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1 Newtonsche Mechanik 1
1.1 Bewegung von Massenpunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1.1 Euklidischer Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.1.2 Massenpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.1.3 Kartesisches Koordinatensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.1.4 Ortsvektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.1.5 Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.1.6 Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2 Newtonsche Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2.1 Axiom 1: Trägheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2.2 Axiom 2: Impulssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.2.3 Axiom 3: actio=reactio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.3 Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.3.1 Vektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.3.2 Skalarprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.3.3 Vektorprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.3.4 Vektordifferentiation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.3.5 Vektordifferentialoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.4 Erhaltungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1.4.1 Impulssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
1.4.2 Drehimpulssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.4.3 Energiesatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.5 Eindimensionale Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
1.5.1 Zeitabhängige Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
iii
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull iv
2 Lagrangesche Mechanik 46
2.1 Systeme mit Zwangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
2.1.1 Zwangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
2.1.2 Zwangskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
2.2 Lagrangegleichungen erster Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
2.2.1 Konfigurationsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
2.2.2 Holonome Zwangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2.2.3 D’Alembertsches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.2.4 Bewegungsgleichungen mit Zwangskräften . . . . . . . . . . . 52
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull v
3 Thermodynamik 92
3.1 Thermodynamische Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
3.2 Erster Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
3.2.1 Spezifische Wärme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
3.2.2 Ideale Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
3.3 Zweiter Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
3.3.1 Postulat von Kelvin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
3.3.2 Postulat von Clausius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
3.4 Thermodynamischer Wirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
3.4.1 Carnot-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
3.4.2 Äquivalenz der Aussagen von Kelvin und Clausius . . . . . . . 101
3.4.3 Carnot-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
3.5 Thermodynamische Temperaturdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . 104
3.6 Entropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
3.6.1 Beliebige Kreisprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
3.6.2 Eigenschaften der Entropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
3.6.3 Gleichgewicht bei Wärmeaustausch . . . . . . . . . . . . . . . 109
3.6.4 Gleichgewicht bei Teilchenaustausch . . . . . . . . . . . . . . 110
3.6.5 Chemische Gleichgewichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
3.6.6 Clausius-Clapeyron-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
Newtonsche Mechanik
1
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 2
1.1.2 Massenpunkt
Ein Massenpunkt bezeichnet einen Körper mit der Masse m, dessen Lage durch einen
einzigen Punkt repräsentiert wird. Größe, Form, Drehungen und Deformationen des
Körpers werden bei dieser Idealisierung vernachlässigt (Abb.1.1). Der Gültigkeits-
bereich der Punktmechanik wird im Rahmen der Mechanik starrer Körper und der
Kontinuumsmechanik auf ausgedehnte Körper erweitert.
1.1.4 Ortsvektor
Der Ortsvektor r eines Punktes kann als Linearkombination der Basisvektoren an-
gegeben werden
X3
r = xex + yey + zez = xi ei (1.2)
i=1
Die Komponenten des Ortsvektors bezüglich einer kartesischen Basis lassen sich zu
einem Spaltenvektor zusammenfassen,
1 0 0 x
r=x 0 +y 1
+z 0 = y . (1.3)
0 0 1 z
1.1.5 Zeit
Zeitintervalle können durch periodische Vorgänge gemessen werden. Je nach Genau-
igkeit kann man als Uhr z.B. den Pulsschlag, die Erdrotation oder eine Atomfrequenz
benutzen. Die Zeit wird entlang einer weiteren in gleiche Intervalle unterteilten Ko-
ordinatenachse t angegeben.
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 4
1.1.6 Bewegung
Die Bewegung eines Massenpunktes wird durch eine Abbildung t −→ r(t) darge-
stellt. Das Bild der Abbildung ist die Bahnkurve.
r(t)
dr r(t + ) − r(t)
v(t) = ṙ = = lim ,
dt →0
dv v(t + ) − v(t)
a(t) = v̇ = = lim .
dt →0
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 5
dv
v(t)
dr
r(t+dt) v(t+dt)
r(t)
F =0 =⇒ v = const (1.4)
• Ein Bezugssystem in dem das erste Axiom gültig ist, wird als Inertialsystem
bezeichnet. Inertialsysteme werden je nach Genauigkeit durch ein Labor, die
Erde, oder den Fixsternhimmel realisiert.
dp
= F. (1.5)
dt
ma = F , a = v̇ = r̈. (1.6)
Der Impulssatz wird auch Newtonsche Grundgleichung der Mechanik oder Newton-
sche Bewegungsgleichung genannt. Er ist gleichzeitig Definition der Masse, Definition
der Kraft und ein deterministisches Bewegungsgesetz.
Definition der Masse: Es gibt verschiedene Möglichkeiten mit Axiom 2 die Masse
zu definieren.
(i) Läßt man auf zwei verschiedene Massen m1 und m2 dieselbe Kraft F1 = F2
einwirken, so gilt
m1 a1 = m2 a2
Wählt man m1 als Masseneinheit, so kann m2 durch Beschleunigungsmessungen
bestimmt werden.
(ii) Beim Stoß zweier Massen wirken entgegengesetzt gleiche Kräfte: F1 = −F2 , d.h.
In diesem Fall ist der Gesamtimpuls erhalten und man kann m2 /m1 durch Geschwin-
digkeitsmessungen bestimmen. Bei einem zentralen Stoß mit den Anfangsgeschwin-
digkeiten v1 6= 0, v2 = 0 besitzt Masse m2 nach dem Stoß die Geschwindigkeit
2m1
v20 = v1
m1 + m2
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 7
m
1,2
F1,2 = G
m1 m2
v1 F 1 = - F2
(iii) Schließlich kann man auch die Zentrifugalkräfte Z1,2 = m1,2 aZ bei gleicher
Zentrifugalbeschleunigung aZ bestimmen und erhält daraus
m2 Z2
= .
m1 Z1
Definition der Kraft: Nachdem Masse und Beschleunigung als Meßgrößen defi-
niert sind, legt Axiom 2 die Kraft als Meßgröße fest. Ihre Einheit ist das Newton:
m
1N = 1kg
s2
Dies gilt auch für eine grosse Masse (Erde) und eine kleine Masse (Apfel). Auf
beide Massen wirkt betragsmässig dieselbe Kraft, die Beschleunigungen sind aber
umgekehrt proportional zur Masse. Eine unendlich grosse Masse erfährt keine Be-
schleunigung.
Starke Form: In der starken Form verlangt das actio=reactio Axiom zusätzlich
die Gleichheit von Drehmoment und Gegendrehmoment. Sei N12 = r1 × F12 das
Drehmoment, das der Massenpunkt 2 auf den Massenpunkt 1 ausübt und N21 =
r2 × F21 das Gegendrehmoment, das der Massenpunkt 1 auf den Massenpunkt 2
ausübt. Dann gilt
Daraus folgt, dass die Wechselwirkungskräfte entlang der Verbindungslinie der bei-
den Massenpunkte gerichtet sein müssen.
Zusatz
Greifen an einem Körper mehrere Kräfte an, so addieren sich diese vektoriell,
X
F = F i. (1.11)
i
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 10
Dies wird als Superpositionsprinzip der Kräfte oder als Regel vom Parallelogramm
der Kräfte bezeichnet. Es wurde von Newton als Zusatz zu den Bewegungsgesetzen
angegeben.
1.3 Vektoren
1.3.1 Vektor
Ein Vektor ist eine Größe, die durch einen Betrag und eine Richtung festgelegt wird.
Vektoren unterscheiden sich dadurch von Skalaren, wie z.B. der Masse, die nur einen
Betrag aber keine Richtung besitzen. Vektoren können als eine geradlinige Verschie-
bung eines Punktes betrachtet und in Form eines Verschiebungspfeils dargestellt
werden. Im folgenden wird die Notation a für Vektoren benutzt. Gebräuchlich sind
auch die Schreibweisen a oder − →
a.
Addition
1. Vektoraddition: a + b = c
Die Addition ist definiert als Hintereinanderausführung zweier Verschiebun-
gen a und b. Das Ergebnis c ist wieder eine Verschiebung. Sie entspricht der
Diagonalen in dem durch die beiden Vektoren a und b aufgespannten Paral-
lelogramm.
2. Nullvektor: a + 0 = a
3. Inverser Vektor: a + (−a) = 0
Die Subtraktion a − b ist definiert als die Addition des inversen Vektors:
a + (−b)
4. Kommutativgesetz: a + b = b + a
5. Assoziativgesetz: a + (b + c) = (a + b) + c
Vielfaches
Sei α 6= 0 eine reelle Zahl. Der Vektor αa besitzt den α-fachen Betrag von a und
ist parallel (α > 0) oder antiparallel (α < 0) zu a gerichtet.
1. α(βa) = (αβ)a
2. α(a + b) = αa + βb
3. (α + β)a = αa + βa
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 11
1.3.2 Skalarprodukt
Für zwei Vektoren a und b, die den Winkel ϕ einschließen, wird das Skalarprodukt
(Innere Produkt) definiert durch
a · b = ab cos ϕ. (1.12)
Hierbei bezeichnet a den Betrag von a, b cos ϕ den Betrag der Projektion von b auf
a. Der Betrag eines Vektors a wird auch mit |a| bzw. kak bezeichnet.
1. a · b = b · a
2. (αa) · b = a · (αb) = α(a · b)
3. (a + b) · c = a · c + b · c
4. Orthogonalitätsbedingung: a · b = 0 ⇐⇒ a⊥b
√
5. Betrag: a = a · a
Orthonormalbasis
Ein Einheitsvektor e ist ein Vektor mit Betrag e = 1. Die Einheitsvektoren ent-
lang der kartesischen Koordinatenachsen bilden eine orthonormale Basis, d.h. die
Basisvektoren sind Einheitsvektoren, die paarweise zueinander orthogonal sind,
0 i 6= j
ei · ej = δij = (1.13)
1 i=j
Man nennt δij das Kroneckersymbol. Es bezeichnet die Elemente der Einheitsmatrix.
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 12
Komponentendarstellung
Ein Vektor kann durch seine Komponenten in einer orthonormalen Basis dargestellt
werden X
a= ai ei , ai = a · ei (1.14)
i
P
a·b= ai b i . (1.15)
i
1.3.3 Vektorprodukt
Für zwei Vektoren a und b, die den Winkel ϕ einschließen, wird das Vektorprodukt
(Äußere Produkt, Kreuzprodukt) definiert durch
a × b = ab sin ϕ e. (1.16)
Hierbei bezeichnet e einen Einheitsvektor, der auf a und b orthogonal ist und mit
diesen ein Rechtssystem bildet. Der Betrag des Vektorprodukts ist gleich der Fläche
des von den Vektoren a und b aufgespannten Parallelogramms. Die Richtung des
Vektorprodukts ist die Richtung der Flächennormale.
1. a × a = 0
2. a × b = −b × a
4. a × (b + c) = a × b + a × c
5. Parallelitätsbedingung: a × b = 0 ⇐⇒ akb
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 13
e1 × e2 = e3 , e2 × e1 = −e3 ,
e2 × e3 = e1 , e3 × e2 = −e1 , (1.17)
e3 × e1 = e2 , e1 × e3 = −e2 .
Allgemein definiert die i-te Komponente des Kreuzproduktes des j-ten mit dem
k-ten Einheitsvektors den Levi-Civita-Tensor (Epsilon-Tensor):
1 zykl. Vertauschung von 123
ei · (ej × ek ) = ijk = −1 anitzykl. Vertauschung von 123 . (1.18)
0 sonst
Komponentendarstellung
P a 2 b 3 − a 3 b 2
a × b = ijk aj bk ei = a3 b1 − a1 b3 (1.19)
ijk a1 b 2 − a2 b 1
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 14
Doppelte Produkte
1. Spatprodukt: a · (b × c) = c · (a × b) = b · (c × a)
X a1 b 1 c 1
a · (b × c) = ijk ai bj ck = det a2 b2 c2
ijk a3 b 3 c 3
1.3.4 Vektordifferentiation
Für vektorwertige Funktionen a(t), b(t) gilt
d d
2. Produktregel: dt
(a · b) = ȧ · b + a · ḃ, dt
(a × b) = ȧ × b + a × ḃ .
1.3.5 Vektordifferentialoperatoren
Für skalare Felder U (x) und Vektorfelder a(r) definiert man die Differentialopera-
toren:
2. Gradient: ∇U = ex ∂U
∂x
+ ey ∂U
∂y
+ ez ∂U
∂z
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 15
4. Rotation:
− ∂a
∂az y
∂y ∂z
X ∂ak ∂ax
∇×a= ijk ei = − ∂a z
∂z ∂x
∂xj ∂ay
ijk
∂x
− ∂a
∂y
x
1.4 Erhaltungssätze
Gegeben sei ein Systems von N Massenpunkten, die sich unter dem Einfluss einer
externen Kraft und von paarweisen Wechselwirkungskräften bewegen. Die Bewe-
gungsgleichungen lauten
mν r̈ν = Fν , ν = 1, 2, 3 · · · , N . (1.20)
X
Fν = Fνe + Fνµ .
µ,µ6=ν
Hierbei ist Fνe die externe Kraft auf mν und Fνµ die Wechselwirkungskraft von mµ
auf mν .
Im Rahmen der Newtonschen Axiome lassen sich für ein System von Massenpunkten
Erhaltungssätze für den Impuls, den Drehimpuls und die Energie ableiten.
1.4.1 Impulssatz
Für die Impulsänderung des ν-ten Massenpunktes gilt (1.20). Summiert man beide
Seiten über ν, so folgt der Impulssatz für das Gesamtsystem
P P
Ṗ = Fe , P = mν v ν , Fe = Fνe . (1.21)
ν ν
Hierbei bezeichnet P den Gesamtimpuls und Fe die externe Gesamtkraft. Die interne
Gesamtkraft verschwindet wegen des 3. Axioms (schwache Form)
X X X
Fνµ = Fνµ + Fνµ
ν,µ, ν6=µ ν<µ ν>µ
X X X
= Fνµ + Fµν = Fνµ + Fνµ = 0. (1.22)
ν<µ ν<µ ν<µ
Gibt es keine äußeren Kräfte, so bezeichnet man das System als abgeschlossen. Für
ein abgeschlossenes System ist der Gesamtimpuls erhalten,
F e = 0 ⇒ P = P 0 = const. (1.23)
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 16
1.4.2 Drehimpulssatz
Der Drehimpuls Lν und das Drehmoment Nν des ν-ten Massenpunktes bezüglich
des Koordinatenursprungs werden definiert durch
Lν = mν rν × vν , Nν = rν × Fν . (1.24)
Der Drehimpulssatz für den ν-ten Massenpunkt lautet
L̇ν = mν ṙν × vν + mν rν × v̇ν = rν × Fν = Nν . (1.25)
Summiert man auch hier über alle Massepunkte, so folgt der Drehimpulssatz für das
Gesamtsystem,
X X
L̇ = N e , L= mν r ν ×v ν , Ne = r ν ×F νe . (1.26)
ν ν
Ne = 0 ⇒ L = const. (1.27)
1 1
dS = |r×dr| = Ldt. (1.28)
2 2m
1.4.3 Energiesatz
Die kinetische Energie eines Massenpunktes mit der Masse m und der Geschwindig-
keit v wird definiert durch
1
T = mv 2 . (1.29)
2
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 17
Die kinetische Energie ist richtungsunabhängig. Sie hängt nur vom Betragsquadrat
v 2 = v · v ab.
