 1], die weder injektiv
noch surjektiv ist.
Richtig oder falsch: Für alle x > −1 und n∈N gilt (1 + x)n ≤ 1 + nx.
Richtig oder falsch: Für jede nichtleere Menge M ⊂R gilt inf M ≤ sup M .
Richtig oder falsch: Jede monotone Funktion besitzt eine Umkehrfunktion auf
ihrem Wertebereich.
Richtig oder falsch: Wenn f eine surjektive Funktion ist, dann ist f injektiv.
TEIL II
Im zweiten Teil bekommen Sie 4 Aufgaben, die ungefähr 20 Punkte wert sind. Sie müssen
ihre Lösungen begründen. Wir geben hier zwei Beispiele an.
1. (a) Geben Sie die Denition des Supremums einer Menge A⊆R an.
(d) Kann jedes Polynom dritten Grades als Produkt von drei reellen Linearfaktoren
geschrieben werden? Wenn ja, begründen Sie warum. Wenn nicht, dann geben Sie
ein geeignetes Gegenbeispiel an.
(e) Finden Sie das gröÿte Teilintervall von (−∞, 5), auf dem p(x) := x2 − x − 2
invertierbar ist und geben Sie die Umkehrfunktion, ihren Denitionsbereich und
ihren Wertebereich an.
1. Bemerken Sie, dass in 1(d) Punkte für die Begründung gegeben werden. Wenn Sie
keine Begründung schreiben, bekommen Sie diese Punkte nicht.
2. Bemerken Sie, dass in 2(a), Sie die Denitionen von gerade und ungerade angeben
müssen, um die Frage zu beantworten, obwohl nicht explizit danach gefragt wurde.
9.3 Formelblatt
Beispielhafte Formelsammlung.
1. Identitäten:
sin2 (x) + cos2 (x) = 1, tan2 (x) + 1 = sec2 (x), cot2 (x) + 1 = csc2 (x)
2. Additionstheoreme:
3. Doppelwinkel:
2 tan(θ)
sin(2θ) = 2 sin(θ) cos(θ), cos(2θ) = 1 − 2 sin2 (θ), tan(2θ) =
1 − tan2 (θ)
4. Halbwinkel:
1 − cos(2θ) 1 + cos(2θ)
sin2 (θ) = , cos2 (θ) =
2 2
5. Sekans und Kosekans:
1 1
sec(θ) := , csc(θ) :=
cos(θ) sin(θ)
7. Cauchy-Schwarz'sche Ungleichung:
n v n
v
u n
X u X uX
u 2
xi y i ≤ t xi t yi2
i=1 i=1 i=1
8. Binomische Formeln:
n n
n
X n n−k k n+1
X
(x + y) = x y , (x − y) = (x − y) ak bn−k
k
k=0 k=0
Appendices
Anhang A
Notation
a + x = b. (B.1.1)
a+x = a + (−a + b)
(A2)
= (a − a) + b
(A4)
= 0+b
(A1)
= b+0
(A3)
= b.
a + x = a + x̃
⇒ (a + x) − a = a + x̃ − a
(A1)
⇒ (x + a) − a = (x̃ + a) − a
(A2)
⇒ x + (a − a) = x̃ + (a − a)
(A4)
⇒ x + 0 = x̃ + 0
(A3)
⇒ x = x̃.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 227
Unser Kapital soll auf jeden Fall nicht weniger als 500 e betragen, also immer gröÿer
gleich 500 e sein.
1000 − 20 · n ≥ 500 ⇔ n ≤ 25
Also halten wir einen jährlichen Werteverlust von 2% mindestens 25 Jahren durch.
Da nun hier das n sehr groÿ ist, können wir uns denken, dass die Approximation
keine besonders gute Approximation ist. Tatsächlich ergibt eine genaue Rechnung n≥
log(0,5)/ log(0,98) ≈ 34.
σ ≤ an − a ≤ s für alle n ∈ N.
σ + a ≤ an ≤ s + a für alle n ∈ N.
p p p p
|a n| − |a| |a n| + |a|
p |a | − |a|
= p n
p
|an | − |a| = p < ϵ.
p p
|an | + |a| |an | + |a|
p
Im letzten Schritt haben wir |an | weggestrichen, da es positiv ist. Somit wird der
Gesamtausdruck gröÿer, wenn wir einen Term aus dem Nenner wegstreichen.
Zu (iv) : Die Folge
Daraus folgt sofort, dass die Folge der Summanden {dn +en }∞
n=1 durch σd +σe und sd +se
beschränkt ist.
Zu (vi) : Die Konvergenz zeigen wir wie bei den Beweisen zu (iii) . Sei ε>0 gegeben.
a2
Wir wählen N ∈ N, so dass |an − a| < min{
2
· ϵ, |a|
2
} für alle n > N
1 1 a − an a − an 2(a − an )
− =
an a a · an < a · (a − a/2) =
< ϵ.
a2
√
n
xn := n.
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 229
Aus
(xn )n = n
folgt xn > 1 für n > 1. Also können wir xn = 1 + hn für hn > 0 schreiben. Dann ist in
der Gleichung
n = (1 + hn )n
jeder Term in der binomischen Erweiterung der rechten Seite positiv. Insbesondere gilt
n 2 n(n − 1) 2
n> hn = hn .
