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Sommersemester 2019
PD Dr. S. Simon
Dipl.-Phys. H. Kriegel
PD Dr. Y. Narita
P. Meier, M. Sc.
Dr. M. Feyerabend
Braunschweig, 2019
Inhaltsverzeichnis
0 Einleitung 9
1 Differentialrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.2 Differentiationsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.3 Extremwertaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.4 Taylor-Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2 Integralrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.1 Integrationsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.3 Flächenintegral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.4 Oberflächenintegral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.5 Volumenintegral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
1 Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2 Komplexe Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3 Differentiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
4 Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
4.3 Residuensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
3
INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS
1 Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
2.1 Gradient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
2.2 Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
2.3 Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
2.5 Mehrfachoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
3.3 Stokes-Integralsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
3.4 Gauß-Integralsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
3.6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
4 Krummlinige Koordinatensysteme 85
2 Metrischer Fundamentaltensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
3 Determinante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
4 Skalarprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
5 Vektorprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
6.1 Gradient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
6.2 Divergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
6.3 Rotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
6.4 Laplace-Operator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
7 Orthogonale Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
4
INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS
2 Tensor-Operationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
1 Legendre-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
2 Bessel-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
3 Hermite-Polynome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
5
INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS
4 Laguerre-Polynome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
7 Differentialgleichungen 159
2.3.1 Dgln. höherer Ordnung und Systeme von Dgln. 1. Ordnung . . . . 176
6
INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS
8 Integraltransformationen 197
2 Fourier-Tansformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
3 Laplace-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
9 Differentialformen 207
1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
4 Integralsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216
Satz: LATEX2ε
Danksagung
Ich danke allen, die an der Entstehung dieses Skripts mitgewirkt haben.
• Matthias Grzeschik, der mit viel Engagement die Grafiken angefertigt hat.
• Johannes Gütschow, der mit größter Sorgfalt die Textpassagen und die umfangreichen For-
melblöcke erstellte.
• Jörg Duhme, Hendrik Kriegel, Willi Exner, Patrick Meier, Moritz Feyerabend, die die über-
arbeitete Fassung des Skripts erstellten.
Uwe Motschmann
7
Kapitel 0
Einleitung
Die Vorlesung Mathematische Methoden der Physik“ wird in der Physikausbildung an den deut-
”
schen Universitäten immer wieder als äußerst wichtig beschworen. Allerdings ist sie neben der
Theoretischen Mechanik, Elektrodynamik und Thermodynamik/Statistik die inhaltlich am gering-
sten homogenisierte und am stärksten von den Vorlieben des lesenden Dozenten geprägt. Das wird
hier wohl nicht anders sein. Das Bemühen, nichts Nachhaltiges auszulassen, sei den Studierenden
jedoch versichert.
Verausgesetzt wird für diese Vorlesung der parallele Besuch der Mathematikausbildung des ersten
Semesters, also der Einstieg in die Analysis und die Grundlagen der linaren Algebra. Überschnei-
dungen mit den Mathematik-Vorlesungen kommen vor, sind erfahrungsgemäß aber keine wirkliche
Redundanz, da die Akzente auch bei gleicher Überschrift deutlich anders gesetzt sind.
Auf Beweise wird hier mitnichten vollständig verzichtet. In der Regel beschränken wir uns aber
auf die Kernrechnungen oder auch nur auf die Beweisidee. Wir ignorieren damit keineswegs die
Exaktheit des Mathematikers etwa bei der Formulierung der Voraussetzungen. Eher bringen wir
zum Ausdruck, daß letztlich nur bewiesene Aussagen wirklich befriedigend sind - und daß wir
zur mathematischen Perfektion sehr wohl bereit sind. Letztendlich soll diese Vorlesung gerade
nicht zu den Mathematikvorlesungen konkurrieren, sondern die bewährte Verbindung zwischen
den Mathematikern und Theoretischen Physikern nutzen.
Wichtig: Die Voraussetzungen für die Gültigkeit von Sätzen werden in der Regel nicht explizit
aufgeführt. Sie werden stillschweigend angenommen.
10 Kapitel 0. Einleitung
Kapitel 1
1 Differentialrechnung
Zur Erinnerung schauen wir uns erstmal an, was eine Ableitung im R1 bedeutet. Die Ableitung
einer Funktion f nach der Variablen x ist das Verhältnis von der Änderung des Funktionswertes
zur Änderung des x-Wertes ∆x bei infinitesimaler Änderung ∆x.
df f (x + ∆x) − f (x) ∆f
= lim = lim (1.1)
dx ∆ x→0 ∆x ∆ x→0 ∆x
Hier wird stillschweigend vorausgesetzt, daß die Ableitungen existieren. Gebräuchliche Notationen
für die Ableitung sind
df d
= f = dx f = f ′ .
dx dx
df ∆f
f′ = m = = f
dx ∆x
∆f
↷ f (x) = mxo + n + m(x − xo )
∆x
f (x) = f (xo ) + f ′ ∆x
2. f (x) nichtlinear
∆f
f (x) = f (xo ) + ∆f
∆x
Hier gilt im allgemeinen ∆ f ̸= f ′ · ∆x.
xo x
df (xo , x) = f ′ (xo ) · ∆x
12 Kapitel 1. Differentiation und Integration im R3
df
dx ≡ ∆x
xo x
so daß
f (x) = f (xo ) + ∆f ≈ f (xo ) + df = f (xo ) + f ′ (xo ) dx. (1.4)
f (x, y) | R2 → R1
∂f f (x + ∆x, y) − f (x, y)
= lim
∂x ∆x→0 ∆x
(1.5)
∂f f (x, y + ∆y) − f (x, y)
= lim ,
∂y ∆y→0 ∆y
Die verdeutlichende Schreibweise ist insbesondere in der Thermodynamik üblich. Zum Beispiel ist
die partielle Ableitung der Entropie σ nach der Inneren Energie U das Inverse der Temperatur τ .
σ Entropie
σ(U, N, V ) U Innere Energie
( ) N Teilchenzahl
∂σ 1
=
∂U N,V τ V Volumen
τ Temperatur
∂f ∂
= f = ∂x f = fx
∂x ∂x
∂ 2f ∂ ∂f
= = ∂x ∂y f = fxy (1.6)
∂x∂y ∂x ∂y
∂ 2f
= ∂x2 f = ∂x ∂x f = fxx
∂x2
Beispiel:
f (x, y) = x3 y − exy
∂x f = 3x2 y − y exy
∂x2 f = 6xy − y 2 exy
∂y f = x3 − x exy
∂y2 f = −x2 exy
∂x ∂y f = 3x2 − exy (1 + xy) = ∂y ∂x f
Das totale oder vollständige Differential df für eine Funktion f (x, y) an der Stelle (xo , yo ) wird
definiert durch
mit dx ≡ ∆x ≡ x − xo und dy ≡ ∆y ≡ y − yo .
Neben dem Begriff des vollständigen Differentials existiert auch das weniger gebräuchliche unvoll-
ständige Differential. In der Thermodynamik existiert dafür sogar ein eigenständiges Symbol ,δ‘
statt ,d‘, z.B. δA für das unvollständige Differential der Arbeit A.
y
z = f (x, y)
z = f (x, yo)
x
z = f (xo, y)
∂f
∂y · dy
dx
∂f
∂x · dx
dy df
∂x f (xo , yo ) · (x − xo ) + ∂y f (xo , yo ) · (y − yo ) = z − zo .
14 Kapitel 1. Differentiation und Integration im R3
Die Betrachtungen können problemlos auf Funktionen mit mehr als zwei Veränderlichen verallge-
meinert werden. Für
f (x, y, z) | R3 → R1
gilt dann entsprechen
df = ∂x f dx + ∂y f dy + ∂z f dz. (1.8)
1.2 Differentiationsregeln
Die bekannten Regeln für Funktionen im R1 , f (x) | R1 → R1 , gelten im übertragenen Sinn für
partielle Ableitungen ebenfalls.
Satz von Schwarz: Für eine zweimal stetig differenzierbare Funktion f (x1 , x2 , . . . xn ) | Rn → R
gilt:
∂xi ∂xj f = ∂xj ∂xi f . (1.9)
Oder für eine Funktion f (x, y) | R2 → R1 :
∂x ∂y f = ∂y ∂x f . (1.10)
Beweis:
∂y f (x + ∆x, y) − ∂y f (x, y)
∂x ∂y f = lim
∆x→0 ∆x
lim∆y→0 f (x+∆x,y+∆∆y)−f
y
(x+∆x,y)
− lim∆y→0 f (x,y+∆y)−f (x,y)
∆y
= lim
∆x→0 ∆x
f (x + ∆x, y + ∆y) − f (x + ∆x, y) − f (x, y + ∆y) + f (x, y)
= lim lim
∆x→0 ∆y→0 ∆x ∆y
f (x + ∆x, y + ∆y) − f (x, y + ∆y) − f (x + ∆x, y) + f (x, y)
= lim lim
∆y→0 ∆x→0 ∆y ∆x
f (x+∆x,y+∆y)−f (x,y+∆y) f (x+∆x,y)−f (x,y)
lim∆x→0 ∆x
− lim∆x→0 ∆x
= lim
∆y→0 ∆y
∂x f (x, y + ∆y) − ∂x f (x, y)
= lim
∆y→0 ∆y
= ∂y ∂x f
q.e.d.
1.2 Differentiationsregeln 15
dt f = ∂x f · dt x + ∂y f · dt y. (1.11)
z = f (x, y) = e−(ax
2
+by 2 )
Beispiel: Funktion: ; a, b > 0
2
Weg: x(t) = t, y(t) = t
z = f (x, y)
Weg
Der Unterschied von totaler und partieller Ableitung wird sichtbar, wenn eine Bildung der par-
tiellen Ableitung ∂t f möglich ist. Betrachtet man zunächst eine Funktion z = f (x, y), mit der
Interpretation als stationäres Gebirge. Die Koordinaten (z(t), x(t), y(t)) beschreiben einen Weg
im Gebirge mit t als Zeit, die beim Entlangwandern des Weges verstreicht. Dies entspricht der
Situation der im vorangegangenen Beispiel vorgenommenen Untersuchung der Höhenänderung dt z.
Wird dagegen eine Funktion z = f (x, y, t) betrachtet, was zum Beispiel einem schwankenden
Gebirge entspricht (nur wellenartige Schwankungen ohne Risse sind erlaubt, so daß die Stetigkeit
von f gewahrt bleibt), dann hat die Höhenänderung dt z nun zwei Ursachen:
dt z = dt f = ∂t f · dt t + ∂x f · dt x + ∂y f · dt y
|{z}
=1
= ∂t f + ∂x f · dt x + ∂y f · dt y.
16 Kapitel 1. Differentiation und Integration im R3
dt f ̸= ∂t f . (1.12)
Die partielle Ableitung ∂t f wird auch explizite Änderung von f mit t genannt, d.h. die Änderung
von außen“ verursacht.
”
1.3 Extremwertaufgaben
Maximum
Sattelpunkt
f (x)
Minimum
x
In der Darstellung mit Hilfe des Differentials ist am Extrempunkt durch f ′ = 0 auch
df = f ′ · dx = 0. (1.13)
Die Art des Extremums ergibt sich bei physikalischen Anwendungen meist aus der Aufgabenstel-
lung. In der Regel ist bei physikalischen Aufgaben nach einem Minimum zu suchen, z.B. Energie-
minimierung, minimale Zeit, minimaler Weg oder minimale Wirkung.
1.3 Extremwertaufgaben 17
df = 0 y
Formal sind die Bedingungen über die Art der Extremas in zwei Dimensionen durch eine Deter-
minante D angebbar. Diese ist definiert durch
( )
∂x2 f ∂ x ∂y f
D ≡ det . (1.16)
∂y ∂x f ∂y2 f
Ohne Ableitung geben wir an wie sich damit die Art des Extremums feststellen läßt:
D > 0, ∂x2 f > 0; ∂y2 f > 0 ↷ Minimum
D > 0, ∂x2 f < 0; ∂y2 f <0 ↷ Maximum
(1.17)
D<0 ↷ Sattelpunkt
D=0 ↷ unbestimmt
Die Suche nach Extrema einer Funktion f (x, y), z.B. eines Gebirges, entlang eines Weges y = h(x)
ist eine Extremwertbestimmung mit Nebenbedingungen. Wir bringen die Aufgabenstellung in
folgende Form:
z = f (x, y) soll extremal sein
unter der Nebenbedingung h(x) − y = g(x, y) = 0
z = f (x, y)
g(x, y) = 0
y∗
∗
x
Extremalpunkt
df = 0
also
df = ∂x f (x∗ , y ∗ ) dx + ∂y f (x∗ , y ∗ ) dy = 0 (1.18)
dx und dy sind aber nicht unabhängig voneinander, sondern durch g(x, y) = 0 miteinander
verknüpft. Bildung des Differentials von g = 0 ergibt
∂x g
dg = 0 = ∂x g · dx + ∂y · dy ↷ dy = − dx. (1.19)
∂y g
Da dx und dy nicht voneinander unabhängig sind, kann auch nicht unabhängig voneinander
∂x f = 0 und ∂y f = 0
gefordert werden. O.B.d.A. wird dx als unabhängig und dy als abhängig betrachtet.
Wir machen einen zunächst etwas künstlich erscheinenden Ansatz, in den ein neuer Para-
meter λ eingefügt wird:
0 = df + λ · dg. (1.20)
Diese Gleichung gilt mit Sicherheit am Extrempunkt (x∗ , y ∗ ) entlang des Weges g(x, y) = 0,
da am Extrempunkt df = 0 ist und dg = 0 gilt sowieso entlang des gesamten Weges. Die
Ausdrücke für df und dg werden eingesetzt und die Terme umsortiert. Dann folgt
0 = ∂x f · dx + ∂y f · dy + λ ∂x g · dx + λ ∂y g · dy
0 = (∂x f + λ ∂x g) dx + (∂y f + λ ∂y g) dy.
λ ist zunächst noch ein freier Parameter, der Langrange-Multiplikator, der jedoch so gewählt
wird, daß
∂y f + λ ∂y g = 0. (1.21)
Es verbleibt zur Erfüllung von (1.20):
(∂x f + λ ∂x g) dx = 0, (1.22)
1.3 Extremwertaufgaben 19
∂x f + λ ∂x g = 0 (1.23)
∂x f + λ ∂ x g = 0
∂y f + λ ∂y g = 0 (1.24)
g(x, y) = 0
Für L(x, y, λ) ist nun eine Extremwertaufgabe ohne jegliche Nebenbedingungen zu lösen.
Die Bestimmung der Extrema dieser Funktion führt auf die zu (1.24) äquivalenten Bestim-
mungsgleichungen
∂x L = 0
∂y L = 0 (1.26)
∂λ L = 0,
0 = dL
= ∂x L · dx + ∂y L · dy + ∂λ l · dλ
= ∂x f · dx + λ ∂x g · dx + ∂y f · dy + λ ∂y g + g · dλ
= (∂x f + λ ∂x g) dx + (∂y f + λ ∂y g) dy + g · dλ,
∂x f + λ ∂x g = 0. ∂y f + λ ∂y g = 0 und g=0
folgt.
In höheren Dimensionen und mit mehreren Nebenbedingungen gilt für
f (x1 , . . . xn ) | Rn → R1
(1.27)
gi (x1 , . . . xn ) = 0 mit i = 1, . . . s < n.
∑
s
L(x1 , . . . xn , λ1 , . . . λs ) = f (x1 , . . . xn ) + λi gi (x1 , . . . xn ), (1.28)
i=1
∂xi L = 0 i = 1, . . . n
(1.29)
∂λj L = 0 j = 1, . . . s
Ein Beispiel für die Anwendung dieses Verfahrens in der Theoretischen Mechanik ist die Bewegung
unter dem Einfluß von Zwangskräften.
Eingeprägte Kraft → f
Zwangskraft → g
1.4 Taylor-Reihen
Wie schon in Kapitel 1.1 gezeigt, kann die Funktion f (x) in der Umgebung von xo durch f (xo )
und f ′ (xo ) approximiert werden.
f f (x)
xo x
Die Genauigkeit kann erhöht werden, wenn höhere Ableitungen berücksichtigt werden.
∑∞
1 (n)
f (x) = f (xo ) (x − xo )n ∀ x ∈ Konvergenzgebiet (1.30)
n=0
n!
+ ···.
q.e.d.
Im Konvergenzgebiet werden Terme mit höheren Potenzen immer kleiner und können ggf. bei
approximativen Betrachtungen weggelassen werden.
Approximation einer i.a. komplizierten Funktion f (x) durch Terme der Potenzreihe (Polynom) ist
für physikalische Anwendungen ggf. von Vorteil.
1.4 Taylor-Reihen 21
Beispiele: für xo = 0
1. y = sin x ≈ x
2. y = cos x ≈ 1 − 21 x2
bla
√
3. y = 1 + x ≈ 1 + 21 x
bla
4. y = ex ≈ 1 + x + 12 x2 + 1 3
3! x bla
5. y = ln x
bla
für xo = 0 nicht möglich
aber z.B. bei xo = 1
y = ln x ≈ x − 1
Für Funktionen mit mehreren Variablen gilt analoges. Exemplarisch betrachten wir eine Funkti-
on f (x, y) | R2 → R1 . Die lineare Approximation liefert bei xo , yo
z = f (x, y) ≈ f (xo , yo ) + df
(1.31)
≈ f (xo , yo ) + ∂x f (xo , yo ) (x − xo ) + ∂y f (xo , yo ) (y − yo ),
z = f (xo , yo ) + ∂x f · (x − xo ) + ∂y f · (y − yo )
1{ 2 }
+ ∂x f · (x − xo )2 + 2∂x ∂y f · (x − xo )(y − yo ) + ∂y2 f · (y − yo )2 (1.32)
2
+ ···
Diese Darstellung ergibt sich zwangsläufig aus dem Taylor-Satz im eindimensionalen Fall durch
sukzessive Anwendung auf die Variablen. Betrachtung bis zu den zweiten Ordnungen liefert dann
1
z = f (x, y) = f (xo , y) + ∂x f (xo , y) · (x − xo ) + ∂x2 f (xo , y) · (x − xo )2 + · · ·
2
1
f (xo , y) = f (xo , yo ) + ∂y f (xo , yo ) · (y − yo ) + ∂y2 f (xo , yo ) · (y − yo )2 + · · ·
2
∂x f (xo , y) = ∂x f (xo , yo ) + ∂y ∂x f (xo , yo ) · (y − yo ) + · · ·
∂x2 f (xo , y) = ∂x2 f (xo , yo ) + · · · .
∂x f = y · xy−1 xo =1,yo =1
=1
ln xy y·ln x
∂y f = ∂y e = ∂y e = xy ln x|xo =1,yo =1 = 0
∂x2 f = y(y − 1)xy−2 xo =1,yo =1
=0
2
∂y2 f = y
x ln x xo =1,yo =1
=0
∂x ∂y f = xy−1 + yx y−1
ln x xo =1,yo =1
=1
2 Integralrechnung
2.1 Integrationsregeln
∫b ∑
n
f (x) dx = lim f (x̃i ) ∆xi mit x̃i ∈ [xi , xi+1 ], ∆x i = xi+1 − xi (1.33)
n→∞
a i=1
f (x)
x
xi xi+1
∫b
f (x) dx = F (b) − F (a) (1.34)
a
dx F = f (1.35)
q.e.d.
2.1 Integrationsregeln 23
Integrationsregeln:
∫b ∫a
f (x) dx = − f (x) dx, (1.37)
a b
∫b ∫c ∫c
f (x) dx + f (x) dx = f (x) dx, (1.38)
a b a
∫b ∫b
k f (x) dx = k f (x) dx (1.39)
a a
und
∫b ∫b ∫b
{f (x) + g(x)} dx = f (x)dx + g(x) dx. (1.40)
a a a
q.e.d.
Dreiecksungleichung:
∫b ∫b
f (x) dx ≤ |f (x)| dx (1.42)
a a
q.e.d.
Ein Integral eines Produktes kann unter Umständen durch partielle Integration gelöst werden
∫b ∫b
′
u′ · v dx
b
u · v dx = [u · v]a − (1.43)
a a
Beispiel:
∫ ∫ ∫
1
ln x dx = ln x · |{z}
|{z} 1 dx = x ln x − x dx
x
u v′
= x ln x − x + const
Ein Integral von verketteten Funktionen kann gegebenenfalls durch Substitution bzw. Transfor-
mation der Variablen gelöst werden.
Beispiel: ∫ ∫
√
3 1 1 3 4
x 2x2 + 1 dx = u 3 du = u 3 + const
4 16
mit u = 2x2 + 1 und du = 4xdx
24 Kapitel 1. Differentiation und Integration im R3
Rationale Funktionen können immer mittels Partialbruchzerlegung integriert werden, so daß da-
durch die Stammfunktion mit Hilfe von elementaren Funktionen angegeben werden kann.
1.
x2 − 5x + 6
f (x) =
x+2
2.
x+2
f (x) =
x2 − 5x + 6
3.
x+2
f (x) =
x2 − 6x + 9
• falls die Ordnung des Zählers größer oder gleich der Ordnung des Nenners ist, wie im Bei-
spiel 1, kann man Polynomdivision ausführen.
x2 − 5x + 6 20
f (x) = = (x2 − 5x + 6) : (x + 2) = x − 7 +
x+2 x+2
−(x2 + 2x)
− 7x + 6
− (− 7x − 14)
20
∫ ∫
x2 1 x2
↷ f (x) dx = − 7x + 20 dx = − 7x + 20 ln(x + 2) + const
2 x+2 2
• falls die Ordnung des Zählers kleiner als die Ordnung des Nenners ist, wie in Beispiel 2,
kommt die Partialbruchzerlegung zum Zuge.
x+2
f (x) =
x2 − 5x + 6
1. Faktorisierung des Nenners
√
5 25
↷ x1/2 = ± −6
2 4
5 1
= ±
2 2
x1 = 3, x2 = 2
x+2
↷ f (x) =
(x − 3)(x − 2)
2. Ansatz für die Partialbruchzerlegung
x+2 A B
= + ; A, B = const
(x − 3)(x − 2) x−3 x−2
2.1 Integrationsregeln 25
↷ A + B = 1, 2A + 3B = −2
↷ A = 5, B = −4
x+2 5 4
↷ f (x) = = −
x2 − 5x + 6 x−3 x−2
4. Integration ∫
f (x) dx = 5 ln(x − 3) − 4 ln(x − 2) + const
x2 − 6x + 9 = 0
√
↷ x1/2 = 3± 9−9=3 (Doppel-Nullstelle)
↷ x − 6x + 9
2
= (x − 3)(x − 3) = (x − 3)2
x + 2 = A1 (x − 3) + A2
x=3: ↷ 5 = A2
x+2 A1 5
↷ = +
x2 − 6x + 9 x − 3 (x − 3)2
4+2 A1 5
x=4: = + ↷ A1 = 1
1 1 1
x+2 1 5
↷ f (x) = = +
x2 − 6x + 9 x − 3 (x − 3)2
4. Integration ∫
f (x) dx = ln(x − 3) − 5(x − 3)−1 + const
26 Kapitel 1. Differentiation und Integration im R3
Das Konzept vom Grenzwert der Zerlegungssumme ist übertragbar auf die Situation, bei der die
x-Achse durch eine Kurve in der x-y-Ebene oder im Raum ersetzt ist. Daraus ergibt sich das
Kurven- oder Linienintegral.
f (xi, yi)
z
y
si−1
x si C
Betrachtet wird eine Funktion z = f (x, y) und eine Kurve C in der x-y-Ebene mit der Bo-
genlänge s. Die Bogenlänge s wird von einem geeigneten Bezugspunkt aus gemessen. Die Kurve
wird zerlegt in einen Polygonzug mit den Stützpunkten (xi , yi ) ∈ C mit der Länge der Polygonab-
schnitte ∆si = |si − si−1 |. Die Funktionswerte am Rand jedes Polygonabschnittes sind f (xi , yi ).
Daraus folgt die Zerlegungssumme
∑n
f (xi , yi ) ∆si (1.44)
i=1
Das Linienintegral wird berechnet mittels eine Parameterdarstellung der Kurve C durch x(t) und
y(t) mit den Anfangs- und Endwerten ta und tb . Diese wird in die Funktion f (x, y) und in das
Differential ds eingesetzt. Nach Pythagoras gilt
2 2
∆si = ∆x i + ∆yi2
↷ ds2
= dx + dy 2 2
dx = dt x · dt
dy = dt y · dt
√
2 2
↷ ds = (dt x) + (dt y) dt. (1.46)
2 2
Man lese dx2 = (dx) ̸= d (x) .
∫ ∫tb √
2 2
↷ f (x, y) ds = f (x(t), y(t)) (dt x) + (dt y) dt
| {z }
C ta
≡f˜(t)
(1.47)
∫tb
= f˜(t) dt
ta
2.2 Integration entlang einer Kurve 27
• y als Kuvenparameter:
y = t, dy = dt
x = x(t) = x(y)
√
ds = dy x2 + 1 dy
∫ ∫yb √
f (x, y) ds = f (x(y), y) 1 + dy x2 dy
C ya
x y
C
Der Draht ist zu einer Sinuskurve verbogen, das heißt, die Parametrisierung ist
x = sin y ; y ∈ [0, 2π],
die Massendichte des Drahtes sei
√
ϱ(x, y) = α 1 + cos2 y
und der Querschnitt sei
A = const.
• für einen homogenen Draht wäre die Masse
m = ϱV = ϱAℓ
mit der Gesamtlänge ℓ des Drahtes.
• für den inhomogenen Draht gilt
∑
n
m = lim ϱi A∆si
n→∞
i=1
∫
= A ϱ(x, y) ds
C
28 Kapitel 1. Differentiation und Integration im R3
Zur Rückführung auf ein herkömmliches Integral kann man entweder x und y durch
x(s) und y(s) ersetzen, d.h. die Bogenlänge s ist als Kurvenparameter nötig, oder
man ersetzt ds mittels dx oder dy. Im Allgemeinen wird also auf eine neue Variable
transformiert. Hier wird y als Parameter benutzt.
Für den Polygonabschnitt gilt
2 2
∆si = ∆x i + ∆yi2
↷ ds2 = dx2 + dy 2
dx = cos y dy
dx2 = cos2 y dy 2
( )
↷ ds2 = 1 + cos2 y dy 2
∫2π √ √
↷ m = A α 1 + cos2 y 1 + cos2 y dy
0
∫2π
( )
= Aα 1 + cos2 y dy
0
∫2π
1
= Aα 2π + cos2 y dy cos2 y = (1 + cos 2y)
2
0
∫2π
1
= Aα 2π + (1 + cos 2y) dy
2
0
( )
1
= Aα 2π + 2π + 0
2
m = Aα3π
Zur Berechnung der Kurvenlänge ℓ wird die Funktion f (x, y) im Integral Eins gesetzt.
∑
n ∫
ℓ = lim ∆si = ds (1.48)
n→∞
i=1 C
Beispiel: Kreisumfang
Die Parametrisierung des Kreises erfolgt durch Polarkoordinaten mit dem Winkel φ
als Kurvenparameter und einem konstanten Abstand r vom Ursprung.
x = r cos φ r = const
y = r sin φ φ ∈ [0, 2π)
dy ds
2 2 2 dx
ds = dx + dy y
dx = −r sin φ dφ
dy = r cos φ dφ dφ
( )
ds = r2 sin2 φ + cos2 φ dφ2 = r2 dφ2
2
ds = r dφ φ
r x
∫2π
↷ ℓ= r dφ = 2πr
0
Verallgemeinert auf den R3 benötigt man für die Berechnung eines Kurvenintegrals einer Funkti-
on f (x, y, z) entlang einer Kurve C die Parametrisierung mit dem Kurvenparameter t.
z
y
x
2.3 Flächenintegral
Zur beispielsweisen Berechnung des Volumens eines Berges, der durch die Funktion z = f (x, y) ge-
geben ist, wird die Grundfläche in kleine Flächenelemente ∆Fi = ∆xi · ∆yi zerlegt. Das Teilvolumen
über dem Flächenelement ∆Fi ist näherungsweise
∆V i ≈ f (xi , yi )∆Fi . (1.52)
Aufsummiert über alle Flächenelemente innerhalb der Grundfläche ergibt sich näherungsweise das
Volumen des Berges zu
∑n
V ≈ f (xi , yi )∆Fi (1.53)
i=1
30 Kapitel 1. Differentiation und Integration im R3
z
f (xi, yi)
f (x, y)
y
x Grundfläche
∆Fi des Berges in
yi der x-y-Ebene
xi
und im Grenzfall infinitisimal kleiner Flächenelemente ergibt sich das exakte Volumen des Berges
zu
∑n ∫
V = lim f (xi , yi )∆Fi = f (x, y) dF . (1.54)
n→∞
i=1 F
Das Integral einer Funktion f (x, y) über eine Fläche F ist also definiert als
∫ ∑
n
f (x, y) dF = lim f (xi , yi )∆Fi . (1.55)
n→∞
F i=1
dF = dx · dy (1.56)
∫ ∫∫
↷ f (x, y) dF = f (x, y) dx dy (1.57)
F
F
Beispiel: Die Masse eines dünnen Bleches in der Form eines Dreiecks mit inhomogener
Flächendichte ϱ(x, y) sei zu berechnen.
y
1
F = {(x, y) | 0 ≤ x ≤ 1, 0 ≤ y ≤ x} F
= {(x, y) | 0 ≤ y ≤ 1, y ≤ x ≤ 1}
f (x, y) = (1 − x)(1 − y) = ϱ(x, y)
Flächendichte
x
1
2.3 Flächenintegral 31
∫
m = f dF
F
∫1 ∫1
= (x − 1)(y − 1) dx dy
0 y
oder
∫1 ∫x
= (x − 1)(y − 1) dy dx
0 0
∫1 ∫1
m= (1 − x − y + xy) dx dy
0 y
∫1 [ ]1
x2 x2
= x− − yx + y dy
2 2 y
0
∫1 ( )
1 y y2 y3
= 1− −y+ −y+ + y2 − dy
2 2 2 2
0
∫1 ( )
1 3 3 1
= − y + y2 − y3 dy
2 2 2 2
0
[ ]1
1 3 1 1
= y − y2 + y3 − y4
2 4 2 8 0
1 3 1 1
= − + −
2 4 2 8
= 1/8
32 Kapitel 1. Differentiation und Integration im R3
oder
∫1 ∫x
m= (1 − x − y + xy) dy dx
0 0
∫1 [ ]x
y2 y2
= y − xy − +x dx
2 2 0
0
∫1 ( )
x2 x3
= x−x −
2
+ dx
2 2
0
∫1 ( )
3 2 x3
= x− x + dx
2 2
0
[ ]1
x2 1 x4
= − x3 +
2 2 8 0
1 1 1
= − +
2 2 8
= 1/8
Der Flächeninhalt der Fläche F kann berechnet werden, wenn formal f ≡ 1 gesetzt wird.
∫ ∫
↷ F = dF = dx dy (1.58)
F F
Meist ist es sinnvoll, die Integration nicht in kartesischen sondern in besser geeigneten Koordi-
naten durchzuführen. Die Variablen- oder Koordinatentransformation geschieht in Analogie zur
Parametrisierung wie in Kapitel I.2.2. Die eindimensionale Kurve C war gegeben durch einen
Parameter t
C = {(x, y) | x = x(t), y = y(t), t ∈ [a, b]}
und ds wurde ersetzt vermöge dt. Im R2 wird die Fläche F nun durch zwei Parameter, z.B. u und
v, parametrisiert.
F = {(x, y) | x = x(u, v), y = (u, v), u ∈ [a, b], v ∈ [c, d]} (1.59)
Beispiel: Kreisfläche
x = u cos v u ∈ [0, R]
y = u sin v v ∈ [0, 2π]
Im Allgemeinen gilt jedoch dF ̸= du dv. Als eine Skalenfunktion tritt die Jacobi-Funktionaldeterminante
( )
∂ u x ∂v x
J = det . (1.60)
∂u y ∂ v y
2.3 Flächenintegral 33
Dann gilt
dF = |J| du dv. (1.62)
Die Gleichung (1.62) ergibt sich als Spezialfall der im nächsten Abschnitt abgeleiteten Gleichungen
(1.68) bis (1.72). Ein unabhängiger und für krummlinige Koordinaten in beliebiger Dimension
gültiger Beweis erfolgt zudem in Abschnitt 5.3.
zu berechnen.
Die Grundfläche F sein ein Kreis mit Radius R. Das Zeltdach besitzt eine Höhe
von der Form √ 2 2
z = f (x, y) = e− x +y
mit
cos v −u sin v
J =
sin v u cos v
= u cos v + u sin2 v = u.
2
34 Kapitel 1. Differentiation und Integration im R3
∫∫
↷ V = e−u u dv du
F
∫R ∫2π
−u
= e u dv du
0 0
∫R
= 2π e−u u du
0
( )
= 2π 1 − (R + 1)e−R
Bemerkung: Die im ersten Beispiel dieses Abschnitts benutzte dreieckige Integrationsfläche lässt
sich natürlich auch parametrisieren. Geeignet ist z. B.
x(u, v) = u , y(u, v) = u v
mit u ∈ [0; 1] und v ∈ [0; 1]. Die Jacobi-Determinante ergibt sich zu J = u. Der Leser möge
prüfen, dass das u-v-Integral den Wert 1/8 ergibt.