Für die zeitliche Änderung der kinetischen Energie erhält man mit Hilfe der Bewe-
gungsgleichung
dT
= mv · v̇ = F · v.
dt
Man bezeichnet diese Änderung als die von der Kraft verrichtete Leistung
P =F ·v . (1.30)
als die von der Kraft F längs des vektoriellen Wegelementes dr geleistete Arbeit.
Nur die Kraftkomponente parallel zum Wegelement verrichtet Arbeit. Zum Beispiel
verrichtet die Lorentzkraft keine Arbeit, wenn sich eine Ladung q in einem Magnet-
feld B mit der Geschwindigkeit v bewegt:
q
dW = F ·vdt = (v×B)·vdt = 0.
c
Die Ladung bewegt sich hier auf einer Kreisbahn und die Kraft verändert daher nur
die Richtung aber nicht den Betrag der Geschwindigkeit.
Bewegt sich der Massenpunkt zwischen den Zeitpunkten t0 und t1 von einem An-
fangspunkt r 0 zu einem Endpunkt r 1 entlang einer Kurve γ, so erhält man für diesen
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 18
Die Änderung der kinetischen Energie ist gleich der gesamten von der Kraft auf
dem Weg verrichteten Arbeit. Im allgemeinen hängt die von einer Kraft F =
F (r(t), ṙ(t), t) verrichtete Arbeit vom Verlauf der Bahnkurve r(t) ab (Abb. 1.10).
Energieerhaltung
Ein wichtiger Spezialfall liegt vor, wenn die Arbeit wegunabhängig ist, d.h. für alle
Wege zwischen zwei Endpunkten hängt die Arbeit nur von der Lage der Endpunk-
te ab. In diesem Fall gibt es einen Energieerhaltungssatz und die Kraft wird als
konservativ bezeichnet.
Ein Beispiel einer konservativen Kraft ist die Schwerkraft. Für einen beliebigen Weg
von der Höhe z0 auf die Höhe z1 verrichtet die Schwerkraft G = −mgez immer die
Arbeit
Zr 1 Zz1
W = dr·G = dz(−mg) = −mg(z1 − z0 ) = U (z0 ) − U (z1 ).
r0 z0
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 19
Hierbei ist U (z) = mgz die potentielle Energie, die nur von der Höhe des Körpers
abhängt.
Ist die Arbeit wegunabhängig, so kann man allgemein eine potentielle Energie
R
U (r) = − F ·dr (1.33)
definieren. Ohne Einschränkung kann man einen beliebigen Weg wählen und ent-
lang dieses Weges mit der Bogenlänge als Kurvenparameter eine Stammfunktion
berechnen, Z
dr
U (r) = − (F ·t) ds , t= .
ds
Die Arbeit ist dann die Differenz der potentiellen Energien in den Endpunkten des
Weges,
Zr 1 r 1
W = F ·dr = −U (r) = U (r 0 ) − U (r 1 ) . (1.34)
r0 r 0
1
mv 2 + U (r) = E (1.35)
2
Konservative Kräfte
Es stellt sich nun die Frage, welche Kräfte konservativ sind, d.h. ein Potential be-
sitzen. Dazu nehmen wir an, dass ein Potential existiert und leiten daraus die allge-
meine Form des zugehörigen Kraftfeldes her.
Es existiere ein Potential U (r), so dass die Arbeit wegunabhängig ist und der Ener-
giesatz (1.35) gilt. Dann erhält man durch Zeitableitung
dT dU
+ = (F + ∇U )·v = 0 . (1.36)
dt dt
Allgemein kann das Differential einer Funktion f (r) mit Hilfe des Gradienten ange-
geben werden,
∂f ∂f ∂f
df = dx + dy + dz = dr·∇f. (1.37)
∂x ∂y ∂z
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 20
Aus (1.36) folgt, dass der Vektor F +∇U senkrecht auf der Geschwindigkeit v steht.
Mit einem beliebigen Vektor A gilt daher für konservative Kräfte
∇ × F = 0. (1.40)
Die Bedingung ist notwendig. Ist F konservativ, so folgt daraus notwendig (1.40).
Denn eine konservative ortsabhängige Kraft ist nach (1.39) aus einem Potential
ableitbar und die Rotation des Gradienten verschwindet:
X ∂2U X ∂2U X ∂2U
(∇ × F )i = − ijk =− ikj = ijk = 0.
jk
∂xj ∂xk kj
∂xk ∂xj jk
∂xj ∂xk
Umgekehrt kann man auch zeigen, dass die Bedingung (1.40) hinreichend dafür ist,
dass die Arbeit wegunabhängig ist. Dies folgt aus dem Stokeschen Integralsatz, der
in der Vektoranalysis und in der Elektrostatik behandelt wird.
x(0) = x0 , v(0) = v0
dt(v) 1 m
= =
dv v̇ F (v)
Z v
m
t = dv 0 (1.41)
F (v 0 )
v0
Die gesuchte Funktion v = v(t) ist die Umkehrfunktion von t = t(v). Die Umkehr-
funktion existiert lokal in der Umgebung eines Punktes v∗ falls t0 (v∗ ) 6= 0. Dann
ist dt = t0 (v∗ )dv nach dv = dt/t0 (v∗ ) auflösbar. Mit v(t) erhält man x(t) durch
Integration
Zt
x(t) = x0 + dt0 v(t0 ). (1.42)
0
mẍẋ = F (x)ẋ,
x(t)
Z
d 1 d
mẋ2 = dx0 F (x0 ) .
dt 2 dt
a
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 22
Definiert man die kinetische Energie T (v) und die potentielle Energie U (x) durch
Zx
1
T (v) = mv 2 , U (x) = − dx0 F (x0 ), U (a) = 0 (1.43)
2
a
d
(T + U ) = 0, T (v) + U (x) = E. (1.44)
dt
Die Gesamtenergie E ist eine Konstante, die bei der Bewegung, x = x(t), v = v(t)
erhalten bleibt.
Aus dem Energiesatzes können wichtige Folgerungen für die Bewegung des Masse-
punktes gezogen werden. Dazu verwendet man häufig eine graphische Darstellung
der Energie als Funktion der Koordinate x (Abb. (1.11)). Die potentielle Energie
y = U (x) ist eine Funktion von x, die Gesamtenergie y = E eine vorgegebene Kon-
stante. Die kinetische Energie am Ort x ergibt sich aus der Differenz T = E − U (x).
Da die kinetische Energie nie negativ sein kann, ist die Bewegung auf Gebiete mit
E − U (x) > 0 eingeschränkt, d.h. auf diejenigen Gebiete in denen die Potentialkurve
y = U (x) unterhalb der horizontalen Geraden y = E verläuft.
Die Umkehrpunkte x = xu der Bewegung werden definiert durch die Nullstellen von
E − U (xu ) = 0. (1.45)
dU (xg )
F (xg ) = − =0. (1.47)
dx
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 23
y
y= U(x) Abbildung 1.11: Bewegung im Poten-
tial U(x) bei verschiedenen Energien.
E5 E1 : Stabiles Gleichgewicht, E2 : Peri-
odische Bewegung im linken Poten-
E4 tialminimum, stabiles Gleichgewicht im
E3 rechten Potentialminimum, E3 : Peri-
E2 odische Bewegungen in beiden Minima,
E4 : Instabiles Gleichgewicht, Grenzkur-
E1 ve zwischen den periodischen Bewegun-
gen unterhalb und oberhalb des Poten-
x tialmaximums, E5 : Periodische Bewe-
gung oberhalb des Potentialmaximums.
Phasenebene
Der Phasenraum einer eindimensionalen Bewegung ist die durch (x, p) aufgespannte
Phasenebene. Die Kurven, die eine Bewegung in der Phasenebene durchläuft, werden
durch den Energiesatz bestimmt,
p2 p
+ U (x) = E, p = ± 2m(E − U (x)).
2m
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 24
p
Abbildung 1.12: Bewegung in der Phase-
nebene. Die einzelnen Kurven entsprechen
den Energien in Abbildung (1.11). Die auf
x der x-Achse hervorgehobenen Punkte sind die
Gleichgewichtspunkte. Durch den mittleren
instabilen Gleichgewichtspunkt geht die Se-
paratrix.
Ausgehend vom Energiesatz erhält man für die Geschwindigkeit den Ausdruck,
r
dx 2
v= =± (E − U (x)).
dt m
Das Vorzeichen wird durch das Vorzeichen der Anfangsgeschwindigkeit und nach-
folgende Vorzeichenwechsel an den Umkehrpunkten bestimmt. Damit lässt sich
zunächst die Funktion t = t(x) als Integral darstellen
dt 1 1
= dx
=
dx dt
v(x, E)
Zx
dx0
t(x) = q . (1.48)
x0
± m2 (E − U (x0 ))
Durch die Bildung der Umkehrfunktion erhält man aus t = t(x) die gesuchte Bewe-
gung x = x(t). Die Umkehrfunktion existiert lokal für t0 (x) = 1/v 6= 0.
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 25
Ist die Bewegung periodisch so erhält man die Periode T durch eine Integration über
einen Umlauf. Sind die beiden Umkehrpunkte der Bahn x1 und x2 , dann gilt
Zx2 Zx1
dx dx
T = q + q
2
x1 m
(E − U) x2
− m2 (E − U )
Zx2
dx
= 2 q (1.49)
2
x1 m
(E − U)
p
U = U (r), r= x2 + y 2 + z 2 . (1.50)
• Yukawapotential (Atomkerne):
α
U= exp(−κr), α, κ = const
r
λ µ
U= 12
− 6, λ, µ = const
r r
Die durch ein Zentralpotential definierte Kraft heißt Zentralkraft. Der Gradient
zeigt in Richtung der Flächennormalen von U = U (r). Die abgeleitete Zentralkraft
ist daher in radialer Richtung gerichtet und hängt betragsmäßig nur vom Abstand
ab,
Die kartesischen Komponenten des Gradienten von U (r) wurden hierbei nach der
Kettenregel berechnet
Die Bewegung eines Massenpunktes in einem Zentralpotential wird durch das An-
fangswertproblem
r
mr̈ = F (r) , r(0) = r0 , v(0) = v0 (1.53)
r
beschrieben. Die allgemeine Lösung der Bewegungsgleichung enthält 6 Integrati-
onskonstanten, die durch die Anfangsbedingungen bestimmt werden. Zur Lösung
werden die Erhaltungssätze für den Drehimpuls und die Energie ausgenutzt. Die-
se legen 4 Integrationskonstanten fest. Nach Ausnutzung der Erhaltungssätze sind
daher nur noch zwei Integrationen auszuführen.
1.6.2 Drehimpulserhaltung
Eine Zentralkraft übt bezüglich des Koordinatenursprungs kein Drehmoment aus,
N = r × F = F (r)r × r = 0. (1.54)
L = mr × v = mr0 × v0 (1.55)
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 27
erhalten. Ist L = 0, so sind r0 und v0 parallel gerichtet, d.h. die Bewegung erfolgt
in radialer Richtung. Dieser Sonderfall entspricht einer eindimensionalen Bewegung
mit einer ortabhängigen Kraft (Abschnitt 1.5.3).
Bahnebene: Ist L 6= 0, so steht der Drehimpuls senkrecht auf der Bahnebene, die
durch die Vektoren r0 und v0 aufgespannt wird. Wählt man ein Koordinatensystem,
dessen z-Achse in Richtung des Drehimpulses gerichtet ist, so verläuft die Bahn in
der xy-Ebene. Wegen der Radialsymmetrie des Potentials ist es zweckmäßig in der
Bahnebene Polarkoordinaten (r, ϕ) einzuführen,
x = r cos ϕ,
y = r sin ϕ. (1.56)
Mit den Transformationsgleichungen (1.56), (1.57) erhält man für den Drehimpuls
die Beziehung
1.6.3 Energieerhaltung
Da die Zentralkraft aus dem Zentralpotential ableitbar ist, gilt der Energierhaltungs-
satz
1 1
E = mv 2 + U (r) = v02 + U (r0 ). (1.60)
2 2
Für das Betragsquadrat der Geschwindigkeit gilt
L2
v 2 = ẋ2 + ẏ 2 = ṙ2 + r2 ϕ̇2 = ṙ2 + . (1.61)
m2 r 2
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 28
Im letzten Schritt wurde die Winkelgeschwindigkeit mit Hilfe des Drehimpulses eli-
miniert. Definiert man ein effektives Potential durch
L2
Uef f (r) = + U (r) . (1.62)
2mr2
Differenziert man (1.63) nach der Zeit, so erhält man die Bewegungsgleichung
dUef f L2
mr̈ = − = + F (r) = mϕ̇2 r + F (r). (1.64)
dr mr3
Als Kraft in radialer Richtung wirkt neben der Zentralkraft F (r) auch die Zentri-
L2
fugalkraft mϕ̇2 r. Der Zentrifugalkraft entspricht das Zentrifugalpotential 2mr 2 im
effektiven Potential.
erforderlich.
Man kann die Radialbewegung r = r(t) als eine eindimensionale Bewegung in einem
effektiven Potential Uef f (r) auffassen und entsprechend integrieren
r Z r(t)
2 dr0
ṙ = ± (E − Uef f ), t=± q .
m r0 2
(E − U )
m ef f
Die Lösung t = t(r) bestimmt implizit die Radialbewegung r = r(t). Damit kann
die Winkelbewegung ϕ = ϕ(t) ebenfalls integriert werden,
Zt
L 0
ϕ(t) = ϕ0 + dt . (1.66)
mr2
0
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 29
Bei einer ungebundenen Bewegung kommt die Bahn aus dem Unendlichen, nähert
sich dem Kraftzentrum bis auf einen minimalen Abstand r0 und entfernt sich dann
wieder ins Unendliche.
für den Umlauf des Teilchens um das Kraftzentrum. Die Bahn des Teilchens verläuft,
wie in Abb. (1.15) dargestellt innerhalb eines Kreisringes, wobei sich die Radien
zu zwei aufeinanderfolgenden Scheitelpunkten der Bahn am äußeren bzw. inneren
Rand des Ringes um den Winkel (1.69) drehen. Die Bahn ist geschlossen, falls für
ganzzahlige m und n die Bedingung
erfüllt wird. Dann schließt sich die Bahn nach m Umläufen im effektiven Potential
bzw. n Umläufen um das Kraftzentrum (Rosettenbahn). Ist ∆ϕ kein rationales Viel-
faches von 2π, so ist die Bahn offen und erfüllt nach beliebig vielen Umläufen den
gesamten Kreisring. Man kann zeigen, dass sie jedem Punkt des Kreisringes beliebig
nahe kommt und bezeichnet solche Bahnen als ergodisch.