2 2
Aus
2
0 < hn <
n−1
und dem Vergleichskriterium folgt
√
hn → 0 und somit
n
n = 1 + hn → 1 für n → ∞.
xn ̸= x0 , xn ∈ V, lim xn = x0 (B.3.1)
n→∞
für alle Folgenglieder xn . Nun folgt mit der Vorraussetzung lim f (x) = lim h(x) = y0 ,
x→x0 x→x0
dass
Nach dem Sandwichkriterium für Folgen 4.2.7 ist auch lim g(xn ) = y0 . Somit konvergiert
n→∞
g(xn ) für die gewählte Folge. Da diese beliebig war, konvergiert g(xn ) für alle Folgen mit
(B.3.1) gegen y0 .
Lösung zur Übung 5.3.11. Wir denieren f (x) := sin(1/x) − exp(−x) und bemerken,
dass sie stetig auf (0, ∞) (aber nicht auf [0, ∞)) ist. Dann suchen wir zwei Punkte,
zwischen denen wir eine Nullstelle einklammern (also, nden) können. In x = 1/π gilt
Jetzt brauchen wir einen Punkt, wo die Funktion positiv ist. In 4/π berechnen wir
1 1
exp(−4/π) < exp(−1) = <
e 2
ab. Ersetzen in (B.3.3) ergibt
1 1
f (4/π) ≥ √ − > 0. (B.3.4)
2 2
Da f auf [1/π, 4/π] stetig ist und (B.3.2), (B.3.4) erfüllt, liefert der Zwischenwertsatz
Existenz eines Punktes x∗ ∈ [1/π, 4/π] wo f (x∗ ) = 0.
|ex − (x + 1)|
auf x ∈ (0, 21 ).
Zunächst betrachten wir das Taylorpolynom erster Ordnung von exp(·) in Punkt x0 = 0,
welches mit Denition 7.4.1 wie folgt ist:
T1 (x; 0) = 1 + x
Da die exp(·) Funktion auf R unendlich oft stetig dierenzierbar ist, was aus Beispiel
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 231
O2 aus Kapitel 6.3 sowie Übung 5.2.3 folgt, können wir Satz 7.4.2 anwenden:
ec
1
R1 (x; 0) = x2 mit c ∈ [0, x] und x∈ 0,
2 2
Somit ist
c
c √
e e e
|ex − (x + 1)| = 1 + x + x2 − (x + 1) = x2 < .
2 2 8
Dabei haben wir im letzten Schritt benutzt, dass die exp(·) Funktion sowie das Monom
x2 streng monoton steigend auf 0, 12 sind.
1 1
und
1 0
nach Denition 8.1.5 linear unabhänging sind. Nach lemma 8.1.13 bilden sie eine
2 T
Basis von R . Da wir in der zu ndenen Basis den Vektor (1, 0) darstellen wollen,
ist es nur sinnvoll, mit diesem die Basis zu bilden, also
1
v= .
0
1 0
Nun ist die Darstellung von in dieser Basis einfach . Natürlich ist diese
0 1
Lösung nicht eindeutig!
O2 Wir denken wieder an die Denition 8.1.5 und suchen einen weiteren, linear unab-
hängigen Vektor. Da wir an einer möglichst einfachen Lösung interessiert sind,
T
stellen wir fest, dass mit v 3 = (1, 0, 0) die Vektoren v 1 , v 2 und v 3 linear unabhängig
sind.
T
Sei nun x = (x1 , x2 , x3 ) ∈ R gegeben. Wir suchen α1 , α2 und α3 , so dass:
1 3 1
x = α1 v 1 + α2 v 2 + α3 v 3 = α1 1 + α2 0 + α3 0
1 2 0
HMI ETech/Phys WS 2021-22 Seite 232
L(v 1 ) = a, L(v 2 ) = b.
Also ist αa + βb ∈ BL . Somit haben wir gezeigt, dass BL ein Teilraum von W ist.
Jetzt wenden wir und KL zu. Analog folgt aus der Denition von Kern, dass KL ⊆ V .
Dass 0 ∈ KL folgt aus (B.5.1), oben. Schlieÿlich bemerken wir, dass fürc, d ∈ KL gilt
L(c) = 0, L(d) = 0,
Also ist αc + βd ∈ KL . Damit haben wir gezeigt, dass KL ein Teilraum von V ist.
Lösung zur Übung 8.2.7. Man prüft leicht nach, dass V ein Vektorraum über R ist.
Als Nächstes müssen wir zeigen, dass P eine lineare Abbildung ist. Dazu sei α1 , α2 ∈
R, v1 , v2 ∈ V .
Nun bleibt noch zu zeigen, dass P2 = P ist. Dazu sei v ∈ V . Wir wenden P zweimal an:
v(x)+v(−x) v(−x)+v(−(−x))
2
v(x) + v(−x) 2
+ 2
P v (x) = (P (P v)) (x) = P =
2 2
v(x) + v(−x)
= = (P v)(x).
2
Damit ist gezeigt, dass P eine Projektion ist.
1 0
Sp 0 , 1 .
−1 −1