2.4 Oberflächenintegral
Die Fläche F sei nun nicht mehr die x-y-Ebene sondern eine beliebige Fläche im R3 . Zur Unter-
scheidung vom Sachverhalt in Kapitel I.2.3 wird die Fläche jetzt mit O bezeichnet. Auf O ist eine
Funktion f (x, y, z) definiert, über die integriert wird.
z
y
x
Beispiel: O ist ein dünnes gebogenes Blech mit der Dicke d und der inhomogenen Dichte f (x, y, z)
Wieder wird die Fläche O in kleine Flächenelemente ∆Oi zerlegt und der Grenzwert
der Zerlegungsumme über die Massenelemente
mi = f (xi , yi , zi ) · ∆Oi · d
gebildet:
∑
n ∑
n
m = lim mi = d lim f (xi , yi , zi ) ∆Oi .
n→∞ n→∞
i=1 i=1
Zur Berechnung des Integrals muß die Fläche O durch eine Parameterdarstellung gegeben sein.
x = R sin u cos v
y = R sin u sin v
z = R cos u
mit
u ∈ [0, π] und v ∈ [0, 2π),
und der Abstand vom Ursprung soll R betragen.
√
|(x, y, z)| = x2 + y 2 + z 2
√
= R2 sin2 u cos2 v + R2 sin2 u sin2 v + R2 cos2 u
= R
x(u, v)
O : y(u, v)
z(u, v)
i
∆
u
i
u
+
i
u
vi
(∆ri)2 vi + ∆
vi
(∆ri)1
z ri
y
x
Das Flächenelement ∆Oi am Ort ri ∈ O ist ein Parallelogramm mit den Seitenkanten beschrieben
durch die Vektoren (∆ri )1 und (∆ri )2 , die von ri entlang der Linien mit konstantem u bzw v
zeigen. Für infinitesimale Parallelogramme gehen diese Vektoren über in
(∆ri )1
(∆ri )1 = ∆ui −→ ∂u r · du
∆ui
(1.66)
(∆ri )2
(∆ri )2 = ∆v i −→ ∂v r · dv.
∆v i
↷ |∂u r × ∂v r| =
√
2 2 2
= (∂u y · ∂v z − ∂u z · ∂v y) + (∂u z · ∂v x − ∂u x · ∂v z) + (∂u x · ∂v y − ∂u y · ∂v x) (1.70)
Damit ist das Integral über die Funktion f entlang der Fläche O
∫ ∫∫ √
f (x, y, z) dO = f (x(u, v), y(u, v), z(u, v)) · EG − F 2 du dv. (1.73)
O
O
2.5 Volumenintegral
Bei der Berechnung der Masse eines Körpers aus inhomogenen Material mit der Dichte ϱ(x, y, z)
und dem Volumen V ⊂ R3 wird das Volumen in kleine Volumenelemente ∆Vi = ∆xi ∆yi ∆zi
zerlegt. Die Teilmasse des Körpers im Element ∆Vi ist näherungsweise
ϱ(x, y, z)
y
x
2.5 Volumenintegral 37
Das Volumen kann berechnet werden, indem man die Funktion f ≡ 1 setzt.
∫ ∫∫∫
V = dV = dx dy dz (1.80)
V
V
Die Wahl der Parametrisierung ist nicht auf kartesische Koordinaten beschränkt, sondern kann
beliebig sein:
V = {(x, y, z) | x = x(u, v, w), y = y(u, v, w), z = z(u, v, w),
(1.81)
u ∈ [a, b], v ∈ [c, d], w ∈ [e, f ]}
Diese Relation wird ebenso in Abschnitt 5.3 abgeleitet. Falls sich für J ein negativer Wert ergibt,
ist J durch |J| zu ersetzen, da das Volumen immer positiv gezählt werden soll.
38 Kapitel 1. Differentiation und Integration im R3
↷ dV = dx dy dz = u2 sin v du dv dw
oder durch Umbenennung
u = r, v = ϑ, w=φ
2
dV = r sin ϑ dr dϑ dφ
∫ ∫2π∫π ∫R
4 3
dV = r2 sin ϑ dr dϑ dφ = πR .
3
V 0 0 0
Kapitel 2
1 Komplexe Zahlen
Da in den reellen Zahlen gewisse Operationen nicht abgeschlossen sind, so besitzt zum Beispiel
x2 + 1 = 0
für x ∈ R keine Lösung, ist es sinnvoll den Zahlenbereich zu erweitern auf die komplexen Zahlen
z ∈ C.
Eine Möglichkeit der Definition ist ein Paar von reellen Zahlen
y z = (x, y)
+ : z1 + z2 = (x1 + x2 , y1 + y2 ) (2.2)
· : z1 · z2 = (x1 x2 − y1 y2 , x1 y2 + x2 y1 ) (2.3)
usf.
z1 = (0, 1)
z2 = (0, −1)
denn:
z1 : (0, 1) · (0, 1) = (0 − 1, 0) = −1
z2 : (0, −1) · (0, −1) = (0 − 1, 0) = −1.
40 Kapitel 2. Differentiation und Integration im Komplexen
Da der Umgang mit Zahlenpaaren unhandlich ist, wird die imaginäre Einheit i eingeführt, definiert
durch i2 = −1, was zur äquivalenten algebraischen Darstellung
z = x + iy (2.4)
führt.
Bei analoger Anwendung der Regeln aus dem Reellen folgen äquivalente Regeln zur Paardarstel-
lung.
1 1 x − iy z∗
• = = 2 = (2.7)
z x + iy x + y2 |z|2
• z∗ = (x + iy)∗ = x − iy (2.8)
√ √ !
• z = x + iy = a + ib. (2.10)
a2 − b2 = x
2ab = y,
Neben der algebraischen Darstellung gibt es die trigonometrische Darstellung durch den Winkel
und den Abstand vom Ursprung in der Gaußs-Ebene.
z1 = z2 ↷ r1 = r2
(2.13)
φ1 = φ2 + 2πk, k ∈ Z.
1 Komplexe Zahlen 41
y z
φ
x 1
Die Multiplikation zweier komplexer Zahlen entspricht einer Multiplikation der Abstände und einer
Addition der Winkel, denn
Der Kehrwert und damit auch die Division entspricht dem Kehrwert des Abstands und dem
negativen Winkel, denn
1 1 1
=
z r cos φ + i sin φ
1 cos φ − i sin φ
=
r cos2 φ + sin2 φ
1
= (cos φ − i sin φ)
r
1 1
= {cos (−φ) + i sin (−φ)} . (2.15)
z r
z = r eiφ . (2.18)
Beim Ratizieren oder Wurzelziehen sucht die man komplexen Zahlen w, die die Gleichung
√ !
n
z = w = ϱ eiψ (2.21)
r = ϱn
φ + 2πk = nψ mit k∈Z
zu
√
ϱ=nr
1 k (2.22)
ψ = φ + 2π
n n
Beispiel:
e
i0
=1
√
3
1 = ei2π/3 = cos 23 π + i sin 32 π
i4π/3
e = cos 43 π + i sin 34 π
w1 i
120◦
240◦ wo
1
w2
2 Komplexe Funktionen 43
”Die schönste Gleichung der Mathematik” ist (laut einer Umfrage unter Mathematikern)
eiπ + 1 = 0 . (2.24)
2 Komplexe Funktionen
1 ( ix )
cos x = e + e−ix (2.25)
2
1 ( ix )
sin x = e − e−ix (2.26)
2i
Beispiel:
1 { i(α+β) }
cos (α + β) = e + e−i(α+β)
2
1 { i(α+β) }
= e + ei(α−β) − ei(α−β) + e−i(α+β)
2
eiβ + e−iβ eiα − e−iα
= eiα − e−iβ
2 2
= (cos α + i sin α) cos β − i (cos β − i sin β) sin α
cos (α + β) = cos α cos β − sin α sin β
bla
sinh x = 1
2 (ex − e−x )
44 Kapitel 2. Differentiation und Integration im Komplexen
bla
cosh x = 1
2 (ex + e−x )
bla
(ex +e−x )
tanh x = (ex −e−x )
bla
coth x = 1/ tanh x
sinh ix = i sin x
cosh ix = cos x
tanh ix = i tan x
1
coth ix = cot x
i
Da die komplexe Zahl z durch unendlich viele Winkel in der Exponentialdarstellung repräsentiert
wird
z = r ei(φ+2πk) mit k ∈ Z,
( )
w = ln z = ln r ei(φ+2πk)
= ln r + iφ + i2πk (2.27)
Beispiel: z = i, w = ln z =?
i = eiπ/2 = ei(π/2+2πk)
π
w = ln i = ln 1 +i + i2πk
|{z} 2
=0
π
= i + i2πk
2
3 Differentiation 45
z-Ebene w-Ebene
5
2 πi
π
i ln 2i
− 32 πi
ii = w
ii = ei(iπ/2+i2πk)
= e−π/2−2πk mit k ∈ Z
3
1
−
3
=
=
k
k
1e−10 1e−08 1e−06 0.0001 0.01 1 100 10000 1e+06 1e+08
Bemerkung: Riemann-Blätter
Die Mehrdeutigkeit von w = ln z und anderen Funktionen verursacht Probleme mit dem
mathematischen Funktionsbegriff, denn Funktionen sind eindeutige Abbildungen. Damit
wäre ln z, da mehrdeutig, keine Funktion. Durch die Auffächerung der z-Ebene in Riemann-
Blätter kann der Funktionsbegriff gerettet werden. Jedem k-Wert bei Mehrdeutigkeiten
entspricht ein Riemann-Blatt der Gaußs-z-Ebene. Durch die Zuordnung eines z-Wertes auf
einem Riemann-Blatt zu genau einem w-Wert wird die Eindeutigkeit garantiert.
3 Differentiation
Die Definitionen und Regeln der Differentiation aus dem Reellen sind übertragbar auf die kom-
plexen Zahlen.
Eine Funktion f (z) heißt analytisch auf dem Gebiet A ∈ C1 wenn f (z) in jedem Punkt aus
A differenzierbar ist. Das Gebiet A ist das Analytizitätsgebiet. Synonyme für ”analytisch” sind
”regulär analytisch” oder ”holomorph”.
Häufig sind Funktionen f (z) in weiten Teilen von C1 analytisch bis auf einige Punkte, welche
singuläre Punkte oder Singularitäten heißen. Prototyp einer Singularität ist der Pol:
1
f (z) = . (2.28)
z − zo
Diese Funktion hat eine Polstelle bei z = zo , ist aber im Gebiet A = C1 \ {z|z = zo } analytisch.
46 Kapitel 2. Differentiation und Integration im Komplexen
Wenn eine Funktion f (z), nach Zerlegung von f (z) und z in die reellen Einzelteile
z = x + iy
f (z) = u + iv = u(x, y) + iv(x, y),
die Cauchy-Riemann-Relationen
∂x u = ∂y v, ∂x v = −∂y u (2.29)
f (z + ∆z) − f (z)
dz f = lim
∆z→0 ∆z
u(x + ∆x, y + ∆y) + iv(x + ∆x, y + ∆y) − u(x, y) − iv(x, y)
= lim
∆x→0 ∆x + i ∆y
∆y→0
{ }
u(x + ∆x, y + ∆y) − u(x, y) v(x + ∆x, y + ∆y) − v(x, y)
= lim +i
∆x→0 ∆x + i ∆y ∆x + i∆y
∆y→0
= ∂x u + i∂x v
{ }
u(x + ∆x, y + ∆y) − u(x, y) v(x + ∆x, y + ∆y) − v(x, y)
(b) = lim lim +i
∆y→0 ∆x→0 ∆x + i∆y ∆x + i∆y
{ }
u(x, y + ∆y) − u(x, y) v(x, y + ∆y) − v(x, y)
= lim +i
∆y→0 i∆y i ∆y
1
= ∂y u + ∂y v
i
Aus dem Vergleich der Real- und Imaginärteile folgen die Cauchy-Riemann-Relationen
∂x u = ∂y v, ∂x v = −∂y u
Die Abbildung f überführt z in f (z) beziehungsweise (x, y) in (u, v). Für analytische Funktionen
erfolgt die Überführung aber korreliert für x und y, so daß auch eine Korrelation zwischen u und
v vorhanden sein muß. Diese ist gerade durch die Cauchy-Riemann-Relationen gegeben.
u + iv = (x + iy)∗ = x − iy
↷ u(x, y) = x
v(x, y) = −y
4 Integration 47
∗
(z + ∆z) − z ∗ ∆z
∗
∆x − i∆y
lim = lim = lim
∆z→0 ∆z ∆z→0 ∆z ∆x→0 ∆x + i∆y
∆y→0
− i∆y
∆x ∆x
(a) = lim lim = lim =1
∆x→0 ∆y→0 ∆x
+ i∆y ∆x→0 ∆x
∆x − i∆y ∆y
(b) = lim lim = lim − = −1
∆y→0 ∆x→0 ∆x + i∆y ∆y→0 ∆y
∆x − i∆y 1−i
(c) = lim = = −i
∆x=∆y→0 ∆x + i∆y 1+i
..
.
4 Integration
∫b
f (z) dz wobei jetzt a, b, z ∈ Z. (2.30)
a
Nicht klar ist dabei, auf welchem Weg die Integration erfolgt. Dadurch ergibt sich eine Ähnlichkeit
zum Linienintegral.
C1
a
C2
C2
b
∫ ∫0 ∫i
2
z 2 dz = x2 dx + (iy) d (iy)
C −1 0
3 0 3 i
x (iy) 1 i3 1−i
= + = + =
3 −1 3 3 3 3
0
Dieses Beispiel schürt den Verdacht, daß der Weg keine Rolle spielt. Der Integralsatz von Cauchy
wird zeigen, daß dies unter bestimmten Bedingungen tatsächlich der Fall ist.
Für den Integralsatz von Cauchy, dem zentralen Satz der komplexen Integration, betrachtet man
einen geschlossenen Weg C.
i
C
einfach zusammenhängendes Gebiet A
Beweis:
1. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit sei das Gebiet A so beschaffen, daß Schnitte von C
mit x = const oder y = const jeweils nur zwei Schnittpunkte mit C besitzen, also
C
y = const
x = const
und nicht,
4.1 Integralsatz von Cauchy 49
C
y = const
x = const
da sich hier vier Schnittpunkte zwischen der y = const Linie und C ergeben.
Falls A komplizierter beschaffen ist, etwa von der zuletzt gezeigten Form, ist A zu zerlegen,
so daß nur Teilgebiete von der zuerst gezeigten Form entstehen.
A1 A2
s1 C2
C1 s2
Dann gilt
I ∫ ∫ ∫ ∫ ∫ ∫
= + + + , da + =0
C C1 s1 s2 C2 s1 s2
I I (2.32)
= +
(A1 ) (A2 )
A1 und A2 erfüllen die Voraussetzungen und die Überlegungen sind getrennt auf A1 und A2
anzuwenden und dann wie oben beschrieben zusammenzufügen.
H
3. Untersuchung des ersten Terms u dx liefert
C
y2(x) C
y1(x)
x1 x1
I ∫x2 ∫x1
u dx = u(x, y1 (x)) dx + u(x, y2 (x)) dx
C x1 x2
∫x2
= {u(x, y1 (x)) − u(x, y2 (x))} dx
x1
H
4. Analog gilt für den dritten Term v dx
C
I ∫
v dx = (−∂y v) dF . (2.35)
C A
H
5. Untersuchung des zweiten Terms y dy liefert
C
y1
C
x1(y)
A x2(y)
y1
I ∫y2 ∫y1
v dy = v(x2 (y), y) dy + v(x1 (y), y) dy
C y1 y2
∫y2
= {v(x2 (y), y) − v(x1 (y), y)} dy
y1
H
6. Analog gilt für den vierten Term u dy
C
I ∫
u dy = (∂x u) dF . (2.37)
C A
4.1 Integralsatz von Cauchy 51
I ∫
f (z) dz = (−∂y u − ∂x v) dF
C A
∫ (2.38)
+i (−∂y v + ∂x u) dF .
A
∂x u = ∂y v, ∂y u = −∂x v
auf A ergibt
I
f (z) dz = 0.
C
q.e.d.
Aus dem Satz von Cauchy ergibt sich als Schlußfolgerung die Wegunabhängigkeit des Integrales
∫
f (z) dz
C
solange bei Deformation des Weges C ausschließlich der Analytizitätsbereich überstrichen wird.
Polstelle
C3 b
C2
C1
a Co
∫ ∫ ∫
f (z) dz = f (z) dz = − f (z) dz,
C1 C2 Co
aber
∫ ∫
f (z) dz ̸= f (z) dz.
C1 C3
Polstelle
C1
C2
I
f (z) dz ̸= 0,
C1
aber gleich, solange der und nur der Pol im Inneren der Wege liegt
I I
f (z) dz = f (z) dz.
C1 C2
S1
Polstelle
S2
C1
C2
Bei Verbindung der Wege zu einem Ringintegral, wobei der Pol außerhalb des Weges liegt, ist das
Integral entlang diese Weges Null. Da die Verbindungswege bis auf die Richtung gleich sind, gilt
I ∫ ∫ ∫ ∫
0= f (z) dz = f (z) dz + f (z ) dz + f (z) dz + f (z) dz,
(A) C1 S1 −C2 S2
=0
Für eine auf dem Gebiet A analytische Funktion f (z) und einen einfach geschlossen Weg C in A
gilt die Integralformel von Cauchy:
I
f (z)
dz = 2πi f (zo ). (2.39)
z − zo
C
Beweis:
f (z)
1. Die Funktion z−zo hat einen Pol bei zo .
2. Der Weg C kann ganz bis an zo herangezogen werden, ohne daß der Wert des Integrals sich
ändert, zum Beispiel zu einem Kreis mit Radius ε.
zo
zo
C
C
Für ε → 0 gilt dann
I I
f (zo ) dz
dz = f (zo ) .
z − zo z − zo
C C
I ∫2π
dz εieit
↷ = = 2πi
z − zo εeit
C 0
q.e.d.
4.3 Residuensatz
Vorbereitend werden einige Begriffe definiert, die für den Residuensatz notwendig sind.
R(zj )
g(z) = + h(z), (2.40)
z − zj
Qn (zj )
g(z) = n + h(z), (2.41)
(z − zj )
Beispiele: 1.
g(z) = cot z besitzt bei z = 0 einen Pol
cos z 1
cot z = ≈ ↷ Pol 1. Ordnung
sin z z
2.
cosh2 z 1
g(z) = coth2 z = 2 ≈ 2 ↷ Pol 2. Ordnung
sinh z z
• Der Koeffizient R(zj ) heißt Residuum der Funktion g(z) bei zj .
Beispiele: 1.
g(z) = cot z ↷ R(0) = 1
2.
g(z) = coth2 z ↷ R(0) = 0
Beispiel:
1 1
g(z) = + 2
z z
Residuensatz: Die Funktion g(z) sei analytisch in A bis auf endlich viele isoliert Pole zj (Sin-
gularitäten) und analytisch auf dem Rand (A) von A. Dann gilt
I ∑
g(z) dz = 2πi R(zj ). (2.42)
j
(A)
Beweis:
(A)
z1
(A)
A
z3
z2
denn
4.3 Residuensatz 55
∫ ∫2π
Qn (zj ) Qn (zj )
n dz = εieiφ dφ
(z − zj ) (zj + εeiφ − zj )n
⊙ 0
∫sπ
1−n
= Qn (zj )ε ei(1−n)φ dφ
0
= 0.
5. ∫ ∫
R(zj ) 1
dz = R(zj ) dz = R(zj ) 2πi
z − zj z − zj
⊙ ⊙
q.e.d.
Zur Berechnung des Residuums einer allgemeinen Funktion g(z) mit dem nicht offensichtlichen
Pol 1. Ordnung gilt
falls
lim (z − zj )g(z) = ∞
z→zj
bei zj auch Pole höherer Ordnung vorhanden. In diesem Falle errechnet sich das Residuum durch
1
R(zj ) = lim dn−1 {(z − zj )n g(z)} , (2.44)
(n − 1)! z→zj z
Beweis:
↷ dn−1
z {(z − zj )n g(z)} = (n − 1)! R(zj ) + 0 + · · · + 0 + (z − zj ) · (analytischer Ausdruck)
Beispiel:
a b
g(z) = + 2
z z
{ }
R(zj ) = dz z 2 g(z) = dz (az + b) = a
1 Vektoren
• Zuerst möge sich der Leser an einige Begriffe aus der Linearen Algebra erinnern, die hier nur
aufgezählt, aber nicht erläutert werden:
– Vektoren sind Elemente eines Vektorraumes. Die Vektoren haben diverse Eigenschaften
und verhalten sich nach bestimmten Regeln.
– Addition zweier Vektoren.
– Multiplikation mit Körperelementen, meist reellen oder komplexen Zahlen.
– Linearität, Kommutativität.
– Lineare Unabhängigkeit von Vektoren.
– Basis des Vektorraumes, Basisvektoren.
– Dimension des Vektorraumes.
– Basiswechsel.
– Orthogonalbasis (OGB), Orthonormalbasis (ONB).
– Skalarprodukt zweier Vektoren.
– Vektorprodukt (Krücke, die nur im 3-dim. Raum möglich ist).
• Prototyp eines Raumes für die klassische Physik ist der 3-dim. Anschauungsraum, der auch
der Orts- und Konfigurationsraum genannt wird. In diesem Raum werden Vektoren im phy-
sikalisch engeren Sinne betrachtet. Allerdings ist dieser Raum nicht in jedem Falle mit dem
Vektor-Raum identisch, in dem diese Vektoren leben. Auf die mathematisch exakte Abgren-
zung des jeweiligen Vektor-Raumes werden wir hier verzichten. Trotzdem ist eine erfolgreiche
Vektorrechnung möglich.
e3
e1 e2 y
x
58 Kapitel 3. Differentiation und Integration von Vektorfeldern
Bezeichnungen:
e1 ≡ ex ≡ i ≡ −
→
e1 ...
e2 ≡ ey ≡ j −
→
≡ e ... (3.1)
2
e3 ≡ ez ≡ k ≡ −
→
e3 ...
Manchmal werden Vektoren auch durch fettgedruckte Buchstaben dargestellt.
Die {ea , a = 1, . . . , 3} bilden eine ONB. So gilt:
{
1 a=b
ea eb = δab =
|{z} |{z} 0 a ̸= b
Skalarprodukt Kronecker−Symbol
Ein Vektor ist im physikalisch engeren Sinn eine gerichtete Größe in diesem Raum.
Z.B. wird der Ort eines Teilchens durch einen Vektor r dargestellt:
x −→ x1 −→ x1
y −→ x2 −→ x2
z −→ x3 −→ x3
xa können auch Funktionen sein. Markiert r den Ort eines bewegten Teilchens, so gilt: xa (t)
mit t als Parameter (etwa die Zeit)
∑
↷ r(t) = xa (t)ea . (3.4)
a
r(t) beschreibt eine Kurve im Raum, die Bahnkurve oder Trajektorie des Teilchens. Diese
Bahn verändert sich nicht mit t, nur die Position des Teilchen auf der Bahnkurve ändert
sich.
Wenn man immer“ genau diese Basis verwendet, kann man sie auch weglassen und die
”
Vektoren nur durch ihre Komponenten markieren und als 3-Tupel schreiben:
x1 (t)
r(t) = 2 ˆ
x (t) =3-Tupel (3.5)
x3 (t)
Zur weiteren Erläuterung der Bedeutung von Vektoren und Basen in der Physik betrachten
wir im folgenden ein geladenes Teilchen, z.B. ein Elektron. Das Elektron erzeugt ein elektri-
sches Feld. Das elektrische Feld ist eine vektorielle Größe und wird durch E dargestellt. Das
Elektron befinde sich nun am Ort r0 , das elektrische Feld bildet sich dann in der Umgebung
von r0 aus, z.B. bei r.
2 Differentiation von Vektoren 59
E
r
−
ro
Zur quantitativen Darstellung von E kann auch die kartesische Basis verwendet werden. Die
Basis wird dazu vom Ursprung nach r verschoben. Das ist möglich, da die kartesische Basis
in jedem Punkt des Raumes gleich ist.
e3
r e2
e1
E
Für die Komponenten von E werden hochgestellte Indizes verwendet. {E a } sind in den
Raumpunkten verschieden, hängen also von r ab:
• Als Empfehlung für die Zukunft: Mit einem Vektor sollten weniger die 3 Komponenten
x1 , x2 , x3 oder E 1 , E 2 , E 3 assoziiert werden, sondern mehr die Kombination aus Betrag und
Richtung des Vektors.
Wir legen im folgenden fest, daß die kartesische ONB {ea } Basis des Raumes sei.
Nach welchen Variablen ist eine Differentiation naheliegend? Dazu betrachten wir zwei physikali-
sche Größen.
1. r(t) beschreibe die Trajektorie eines Teilchens. dt r beschreibt dann die Änderung des Ortes
r des Teilchens mit der Zeit. Die Definition des Differentialquotienten erfolgt analog zu einer
60 Kapitel 3. Differentiation und Integration von Vektorfeldern
skalaren Funktion:
r(t + ∆t) − r(t)
dt r = lim
∑ a ∆t
∆t→0
∑ a
a x (t + ∆t)ea − a x (t)ea
= lim
∆t→0 ∆t
∑
a {x (t + ∆t) − x (t)}
a a
= lim ea
∆t→0 ∆t
∑ { }
xa (t + ∆t) − xa (t)
= lim ea
∆t→0 ∆t
a
∑
dt r = dt xa ea (3.10)
a
Formal ist es möglich, das Feld E(r), ebenfalls komponentenweise, nach dem Ort r zu diffe-
renzieren. ∑
∂xb E = ∂xb E a ea (3.15)
a
Wir versuchen nun ∂xb E a physikalisch zu interpretieren, stellen aber fest, dass nur bestimmte
Kombinationen der räumlichen Ableitungen eine universelle, physikalisch-technische Bedeu-
tung haben.
2.1 Gradient
T (xa ) Temperaturfeld
a
ρ(x ) Dichtefeld
a
V (x ) Potentialfeld
2.1 Gradient 61
∂f
= ∂r f ≡ ∇f ≡ grad f (3.18)
∂r
wobei
∂x1
∇ ≡ ∂r ≡ ∂x ≡
∂x2 (3.19)
∂x3
↷ ∂r T = 0
T (x1 , x2 );
Wir suchen jetzt die Isothermen, das sind Kurven auf denen die Temperatur konstant
(= τ ) ist.
T (x1 , x2 ) = τ
In diesem zweidimensionalen Fall entsprechen die Isothermen Kurven in der x1 -x2 -
Ebene.
– Wir betrachten Isotherme τ0 an einem bestimmten Punkt ∗.
– Wir{legen alle möglichen
} Wege durch ∗:
ci : x1i (t), x2i (t) Dabei ist t der jeweilige Kurvenparameter.
– Auf welchem der Wege ändert sich die Temperatur am stärksten?
– Wenn ci parallel zur Isothermen verläuft ist dies sicher nicht die Richtung der
größten Änderung! Hierbei ist die Änderung nämlich null.
– Wir approximieren jetzt die Temperaturänderung ∆T in Umgebung von ∗ linear
entlang eines Weges ci .
( 1 ) ( 1 2)
∆T (ci ) = T x∗ + ∆xi , x∗ + ∆xi − T x∗ , x∗
1 2 2
(3.20)
62 Kapitel 3. Differentiation und Integration von Vektorfeldern
Körper
1 2
T (x , x ) = τ1
x2 T (x1, x2) = τo
ci ci+1
T (x1, x2)
e2 * ∆r i
e1 x1 1
∆xi
Dabei sind ∆x1i , ∆x2i die Komponenten des Weges entlang der Koordinatenlinien.
Der erste Term auf der rechten Seite wird jetzt durch eine Taylorentwicklung er-
setzt:
( ) ( )
T x1∗ + ∆x1i , x2∗ + ∆x2i = T x1∗ , x2∗ + ∂x1 T · ∆x1i + ∂x2 T · ∆x2i (3.21)
↷ ∆T = ∂x1 T · 1
∆x i + ∂x2 T · 2
∆x i
= ∂r T · ∆ri (3.22)
Dabei ist ( )
1
∆x i
∆r i = 2
∆x i
offensichtlich gilt
– ∂r T steht senkrecht auf den Isothermen, denn auf einer Isothermen gilt:
∆T =0 & ∆r i = ∆rIT
↷ ∆T = ∂r T · ∆rIT = 0
↷ ∂r T ⊥ ∆rIT (3.24)
T = τo
∆r IT
11
00
∂r T
2.2 Divergenz
∂A
= ∂r A = ∇ · A = div A
∂r
Kg
[F ] = = Flußdichte
m2 s
Wir berechnen den Durchsatz von Materie durch ein Volumenelement in allen drei Raumrich-
tungen. Die Flächen des Volumenelements stehen i.a. in einem gewissen Winkel zur Richtung
dx2
0000
1111
dx1 0000
1111
0000
1111
x 3 1
0
0000000000
1111111111
0
1
dx3
1
0 0
1
0
1 0
1
0
1
1 0
1
0
0
1 0
1 0
1
0
1 0
1 0
1
000
111
111111x2
000000 (x1, x2, x3)
000
111
000
111
1
x
von F , z.B.
F
Wirksam wird aber nur die Projektion von F senkrecht auf die Fläche, d.h. hier
∑
F · e3 = |F | · cos(F , e3 ) = F a ea · e3 = F 3
a
F3
F
– Nettofluß:
Wenn keine Quellen oder Senken in dV liegen, muß der Nettofluß verschwinden. Alles was
über die Oberfläche von dV zufließt, muß auch wieder über die Oberfläche von dV abfließen.
!
Folglich ist dann ∂r F = 0. Man nennt F dann quellenfrei (senkenfrei) oder solenoidal.
Beispiele aus der Elektrodynamik:
∂r B = 0 , d.h. das Magnetfeld B ist quellenfrei.
∂r D = ρ , d.h. die Ladungsdichte ρ ist die Quellstärke
der dielektrischen Verschiebung D.
2.3 Rotation
x1 x1
Die graphische Darstellumg dieses Vektorfeldes offenbart, daß v(r) einen Wir-
bel beschreibt. Die Berechnung der Rotation führt auf
0
∂r × v = 0
2ω
2.
ωx2
v(r) = 1
ωx
0
2
x x2
111111111
000000000
000000000
111111111
11
00 000
111 000000000
111111111
000000000
111111111
00
11
00
11 11
00 0
1 000000000
111111111
0
1 000000000
111111111
1 1
0 0 0
1 0
1
0
1 000000000
111111111
1
0 0
1 0
1 0
1 0
1
0
1 0
1 000000000
111111111
0
1 0
1 0
1 0
1 0 1
1 000000000
111111111
0
1 0
1 000
1 x 000000000
111111111
000000000 x
111111111
1
0
1 0
1 11 000000000
111111111
0
1 000
111
000
111 000000000
111111111
0
1 000000000
111111111
111111
000 000 000000000
111111111
111
000 000000000
111111111
0
∂r × v =
0
0
v ist hier wirbelfrei (irrotational).
66 Kapitel 3. Differentiation und Integration von Vektorfeldern
Wir führen jetzt das Levi-Civita-Symbol ein, das uns auch für die Rotation eine Indexschreibweise
ermöglicht.
1 gerade Permutation von a = 1, b = 2, c = 3
εabc = −1 ungerade Permutation (3.31)
0 mind. zwei Indizes gleich
Zur weiteren Vereinfachung der Schreibweise führen wir jetzt die Summenkonvention ein. Die
Summenkonvention ist auch als Einstein-Summenkonvention bekannt“.
”
Auffällig bei den Indexschreibweisen von ∂r , ∂r und ∂r × ist, daß die Indizes immer doppelt
vorkommen.
∑
∂r f = ∂xa f e
a
| {z a}
Index a doppelt
∑
∂r A = ∂xa Aa
| {z }
a
Index a doppelt
∑∑∑
∂r × A = εabc ∂xb Ac ea
a c
| {z }
b
Indizes a, b, c doppelt
2.5 Mehrfachoperationen 67
Immer, wenn in einem Term (=Summand) ein Index doppelt auftritt, wird automatisch
über diesen Index summiert und das Summenzeichen wird weggelassen.
∂r f = ∂xa f ea (3.33)
∂r A = ∂xa Aa (3.34)
∂r × A c
= εabc ∂xb A ea (3.35)
Falls es einmal zu einer Situation kommt, in der ein Index doppelt auftritt, aber trotzdem nicht
über ihn summiert werden soll, muß die Summenkonvention dafür aufgehoben werden, z.B. durch
Einklammern des Index.
2.5 Mehrfachoperationen
Die Differentialoperatoren ∂r , ∂r , ∂r × können auch kombiniert werden. Dabei muss aber jeweils
beachtet werden, ob es sich um Skalare oder Vektoren handelt. Es sind also nicht alle beliebigen
Kombinationen auch mathematisch möglich.
Wichtige Relationen:
Beweis:
q.e.d.
68 Kapitel 3. Differentiation und Integration von Vektorfeldern
• Laplace-Operator
∂r ∂r f ≡ ∂r2 f ≡ ∆f (3.39)
Dabei ist ∆ = ∂r2 der Laplace-Operator. ∂r2 ist definiert als:
•
∂r × ∂r × A = ∂r ∂r A − (∂r2 Aa )ea
(3.41)
= ∂r ∂r A − ∂r2 A
∂r2 A bedeutet eine Anwendung von ∂r2 auf die einzelnen Komponenten von A.
Beweis: Übung für den Leser.
Wir übertragen den Integralbegriff für Skalare jetzt auf vektorielle Größen.
Die Skalare werden jetzt in Vektoren umgeschrieben und als Integranden betrachtet:
f → A = Aa ea = Aa (x1 , x2 , x3 )ea
∫ (
∫ )
A ds = Aa x1 , x2 , x3 ds ea
∫C ∫ a ( 1 2 3)
C
↷ A dO = A x , x , x dO ea
∫
O
∫ a ( 1 2 3)
O
A dV = A x , x , x dV ea
V V
Dies sind mathematische Konstruktionen, die im allgemeinen keine physikalische Bedeutung ha-
ben.