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 31
1.7 Kepler-Problem
Die Bestimmung der Bewegung eines Massenpunktes in einem Zentralfeld der Form
α α r
U (r) = − , F =− , α = const, (1.71)
r r2 r
wird als das Kepler-Problem bezeichnet. Für α = γmM ist es auf die Planetenbe-
wegung (Masse m) um die Sonne (Masse M ) anwendbar, wobei die Sonne als festes
Zentrum behandelt wird. Im Rahmen der Newtonschen Theorie können die Kep-
lerschen Planetengesetze hergeleitet und durch das universelle Gravitationsgesetz
(1.71) begründet werden. Dies war einer der größten und überzeugendsten Erfolge
der Newtonschen Mechanik.
Effektives Potential
1.7.2 Bahnkurven
Die Bahnkurve r = r(ϕ) wird durch das Integral
Z
L dr
ϕ= q (1.75)
L2
r2 2m(E + αr ) − r2
bestimmt.
p Es ist hilfreich mit Hilfe von (1.73) die Parameter p = r∗ und =
(U∗ − E)/U∗ einzuführen. Explizit lautet diese Definition
r
L2 2EL2
p= , = 1+ . (1.76)
mα mα2
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 33
α L2
2m(E + ) − 2
r r
m2 α2 2EL2 2p p2
= + − 2
L2 mα2 r r
2
L 2
p 2
= − − 1
p2 r
" 2 #
L2 2
p/r − 1
= 1− .
p2
Die hierbei auftretende Integrationskonstante kann Null gesetzt werden. Dies ent-
spricht einer Drehung des Koordinatensystems, so dass der Wert ξ = 1 für ϕ = 0
angenommen wird. Löst man nach r auf, so erhält man die Bahnkurve:
p
r= (1.77)
1 + cos ϕ
Sie beschreibt Kegelschnitte mit Parameter p und Exzentrizität . Für < 1 sind
dies Ellipsen, für > 1 Hyperbeln, für = 1 Parabeln. Eine Kreisbahn ( = 0)
ist ein Spezialfall einer Ellipse.
1.7.3 Ellipsenbahnen
Für im Intervall 0 < < 1 sind die Bahnkurven Ellipsen. Dieses Intervall ent-
spricht dem Energieintervall (1.74) für gebundene Bahnen im effektiven Potential.
Der Grenzfall = 0 entspricht dabei der Kreisbahn im Minimum des effektiven
Potentials.
Nach Abbildung (1.17) und gemäß der Polargleichung (1.77) bestehen für die Para-
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 34
2a = r1 + r2
p p
rmin = r(0) = , rmax = r(π) = , p = r(π/2)
1+ 1−
1 p 1 1 p
a = (rmin + rmax ) = + = .
2 2 1+ 1− 1 − 2
1 p 1 1 p
∆ = (rmax − rmin ) = − = = a .
2 2 1− 1+ 1 − 2
√
b2 + ∆2 = a2 , b = 1 − 2 a
p L2 mα2 α
a= 2
= 2
= (1.78)
1− mα 2|E|L 2|E|
r
√ 2|E|L2 α L
b= 1 − 2 a = 2
=p . (1.79)
mα 2|E| 2m|E|
Der Halbparameter p ist eindeutig durch L bestimmt. Die große Halbachse a ist
eindeutig durch E bestimmt. Abbildung (1.18) zeigt schematisch die Ellipsenbahnen
als Funktion des Drehimpulses bei fester Energie und als Funktion der Energie bei
festem Drehimpuls.
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 35
Abbildung 1.18: Links: Bahnellipsen bei festem E und Variation von L. Die Kreis-
bahn besitzt den größtmöglichen Drehimpuls. Rechts: Bahnellipsen bei festem L und
Variation von E. Die Kreisbahn besitzt die kleinstmögliche Energie.
Umlaufperiode
L
S = πab = T
2m r
2m 2πm α L m 3
T = πab = p = 2π a2
L L 2|E| 2m|E| α
Mit α = γmM ergibt sich für die Umlaufperiode T und die große Halbachse a der
Zusammenhang.
(2π)2 3
T2 = a (1.80)
γM
Da die Proportionalitätskonstante für alle Planeten und für alle Drehimpulse gleich
groß ist, erhält man hieraus das dritte Keplersche Gesetz.
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 36
1.7.4 Coulomb-Streuung
Für > 1 sind die Bahnkurven Hyperbeln. Sie beschreiben die Streuung von Teilchen
mit Energien E > 0. Ein wichtiges Anwendungsbeispiel ist die Streuung geladener
Teilchen im Coulomb-Feld. Wir berechnen zunächst den Ablenkwinkel bei der Streu-
ung eines einzelnen Teilchens und dann den differentiellen Wirkungsquerschnitt für
die Streuung eines Teilchenstrahls in das Raumwinkelelement dΩ.
1.7.6 Ablenkwinkel
Das auslaufende Teilchen bewegt sich asymptotisch ebenfalls entlang einer Geraden.
Diese ist gegenüber der x-Achse um den Ablenkwinkel ϑ geneigt. Für abstoßende
Wechselwirkung gilt gemäß (1.82) und (1.77),
Die Polarkoordinaten sind so zu wählen, dass ϕ = π für r = rmin gilt. Die Achse des
Polarkoordinatensystems ist also von rmin zum Ursprung gerichtet (Abb. (1.19)).
Bei anziehender Wechselwirkung gilt entsprechend
Hier zeigt die Achse des Polarkoordinatensystems vom Ursprung zum Punkt rmin
(Abb. (1.20)). In beiden Fällen besteht zwischen dem Polarwinkel ϕ = ϕ0 und dem
Ablenkwinkel ϑ der auslaufenden Asymptote der Zusammenhang
ϑ π
ϑ = 2ϕ0 − π, ϕ0 = + . (1.85)
2 2
Der Ablenkwinkel bei der Coulomb-Streuung läßt sich nun einfach bestimmen. Aus
der Polargleichung (1.77), ergibt sich für die auslaufende Asymptote (r → ∞) die
Bedingung
ϑ π ϑ
1 + cos ϕ0 = 1 + cos + = 1 − sin = 0.,
2 2 2
und für den Ablenkwinkel die Beziehung
ϑ 1
sin = . (1.86)
2
Ersetzt man mit Hilfe von (1.82), so folgt
1
2 = 2
sin (ϑ/2)
2 2
1 − sin2 ϑ/2
2Es 1 cos ϑ/2
= − 1 = =
α sin2 ϑ/2 sin2 ϑ/2 sin ϑ/2
(1.87)
Daraus ergibt sich der gesuchte Zusammenhang zwischen dem Ablenkwinkel und
dem Stoßparameter bei der Coulomb-Streuung
ϑ s⊥ |α|
tan = , s⊥ = . (1.88)
2 s 2E
1.7.7 Wirkungsquerschnitt
Die Teilchen eines Teilchenstrahls können durch Stöße mit einem anderen Teilchen
abgelenkt und als Funktion des Ablenkwinkels mit einem Detektor nachgewiesen
werden. Diesen Vorgang nennt man Streuung. Wir betrachten hier die Streuung
eines Teilchenstrahls an einem festen Streuzentrum.
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 39
dσ s|ds||dϕ| s ds s 1
= = = . (1.93)
dΩ sin ϑ|dϑ||dϕ| sin ϑ dϑ sin ϑ dϑ
ds
Ein Teilchen werde an einer harten Kugel mit Radius a gestreut (Abb. 1.22). Die
Beziehung zwischen dem Stoßparamter und dem Ablenkwinkel ergibt sich aus der
Abbildung zu
π−ϑ ϑ
s = a sin ϕ0 = a sin = a cos .
2 2
Damit kann der Differentielle Wirkungsquerschnitt wie folgt berechnet werden:
a ϑ
ds = − sin dϑ
2 2
dσ a cos ϑ2 a ϑ a2
=− − sin = , mit: sin ϑ2 cos ϑ2 = 12 sin ϑ. (1.94)
dΩ sin ϑ 2 2 4
Durch Integration über den Raumwinkel erhält man den totalen Wirkungsquer-
schnitt. Er entspricht hier der Querschnittsfläche der Kugel:
a2
Z
dσ
σ= dΩ = · 4π = πa2 . (1.95)
dΩ 4
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 41
Ableitung ds/dϑ:
Differentieller Wirkungsquerschnitt:
dσ |α| cos ϑ/2 1 |α| 1 ϑ ϑ
= − − 2 ; sin ϑ = 2 sin cos ,
dΩ 2E sin ϑ/2 sin ϑ 4E sin ϑ/2 2 2
α 2 1
= 4 . (1.97)
4E sin ϑ/2
2
Z1 Z2 e2
dσ 1
= 4 ϑ
(1.98)
dΩ 4E sin 2
Totaler Wirkungsquerschnitt:
Z Z2π Zπ Zπ
dσ dσ dσ
σ= dΩ = dϕ dϑ sin ϑ = 2π dϑ sin ϑ (1.99)
dΩ dΩ dΩ
0 0 0
1.8 Zweikörperproblem
Wir behandeln nun ein abgeschlossenes System aus zwei Massenpunkten, die mit-
einander wechselwirken. Dieses Zweikörperproblem kann mit Hilfe des Impulserhal-
tungssatzes auf ein Einkörperproblem zurückgeführt werden.
Die Bewegungsgleichungen der beiden Teilchen besitzen die Form
m1 r̈ 1 = F 12 , m2 r̈ 2 = F 21 . (1.100)
Die Wechselwirkungskräfte sollen nur vom Abstand der Teilchen abhängen und das
Gesetz von actio=reactio erfüllen:
1
R= (m1 r 1 + m2 r 2 ) , r = r2 − r1 (1.102)
M
µ µ
r1 = R − r, r2 = R + r, (1.103)
m1 m2
mit
m1 m2
M = m1 + m2 , µ=
m1 + m2
definiert. Man bezeichnet µ als die reduzierte Masse. Bei stark unterschiedlichen
Massen entspricht die reduzierte Masse näherungsweise der kleineren Masse, d.h.
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 43
Abbildung 1.24:
Laborsystem und
Schwerpunkts-
system.
µ µ
r 01 = − r, r 02 = r.
m1 m2
Für die Impulse der Massenpunkte gilt die Transformation
mit
V = Ṙ, v = ṙ.
m1 r̈ 1 + m2 r̈ 2 = M V̇ = F 12 + F 21 = 0
(1.105)
Da die Gesamtkraft verschwindet, ist der Gesamtimpuls erhalten und der Schwer-
punkt bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit.
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 44
V = V 0 = const, R = R0 + V 0 t. (1.106)
Für die Relativbewegung erhält man mit (1.104) und (1.106) die Bewegungsglei-
chung
Hierbei handelt es sich um ein Einkörperproblem für ein fiktives Teilchen mit der
reduzierten Masse µ und dem Ortsvektor r unter Einwirkung der Kraft F 21 (r).
Schwerpunktsystem (SS): Ein Bezugssystem in dem der Schwerpunkt im Ko-
ordinatenursprung ruht, R = V = 0, wird Schwerpunktsystem genannt. Für die
Teilchenbewegung im SS gilt:
µ µ
r 1 (t) = − r(t), r 2 (t) = r(t)
m1 m2
(1.108)
p1 = −µv, p2 = µv.
Die Impulse der beiden Teilchen sind entgegengesetzt gerichtet und betragsmäßig
gleich groß.
V = V 0. (1.109)
P = µv − µv = 0, P 0 = µv 0 − µv 0 = 0. (1.110)
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 45
Energieerhaltung: Aufgrund der Energieerhaltung kann sich beim Stoß nur die
Richtung der Relativgeschwindigkeit ändern. Die Relativgeschwindigkeit vor dem
Stoß sei v = vt, nach dem Stoß v 0 = v 0 t0 mit Einheitsvektoren t bzw. t0 in Richtung
der Relativgeschwindigkeit. Im Schwerpunktssystem lautet der Energieerhaltungs-
satz
µv 2 µv 0 2
E = E 0, E= , E0 = . (1.111)
2 2
Daraus folgt, dass der Betrag der Relativgeschwindigkeit erhalten ist,
v = v0.
Der noch unbestimmte Winkel zwischen t und t0 wird als Ablenkwinkel ϑ bezeichnet
und hängt vom speziellen Wechselwirkungsgesetz ab.
Die Geschwindigkeiten nach dem Stoß sind im Schwerpunktssystem
µ µ
v 01 = − vt0 , v 02 = vt0 , (1.112)
m1 m2
und im Laborsystem
µ µ
v 01,L = V − vt0 , v 02,L = V + vt0 . (1.113)
m1 m2
Kapitel 2
Lagrangesche Mechanik
2.1.1 Zwangsbedingungen
Ein System aus N freien Massenpunkten besitzt 3N Freiheitsgrade. Diese entspre-
chen den Lagekoordinaten der Massenpunkte im dreidimensionalen Raum. Ist ein
Massenpunkt Teil eines mechanischen Systems, so kann die Zahl seiner Freiheitsgra-
de durch äußere Vorgaben eingeschränkt sein. Beim ebenen Pendel bewegt sich die
Masse auf einer Kreisbahn und besitzt daher nur noch einen Freiheitsgrad. Bedin-
gungen, die die Zahl der Freiheitsgrade einschränken, werden Zwangsbedingungen
genannt.
Physikalische Systeme mit Zwangsbedingungen sind in der Technik sehr verbreitet.
Bei mechanischen Maschinen werden die beweglichen Teile, wie Kolben und Räder,
so geführt, dass meist schon ein Freiheitsgrad ausreicht um deren Stellung anzuge-
ben.
Die Reduktion der Anzahl der Freiheitsgrade auf wenige relevante Freiheitsgrade ist
von prinzipieller Bedeutung. Viele Probleme werden erst auf diese Weise behandel-
bar. Ein starrer Körper besteht z.B. aus unendlich vielen Massenpunkten. Da wir
aber wissen, dass die Abstände zwischen den Massenpunkten bei der Bewegung fest
bleiben, reduziert sich das Problem auf eine Bewegung mit den sechs Freiheitsgraden
der Translation und Rotation.
Die folgenden Beispiele zeigen einige typische Zwangsbedingungen:
46
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 47
n · r = 0.
n·r≥0
r−R=0
(r i − r j )2 − rij
2
=0
r × e(t) = 0
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 48
ẋ − Rϕ̇ = 0, z−R=0
2.1.2 Zwangskräfte
Zwangsbedingungen führen zu einer Erweiterung der Newtonschen Mechanik. Um
die Zwangsbedingungen erfüllen zu können, werden in den Bewegungsgleichungen
zusätzliche Kräfte eingeführt. Diese Kräfte werden als Zwangskräfte bezeichnet.
Die Bewegungsgleichung eines Massenpunktes mit einer Zwangskraft Z lautet
mr̈ = F + Z.
Die Rolle der Zwangskraft soll zuerst an dem folgenden Beispiel illustriert werden.