Bisher wurden nur die Integranden in Vektoren überführt. Auch die Differentiale lassen sich von
Skalaren auf Vektoren umschreiben:
3.1 Vektorielle Integralausdrücke 69
• ds → dr
dr
dx2
C
dx1
Es soll gelten
ds = |dr|
und
dr = dx1 e1 + dx2 e2 + dx3 e3 = dxb eb .
Dann folgt √
√ 2 2 2
ds = dr · dr = (dx1 ) + (dx2 ) + (dx3 ) .
Die Konstruktion eines Integrals der folgenden Form ist möglich.
∫ ∫
A · dr = Aa ea dxb eb
C
∫
C
= Aa dxa (3.42)
∫
C
∫ ∫
= A1 dx1 + A2 dx2 + A3 dx3
C C C
Diesen Typ Integral nennt man Kurvenintegral. Dem Kurvenintegral kommt physikalische
Bedeutung zu.
F (r)
dr C
Die Arbeit W ist gerade das Kurvenintegral über die Kraft F längs des Weges C.
• dO → dO
!
Es soll gelten dO = |dO|. dO konstruieren wir in Anlehnung an Kapitel 1.2.4. Die Richtung
einer Fläche wird als senkrecht auf der Fläche stehend eingeführt. Der Normalenvektor n wird
als nach außen“ gerichtet definiert und n sei ein Einheitsvektor. n ist dann folgendermaßen
”
zu berechnen:
∂u rdu × ∂v rdv ∂u r × ∂v r
n= = (3.44)
|∂u rdu × ∂v rdv| |∂u r × ∂v r|
70 Kapitel 3. Differentiation und Integration von Vektorfeldern
∂v r dv
dO
n
∂u r du
sowie ∫
f dO (3.48)
O
Zur Interpretation betrachten wir wieder ein Beispiel. F (r) sei eine inhomogene Materief-
lußdichte.
Kg
[F ] = 2
m s
Zu berechnen ist der gesamte Materiefluß µ pro Zeit durch eine Fläche O. Der Materiefluß
durch das Oberflächenelement dO ist offenbar
dµ = F n dO = F dO. (3.49)
Kg
[µ] =
s
• Ein Übergang dV → dV ist nicht möglich, da es kein vektorielles Volumenelement gibt.
∫ ∫
Es sind Integrale der Formen f dV oder AdV konstruierbar, die oben bereits angegeben
V V
wurden.
3.2 Green-Integralsatz der Ebene 71
F (r)
O F
Der Green-Integralsatz der Ebene verknüpft ein Flächenintegral über eine ebene Fläche mit einem
Kurvenintegral über den Rand dieser Fläche.
(F )
F
x2
x1
( ) ( )
Sind A1 x1 , x2 , A2 x1 , x2 stetig auf F und (F ), dann gilt
I ∫∫
{ 1 1 } ( )
2
A dx + A dx = 2
∂x1 A2 − ∂x2 A1 dx1 dx2 (3.51)
(F )
F
Das ist der Green-Integralsatz der Ebene. Den Beweis dieses Satzes führen wir in zwei Varianten
aus. Für eine elegante Beweismethode greifen wir zum einen auf den Integralsatz von Cauchy aus
dem vorherigen Kapitel zurück. Zum anderen ist aber auch eine autarke Beweisführung möglich.
Beweis-Variante 1:
Ausgangspunkt ist der Integralsatz von Cauchy 2.4.1:
I I
f (z) dz = (u + iv)(dx + idy)
C
IC I
= (udx − vdy) + i (vdx + udy) (siehe 2.33)
∫∫C c
∫∫
= (−∂y u − ∂x v) dF + i (−∂y v + ∂x u) dF (siehe 2.38)
F F
Jetzt werden die Realteile verglichen und dabei einige Ausdrücke ersetzt:
u → A1 −v → A2
x → x1 y → x2
72 Kapitel 3. Differentiation und Integration von Vektorfeldern
I ∫∫
( ) ( )
A1 dx1 + A2 dx2 = ∂x1 A2 − ∂x2 A1 dx1 dx2
C=(F )
F
q.e.d.
Beweis-Variante 2:
x2 x2
x2 = f2(x1)
d
x1 = g2(x2)
x1 = g1(x2)
c
x2 = f1(x1)
a x1 b x1
Wir setzen voraus, dass die Fläche F konvex berandet ist, so dass die Funktionen f1 (x1 ), f2 (x1 ),
g1 (x2 ), g2 (x2 ) jeweils eindeutig sind. Für Flächen mit ausgeprägten konkaven Formen könnten
auch Mehrdeutigkeiten auftreten. Durch geeignete Zerlegung derartiger Flächen lässt sich obige
Voraussetzung für Teilflächen immer erfüllen.
Für die Parametrisierung der Fläche F und des Randes (F ) werden x1 und x2 gewählt. Dann
ergibt sich
∫∫ ∫b f2∫(x
1
)
1
∂x2 A dF = ∂x2 A1 dx2 dx1
F a f1 (x1 )
∫b
= {A1 (x1 , f2 (x1 )) − A1 (x1 , f1 (x1 ))}dx1
a
∫b ∫a
= − A (x , f1 (x ))dx −
1 1 1 1
A1 (x1 , f2 (x1 ))dx1
a b
I
= − A1 (x1 , x2 )dx1
(F )
3.3 Stokes-Integralsatz 73
Weiterhin folgt
∫∫ ∫d g2∫(x
2
)
∫d
= {A2 (g2 (x2 ), x2 ) − A2 (g1 (x2 ), x2 )}dx2
c
∫d ∫c
2 2 2 2
= A (g2 (x ), x )dx + A2 (g1 (x2 ), x2 )dx2
c d
I
= A2 (x1 , x2 )dx2
(F )
3.3 Stokes-Integralsatz
Der Stokes-Integralsatz verknüpft ein Oberflächenintegral über eine gekrümmte Fläche im Raum
mit einem Kurvenintegral über den Rand dieser Fläche.
(O)
O
x3
x2
x1
Beweis:
• Rückführung des Problems auf ein ebenes Problem und Anwendung des Green-Satzes der
Ebene auf dieses Problem:
x1 , x 2 , x 3 −→ u, v
gekrümmte Fläche im R 3
ebene Fläche im R2
• Parametrisierung der Fläche O durch
x1 = x1 (u, v)
x2 = 2
x (u, v) r = r(u, v) (3.53)
x 3
= 3
x (u, v)
74 Kapitel 3. Differentiation und Integration von Vektorfeldern
Beispiel: 1. Kugeloberfläche:
v
Kugeloberfläche
1 2π in u-v
x = R sin u cos v
2
x = R sin u sin v
3
x = R cos u
u
π
2. Kugelkappe:
Es wird die gleiche Parametrisierung verwendet, aber der Parameterraum
verändert:
v ϵ [0, 2π]
u ϵ [0, ϕ0 ]
dO = ∂u r × ∂v r du dv (3.54)
dr = ∂u r du + ∂v r dv (3.55)
• Jetzt wird der Green-Integralsatz auf die linke Seite angewendet. Dabei werden folgende
Entsprechungen verwendet:
Green Stokes
x1 =
ˆ u
2
x =
ˆ v
1
A =
ˆ A∂u r
2
A =
ˆ A∂v r
∂x1 A2 − ∂x2 A1 ˆ ∂u (A ∂v r) − ∂v (A ∂u r)
=
!
= ∂r × A · (∂u r × ∂v r)
3.3 Stokes-Integralsatz 75
•
∂u (A ∂v r) − ∂v (A ∂u r) = ∂u A ∂v r + A ∂u ∂v r − ∂v A ∂u r − A ∂u ∂v r
(3.58)
= ∂u A ∂v r − ∂v A ∂u r
•
∂r × A (∂u r × ∂v r) = εabc ∂xb Ac εade ∂u xd ∂v xe
= (δbd δce − δbe δcd ) ∂xb Ac ∂u xd ∂v xe
= ∂xb Ac ∂u xb ∂v xc − ∂xb Ac ∂u xc ∂v xb
= ∂u Ac ∂v xc − ∂v Ac ∂u xc
= ∂u A ∂v r − ∂v A ∂u r
Die rechte Seite ist identisch mit der von 3.58; also sind auch die linken Seiten gleich.
q.e.d.
Bemerkungen:
Zur physikalischen Intepretation des Stokes-Satzes betrachten wir ein Beispiel. Sei v ein Strömungs-
feld. Die Zirkulation Z längs einer geschlossenen Kurve C ist wie folgt definiert.
I
Z= v · dr (3.61)
C
Nach Stokes ergibt sich: ∫
Z= ∂r × v dO (3.62)
O
Die Zirkulation entlang einer geschlossenen Kurve ist also gleich der Summe der Wirbelstärke über
die eingeschlossene Fläche.
r2
r1
C
76 Kapitel 3. Differentiation und Integration von Vektorfeldern
∫r2 ∫r2
A dr = ∂r ϕ dr
r1 r1
∫r2
= ∂xa ϕ dxa
r1
∫r2
r
= dϕ = ϕ|r2
1
r1
= ϕ (r2 ) − ϕ (r1 )
Das Kurvenintegral ist dann nur von Anfangs- und Endpunkten abhängig, d.h. die Wegun-
abhängigkeit folgt auch hier.
3.4 Gauß-Integralsatz
Der Gauß-Integralsatz verknüpft ein Volumenintegral mit einem Flächenintegral über den Rand
dieses Volumens.
(V )
x3
x2
x1
Beweis:
• Wir betrachten eine einzelne Komponente des Vektorfeldes A, z.B. A3 , entsprechend der
Basiszerlegung A = Aa ea .
3.4 Gauß-Integralsatz 77
• Die Komponenten dOa sind Projektionen des gerichteten Flächenelements dO in die Koor-
dinatenebenen. dOa = dO ea , z.B.dO3 = dO e3
e3
e3 dO
e2
e1
dO3
( )
dO3 = (∂u r × ∂v r) e3 du dv = ∂u x1 ∂v x2 − ∂v x1 ∂u x2 du dv (3.66)
denn
e1 e2 e3
∂u r × ∂v r = ∂ u x1 ∂u x2 ∂u x3
∂v x1 ∂v x2 ∂v x3
( )
= · · · e1 + · · · e2 + ∂u x1 ∂v x2 − ∂v x1 ∂u x2 e3
• (V ) wird jetzt in einen oberen und einen unteren Anteil zerlegt, so daß sich x3 auf (V ) jeweils
als Funktion von x1 , x2 schreiben lässt. Das funktioniert nicht bei allen Körpern; schwieri-
gere Körper lassen sich aber aus einfachen zusammensetzen. Die Oberflächenintegrale über
die Stoßflächen heben sich dann gegenseitig auf, da die Normalenvektoren entgegengesetzte
Richtungen haben. Den oberen Anteil nennen wir (V↑ ), den unteren (V↓ )
dO
(V↑ )
e3
(V↓ )
e2
e1
dO
Für die untere Fläche sind u, v vertauscht, da der Normalenvektor hier nach unten zeigen
soll!
• Damit ergibt sich für den linken A3 -Anteil des Gauß-Satzes:
∫ ∫
∂x3 A3 dV = ∂x3 A3 dx1 dx2 dx3
V V
∫
x3↑ ( ) ( )
∂x3 A3 dx3 = A3 x3↓
= A3 . . . , x3↑ − A3 . . . , x3↓
∫ ∫
{ 3 ( 1 2 3 ( 1 2 )) ( ( ))} 1 2
∂x3 A3 dV = A x , x , x↑ x , x − A3 x1 , x2 , x3↓ x1 , x2 dx dx (3.68)
V | {z }
es wird über den x1 -x2 -Bereich integriert
• Wir machen jetzt die spezielle Parametrisierung von (V↑ ) und (V↓ ) mittels der Parameter
x1 und x2 rückgängig. (Wir vergessen sie einfach.) Jetzt gilt also wieder xa = xa (u, v) sowie
dx1 dx2 = dO3 bzw. −dO3 . Dann ergibt sich aus 3.68:
∫ ∫ ( ) ∫ ( )
∂x3 A3 dV = A3 x1 , x2 , x3 dO3 + A3 x1 , x2 , x3 dO3
V (V↑ ) (V↓ )
∫ 3
( 1 2 3
) 3
(3.69)
= A x ,x ,x dO
(V )
q.e.d.
dargestellt wird. Nach Gauß fließt die produzierte Materie in einem Volumen über dessen
Rand ab.
Es sei z.B. ∂r F = 0 in ganz V , dann gilt:
∫
0= F dO
(V )
∂r B = 0
∫
B dO = 0
(V )
Es gibt keine B-Quellen. Der einem Volumen zufließende magnetische Fluß muß dem abflie-
ßenden gleich sein.
• Sei E das Elektrische Feld. Wir betrachten eine homogen geladene Kugel mit Ladung q und
Radius Rq . Es gilt:
{ r
q
4πε0 Rq3 für r ≤ Rq
E(r) =
1 r
q
4πε0 r2 r für r ≥ Rq
Dabei ist r ≡ |r| und [q] = C = As. Für den Betrag des elektrischen Feldes folgt
{ q r
Rq3 für r ≤ Rq
|E| = 4πε0
q
4πε0
1
r2 für r ≥ Rq
|E|
Rq r
Vq
Rq
V
∫ ∫
∂r E dV = E dO
V (V )
q 1
∫
= 4πε0 R3 r dO
(V )
Das Oberflächenintegral wird mit Hilfe einer Parametrisierung der Kugeloberfläche berech-
net:
x1 = R sin θ cos ϕ
x2 = R sin θ sin ϕ
x3 = R cos θ
e1 e2 e3
∂θ r × ∂ϕ r = R cos θ cos ϕ R cos θ sin ϕ −R sin θ
−R sin θ sin ϕ R sin θ cos ϕ 0
R2 sin2 θ cos ϕ
= 2 2
R sin θ sin ϕ
R2 cos θ sin θ
( )
r · (∂θ r × ∂ϕ r) = R3 sin3 θ cos2 ϕ + sin2 ϕ + R3 cos2 θ sin θ
= R3 sin θ
∫ ∫
r dO = R3 sin θ dθ dϕ = R3 4π
(V )
∫
q
↷ ∂r E dV =
ε0
V
Noch schneller läßt sich das Oberflächenintegral mit der folgenden Überlegung berechnen:
Auf (V ) gilt r = R & dO∥r. Folglich ist
r · dO = r dO = R dO
und damit ∫ ∫
r dO = R dO = R · 4πR2 = 4πR3
(V ) (V )
Vq
V
• Wir betrachten jetzt die Quellstärke des elektrischen Feldes ∂r E. Im Außenraum von Vq
(r ≥ Rq ) gilt:
q r
∂r E = ∂r 3
4πε0 r
r xa √
∂r = ∂xa , r = xb xb
r3 r 3
1 {( ) ( )}
∂xa r = ∂xa xb xb + xb ∂xa xb
2r
1 ( )
= δab xb + xb δab
2r
xa
=
r
a a
r 3r3 − 3r2 x rx 3r3 − 3r3
∂r = =
r3 { r 6 r6
0 r ̸= 0
= 0
0 r=0 (hier ausgeschl. da r ≥ Rq )
Vq wird jetzt soweit verkleinert, das wir eine Punktladung erhalten. Ein Elektron hat z.B.
die Ladung q = e und einen verschwindend geringen Radius. Es ist dann vorteilhaft, die
Ladung als Punkt ohne räumliche Ausdehnung zu betrachten. Der Außenraum dringt dann
bis r = 0 vor.
Wir erhalten das Feld einer Punktladung zu
q 1 r
E(r) = ∀r (3.71)
4πε0 r2 r
82 Kapitel 3. Differentiation und Integration von Vektorfeldern
|E|
Rq r
E wird dann für r → 0 sehr groß, aber das Volumen in dem E groß wird, ist sehr klein.
Wir betrachten ρ und ∂r E für Rq → 0:
4π 3
q
(r ≤ Rq ) −→ ∞ für Rq → 0
ρ(r) = 3 Rq
0 (r ≥ Rq )
also {
∞ r=0
ρ(r) = (3.72)
0 r>0
1
Aus der Maxwell-Gleichung ∂r E = ε0 ρ folgt:
{
∞ r=0
∂r E = (3.73)
0 r>0
q 3
∂r E = −→ ∞ für Rq → 0 (Inneraum von Vq )
4πε0 Rq3
∂r E = 0 (Außenraum von Vq )
∫
δ(r) dV = 1 (V umschließt r = 0) (3.76)
V
Für eine Punktladung bei r = 0 ist dann die Divergenz zu schreiben als
1
∂r E = q δ(r)
ε0
3.5 Derivate der Integralsätze 83
mit
∫ ∫∫∫
( ) ( ) ( )
δ(r) dV = δ x1 δ x2 δ x3 dx1 dx2 dx3
V
∫ ∫ ∫
( ) ( ) ( )
= δ x1 dx1 δ x2 dx2 δ x3 dx3
| {z }| {z }| {z }
1 1 1
1/ε
− 2ε ε
2 x
1. ∫ ∫
∂r2 Φ dV = ∂r Φ dO (3.78)
V (V )
2. ∫ ∫ ∫
Φ ∂r2 Ψ dV + ∂r Φ ∂r Ψ dV = Φ ∂r Ψ dO (3.79)
V V (V )
(1. Green-Integralformel)
3. ∫ ( ) ∫
( )
Φ ∂r2 Ψ − Ψ ∂r2 Φ dV = Φ ∂r Ψ − Ψ ∂r Φ dO (3.80)
V (V )
(2. Green-Integralformel)
Beweise:
zu (1) A = ∂r Φ & Gauß-Integralsatz
zu (2) A = Φ ∂r Ψ & Gauß-Integralsatz
zu (3) (2) & Ψ ↔ Φ & Differenz
3.6 Ausblick
In der Physik spielen Integralsätze eine große Rolle. In den Physik-Kursen werden sie in der Regel
erstmals im Rahmen der E-Dynamik breit angewendet.
• Die Integralsätze vermitteln den Zusammenhang zwischen der differentiellen (lokalen) und
der integralen (globalen) Formulierung der Maxwell-Gleichungen.
• Im Vakuum gilt insbesondere:
differentiell integral
∫
dV H
∂r B = 0 −→ B dO = 0
∫
dV H
∂r E = 1
ε0 ρ −→ E dO = εq0
∫
dO H ∫
∂r × E = −∂t B −→ E dr = −dt B dO
∫
dO H ∫
∂r × B = 1
c2 ∂t E + µ0 j −→ B dr = c12 dt E dO + µ0 J
• In der Mathmatik
( stellen
) die Integralsätze den Zusammenhang zwischen der Integration über
ein Gebiet R1 , R2 , R3 und den Rand des Gebietes her.
∫b
f (x) dx = F (b) − F (a) Hauptsatz der Int. + Diff. Rechnung
a
∫ ( 1 1 ) ∫∫ ( )
A dx + A2 dx2 = ∂x1 A2 − ∂x2 A1 dx1 dx2 Green-Satz
(F ) F
∫ ∫
A dr = ∂r × A dO Stokes-Satz
(O) O
∫ ∫
A dO = ∂r A dV Gauß-Satz
(V ) V
• In der Sprache der Differentialformen (siehe Kapitel 9) werden sich diese scheinbar recht
verschiedenen Integralsätze als Sonderfälle nur eines einzigen Integralsatzes erweisen.
Kapitel 4
Krummlinige Koordinatensysteme
Bisher haben wir vorrangig kartesische Koordinaten {xa } mit der Basis {ea } betrachtet.
e3
e3 E(r)
r
e1 e2
e2
e1
oder
Die kartesische Basis ist an jedem Punkt des Raumes gleich, ausserdem bilden die Basisvektoren
eine Orthonormalbasis. Das macht das Rechnen mit kartesischen Koordinaten einfach.
Für viele Probleme sind krummlinige Koordinaten besser angepasst, so dass sich das jeweilige
Problem vereinfacht, wenn man statt kartesischen geeignete krummlinige Koordinaten verwendet.
Krummlinige Koordinaten können schiefwinklig oder orthogonal sein. Wir betrachten den allge-
meinen Fall schiefwinkliger krummliniger Koordinaten. In diesem allgemeinen Fall lassen sich zwei
Arten von Koordinaten und Basisvektoren unterscheiden, die durch hoch- bzw. tiefgestellte Indizes
unterschieden werden.
ξ1
ξ2
Für die folgenden Überlegungen wird davon ausgegangen, daß der Raum durch ein kartesisches
Koordinatensystem beschrieben werden kann. Dies ist zwar nicht immer möglich, z.B. kann auf der
Kugeloberfläche kein zweidimensionales kartesisches Koordinatensystem eingeführt werden, aber
davon wollen wir hier absehen. Für Räume in denen dies somit möglich ist, werden jedem Punkt P
die kartesischen Koordinaten x1 , x2 , x3 zugeordnet. Weiterhin sind in jedem Punkt P die gleichen
kartesischen Basisvektoren e1 , e2 und e3 definiert. Damit kann im kartesischen Koordinatensystem
(und wir tun dies nur in diesem!) jedem Punkt P der “Ortsvektor”
r = x1 e1 + x2 e2 + x3 e3 (4.1)
86 Kapitel 4. Krummlinige Koordinatensysteme
zugeordnet werden.
Für ein allgemeines KS, werden jedem Punkt P die Koordinaten {ξ 1 , ξ 2 , ξ 3 } zugeordnet. Variie-
ren wir ξ 1 und lassen ξ 2 und ξ 3 konstant, dann entsteht eine Kurve, die wir ξ 1 -Koordinatenlinie
nennen (analog für ξ 2 , ξ 3 ).
Beispiel: Zylinderkoordinaten:
ξ1 = ρ , ξ2 = φ , ξ 3 = z. (4.2)
φ (r = const)
r (φ = const)
P
b1
P : (ξ 1 , ξ 2 , ξ 3 )
P b2
ξ2
( )
P entspricht r, man darf sich unter r jetzt aber nicht mehr den kartesischen Ortsvektor x1 , x2 , x3
vorstellen, sondern muß r als Punkt im Raum betrachten.
1 Kovariante Basis und kontravariante Basis 87
1. Kovariante Basisvektoren ba , a = 1, 2, 3
∂r
ba = (4.3)
∂ξ a
Die ba schmiegen sich an die Koordinatenlinien an. Die ba sind i.a. nicht normiert.
Beispiel: Polarkoordinaten (ξ 2 = φ)
∂r ∂r
|b2 | = = ̸= 1 (4.4)
∂ξ 2 ∂φ
∂r
da ∂φ die Maßeinheit einer Länge besitzt und schon aus Gründen der Maßeinheit keine
Normierung auf 1 vorliegen kann.
2. Kontravariante Basisvektoren ba , a = 1, 2, 3
a
Die b werden durch Gradientenbildung auf der Fläche ξ a = const. durch
∂ξ a
ba = ∇ξ a = = ∂r ξ a = ∂r ξ a (4.5)
∂r
gebildet. ba steht auf der Fläche ξ a = const senkrecht.
ξ1 (ξ 2 = const)
b1
P
ξ2 (ξ 1 = const)
b2
Bemerkung:
2. Sowohl die ba als auch die ba ändern sich, wenn sich P ändert; die Betrachtungen sind immer
lokal.
Beispiel: Kugelkoordinaten
x3
P r = const: Kugelflächen
r ϑ = const: Kegelflächen
ϑ
φ x2 φ = const: Ebenen
x1
88 Kapitel 4. Krummlinige Koordinatensysteme
2 Metrischer Fundamentaltensor
Das Skalarprodukt
gab ≡ ba · bb (4.7)
heisst Metrischer Fundamentaltensor.
g ab ≡ ba · bb = g ba (4.10)
eingeführt sowie
gab ≡ ba · bb . (4.11)
Dann gilt bei Anwendung der Kettenregel
∂r ∂ξ b ∂ξ b
gab = · = = δab (4.12)
∂ξ a ∂r ∂ξ a
wobei δab das Kronecker-Symbol darstellt. Nach Konstruktion der ko- und kontravarianten Basen
ist sofort klar, dass
b1 ⊥ b2
usw. gilt.
ξ1
b1
ξ2
b2
P
1. Man stelle sich vor, die ξ a sind in einem kartesischen Koordinatensystem eingezeichnet. Dann
existiert eine Koordinatentransformation
( ) ( )
ξ a = ξ a x1 , x 2 , x 3 = ξ a xb
2. Dann gilt
Für a ̸= b ist die linke Seite offenbar null; die auf der rechten Seite erzeugten Vektoren
müssen damit senkrecht aufeinander stehen.
q.e.d.
Ein beliebiger Vektor v im Punkt P kann sowohl nach der kovarianten als auch nach der kontra-
varianten Basis zerlegt beschrieben werden. Man schreibt:
v = v a · ba = va · ba (4.13)
b1
v 2 |b2 |
v v 1 |b1 |
ξ2
P b2
ξ1
v2 |b2 |
v1 |b1 |
v ξ2
b1
b2
Es gilt:
va = v · ba (4.14)
va = v · ba (4.15)
Beweis:
v · ba = v b bb · ba = v b · δba = v a (4.16)
| {z }
=δba
v · ba = vb b · ba = vb · δab = va
b
(4.17)
| {z }
b
=δa
q.e.d.
Kovariante und kontravariante Komponenten eines Vektors v lassen sich ineinander umrechnen.
Es gilt
va = v ba = v b bb ba = gab v b . (4.18)
und analog
v a = v ba = vb bb ba = g ab vb (4.19)
Damit kann man schreiben
v = (v · ba ) ba = (v · ba ) ba . (4.20)
a
Insbesondere gilt für v = b
ba = (ba · bb )bb = g ab bb (4.21)
bzw. für v = bb
bb = (bb · bc ) bc = gbc · bc . (4.22)
Wegen
δba = ba · bb = g ad · bd · gbc · bc
= g ad · gbc bd · bc
| {z }
=δdc
folgt
δba = g ac · gcb , (4.24)
d.h. g ac und gcb als Matrizen aufgefaßt verhalten sich invers zueinander.
Mit Hilfe des Metrischen Fundamentaltensors gab und seines Inversen g ab lassen sich kovariante
Größen in kontravariante umrechnen und umgekehrt. Diesen Vorgang nennt man Indexziehen.
3 Determinante
M11 M12
M ≡ detM = det (Mαβ ) = = M11 M22 − M12 M21 (4.26)
M21 M22
Eine elegante Berechnungsformel für Determinanten ist mit dem Levi-Civita-Symbol möglich.
1
εαβ = −1 ; ε12 = 1; total antisymmetrisch (4.32)
0
Damit gilt:
Beweis:
2×2:
3×3: analog
Neben den Berechnungsformeln (4.33) bzw. (4.34) sind folgende Modifikationen nützlich :
2×2:
bzw.
3×3:
Auch diese Vorschrift ist auf (N × N ) Matrizen erweiterbar. Zum Beweis betrachten wir wiederum
exemplarisch den 2 × 2 : Fall :
Für γ = 1 , δ = 2 folgt unmittelbar (4.33) und für diese Index-Kombination ist die Formel also
korrekt!
Für γ = 2 , δ = 1 erzeugt ε21 = −1 auf der linken Seite einen Vorzeichenwechsel. Rechts ist dann
Mγα mit Mδβ zu vertauschen, um die Faktorenreihenfolge wie in (4.33) zu erhalten. Dann ist aber
auch α gegen β auszutauschen, was auch rechts einen Vorzeichenwechsel erzeugt. Damit ist auch
für diese Indexkonstellation die Formel korrekt.
Bei γ = δ wird die linke Seite Null. Die Rechts Seite ist aber auch Null, weil ein symmetrischer auf
einen antisymmetrischen Ausdruck multipliziert wird. Im Vorgriff auf das nächste Kapitel bringen
wir (5.35) zur Anwendung und haben damit die Gültigkeit für alle Fälle nachgewiesen.
4 Skalarprodukt
v·w = va ba · wb bb (4.35)
v·w = va wb δba = va wa (4.36)
bzw. analog
v · w = v a wa . (4.37)
Dies kann auch geschrieben werden als
bzw. analog
v · w = g ab va wb . (4.39)
Man beachte, daß i.a.
v a wa ̸= v w ̸= va wa (4.40)
gilt.
5 Vektorprodukt
Das Vektorprodukt zweier Vektoren v und w im Punkt P ist (koordinatenfrei!) definiert durch:
1. Der Betrag von v × w ist das Produkt der Längen von v und w und dem Sinus des einge-
schlossenen Winkels.
2. v × w steht senkrecht auf v und w, wobei v , w und v × w ein Rechtssystem bilden.
Die Formel
√
v×w = g εabc ba v b wc (4.41)
erfüllt gerade die Definition. Dabei ist
g ≡ det(gab ) (4.42)
94 Kapitel 4. Krummlinige Koordinatensysteme
ξ 1 (ξ 2 , ξ 3 = const)
ξ 2 (ξ 1 , ξ 3 = const)
b1 b2
b1 × b2 zeigt in die Ebene hinein und stimmt mit der Richtung von b3 überein.
Analog gilt
√
b2 × b3 = g b1 (4.44)
√
b3 × b1 = 2
gb . (4.45)
Weiterhin folgt
√
b1 × b2 = g b3 | · b3
√ √
(b × b ) b = 3
g b b3 = g (4.46)
| 1 {z 2 }3
Spatprodukt,
gemischtes Produkt
sowie analoge Formeln durch zyklische Vertauschung der Indizes. Offensichtlich handelt es sich bei
√
g um das Volumen des von den kovarianten Basisvektoren aufgespannten Parallelepipeds.
Es soll zur Verifikation der Formel für das Vektorprodukt noch gezeigt werden, daß das gemischte
Produkt der kovarianten Basisvektoren tatsächlich die Wurzel aus der Determinante des Metri-
schen Fundamentaltensors ergibt. Wir benutzen dazu die Laplace-Multiplikationsregel für zwei
gemischte Produkte
a1 · b1 a1 · b2 a 1 · b3
(a1 × a2 ) a3 · (b1 × b2 ) b3 = a2 · b1 a2 · b2 a 2 · b3 (4.47)
a3 · b1 a3 · b2 a 3 · b3
6 Differentiation in krummlinigen Koordinaten 95
Diese Ausdrücke beschreiben physikalische Sachverhalte, die auch ohne kartesische Koordinaten
existieren.
• Eine Darstellung ohne kartesische Koordinaten, also in beliebigen Koordinaten muß deshalb
möglich sein.
• Eine direkte Umrechnung von kartesischen in krummlinige Koordinaten ist sehr aufwändig.
Eine erste Idee für eine koordinatenunabhängige Definition der Differentialoperatoren sei am Bei-
spiel der Divergenz gezeigt:
• Der Gauß-Satz ist im Grunde koordinatenunabhängig, denn Integrale sind nicht an kartesi-
sche Koordinaten gebunden.
x2
x1
∫ ∫ ∫
∂r A dV = ∂r A dV = ∂r AV = A dO (4.49)
V V (V )
∫
1
∂r A = A dO (4.50)
V
(V )
96 Kapitel 4. Krummlinige Koordinatensysteme
• Die Auswertung des Oberflächenintegrals bzw. anderer Integrale für die weiteren Differen-
tialoperatoren soll hier nicht vorgeführt werden.
• Man muss nicht in jedem Fall den Weg über Integralsätze gehen, um zu koordinatenun-
abhängigen Definitionen zu gelangen; ∂r f kann z.B. auch recht elementar ohne Integrale
abgeleitet werden.
6.1 Gradient
∂r f = ∂xa f ea
Das Differential df kann nach wie vor durch ∂r f ausgedrückt werden. Zunächst schreiben wir:
b2dξ 2 dr P′
P
b1dξ 1
ξ1
dr = b1 dξ 1 + . . . + b3 dξ 3 = bc dξ c (4.54)
Dann folgt
df = ∂r f · dr (4.55)
denn
df = ba ∂ξa f · bc dξ c = ∂ξa f dξ c ba bc
|{z}
δca
a
= ∂ξa f dξ
6.2 Divergenz 97
6.2 Divergenz
( )
Sei A ein Vektorfeld A ξ 1 , ξ 2 , ξ 3 . Wir erinnern uns an die Divergenz in kartesischen Koordinaten:
∂Aa
∂r A = = ∂xa Aa (4.56)
∂xa
Wir verallgemeinern diese Definition jetzt auf krummlinige Koordinaten. Dabei muß folgendes
beachtet werden:
• Die physikalische Bedeutung der Divergenz als Quellstärke muß beibehalten werden.
1 √
∂r A = √ ∂ξa ( gAa ) (4.57)
g
• g = det(gab )
• ∂r A = ∂ξa Aa = ∂xa Aa
6.3 Rotation
( )
Sei A ein Vektorfeld A ξ 1 , ξ 2 , ξ 3 . Wir erinnern uns an die Rotation in kartesischen Koordinaten:
• Die physikalische Bedeutung der Rotation als Wirbelstärke muß beibehalten werden.
1
∂r × A = √ εabc ba ∂ξb Ac (4.59)
g
• g = det(gab )
98 Kapitel 4. Krummlinige Koordinatensysteme
∂r × A = √1 εabc ∂Abc ea
g ∂ξ
↓
= εabc ∂A c
∂xb a
e
∂Ac
= εabc ∂xb ea
= ea εabc ∂xb Ac .