Schiefe Ebene
Ein Massenpunkt bewege sich unter Einwirkung der Schwerkraft G = −mgez auf
einer um den Winkel α geneigten schiefen Ebene (Abb.2.1). In einem um den Winkel
α gedrehten Inertialsystem S 0 lauten die Bewegungsgleichungen
mẍ0 = −mg sin α + Zx0
mz̈ 0 = −mg cos α + Zz0 (2.1)
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 49
gewählt werden. Dabei ist die Normalenkomponente Zz0 eindeutig durch die Zwangs-
bedingung bestimmt. Die Tangentialkomponente wird zu Null gewählt, da in dieser
Richtung keine Zwangsbedingung vorliegt. Die Zwangskraft kompensiert hier gerade
die Komponente der Schwerkraft in Richtung der Flächennormale.
2.2.1 Konfigurationsraum
Für ein System von N Massenpunkten wird die Lage der N Massen durch 3N
Koordinaten festgelegt. Eine gegebene Konfiguration kann daher durch einen Punkt
in einem 3N -dimensionalen Raum, dem Konfigurationsraum, angegeben werden. Im
Konfigurationsraum werden der Ortsvektor x, die Kraft F und die Zwangskraft Z
in folgender Weise definiert
x1 Fx,1 Zx,1
y1 Fy,1 Zy,1
z1 Fz,1 Zz,1
x2 Fx,2 Zx,2
y2 Fy,2 Zy,2
x= z2 ,
F = Fz,2 ,
Z= Zz,2 .
(2.2)
··· ··· ···
xN Fx,N Zx,N
yN Fy,N Zy,N
zN Fz,N Zz,N
m · ẍ = F + Z ⇐⇒ mi ẍi = Fi + Zi , i = 1, · · · , 3N . (2.4)
g l (x, t) = 0, l = 1, 2, 3, · · · , k. (2.5)
Hierbei ist k die Anzahl der Zwangsbedingungen und l ist ein Index für die unter-
schiedlichen Zwangsbedingungen. Zeitabhängige Zwangsbedingungen, g = g(x, t),
heißen rheonom, zeitunabhängige, g = g(x), skleronom. Im folgenden werden k ho-
lonome Zwangsbedingungen vorausgesetzt.
3N
X
Z · δx = Zi δxi = 0. (2.8)
i=1
(F − m · ẍ) · δx = 0. (2.9)
Ein Spezialfall des d’Alembertschen Prinzips ist das Prinzip der virtuellen Arbeit.
Für ein Kräftegleichgewicht, bei dem alle Koordinaten zeitunabhängig sind, gilt die
Gleichgewichtsbedingung,
F · δx = 0. (2.10)
Als Beispiel für das Prinzip der virtuellen Arbeit betrachten wir das Gleichgewicht
eines Hebels (Abb.2.3). Die virtuellen Verrückungen der Massen m1,2 bei einer Dre-
hung um den vektoriellen Drehwinkel δϕ sind jeweils δr 1,2 = δϕ×r 1,2 . Aus dem
Prinzip der virtuellen Arbeit folgt
F 1 ·(δϕ×r 1 ) + F 2 ·(δϕ×r 2 ) = δϕ·(r 1 ×F 1 + r 2 ×F 2 ) = 0.
Der Hebel ist im Gleichgewicht, wenn sich die Drehmomente in Richtung der Dreh-
achse zu Null addieren.
k
X
m · ẍ = F + Z, Z= λ l Al , g l (x, t) = 0. (2.12)
l=1
mi ẍi = Fi + Zi , i = 1, 2, · · · , 3N
g l (x, t) = 0, l = 1, 2, · · · , k .
Abkürzend verwenden wir auch die Notation x = x(q, t), wobei q für die Argumente
q1 , q2 , · · · , qf steht.
Da die δqn unabhängig voneinander beliebig gewählt werden können, muß jeder
Koeffizient einzeln verschwinden,
(m · ẍ − F ) · an = 0, n = 1, · · · , f. (2.17)
Dies sind die Komponenten der Bewegungsgleichung entlang der lokalen Basis. Da-
mit wurden genau f Bewegungsgleichungen für die f Freiheitsgrade der Hyperfläche
gewonnen. Die Zwangskräfte wurden durch die Koordinatenwahl eliminert.
gilt
∂v ∂x
= (2.19)
∂ q̇n ∂qn
f
d ∂x X ∂2x ∂2x ∂v
= q̇m + = . (2.20)
dt ∂qn m=1
∂q m ∂q n ∂t∂q n ∂q n
Der Beschleunigungsterm in der Bewegungsgleichung läßt sich damit wie folgt um-
formen
X ∂xi X d ∂xi
d ∂xi
mi ẍi = mi vi − mi vi
i
∂qn i
dt ∂qn dt ∂qn
X d
∂vi ∂vi
= mi vi − mi vi
i
dt ∂ q̇ n ∂qn
d ∂T ∂T
= − . (2.21)
dt ∂ q̇n ∂qn
Hierbei bezeichnet X1
T (q, q̇, t) = mi vi (q, q̇, t)2
i
2
die kinetische Energie des Systems als Funktion der generalisierten Koordinaten und
Geschwindigkeiten.
Allgemeiner nennt man eine Funktion U (q, q̇, t) ein generalisierte Potential, falls die
generalisierte Kraft in der Form
d ∂U ∂U
Qn = − (2.25)
dt ∂ q̇n ∂qn
d ∂L ∂L
= , n = 1, · · · , f, (2.26)
dt ∂ q̇n ∂qn
mit
Man nennt L(q, q̇, t) die Lagrangefunktion und (2.26) die Lagrangegleichungen zwei-
ter Art. Dies ist ein System von f Differentialgleichungen zweiter Ordnung für die
Bewegung q(t) auf der Hyperfläche. Es ist im allgemeinen einfacher zu behandeln
als die 3N + k gekoppelten Lagrangegleichungen erster Art.
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 57
2.3.7 Lösungsverfahren
Ein mechanisches System mit holonomen Zwangsbedingungen wird damit
vollständig durch die Wahl der verallgemeinerten Koordinaten q, durch Anfangsbe-
dingungen (q0 , q̇0 ) und durch die Angabe der Lagrangefunktion L(q, q̇, t) in diesen
Koordinaten beschrieben. Dabei ist die Form der Gleichungen von der Koordinaten-
wahl unabhängig.
Das Verfahren zur Lösung eines mechanischen Problems mit den Lagrangegleichun-
gen zweiter Art besteht aus den folgenden Teilschritten:
x = r cos α, z = r sin α .
ẋ = ṙ cos α, ż = ṙ sin α
∂L ∂L
=0 =⇒ pn = = const. (2.27)
∂qn ∂ q̇n
∂L
pn = (2.28)
∂ q̇n
als generalisierten Impuls. Hängt die Lagrangefunktion nicht explizit von einer ge-
neralisierten Koordinate qn ab, so nennt man diese Koordinate zyklisch. Für jede
zyklische Variable ist der zugehörige generalisierte Impuls erhalten.
2.3.10 Energieerhaltung
Der Energieerhaltungssatz kann in der Lagrangemechanik in der folgenden Form
angegeben werden
∂L X
=0 =⇒ E= pn q̇n − L = const. (2.29)
∂t n
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 59
Ist die Lagrangefunktion nicht explizit zeitabhängig, so ist die Energie E erhalten.
Beweis: Differenziert man L(q, q̇, t) nach der Zeit und verwendet die Lagrangeglei-
chungen (2.26), so folgt
d X ∂L ∂L ∂L
L(q, q̇, t) = q̇n + q̈n +
dt n
∂qn ∂ q̇n ∂t
X ∂L
= ṗn q̇n + pn q̈n +
n
∂t
!
d X ∂L
= pn q̇n + .
dt n
∂t
Damit gilt !
d X ∂L
pn q̇n − L =− . (2.30)
dt n
∂t
Die Zwangsbedingungen seien nun skleronom und die potentielle Energie sei ge-
schwindigkeitsunabhängig. Dann gilt für die Energie die übliche Beziehung
X
E= pn q̇n − L = T + U. (2.31)
n
1X
T = µnm q̇n q̇m , (2.33)
2 n,m
mit
X ∂xi ∂xi
µnm (q) = mi .
i
∂qn ∂qm
Die kinetische Energie ist eine positiv definite quadratische Form mit einer sym-
metrischen Matrix µnm = µmn . Für geschwindigkeitsunabhängige Potentiale werden
die verallgemeinerten Impulse allein durch die kinetische Energie bestimmt
∂L ∂T
pn = = . (2.34)
∂ q̇n ∂ q̇n
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 60
2.4 Schwingungen
Einfache schwingungsfähige Systeme sind ein mathematisches Pendel oder eine ela-
stische Feder. Im allgemeinen treten Schwingungen in konservativen mechanischen
Systemen dann auf, wenn man eine stabile Gleichgewichtslage etwas stört. Eindi-
mensionale Schwingungen mit kleinen Auslenkungen werden durch das Modell des
harmonischen Oszillators beschrieben. Kleine Schwingungen von Systemen mit vie-
len Freiheitsgraden können als Überlagerung der Schwingungen unabhängiger har-
monischer Oszillatoren dargestellt werden.
x = l sin ϕ, z = −l cos ϕ .
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 61
x
l
Zur Aufstellung der Lagrangefunktion benötigt man die kinetische und die potenti-
elle Energie als Funktion der verallgemeinerten Koordinate ϕ und der verallgemei-
nerten Geschwindigkeit ϕ̇,
1 1
T = m(ẋ2 + ż 2 ) = ml2 ϕ̇2
2 2
V = mgz = −mgl cos ϕ .
g
ϕ̈ + sin ϕ = 0 . (2.38)
l
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 62
Im allgemeinen lässt sich dieses Integral nicht durch elementare Funktionen aus-
drücken.
Für kleine Auslenkungen aus der unteren Gleichgewichtslage kann man zu einer
einfacheren linearen Schwingungsgleichung übergehen. Setzt man in (2.38) sin ϕ ≈ ϕ
für ϕ << 1, so erhält man die Schwingungsgleichung
g
ϕ̈ + ϕ=0. (2.42)
l
Die Schwingungsgleichung des harmonischen Oszillators erhält man, indem man die
Lagrangefunktion bis zur zweiten Ordnung in der Auslenkung ξ = x − x0 entwickelt.
Für das Potential lautet diese Entwicklung
1 d2 U
dU 2 1 2
U = U (0) + ξ + ξ = kξ . (2.46)
dx x=0 2 dx2 x=0 2
˙ = 1 mξ˙2 − 1 kξ 2 .
L(ξ, ξ) (2.48)
2 2
q
ξ¨ + ω02 ξ = 0, ω0 = k
m
. (2.49)
Sind alle Nullstellen verschieden, so bestimmen diese genau ein Basissystem linear
unabhängiger Lösungen der Differentialgleichung. Bei mehrfachen Nullstellen muß
der Ansatz erweitert werden. Im Fall der Schwingungsgleichung (2.49) folgt
P (λ) = λ2 + ω0 = (λ − iω0 )(λ + iω0 )
mit den beiden Nullstellen,
λ1,2 = ±iω0 .
Die allgemeine Lösung ist die Linearkombination
x(t) = A1 exp(iω0 t) + A2 exp(−iω0 t). (2.51)
Die Anfangsbedingungen
x(0) = x0 = A1 + A2 , v(0) = v0 = iω0 (A1 − A2 )
bestimmen die Konstanten A1,2 zu
1 v0 1 v0
A1 = x0 + , A2 = x0 −
2 iω0 2 iω0
Wie in Abbildung (2.7) dargestellt, können die komplexen Amplituden durch ihren
Betrag und ihre Phase ausgedrückt werden
v0
x0 + i = a exp(iϕ0 )
ω
s0
v02
a= + x20 , (2.52)
ω02
v0
tan ϕ0 = .
ω0 x0
Damit folgt die Lösung
Alternativ kann man A1,2 direkt in (2.51) einsetzen und erhält dann das Ergebnis
v0
x(t) = x0 cos(ω0 t) + sin(ω0 t). (2.54)
ω0
Da das Produkt der Geschwindigkeiten bereits von quadratischer Ordnung ist, kann
µnm im Gleichgewicht ausgewertet werden. In dieser Näherung ist µnm eine konstante
Matrix. Diese ist symmetrisch laut Definition und positiv definit, da die kinetische
Energie für ξ˙ 6= 0 positiv ist.
Im stabilen Gleichgewicht besitzt die potentielle Energie U = U (q) ein Minimum,
d.h. es gilt
∂U
= 0.
∂qn q=q0
Die Entwicklung der potentiellen Energie lautet daher
f
∂ 2 U
1 X
U = U (q0 ) + knm ξn ξm mit knm = .
2 n,m=1 ∂qn ∂qm q=q0
Zur Aufstellung der Lagrangegleichungen berechnen wir zuerst das totale Differential
von L unter Berücksichtigung der Symmetrie von µnm und knm ,
f
1 X
˙ ˙ ˙ ˙
dL = µnm dξn ξm + ξn dξm − knm (dξn ξm + ξn dξm )
2 n,m=1
f
1 X
= (µnm + µmn ) ξ˙m dξ˙n − (knm + kmn ) ξm dξn
2 n,m=1
f
X
= µnm ξ˙m dξ˙n − knm ξm dξn .
n=1
2.4.5 Schwingungsgleichung
Die zugehörigen Lagrangegleichungen stellen ein Gleichngssystem von f gekoppelten
linearen Oszillatoren dar,
f
X
µnm ξ¨m + knm ξm = 0 (2.56)
m=1
In Vektornotation gilt
µ · ξ¨ + k · ξ = 0. (2.57)
ξ = Ae−iωt , (2.58)
gelöst werden kann. Mit diesem Lösungsansatz folgt ein homogenes algebraisches
Gleichungssystem
k − ω 2 µ · A = 0.
(2.59)
Nichtverschwindende Lösungen existieren nur für bestimmte Werte von ω 2 die durch
die Lösbarkeitsbedingung des linearen Gleichungssystems
D(ω 2 ) = det k − ω 2 µ = 0 (2.60)
bestimmt werden. Hierbei ist D(λ) ein Polynom vom Grad f , das f komplexe Null-
stellen besitzt. Diese seien
λk , k = 1, · · · , f .
Treten Mehrfachnullstellen auf, so sind einige der λk gleich. Zu einer r-fachen Null-
stelle bestimmt das Gleichungessystem
(k − λk µ) · A(k) = 0 (2.61)
einen r-dimensionalen Lösungsraum, d.h. r der Komponenten von A(k) können belie-
big gewählt werden, die restlichen Komponenten sind dann durch das Gleichungssy-
stem eindeutig bestimmt. Insgesamt findet man auf diese Weise f Lösungsvektoren
A(k) .
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 68
Eigenfrequenzen
√
Zu jeder Nullstelle λk gibt es eine Frequenz ωk = λk . Diese werden auch als
Eigenfrequenzen bezeichnet. Wir zeigen, dass die Eigenfrequenzen für ein stabiles
Gleichgewicht reell sind.
Im allgemeinen besitzt ein Polynom komplexe Nullstellen. Aus der Symmetrie der
Matrizen folgt jedoch, dass die Nullstellen λk reell sind. Um dies zu zeigen, nehmen
wir zunächst an, es gäbe eine komplexe Nullstelle λ und einen zugehörigen komplexen
Lösungsvektor A. Durch skalare Multiplikation von (2.61) mit A∗ erhält man
A∗ · k · A
λ= .
A∗ · µ · A
Die konjugiert komplexe Gleichung ist
∗ (A∗ · k · A)∗
λ = ∗
(A · µ · A)∗
∗
Für eine hermitesche Matrix, Mmn = Mnm , ist
(A∗ · M · A)∗ = A · M ∗ · A∗ = A∗ · M · A
reell. Die reellen symmetrischen Matrizen µmn und kmn sind auch hermitesch. Daraus
folgt λ∗ = λ, so dass λ tatsächlich reell ist. Damit können auch die Lösungsvektoren
A reell gewählt werden. Da die Matrizen außerdem positiv definit sind, folgt sogar,
dass alle Nullstellen positiv sind. Daher können auch die Eigenfrequenzen ωk reell
und positiv gewählt werden.
Eine Sonderrolle spielt die doppelte Nullstelle ωk2 = 0. Wegen ξ¨ = −ω 2 ξ entspricht
diese Lösung einer gleichförmigen Bewegung
ξ = ξ0 + ξ˙0 t.
Normalmoden
festgelegt wurden. Dies sind Schwingungen mit genau einer Eigenfrequenz, die als
Normalmoden bezeichnet werden.
Die allgemeine Lösung des linearen Gleichungssystems ist eine Superposition aller
Normalmoden,
f
X
ξ= A(k) Bk cos(ωk t + αk ) . (2.64)
k=1
z x1 L
1 2
l l
z1
f
Die Auslenkung aus der Gleichgewichtslage wird durch den Winkel ϕ1 für Pendel
1 und ϕ2 für Pendel 2 bestimmt. Die kartesischen Koordinaten der Massenpunkte
sind
x1 = l sin ϕ1 , z1 = −l cos ϕ1 ,
x2 = L + l sin ϕ2 , z2 = −l cos ϕ2 .
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 70
Die kinetische Energie ist die Summe der kinetischen Energien (2.37) für die einzel-
nen Pendel
1 1
T = ml2 ϕ̇21 + ml2 ϕ̇22 .
2 2
Die potentielle Energie besteht aus den Beiträgen
1
U = mgz1 + mgz2 + f (d − L)2 .
2
Die Entwicklung der potentiellen Energie bis zur quadratischen Ordnung in den
Auslenkungen ϕ1,2 ergibt
1 1
U = −2mgl + mgl(ϕ21 + ϕ22 ) + f l2 (ϕ2 − ϕ1 )2 .
2 2
Damit kann die Lagrangefunktion für kleine Schwingungen in der Form
1 1 1
L = ml2 (ϕ̇21 + ϕ̇22 ) − mgl(ϕ21 + ϕ22 ) − f l2 (ϕ2 − ϕ1 )2 .
2 2 2
gewählt werden. Die Ableitung der Bewegungsgleichungen nach dem Lagrangever-
fahren ergibt das Gleichungssystem (2.57) wobei die Koeffizienten durch die Matri-
zen
ml2 0
µ =
0 ml2
mgl + f l2 −f l2
k =
−f l2 mgl + f l2
gegeben sind. Mit dem Exponentialansatz (2.58) ergibt sich daraus das algebraische
Gleichungssystem
−ω 2 + gl + m
k k
−m ϕ1 0
k 2 g k · = .
−m −ω + l + m ϕ2 0
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 71
Bei der ersten Schwingungsmode schwingen die Massen in Phase mit der Pendel-
frequenz. Die Feder bleibt dabei entspannt. Bei der zweiten Mode schwingen die
Massen gegeneinander. Die Frequenz ist dann eine Kombination aus der Pendel-
und der Federfrequenz.
2.5.1 Basistransformationen
Eine Basis {ei } heißt Orthonormalbasis, wenn die Basisvektoren normiert und paar-
weise orthogonal zueinander sind (Abschnitt 1.3.2). Die Einheitsvektoren bilden ein
Rechtssystem, falls sie nach der ”rechte-Hand-Regel” orientiert sind (Abb. 1.5). Die
Spatprodukte von jeweils drei Basisvektoren eines Rechtssystems bilden die Elemen-
te des Levi-Civita-Tensors (1.18).
Wir untersuchen nun die Eigenschaften von Transformationen, die eine gegebene
Orthonormalbasis {ei } in eine neue Orthonormalbasis {e0i } überführen. Jeder Ba-
sisvektor der neuen Basis kann als Linearkombination der Basisvektoren der alten
Basis geschrieben werden,
3
X
e0i = αij ej , αij = e0i ·ej = cos(ϕij ). (2.67)
j=1
An die Basistransformation (2.67) muss man die Forderung stellen, dass die Ortho-
normalität der Basis erhalten bleibt,
X
αin αjn = δij ⇔ α·αT = I, ⇔ α−1 = αT . (2.68)
n
genügen. Hierbei bezeichnet α die Matrix mit den Matrixelementen αij , αT die trans-
ponierte Matrix mit den Elementen αij T
= αji und α−1 die Umkehrmatrix. Matrizen
mit der Eigenschaft (2.68) nennt man orthogonale Matrizen. Die Umkehrmatrix
einer orthgonalen Matrix ist gleich der transponierten Matrix.
Alternativ kann man die Orthogonalitätsbedingungen auch in der Form
αT ·α = I (2.69)
schreiben. Denn für eine invertierbare Matrix mit β · α = I. folgt wegen (2.68)
β = β · I = β · (α·αT ) = (β · α)·αT = αT .
Die Orthogonalität der Matrix bedeutet, dass gemäß (2.68) die Zeilen und ebenso
gemäß (2.69) die Spalten jeweils paarweise orthogonal zueinander sind. Dies sind ins-
gesamt 6 Bedingungen an die 9 Matrixelemente αij dar. Eine allgemeine orthogonale
Transformation wird durch die verbleibenden 3 freien Parameter festgelegt.
Eine orthogonale Matrix besitzt die Determinante
det α = ±1 . (2.71)
Das Vorzeichen der Determinante bestimmt, ob das neue Basissystem ein Rechtssy-
stem (+1) oder ein Linkssystem (−1) darstellt, denn es gilt
X X
e01 ·(e02 ×e3 )0 = α1i α2j α3k ei ·(ej ×ek ) = ijk α1i α2j α3k = det α. (2.72)
i,j,k i,j,k
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 73
Die Menge aller orthogonalen n × n Matrizen heißt orthogonale Gruppe O(n), die
Menge aller orthogonalen n × n Matrizen mit det α = +1 spezielle orthogonale
Gruppe SO(n).
Durch eine stetige Variation der Parameter einer orthogonalen Transformation kann
sich das Vorzeichen der Determinante nicht sprunghaft ändern. Die Drehungen eines
dreidimensionalen Rechtssystems sind demnach Elemente der Gruppe SO(3).
Beim Übergang von einem Rechtssystem zu einem Linkssystem muss zusätzlich eine
Koordinatenachse gespiegelt werden. Raumspiegelungen stellen keine exakte Sym-
metrie der physikalischen Gesetze dar. Diese Symmetrie wird durch die schwache
Wechselwirkung gebrochen.
Dualraum
Durch das Skalarprodukt wird jedem Vektor u ein lineares Funktional
ϕu : R3 → R, ϕu (x) = u · x. (2.73)
zugeordnet. Diese Funktionale bilden die Elemente des Dualraums. Sie sind den
Vektoren eindeutig zugeordnet und werden daher häufig nicht von diesen unter-
schieden. In Komponentenschreibweise wird die Unterscheidung deutlich, wenn man
Vektoren als Spalten, Funktionale als Zeilen schreibt und diese nach der Regel der
Matrizenrechnung multipliziert
x1
ϕu (x) = u · x = (u1 , u2 , u3 ) · x2 .
x3
Einer Orthonormalbasis {ei } des Vektorraums entspricht eine Basis {di } des Dual-
raums. Die Basisfunktionale werden durch ihre Wirkung auf die Einheitsvektoren
definiert
di · ej = δij .
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 74
In Komponentenschreibweise gilt
Durch Anwendung des i-ten Basisfunktionals di auf einen beliebigen Vektor v erhält
man die i-te Komponente des Vektors bezüglich der Orthonormalbasis
X
di · v = vj di · ej = vi .
j
In diesem Sinn definiert die Dualbasis ein Bezugssystem für die Vektoren.
Aktive Drehungen
Durch eine aktive Drehung werden die Basisvektoren auf neue Basisvektoren abge-
bildet, die Dualbasis bleibt fest
Die Matrix a der aktiven Drehung hat nach (2.67) und (2.80) die Elemente
Damit gilt
a = αT = α−1 . (2.76)
v0 = a · v (2.77)
X X
vi0 = aij vj = T
αij vj , vi0 = di · v 0 vi = di · v . (2.78)
j j
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 75
Bei orthogonalen Transformationen bleiben Längen von Vektoren und die Winkel
zwischen Vektoren invariant. Dies folgt aus der Invarianz des Skalarproduktes. Seien
u0 = a · u und v 0 = a · v die Bilder der Vektoren u und v bei einer orthogonalen
Transformation a. Dann gilt
u0 · v 0 = (a · u) · (a · v) = (aT · a · u) · v = u · v. (2.79)
Passive Drehungen
Durch eine passive Drehung wird die Basis des Dualraumes auf eine neue Basis
abgebildet, die Basis des Vektorraumes bleibt fest
Bei einer passiven Drehung bleibt ein beliebiger Vektor v 0 = v fest. Es ändern sich
aber seine Komponenten beim Wechsel der Dualbasis,
X X
vi0 = pij vj = αij vj , vi0 = d0i · v, vi = di · v . (2.82)
j j
V V’
Der Vektor dreht sich auf einem Kegelmantel um die Drehachse (Abb.2.8).
α = I + N dϕ . (2.86)
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 78
N T = −N . (2.87)
X
Nij = (ei ×ej )·n = ijk nk . (2.89)
k
Ein Vergleich mit (2.83) zeigt, dass es sich hierbei um eine Drehung um die Drehachse
n um den infinitesimalen Winkel dϕ handelt. Sie wird vollständig durch den Vektor
dϕ = ndϕ bestimmt. Für einen beliebigen Vektor V gilt entsprechend
dV = dϕ×V . (2.92)
dr 1 = dϕ1 ×r
dr 2 = dϕ2 ×(r + dr 1 ) = dϕ2 ×r
dr = dr 1 + dr 2 = (dϕ1 + dϕ2 )×r = dϕ×r .
r 0 = r. (2.96)
v = v0 + ω × r0 . (2.100)
d d0
= + ω×, (2.101)
dt dt
die links auf die Darstellung im Inertialsystem S und rechts auf die Darstellung im
rotierenden System S’ wirkt.
Das Transformationsgesetz für die Beschleunigungen erhält man durch zweimalige
Anwendung von (2.101),
0 0
d2
d d
r = + ω× + ω× r 0
dt2 dt dt
dω 0 0
= a0 + 2ω × v 0 + ω×(ω × r 0 ) + ×r . (2.102)
dt
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 81
Mit dem Transformationsgesetz für die Beschleunigungen erhält man für die New-
tonsche Bewegungsgleichung im rotierenden System
mr̈ 0 = F + F C + F Z + F A . (2.103)
F C = −2mω × v 0
F Z = −mω×(ω × r 0 )
F A = −mω̇×r 0 .
2.6.1 Freiheitsgrade
Ein Körper wird als starrer Körper bezeichnet, wenn alle Punkte der Massen-
verteilung feste Relativabstände zueinander besitzen. Die Massenverteilung kann
punktförmig oder kontinuierlich vorgegeben sein.
Ein Punkt Pν eines starren Körpers kann in einem Inertialsystem S durch den Orts-
vektor
r ν,S = r 0 + r ν (2.104)
dargestellt werden. Hierbei bezeichnet r 0 einen beliebigen Bezugspunkt im starren
Körper, der den Ursprung eines körperfesten Bezugssystems K bildet. Der Ortsvek-
tor von Pν im körperfesten System ist r ν . Die Basisvektoren und die Koordinaten
in den beiden Bezugssystemen werden durch folgende Notation unterschieden:
Ein starrer Körper besitzt 6 Freiheitsgrade, drei Freiheitsgrade der Translation und
drei Freiheitsgrade der Rotation. Die Lage seiner Punkte kann dementsprechend
durch die 3 Komponenten des Bezugspunktes und durch die 3 Winkel der Drehung
von K relativ zu S angegeben werden.
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 82
2.6.2 Winkelgeschwindigkeit
Die Geschwindigkeit eines Punktes Pν ist
v ν,S = v 0 + ω × r ν . (2.105)
Der erste Term bezeichnet die Geschwindigkeit des Bezugspunktes, der zweite die
Geschwindigkeit der Drehung um den Bezugspunkt. Die Komponenten der vektori-
ellen Winkelgeschwindigkeit ω im körperfesten System werden mit
ω = ω1 e1 + ω2 e2 + ω3 e3 . (2.106)
bezeichnet. Sie können in folgender Weise durch die Euler-Winkel ausgedrückt wer-
den. Die infinitesimale Drehung um dϕ = ωdt im Zeitintervall dt kann additiv aus
den Drehungen um die drei Eulerwinkel zusammengesetzt werden,
ey ez e
e3 2
ezsin
eK
eK’ e1
ex eK eK’
2.6.3 Trägheitstensor
Kinetische Energie
Die kinetischen Energie des starren Körpers kann durch Momente der Massenver-
teilung, die Gesamtmasse M , den Schwerpunkt R, und den Trägheitstensor
X
mν rν2 I − r ν r ν
Θ= (2.109)
ν
1 1
T = M v02 + ω·Θ · ω + ω·(R×M v 0 ). (2.110)
2 2
Der erste Anteil ist die Translationsenergie des Bezugspunktes, der zweite die Rota-
tionsenergie um den Bezugspunkt. Als neue Größe tritt hierbei der Trägheitstensor
auf. Der dritte Anteil ist ein Mischterm. Er verschwindet, wenn entweder der Be-
zugspunkt ruht (v 0 = 0) oder wenn der Schwerpunkt als Bezugspunkt gewählt wird
(R = 0).
Zur Herleitung dieses Ergebnisses summiert man die kinetischen Energien der ein-
zelnen Massenpunkte mit den Geschwindigkeiten (2.105),
1X
T = mν (v 0 + ω × r ν )2
2 ν
1X
mν v02 + 2v 0 ·(ω × r ν ) + (ω × r ν )2
=
2 ν
1 1X
= M v02 + ω·(R×M v 0 ) + mν (ω × r ν )2 .