6.4 Laplace-Operator
∆f = ∂r2 f
• ∂r f = ba ∂ξa f
(√ )
• ∂r A = √1 ∂ξ c
g gAc mit A = Ac bc
Es tritt jetzt ein Problem auf, da ∂r f in der kontravarianten Basis dargestellt ist, für die Divergenz
aber eine Darstellung in der kovarianten Basis erforderlich ist.
ba = g ab bb (4.60)
↷ ∂r f ab
= g ∂ξa f bb (4.61)
b
vgl. A = A bb
1 (√ b )
∂r A = √ ∂ξb gA (4.62)
g
1 (√ ab )
∂r2 f = √ ∂ξb gg ∂ξa f (4.63)
g
• Der Indexkalkül ist so konstruiert, daß links und rechts einer Gleichung das gleiche Indexbild
auftreten muß:
7 Orthogonale Koordinaten
ba · bb = 0 für a ̸= b (4.68)
b2
b1
Es wurde bereits festgestellt, daß für senkrecht aufeinanderstehende Koordinatenlinien ba ∥ba gilt;
verdeutlicht ist dies nochmals im Bild. Man vollziehe den Übergang α → 90:
ξ1
b1 b1
α ξ2
P
ξ2
P′
b2dξ 2
dr P : ξ1, ξ2, ξ3
P′ : ξ 1 + dξ 1 , ξ 2 + dξ 2 , ξ 3 + dξ 3
P
b1dξ 1
dξ a : Koordinatendifferentiale
1
ξ
∂r
dr = dξ a = ba dξ a (4.71)
∂ξ a
↷ ds2 = dr · dr = ba dξ a · bb dξ b (4.72)
ds2 ist das Quadrat des Differentials der Bogenlänge und wird auch Linienelement genannt. Das
Linienelement ist eine sehr gebräuchliche Größe!
Die weiteren Überlegungen sind mit der Summenkonvention nicht mehr praktisch aufschreibbar,
deshalb wird diese bis auf weiteres aufgehoben.
∑
ds2 = h2a (dξ a ) (4.75)
a
Da {ba } und {ba } Orthogonalbasen bilden, liegt es nahe sie noch in Orthonormalbasen zu überführen.
ba und ba sind zwar parallel, haben aber i.a. unterschiedliche Längen. ba und ba können auf die
Länge 1 normiert werden. Die normierten ba und ba sind dann gleich, da sie die gleiche Länge
haben und parallel sind.
Folglich gilt
1 2 a a
b̂a = ha b = ha ba = b̂
ha
a
b̂a = b̂ (4.80)
sowie
1
b̂a b̂a = b · ha ba = ba ba = 1 (4.81)
ha a
a
↷ |b̂a | = 1 = |b̂ | (4.82)
{ } { a}
b̂a = b̂ ist also eine normierte Basis orthogonaler Koordinaten. Die normierte kovariante
und die normierte kontravariante Basis sind gleich!
Orthogonale Koordinaten sind von hervorgehobener praktischer Bedeutung. Die in der Physik
gebräuchlichsten Koordinaten sind orthogonal.
- Kartesische Koordinaten ξ 1 = x1 , ξ 2 = x2 , ξ 3 = x3
- Zylinderkoordinaten ξ 1 = ρ, ξ 2 = φ, ξ 3 = z
- Kugelkoordinaten ξ 1 = r, ξ 2 = ϑ, ξ 3 = φ
In orthogonalen Koordinaten nehmen die Differentialoperatoren einfache Formen an, die in den
folgenden Abschnitten dargestellt werden.
7.1 Gradient
∑ a 1
∂r f = b̂ ∂ξa f (4.83)
a
ha
Die a-te Komponente ist
( ) 1
∂r a
f= ∂ξa f (4.84)
ha
7.2 Divergenz
√
g = h1 h2 h3 (4.86)
Die Darstellung des Vektorfeldes A in kovarianter Basis ergibt
∑
A= Aa ba (4.87)
a
∑ ( )
1 h1 h2 h3 a
↷ ∂r A = ∂ξ a  (4.90)
h1 h2 h3 a ha
1 { ( ) ( ) ( )}
∂r A = ∂ξ1 h2 h3 Â1 + ∂ξ2 h1 h3 Â2 + ∂ξ3 h1 h2 Â3 (4.91)
h1 h2 h3
7.3 Rotation
↷ Ac = Âc hc (4.96)
1 ∑∑∑ ( )
↷ ∂r × A = εabc b̂a ha ∂ξb hc Âc (4.97)
h1 h2 h3 a c b
7.4 Laplace-Operator 103
7.4 Laplace-Operator
Bemerkung: Im Script “Elektrodynamik“, Abschnitt 5.2 ist die Ableitung der Differentialopera-
toren über die Integralsätze vorgeführt und zwar gerade für orthogonale Koordinaten!
8 Spezielle Koordinatensyteme
In diesem Abschnitt werden die besonders häufig verwendeten Fälle von krummlinigen Koordina-
ten (Zylinder- und Kugelkoordinaten) als Spezialfälle orthogonaler Koordinaten behandelt. Auch
ihr Zusammenhang mit den kartesischen Koordinaten und die nötigen Koordinatentransformatio-
nen werden behandelt.
Zusätzlich soll angenommen werden, daß der jeweils betrachtete Punkt P : ξ 1 , ξ 2 , ξ 3 im Raum
mit der Zeit veränderlich sei, also gilt:
P (t) : ξ 1 (t), ξ 2 (t), ξ 3 (t) (4.106)
2
dr
dt ist dann als Geschwindigkeit zu interpretieren und ddt2r als Beschleunigung. Darstellungen für
Geschwindigkeit und Beschleunigung sollen ebenfalls bestimmt werden.
104 Kapitel 4. Krummlinige Koordinatensysteme
8.1 Zylinderkoordinaten
ξ1 = ρ , ξ2 = φ , ξ3 = z
x3
ez
ρ eφ
φ
eρ
φ x2
x1
x1 = ρ cos φ
2
x = ρ sin φ rcl (4.107)
3
x = z.
zu ∑ 2
dr · dr = ds2 = (dxa ) = dρ2 + ρ2 dφ2 + dz 2 . (4.109)
a
zu
∂r
eρ = ∂ρ = cos φ e1 + sin φe2
1 ∂r
ρ ∂φ = − sin φ e1 + cos φ e2
eφ = (4.113)
∂r
ez = ∂z = e3
Wie man sieht gilt:
∂eρ
eφ = (4.114)
∂φ
Die Ableitungen ergeben sich zu
1
∂r f = ∂ρ f eρ + ∂φ f eφ + ∂z f ez (4.118)
ρ
Die Divergenz berechnet sich zu
1 { ( ) ( ) ( )}
∂r A = ∂ξ1 h2 h3 Â1 + ∂ξ2 h1 h3 Â2 + ∂ξ3 h1 h2 Â3
h1 h2 h3
1 { ( 1) ( )}
∂r A = ∂ρ ρ + ∂φ Â2 + ∂z ρÂ3
ρ
1 ( 1) 1
∂r A = ∂ρ ρ + ∂φ Â2 + ∂z Â3 (4.119)
ρ ρ
Die Rotation berechnet sich zu
( ) 1 { ( ) ( )}
∂r × A 1 = ∂ξ2 h3 Â3 − ∂ξ3 h2 Â3 und zyklisch
h2 h3
( ) 1 { ( )} 1
∂r × A 1
= ∂φ Â3 − ∂z ρÂ2 = ∂φ Â3 − ∂z Â2 (4.120)
ρ ρ
( ) { }
∂r × A 2
= ∂z Â1 − ∂ρ Â3 (4.121)
( ) 1{ ( ) } 1 ( ) 1
∂r × A 3
= ∂ρ ρÂ2 − ∂φ Â1 = ∂ρ ρÂ2 − ∂φ Â1 (4.122)
ρ ρ ρ
Der Laplace-Operator berechnet sich zu
∑ ( )
1 h1 h2 h3
∂r2 f = ∂ξ a ∂ξ f
a
h1 h2 h3 a h2a
{ ( ) }
1 1
∂r2 f = ∂ρ (ρ∂ρ f ) + ∂φ ∂φ f + ∂z (ρ∂z f )
ρ ρ
1 1 2
∂r2 f = ∂ρ (ρ∂ρ f ) + 2 ∂φ f + ∂z2 f (4.123)
ρ ρ
106 Kapitel 4. Krummlinige Koordinatensysteme
8.2 Kugelkoordinaten
ξ1 = r , ξ2 = ϑ , ξ3 = φ
x3
er
eφ
r eΘ
Θ
φ x2
x1
x1 = r sin ϑ cos φ
2 (4.124)
x = r sin ϑ sin φ
3
x = r cos ϑ.
zu
∂r
er = ∂r = sin ϑ cos φ e1 + sin ϑ sin φ e2 + cos ϑe3 (radial gerichtet)
1 ∂r
r ∂ϑ = cos ϑ cos φ e1 + cos ϑ sin φe2 − sin ϑ e3
eϑ = (meridional gerichtet) (4.129)
∂r
r sin ϑ ∂φ = − sin φ e1 + cos φe2
1
eφ = (entlang des Breitenkreises gerichtet)
1 1
∂r f = ∂r f er + ∂ϑ f eϑ + ∂φ f eφ (4.137)
r r sin ϑ
Die Divergenz berechnet sich zu
1 { ( ) ( ) ( )}
∂r A = ∂ξ1 h2 h3 Â1 + ∂ξ2 h1 h3 Â2 + ∂ξ3 h1 h2 Â3
h1 h2 h3
1 { ( ) ( ) ( )}
∂r A = 2
∂r r2 sin ϑ Â1 + ∂ϑ r sin ϑ Â2 + ∂φ rÂ3
r sin ϑ
1 ( 2 1) 1 ( ) 1
∂r A = 2
∂r r  + ∂ϑ sin ϑ Â2 + ∂φ Â3 (4.138)
r r sin ϑ r sin ϑ
108 Kapitel 4. Krummlinige Koordinatensysteme
• Ausgangspunkt:
Wir betrachten Physikalische Größen und Gesetze in Räumen. Wichtige Beispiele für der-
artige Räume sind der 3-dimensionale Ortsraum, der die mathematische Strktur eines Eu-
klidischen Raumes besitzt, der 4-dimensionale Minkowski-Raum, der fundamental für die
spezielle Relativitätstheorie ist, der 4-dimensionale Riemann-Raum, in dem die Allgemeine
Relativitätstheorie formuliert ist und der ∞-dimensionale Hilbert-Raum, in dem die Quan-
tentheorie durchgeführt wird.
In diesem Abschnitt beschränken wir unsere Überlegungen auf den 3-dimensionalen Orts-
raum.
Beispiele für physikalische Größen sind:
Größe Struktur Wertigkeit
Temperatur Skalar reelle Zahl
Ladungsdichte Skalar reelle Zahl
Magnetfeldstärke Vektor 3-Tupel reeller Zahlen
Kraft Vektor 3-Tupel reeller Zahlen
Spannungstensor Tensor 2. Stufe 3x3-Matrix reller Zahlen
Trägheitstensor Tensor 2. Stufe 3x3-Matrix reller Zahlen
– Kartesische Koordinaten
– Zylinderkoordinaten
– Kugelkoordinaten
– Elliptische Koordinaten
∝ E1
b2 ξ2
b1
a
E = E ba E
P
ξ1
∝E 2
• Koordinatentransformationen
Wir betrachten jetzt den gleichen Punkt P und das gleiche elektrische Feld E, aber in
′ ′ ′
anderen Koordinaten ξ 1 , ξ 2 , ξ 3 .
′
∝ E1 ′
ξ2
E
b1′ b 2′
′
P ξ1
′
∝ E2
Obwohl die physikalische Größe ausgedrückt durch E unverändert ist, haben sich im neuen
Koordinatensystem die Komponenten von E verändert:
′
E a ̸= E a (5.1)
KS ↔ KS ′
′ ′ ′
1 2
ξ ,ξ ,ξ 3
↔ ξ1 , ξ2 , ξ3
hin rück
( ′ ′ ′)
( )
ξ1
′ ′
= ξ1 ξ1, ξ2, ξ 3 ξ1 = ξ1 ξ1 , ξ2 , ξ3
( ′ ′ ′)
′ ′ ( ) (5.2)
ξ2 = ξ2 ξ1, ξ2, ξ3 | ξ2 = ξ2 ξ1 , ξ2 , ξ3
′ ′ ( ) ( ′ ′ ′)
ξ3 = ξ3 ξ1, ξ2, ξ3 ξ3 = ξ3 ξ1 , ξ2 , ξ3
Kurzfassung: ( ′)
′ ′ ( )
ξa = ξa ξb | ξa = ξa ξb (5.3)
√
2 2 2
ξ1 = (ξ 1′ ) + (ξ 2′ ) + (ξ 3′ )
ξ1
′
= ξ 1 sin ξ 2 cos ξ 3 (√ )
(ξ1′ ) +(ξ2′ )
2 2
′
ξ2 = ξ 1 sin ξ 2 sin ξ 3 ξ2 = arctan ξ 3′
ξ 3 ′
1
= ξ cos ξ 2 ( 2′ )
ξ3 = arctan ξξ1′
Wir bennen die Koordinaten jetzt um:
′ ′ ′
ξ 1 = x1 , ξ 2 = x2 , ξ 3 = x3
ξ1 = r , ξ2 = ϑ , ξ3 = φ
′ ′
∂r ∂r ∂ξ b ∂ξ b
ba = a = b′ · = ·b ′ (5.5)
∂ξ ∂ξ ∂ξ a ∂ξ a b
Die Gleichungen (5.5) stellen eine Basistansformation dar.
Wir führen neue Bezeichnungen ein:
( )
( ′) ∂ξ b
′
Transformationsmatrix oder
b
Ja = (5.6)
∂ξ a Jacobi-Matrix
( a)
∂ξ
(Jba′ ) = inverse Jacobi-Matrix (5.7)
∂ξ b′
Die beiden Matrizen sind tatsächlich invers zueinander, denn es gilt
′
′ ∂ξ a ∂ξ b ∂ξ a
Jba′ Jcb = b′ · = = δca
∂ξ ∂ξ c ∂ξ c
Für E können wir nunmehr schreiben
′
E = E a Jab bb′ . (5.8)
• Der Tensorbegriff, den wir am Beispiel des elektrischen Feld-Vektors plausibel gemacht ha-
ben, ist auch für Skalare etc. erweiterbar.
Skalare sind Tensoren 0. Stufe.
Vektoren sind Tensoren 1. Stufe.
Es gibt Tensoren beliebiger Stufe.
Es gibt Größen mit Tensorcharakter, die nicht unmittelbar physikalische Größen sind. Diese
werden dann geometrische Objekte genannt. Ein Beispiel dafür ist der metrische Fundamen-
taltensor gab .
Bei Betrachtung eines Punktes P spricht man von Tensoren in diesem Punkt. Bei Ausdehnung
der Betrachtung auf den gesamten Raum spricht man von Tensorfeldern.
T = T abc ba ◦ bb ◦ bc (5.15)
• Zur Erinnerung: Die Basisgrößen und Komponenten sind Funktionen der Koordinaten:
( ) ( )
ba ξ 1 , ξ 2 , ξ 3 , T ab ξ 1 , ξ 2 , ξ 3 , . . .
Zunächst hatten wir einen festen Punkt P im Raum betrachtet. Die Überlegungen gelten in
gleicher Weise für jeden beliebigen Punkt. Damit werden die Basiselemente und die entspre-
chenden Tensorkomponenten koordinatenabhängig.
1 Begriff des Tensors 113
Tensoren 1. Stufe: v
′ ′
va = Jba v b
(5.17)
va′ = Jab′ vb
Tensoren 2. Stufe: T
′ ′ ′ ′
Ta b = Jca Jdb T cd
Ta′ b′ = Jac′ Jbd′ Tcd
a′ ′ (5.18)
T b′ = Jca Jbd′ T cd
′ ′
Tab′ = Jac′ Jdb Tcd
ds2 = gab dξ a dξ b
Der infinitesimale Abstand zwischen zwei benachbarten Punkten ds bzw. ds′ ist aber in KS
und KS ′ gleich:
ds = ds′ oder ds2 = ds′
2
Die linke Seite und die rechte Seite dieser Gleichung sind zwar als Ganzes ein Tensor 0. Stufe,
aber mitnichten die jeweiligen Einzelteile. Um die Eigenschaften der Einzelteile herauszufin-
den, untersuchen wir deren Verhalten bei der Koordinatentransformation KS → KS ′ .
′
Das Verhalten der Koordinatendifferentiale dξ a bzw. dξ a findet man durch Differentialbil-
dung von (5.3):
∂ξ a ′ ′
dξ a = c′ dξ c = Jca′ dξ c . (5.19)
∂ξ
Die dξ a transformieren sich also wie die kontravarianten Komponenten eines Tensors 1. Stufe.
Dann folgt
′ ′ ′ ′
gab Jca′ dξ c Jdb′ dξ d = gab Jcd′ Jdb′ dξ c dξ d
′ ′
= gc′ d′ dξ c dξ d
′
Der Koeffizientenvergleich bezüglich der Koordinatendifferentiale dξ a ergibt
Somit transformieren sich die gab wie die kovarianten Komponenten eines Tensors 2. Stufe.
114 Kapitel 5. Elemente der Tensorrechnung
2 Tensor-Operationen
• Addition
Die Addition ist nur für Tensorkomponenten gleichen Typs erklärt.
Ba = C a + Da (5.21)
B ab = C ab + Dab (5.22)
usw.
• Multiplikation
Bei der Multiplikation von Tensorkomponenten muß sich in jedem Summanden im Ganzen
der gleiche Typ ergeben:
B ab = C a Db (5.23)
B abc = C ab Dc (5.24)
usw.
• Verjüngung
Über zwei gleiche Indizes wird automatisch summiert. Die Tensor-komponenten werden dabei
um zwei Stufen herabgesetzt:
T aa = T (5.25)
T abcc = T ab
(5.26)
usw.
Statt Verjüngung ist auch der Begriff Kontraktion zweier Indizes“ gebräuchlich. Für einen
”
Tensor 2. Stufe entspricht die Verjüngung einer Spurbildung. Für ein Produkt zweier Ten-
soren 1. Stufe entspricht die Verjüngung der Bildung eines Skalarproduktes.
Wenn ein Tensor 2. Stufe symmetrisch ist, also Tab = Tba gilt, hat der Tensor 6 voneinander
unabhängige Komponenten.
Tab antisymmetrisch ⇔ Tab = −Tba
Wenn Tab = −Tba gilt, dann gilt auch T ab = −T ba
Wenn ein Tensor 2. Stufe antisymmetrisch ist, also Tab = −Tba gilt, hat der Tensor 3 von-
einander unabhängige Komponenten, da die Diagonalelemente identisch null sein müssen.
Jeder Tensor 2. Stufe läßt sich eindeutig in einen symmetrischen und einen antisymmetrischen
Anteil aufspalten:
1 1
Tab = (Tab + Tba ) + (Tab − Tba ) (5.27)
|2 {z } |2 {z }
symmetrisch antisymmetrisch
• Überschiebung
2 Tensor-Operationen 115
gab v b = va (5.29)
• Quotientensatz
T ab seien Tensorkomponenten. Es sei nicht bekannt, ob auch Nab Tensorkomponenten sind.
Falls T ab Nab = S ein Skalar S ergibt, folgt, daß auch Nab Tensorkomponenten sind.
Beweis:
S = S′
′ ′
ab
T Nab = T a b Na′ b′
′ ′ ′ ′ ′ ′
Jca′ Jdb′ T c d Nab = T a b Na′ b′ = T c d Nc′ d′
Koeffizientenvergleich ergibt:
Jca′ Jdb′ Nab = Nc′ d′
Somit ist Nab ein Tensor.
q.e.d.
Der Quotientensatz gilt nicht nur für Tensoren 2. Stufe, sondern für Tensoren beliebiger
Stufe.
Es sind vielfältige Derivate dieses Quotientensatzes konstruierbar. Wenn z.B. gilt
wobei T abc , Qab d Tensorkomponenten sind, dann folgt, daß auch Ncd Tensorkomponenten
sind.
Beweis: Rückführung auf den Quotientensatz für Tensoren 2. Stufe.
q.e.d.
• Wir betrachten jetzt die Spur eines Produktes aus symmetrischen und antisymmetrischen
Tensoren. Es gelte
sab = sba und acd = −adc
Dann folgt
scd adc = 0
116 Kapitel 5. Elemente der Tensorrechnung
Beweis:
Folglich muß
scd adc = 0 (5.35)
gelten.
Diese Regel gilt auch für Tensoren höherer Stufe, wenn ein Indexpaar symmetrisch und eines
antisymmetrisch ist.
3 Beispiele
• Tensoren 0. Stufe
– ds2
– Skalarprodukt zweier Tensoren 1. Stufe ist ein Tensor 0. Stufe:
′
v w = v a wa = v c wc′
′ ′
denn v c = Jbc v b , wc′ = Jcd′ wd und damit
′ ′ ′
v c wc′ = Jbc v b Jcd′ wd = Jbc Jcd′ v b wd
′
′ ∂ξ c ∂ξ d ∂ξ d
Jbc Jcd′ = · ′ = = δbd
∂ξ b ∂ξ c ∂ξ b
′
v c wc′ = δbd v b wd = v b wb
g = det(gab )
Sei ( )
∂ξ a
J ≡ det = det (Jba′ ) (Jacobi-Determinante) (5.36)
∂ξ b′
so gilt
( ′) 1
det Jba = . (5.37)
J
Damit folgt
1 ′
g bzw. g ′ = J 2 g.
g= (5.38)
J2
g ist also kein Tensor, da i.a. J ̸= 1 gilt.
(√ a )
– ∂r A = √1g ∂ξa gA ist ein Tensor 0. Stufe. Der Beweis bleibt dem Leser als Übungs-
aufgaben überlassen.
3 Beispiele 117
dV = dV ′
dV = signJdV ′ = ±dV ′
zulassen müssen, so dass in Strenge |dV | als Tensor 0. Stufe zu betrachten wäre!
dV bezeichnet man als Pseudotensor 0. Stufe.
Im Abschnitt 2.5 wurde bereits vorgegriffen und die Jacobi-Funktionaldeterminante in
die Transformation des Volumenelemtes eingearbeitet. Jetzt erfolgt die Ableitung.
Das Volumenelement dV ist in beliebigen krummlinigen Koordinaten das Volumen eines
Parallelepipeds und wird über das Spatprodukt berechnet:
ξ2
ξ1
b3 dξ 3
ξ3
dV = |b1 dξ 1 b2 dξ 2 b3 dξ 3 |
( )
=
ˆ b1 dξ 1 × b2 dξ 2 b3 dξ 3
= (b1 × b2 ) b3 dξ 1 dξ 2 dξ 3
√
dV = g dξ 1 dξ 2 dξ 3 (5.39)
′ ′ ′
Die Integration ber dξ 1 dξ 2 dξ 3 muß jetzt in eine Integration ber dξ 1 dξ 2 dξ 3 umge-
rechnet werden. Das wird durch eine sukzessive Ersetzung beginnend bei dξ 3 errreicht.
Bei der dξ 3 -Integration werden aber ξ 1 und ξ 2 festgehalten; deshalb gilt für die dξ 3 -
Integration:
′ ′ ′ ′
dξ 1 = Ja1′ dξ a = J11′ dξ 1 + J21′ dξ 2 + J31′ dξ 3 = 0
′ ′ ′ ′
dξ 2 = Ja2′ dξ a = J12′ dξ 1 + J22′ dξ 2 + J32′ dξ 3 = 0 (5.40)
3 a′ 1′ 2′ 3′
dξ = Ja3′ dξ = J13′ dξ + J23′ dξ + J33′ dξ = dξ 3
118 Kapitel 5. Elemente der Tensorrechnung
′
Wir lösen das Gleichungssystem (5.40) nach dξ 3 auf:
J11′ J21′ 0
J12′ J22′ 0
J13′ J23′ dξ 3
3′
dξ =
J
′ 1 J11′ J21′ J (2) 3
dξ 3 = dξ 3 ≡ dξ (5.41)
J J12′ J22′ J
Dabei stellt J (n) die Determinante aus den ersten n Zeilen und Spalten dar. Damit gilt:
J ′
dξ 3 = dξ 3 (5.42)
J (2)
Wir erhalten das Zwischenresultat:
J ′
dξ 1 dξ 2 dξ 3 = dξ 1 dξ 2 dξ 3 . (5.43)
J (n)
′
Bei der dξ 2 -Integration werden ξ 1 und ξ 3 bzw. ξ 3 festgehalten, deshalb gilt für die
dξ 2 -Integration:
′ ′ ′
dξ 1 = Ja1′ dξ a = J11′ dξ 1 + J21′ dξ 2 + 0 = 0
′ ′ ′
dξ 2 = Ja2′ dξ a = J12′ dξ 1 + J22′ dξ 2 + 0 = dξ 2 (5.44)
3 a′ 1′ 2′
dξ = Ja3′ dξ = J13′ dξ + J23′ dξ + 0 = 0
′
Die ersten beiden Gleichungen von (5.44) sind ausreichend um dξ 2 zu bestimmen:
J11′ 0
′ J12′ dξ 2 J (1) 2
dξ 2 = = dξ . (5.45)
J (2) J (2)
Somit gilt:
J (2) 2′
dξ . dξ 2 = (5.46)
J (1)
Wir erhalten ein weiteres Zwischenresultat:
J (2) 2′ J ′ J ′ ′
dξ 1 dξ 2 dξ 3 = dξ 1 (1)
dξ (n)
dξ 3 = dξ 1 (1) dξ 2 dξ 3 (5.47)
J J J
′ ′
Zuletzt wird die dξ 1 -Integration bei festgehaltenen ξ 2 bzw. ξ 2 und ξ 3 bzw. ξ 3 durch-
geführt:
′
dξ 1 = J11′ dξ 1 (5.48)
′ 1
↷ dξ 1 = dξ 1 (5.49)
J (1)
Damit erhalten wir: ′ ′ ′
dξ 1 dξ 2 dξ 3 = J dξ 1 dξ 2 dξ 3 (5.50)
Für das Volumenelement dV ergibt sich unter Verwendung von (5.38) :
√ ′
√ g ′ ′ ′
dV = g dξ 1 dξ 2 dξ 3 = · J dξ 1 dξ 2 dξ 3
|J|
√ 1′ ′ ′
dV = sign(J) g dξ dξ 2 dξ 3 = sign(J)dV ′
′ (5.51)
3 Beispiele 119
Dieses Resultat gilt sogar für beliebige Dimensionszahlen. Für den Beweis beginne man
′
mit der Berechnung von dξ n und verfahre analog.
• Tensoren 1. Stufe
dr = ba dξ a .
∂ξ a d′ ′
dξ a = d′ dξ = Jda′ dξ d
∂ξ
r
r = xa ea
Wenn sich die Basis in P im Vergleich zum Ursprung ändert, gibt es obige Darstellung
nicht mehr!!!
– ∂r f = ba ∂ξa f ist Tensor 1. Stufe.
Der Beweis bleibt dem Leser als Übungsaufgabe überlassen.
– Das Vektorprodukt zweier Tensoren 1. Stufe
√
v×w = g ba εabc v b wc (5.52)
|J| = −J
zu ersetzen. Das Minuszeichen bleibt durch alle Zwischenschritte erhalten und es folgt
:
√ ′ √ ′ ′
gεabc v b wc = −Jaa g ′ εa′ b′ c′ v b wc
√ ′ √ ′ ′
gεabc v b wc = sign(J)Jaa g ′ εa′ b′ c′ v b wc
• Abschließende Bemerkung:
Hier werden Tensoren im 3-dimensionalen Ortsraum (Euklidischer Raum) betrachtet.
Der 3-dimensionale Raum ist der Raum in dem die Klassische Mechanik dargestellt wird.
Die Objekte der Klassischen Mechanik sind somit die hier besprochenen Tensoren.
In der Elektrodynamik wird bevorzugt ein 4-dimensionale Raum, der sogenannte Minkowski-
Raum verwendet. Für die Tensoren dieses Raumes gelten analoge Regeln. Die Tensoren im
Minkowski-Raum werden auch Lorentz-Tensoren genannt.
Die Einstein-Gravitationstheorie (Allgemeine Relativitätstheorie) wird in einem 4-dimensionalen
gekrümmten Raum dargestellt, dem sogenannten Riemann-Raum. Auch in diesem Raum gel-
ten analoge Regeln. Dort werden die Tensoren Riemann-Tensoren genannt.
122 Kapitel 5. Elemente der Tensorrechnung
Kapitel 6
Spezielle Funktionen
Spezielle Funktionen treten häufig in der Physik auf, insbesondere in der Quantenmechanik und
in der Elektrodynamik. In diesem Kapitel wird eine gewisse Gruppe der speziellen Funktionen,
sog. orthogonale Funktionen behandelt: Legendre-Polynome, Bessel-Funktion, Hermite-Polynome
und Laguerre-Polynome. Wie man mit der Fourier-Reihe eine Funktion oder ein Signal auf dem
Intervall von −π bis π in einzelne Ebene Wellen zerlegen kann, kann man eine Funktion mittels der
orthogonalen Funktionen in verschiedenen “Moden” zerlegen, z.B. auf dem Intervall von −1 bis
1 (Legendre-Polynome), von 0 bis eine Konstante c (Bessel-Funktion), von −∞ bis ∞ (Hermite-
Polynome) und von 0 bis ∞ (Laguerre-Polynome).
1 Legendre-Funktionen
Die Legendre-Funktion tritt bei der Lösung der Laplace-Gleichung in Polarkoordinaten auf. Sie
spielt eine wichtige Rolle bei der Darstellung des Drehimpulses in der Quantenmechanik.
1.1 Legendre-Gleichung
Die folgende gewöhnliche Differentialgleichung zweiter Ordnung für y als Funktion von x wird als
Legendre-Differentialgleichung bezeichnet:
(1 − x2 )y ′′ − 2xy ′ + λy = 0 (6.1)
wobei λ eine Konstante ist. Durch Teilung durch 1 − x2 können wir den Koeffizient von y ′′ nor-
mieren,
2x ′ λ
y ′′ − y + y=0 (6.2)
1 − x2 1 − x2
Die Gl. (6.2) hat eine Singularität bei x = ±1 und y ist ableitbar auf dem Intervall −1 < x < 1.
Nun entwickeln wir y um den Ursprung x = 0 in die Taylor-Reihe mit den Koeffizienten aj ,
∞
∑
y= aj xj (6.3)
j=0
Wir setzen die Gl. (6.4) und (6.5) in die Gl. (6.1) ein,
∞
∑ ∞
∑
j(j − 1)aj xj−2 − (j(j + 1) − λ) aj xj = 0 (6.6)
j=0 j=0
Der erste Term auf der linken Seite ist Null bei j = 0 und j = 1. Die Summe beginnt daher mit
j = 2. Nach einer Index-Transformation j → j − 2 im zweiten Term folgt
∞
∑
[j(j − 1)aj − ((j − 2)(j − 1) − λ) aj−2 ] xj−2 = 0 (6.7)
j=2
Die Gl. (6.7) muss für beliebige x auf dem Intervall −1 < x < 1 bestehen. Somit müssen alle
Koeffizienten verschwinden,
(j − 2)(j − 1) − λ
aj = aj−2 (j = 2, 3, · · · ) (6.8)
j(j − 1)
Wenn der Koeffizient a0 festgelegt wird, werden die anderen Koeffizienten a2 , a4 , a6 , · · · bestimmt.
Wenn a1 festgelegt wird, werden die Koeffizienten a3 , a5 , a7 , · · · ebenfalls bestimmt. Die Legendre-
Gleichung hat deshalb zwei unabhängige Lösungen: (1) die erste Lösung y1 bei a0 ̸= 0 und a1 = 0,
∞
∑
y1 = a2k x2k (6.9)
k=0
Wir prüfen den Konvergenzradius für die erste Lösung y1 . Das Verhältnis der Nachbarterme ist
aus der Rekursionsgleichung (Gl. 6.8)
Das verhält sich wie x2 aus der Grenzbetrachtung k → ∞ und die Reihe (Gl. 6.9) konvergiert.
Ebenfalls kann man die Konvergenz für y2 im Radius |x| < 1 zeigen. Bei einem speziellen Wert
von λ wird entweder y1 oder y2 sogar als Polynom mit endlich vielen Termen ausgedrückt.
Nehmen wir an, dass die Konstante λ in der Legendre-Gleichung (6.1) als Kombination der ganzen
Zahlen wie folgt ausgedrückt wird:
λ = n(n + 1) (n = 0, 1, 2, · · · ) (6.12)
Also ist y1 (oder y2 ) ein Polynom mit endlich vielen Termen. Das Polynom wird als Legendre-
Polynom oder Legendre-Funktion erster Gattung bezeichnet. Für eine gerade Zahl n ist die Lösung
y1 das Legendre-Polynom und die andere Lösung y2 ist eine unendliche Reihe. Für eine ungerade
Zahl n ist y2 das Legendre-Polynom und y1 ist eine unendliche Reihe.
1 ∑ (−1)k
[n/2]
(2n − 2k)!
Pn (x) = xn−2k (n = 0, 1, 2, · · · ) (6.23)
2 n 2 k! (n − 2k)!(n − k)!
n
k=0
wobei das Symbol [n/2] die größte ganze Zahl unterhalb n/2 bedeutet, d.h. [n/2] = n/2 für eine
gerade Zahl n und [n/2] = (n − 1)/2 für eine ungerade Zahl n. Die ersten Legendre-Polynome bis
n = 5 sind:
P0 (x) = 1 (6.24)
P1 (x) = x (6.25)
1
P2 (x) = (3x2 − 1) (6.26)
2
1
P3 (x) = (5x3 − 3x) (6.27)
2
1
P4 (x) = (35x4 − 30x2 + 3) (6.28)
8
1
P5 (x) = (63x5 − 70x3 + 15x) (6.29)
8
(6.30)
126 Kapitel 6. Spezielle Funktionen
Die Fig. 6.1 zeigt die Grafik von P1 (x), P2 (x), P3 (x) und P4 (x). Pn (x) ist symmetrisch bei einer
geraden Zahl n, und anti-symmetrisch bei einer ungeraden Zahl n. Am Rand sind die Legendre-
Polynome Pn (1) = 1 und Pn (−1) = (−1)n .