2 2 ν
Der letzte Term stellt die Rotationsenergie dar. Sie kann auf folgende Weise umge-
formt werden,
1X
Trot = mν (ω × r ν )·(ω × r ν )
2 ν
1X
= mν ω· {r ν × (ω × r ν ))}
2 ν
1X
mν ω· rν2 ω − (ω · r ν ) r ν
=
2 ν
( )
1 X
mν rν2 I − r ν r ν
= ω· ·ω. (2.111)
2 ν
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 84
Definiert man die Koordinaten des Punktes Pν durch xνi = r ν ·ei , so lautet die
Komponentendarstellung des Trägheitstensors
X
mν rν2 δik − xνi xνk
Θik = ei ·Θ · ek = (2.112)
ν
Für eine kontinuierliche Massenverteilung mit der Massendichte γ(r) kann die Sum-
mation durch eine Integration ersetzt werden,
Z Z
Θik = dV γ(r) r2 δik − xi xk .
M = dV γ(r), (2.113)
Trägheitsmomente
Eine einfachere Darstellung erhält man, indem man die Drehachse n als eine Koor-
dinatenachse wählt. Hier gilt
1
Trot = Θn ω 2 , Θn = n · Θ · n, ω = ωn.
2
Hierbei wird Θn als das Trägheitsmoment des starren Körpers bezüglich der Dreh-
achse n bezeichnet. Es kann nach der Formel
X X
Θn = mν (n × r ν )2 = mν rν2 sin2 ϑν
ν ν
Hauptträgheitsmomente
Der Trägheitstensor ist symmetrisch und besitzt daher in einem beliebigen Koordi-
natensystem 6 unabhängige Elemente. Eine symmetrische Matrix kann durch eine
Drehung der Koordinatenachsen immer auf Diagonalform gebracht werden. Dieses
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 85
Durch Substitution der Ortsvektoren erhält man unter Beachtung von (2.115) für
den Trägheitstensor das Transformationsgesetz
X h i
0 2 0 0
Θ = mν (a + rν ) I − (a + rν ) (a + rν )
ν
= Θa + Θ0 (2.116)
mit
X X
Θa = M (a2 I − aa), Θ0 = mν rν02 I − rν0 rν0
M= mν , .
ν ν
Hierbei bezeichnet a⊥ den Abstand des Schwerpunktes von der Drehachse durch
den Punkt r0 und Θ0n das Drehmoment um eine dazu parallele Achse durch den
Schwerpunkt.
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 86
Drehimpuls
Der Drehimpuls des starren Körpers um den Bezugspunkt r 0 kann ebenfalls mit
Hilfe des Trägheitstensors angegeben werden,
L = R×M v 0 + Θ · ω. (2.118)
Der erste Term verschwindet, wenn der Bezugspunkt ruht oder wenn der Schwer-
punkt als Bezugspunkt gewählt wird. Unter diesen Voraussetzungen gilt
L = Θ · ω. (2.119)
Der Trägheitstensor ist eine lineare Abbildung der Winkelgeschwindigkeit auf den
Drehimpuls. Nur bei Drehungen um eine Hauptträgheitsachse ist L parallel zu ω.
Zur Herleitung von (2.118) summiert man wieder die Einzeldrehimpulse,
X
L = r ν ×mν (v 0 + ω × r ν )
ν
X
= (mν r ν )×v 0 + mν r ν ×(ω × r ν )
ν
( )
X
mν rν2 − r ν r ν
= R×M v 0 + ·ω. (2.120)
ν
d d
P = F, L = N. (2.121)
dt dt
Hierbei bezeichen X X
F = F eν , N= r S,ν ×F eν (2.122)
ν ν
die Summe der äußeren Kräfte bzw. Drehmomente. Wir beschränken uns auf den
Fall, in dem die von außen einwirkende Gesamtkraft verschwindet, so dass
X X
F = 0, N= (r 0 + r ν )×F eν = r ν ×F eν
ν ν
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 87
gesetzt werden kann. Damit ist der Gesamtimpuls erhalten. Das Drehmoment kann
wie angegeben auf das körperfeste System bezogen werden.
Zur Vereinfachung des Drehimpulssatzes sei der Bezugspunkt so gewählt, dass für
den Drehimpuls (2.119) gilt. Die Achsen des körperfesten Bezugssystems können
noch so gewählt werden, dass das körperfeste System ein Hauptachsensystem dar-
stellt. Die Transformation der Drehimpulsänderung auf das körperfeste System er-
gibt dann,
dL dL
= +ω ×L
dt S dt K
dω
= Θ· + ω× (Θ · ω) (2.123)
dt K
Hierbei sind die Komponenten der Winkelgeschwindigkeit durch (2.108) und die
Hauptträgheitsmomente durch (2.114) definiert. Diese Gleichungen werden als Eu-
lersche Kreiselgleichungen bezeichnet. Sie bestimmen die Eulerwinkel und damit die
Orientierung des starren Körper als Funktion der Zeit.
und ω3 << ω1 gilt. In diesem Fall können die Bewegungsgleichungen (2.124) durch
Linearisierung in den kleinen Größen ω2 und ω3 vereinfacht werden,
Θ1 ω̇1 = 0
Θ2 ω̇2 + (Θ1 − Θ3 )ω1 ω3 = 0 (2.125)
Θ3 ω̇3 + (Θ2 − Θ1 )ω1 ω2 = 0.
Aus der ersten Gleichung folgt, dass ω1 = ω10 als konstant angenommen werden
kann. Aus den beiden anderen Gleichungen erhält man die Schwingungsgleichungen
(Θ1 − Θ3 )(Θ1 − Θ2 ) 2
ω̈2 + Hω2 = 0, ω̈3 + Hω3 = 0, H= ω10 .
Θ2 Θ3
Für H > 0 ist die Drehung um die Hauptträgheitsachse stabil, für H < 0 instabil.
Stabile Drehungen erfolgen daher um die Hauptträgheitsachsen mit dem kleinsten
und dem größten Trägheitsmoment. Die Drehung um die Hauptträgheitsachse mit
dem mittleren Trägheitsmoment ist instabil.
Symmetrischer Kreisel
Gegeben sei nun ein symmetrischer Kreisel mit der Symmetrieachse x3 . Die Sym-
metrieachse wird als Figurenachse bezeichnet. Setzt man
(Θ1 − Θ3 )
Θ1 = Θ2 , w= ω3
Θ1
so reduzieren sich die Bewegungsgleichungen (2.124) auf die Form
ω̇1 − w ω2 = 0
ω̇2 + w ω1 = 0 (2.126)
ω̇3 = 0.
Im Inertialsystem ist der Drehimpuls erhalten. Wählt man die z- Achse des Inerti-
alsystems in Richtung des Drehimpulsvektors, so gilt L = L0 ez . Die Komponenten
von L im körperfesten System sind dann
L1 ez ·e1 sin θ sin ψ θ1 ω1
L2 = L0 ez ·e2 = L0 sin θ cos ψ = θ2 ω2 . (2.128)
L3 ez ·e3 cos θ θ3 ω3
Wegen θ3 ω30 = const folgt aus der dritten Komponente L3 = L0 cos θ = θ3 ω30 , dass
der Eulerwinkel
θ = θ0
konstant ist. Daher läuft die Figurenachse auf einem Kegel mit Öffnungswinkel 2θ0
um die raumfeste Drehimpulsachse um. Dieser Kegel wird als Präzessionskegel be-
zeichnet. Die Drehachse ω = φ̇ez + ψ̇e3 bildet mit der Drehimpulsachse ebenfalls
einen festen Winkel. Sie läuft auf dem sogenannten Spurkegel um die Drehimpulsach-
se um. Anschaulich ergibt sich die Präzession der Figurenachse, indem der Polkegel
auf dem Spurkegel abrollt.
Die restlichen beiden Eulerwinkel können durch die ersten beiden Gleichungen von
(2.127) bestimmt werden. Man erhält
a
φ̇2 sin2 θ0 = a2 =⇒ φ = φ0 + t
sin θ0
φ̇ sin θ0 sin ψ = a sin ψ =⇒ ψ = ψ0 + wt.
x3
Mg
Als Normalkoordinaten für die Drehung des Kreisels um den festen Bezugspunkt
werden die Eulerwinkel verwendet. Mit den entsprechenden Komponenten der Win-
kelgeschwindigkeit (2.108) erhält man für die kinetische Energie
1
T = ω·Θ·ω
2
1 1 1
= Θ1 ω12 + Θ1 ω22 + Θ3 ω32
2 2 2
1 1
= Θ1 (φ̇2 sin2 θ + θ̇2 ) + Θ3 (φ̇2 cos θ + ψ̇)2 . (2.129)
2 2
In einem Schwerefeld g = −gez erhält man für die potentielle Energie
X
U =− mν g · rν = −M g · R = M gs cos θ . (2.130)
ν
Hierbei bezeichnet s den Abstand des Schwerpunktes vom Bezugspunkt. Aus (2.129)
und (2.130) ergibt sich die Lagrangefunktion
1 1
L = Θ1 (φ̇2 sin2 θ + θ̇2 ) + Θ3 (φ̇2 cos θ + ψ̇)2 − M gs cos θ . (2.131)
2 2
Da die Winkel φ und ψ zyklische Koordinaten sind, sind die zugehörigen Drehim-
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 91
pulse erhalten,
∂L
Lz = = Θ1 sin2 θφ̇ + Θ3 (φ̇ cos θ + ψ̇) cos θ ,
∂ φ̇
∂L
L3 = = Θ3 (φ̇ cos θ + ψ̇) .
∂ ψ̇
Da die Lagrangefunktion zeitunabhängig ist, ist auch die Energie eine Erhaltungs-
größe
∂L ∂L ∂L
E = φ̇ + θ̇ + ψ̇ − L
∂ φ̇ ∂ θ̇ ∂ ψ̇
1 1
= Θ1 (φ̇2 sin2 θ + θ̇2 ) + Θ3 (φ̇2 cos θ + ψ̇)2 + M gs cos θ .
2 2
Thermodynamik
Die Thermodynamik ist eine phänomenologische Theorie der Wärme. Zur Beschrei-
bung eines thermodynamischen Systems werden Grundgrößen wie Temperatur,
Druck, Volumen, innere Energie und Entropie eingeführt. Sie legen den thermo-
dynamischen Zustand des Systems eindeutig fest. Dieser Zustand kann durch die
Zufuhr von Wärme oder Arbeit geändert werden. Die möglichen Zustandsänderun-
gen werden durch die Hauptsätze der Thermodynamik beschrieben.
Ein thermodynamisches System ist im Prinzip ein Vielteilchensystem, dessen Dyna-
mik den Gesetzen der Mechanik bzw. der Quantenmechanik unterliegt. Unter geeig-
neten Annahmen können thermodynamische Eigenschaften aus mechanischen und
statistischen Gesetzen abgeleitet werden. Eine solche mikroskopische Begründung
der Thermodynamik ist Gegenstand der statistischen Mechanik.
f (p, V, t) = 0 (3.1)
92
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 93
nennt man die Zustandsgleichung. Der makroskopische Zustand des Gases wird also
bereits durch zwei unabhängige thermodynamische Variablen vollständig bestimmt.
Gleichgewichtszustand: Zustände, die sich bei unveränderten äußeren Bedin-
gungen nicht ändern, werden als Gleichgewichtszustände bezeichnet, z.B. ein Gas
bei konstantem Druck und konstanter Temperatur in einem vorgegebenem Volumen.
Zustandsänderung: Eine Zustandsänderung von einem Anfangszustand p1 , V1 zu
einem Endzustand p2 , V2 wird durch eine Kurve in der (p, V )-Ebene beschrieben.
Spezielle Zustandsänderungen sind
Isotherme: Kurve in der (p, V )-Ebene zu einer festen Temperatur t = const.
Isochore: Kurve in der (p, t)-Ebene zu einem festen Volumen: V = const.
Isobare: Kurve in der (V, t)-Ebene zu einem festen Druck: p = const.
Eine Zustandsänderung heißt reversibel, wenn sie durch eine Folge von Gleich-
gewichtszuständen beschrieben wird. Eine reversible Zustandsänderung kann durch
eine quasistatische Änderung eines Parameters, z.B. des Volumens V , erfolgen und
sie ist umkehrbar indem man quasistatisch zum Ausgangszustand zurückkehrt.
Befindet sich ein System zu irgendeinem Zeitpunkt in einem Nichtgleichgewichtszu-
stand, so geht es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit im Verlauf der weiteren Entwick-
lung in einen Gleichgewichtszustand über. Eine Umkehrung dieser Zustandsände-
rung ist praktisch nicht möglich. Der Übergang von einem Gleichgewichtszustand in
den Nichtgleichgewichtszustand erfolgt nur mit einer verschwindend geringen Wahr-
scheinlichkeit (Beispiel: Temperatur- oder Dichteausgleich). Solche Zustandsände-
rungen heißen irreversibel.
Arbeit: Wir betrachten als System einen mit Gas gefüllten Kolben mit einem be-
weglichen Stempel der Fläche A. Wird der Stempel aufgrund des Gasdruckes p um
eine infinitesimale Strecke dh verschoben, so leistet das System die Arbeit
ZVB
∆W = − pdV. (3.3)
VA
Hierbei bezeichnet ∆U die Änderung der inneren Energie des Systems, ∆W die am
System verrichtete Arbeit und ∆Q die dem System zugeführte Wärme.
Äquivalenz von Wärme und Arbeit: Wasser kann auf zwei unterschiedliche
Arten von einer Anfangstemperatur tA auf eine Endtemperatur tB erwärmt werden:
(i) Mechanische Arbeit (Rotor)
(ii) Wärmezufuhr (Flamme, Kochplatte)
Da im Fall (i) eine Energieänderung durch die geleistete Arbeit eintritt, muß die
zugeführte Wärme im Fall (ii) der gleichen Energieänderung entsprechen. Das me-
chanische Wärmeäquivalent wurde zuerst 1842 von Robert Mayer bestimmt. We-
sentlichen Anteil an der Formulierung des ersten Hauptsatzes hatten Robert Mayer
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 96
und James Prescott Joule. Die Erkenntnis, dass Wärme eine Energieform darstellt,
löste die Vorstellung von einem Wärmestoff ab.
Infinitesimale Energieänderung: dW = −pdV
dU = −pdV + dQ (3.7)
Die während eines Kreisprozesses vom System geleistete Arbeit W ist gleich der vom
System absorbierten Wärmemenge Q. Bei Kreisprozessen ist es üblich die in einem
Umlauf geleistete Arbeit positiv zu zählen.
1. U = U (T, V ) :
∂U ∂U
dU = dT + dV
∂T V ∂V T
dU = −pdV + dQ
∂U ∂U
dQ = dT + p + dV
∂T V ∂V T
dQ ∂U
CV = = (3.10)
dT ∂T V
V =const
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 97
2. U = U (T, p) :
∂U ∂U
dU = dT + dp
∂T p ∂p T
∂V ∂V
dU = −p dT − p dp + dQ
∂T p ∂p T
( )
∂U ∂V ∂U ∂V
dQ = +p dT + +p dp
∂T p ∂T p ∂p T ∂p T
dQ ∂U ∂V
Cp = = +p (3.11)
dT ∂T p ∂T p
p=const
pV = N kB T (3.12)
Isotherme Zustandsänderung:
pV
= const.
ZV2 ZV2
dV
∆W = − pdV = N kB T
V
V1 V1
V2 p1
= −N kB T ln = −N kB T ln (3.13)
V1 p2
Innere Energie:
f
U = U (T ) = N kb T (3.14)
2
Anzahl der Freiheitsgrade:
f = 3 : monoatomares Gas
f = 5 : diatomares Gas
dU + pdV = 0; dU = CV dT ; pV = N kB T
dV dT 2 dV
CV dT + N kB T = 0, + = 0.
V T f V
Durch Integration erhält man die Adiabatengleichungen
2
TV f = const. bzw. pV κ = const. (3.18)
κ = f +2
f
heißt Adiabatenindex. Wegen κ > 1 verlaufen die Adiabaten im (p,V)-
Diagramm steiler als die Isothermen.
(K) Ein Prozess, dessen einziges Ergebnis darin besteht, aus einem
Wärmebad Wärme zu entnehmen und diese in Arbeit umzuwan-
deln (Abb. 3.4), ist nicht möglich.
(C) Ein Prozess, dessen einziges Ergebnis darin besteht, aus einem
Wärmebad Wärme zu entnehmen und diese an ein zweites Wärme-
bad mit einer höheren Temperatur abzugeben (Abb. 3.4), ist nicht
möglich.
3.4.1 Carnot-Prozess
Ein Carnot-Prozess ist ein reversibler 2-Temperaturprozess eines gasdynamischen
Systems. Er durchläuft den von zwei Isothermen und zwei Adiabaten im p,V-
Diagramm umschlossenen Zyklus (Abb. 3.5):
• Isotherme Expansion: Das System expandiert entlang einer Isotherme t =
t2 von A nach B . Dabei wird vom System die Wärmemenge Q2 aufgenommen.
• Adiabatische Expansion: Das System expandiert ohne Wärmeaustausch
entlang einer Adiabate von B nach D. Dabei erniedrigt sich die Temperatur
von t2 auf t1 .
• Isotherme Kompression: Das System wird entlang einer Isotherme t = t1
von D nach C komprimiert. Dabei gibt es die Wärmemenge Q1 ab.
• Adiabatische Kompression: Das System wird entlang einer Adiabate von
C nach A komprimiert. Dabei erhöht sich die Temperatur von t1 auf t2 .
Das System kehrt nach einem Zyklus wieder in seinen Anfangszustand mit der in-
neren Energie UA zurück. Nach dem ersten Hauptsatz wird in einem Zyklus die
Arbeit
W = Q2 − Q1 (3.21)
verrichtet. Nach dem zweiten Hauptsatz kann Q1 nicht verschwinden, da sonst die
Wärme Q2 ohne sonstige Änderungen in Arbeit umgewandelt worden wäre. Nur
ein Teil der absorbierten Wärme Q2 kann in Arbeit umgewandelt werden. Der Wir-
kungsgrad der Umwandlung wird definiert durch
W Q1
η= =1− . (3.22)
Q2 Q2
Mit Hilfe eines Carnot Prozesses kann die Äquivalenz der Aussagen von Kelvin und
Clausius gezeigt werden.
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 101
Wegen “(K) falsch” ⇔ “(C) falsch” gilt auch “(K) richtig” ⇔ “(C) richtig”.
3.4.3 Carnot-Theorem
Für den Wirkungsgrad von 2-Temperaturprozessen gilt das folgende Theorem von
Carnot:
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 102
pV = N kB T (3.26)
Durch Messung von p und V kann die Temperatur T bestimmt werden. Die so
bestimmte Gastemperatur T kann zur Eichung anderer Thermometersubstanzen
verwendet werden. Man erhält so einen Zusammenhang der Temperaturskalen T =
T (t). Aber auch bei Gasen kann es Abweichungen vom idealen Verhalten geben.
Absolute Temperaturdefinition: Eine substanzunabhängige Definition der Tem-
peratur folgt aus dem Carnot-Theorem. Für jeden reversiblen 2-Temperaturprozess
ist das Verhältnis
Q1
= f (t1 , t2 ) (3.27)
Q2
gleich, d.h. die Funktion f (t1 , t2 ) ist eine universelle Funktion der beiden Arbeit-
stemperaturen t1 und t2 .
Betreibt man einen Carnot-Prozess mit einem idealen Arbeitsgas, so findet man für
diese Funktion
Q1 T (t1 )
= f (t1 , t2 ) = . (3.28)
Q2 T (t2 )
Definiert man die absolute thermodynamische Temperatur entsprechend der mit
einem idealen Gasthermometer gemessenen Temperatur durch T = T (t), so gilt für
alle reversiblen 2-Temperaturprozesse:
Q1 T1
= (3.29)
Q2 T2
Die Temperaturmessung ist damit auf die Messung von Wärmemengen zurück-
geführt.
3.6 Entropie
I
dQ
≤0 (3.34)
T
Abbildung 3.9: Ein KreisProzess S entnimmt bei der Temperatur T eine infinitesi-
male Wärmemenge dQ. Ein in umgekehrter Richtung laufender Carnot-Prozess gibt
dieselbe Wärmemenge wieder ab und nimmt bei einer beliebigen Referenztemperatur
T0 eine Wärmemenge dQ0 auf. Durch Integration von dQ über einen Zyklus erhält
man die gesamte bei der Temperatur T0 entnommene Wärme Q0 .
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 107
über einen reversiblen Weg von einem festen Referenzzustand 0 zum Zustand A
heißt Entropie. Die Entropie besitzt die folgenden wichtigen Eigenschaften:
Reversible Zustandsänderung: Bei einer reversiblen Zustandsänderung von A
nach B ändert sich die Entropie gemäß:
B
Z
dQ
S(B) − S(A) = (3.41)
T
A R
Dies bedeuted, dass die Entropieänderung genau durch die bei den jeweiligen Tem-
peraturen ausgetauschten Wärmen bestimmt wird.
Zustandsfunktion: Die Entropie ist eine Zustandsfunktion, d.h. sie hängt nur vom
thermodynamischen Zustand des Systems ab. Betrachtet man zwei reversible Wege
von A nach B (Abb. 3.10), so gilt
B A
I Z Z
dQ dQ dQ
= +
T T T
A I B II
= [S(B) − S(A)] I − [S(B) − S(A)] II = 0. (3.42)
Irreversible Zustandsänderung:
ZB
dQ
S(B) − S(A) ≥ (3.43)
T
A I
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 108
Beweis:
B B
I Z Z
dQ dQ dQ
0≥ = −
T T T
A I A R
B B
Z Z
dQ = S(B) − S(A) ≥ dQ
T T
A R A I
Die Entropieänderung ist größer als man es gemäß der auf dem irreversiblen Weg
ausgetauschten Wärme erwarten würde.
Thermisch isolierte Systeme: dQ = 0
S(B) ≥ S(A) (3.44)
Nach jeder Zustandänderung in einem isolierten System kann die Entropie des End-
zustands nie kleiner sein als die Entropie des Anfangszustands. Der Zustand eines
isolierten Systems ändert sich solange, bis die Entropie auf den maximal möglichen
Wert angewachsen ist.
Wärmeaustausch Q zwischen 2 Teilsystemen: Wärme geht durch Wärmelei-
tung vom wärmeren zum kälteren Körper über. Dabei nimmt die Entropie zu:
Q Q
∆S = − > 0; T1 < T2 (3.45)
T1 T2
" 3/2 #
e5/2 V
2πmkB T
S = N kB ln (3.50)
N h2
N
µ = kB T ln . (3.61)
γV (kB T )3/2
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 111
wobei pro Reaktion jeweils νi Teilchen der Sorte Ai umgewandelt werden. Für die
Ausgangsstoffe wird νi positiv für die Endprodukte negativ gezählt. Nach n Reak-
tionen ist die Änderung der Teilchenzahl des i-ten Stoffes dNi = nνi . Die Entropie
aller Reaktanten sei additiv und nur von der Teilchenzahl abhängig,
X
S= Si (Ni ) . (3.63)
Mit dem chemischen Potential (3.59) erhält man für Reaktionsgleichgewichte die
Bedingung
X
µi νi = 0. (3.65)
Das chemische Potential (3.61) für ideale Gase kann in der Form
µi = kB T (ln ci + ln p) + χi (T ),
Ni N X
χi (T ) = −kB T ln γi (kB T )5/2
ci = , p = kB T, N= Ni
N V
angegeben werden, wobei ci die Konzentration der i-ten Teilchensorte bezeichnet.
Setzt man diesen Ausdruck in (3.65) ein, so folgt
X X 1 X
νi ln ci = −( νi ) ln p − νi χi
kB T
(3.66)
P ν i χi
−
P1 ν
Y
cνi i = K(p, T ), K(p, T ) = e kB T
(3.67)
p i
Chemische Reaktionen werden meist bei konstantem Druck und konstanter Tempe-
ratur durchgeführt. K(p, T ) wird als Massenwirkungskonstante bezeichnet.
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 112
3.6.6 Clausius-Clapeyron-Gleichung
Für einen Phasenübergang zwischen einer Flüssigkeit und einem Gas zeigen die
Isothermen das in Abb. (3.12) schematisch dargestellte Verhalten. Der Sättigungs-
dampfdruck, bei dem Gas und Flüssigkeit koexistieren, hängt nur von der Tempera-
tur aber nicht vom Volumen ab, p = p(T ). Bei einer Vergrößerung des Volumens ver-
dampft die Flüssigkeit solange, bis der Sättigungsdampfdruck wiederhergestellt ist.
Die Isotherme verläuft parallel zur V-Achse. Zur Bestimmung der Dampfdruckkurve
p = p(T ) kann man einen Carnot-Prozess zwischen zwei infinitesimal benachbarten
Isothermen im Phasenkoexistenzgebiet betrachten. Vergrößert man das Volumen bei
der oberen Temperatur vom Volumen VF der flüssigen Phase zum Volumen VG der
Gasphase, so wird gerade die Verdampfungswärme Q = L aufgenommen. Bei der
unteren Temperatur T − dT wird die Wärmemenge Q − dQ wieder abgegeben. Für
den gesamten Kreisprozess gilt dQ = dW , mit
dW = dp(VG − VF )
Q − dQ T − dT dT
= ; dQ = L .
Q T T
Daraus folgt die Clausius-Clapeyron-Gleichung,
dp L
= , (3.68)
dT T (VG − VF )
Relativistische Mechanik
4.1 Relativitätsprinzip
Erfahrungsgemäß ist die Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen gleich groß:
m km
c = 2.998 · 108 ≈ 300 000 . (4.1)
s s
Dies wurde zuerst 1887 im Experiment von Michelson und Morley nachgewiesen.
Die beobachtete Konstanz der Lichtgeschwindigkeit steht jedoch im Widerspruch
zum Galileischen Relativitätsprinzip der Newtonschen Mechanik.
Galileitransformation: Wir betrachten einen Vorschub des Koordinatensystems
S 0 mit der Geschwindigkeit v in x-Richtung:
x0 = x − vt, t0 = t. (4.2)
113
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 114
4.2 Lorentz-Transformation
Als Verallgemeinerung der Galileitransformation wird eine allgemeine lineare Trans-
formation der Koordinaten angenommen:
0 0 0 0
x Λ 0 Λ0 1 x
= 1 1 (4.5)
x 1 Λ0 Λ1 x1
Die 4 Konstanten Λα β hängen nur von v ab. Sie werden durch folgende Forderungen
bestimmt:
0 v
1. Ursprung von S’: x1 = 0; x1 = vt = βx0 ; β = c
0
x1 = Λ1 0 x0 + Λ1 1 x1 = 0
x1 Λ1 0 !
= − =β (4.6)
x0 Λ1 1
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 115
0 0
2. Ursprung von S: x1 = 0; x1 = −vt0 = −βx0
0
x1 Λ1 0 !
= = −β (4.7)
x 00 Λ0 0
0 0
3. Invarianz der Lichtgeschwindigkeit: x1 = x0 , x1 = x0
0
x1 Λ1 0 + Λ1 1
= =1 (4.8)
x 00 Λ0 0 + Λ0 1
Damit sind 3 der 4 Konstanten festgelegt. Setzt man γ(v) := Λ0 0 für die
verbleibende Konstante, so gilt
0 0 0
x 1 −β x
= γ(v) ,
x1 −β 1 x1
Λ1 1 = Λ0 0 = γ; Λ1 0 = Λ0 1 = −βγ. (4.9)
0 0
4. Raumspiegelung: Eine Raumspiegelung x1 → −x1 , x1 → −x1 ist äqui-
valent zu einer Umkehr der Geschwindigkeit v → −v. Führt man gleichzeitig
eine Raumspiegelung und eine Geschwindigkeitsumkehr durch, so muß sich das
ursprüngliche Transformationsgesetz ergeben.
0 0 0
x 1 β x
= γ(−v)
−x 1 β 1 −x1
0 0 0
x 1 −β x
= γ(−v)
x 1 −β 1 x1
Daraus folgt:
γ(v) = γ(−v). (4.10)
t − vx/c2 x − vt
t0 = p , x0 = p . (4.15)
1 − v 2 /c2 1 − v 2 /c2
Abbildung 4.2: Koordinatenlinien x00 = const, x10 = const eines bewegten Inertial-
systems S’ (rechts) im Inertialsystem S (links).
4.3.1 Raumzeit
Ereignis: Die Ortskoordinaten x1 , x2 , x3 und die Zeitkoordinate x0 = ct eines In-
ertialsystems bilden einen 4-dimensionalen Raum. Die Punkte (x0 , x1 , x2 , x3 ) dieses
Raumes nennt man Ereignisse. Betrachtet man nur Relativbewegungen in einer Ko-
ordinatenrichtung (x1 ), so können die Ereignisse (x0 , x1 ) in einer Ebene dargestellt
werden.
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 117
s2 = (x0 )2 − r2 . (4.16)
Das Vorzeichen von s2 ist Konvention. Der Vorzeichenwechsel bei den räumlichen
und zeitlichen Abstandsquadraten macht jedoch einen signifikanten Unterschied zur
euklidischen Geometrie aus, bei der alle Abstandsquadrate mit gleichem Vorzeichen
eingehen. Das vierdimensionale Abstandsquadrat ist unabhängig von der Wahl des
Inertialsystems. Nach dem Relativitätsprinzip gilt für ein Photon r = x0 und damit
s2 = 0 für alle Inertialsysteme. Aufgrund der Lorentz-Transformation sind auch
Abstände s2 6= 0 unabhängig vom Inertialsystem:
0 0
s02 = (x0 )2 − (x1 )2 = γ 2 [+(x0 − βx1 )2 − (x1 − βx0 )2 ]
= +(x0 )2 − (x1 )2 = s2 . (4.17)
s2 = 0 : Lichtartiger Abstand
s2 < 0 : Raumartiger Abstand (4.18)
s2 > 0 : Zeitartiger Abstand
4.3.2 Längenkontraktion
Ein Stab bewege sich im Laborsystem S mit der Geschwindigkeit v in x-Richtung
(Abb.4.5a).