Die andere Lösung der Legendre-Gleichung bei λ = n(n+1) ist kein Polynom, sondern eine unend-
liche Reihe Qn (x). Sie wird als Legendre-Funktion zweiter Gattung bezeichnet. Die Koeffizienten
aj in Qn (x) werden aus der Rekursionsgleichung (Gl. 6.8) bestimmt. Für den Anfangswert von a0
und a1 nimmt man herkömmlich folgende Werte. Bei einer geraden Zahl n = 2m
(−1)m 22m (m!)2
a1 = (6.31)
(2m)!
und bei einer ungeraden Zahl n = 2m + 1
(−1)m+1 22m (m!)2
a0 = (6.32)
(2m + 1)!
Die ersten Legendre-Funktionen zweiter Gattung sind
1 1+x
Q0 (x) = log (6.33)
2 1−x
x 1+x
Q1 (x) = log −1 (6.34)
2 1−x
3x2 − 1 1+x 3
Q2 (x) = log − x (6.35)
4 1−x 2
5x3 − 3x 1+x 5 2 2
Q3 (x) = log − x + (6.36)
4 1−x 2 3
1.3.1 Rodrigues-Formel
Abbildung 6.2: Kontur für das Schläfli-Integral. Man vermeidet die Linie zwischen z und 1 und
zwischen −1 und −∞.
Für den Beweis entwickeln wir (x2 − 1)n mit den Binomialkoeffizienten n Ck = n!
k!(n−k)! ,
1 ∑ 1 ∑
[n/2] [n/2]
dn 2n−2k
n Ck (−1)
k
x = n Ck (−1)
k
(2n − 2k) · · · (n − 2k + 1)n−2k (6.38)
2n n! dxn 2n n!
k=0 k=0
Wir schreiben (x2 − 1)n wie (x2 − 1)n = (x + 1)n (x − 1)n und leiten das n-fach nach x ab. Bei
x = 1 bleibt nur der Term mit n! (n-fach Ableitung von (x − 1)n ). Daraus folgt
1
Pn (1) = · n! · (1 + 1)n (6.39)
2n n!
= 1 (6.40)
Aus der Relation Pn (−x) = (−1)n Pn (x) folgt auch die Symmetrie oder die Anti-Symmetrie,
Pn (−1) = (−1)n (6.41)
1.3.2 Schläfli-Integral
Wir kombinieren die Rodrigues-Formel und die Cauchy-Integralformel für die Ableitung höherer
Ordnung und bekommen eine Integraldarstellung der Legendre-Polynome,
I
1 (ζ 2 − 1)n
Pn (z) = n dζ (6.42)
2 2πi (ζ − z)n+1
Die Kontur der Integration ist eine geschlossene Kurve um z. Dieses Integral wird als Schläfli-
Integral bezeichnet. Die Gl. (6.42) bietet eine Methode, um die Legendre-Polynome von einer
ganzen Zahl n auf eine reelle Zahl ν zu verallgemeinern:
I
1 (ζ 2 − 1)ν
Pν (z) = ν dζ (6.43)
2 2πi (ζ − z)ν+1
Der Integrand ist eine multiwertige Funktion bei einer reellen Zahl ν, und wir müssen die Inte-
gralkontur vorsichtig wählen, um Diskontinuität wie Schnitt oder Bifurkation zu vermeiden. Eine
mögliche Auswahl der Integralkontur wird in der Fig. 6.2 gezeigt. Die verallgemeinerte Funktion
Pν (z) (Gl. 6.43) ist die Lösung der Legendre-Gleichung:
(1 − z 2 )y ′′ (z) − 2zy ′ (z) + ν(ν + 1)y(z) = 0 (6.44)
Für den Beweis leiten wir den Integranden mit Hilfe der Gl. (6.44) ab, und arrangieren das Ergebnis
in die Form der gesamten Ableitung
( )
d (ζ 2 − 1)ν+1
(6.45)
dζ (ζ − z)ν+2
128 Kapitel 6. Spezielle Funktionen
Die Legendre-Polynome
√ können auf eine Funktion zusammengepackt werden. Wir entwickeln
die Funktion 1/ 1 − 2xh + h2 nach h in die Taylor-Reihe. Dabei bekommen wir die Legendre-
Polynome als Koeffizienten der Reihe. Diese Funktion wird als Erzeugende Funktion der Legendre-
Polyome bezeichnet:
∑∞
1
√ = Pn (x)hn (|2hx − h2 | < 1) (6.46)
1 − 2xh + h2 n=0
Wir setzen 2xh − h2 in y ein und entwickeln die linke Seite der Gl. (6.46),
∞
∑
1 (2k)! k
√ = h (2x − h)k (6.50)
1 − 2xh + h2 k=0
22k (k!)2
∞ ∑
∑ k
(2k)! (−1)l
= xk−l hk+l (6.51)
2k+l l! (k − l)! k!
k=0 l=0
∞ [n/2]
∑ ∑ (−1)l (2n − 2l) · · · (n − 2l + 1)
= xn−2l hn (6.52)
n=0 l=0
2n l! (n − l)!
∑∞
= Pn (x)hn (6.53)
n=0
Da die Legendre-Polynome auf dem Intervall von −1 bis 1 definiert sind, kann man mit einem
Winkel θ (wobei x = cos θ) die Legendre-Polynome ausdrücken. Wir schreiben 1 − 2xh + h2 in die
Form 1 − 2xh + h2 = (1 − heiθ )(1 − he−iθ ). Die erzeugende Funktion (Gl. 6.46) wird dann:
1 1 1
√ = √ √ (6.54)
1 − 2xh + h2 1 − heiθ 1 − he−iθ
∞
∑ (2k)! ∞
∑
k ikθ (2l)! l −ilθ
= 2k 2
h e he (6.55)
2 (k!) 2 (l!)2
2l
k=0 l=0
∑∞ ∑n
(2l)!(2n − 2)! i(n−2l)θ n
= 2e h (6.56)
n=0 l=0 22n (l!)2 ((n − l)!)
wobei wir n als n = k + l eingesetzt haben. Pn (cos θ) ist eine reelle Funktion. Wir bekommen die
trigonometrische Darsellung der Legendre-Polynome aus dem Vergleich mit der Gl. (6.46),
∑
n
(2l)! (2n − 2l)!
Pn (cos θ) = 2 cos [(n − 2l)θ] (6.57)
l=0
22n (l!)2 ((n − l)!)
1.4 Entwicklung nach Legendre-Polynomen 129
1.3.5 Rekursionsformeln
wobei n ≥ 0. Für den Beweis der Gl. (6.62) leiten wir die erzeugende Funktion (Gl. 6.46) nach h
ab,
∑∞
x−h
= nPn (x)hn−1 (6.66)
(1 − 2xh + h2 )3/2 n=1
Aus dem Vergleich des Koeffizienten von hn ergibt sich die Gl. (6.62).
Die Gl. (6.62) wird aus der Gl. (6.46) hergeleitet. Wir leiten die Gl. (6.46) nach x ab und multi-
plizieren mit 1 − 2xh + h2 ,
∑∞
h
√ = (1 − 2xh + h2 ) Pn′ (x)hn (6.68)
1 − 2xh + h2 n=0
∑∞
Da die linke Seite n=0 Pn (x)hn+1 ist, vergleichen wir den Koeffizienten von hn+1 und leiten die
Rekursionsformel (Gl. 6.63) her. Die Gl. (6.64) und (6.65) werden aus der Ableitung der Gl. (6.62)
nach x und dann der Kombination mit der Gl. (6.63) hergeleitet.
Wie eine glatte Funktion auf einem endlichen Intervall nach den trigonometrischen Funktionen
in die Fourier-Reihe entwickelt werden kann, kann eine glatte Funktion, die auf dem Interval
−1 < x < 1 definiert wird, nach den Legendre-Polynomen entwickelt und zerlegt werden. Diese
Art der Entwicklung wird als Legendre-Reihe bezeichnet und wie folgt ausgedrückt:
∞
∑
f (x) = An Pn (x) (6.69)
n=0
130 Kapitel 6. Spezielle Funktionen
Da Pn (x) ein Polynom n-ter Ordnung ist, kann mann die Legendre-Reihe (Gl. 6.69) als Umsortie-
rung der Taylor-Reihe betrachten. Man kann deshalb die Potenzreihenentwicklung einer Funktion
um den Ursprung x = 0 sowohl mit der Taylor-Reihe als auch mir der Legendre-Reihe darstellen.
Wir erinnen uns daran, dass die Orthogonalität und die Normierbarkeit der trigonometrischen
Funktionen eine wichtige Rolle bei der Koeffizientenbestimmung der Fourier-Reihe spielt. Die
Legedre-Polynome besitzen ebenfalls die Eigenschaft der Orthogonaliät und der Normierbarkeit,
∫ 1
2
(Pn , Pm ) := Pn (x)Pm (x)dx = δn,m (6.71)
−1 2n + 1
Der Ausdruck (Pn , Pm ) kann als inneres Produkt der Funktionen Pn und Pm betrachtet werden.
Wir setzen die Gl. (6.69) in die beiden Seiten der Gl. (6.71) ein, und bekommen den Ausdruck der
Koeffizienten (Gl. 6.70) mit n → m.
Es folgt der Beweis der Orthogonalität in der Gl. (6.71). Wir multiplizieren die Legendre-Gleichung
mit dem Legendre-Polynom Pm (x),
d ( )
(1 − x2 )(Pm Pn′ − Pn Pm
′
) = (m(m + 1) − n(n + 1)) Pm Pn (6.74)
dx
Nun integrieren wir die Gl. (6.74) von x = −1 bis x = 1. Die rechte Seite verschwindet, deshalb
besteht ∫ 1
(m(m + 1) − n(n + 1)) Pm (x)Pn (x) = 0 (6.75)
−1
Bei n ̸= m sind die Funktionen Pn und Pm zueinander orthogonal. Bei n = m bekommen wir den
Normierungsfaktor. Wir quadrieren die erzeugende Funktion (Gl. 6.46) und integrieren von −1 bis
1. Zusammen mit der Orthogonalität bekommen wir
∫ 1 ∑∞ ∫ 1
dx 2n 2
= h (Pn (x)) dx (6.76)
−1 1 − 2xh + h2 n=0 −1
Wir vergleichen den Koeffizient von h2n und leiten die Gl. (6.71) bei n = m her.
1.5 Zugeordnete Legendre-Funktion 131
Ableitungen der Legendre-Funktionen (mit einem zusätzlichen Faktor) sind wiederum eine Lösung
der Legendre-Gleichung. Die folgende Gleichung wird als zugeordnete Legendre-Gleichung bezeich-
net: ( )
m2
(1 − x2 )y ′′ − 2xy ′ + n(n + 1) − y=0 (6.79)
1 − x2
wobei n = 0, 1, 2, · · · , und m = 0, 1, · · · , n sind. Die Gl. (6.79) hat zwei unabhängigen Lösungen:
Pnm (x) (zugeordnete Legendre-Funktion erster Gattung) und Qm n (x) (zweiter Gattung). Sie sind
Ableitungen der Legendre-Funktionen Pn (x) bzw. Qn (x) mit einer Gewichtung:
dm m
Pnm (x) = (1 − x2 ) 2 Pn (x) (6.80)
dxm
m
2 m d
n (x) = (1 − x )
Qm Qn (x) (6.81)
2
dxm
Wir können diese Lösungen wie folgt prüfen. Wir schreiben y(x) mit der Gewichtung w(x) wie
folgt:
y(x) = (1 − x2 )m/2 w(x) (6.82)
y′ = (1 − x2 ) 2 w′ − m(1 − x2 ) 2 −1 xw
m m
(6.83)
y ′′ = (1 − x2 ) 2 w′′ − 2m(1 − x2 ) 2 −1 xw′ +
m m
Wir setzen die Gl. (6.83) und (6.84) in die Gl. (6.79),
Wir definieren eine Funktion v(x), die eine Lösung der Legendre-Gleichung ist,
und leiten die Gl. (6.86) m-fach nach x ab. Wir benutzen die Leibniz-Formel:
∑
n
n k
D (f g) = n Ck (D f )(Dn−k g) (6.87)
k=0
dm+2 v dm+1 v dm v
(1 − x2 ) m+2
− 2(m + 1)x m+1 + (n − m)(n + m + 1) m = 0 (6.88)
dx dx dx
Wir vergleichen die Gl. (6.88) mit der Gl. (6.85) und bekommen
dm v
w= (6.89)
dxm
Nun setzen wir das Legendre-Polynom Pn oder Qn in die Funktion v ein. Aus den Gl. (6.89)
und (6.82), bekommen wir die Gl. (6.80) und (6.81). Da Pn ein Polynom n-ter Ordnung ist,
verschwinden die zugeordneten Legendre-Polynomen bei m > n, also Pnm (x) = 0 (nach der Gl.
6.80).
132 Kapitel 6. Spezielle Funktionen
Die Laplace-Gleichung für eine Funktion u(r, θ, ϕ) wird in Polarkoordinaten wir folgt geschrieben:
( ) ( )
1 ∂ 2 ∂u 1 ∂ ∂u 1 ∂2u
2
r + 2
sin θ + 2 2 =0 (6.90)
r ∂r ∂r r sin θ ∂θ ∂θ r sin θ ∂ϕ2
Wir lassen den Faktor r−2 weg, da er in allen Termen auftritt, und wir setzen eine neue Variable
µ = cos θ. Die Ableitung nach θ erfolgt:
∂ ∂µ ∂
= (6.91)
∂θ ∂θ ∂µ
∂
= − sin θ (6.92)
∂µ
Die Gl. (6.90) ist dann
( ) ( )
∂ ∂u ∂ ( ) ∂u 1 ∂2u
r2 + 1 − µ2 + =0 (6.93)
∂r ∂r ∂µ ∂µ 1 − µ2 ∂ϕ2
Mit dem Ansatz der Variablentrennung u = R(r)M (µ)Φ(ϕ) wird die Laplace-Gleichung wie folgt
geschrieben:
1 − µ2 d ( 2 ′ ) 1 − µ2 d ( ) Φ′′
r R + (1 − µ2 )M ′ = − (6.94)
R dr M dµ Φ
Diese Gleichung kann mit einer Konstante evaluiert werden, da die linke Seite unabhängig von
ϕ ist, und die rechte Seite unabhängig von r und µ ist. Wir setzen m2 als Konstante ein, somit
bekommen wir zwei Gleichungen:
Φ′′ = −m2 Φ (6.95)
1 d ( 2 ′) 1 d ( ) m2
− r R = (1 − µ2 )M ′ − (6.96)
R dr M dµ 1 − µ2
Die Lösung der Gl. (6.95) ist Φ = eimϕ . Aus der Periodizität mit 2π für ϕ darf m nur eine ganze
Zahl sein. Die Variablen in der Gl. (6.96) sind getrennt. Wir evaluieren die Gl. (6.96) als −l(l + 1),
und bekommen wiederum zwei Gleichungen,
d ( 2 ′)
r R = l(l + 1)R (6.97)
( dr )
d ( ′
) m 2
(1 − µ )M + l(l + 1) −
2
M = 0 (6.98)
dµ 1 − µ2
Die Lösungen für R in der Gl. (6.97) sind rl und r−l−1 . Die Lösungen für M in der Gl. (6.98) sind
die zugeordneten Legendre-Funktionen. Die allgemeine Lösung der Laplace-Gleichung ist somit
l (
∞ ∑
∑ )
u= al rl + bl r−(l+1) (clm Plm (cos θ) + dlm Qm
l (cos θ)) e
imϕ
(6.99)
l=0 m=0
1.7 Kugelflächenfunktionen
wobei l = 0, 1, 2, · · · und m = −l, −l + 1, · · · , l sind. Wir müssen nun die zugeordneten Legendre-
Funktionen mit einem negativen Index m definieren. Wir kombinieren die Gl. (6.80) und (6.37).
1 ( ) |m| dl+|m| ( 2 )l
Plm (x) = 1 − x 2 2
x −1 (6.101)
2l l! dxl+|m|
wobei die Abhängigkeit von m als |m| ausgedrückt wird. Die Kugelflächenfunktionen besitzen die
Eigenschaft der Orthogonalität und Normierbarkeit,
∫ ( )∗
′
Ylm (Ω) Ylm ′ (Ω) dΩ = δll′ δmm′ (6.102)
Hier ist Ω ein Raumwinkel mit zwei Komponenten (θ, ϕ), und dΩ = sin θdθdϕ.
Wir prüfen die Orthogonalität. Bei m ̸= m′ ergibt die Integration der Funktionen eimϕ und
e−imϕ von ϕ = 0 bis 2π Null. Bei m = m′ reduziert sich das Orthogonalitätsproblem auf die
Orthogonalität der zugeordneten Legendre-Funktionen,
∫ ∫ 1
sin θPlm (cos θ)Plm
′ (cos θ)dθ = Plm (µ)Plm
′ (µ)dµ (6.103)
−1
= 0 (6.104)
bei l ̸= l′ . Für den Beweis setzen wir die Gl. (6.80) (mit n → l) in y in der Gl. (6.79) (auch mit
n → l) ein, benutzen die Variable µ = cos θ, multiplizieren mit Plm ′ (µ) aus der linken Seite und
Wir tauschen l mit l′ in der Gl. (6.105) und nehmen die Differenz der beiden Gleichungen,
∫ 1{ ( m
) ( m
)}
m d 2 dPl′ m d 2 dPl
Pl (1 − µ ) − Pl ′ (1 − µ ) dµ
−1 dµ dµ dµ dµ
∫ 1
= (l(l + 1) − l′ (l′ + 1)) Plm (µ)Plm
′ (µ)dµ (6.106)
−1
Die linke Seite kann aus der Teilintegration evaluiert werden und ist Null, somit besteht die
Orthogonalität (Gl. 6.104) bei l ̸= l′ . Der Normierungsfaktor bei l = l′ und m = m′ kann aus der
Wiederholung der Teilintegration hergeleitet werden.
Die Kugelflächenfunktionen sind die Eigenfunktion der Gleichungen für die Drehimpulsoperator
L2 (die quadrierte Größe) und Lz (eine Komponente) in der Quantenmechanik. Die Operatoren
werden in Polarkoordinaten wie folgt ausdrückt:
( ( ) )
1 ∂ ∂ 1 ∂
L = −ℏ
2 2
sin θ + (6.107)
sin θ ∂θ ∂θ sin2 θ ∂ϕ2
∂
Lz = −iℏ (6.108)
∂ϕ
Die Kugelflächenfunktionen sind die Lösungen der Gleichungen für die Drehimpulsoperatoren,
Abbildung 6.3: Der Abstand des Betragsquadrates der Kugelflächenfunktionen |Ylm (θ, ϕ)|2 mit
den Indizen (l, m).
1
Y00 (θ, ϕ) = √ (6.111)
4π
√
3
Y10 (θ, ϕ) = cos θ (6.112)
4π
√
5
Y20 (θ, ϕ) = (3 cos2 θ − 1) (6.113)
16π
√
3
Y11 (θ, ϕ) = − sin θ eiϕ (6.114)
8π
√
15
Y21 (θ, ϕ) = − sin θ cos θ eiϕ (6.115)
8π
Die Graphik der Kugelflächenfunktion werden in der Fig. 6.3 gezeigt.
2 Bessel-Funktionen
Die Bessel-Funktion tritt bei der Lösung der Laplace-Gleichung in Zylinderkoordinaten auf und
spielt eine wichtige Rolle in der Physik.
2.1 Bessel-Differentialgleichung
Die Bessel-Differentialgleichung
x2 y ′′ + xy ′ + (x2 − ν 2 ) = 0 (6.116)
hat eine Singularität an x = 0, wobei ν eine reelle Zahl ist. Man kann die Lösung um die Singula-
rität in eine Potenzreihe entwickeln,
∞
∑
y = xc aj xj (6.117)
j=0
∞
∑
= aj xc+j (6.118)
j=0
2.1 Bessel-Differentialgleichung 135
Hier ist c eine reelle Konstante. Wir sehen im folgenden, dass c = ±ν bestehen muss. Der Koeffi-
zient a0 ist von Null unterschiedlich, a0 ̸= 0.
Wir leiten den Lösungsansatz (Gl. 6.118) nach x ab, und setzen in die Gl. (6.116) ein,
∞
∑
y′ = (c + j)aj xc+j−1 (6.119)
j=0
∑∞
y ′′ = (c + j)(c + j − 1)aj xc+j−2 (6.120)
j=0
Wir gruppieren den ersten, den zweiten und den vierten Terme auf der linken Seite; arrangieren
den Koeffizienten; und verschieben den Index j im dritten Term j → j − 2,
∞
∑ ∞
∑
( )
(c + j)2 − ν 2 aj xc+j + aj−2 xc+j = 0 (6.122)
j=0 j=2
Diese Gleichung muss für einen beliebigen Wert von x bestehen, daher müssen die Koeffizienten
aller Terme verschwinden. Nun beachten wir a0 ̸= 0, somit
c2 − ν 2 = 0 (6.124)
Die Gl. (6.124) wird als charakteristische Gleichung bezeichnet. Daraus folgt die Konstante c = ±ν.
Der Koeffizient von a1 ist (c+1)2 −ν 2 . Das ist von Null unterschiedlich so lange ν ̸= ±1/2 besteht,
somit a1 = 0. Im allgemein kann man auch bei ν = ±1/2 a1 = 0 setzen, weil die allgemeine Lösung
mit zwei unabhängigen Lösungen unter der Annahme a0 = ̸ 0 und a1 = 0 beschrieben werden kann.
Wir berechnen das Produkt a2 · a4 · · · mittels der Gl. (6.127)-(6.129). Es bleibt nur eine Relation
zwischen a2k und a0 :
(−1)k
a2k = a0 (6.130)
k!(ν + 1)(ν + 2) · · · (ν + k)22k
Hier ist a0 eine beliebige Konstante, aber es ist vereinbart, a0 wie folgt zu definieren:
1
a0 = (6.131)
2ν Γ(ν + 1)
wobei Γ(x) die Gammafunktion ist,
∫ ∞
Γ(x) = e−t tx−1 dt (6.132)
0
Wenn ν + 1 eine natürliche Zahl ist, ergibt die Gammafunktion die Operation der Fakultät, Γ(ν +
1) = ν!. Die erste Gruppe der Lösungen der Bessel-Differentialgleichung ist
( x )ν ∑
∞
(−1)k ( x )2k
Jν (x) = (6.133)
2 k!(ν + 1)(ν + 2) · · · (ν + k)Γ(ν + 1) 2
k=0
Aus der Eigenschaft der Gammafunktion Γ(ν)ν = Γ(ν + 1) folgt die Relation
Γ(ν + 1) (ν + 1)(ν + 2) · · · (ν + k) = Γ(ν + 2) (ν + 2) · · · (ν + k) (6.134)
..
.
= Γ(ν + k + 1) (6.135)
Somit
( x )ν ∑
∞
(−1)k ( x )2k
Jν (x) = (6.136)
2 k!Γ(ν + k + 1) 2
k=0
Die Gl. (6.136) ist die Bessel-Funktion erster Gattung der Ordnung ν. Wir prüfen nun den Kon-
vergenzradius. Wir vergleichen die Nachbarterme der Ordnung ν + 2k und ν + 2k + 2; evaluieren
den Grenzwert des Verhältnisses,
a2k+2 xν+2k+2 1 |x|2
lim = lim (6.137)
k→∞ a2k xν+2k k→∞ (k + 1)(ν + k + 1) 4
= 0 (6.138)
Die Reihe in der Gl. (6.136) konvergiert auf dem Intervall 0 ≤ x ≤ ∞ und jeder Term ist ableitbar.
Bei c = −ν kann man zeigen, dass die Bessel-Funktionen bei ν → −ν auch Lösungen der Bessel-
Gleichung sind:
( x )−ν ∑
∞
(−1)k ( x )2k
J−ν (x) = (6.139)
2 k!Γ(−ν + k + 1) 2
k=0
Die zwei Bessel-Funktionen Jν (x) und J−ν (x) sind voneinander linear unabhängig. Das gilt solange
ν keine ganze Zahl ist. Die allgemeine Lösung der Bessel-Differetialgleichung ist deshalb als lineare
Kombination von Jν (x) und J−ν (x) gegeben,
y = c1 Jν (x) + c2 J−ν (x) (6.140)
Wenn ν eine ganze Zahl ist, sind Jn (x) und J−n (x) nicht mehr linear unabhängig. Wir bekommen
J−n (x) aus der Gl. (6.139) wie folgt:
J−n (x) = (−1)n Jn (x) (6.141)
2.2 Variante der Bessel-Funktionen 137
oder
∞
∑ (−1)k ( x )2k−n
J−n (x) = (6.142)
k!Γ(−n + k + 1) 2
k=0
Die Gammafunktion divergiert, wenn das Argument Null oder eine negative ganze Zahl ist. Daher
verschwinden die Terme bei k = 0, 1, · · · , n − 1 in der Gl. (6.142). Wir arrangieren die Summe
beginnend mit k = n und setzen k − n = l, und dann
∞
∑ (−1)n+l ( x )2l+n
J−n (x) = (6.143)
(n + l)!Γ(l + 1) 2
l=0
( x )n ∑
∞
(−1)l ( x )2l
= (−1)n (6.144)
2 (n + l)! l! 2
l=0
wobei wir die Relation Γ(l + 1) = l! für eine natürliche Zahl l benutzt haben. Aus der Gl. (6.136)
folgt die rechte Seite der Gl. (6.144) zu (−1)n Jn (x).
Bei nicht-ganzzahligen ν kann man die Bessel-Funktionen zweiter Gattung als unabhängige Lösung
von Jν (x) (statt J−ν (x)) benutzen,
1
Yν (x) = (cos(νπ)Jν (x) − J−ν (x)) (6.145)
sin(νπ)
Die unabhängige Lösung von Jn (x) wird mit der Grenzbetrachtung ν → n (wobei n eine ganze
Zahl ist) definiert:
2 ( x ) 1 ( x )−n n−1
∑ (n − k − 1)! ( x )2k
Yn (x) = Jn (x) log + γ −
π 2 π 2 k! 2
k=0
1 ( x )n ∑ (−1)k ( x )2k
∞
− (ϕ(k) + ϕ(n + k)) (6.149)
π 2 k! (n + k)! 2
k=0
Bei n = 0
2 ( x ) 2∑ ∞
(−1)k ( x )2k
Y0 (x) = J0 (x) log + γ − ϕ(k) (6.150)
π 2 π (k!)2 2
k=0
Daraus bekommen wir die allgemeine Lösung der Bessel-Differentialgleichung für beliebige ν (so-
wohl ganzzahlig als auch nicht-ganzzahlig).
werden als Hankel-Funktionen erster bzw. zweiter Gattung bezeichnet. Die Funktionen Jν (x),
(1) (2)
Yν (x), Hν (x) und Hν (x) werden auch als Zylinderfunktionen bezeichnet.
In der Fig. 6.4 sehen wir die Grafik von J0 (x), J1 (x) und J2 (x). Die Lösungen oder die Nullstellen
der Gleichung J1 (x) = 0 befinden sich zwischen den Nullstellen der Gleichung J0 (x) = 0. Das
gilt auch bei den Nullstellen zwischen J1 (x) und J2 (x). Diese Eigenschaft besteht im allgemein
zwischen Jn (x) und Jn+1 (x). Zwischen J0 (x) und J1 (x) besteht eine spezielle Relation:
wie die Relation zwischen cos x und sin x, somit trägt J0 (x) den Charakter einer Welle (zylinder-
symmetrische Welle). Diese Relation gilt nur bei n = 0. Die allgemeine Relation über Ableitungen
der Bessel-Funktionen wird später erklärt. Die Grafik von Y0 (x), Y1 (x) und Y2 (x) wird in der Fig.
6.5 gezeigt.
Wir führen die analytische Fortsetzung der Bessel-Funktionen erster Gattung in der komplexen
Ebene durch, und leiten die modifizierten Bessel-Funktionen erster Gattung Iν (z) her. Daraus
leiten wir weiter die modifizierten Bessel-Funktionen zweiter Gattung Kν (z) her,
wobei z eine komplexe Zahl ist. Die Funktionen Iν (z) und Kν (z) sind die Lösungen der folgenden
Gleichung (die modifizierte Bessel-Differentialgleichung):
d2 u du
z2 +z − (z 2 + ν 2 )u = 0 (6.162)
dz 2 dz
Die modifizierten Bessel-Funktionen erster Gattung können als Potenzreihe entwickelt werden:
( z )ν ∑
∞
1 ( z )2k
Iν (z) = (6.163)
2 k! Γ(k + ν + 1) 2
k=0
Die Fig. 6.6 zeigt die Grafik der modifizierten Bessel-Fuktionen erster und zweiter Gattungen.
140 Kapitel 6. Spezielle Funktionen
2.3 Rekursionsformeln
Für den Beweis entwickeln wir die linke Seite der Gl. (6.176),
1 ( xz )l ∑ (−1)k ( x )k
∞
∑ ∞
e 2 xz e− 2z =
1 x
(6.177)
l! 2 k! 2z
l=0 k=0
(−1)n+m ( x )n+2m −n
∞ ∑
∑ ∞ ∞
∑
z = (−1)n Jn (x)z −n (6.180)
n=1 m=0
m! (n + m)! 2 n=1
∑∞
= J−n (x)z −n (6.181)
n=1
Das Additionstheorem für die Bessel-Funktionen wird aus der Darstellung mit der erzeugenden
Funktion hergeleitet,
∑∞
Jn (x + y) = Jk (x)Jn−k (x) (6.182)
k=−∞
1 1 1 1 1 1
Wir sehen, dass die Entwicklung der Funktionen e 2 (x+y)(z− z ) und e 2 x(z− z ) e 2 y(z− z ) gleich ist.
Somit
∞
∑ ∞
∑ ∞
∑
Jn (x + y)z n = Jk (x)z k Jl (y)z l (6.183)
n=−∞ k=−∞ l=−∞
∑∞ ∞
∑
= Jk (x)Jn−k (x)z n (6.184)
n=−∞ k=−∞
Wir setzen z = eiϕ und z −1 = e−iϕ in die erzeugenden Funktion (Gl. 6.176). Wir sehen, dass
z − z −1 = 2i sin ϕ, und bekommen die folgende Gleichung:
∞
∑
eix sin ϕ = Jn (x)einϕ (6.185)
n=−∞
Wir setzen x → ix und z → −ieiθ in der Gl. (6.176) und bekommen die andere Relation:
∞
∑
ex cos θ = In (x)einθ (6.186)
n=−∞
für eine ganze Zahl n. Die Gl. (6.187) wird wie folgt hergeleitet: wir multiplizieren die beiden
Seiten der Gl. (6.185) mit e−inϕ und integrieren von −π bis π. Die Gl. (6.188) wird wie folgt
hergeleitet: wir nehmen den reellen Teil der Gl. (6.187) und halbieren das Intervall mit Hilfe der
142 Kapitel 6. Spezielle Funktionen
Symmetrie. Da Jn (x) eine reelle Funktion ist, verschwindet der imaginäre Teil. Die Gl. (6.189)
und (6.190) werden wie folgt hergeleitet. Aus der Gl. (6.187) besteht die Relation
∫
1 π
Jn (x) = (cos(x sin ϕ) cos(nϕ) + sin(x sin ϕ) sin(nϕ)) dϕ (6.191)
π 0
Der zweite Term auf der rechten Seite verschwindet bei geradezahligen n, während der erste Term
bei nicht-geradezahligen n verschwindet. Aus den Gl. (6.189) und (6.190) folgen die Fourier-Reihen:
∞
∑
cos(x sin ϕ) = J0 (x) + 2 J2n (x) cos(2nϕ) (6.192)
n=1
∞
∑
sin(x sin ϕ) = 2 J2n−1 (x) sin ((2n − 1)ϕ) (6.193)
n=1
und
|J0 (x)| ≤ 1 (6.197)
1
√ (n ≥ 1)
|Jn (x)| ≤ (6.198)
2
lim Jn (x) = 0 (6.199)
n→∞
Die Schläfli-Integraldarstellung:
I
1
z −n−1 dz
x z−1
Jn (x) = e2 z (6.200)
2πi
wird aus der Integration der erzeugenden Funktion (Gl. 6.164) entlang einer Kontur um den
Ursprung hergeleitet. Bei nicht-ganzzahligen ν wird die Integraldarstellung wie folgt gegeben.
∫
1
e 2 z z −ν−1 dz
x z−1
Jν (x) = (6.201)
2πi C
Für die Integration nehmen wir die Kontur C wie in der Fig. 6.7. Die notwendige und ausreichende
Bedingung, dass die Gl. (6.200) und die Funktion in der Gl. (6.136) gleich ist: (a) die Funktion in
der Gl. (6.201) erfüllt die Bessel-Differentialgleichung; und dazu (b) die Gl. (6.200) wird die Bessel-
Funktionen erster Gattung bei ganzzahligen n. Wir setzen die Gl. (6.201) in die Bessel-Gleichung
(Gl. 6.116) ein und leiten nach x ab. Das Integral wird dann als totale Ableitung ausdrückt:
{ ( ( )) ( ( ))}
d x 1 −ν x 1
exp z− z ν+ z+ (6.202)
dz 2 z 2 z
Das Integral kann evaluiert werden und es wird als Differenz des Integralwerts zwischen dem
Endpunkt und dem Startpunkt der Kontur C gegeben; und zwar ist es Null, da diese Werte aus
der Grenzbetrachtung z → −∞ Null sind.