Längenmessung in S: Die Positionen x1 , x2 der Stabenden werden in S zur gleichen
Zeit t1 = t2 gemessen:
∆x = x2 − x1 = l, ∆t = t2 − t1 = 0 (4.21)
Der Stab ruht in einem mit v bewegten Inertialsystem. Die Länge
∆x0 = x02 − x01 = l0 (4.22)
im Ruhesystem ist die Eigenlänge des Stabes.
Lorentz-Transformation:
∆x0 = γ(∆x − v∆t) (4.23)
0
Mit ∆x = l0 , ∆x = l und ∆t = 0 folgt
p
l = 1 − v 2 /c2 l0 (4.24)
Die Ereignisse der Messung der Stabenden finden in S 0 zu verschiedenen Zeiten statt
v v
∆t0 = γ(∆t − 2 ∆x) = − 2 l0 (4.25)
c c
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 119
4.3.3 Zeitdilatation
Eine Uhr bewege sich in S mit der Geschwindigkeit v in x-Richtung. Zu den Zeit-
punkten t1 und t2 wird der Stand der Uhr mit Uhren in S an den Orten x1 bzw.
x2 = x1 + v(t2 − t1 ) verglichen (Abb.4.5b).
Zeitintervall im Ruhesystem S 0 der Uhr:
Zeitmessung in S:
∆t; ∆x = v∆t (4.27)
Lorentz-Transformation
Damit gilt: r
v2 v2
∆τ = γ(1 − 2 )∆t = 1 − 2 ∆t. (4.31)
c c
Die bewegte Uhr geht gegenüber den Uhren, die im Laborsystem ruhen nach (Zeit-
dehnung oder Zeitdilatation).
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 120
4.3.4 Eigenzeit
Die Eigenzeit τ einer Uhr wird definiert als die Zeit im Ruhesystem der Uhr:
1
v = 0 ⇒ ds2 = c2 dτ 2 ; τ2 − τ1 = (s2 − s1 ) (4.32)
c
Die Eigenzeit ist unabhängig vom Inertialsystem, da der Abstand s2 − s1 lorentzin-
variant ist.
Zeit einer bewegten Uhr: Zur Zeit t bewege sich die Uhr in S mit Geschwin-
digkeit v(t). Im infinitesimalen Zeitintervall dt bewegt sie sich mit der momentanen
Geschwindigkeit v(t) über eine Strecke dx = v(t)dt. In einem Inertialsystem S 0 , wel-
ches sich mit der konstanten Geschwindigkeit v0 = v(t) bewegt ist die Uhr momentan
in Ruhe. Dem Zeitintervall dt entspricht das Eigenzeitintervall
1 1√ 2 2
dτ = ds = c dt − dx2
c
p c
= 1 − v 2 (t)/c2 dt (4.33)
Eine in S bewegte Uhr geht daher langsamer als eine in S ruhende Uhr.
Um den Zeitvergleich der beiden Uhren zur Zeit t1 und t2 ausführen zu können,
müssen sich die Uhren zu diesen Zeitpunkten am selben Ort befinden. Dies ist nur
möglich, falls die bewegte Uhr im Zeitintervall zwischen t1 und t2 beschleunigt wur-
de. Da in beschleunigten Bezugssystemen andere Gesetze gelten, ist die angezeigte
Zeitdifferenz der Uhren nicht im Widerspruch zum Relativitätsprinzip. Diejenige der
beiden Uhren, die beschleunigt wurde, geht nach.
(Zwillingsparadoxon, Lebensdauer schneller Myonen).
4.3.5 Gleichzeitigkeit
Nach dem Galileischen Relativitätsprinzip können sich die Zeiten t und t0 in zwei
Inertialsystemen nur durch eine Konstante t0 unterscheiden:
t0 = t + t0 (4.35)
Ein Teilchen bewege sich in mit der Geschwindigkeit v 0 in einem bewegten Bezugs-
system S 0 und mit der Geschwindigkeit v im Laborsystem S. S 0 bewege sich mit der
Geschwindigkeit u in S. Dann gilt für die Transformation der Geschwindigkeit
x0 = γ(x − ut)
0
ux
t = γ t− 2
c
0
x x − ut v−u
v0 = 0 = ux = (4.40)
t t − c2 1 − uv
c2
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 122
x = γ(x0 + ut0 )
ux0
0
t = γ t + 2
c
x x + ut0
0
v0 + u
v = = 0 ux0 = 0 . (4.41)
t t + c2 1 + uv
c 2
4.4 Minkowski-Raum
Die Relativitätstheorie zeigt, dass Raum und Zeit bei Lorentztransformationen nicht
unabhängig voneinander sind. Es ist naheliegend den dreidimensionalen Raum zu
einer vierdimensionalen Raumzeit zu erweitern. Die Geometrie der Raumzeit er-
weist sich als die grundlegende Eigenschaft zur Beschreibung der Gravitation. Im
allgemeinen handelt es sich hierbei um nichteuklidische Geometrien, die durch die
Verteilung der Massen im Universum bestimmt werden. Nach dem Einsteinschen
Äquivalenzprinzip kann man jedoch immer lokal Inertialsysteme einführen, in de-
nen keine Gravitation auftritt. Die spezielle Geometrie der Raumzeit eines lokalen
Inertialsystems wird als Lorentz-Minkowski Geometrie bezeichnet.
4.4.1 Lorentz-Minkowski-Metrik
Die Geometrie eines Raumes wird durch seine Metrik bestimmt. Die Metrik ist eine
Matrix gαβ , die das Abstandsquadrat infinitesimal benachbarter Punkte in beliebi-
gen krummlinigen Koordinatensystemen definiert,
3 X
X 3
2
ds = gαβ dxα dxβ ≡ gαβ dxα dxβ . (4.42)
α=0 β=0
Hier und im folgenden gilt die Summenkonvention, dass über paarweise auftretende
untere und obere Indizes summiert wird.
Der Minkowski-Raum ist ein vierdimensionaler Raum, in dem wir ein kartesisches
Koordinatensystem mit den Raum-Zeit-Koordinaten xα wählen. Die griechischen
Indizes durchlaufen die Werte 0, 1, 2, 3. Im Minkowski-Raum ist das Abstandsqua-
drat
ds2 = (dx0 )2 − (dx1 )2 − (dx2 )2 − (dx3 )2 . (4.43)
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 123
−1 0 0 0
0 1 0 0
ds2 = −ηαβ dxα dxβ , ηαβ =
0
. (4.44)
0 1 0
0 0 0 1
4.4.2 Lorentz-Poincaré-Gruppe
Nachdem die Geometrie der Raumzeit eines Inertialsystems festgelegt wurde, lassen
sich Lorentztransformationen als Koordinatentransformationen zwischen Inertialsy-
stemen einführen. Eine Lorentztransformation ist eine lineare Koordinatentransfor-
mation,
x0α = Λα β xβ , (4.45)
die ein Inertialsystem S in ein neues Inertialsystem S 0 überführt. Dabei bleiben Ab-
standsquadrate zwischen beliebigen Ereignispunkten invariant. Da die Matrix Λα β
unabhängig von xα ist, gilt für alle Koordinatendifferenzen und Koordinatendiffe-
rentiale dasselbe Transformationsgesetz (4.45). Es genügt daher die Invarianz des
Abstandsquadrates für infinitesimal benachbarte Punkte zu betrachten,
Aus einem Vergleich dieser Ausdrücke für beliebige dxµ folgt für eine Lorentztrans-
formation die Bedingung,
Lorentz-Boost
Lorentztransformationen von einem Inertialsystem S in ein bewegtes Inertialsystem
S’ mit parallelen Achsen werden als Boost (Vorschub) bezeichnet. In dem speziellen
Koordinatensystem in dem die Geschwindigkeit von S’ entlang der x1 -Achse gerichtet
ist, gilt
x00 = γ(x0 − βx1 )
x01 = γ(x1 − βx0 )
x02 = x2
x03 = x3 . (4.49)
Ersetzt man hier x1 durch die Parallelkomponente des Ortsvektors r zum Vektor β
β(β · r)
x1 =
β2
und schreibt
x01 = x1 + (γ − 1)x1 − γβx0
so folgt
x00 = γ(x0 − β · r)
β(β · r)
r 0 = r + (γ − 1) − γβx0 . (4.50)
β2
Diese vektorielle Form des Lorentz-Boosts ist unabhängig von den Raumkoordinaten
und gilt daher auch bei beliebiger Orientierung von β relativ zu den Koordinaten-
achsen. Die zugehörige Abbildungsmatrix ist
γ −γβ 1 −γβ 2 −γβ 3
−γβ 1
Λ(v) =
−γβ 2 β i β j (γ−1)
. (4.51)
δij + β 2
−γβ 3
Poincaré-Transformation
Eine Koordinatentransformation
x0α = Λα β xβ + aα , (4.52)
wird als Poincaré-Transformation bezeichnet. Hierbei wird der Ursprung xα = 0
von S auf einen beliebigen Bezugspunkt x0α = aα abgebildet. Aus der Invarianz des
Abstandsquadrats gegenüber Poincaré-Transformationen ergibt sich dieselbe Bedin-
gung wie in (4.47). Man bezeichnet auch Transformationen mit aα = 0 als homogene
Lorentztransformationen und Transformationen mit aα 6= 0 als inhomogene Lorentz-
transformationen.
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 125
dx0α Λα β dxβ
u0α = 0
= = Λα β u β . (4.57)
dτ dτ
Die Komponenten der 4er-Geschwindigkeit können durch die Teilchengeschwindig-
keit v = dr/dt und die Lichtgeschwindigkeit c = dx0 /dt ausgedrückt werden,
dx dx c
u= =γ =γ . (4.58)
dτ dt v
p = mu, (4.59)
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 126
wobei m die Masse im Ruhesystem des Teilchen ist. Da m lorentzinvariant ist, ist
auch der 4er-Impuls ein 4er-Vektor.
Größen, die invariant sind gegenüber Lorentz-Transformationen heißen Lorentz-
Skalare. Beispiele sind die Lichtgeschwindigkeit c, die Ruhemasse m, das Abstand-
sinterval ds bzw. das Eigenzeitinterval dτ . Für zwei 4er-Vektoren a und b definiert
man das Skalarprodukt
Umgekehrt erhält man aus den kovarianten Komponenten die kontravarianten durch
−a0
a1
aα = η αβ aβ =
a2 ,
(4.64)
a3
wobei (η αβ ) die zu (ηαβ ) inverse Matrix bezeichnet. Für die spezielle Form der Metrik
ist η αβ = ηαβ , denn es gilt
−1 0 0 0 −1 0 0 0 1 0 0 0
0 1 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0
0 0 1 0 · 0 0 1 0 = 0 0 1 0 .
0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 1
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 127
Damit kann das Skalarprodukt in der üblichen Weise als Produkt eines kovarianten
Zeilenvektors mit einem kontravarianten Spaltenvektor geschrieben werden
0
a
a1
a · b = ηαβ aα bβ = aα aα = (a0 , a1 , a2 , a3 ) ·
a2 .
(4.65)
a3
aµ = b µ . (4.66)
dp
=F. (4.69)
dτ
Die Ableitung eines 4er-Impulses nach der Eigenzeit ist ein 4er-Vektor, der einer
4er-Kraft F gleichzusetzen ist. Die Komponenten der Viererkraft kann man im mo-
mentanen Ruhesystem S 0 des Teilchens bestimmen, da dort die nichtrelativistische
Form gültig sein muss. In S 0 erhält man aus (4.69)
dmc dp
= 0, =K
dt0 dt0
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 128
wobei K die Newtonsche Kraft darstellt. Damit besitzt die 4er-Kraft im momen-
tanten Ruhesystem die Komponenten
F 00 = 0, F0 = K
In S 0 bewegt sich das Laborsystem S mit der Geschwindigkeit −v. Die Komponenten
der 4er-Kraft im Laborsystem S erhält man mit (4.50),
F 0 = γ(F 00 + β · F 0 ) = γβ · K (4.70)
β(β · F 0 ) v(v · K)
F = F 0 + (γ − 1) 2
+ γβF 00 = K + (γ − 1) .
β v2
Zusammengefasst gilt: Bewegt sich ein Teilchen in einem Inertialsystem S momentan
mit der Geschwindigkeit v so wirkt auf das Teilchen die momentante 4er-Kraft,
v·K
γ
F= c
v(v · K) . (4.71)
K⊥ + γ
v2
d v·K dγmc2
γ (mγc) = γ , = v · K. (4.72)
dt c dt
Komponente k v:
d d
γ (mγv) = γKk , p = Kk . (4.73)
dt k dt k
Komponente ⊥ v:
d d 1
γ (mγv) = K ⊥, p = K ⊥. (4.74)
dt ⊥ dt ⊥ γ
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 129
Man definiert die relativistische Energie E und den relativistischen Impuls p durch
Die zeitliche Komponente der Bewegungsgleichung stellt den Energiesatz, die räum-
lichen Komponenten den Impulssatz dar.
Lorentz-Kraft
Die Bewegungsgleichung einer Ladung q im elektrischen Feld E und Magnetfeld B
erhält man in folgender Weise. Das elektrische Feld im momentanen Ruhesystem
sei E 0 . Die Kraft auf eine ruhende Ladung wird ausschließlich durch das elektrische
Feld bestimmt,
K = qE 0 . (4.76)
In der Elektrodynamik wird gezeigt, dass sich elektrische Felder beim Übergang in
ein bewegtes Bezugssystem ebenfalls transformieren. Die Transformation für den
Übergang von S nach S 0 lautet
1
Ek0 = Ek , E⊥0 = γ(E⊥ + v × B) (4.77)
c
Damit erhält man die Komponenten der 4er-Kraft
1
c
qv · E
F=γ . (4.78)
1
q(E + c v × B)
Energie-Impulsbeziehung
Der relativistische Impuls p = mγv und die relativistische Energie E = mγc2 sind
Komponenten des 4er-Impulses,
E
!
p= c . (4.80)
p
Theoretische Physik I, SS 05, H.-J. Kull 130
E2
p·p = − + p2 = −m2 c2
c2
p2
p
2 4 2 2 mc2 + ; pm
E = m c +p c → 2m (4.81)
pc ; pm
Bei der Bewegung eines einzelnen Teilchens ist die Ruheenergie nur eine additive
Konstante. Ihre wichtige Rolle erkennt man jedoch bei Reaktionen die zur Um-
wandlung von Teilchen führen. Als Beispiel betrachte man ein ruhendes Teilchen
mit der Masse M , das in zwei Teilchen mit den Ruhemassen m1 und m2 zerfällt.
Beim Zerfall ist die relativistische Energie erhalten,
Der Massendefekt ∆m ist auf die unterschiedlich starken Bindungsenergien der ein-
zelnen Teilchen zurückzuführen (Kernspaltung).