2.5 Sphärische Bessel-Funktionen 143
Abbildung 6.7: Kontur C für die Integraldarstellung der Bessel-Funktionen bei nicht-ganzzahligen
ν.
Wenn die Ordnung halbganzahlig ν = n+ 21 ist, können die Bessel-Funktionen mit den elementaren
Funktionen ausgedrückt werden:
√
2
J 21 (x) = sin x (6.203)
πx
√
2
J− 12 (x) = cos x (6.204)
πx
√ ( )n ( )
n 2 n+ 1 1 d sin x
Jn+ 2 (x) = (−1)
1 x 2 (6.205)
π x dx x
√ ( )n (
2 n+ 1 1 d cos x )
J−n− 21 (x) = x 2 (6.206)
π x dx x
Yn+ 12 (x)(−1)n+1 = J−n− 12 (6.207)
n
Y−n− 21 (x)(−1) = Jn+ 12 (x) (6.208)
Die Funktion J 12 (x) wird aus der Reihendarstellung (Gl. 6.136) hergeleitet,
∞
∑ (−1)k ( x )2k+ 12
J (x) =
1 ( 3
) (6.209)
2
k! Γ k + 2 2
k=0
Somit
∞
∑ 1
(−1)k 2 2
√ x2k+1 x− 2
1
J 12 (x) = (6.216)
(2k + 1)! π
k=0
√
2
= sin x (6.217)
πx
Die Funktion J− 12 (x) wird aus der Rekursionsformel (Gl. 6.165) durch den Einsatz ν = 12 herge-
leitet.
1 d (√ )
J− 21 (x) = √ xJ 12 (x) (6.218)
x dx
√
2
= cos x (6.219)
πx
Die Gl. (6.205) wird aus der Rekursionsformel (Gl. 6.164) hergeleitet.
1 d ( −ν )
x−ν−1 Jν+1 (x) = − x Jν (x) (6.220)
x dx
Wir benutzen die gleiche Rekursionsformel (Gl.6.164) nochmal,
1 d ( −ν−1 )
x−ν−2 Jν+2 (x) = − x Jν+1 (x) (6.221)
x dx
( )2
1 d ( −ν )
= x Jν (x) (6.222)
x dx
Mit Wiederholung bekommen wir die Gl. (6.205). Die Gl. (6.206) wird auch aus der Rekursions-
formel (Gl. 6.165) hergeleitet. Die Gl. (6.207) und (6.208) werden aus der Definition (Gl. 6.145)
hergeleitet. Wir setzen ν = ± 12 und dann
Die radiale Komponente der Schrödinger-Gleichung für ein freies Teilchen kann in Polarkoordina-
ten nach der Variablentrennung wie folgt geschrieben werden:
( )
r2 R′′ + 2rR′ + r2 − l(l + 1) R = 0 (6.227)
wobei l eine nicht-negative ganze Zahl ist. Wir benutzen den Ansatz
Z(r)
R(r) = √ (6.228)
r
und dann wird die Gleichung für Z wie folgt geschrieben:
( ( )2 )
2 ′′ ′ 1
r Z + rZ + r − l l +
2
Z=0 (6.229)
2
2.6 Fourier-Bessel-Entwicklung 145
Das ist nichts anderes als Bessel-Gleichung und Z ist die Bessel-Funktion halbzahliger Ordnung.
Die Funktion R(r) wird als sphärische Bessel-Funktion bezeichnet:
√
π
jl (r) = J 1 (r) (6.230)
2r l+ 2
√
π
yl (r) = Y 1 (r) (6.231)
2r l+ 2
√
l+1 π
= (−1) J 1 (r) (6.232)
2r −l− 2
(1)
hl (r) = jl (r) + iyl (r) (6.233)
(2)
hl (r) = jl (r) − iyl (r) (6.234)
Die Funktion yl (r) wird auch als nl (r) ausgedrürckt. Die expliziten Formen der Funktionen jl (r)
und yl (r) niedriger Ordnungen sind
sin r
j0 (r) = (6.235)
r
sin r − r cos r
j1 (r) = (6.236)
r2
(3 − r2 ) sin r − 3r cos r
j2 (r) = (6.237)
r3
cos r
y0 (r) = − (6.238)
r
cos r + r sin r
y1 (r) = − (6.239)
r2
(3 − r2 ) cos r + 3r sin r
y2 (r) = − (6.240)
r3
Die Fig. 6.8 zeigt die Graphik der sphärischen Bessel-Funktionen.
2.6 Fourier-Bessel-Entwicklung
Die Bessel-Funktionen bilden ein orthogonales System. Man kann eine beliebige (aber glatte)
Funktion f (x) auf dem Intervall 0 < x < c (wobei c eine Konstante ist) nach den Bessel-Funktionen
entwickeln, wie die Entwicklung in eine Fourier-Reihe (auf dem Intervall von −π bis π) oder in
eine Legendre-Reihe (auf dem Intervall −1 bis 1). Die Entwicklung nach den Bessel-Funktionen
146 Kapitel 6. Spezielle Funktionen
wobei αj die Nullstellen bzw. die Lösungen der Gleichung Jν (αj c) = 0 sind. αj werden nach der
Größe sortiert, 0 < α1 < α2 < · · · .
√
Die Funktionen { xJν (αj x)}j=1,2,··· bilden ein System von Orthogonalfunktionen. Wir multipli-
zieren die beiden Seiten der Gl. (6.241) mit xJν (αj x) und integrieren über x,
∫ c ∞
∑ ∫ c
xJν (αk x)f (x)dx = Aj xJν (αk x)Jν (αj x)dx (6.243)
0 j=1 0
Wir prüfen die Orthogonalität in der Gl. (6.244). Die Bessel-Gleichung für die Funktionen u =
Jν (αx) und v = Jν (βx) mit beliebigen reellen Zahlen α und β werden wie folgt geschrieben:
( )
′′ 1 ′ ν2
u + u + α − 2 2
= 0 (6.246)
x x
( )
1 ν2
v ′′ + v ′ + β 2 − 2 = 0 (6.247)
x x
Wir multiplizieren die Gl. (6.246) mit xv, und die Gl. (6.247) mit xu. Dann ziehen wir die Glei-
chungen voneinander ab,
d
(x(vu′ − uv ′ )) + (α2 − β 2 )xuv = 0 (6.248)
dx
Die Integration von 0 bis c ergibt sich
∫ c [ ( )]c
dJν (βx) dJν (αx)
(α2 − β 2 ) xJν (αx)Jν (βx)dx = x Jν (αx) − Jν (βx) (6.249)
0 dx dx 0
= [x (βJν (αx)Jν′ (βx) − αJν (βx)Jν′ (αx))]0
c
(6.250)
Bei α = αk und β = αj (k ̸= j) ist die rechte Seite Null, da Jν (αk c) = 0 und Jν (αj c) = 0 bestehen.
Somit ∫ c
xJν (αk x)Jν (αj x)dx = 0 (6.251)
0
2.7 Laplace-Gleichung in Zylinderkoordinaten 147
und schreiben die Ableitung zweiter Ordnung Jν′′ (αc) mit Jν (αc) und Jν′ (αc) um. Die Gl. (6.253)
ist dann
c {
−Jν (αc)Jν′ (αc) − αc (Jν′ (αc)) −
2
2α ( ( ) )}
1 ′ ν2
αcJν (αc) J (αc) + 1 − 2 2 Jν (αc)
αc ν α c
{ ( ) }
c ′ 2 ν2 2
= αc (Jν (αc)) + αc 1 − 2 2 (Jν (αc)) (6.255)
2α α c
Die Ableitung erster Ordnung Jν′ (αc) wird mit der Rekursionsformel (Gl. 6.166) kombiniert. Die
rechte Seite der Gl. (6.255) ist dann
c2 ( ν ) 2 c2 ( ν2
)
2
−Jν+1 (αc) + Jν (αc) + 1 − 2 2 (Jν (αc))
2 αc 2 α c
Nun setzen wir α = αj (Nullstelle) ein. Da Jν (αj c) = 0 besteht, wird die Gl. (6.253) wie folgt
geschrieben:
∫ c
2 c2 2
x (Jν (αj x)) dx = (Jν+1 (αj c)) (6.256)
0 2
Somit erreichen wir die Gl. (6.244). Bei ν < −1 konvergiert das Integral in der Gl. (6.256) nicht.
∂ 2 u 1 ∂u 1 ∂2u ∂2u
2
+ + 2 2 + 2 =0 (6.257)
∂ρ ρ ∂ρ ρ ∂ϕ ∂z
Mit dem Ansatz der Variablentrennung, u = R(r)Φ(ϕ)Z(z), wird die Gl. (6.257)
( ′′ )
R 1 R′′ Z ′′ Φ′′
ρ2
+ + =− (6.258)
R ρ R Z Φ
Die Lösung der Gl. (6.259) wird als eimϕ ausdrückt, und m muss aufgrund der Periodizität mit
2π eine ganze Zahl sein. Wir evaluieren die Gl. (6.260) als Konstante −a2 ,
Z ′′ = a2 Z (6.261)
ρ2 R′′ + ρR′ + (a2 ρ2 − m2 )R = 0 (6.262)
Z sind die Exponetialfunktionen oder die hyperbolischen Funktionen. R sind die Bessel-Funktionen.
Die allgemeine Lösung der Laplace-Gleichung in Zylinderkoordinaten lautet
∑∞ ∫ ∞
( )
u= (b1 (m, a)Jm (aρ) + b2 (m, a)Ym (aρ)) eimϕ c1 (a)eaz + c2 (a)e−az da (6.263)
m=−∞ −∞
3 Hermite-Polynome
Die Hermite-Polynome Hn (x) bilden ein orthogonales System auf dem Intervall von −∞ bis ∞,
und treten bei der Analyse der Schrödinger-Gleichung für den harmonischen Oszillator auf. Das
Symbol H wird auch für die Hankel-Funktionen benutzt, und man sollte auf den Unterschied
aufpassen.
Wir fangen mit der Definition der erzeugenden Funktion an. Die Hermite-Polynome ergeben sich
2
als Koeffizienten der Taylor-Entwicklung der Funktion ez +2zx nach z:
∞
∑ zn
e−z
2
+2zx
= Hn (x) (6.264)
n=0
n!
Die Gl. (6.265) zeigt eine Rekursionsformel. Für den Beweis leiten wir die erzeugende Funktion
(6.264) nach z ab,
∞
∑ nz n−1
(−2z + 2x)e−z
2
+2zx
= Hn (x) (6.270)
n=0
n!
∑∞
zn
= Hn+1 (x) (6.271)
n=0
n!
Die linke Seite in der Gl. (6.270) kann wie folgt arrangiert werden:
∞
∑ ∑∞ ∑∞ ∑∞
zn zn zn zn
−2z Hn (x) + 2x Hn (x) = −2 Hn−1 (x) +2 xHn (x) (6.272)
n=0
n! n=0
n! n=1
(n − 1)! n=0
n!
Wir vergleichen den Koeffizienten von z n zwischen Gl. (6.271) und (6.272), und bekommen die
Rekursionsformel (Gl. 6.265). Die Gl. (6.266) wird durch die Ableitung der Erzeugenden Funktion
3.1 Fundamentale Eigenschaften 149
(Gl. 6.264) hergeleitet. Die Werte am Ursprung (Gl. 6.267 und 6.268) werden durch Einsetzen
von x = 0 in die Erzeugende Funktion (Gl. 6.264) und dann der Entwicklung in eine Potenzreihe
hergeleitet. Die Gl. (6.269) wird durch den Vorzeichenwechsel von z und x in der Gl. (6.264)
hergeleitet.
H0 (x) = 1 (6.273)
H1 (x) = 2x (6.274)
H2 (x) = 4x − 2 2
(6.275)
H3 (x) = 8x3 − 12x (6.276)
H4 (x) = 16x − 48x + 124 2
(6.277)
(6.278)
Die Grafik der Hermite-Polynome wird in der Fig. 6.9 gezeigt. Das Hermite-Polynom Hn (x) ist ein
Polynom n-ter Ordnung wie man in der Rekursionsformel (Gl. 6.265) sehen kann. Die Rodrigues-
Formel und die Potenzreihendarstellung werden wie folgt ausgedrückt:
2 dn −x2
Hn (x) = (−1)n ex e (6.279)
dxn
∑
[n/2]
n!
Hn (x) = (−1)l (2x)n−2l (6.280)
l!(n − 2l)!
l=0
Für den Beweis der Rodrigues-Formel (Gl. 6.279) leiten wir die erzeugende Funktion (Gl. 6.264)
n-fach nach z ab, und dann setzen wir z = 0 ein. Die rechte Seite der Gl. (6.264) ergibt Hn (x).
Die linke Seite kann wie folgt evaluiert werden:
Nun setzen wir k +l = n und transformieren die Summenoperationen über k und l auf die Summen
über n und l. Da l ≤ k und k = n − l sind, läuft die Summe über l von 0 bis [n/2]. Somit
∞ [n/2]
∑ ∑ (−1)l (2x)n−2l
e−z
2
+2zx
= zn (6.287)
n=0 l=0
l!(n − 2l)!
Hn′′ (x) = ′
2nHn−1 (x) (6.288)
= 2n(2n − 2)Hn−2 (x) (6.289)
Wir setzen n → n−1 in die Rekursionsformel (Gl. 6.265) ein, und kombinieren mit der Gl. (6.289),
ϕn (x) = e−x
2
/2
Hn (x) (6.293)
Die Gl. (6.294) ist im wesentlichen gleich der Schrödinger-Gleichung für den harmonischen Oszil-
lator in der Quantenmechanik.
Für den Beweis multiplizieren wir die Gl. (6.294) mit ϕm (x), tauschen die Indizen zwischen n und
m, und ziehen die zwei Gleichungen voneinander ab,
Wir prüfen die Normierung. Wir quadrieren die erzeugende Funktion (Gl. 6.264), multiplizieren
mit dem Gewicht e−x und integrieren über x. Aus der Orthogonalität (Hn , Hm ) = 0 (n ̸= m)
2
folgt
∫ ∞ ∑∞
(Hn , Hn ) 2n
e−x −2z +4zx dx =
2 2
z (6.302)
−∞ n=0
(n!)2
Die linke Seite ist die Integration einer Gauss-Funktion und kann analytisch evaluiert werden,
∫ ∞
√ 2z2
e−x −2x +4zx dx =
2 2
πe (6.303)
−∞
∞
√ ∑ 2n 2n
= π z (6.304)
n=0
n!
Der Vergleich des Koeffizienten von z 2n zwischen der Gl. (6.302) und (6.304) ergibt den Normie-
rungsfaktor.
3.3 Diskussion
Die Lösung der Hermite-Gleichung bei einer reellen Zahl ν ist wesentlich verschieden von der
Lösung bei einer ganzen Zahl n. Die Hermite-Gleichung ist bei ν
Wir prüfen das Verhalten der Lösung der Hermite-Gleichung bei einem großen Wert von x. Wir
drücken die Lösung y mit der Potenzreihe aus,
∞
∑
y= aj xc+j (6.306)
j=0
wobei a0 ̸= 0 ist. Wir setzen die Gl. (6.306) in Gl. (6.305) ein,
∞
∑ ∞
∑
aj+2 (c + j + 2)(c + j + 1)xc+j + 2 (ν − c − j)aj xc+j = 0 (6.307)
j=−2 j=0
4 Laguerre-Polynome
Die Laguerre-Polynome Ln (x) sowie die zugeordneten Laguerre-Polynome Lkn (x) treten bei der
Lösung der Schrödinger-Gleichung für das Wasserstoffatom auf. Die Laguerre-Polynome bilden
ein orthogonales System auf dem Intervall von 0 bis ∞.
4.1 Fundamentale Eigenschaften 153
Die erzeugende Funktion und die Rekursionsformeln der Laguerre-Polynome werden wie folgt
gegeben:
∞
∑
e−xz/(1−z) zn
= Ln (x) (6.322)
1−z n=0
n!
dn n −x
Ln (x) = ex (x e ) (6.323)
dxn
∑ (−1)l (n!)2
n
Ln (x) = xl (6.324)
(l!)2 (n − l)!
l=0
Ln+1 (x) = (2n + 1 − x)Ln (x) − n2 Ln−1 (x) (6.325)
xL′n (x) = nLn (x) − n2 Ln−1 (x) (6.326)
Ln (0) = n! (6.327)
Die Gl. (6.322) zeigt die erzeugende Funktion. Die Gl. (6.323) ist die Rodrigues-Formel. Sie lässt
sich durch die Cauchy-Integralformel herleiten,
I
n! e−xz/(1−z)
Ln (x) = dz (6.328)
2πi C (1 − z)z n+1
Die Integrationskontur ist dabei ein Kreis um den Ursprung z = 0 und der Radius ist kleiner als
eins. Wir führen die folgende Variablentransformation durch:
xz
=s−x (6.329)
1−z
oder
s−x
z= (6.330)
x
Die Laguerre-Polynome werden dann als Integral über s dargestellt,
I
n!ex sn e−s
Ln (x) = ds (6.331)
2πi C ′ (s − x)n+1
Die Kontur C ′ ist ein Kreis um x. Wir wenden die Cauchy-Integralformel auf die rechte Seite der
Gl. (6.331) an, und bekommen die Rodrigues-Formel (Gl. 6.323).
Die Polynomdarstellung (Gl. 6.324) wird aus der Ableitung der Rodgrigues-Formel (Gl. 6.323)
hergeleitet. Mit Hilfe der Leibniz-Formel (Gl. 6.87) folgt
dn n −x ∑
n
n!
ex (x e ) = ex n(n − 1) · · · (n − k + 1)xn−k (−1)n−k e−x (6.332)
dxn k!(n − k)!
k=0
∑n
(−1)n−k n! n!
= xn−k (6.333)
k!(n − k)! (n − k)!
k=0
∑n
(−1)l (n!)2 l
= x (6.334)
(n − l)!(l!)2
l=0
Die Rekursionsformel (Gl. 6.325) wird aus der erzeugenden Funktion hergeleitet. Wir schreiben
die erzeugende Funktion wie g(x, z), und nehmen den Logarithmus,
xz
log g = − − log(1 − z) (6.335)
1−z
154 Kapitel 6. Spezielle Funktionen
Für den Beweis der anderen Rekursionsformel (Gl. 6.326) benutzen wir die folgende Relation für
g:
∂g ∂g ∂
x −z = −z (zg) (6.337)
∂x ∂z ∂z
oder
1 ∂g 1 ∂g
x − (z − z 2 ) = −z (6.338)
g ∂x g ∂z
Die Gl. (6.327) wird aus der erzeugenden Funktion (Gl. 6.322) hergeleitet. Die ersten Laguerre-
Polynome sind
L0 (x) = 1 (6.339)
L1 (x) = −x + 1 (6.340)
L2 (x) = x2 − 4x + 2 (6.341)
L3 (x) = −x + 9x − 18x + 6
3 2
(6.342)
L4 (x) = x − 16x + 72x − 96x + 24
4 3 2
(6.343)
(6.344)
und die Grafik wird in der Fig. 6.10 gezeigt.
sind
I −xz/(1−z)
′ n! e
y = − dz (6.346)
2πi C (1 − z)2 z n
I
n! e−xz/(1−z)
y ′′ = dz (6.347)
2πi C (1 − z)3 z n−1
4.3 Zugeordnete Laguerre-Polynome 155
Wir setzen die Gl. (6.346) und (6.347) in die Gl. (6.345) ein und multiplizieren mit 2πi/n!,
I { } I { }
x 1−x n −xz/(1−z) d e−xz/(1−z)
− + x dz = − dz
(1 − z)3 z n−1 (1 − z)2 z n (1 − z)z n+1 dz (1 − z)z n
(6.348)
Entlang der Integrationskontur gibt es keine Bifurkation, und die Kontur ist eine geschlossene
Linie. Das Integral ergibt also Null, und damit sind die Laguerre-Polynome die Lösungen der Gl.
(6.345).
Die Rodrigues-Formel (Gl. 6.357) wird wie folgt hergeleitet: die rechte Seite mit Hilfe der Leibniz-
Regel nach Polynom entwickeln und dann vergleichen mit der Gl. (6.355). Die Rekursionsformel
(Gl. 6.358) wird wie folgt hergeleitet: den Logarithmus der erzeugenden Funktion nehmen,
xz
log g = − − (k + 1) log(1 − z) (6.361)
1−z
und dann nach z ableiten,
∂g
(1 − z)2 = (k + 1 − x − (k + 1)z) g (6.362)
∂z
Wir setzen die erzeugenden Funktion (Gl. 6.356) in g ein, und vergleichen die Koeffizienten von
zn.
Die andere Rekursionsformel (Gl. 6.359) wird wie folgt hergeleitet: den Logarithmus der erzeugen-
den Funktion nehmen; nach x ableiten,
1 ∂g z
=− (6.363)
g ∂x 1−z
und dann mit der Gl. (6.362) kombinieren,
∂g ∂g ∂
x −z = −z (zg) − kzg (6.364)
∂x ∂z ∂z
Wir setzen die Darstellung mit der erzeugenden Funktion (Gl. 6.356) ein, und vergleichen die
Koeffizienten von z n .
Die zugeordneten Laguerre-Polynome sind die Lösung der Laguerre-Gleichung (Gl. 6.365) und
haben die Orthogonalrelation sowie den folgenden Normierungsfaktor:
xy ′′ + (k + 1 − x)y ′ + ny = 0 (6.365)
∫ ∞ 3
((n + k)!)
e−x xk Lkm (x)Lkn (x)dx = δmn (6.366)
0 n!
∫ ∞ ( )2 ((n + k)!)
3
e−x xk+1 Lkn (x) dx = (2n + k + 1) (6.367)
0 n!
Die Gl. (6.365) wird wie folgt hergeleitet: Wir setzen n → n + k in der Gl. (6.345) und leiten k-fach
nach x ab.
Die Orthogonalrelation (6.366) bei n ̸= m wird wie folgt hergeleitet. Wir führen eine gewichteten
Funktion ψnk (x) ein,
ψnk (x) = e−x/2 xk/2 Lkn (x) (6.368)
Das ist die Lösung der folgenden Gleichung:
( )
x 2n + k + 1 k 2
x(ψnk )′′ + (ψnk )′ + − + − ψnk = 0 (6.369)
4 2 4x
k
Wir multiplizieren diese Gleichung mit ψm , tauschen die Indizes n und m, ziehen voneinander ab.
Bei n = m quadrieren wir die erzeugende Funktion (Gl. 6.356), multiplizieren mit dem Gewicht
xk e−x und integrieren von 0 bis ∞. Die Gl (6.367) wird wie folgt hergeleitet. Wir benutzen die Re-
kursionsformel (Gl. 6.358) und schreiben den Ausdruck xLkn im Integrand um. Dann kombinieren
wir mit der Orthogonalität (Lkn , Lkm ) = 0 bei n ̸= m.
4.3 Zugeordnete Laguerre-Polynome 157
Die Gl. (6.367) sowie die zugeordnete Laguerre-Gleichung treten bei der Analyse der radialen
Komponente der Schrödinger-Gleichung für das Wasserstoffatom auf. Wenn n keine ganze Zahl,
sondern eine reelle Zahl ν ist, sieht die Gleichung wie folgt aus:
xy ′′ + (k + 1 − x)y ′ + νy = 0 (6.370)
Die Lösung verhält sich wie ex aus der Grenzbetrachtung x → ∞, und ist nicht mehr normierbar.
Wie beim Problem des harmonischen Oszillators erfordert die Normierbarkeit die Quantisierung
der Wellenfunktion in der Quantenmechanik. Das Verhalten wie ex kann durch die Evaluation der
einzelnen Terme bei der Reihenentwicklung überprüft werden. Wenn n eine ganze Zahl ist, hört
die Reihenentwicklung mit einer endlichen Ordnung auf und die Reihe wird ein Polynom.
158 Kapitel 6. Spezielle Funktionen
Kapitel 7
Differentialgleichungen
• Man unterscheidet gewöhnliche und partielle Dgln. Treten partielle Ableitungen auf, wie in
der Wellengleichung (7.2), spricht man von partiellen Dgln.
Hängt f nur von einer Variablen ab, z.B. f (x), treten deshalb nur Ableitungen dx f, d2x f, . . .
auf und man spricht von einer gewöhnlichen Dgl.
• Zusätzlich unterscheidet man lineare und nichtlineare Dgln.
Ist ψ eine lineare Funktion, so heißt die Relation lineare Dgl.
Beispiele für lineare Dgln sind die Wellengleichung (7.2) oder
f ′′ + αf ′ + βf = g(x)
Ein Beispiel für eine explizite Dgl. ist die Ricatti Dgl. (7.3).
Ein Beispiel für eine implizite Dgl. ist:
f ′ + a(x) ln f ′ = b(x)f
u′ + αu + βv = g(x)
′
v + γu + δv = h(x)
Dies ist ein System zweier gewöhnlicher linearer Dgln.
• Bemerkungen zur Lösbarkeit von Dgln.
Es gibt keine allgemeine Lösungs-theorie.
Für einige Klassen von Dgln. gibt es Existenz- und Eindeutigkeitssätze.
Für wenige Klassen von Dgln. gibt es Strategien zur Auffindung einer analytischen Lösung.
Für wichtige Dgln. der Physik sind analytische Lösungen bekannt.
Viele Dgln., die sich nicht analytisch lösen lassen, kann man numerisch lösen. (Mehr dazu in
der Vorlesung Computational Physics“).
”
• Bedeutung von Dgln.
Viele wesentliche physikalische Theorien werden in Form von Dgln. formuliert.
In der Klassischen Mechanik (Newton-Theorie):
mr̈ = K(r, ṙ, t). (7.5)
Die Newton-Bewegungsgleichung (7.5) ist ein System von gewöhnlichen nichtlinearen Dgln.
2. Ordnung für r(t).
In der Klassischen Elektrodynamik (Maxwell-Theorie):
∂r × H = ∂t D + j (7.6)
∂r × E = −∂t B (7.7)
∂r B = 0 (7.8)
∂r D = ρ (7.9)
Die Maxwell-Glgn (7.6)-(7.9) sind ein System von partiellen linearen Dgln. 1. Ordnung für
E(r, t), B(r, t), D(r, t), H(r, t).
In der Allgemeinen Relativitätstheorie (Einstein-Theorie):
1
Rij − gij R = κTij (7.10)
2
Dies ist ein System von partiellen nichtlinearen Dgln. 2. Ordnung für den metrischen Tensor
gij , i, j, . . . = 1, . . . , 4. Dabei sind Rij und R gewisse Verjüngungen des Krümmungstensors
Rijkl , und Tij ist der Energie-Implus Tensor.
In der Quantentheorie (Schrödinger Gleichung):
( )
ℏ2
− ∆ + V̂ ψ = iℏ∂t ψ (7.11)
2m
Die Schrödinger Gleichung (7.11) ist eine lineare partielle Dgl. für die ψ-Funktion ψ(r, t).
2 Gewöhnliche Differentialgleichungen 161
2 Gewöhnliche Differentialgleichungen
• Die allgemeine Form einer linearen gewöhnlichen Dgl. 1. Ordnung ist gegeben durch:
(7.12) ist ein linearer Ausdruck in y ′ und y. Der Koeffizient a(x) ist im allgemeinen nicht
konstant. b(x) ist die sogenannte Inhomogenität der Dgl.
y ′ + ay = 0 (7.13)
y ′ + ay = b,
also insgesamt:
y(x) = yh (x) + yi (x) (7.14)
y ′ + ay = 0
dy
= −a(x)y
dx
dy
= −a(x) dx
y
∫y ∫x
dỹ
= − a(x̃) dx̃
ỹ
c x0
∫x
ln y − ln c = − a(x̃) dx̃
x0
∫x
− a(x̃) dx̃
x0
y = ce (7.15)
y ′ + ay = b (7.16)
162 Kapitel 7. Differentialgleichungen
Entweder: Falls a(x) und b(x) konkret gegeben sind, kann yi gegebenenfalls erraten werden.
z.B.
2 1
y′ + y = 2
x x
1 1
↷ yi = , denn yi′ = − 2
x x
Oder: Man benutzt das Verfahren Variation der Konstanten“.
”
Dazu geht man von der homogenen Lösung
∫x
− a(x̃) dx̃
x0
yh = c e
aus und macht den Ansatz
∫x
− a(x̃) dx̃
x0
yi = c(x) e (7.17)
∫x ∫x ∫x
− a dx̃ − a dx̃ − a dx̃
↷ yi′ = c e ′ x0
− ac e x0 ′
=c e x0
− ayi
∫x
− a dx̃
↷ yi′ + ayi = c′ e x0
= b(x)
∫x
a dx̃
′ x0
c = b(x) e (7.18)
∫x ∫x̃
˜
( ) − x a dx̃
c = ˜ e 0
b x̃ ˜
dx̃ (7.19)
x0
Da nur eine spezielle Lösung yi benötigt wird, wählen wir die Integrationskonstanten genau
so, wie angegeben:
∫x −
∫x̃
˜
a(x̃) dx̃ −
∫x
a(x̃) dx̃
↷ yi = b(x̃) ˜ e x0 ˜ · e x0
dx̃ (7.20)
x0
y = c + b(ξ)ex0 dξ e x0 (7.21)
x0
˜ = ξ, x̃ = ζ.
mit der Umbenennung der Integrationsvariablen x̃
y ist offensichtlich nicht eindeutig bestimmt, da c eine beliebige Integrationskonstante ist.
Wir fordern eine Anfangsbedingung“
”
y(x0 ) = y0 , (7.22)
um eine eindeutige Lösung zu erhalten. In der Physik liegen Anfangsbedingungen in der
Regel sowieso vor.
↷ y(x0 ) = c (7.23)
∫x ∫ξ
a(ζ) dζ −
∫x
a(ζ) dζ
↷ y = y0 + b(ξ)ex0
e x0
(7.24)
x0
ist nun die eindeutige Lösung der Dgl. (7.12) mit der Anfangsbedingung (7.23).
Zum Beweis der Eindeutigkeit wird hier auf Vorlesungen der Mathematik verwiesen.
2.1 Differentialgleichungen 1. Ordnung 163
Es existiert keine allgemeine Lösungsmethode. Es gibt aber unzählige Spezialfälle, die einfach
lösbar sind. Siehe dazu auch [Kam62].
• Wir behandeln zunächst eine eingeschränkte Situation und nehmen an, daß f separierbar
ist. Dann folgt:
f (x, y) = g(x) · h(y) (7.26)
dy
y ′ = g(x) · h(y) =
dx
dy
= g(x) · dx
h(y)
∫y ∫x
dỹ
= g(x̃) dx̃
h(ỹ)
c x0
• Beispiel:
x
y′ = −
y
Die Gleichung ist nichtlinear, aber separierbar.
y dy = −x dx
∫y ∫x
ỹ dỹ = − x̃ dx̃
c x0
2 2
y c x2 x2
− = − + 0
2 2 2 2
y 2 + x2 = c2 + x20
c2 + x20 = r02
y 2 + x2 = r02
Die Lösung der Dgl ist also ein Kreis mit dem Radius r0 .
r0 wird jetzt durch die Anfangsbedingung festgelegt:
Substitution:
y
z= = y 1−α ↷ y = z · yα
yα
1
z ′ = (1 − α)y −α y ′ ↷ y′ = z′ yα
1−α
1
z ′ y α + azy α = by α
1−α
y = z·x
y′ = z′x + z
z′x + z = f (z)
f (z) − z
z′ = (separable Dgl.)
x
0 = P dx + Q dy (7.31)
Wenn ∂y P = ∂x Q gilt, dann existiert eine Funktion f (x, y) mit
P = ∂x f , Q = ∂y f (7.32)
f (x, y) = c
df = ∂x f dx + ∂y f dy = 0
q.e.d.
2.1 Differentialgleichungen 1. Ordnung 165
Dabei ist g(y) eine Integrationskonstante“, bezüglich der x-Integration, die aber i.a. noch
”
von y abhängt. Wir setzen P in (7.33) ein:
∫
f (x, y) = P dx + g(y) (7.34)
∫
↷ ∂y g = Q − ∂y P dx (7.35)
↷ g(y).
Beispiel:
y dy
y′ = − =
x dx
y dx + x dx = 0
∂y y = ∂x x = 1 ↷ Exaktheit erfüllt
∫
f (x, y) = y dx + g(y) = xy + g(y)
∂y f = x + ∂y g = Q = x ↷ ∂y g = 0
↷ g = c̃
↷ f (x, y) = xy + c̃ = c̃˜
↷ xy = c
c
↷ y = ist Lösung
x
Auffinden von f: Variante 2
Man kann f auch durch Integration entlang einens Hakens“ finden:
”
yo
xo x
∫ ∫x ∫y
f (x, y) = df = ∂x f (x̃, y0 ) dx̃ + ∂y f (x, ỹ) dỹ (unterer Weg) ≡ (7.36)
x0 y0
166 Kapitel 7. Differentialgleichungen
oder
∫ ∫x ∫y
f (x, y) = df = ∂x f (x̃, y) dx̃ + ∂y f (x0 , ỹ) dỹ (oberer Weg) ≡ (7.37)
x0 y0
y dx + x dy = 0
∫x ∫y
f (x, y) = y0 dx̃ + x dỹ
x0 y0
= y0 (x − x0 ) + x(y − y0 )
= y0 x + xy − xy0 − x0 y0
f (x, y) = xy + c̃ (das gleiche Ergebnis wie oben!)
Wenn für P dx + Q dy = 0
∂y P ̸= ∂x Q
gilt, kann nach einem integrierenden Faktor µ(x, y) gesucht werden, mit dem die Dgl. zu
einer exakten gemacht werden kann.
Multiplikation mit µ führt auf
µP dx + µQ dy = 0, (7.38)
was äquivalent zur obigen Dgl. ist.
Exaktheit gilt für
∂y (µP ) = ∂x (µQ) . (7.39)
Ein geeignetes µ kann entweder erraten oder explizit bestimmt werden über:
∂y (y) = 1 ̸= ∂x (−x) = −1
Die Dgl. ist also nicht exakt; wir suchen deshalb einen integrierenden Faktor:
µy dx − µx dy = 0
!
∂y (µy) = ∂x (−µx)
1
µ =
x2
1
oder µ =
y2
1
oder µ =
xy
Wir wählen µ = 1
xy : ↷ 1
x dx − 1
y dy = 0
∫
1
f (x, y) = dx + g(y)
x
f (x, y) = ln x + g
1
∂y f = ∂y g = −
y
↷ g = − ln y + c
x
f (x, y) = ln + c3 = c2
y
x
= c4
y
↷ y = cx
Beispiel 2:
y 2 + x2 − 2x
y′ =
2y
( )
2x − x2 − y 2 dx + 2y dy = 0
( )
∂y 2x − x2 − y 2 = −2y ̸= ∂x (2y) = 0
Die Dgl. ist also nicht exakt; wir suchen deshalb einen integrierenden Faktor:
( )
Q∂x µ − P ∂y µ + (∂x Q − ∂y P ) = 0 = 2y∂x µ − 2x − x2 − y 2 ∂y µ + 2yµ
Ansatz:
∂y µ = 0
∂x µ + µ = 0 ↷ µ = e−x
( )
e−x 2x − x2 − y 2 dx + e−x 2y dy = 0
∂y (. . .) = −2y e−x = ∂x (. . .)
168 Kapitel 7. Differentialgleichungen
y ′′ + p1 y ′ + p2 y = 0 (7.43)
y ′′ + p1 y ′ + p2 y = q (7.44)
c1 y1 (x) + c2 y2 (x) = 0
y1 (x) y2 (x)
W (x) := (7.45)
y1′ (x) y2′ (x)
Beweis:
Für lineare Unabhängigkeit von y1 und y2 muß zumindest
y1 c1 + y2 c2 = 0 (7.46)
gelten. Differentiation nach x ergibt eine weitere Gleichung
y1 ′ c1 + y2 ′ c2 = 0 (7.47)
(7.46) und (7.47) stellen ein algebraisches Gleichungssystem zur Bestimmung von c1 und c2
dar. Wenn die Koeffizientendeterminante nicht verschwindet, existiert nur die triviale Lösung
c1 = c2 = 0. Die Koeffizientendeterminante ist aber gerade die Wronski-Determinante.
Nichtverschwindende Wronski-Determinante impliziert somit c1 = c2 = 0. Dann sind y1 und
y2 aber linear unabhängig.
q.e.d.
= q(x)
Die Dgl. liefert nur eine Bedingung für c′1 , c′2 . Eine zweite Bedingung kann also willkürlich
gewählt werden. Wir wählen
c′1 y1 + c′2 y2 = 0 (7.50)
Es verbeiben dann die Gleichungen:
c′1 y1 + c′2 y2 = 0 (7.51)
c′1 y1′ + c′2 y2′ = q (7.52)
1 0 y2
↷ c′1 = ↷ c1 (x) (7.53)
W q y2′
1 y1 0
↷ c′2 = ↷ c2 (x) (7.54)
W y1′ q
170 Kapitel 7. Differentialgleichungen
• Wir beschränken jetzt p1 und p2 auf im allgemeinen komplexe Konstanten. Dadurch verein-
facht sich das Finden der Lösung stark.
• Die Dgl. hat die allgemeine Form:
y ′′ + p1 y ′ + p2 y = q(x) (7.58)
• Im Fall p1 = const und p2 = const kann das Fundamentalsystem einfach konstruiert werden.
Wir betrachten die homogene Dgl.
y ′′ + p1 y ′ + p2 y = 0 (7.59)
√(
p1 p 1 )2
r1/2 =− ± − p2 (7.61)
2 2
Dabei sind r1/2 i.a. komplex.
r1 = r = a + ib
r2 = r̄ = a − ib
haben, lässt sich das Fundamentalsystem reellwertig machen. Das komplexe Fundamental-
system ist in diesem Fall zunächst
y1 und y2 müssen Lösungen der Dgl. sein. Für y1 ist dies klar, da y1 als Lösung konstruiert
wurde. Wir überprüfen jetzt, ob auch y2 eine Lösung der Dgl. ist.
Einsetzen ergibt
y2 ist also auch Lösung der Dgl. Jetzt muss noch überprüft werden, ob y1 und y2 linear
unabhängig sind:
erx x erx
W = = e2rx (1 + rx − rx) = e2rx ̸= 0
r erx (1 + rx) erx
Die Lösungen sind also auch linear unabhänging und bilden so ein Fundamentalsystem.
q.e.d.
• Beispiel:
y ′′ + y = x2
Fundamentalsystem:
y ′′ + y = 0, y = erx
r +12
= 0, r = ±i
y1∗ = eix
y2∗ = e−ix
y1 = cos x
y2 = sin x
y = c1 cos x + c2 sin x + x2 − 2
y(0) = c1 − 2 = 1 ↷ c1 = 3
′
y (0) = c2 = 0
y(x) = 3 cos x + x2 − 2
2.2 Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung 173
• Wir demonstrieren die Anwendbarkeit von Integraltransformationen für die Lösung von
Dgln. an einem Beispiel:
y ′′ − 2y ′ + y = x3 ex
y(0) = 0 , y ′ (0) = 0
• Gesucht ist y(x) für x > 0. Es ist also naheliegend die Laplace Transformation zu verwenden.
∫∞
T̂L y = Y : Y (ω) = y(x) e−ωx dx
0
∫
c+i∞
1
T̂L−1 Y =y: y(x) = Y (ω) eωx dω
2πi
c−i∞
• Wir wenden jetzt die Laplace-Transformation auf die gesamte Dgl. an. Wegen der Linearität
von T̂L gilt:
T̂L (y ′′ − 2y ′ + y) = T̂L y ′′ − 2T̂L y ′ + T̂L y = T̂L x3 ex (7.68)
∫∞
↷ ω Y − 2ωY + Y
2
= x3 ex e−ωx dx ; Re(ω) > 1
0
∫∞ ∫∞
3 −(ω−1)x 1 6
x e dx = y 3 e−y dy =
(ω − 1)4 (ω − 1)4
0 0
( ) 6
ω 2 − 2ω + 1 Y =
(ω − 1)4
6 6
Y (ω) = =
(ω 2 − 2ω + 1) (ω − 1)4 (ω − 1)6
∫
c+i∞
1 6
y(x) = eωx dω ; c>1
2πi (ω − 1)6
c−i∞
• Für nichtkonstante p1 und p2 gibt es keinen elementaren Weg, das Fundamentalsystem der
Gleichung y ′′ + p1 (x)y ′ + p2 (x)y = 0 zu bestimmen. Wenn p1 (x) und p2 (x) analytisch sind,
können sie in Potenzreihen entwickelt werden; dann kann man einen Potenzreihenansatz für
y(x) benutzen.
y ′′ + xy = 0 (p1 = 0 , p2 = x) (7.69)
bestimmen.
Dazu wird als Ansatz ein Potenzreihe um x0 = 0 verwendet:
∞
∑
y = an xn (im Konvergenzgebiet) (7.70)
n=0
∑∞ ∞
∑
↷ y′ = nan xn−1 = nan xn−1 (7.71)
n=0 n=1
∑∞ ∞
∑
y ′′ = n(n − 1)an xn−2 = n(n − 1)an xn (7.72)
n=0 n=2
Jetzt wird n′ in n umbenannt und der Summand für n′ = −1 von der linken Summe abge-
spalten.
∞
∑
2 · a2 + {(n + 3)(n + 2)an+2 + an } xn+1 = 0
n=0
Über Koeffizientenvergleich werden die an bestimmt. In diesem Fall ist die rechte Seite ≡ 0,
deshalb müssen die Koeffizienten aller Potenzen von x verschwinden.
x0 : 2 · a2 = 0 ↷ a2 = 0
1
x : 3 · 2 · a3 + a0 = 0 ↷ a3 = − 2·3
1
a0
..
.
xn+1 : (n + 3)(n + 2)an+2 + an = 0 ↷ an+3 = − (n+2)(n+3)
an
n = 0, 1, 2, . . .
↷
a0 = c1 beliebig a5 = 0
c1
a1 = c2 beliebig a6 = + 2·3·5·6
c2
a2 = 0 a7 = + 3·4·6·7
a3 = − 2·3
c1
u.s.w.
a4 = − 3·4
c2
2.2 Lineare Differentialgleichungen 2. Ordnung 175
Der Potenzreihenansatz ist für viele Dgln. der Mathematischen Physik erfolgreich.
Die erhaltenen Potenzreihen definieren neue Funktionen. Beispiele folgen.
• Legendre-Dgl.
2x ′ k(k + 1)
y ′′ − y − y=0 (7.76)
1 − x2 1 − x2
k ist dabei ganzzahlig. Die Lösungen der Dgl. sind die Legendre-Polynome
1 ( )k
Pk (x) = dkx x2 − 1 (7.77)
2k k!
Diese Dgl. tritt besonders bei kugelsymmetrischen Problemen auf.
• Hermite-Dgl.
y ′′ − 2xy ′ + 2ky = 0 (7.78)
k ist dabei ganzzahlig. Die Lösungen der Dgl. sind die Hermite-Polynome
• Bisher haben wir eine Dgl. betrachtet und nach einer Funktion y(x) als Lösung gesucht.
Jetzt betrachten wir mehrere verkoppelte Dgln. und suchen ein Funktionen-Tupel y(x) als
Lösung.
( )
u(x)
• Beispiel: 2 Dgln. für y(x) =
v(x)
(u′ )2 + u · v = ex
v ′′ + ln u = sin x
• Lösungsversuche:
1. Entkopplung, z.B.
′′
u = esin x−v
′′
u′ = esin x−v (cos x − v ′′′ )
Durch Einsetzen läßt sich eine entkoppelte Dgl. 3. Ordnung für v erzeugen.
′′ ′′
(cos x − v ′′′ ) + v esin x−v = ex
2
e2(sin x−v )
↷ (u′ )2 + u · v = ex
w′ + ln u = sin x
v′ = w
bzw. in expliziter Form
√
u′ = ± ex − u · v
v′ = w
′
w = sin x − ln u.
Die Lösung dieser Systeme ist i.a. nur numerisch möglich. Der Ansatzpunkt für ein
numerisches Standardverfahren (Runge-Kutta-Verfahren) ist die explizite Form eines
Systems von Dgln. 1. Ordnung. (vgl. Vorlesung Computational Physics“).
”
Differentialgleichungen höherer Ordnung lassen sich in ein System von Dgln. 1. Ordnung überführen.
und fordern
y ≡ z1
′
y = z1 ′ = z2
y ′′ = z2 ′ = z3
y ′′′ = z3 ′ = z4 (7.84)
..
.
y (n−1) = zn−1 ′ = zn
y (n) = zn ′
Es entstehen also n Dgln. 1. Ordnung für z1 , . . . , zn :
z1 ′ = z2
′
z2 = z3
..
. (7.85)
′
zn−1 = zn
′
zn = f (zn , zn−1 , . . . , z2 , z1 , x)
z ′ = F (z, x) (7.86)
z′ + a z = 0 (7.92)
und z i (x) eine spezielle Lösung des inhomogenen Systems (7.89) sind.
• Die Lösung des homogenen Systems hat die Form
∑
n
zh = cα z α (7.93)
α=1
Dabei sind die z α Fundamentallösungen von (7.92). Der Index α ist hier hochgesetzt, um
jegliche Verwechslung mit dem unten stehenden Komponentenindex in (7.90) auszuschließen.
• Lösung des inhomogenen Systems
Variation der Konstanten führt wiederum zum Ziel. Der Ansatz dazu ist:
∑
n
zi = cα (x)z α (7.94)
α=1
Es folgt ∑( )
zi′ = cα ′ z α + cα z α ′
α
∑( ) ∑
cα ′ z α + cα z α ′ + a cα z α = q
α α
∑
cα ′ z α + cα zα′ + a zα = q
α | {z }
=0
z · c1 + z · c2 + · · · + z n · cn ′
1 ′ 2 ′
= q (7.95)
Dies ist ein lineares System algebraischer Gleichungen für c1 ′ , . . . , cn ′ . Auflösen läßt es sich
z.B. mit der Cramer-Regel:
– Substitutionen
– Potenzreihen
– Im Fall von aαβ = const existert ein Algorithmus!
• Bestimmung des Fundamentalsystems {z α } für den Fall aαβ = const, also für ein System
von Dgln. 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten.
Der grundlegende Gedanke ist eine Diagonalisierung von a durch Hauptachsentransformation
und damit eine Entkoppelung der Dgln.
Man verwendet den Ansatz
z α (x) = ζ α e−λα x ; (7.97)
dabei sind
– λα die Eigenwerte von a
– und ζ α die Eigenvektoren von a.
Die λα und ζ α sind zunächst aus der Eigenwertgleichung
a ζ α = λα ζ α
∑
n
zh = cα ζ α e−λα x (7.99)
α=1
z(x0 ) = z0 (7.100)
z(x0 ) = z h (x0 ) + z i (x0 )
∑
z0 = cα ζ α e−λα x0 + z i (x0 ) (7.101)
α
Dies ist ein lineares algebraisches Gleichungssystem für cα , das die Lösung eindeutig be-
stimmt.
3 Partielle Differentialgleichungen
Es gibt drei Arten der linearen partiellen Differentialgleichungen zweiter Ordnung: Laplace-Gleichung
(oder Poisson-Gleichung), Wellengleichung und Wärmeleitungsgleichung. Die Laplace-Gleichung
180 Kapitel 7. Differentialgleichungen
Die Laplace-Gleichung hat keine zeitliche Ableitung, sondern nur räumliche Ableitungen zwei-
ter Ordnung. Lösungen der Laplace-Gleichung werden als harmonische Funktion bezeichnet. Die
Poisson-Gleichung tritt bei der Ermittlung des Potentials mit der Quelle (Ladungsverteilung für
das elektrostatische Potential; Massenverteilung für das Gravitationspotential) auf,
∂2u ∂2u
+ 2 = −ρ(x, y) (7.103)
∂x2 ∂y
Wenn keine Quelle oder Ladung im Problemgebiet existiert, reduziert sich die Poisson-Gleichung
auf die Laplace-Gleichung.
Die Wellengleichung beschreibt ebene Wellen, und hat zeitliche und räumliche Ableitungen zweiter
Ordnung,
1 ∂2u ∂u2
2 2
= (7.104)
c ∂t ∂x2
Die Wellen breiten sich mit der Geschwindigkeit c aus.
Die Wärmeleitungsgleichung oder Diffusionsgleichung hat die zeitliche Ableitung erster Ordnung
und die räumliche Ableitung zweiter Ordnung,
∂u ∂2u
= κ 2 + q(x) (7.105)
∂t ∂x
Dies beschreibt eine räumliche Verteilung von u wie z.B. Temperaturverteilung auf einem Draht
und ihre zeitliche Entwicklung. Der Term q(x) stellt eine Wärmequelle oder -produktion an der
Stelle x dar. Wenn es keine Wärmeproduktion gibt, setzt man q(x) = 0. Der Koeffizient κ wird
als Diffusionskoeffizient bezeichnet, und trägt die Information, wie schnell sich das Feld wegen des
Diffusionseffekts räumlich verbreitert. Im stationären Zustand fällt die zeitliche Ableitung weg,
und die Wärmeleitungsgleichung reduziert sich auf die Laplace-Gleichung.
Im allgemein ist die Existenz der Lösung (oder analytische Lösung) der partiellen Differentialglei-
chung nicht garantiert, aber für lineare partielle Differentialgleichungen gibt es Methoden für das
Auffinden der Lösung wie die Variablentrennung oder die Fourier-Analyse. Explizite Lösungen der
Gl. (7.102)-(7.105) hängen von der Randbedingung und der Anfangsbedingung ab, und diese Art
der Aufgabe wird als Randwertproblem bezeichnet.
Die Laplace- oder die Poisson-Gleichung wird aus der Analogie mit der Ellipsengleichung
x2 y2
+ =1 (7.106)
a2 b2
als elliptische partielle Differentialgleichung bezeichnet. Ebenfalls wird die Wellengleichung aus
der Analogie mit der Hyperbelgleichung
x2 y2
− =1 (7.107)
a2 b2
als hyperbolische partielle Differentialgleichung; und die Wärmeleitungsgleichung aus der Analogie
mit der Parabelgleichung
y = ax2 + b (7.108)
als parabolische partielle Differentialgleichung bezeichnet.
3.2 Laplace-Gleichung 181
3.2 Laplace-Gleichung
Die zweidimensionale Laplace-Gleichung auf dem Gebiet 0 < x < a und 0 < y < b ist
∂2u ∂2u
+ 2 =0 (7.109)
∂x2 ∂y
u(0, y) = 0 (7.110)
u(a, y) = 0 (7.111)
u(x, 0) = f (x) (7.112)
u(x, b) = 0 (7.113)
Wir lösen die Laplace-Gleichung mit dem Ansatz der Variablentrennung. Die partielle Differen-
tialgleichung wird damit auf gewöhnliche Differentialgleichungen umgeschrieben, die leichter zu
lösen sind. Der Ansatz lautet
u(x, y) = X(x) Y (y) (7.114)
Die Laplace-Gleichung ergibt dann
oder
X ′′ (x) Y ′′ (y)
=− (7.116)
X(x) Y (Y )
Wir evaluieren die Gl. (7.116) mit einer Konstante −λ2 ,
Die Lösungen der Gl. (7.117) für X(x) sind trigonometrische Funktionen: sin(λx), cos(λx) und
ihre Linearkombination. Die Randbedingung ist X(0)Y (y) = 0 und X(a)Y (y) = 0, deshalb muss
die Funktion X(x) die Bedingung X(0) = X(a) = 0 erfüllen. Die Lösung für X(x) ist somit eine
Sinus-Funktion, ( nπx )
X(x) = sin (n = 1, 2, · · · ) (7.119)
a
Die Konstante λ ist dabei
nπ
λ= (7.120)
a
182 Kapitel 7. Differentialgleichungen
Die Gl. (7.117) ist linear und hat einen Freiheitsgrad bezüglich der Multiplikation von X(x) mit
einer Konstante. Die Lösung der Gl. (7.118) für Y (y) ist eine Linearkombination der Exponen-
tialfunktionen eλy und e−λy . Aus der Randbedingung Y (b) = 0 (Gl. 7.113) wird Y (y) wie folgt
geschrieben:
eλb e−λy − e−λb eλy
Y (y) = (7.121)
2
= sinh (λ(b − y)) (7.122)
Die Lösung für Y (y) hat ebenfalls einen Freiheitsgrad bezüglich der Multiplikationskonstante. Wir
kombinieren X(x) und Y (y) mit dem Index n
( nπx ) ( nπ )
Xn (x)Yn (y) = sin sinh (b − y) (7.123)
a a
wobei n eine ganze Zahl ist. Die Randbedingung u(x, 0) = f (x) muss noch für die Ermittlung
der Lösung berücksichtigt werden. Dafür gibt es eine Strategie: Wir benutzen die Lösungen unter
der homogenen Randbedingung u(x, 0) = 0 als Ansatz und bestimmen die Koeffizienten für die
Lösungen unter der inhomogenen Randbedingung u(x, 0) = f (x).
Da die Laplace-Gleichung linear ist, ist die Linearkombination von Xn (x)Yn (y) auch eine Lösung,
∞
∑ ( nπx ) ( nπ )
u(x, y) = An sin sinh (b − y) (7.124)
n=1
a a
Der Freiheitsgrad für X(x) und Y (y) ist im Koeffizienten An enthalten. Nun setzen wir die Rand-
bedingung u(x, 0) = f (x),
∑∞ ( nπx ) ( )
nπb
f (x) = An sin sinh (7.125)
n=1
a a
( )
Die Gl. (7.125) kann als Fourier-Reihe von f (x) betrachtet werden. Der Koeffizient von sin nπxa
wird wie folgt bestimmt:
( ) ∫ ( nπx )
nπb 2 a
An sinh = f (x) sin dx (7.126)
a a 0 a
Die Gl. (7.124) erflüllt damit alle Randbedingungen und ist die Lösung in der endgültigen Form.
Die Laplace-Gleichung kann auf einem unbegrenzten Gebiet in der x-Richtung gelöst werden. Die
Randbedingung bezüglich der y-Richtung ist (Fig. 2):
u(x, 0) = 0 (7.127)
u(x, b) = f (x) (7.128)
Die Methode der Variablentrennung ist hierbei auch gültig, aber der Parameter λ kann eine be-
liebige Zahl sein und die Lösung wird als Integration über λ gegeben,
∫ ∞
1 ( )
u(x, y) = √ A(λ)eλy + B(λ)e−λy eiλx λ (7.129)
2π −∞
Die Randbedingung (Gl. 7.127-7.128) ist dann
∫ ∞
1
√ (A(λ) + B(λ)) eiλx = 0 (7.130)
2π −∞
∫ ∞
1 ( )
√ A(λ)eλb + B(λ)e−λb eiλx dλ = f (x) (7.131)
2π −∞
3.3 Poisson-Gleichung 183
Abbildung 7.2: Gebiet ohne Grenze in der x-Richtung und mit Grenze in der y-Richtung.
Da die Integration von −∞ bis ∞ läuft, können die zwei Integrationsterme mit eiλx und e−iλx
auf eine Integration mit eiλx zusammen gepackt werden.
Die Gl. (7.130) besteht bei einem beliebigen Wert von x, also B(λ) = −A(λ). Die Gl. (7.131) wird
∫ ∞
1
f (x) = √ 2A(λ) sinh(bλ)eiλx dx (7.132)
2π −∞
oder ∫ ∞
1
2A(λ) sinh(λb) = √ f (x)e−iλx dx (7.133)
2π −∞
Die Lösung (Gl. 7.135) erflüllt die Randbedingung. Das kann man durch Einsetzen von y = b und
der Fourier-Darstellung der Deltafunktion überprüfen.
3.3 Poisson-Gleichung
Die Poisson-Gleichung auf einem begrenzten Gebiet 0 < x < a, 0 < y < b ist
∂2u ∂2u
+ 2 = −ρ(x, y) (7.136)
∂x2 ∂y
und die Randbedingung ist
u(0, y) = 0 (7.137)
u(a, y) = 0 (7.138)
u(x, 0) = 0 (7.139)
u(x, b) = 0 (7.140)
Die Strategie ist die folgende. Wir suchen nach den Lösungen der homogenen Gleichung unter
der gegebenen Randbedingung; bilden eine Linearkombination aus den Lösungen; benutzen sie
als Ansatz für die Lösung der inhomogenen Gleichung und bestimmen die Koeffizienten aus der
184 Kapitel 7. Differentialgleichungen
( ) ( )
Randbedingung. Aus der Methode der Variablentrennung ist die Funktion sin mπx
a sin nπy
b eine
Lösung der homogenen Gleichung. Wir bilden eine Linearkombination als Ansatz für u(x, y) mit
den Koeffizienten Amn ,
∞ ∑
∑ ∞ ( mπx ) ( nπy )
u(x, y) = Amn sin sin (7.141)
m=1 n=1
a b
Die Gl. (7.142) kann als Doppel-Fourier-Reihe von ρ(x, y) bezüglich x und y betrachtet werden.
lπy
Wir multiplizieren die Gl. (7.142) mit sin( kπx
a ) sin( b ) und bestimmen den Koeffizienten Amn .
Dazu integrieren wir über das Gebiet 0 < x < a und 0 < y < b. Hierbei benutzen wir die folgende
Relation: {
∫ a ( mπx ) ( ) a
kπx 2 m=k
sin sin dx = (7.143)
0 a a 0 m ̸= k
also ( ) ∫ ∫ ( ) ( )
a b
k2 π2 l2 π 2 4 kπx lπy
+ Akl = ρ(x, y) sin sin dy dx (7.144)
a2 b2 ab 0 0 a b
Einsetzen in die Gl. (7.141) ergibt die Lösung in der folgenden Form:
∞ ∑
∑ ∞
1 4
u(x, y) = ( ) ×
π 2 m2 + n2 ab
m=1 n=1 a2 b2
(∫ ∫ )
a b ( mπv ) ( nπw ) ( mπx ) ( nπy )
ρ(v, w) sin sin dw dv sin sin (7.145)
0 0 a b a b
∂ 2 G(x, y; x0 , y0 ) ∂ 2 G(x, y; x0 , y0 )
+ = −δ(x − x0 )δ(y − y0 ) (7.150)
∂x2 ∂y 2
3.4 Wellengleichung 185
Die Green-Funktion stellt ein Potential dar, das durch eine Punktladung oder -quelle erzeugt wird.
Im allgemeinen kann die Quelle eine kontinuierliche Verteilung der Ladung oder der Masse sein.
In solchem Fall wird das Potential als Integration der Punktquellen mit der Green-Funktion wie
in der Gl. (7.146) gegeben. Einsetzen der Gl. (7.147) in die Gl. (7.150) ergibt
4 ∑∑
∞ ∞ ( mπx ) ( nπy ) ( mπx ) ( nπy )
0 0
sin sin sin sin = δ(x − x0 )δ(y − y0 ) (7.151)
ab m=1 n=1 a b a b
2 ∑
∞ ( mπx ) ( mπx )
0
sin sin = δ(x − x0 ) (7.152)
a m=1 a a
2∑
∞ ( nπy ) ( nπy )
0
sin sin = δ(y − y0 ) (7.153)
b n=1 b b
multiplizieren die linke Seite der Gl. (7.152) mit f (x) (Gl. 7.154) und integrieren über x,
∞ ( mπx ) ∫ a ( mπx ) ∑
∞ ( )
2 ∑ 0 kπx
sin sin bk sin dx
a m=1 a 0 a a
k=1
∞ ∞
2 ∑∑ ( mπx ) a
0
= bk sin δkm (7.155)
a m=1 a 2
k=1
∞
∑ ( mπx )
0
= bm sin (7.156)
m=1
a
= f (x0 ) (7.157)
Das entspricht der rechten Seite der Gl. (7.152), da sich das Integral die Funktion f (x0 ) ergibt,
∫ a
f (x)δ(x − x0 )dx = f (x0 ) (7.158)
0
3.4 Wellengleichung
1 ∂2u ∂2u
= (−∞ < x < ∞, t > 0) (7.159)
c2 ∂t2 ∂x2
und sie kann mit der folgenden Variablentransformation direkt gelöst werden,
v = x + ct (7.160)
w = x − ct (7.161)
186 Kapitel 7. Differentialgleichungen
∂2 ∂2 ∂2 ∂2
= + 2 + (7.166)
∂x2 ∂v 2 ∂v ∂w ∂w2
Die Wellengleichung (Gl. 7.159) wird dann in einer einfachen Form ausgedrückt,
∂2u
=0 (7.167)
∂v ∂w
Wir integrieren die Gl. (7.167) über w,
∂u
= f (v) (7.168)
∂v
und weiter integrieren wir über v,
∫
u(v, w) = f (v) dv + ψ(w) (7.169)
Wir schreiben den ersten Term auf der rechten Seite der Gl. (7.169) als ϕ(v). Die allgemeine Form
der Lösung der Wellengleichung ist dann
also
1
ϕ(x) = f (x) + a (7.175)
2
1
ψ(x) = f (x) − a (7.176)
2
wobei a eine Konstante ist. Somit wird die Lösung für u(x, y) wie folgt gegeben:
1 1
u(x, t) = f (x + ct) + f (x − ct) (7.177)
2 2
3.4 Wellengleichung 187
Dies bedeutet, dass sich die Wellenform am Anfang (t = 0) in zwei Teile trennt und sie breiten
sich mit der Geschwindigkeit c nach links (in Richtung x → −∞) und nach rechts (x → ∞) aus.
u(x, 0) = 0 (7.178)
∂u(x, t)
= f (x) (7.179)
∂t t=0
Als anderes Beispiel setzen wir nun die Anfangsbedingung wie folgt an:
Wir lösen die Wellengleichung mit Hilfe der Fourier-Analyse unter der Randbedingung
u(0, t) = 0 (7.184)
u(a, t) = 0 (7.185)
Aus der Randbedingung (Gl. 7.184-7.185) entsteht X(0) = X(a) = 0. Die Funktion X(x) und die
Konstante λ sind dann
( nπx )
X(x) = sin (7.193)
a
( nπ )2
λ = (7.194)
a
Aus der Anfangsbedingung (Gl. 7.186-7.187) entsteht T ′ (0) = 0. Die Lösung der Gl. (7.191) ist
( )
nπct
T (t) = cos (7.195)
a
Wir bilden eine Linearkombination
∞
∑ ( nπx ) ( )
nπct
u(x, t) = An sin cos (7.196)
n=1
a a
Die Gl. (7.197) kann also als Fourier-Reihe der Funktion f (x) betrachtet werden. Die Koeffizienten
An sind dann ∫
2 a ( nπx )
An = f (x) sin dx (7.198)
a 0 a
Die Lösung wird als Fourier-Reihe gegeben. Die Gl. (7.196) ist
∞ ( ( ) ( ))
1∑ nπ(x + ct) nπ(x − ct)
u(x, t) = An sin + sin (7.199)
2 n=1 a a
Wir lösen die Wellengleichung mit Hilfe der Fourier-Analyse auf einem unbegrenzten Gebiet −∞ <
x < ∞. Die Fourier-Transformation von u(x, t) bezüglich der Raumkoordinate ist
∫ ∞
1
U (k, t) = √ u(x, t)e−ikx dx (7.201)
2π −∞
Die Wellengleichung (Gl. 7.159) ist dann
∂ 2 U (k, t)
= −k 2 c2 U (k, t) (7.202)
∂t2
Die Lösung für U (k, t) ist
U (k, t) = A(k)eikct + B(k)e−ikct (7.203)
und u(x, t) wird aus der Umkehrtransformation gegeben,
∫ ∞
1 ( )
u(x, t) = √ A(k)eikct + B(k)e−ikct eikx dk (7.204)
2π −∞
3.5 Fourier-Analyse auf einem unbegrenzten Gebiet 189
Wir setzen die Gl. (7.209) und (7.210) in die Gl. (7.204) ein,
∫ ∞∫ ∞
1 1
u(x, t) = f (v)(eikct+ikx−ikv + e−ikct+ikx−ikv ) dv dk +
2π −∞ −∞ 2
∫ ∞∫ ∞
1 1
g(v)(eikct+ikx−ikv − e−ikct+ikx−ikv ) dv dk (7.211)
2π −∞ −∞ 2ikc
entsteht
∫ ∞ ( )
1
eik(ct+x−v) + e−ik(ct−x+v) dk = δ(v − x − ct) + δ(v − x + ct) (7.213)
2π −∞
Der erste Term auf der rechten Seite der Gl. (7.211) wird deshalb wie folgt evaluiert:
∫ ∞
1 1 1
f (v) (δ(v − x − ct) + δ(v − x + ct)) dv = f (x + ct) + f (x − ct) (7.214)
−∞ 2 2 2
Für die Evaluation des zweiten Terms benutzen wir die Stufenfunktion (oder die Heaviside-
Funktion): {
1 (x > 0)
θ(x) = (7.215)
0 (x < 0)
Die Fourier-Darstellung von θ(x) ist
∫ ∞
1 eiwx
θ(x) = dw (7.216)
2π −∞ iw
Das Integral über k im zweiten Term in der Gl. (7.211) wird aus der Gl. (7.216) evaluiert,
∫ ∞
1 1 ( ik(ct+x−v) ) 1
e − eik(−ct+x−v) dk = (θ(ct + x − v) − θ(−ct + x − v)) (7.217)
2π −∞ 2ki 2
190 Kapitel 7. Differentialgleichungen
Einsetzen der Gl. (7.214) in den ersten Term in der Gl. (7.211); und die Gl. (7.221) in den zweiten
Term ergibt
∫ x+ct
1 1 1
u(x, t) = f (x + ct) + f (x − ct) + g(v) dv (7.222)
2 2 2c x−ct
Das ist nichts anders als die d’Alembert-Lösung (Gl. 7.183).
3.6 Wärmeleitungsgleichung
Die Wärmeleitungsgleichung kann auch mit der bisherigen Strategie gelöst werden: Variablentren-
nung, Bildung einer Linearkombination und Bestimmung der Koeffizienten für die Fourier-Analyse.
Bei der Lösung der Wärmeleitungsgleichung tritt Dämpfung aufgrund der zeitlichen Ableitung er-
ster Ordnung auf.
∂u ∂2u
=κ 2 (7.223)
∂t ∂x
mit der Randbedingung
u(0, 0) = 0 (7.224)
u(a, 0) = 0 (7.225)
Das ist die adiabatische Bedingung, d.h. die Wärme fließt nicht über den Rand. Wir benutzen die
Gl. (7.226) für die Anfangsbedingung. Nach der Variablentrennung wird X(x) mit der Kosinus-
Funktion ausgedrückt, ( nπx )
X(x) = cos (7.237)
a
wobei der Index n auch Null sein kann. Wir bilden eine Linearkombination als Ansatz,
∑∞ ( nπx )
u(x, t) = An e−κλn t cos (7.238)
n=0
a
Für das Problem mit der inhomogenen Gleichung fangen wir mit der Lösung der homogenen
Gleichung an. Wir setzen die folgende Randbedingung auf dem Intervall 0 < x < π an:
u(x, 0) = 0 (7.241)
u(π, t) = u0 (7.242)
∂w ∂2w
=κ + κv ′′ (x) (7.245)
∂t ∂x
Wir wählen v wie folgt aus:
v ′′ (x) = 0 (7.246)
v(0) = 0 (7.247)
v(π) = u0 (7.248)
∂w ∂2w
=κ 2 (7.249)
∂t ∂x
mit der Randbedingung
w(0, t) = 0 (7.250)
w(π, t) = 0 (7.251)
∂u ∂2u
= κ 2 + q(x) (0 < x < π) (7.254)
∂t ∂x
mit der Randbedingung
u(0, t) = 0 (7.255)
u(π, t) = 0 (7.256)
∂w ∂2w
= κ 2 + κv ′′ (x) + q(x) (7.259)
∂t ∂t
v(x) ist die Lösung der folgenden Gleichung:
∂w ∂2w
= κ 2 (7.263)
∂t ∂x
w(0, t) = 0 (7.264)
w(π, t) = 0 (7.265)
w(x, 0) = f (x) − v(x) (7.266)
Die Lösung für w(x, t) ist bereits in der Gl. (7.233)-(7.234) mit f (x) → f (x) − v(x) gegeben. Wir
integrieren die Gl. (7.260) über x,
∫ x
κv ′ (x) = − q(y) dy + c1 (7.267)
0
κv(0) = c2 (7.269)
= 0 (7.270)
∫ π ∫ z
κv(π) = − dz q(y) dy + c1 π + c2 (7.271)
0 0
= 0 (7.272)
3.6.3 Fourier-Analyse
Wir wenden die Fourier-Transformation von u(x, t) bezüglich der Raumkoordinaten x an,
∫ ∞
1
U (kx , x) = √ u(x, t)e−ikx x dx (7.275)
2π −∞
194 Kapitel 7. Differentialgleichungen
∂U (kx , t)
= −κkx2 U (kx , t) (7.276)
∂t
Nun setzen wir die Anfangsbedingung u(x, 0) = f (x) an. Aus der Gl. (7.278) folgt
∫ ∞
1
f (x) = √ F (kx )eikx x dkx (7.279)
2π −∞
Die Gl. (7.278) und (7.280) ergeben die Lösung in der endgültigen Form,
∫ ∞ ∫ ∞
1 ′
f (x′ )e−κkx t eikx (x−x ) dx′ dkx
2
u(x, t) = (7.281)
2π −∞ −∞
∫ ∞
1 (x−x′ )2
= √ f (x′ )e− 4κt dx′ (7.282)
4πκt −∞
Die Gl. (7.282) bedeutet, dass sich die Temperaturverteilung f (u) bei t = 0 als Gaussverteilung
mit der Varianz 2κt verbreitert.
3.7 Green-Funktion
Die Green-Funktion bietet eine allgemeine Methode, um Differentialgleichungen unter der gegebe-
nen Randbedingung oder Anfangsbedingung systematisch zu lösen. Wir schreiben eine inhomogene
Differentialgleichung in einer allgemeinen Form mit dem Differentialoperator L,
Helmholtz-Gleichung
Die Konturen C1 und C2 werden in der Fig. 7.3 gezeigt. Mit Hilfe des Residuums bei k0 + iϵ für
C1 und bei −k0 − iϵ für C2 kann das Integral wie folgt evaluiert werden:
1 1
G(r) = (πieik0 r + πieik0 r ) (7.293)
4π 2 r 2i
eik0 r
= (7.294)
4πr
Hier haben wir ϵ → 0 gesetzt. Man kann auch die Verschiebung wie k0 → k0 − iϵ durchführen. In
diesem Fall wird die Green-Funktion wie folgt ausgedrückt:
e−ik0 r
G(r) = (7.295)
4πr
196 Kapitel 7. Differentialgleichungen
Die Gl. (7.294) stellt eine Welle (sphärische Welle) dar, die sich von der Quelle in der radialen
Richtung nach draußen ausbreitet. Die Gl. (7.295) stellt eine Welle nach innen dar.
Kapitel 8
Integraltransformationen
∫b
T̂ f ≡ f (t) · K(ω, t) dt = F(ω) (8.1)
a
mit
• T̂ : symbolischer Transformationsoperator
Bei geeigneter Wahl von K, a, b ist die Transformation eineindeutig und es existiert die inverse
Transformation (Umkehrtransformation) T̂ −1 mit
T̂ −1 F = T̂ −1 T̂ f = f (8.2)
2 Fourier-Tansformation
• K(ω, t) = √1 e−iωt
2π
• a = −∞
• b = +∞
198 Kapitel 8. Integraltransformationen
Die Fouriertransformierte F(ω) existiert nur, wenn das Integral wohldefiniert ist.
zu ersetzen.
Die Formel wird hier ohne Beweis angegeben; es wird auf den Beweis des Fourier-Integralsatzes
verwiesen, den man in der Literatur findet.
• Beispiel: f (t) = 1
t2 +a2 ; a∈R
1
a2
−|a| |a| t
Als Halbwertsbreite ist definiert: f (tH ) = 21 fmax = 1
2a2 ↷ tH = ±a
∫∞
1 e−iωt
F(ω) = √ dt
2π t2+ a2
−∞
Die Auswertung des Integrals erfolgt mit dem Residuensatz. Dabei betrachten wir t als Re-
alteil der komplexen Variable z.
Wir bilden die Integrale über die geschlossenen Kurven C+ und C− und blähen die Halbkreise
bis ins Unendliche auf. Die Basislinien auf der reellen Achse erstecken sich dann von −∞ bis
+∞. Man richtet die Bedingungen nach Möglichkeit so ein, daß das Integral über den Halb-
kreis im Unendlichen verschwindet. Damit geht das Integral über die geschlossene Kurve C+
2 Fourier-Tansformation 199
C+
0 Re(z) = t
C−
∫∞
oder C− in dt über. Das Integral über die geschlossene Kurve lässt sich nun einfach mit
−∞
dem Residuensatz ausrechnen. In diesem Fall bedeutet das konkret: t → z = Re(z) +iIm(z)
| {z }
t
eωIm(z)
ω>0: −→ 0 für Im(z) < 0, d.h. auf C−
z 2 + a2
eωIm(z)
ω<0: 2 −→ 0 für Im(z) > 0, d.h. auf C+
z + a2
Fall ω < 0:
∫∞ ∫
e−iωz e−iωz
dz = dz
z 2 + a2 z 2 + a2
−∞ C+
Fall ω > 0:
∫∞ ∫ ∫
e−iωz e−iωz e−iωz
dz = dz = − dz
z 2 + a2 z 2 + a2 z 2 + a2
−∞ ∗
C− C−
∗
Dabei steht C− für eine Integration über den Weg C− , aber mit umgekehrtem Umlaufsinn.
e−iωz e−iωz
=
2
z +a 2 (z + i|a|)(z − i|a|)
e−iωz
R (z+ ) = lim (z − z+ ) ·
z→z+ z 2 + a2
e−iωz
= lim (z − i|a|) · 2
z→i|a| z + a2
1 ω|a|
= e
2i|a|
e−iωz
R (z− ) = lim (z − z− ) · 2
z→z− z + a2
1
= e−ω|a|
−2i|a|
∫∞ ∫
e−iωz e−iωz π ω|a|
ω<0: dz = dz = 2πiRe (z+ ) = e
z 2 + a2 2
z +a 2 |a|
−∞ C+
∫∞ ∫
e−iωz e−iωz π −ω|a|
ω>0: dz = − dz = −2πiRe (z− ) = e
z 2 + a2 z 2 + a2 |a|
−∞ C−
∫∞
e−iωz π −|ωa|
∀ω: dz = e
2
z +a 2 |a|
−∞
und somit
√
π 1 −|ωa|
F(ω) = e
2 |a|
Die charakteristischen Breiten von f und F sind also genau umgekehrt proportional zu-
einander. Zur Überprüfung des Ergebnisses führen wir auch noch die Rücktransformation
2 Fourier-Tansformation 201
durch:
∫∞
1
f (t) = √ F(ω)eiωt dω
2π
−∞
∫∞
1
f (t) = e−|ωa|+iωt dω
2|a|
−∞
0
∫ ∫∞
1
= eω|a|+iωt dω + e−ω|a|+iωt dω
2|a|
−∞ 0
∞
∫ ∫∞
1
= e−ω|a|−iωt dω + e−ω|a|+iωt dω
2|a|
0 0
{ }
1 0−1 0−1
= +
2|a| −|a| − it −|a| + it
1 |a| − it + |a| + it 1
= = 2 = f (t)
2|a| (|a| + it)(|a| − it) a + t2
∫∞
1
F (dt f (t)) = √ dt f (t) e|−iωt dt
2π | {z } {z }
−∞ u′ v
∫∞
1 ∞
= √ f (t)e−iωt − f (t)(−iω)e−iωt dt
2π
| {z
−∞
}
−∞
=0
∫∞
= iω f (t)e−iωt dt
−∞
= iωF(ω)
∫∞
(f ∗ g) (t) = f (τ )g(t − τ ) dτ (8.8)
−∞
Der Faltungssatz besagt, daß eine Faltung bei einer Fouriertransformation in eine Multipli-
kation der Fourier-Transformierten der einzelnen Funktionen übergeht:
√
T̂F (f ∗ g) = 2π T̂F (f ) · T̂F (g) (8.9)
202 Kapitel 8. Integraltransformationen
Beweis:
∫∞ ∫∞ ∫∞
1 1
√ (f ∗ g) (t)e−iωt dt = √ f (τ )g(t − τ ) dτ e−iωt dt
2π 2π
−∞ −∞ −∞
∫∞ ∫∞
1
= √ f (τ )g(t − τ ) τ e−iωt dt dτ
2π
−∞−∞
∫∞ ∫∞
1
= √ f (τ )g(t − τ ) e−iω(t−τ ) e−iωτ dt dτ
2π
−∞−∞
Substitution t′ = t − τ, dt′ = dt
√ ∫∞ ∫∞
1 1 ′
= 2π √ f (τ ) e−iωτ dτ √ g(t′ ) e−iωt dt′
2π 2π
−∞ −∞
√
= 2π F(ω) · G(ω)
Es folgen noch einige Details zur Subtitution t′ = t − τ und deren Auswirkung auf die
Integrationsgrenzen. Zunächst wird über dt dτ integriert, also über die t-τ -Ebene.
t
t′ = t−τ
′
τ = τ
1 −1
J = det =1 ↷ dt′ dτ ′ = dt dτ
0 1
Damit auch bei der dτ ′ dt′ -Integration die ganze Ebene überdeckt wird, müssen offensichtlich
auch die neuen Parameter τ ′ , t′ jeweils von −∞ bis ∞ laufen.
2 Fourier-Tansformation 203
mit
∫∞ ∫ε
δ(t) dt = δ(t) dt = 1 (8.11)
−∞ −ε
und
∫∞
f (t)δ(t − τ ) dt = f (τ ) (8.12)
−∞
Wir betrachten jetzt die Fourier-Transformation der Funktion f (t) und setzen die Hin- und
Rücktransformation ineinander ein:
∫∞
1
F(ω) = √ f (t)e−iωt dt
2π
−∞
∫∞
1
f (τ ) = √ F(ω)eiωτ dω
2π
−∞
∫∞ ∫∞
1
↷ f (τ ) = f (t)e−iωt dt eiωτ dω
2π
−∞−∞
∫∞ ∫∞
1
f (τ ) = f (t) e−iω(t−τ ) dω dt
2π
−∞ −∞
Das Integral über die Sinusfunktion verschwindet, da ein antisymmetrischer Integrand über
ein symmetrisches Intervall integriert wird. Die Cosinusfunktion ist für t ̸= 0 periodisch in ω
und das Integral verschwindet. Für t = 0 ist der Integrand eins (cos 0 = 1) und das Integral
wird unendlich.
204 Kapitel 8. Integraltransformationen
Wir bestimmen jetzt durch Rcktransformation, welche Funktion f (t) als Fouriertransfor-
mierte F(ω) = δ(ω) ergibt:
∫∞
1 1
f (t) = √ δ(ω)eiωt dω = √ . (8.15)
2π 2π
−∞
Somit hat eine konstante Funktion als Fourier-Transformierte die δ-Funktion. Auch die Fou-
riertransformierte einer harmonischen Schwingung eiω0 t ergibt eine δ-Funktion:
∫∞ ∫∞ √
1 iω0 t −iωt 1
√ e e dt = √ e−i(ω−ω0 )t dt = 2πδ(ω − ω0 ) (8.16)
2π 2π
−∞ −∞
f (t) = eiω0 t
√
↷ F(ω) = 2πδ(ω − ω0 )
3 Laplace-Transformation
• K(ω, t) = e−ωt ; t ∈ R, ω ∈ C
• a=0
3 Laplace-Transformation 205
• b=∞
Dabei muß Re(ω) hinreichend groß gewählt werden, damit das Integral existiert.
Da in der Transformation nur t ≥ 0 betrachtet wird, definiert man f (t) = 0 für t < 0.
Zur Darstellung von T̂L−1 sind verschiedene Formen möglich, z.B. das Bromwich-Integral:
∫
C+i∞
1
f (t) = F(ω)eωt dω (8.20)
2πi
C−i∞
Dabei ist t > 0 und C hinreichend groß zu wählen, um die Konvergenz des Integrals zu sichern.
Im(ω)
Integrationsweg
Re(ω)
Die Auswertung des Integrals erfolgt über den Residuensatz. Es gibt einen Pol bei ω = −a.
Das zugehörige Residuum ist:
[ ]
eωt
R(ω = −a) = lim (ω − (−a)) = e−at
ω→−a ω+a
206 Kapitel 8. Integraltransformationen
Im(ω)
−a 0 Re(ω)
Auf dem Kreisbogen verschwindet das Integral beim Aufblähen ins Unendliche, da der Inte-
grand für Re(ω) < 0 verschwindet.
1
f (t) = · 2πi · R(ω = −a)
2πi
f (t) = e−at
usw.
• Interpretation der Laplace-Tansformation
Die Laplace Transformation ist analog zur Fourier-Transformation zu interpretieren. Al-
lerdings unterscheiden sich die Anwendungsgebiete. Die Laplace-transformation wird bei
Einschaltprozessen bevorzugt, wenn also gilt
f (t < 0) = 0.
Differentialformen
1 Motivation
Alle bisher diskutierten Methoden der Mathematischen Physik sind bereits seit deutlich mehr
als 100 Jahren bekannt. Der jetzt in Ansätzen einzuführende Differentialformen-Kalkül ist etwas
jünger. Er wurde zuerst von Elie Joseph Cartan (1869-1951) eingeführt. Er wird deshalb auch
Cartan-Differentialformen-Kalkül genannt.
Die übliche und häufig in der Physik gebräuchliche Vektorrechnung enthält unsystematische Ka-
pitel sowie Konstruktionen, die auf den 3-dimensionalen Raum fixiert sind. Zwei Beispiele sind
das Vektroprodukt und die Rotation.
√
u×v = g εabc ba ub v c
Wir versuchen nun eine Verallgemeinerung auf den 4-dimensionalen Raum. εijkl läßt sich bilden,
aber für das Vektorprodukt wird eine Größe εijk benötigt, die jedoch keinen Sinn ergibt, wenn i,
j, k von 1 bis 4 laufen. Das Vektorprodukt ist somit nicht verallgemeinerbar.
∂x2 u3 − ∂x3 u2
∂r × u = 3
∂x3 u − ∂x1 u
1
∂x1 u2 − ∂x2 u1
Eine Erweiterung auf 4 Dimensionen ist mit dieser Konstruktion ebenfalls nicht möglich.
Ganz anders liegt die Situation beim Skalarprodukt. Eine Verallgemeinerung auf beliebige Dimen-
sionen ist problemlos:
u v = u1 v1 + u2 v2 + u3 v3 +u4 v4 + . . .
| {z }
3−dim
| {z }
4−dim
Eine weitere sehr wichtige Motivation für den Differentialformen-Kalkül ergibt sich aus den Inte-
gralsätzen (3.51), (3.52), (3.64). Äußerlich haben sie recht verschiedene Formen. Einen gemeinsa-
men Hintergrund vermuten wir bereits, denn in allen Fällen wird ein Integral über ein Gebiet mit
einem Integral über den Rand dieses Gebietes verknüpft.
208 Kapitel 9. Differentialformen
2 Äußeres Produkt
• Um Verallgemeinerungen z.B. des Vektorproduktes, der Rotation oder der Integralsätze vor-
nehmen zu können, ist die Einführung des Äußeren Produktes (auch genannt Dachprodukt,
Keilprodukt, Wedge ) notwendig. Dazu betrachten wir einen Vektorraum L der Dimension
n über dem Körper der reellen Zahlen R. Der Satz von Vektoren
n
{σi }i=1 (9.1)
sei eine Basis in L. Die σi werden wir nicht unterstreichen, da sie im allgemeinen recht
allgemeine Objekte und nicht immer mit einem n-Tupel identifizierbar sind.
Das allgemeine Element α aus L läßt sich dann in der Form
∑
n
α= ai σi (9.2)
i=1
1. Linearität
α ∧ (β + γ) = α∧β+α∧γ (9.4)
(rα) ∧ β = r (α ∧ β) , r∈R (9.5)
2. Antivertauschbarkeit
α ∧ β = −β ∧ α (9.6)
• Folgerungen:
– α∧α=0
– (α + β) ∧ γ = α ∧ γ + β ∧ γ
– α ∧ (rβ) = r (α ∧ β)
– Diese Eigenschaften gelten insbesondere für Basisvektoren, also gilt
σi ∧ σj = −σj ∧ σi (9.7)
• Achtung: α ∧ β ̸∈ L
Beim Vektorprodukt gilt zwar ebenfalls
u, v ∈ R3 , u × v = −v × u,
α ∧ β ∧ γ ∈ L ∧ L ∧ L ≡ ∧3 L (9.8)
bzw.
α1 ∧ α2 ∧ . . . ∧ αp ∈ ∧p L. (9.9)
2 Äußeres Produkt 209
Die Eigenschaften der mehrfachen Produkte lassen sich auf die obigen Eigenschaften des
einfachen Produkts zurückführen:
α1 ∧ . . . ∧ αi ∧ αj ∧ . . . ∧ αp = −α1 ∧ . . . ∧ αj ∧ αi ∧ . . . ∧ αp (9.10)
Alles, was für allgemeine Elemente gilt, gilt insbesondere auch für Basiselemente:
σ1 ∧ . . . ∧ σi ∧ σj ∧ . . . ∧ σp = −σ1 ∧ . . . ∧ σj ∧ σi ∧ . . . ∧ σp (9.11)
σi ∧ σj ∧ σk ∈ ∧3 L ; i, j, k = 1, . . . , 3.
σi ∧ σj ∧ σk = εijk σ1 ∧ σ2 ∧ σ3 . (9.12)
• Bezeichnungen:
β
α
v =α×β
v 1-Vektor
Im 3-dimensionalen Raum ist der Übergang vom 2-Vektor α ∧ β zum 1-Vektor α × β der
Übergang zum sogenannten dualen (komplementären) Gebilde. Da ein 3-dimensionaler Raum
von den drei 1-Vektoren α, β, α × β voll aufgespannt wird, hat die 3-dimensionale Physik
2-Vektoren und 3-Vektoren nicht weiter beachtet.
• Basiselemente von ∧p L
Die Basiselemente werden aus den Basiselementen von L konstruiert. Sei L n-dimensional.
n
L habe also die Basis {σi }i=1 .
210 Kapitel 9. Differentialformen
Der Fall p > n ist nicht möglich, da dann mindestens ein Basisvektor doppelt vorkommen
würde und wegen (9.6) ergäbe sich null.
• Beispiel: L = R3
– ∧1 L = L : σ1 , σ2 , σ3 (=e
ˆ 1 , e2 , e3 )
– ∧2 L = L ∧ L : σ1 ∧ σ2 , σ2 ∧ σ3 , σ1 ∧ σ3
– ∧3 L = L ∧ L ∧ L : σ1 ∧ σ2 ∧ σ3
– Konstruktion eines Elementes γ = α ∧ β von ∧2 L, wenn α und β beliebige Elemente
von L sind:
∑
3
α = a i σi
i=1
∑
3
β = bi σ i
i=1
γ ≡α∧β = a1 b2 σ1 ∧ σ2 + a2 b1 σ2 ∧ σ1
+a2 b3 σ2 ∧ σ3 + a3 b2 σ3 ∧ σ2
+a3 b1 σ3 ∧ σ1 + a1 b3 σ1 ∧ σ3
( 1 2 )
= a b − a2 b1 σ1 ∧ σ2
( )
+ a2 b3 − a3 b2 σ2 ∧ σ3
( )
+ a3 b1 − a1 b3 σ3 ∧ σ1
Die Vorfaktoren sind offensichtlich die Komponenten des Vektorprodukts.
↷ γ = c12 σ1 ∧ σ2 + c23 σ2 ∧ σ3 + c31 σ3 ∧ σ1
mit cij = ai bj − aj bi = −cji (antisymmetrisch!)
2 Äußeres Produkt 211
α = a1 σ1 + a2 σ2 + a3 σ3
γ = c12 σ1 ∧ σ2 + c23 σ2 ∧ σ3 + c31 σ3 ∧ σ1
↷ γ = c1 σ2 ∧ σ3 + c2 σ3 ∧ σ1 + c3 σ1 ∧ σ2
↷ δ ≡ α∧γ
( )
= a1 σ1 + a2 σ2 + a3 σ3 ∧ (c1 σ2 ∧ σ3 + c2 σ3 ∧ σ1 + c3 σ1 ∧ σ2 )
= a1 c1 σ1 ∧ σ2 ∧ σ3 + a2 c2 σ2 ∧ σ3 ∧ σ1 + a2 c3 σ3 ∧ σ1 ∧ σ2
( )
δ = a1 c1 + a2 c2 + a3 c3 σ1 ∧ σ2 ∧ σ3
• Lineare Basistransformationen
L sei n-dimensional mit der Basis {σi }. Wir führen eine lineare Transformation  in L durch
und untersuchen die Konsequenzen für den Produktraum:
∑
n
 : L → L, {σi } → {σi ′ } , σi ′ = Aji σj (9.19)
j=1
Basiselement in ∧n L:
Es gibt nur ein Basiselement in ∧n L, deshalb muß gelten
σ1 ′ ∧ σ2 ′ ∧ . . . ∧ σn ′ ∝ σ1 ∧ σ2 ∧ . . . ∧ σn . (9.20)
Den Proportionalitätsfaktor berechnen wir durch Einsetzen von (9.19) in den linken Term
von (9.20) und erhalten
∑
σ1 ′ ∧ σ2 ′ ∧ . . . ∧ σn ′ = Ai11 Ai22 . . . Ainn . σi1 ∧ σi2 ∧ . . . ∧ σin
i1 ,i2 ,...,in
Unter Anwendung der auf n Dimensionen verallgemeinerten Beziehung (4.35) ergibt sich
σ1 ′ ∧ σ2 ′ ∧ . . . ∧ σn ′ = det(A) σ1 ∧ σ2 ∧ . . . ∧ σn (9.21)
212 Kapitel 9. Differentialformen
3 Äußere Ableitung
Nach der Einführung des Äußeren Produktes im vorangegangenen Abschnitt wollen wir nun die
Äußere Ableitung einführen. Analog zum Äußeren Produkt, daß das Skalarprodukt und Vektor-
produkt enthält, haben wir jetzt die Erwartung, daß die Äußere Ableitung die herkömmlichen
Differentialoperatoren Gradient, Rotation und Divergenz verallgemeinert.
Dazu betrachten wir einen n-dimensionalen Raum, z.B. den n-dimensionalen Ortsraum“. In die-
”
sem Raum sei ein beliebiges Koordinatensystem aufgespannt, etwa ein kartesisches oder auch ein
krummliniges. In einem Punkt P mit den Koordinaten x1 , . . ., xn betrachten wir jetzt Objekte
(Vektoren), die einen Vektorraum bilden mögen, z.B. die möglichen elektrischen Felder in P . Als
Basiselemente σi können in diesem Vektorraum die Koordinatendifferentiale dxi benutzt werden:
σi = dxi (9.22)
Nun definieren wir die sogenannten Differentialformen oder kurz auch Formen genannt:
• 1-Form:
∑
n
ω= ai dxi (9.23)
i=1
• 2-Form:
∑
n
ω= aij dxi ∧ dxj (9.24)
i,j=1
• p-Form:
∑
n
ω= ai1 ...ip dxi1 ∧ dxi2 ∧ . . . ∧ dxip (9.25)
i1 ,i2 ,...,ip =1
Der Einfachheit halber sind alle Indizes unten geschrieben.Die Eigenschaften der p-Vektoren übert-
ragen sich auf p-Formen. Die Konstruktion gilt zunächst nur für einen Punkt P .Wenn P in den
verschiedenen Punkten des Raumes betrachtet wird, werden die ai , aij , . . . , ai1 ...ip ortsabhängig:
wobei x = (x1 , . . . , xn ).
Die Definition der Formen läßt sich ohne Schwierigkeit bis zu p = n fortsetzen. Sogar p = 0 ist
geradeaus möglich: Eine 0-Form ist dann eben ein Skalar.
• 0-Form:
ω(x) = a(x) , a skalare Funktion (9.27)
• 1-Form:
∑
n
ω(x) = ai (x) dxi , (a1 (x), a2 (x), a3 (x)) Vektorfeld (9.28)
i=1
• 2-Form:
ω(x) = c1 (x) dx2 ∧ dx3 + c2 (x) dx3 ∧ dx1 + c3 (x) dx1 ∧ dx2 (9.29)
Die 2-Form entspricht einem orientierten Flächenelement.
3 Äußere Ableitung 213
Wir führen nun die Mengen F p (U ) ein. Alle glatten p-Formen (p-Differentialformen) über einem
Gebiet U ⊂ Rn werden in F p (U ) zusammengefasst. Diese Mengen haben dann folgende Bedeutung:
• u.s.w.
• f ∈ F0
• df ∈ F 1
Der Operator d“ wird jetzt so verallgemeinert, daß p-Formen in (p + 1)-Formen übergehen. Dies
”
führt auf die Definition der Äußeren Ableitung d:
• α, α1 , α2 seien pα -Formen
• β sei pβ -Form
• d : F p (U ) → F p+1 (U )
• Für d gilt:
1. Linearität
d (α1 + α2 ) = dα1 + dα2 (9.30)
2. Produktregel
d (α ∧ β) = dα ∧ β + (−1)pα α ∧ dβ (9.31)
∑
n
df = ∂xi f · dxi (9.32)
i=1
4.
d (dα) = 0 (9.33)
• Folgerungen
– d (dxi ) = 0
– d (dxi ∧ dxj ) = d (dxi ) ∧dxj − dxi ∧ d (dxj ) = 0
| {z } | {z }
=0 =0
Das gilt analog für Basiselemente aus ∧p L , p > 2
214 Kapitel 9. Differentialformen
• Beispiel: R2
( )
p Basis α ∈ F p U ⊂ R2 dα
0 1 α = a(x) dα = ∂x1 a · dx1 + ∂x2 a · dx2
dα = ∂x2 a1 dx2 ∧ dx1
α = a1 (x) dx1
1 dx1 , dx2 +∂x1 a2 dx1 ∧ dx2
+a2 (x) dx2
= (∂x1 a2 − ∂x2 a1 ) dx1 ∧ dx2
2 dx1 ∧ dx2 α = a12 (x) dx1 ∧ dx2 dα = 0
( )
• Beispiel: R3 U ⊂ R3
– p = 0:
α = a(x)
dα = ∂x1 a · dx1 + ∂x2 a · dx2 + ∂x3 a · dx3
denn z.B.
– p = 2:
zu verifizieren ist
dα = d (df ) = 0. (9.35)
Die Rechnung ergibt
0-Form: α = f (9.36)
∑
↷ df = ∂xi f dxi =
ˆ Gradient (9.37)
i
d (df ) = (∂x2 ∂x3 f − ∂x3 ∂x2 f ) dx2 ∧ dx3
+ (∂x3 ∂x1 f − ∂x1 ∂x3 f ) dx3 ∧ dx1
+ (∂x1 ∂x2 f − ∂x2 ∂x1 f ) dx1 ∧ dx2
= 0 ˆ ∂r × ∂r f = 0
= (9.38)
∑
1-Form: α = ai dxi (9.39)
1
↷ dα = (∂x2 a3 − ∂x3 a2 ) dx2 ∧ dx3
+ (∂x3 a1 − ∂x1 a3 ) dx3 ∧ dx1
+ (∂x1 a2 − ∂x2 a1 ) dx1 ∧ dx2
dα =
ˆ Rotation (9.40)
216 Kapitel 9. Differentialformen
Es ist schon bemerkenswert, in welch kompakter und einheitlicher Form diese herkömmlichen
und scheinbar sehr verschiedenen Differentialoperationen jetzt dargestellt sind.
4 Integralsätze
Wir erinnern uns an Kapitel 1 und 3: Die Integralsätze einschließlich des Fundamentalsatzes der
Integral- und Differentialrechnung verknüpfen das Integral über ein Gebiet mit dem Integral über
den Rand dieses Gebietes. Diese einheitliche Idee wird sich in der Sprache der Differentialformen
in einem einzigen Integralsatz darstellen.
Wir betrachten ein Gebiet S, dessen Dimension p + 1 sei. Der Rand ∂S ist dann p-dimensional.
In der Sprache der Differentialformen wird der vereinheitlichte Integralsatz Satz von Stokes“
”
genannt. Er lautet ∫ ∫
dω = ω, (9.42)
S ∂S
wobei ω eine p-Form und dω das Äußere Differential von ω, also eine (p + 1)-Form darstellen.
Anstatt des Beweises sollen die traditionellen Integralsätze aus (9.42) abgeleitet werden. Für den
Beweis selbst verweisen wir z.B. auf [Arn88] s.197.
Raum Satz S ∂S
R 1
Fundamentalsatz 1-dim: Linie 0-dim: Randpunkte
Green-Satz
R2 2-dim: Fläche 1-dim: Randlinie
Stokes-Satz
R3 Gauß-Satz 3-dim: Volumen 2-dim: Randfläche
• Sei jetzt p = 0, dann ist S das 1-dim Gebiet x und ∂S ist 0-dim und wird von den beiden
Randpunkten P1 , P2 gebildet.
P1 x P2
ω = F (x) (0-Form)
↷ dω = ∂x F dx (1-Form)
Die linke Seite ergibt
∫ ∫
P
dω = ∂x F dx = F |P21 = F (P2 ) − F (P1 ) (9.43)
S S
4 Integralsätze 217
Dabei ist ∂S als Summe über die Randpunkte zu verstehen. Das negative Vorzeichen von
F (P1 ) entsteht dadurch, daß der Rand immer nach außen“ gerichtet ist.
”
Der Fundamentalsatz der Integral- und Differentialrechnung läßt sich also aus dem allgemei-
nen Integralsatz ableiten. F ist hier die Stammfunktion, ∂x F spielt die Rolle der Ausgangs-
funktion.
• Sei p = 1, dann ist S ein 2-dim Gebiet, also eine Fläche, ∂S ist 1-dim, also die Randlinie der
Fläche.
ω = a1 dx1 + a2 dx2 + a3 dx3 (1-Form)
dω = (∂x2 a3 − ∂x3 a2 ) dx2 ∧ dx3
+ (∂x3 a1 − ∂x1 a3 ) dx3 ∧ dx1 (2-Form)
+ (∂x1 a2 − ∂x2 a1 ) dx1 ∧ dx2
Die linke Seite ergibt ∫ ∫
dω = ∂r × a dO (9.45)
S S
Das Integral ist im Riemann-Sinne, also als Grenzwert einer Zerlegungssumme, anzuwen-
den. Hier wird die Summe über Flächenelemente, die gerade durch dx2 ∧ dx3 gegeben sind,
gebildet.
• Sei p = 2, dann ist S 3-dim, also ein Volumen , ∂S ist 2-dim, also die Randfläche oder
Oberfläche des Volumens.
• Ein Spezialfall tritt ein, wenn S selbst der Rand eines anderen Gebietes (A) ist. Dann gilt:
S = ∂A ↷ ∂S = ∂∂A = {}
∂S ist also die leere Menge, denn ein Rand hat keinen Rand.
∫ ∫ ∫
dω = dω = ddω = 0 wg. ddω = 0 (9.49)
S ∂A A
∥ (9.50)
∫ ∫
ω = ω=0 wg. ∂∂A = 0 (9.51)
∂S ∂∂A
4 Integralsätze 219
Literaturverzeichnis
[Arn88] V. Arnold. Mathematische Methoden der klassischen Mechanik. Birkhäuser, Basel, 1988.
[AW01] G. B. Arfken and H. Weber. Mathematical Methods for Physicists. Academic Press,
2001.
[FK98] H. Fischer and H. Kaul. Mathematik für Physiker Band 2. B.G. Teubner Verlag, 1998.
[FK01] H. Fischer and H. Kaul. Mathematik für Physiker Band 1. B.G. Teubner Verlag, 2001.
[Gro00] S. Großmann. Mathematischer Einführungskurs in die Physik. B.G. Teubner Verlag,
2000.
[Kam62] E. Kamke. Differentialgleichungen. Akademische Verlagsgesellschaft Geest Portig, 1962.
[LP98] C. Lang and N. Pucker. Mathematische Methoden in der Physik. Spektrum Akademischer
Verlag, 1998.
Index
Matrix, 91
Metrische Fundamentalgleichung, 103, 113
Mittelwertsatz
der Integralrechnung, 23
Moivre-Formel, 41
Nabla (∇), 61
Polstelle, 45
n-ter Ordnung, 53
Potenzreihenansatz, 174
Quotientensatz, 115
Residuensatz, 53, 54
Residuum, 54
Ricatti Dgl., 159
Riemann-Blaetter, 45
Rotation, 64, 97, 102
Vektorfeld, 59, 63
Vektorprodukt, 93, 119