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Vorlesung Quantenmechanik (I)

Version vom SS 2008∗

Universität Bielefeld
Fakultät für Physik
Theorie der kondensierten Materie
Prof. Dr. Friederike Schmid†

Inhalt: Einleitung: Experimentelle Hinweise auf die Quantenmechanik


Wellenmechanik
Grundkonzepte
Lösungen der Schrödingergleichung
Zweikörperproblem und Wasserstoffatom
Allgemeine Formulierung der Quantenmechanik
Der mathematische Rahmen der Quantenmechanik
Elementare Prinzipien der Quantenmechanik
Anwendung: Der harmonische Oszillator
Symmetrien
Identische Teilchen
Quantenmechanik des Drehimpulses
Allgemeiner Drehimpuls, Spin, Addition von Drehimpulsen
Anwendungsbeispiel: H2 -Molekül und Austauschwechselwirkung
Näherungsverfahren
Variationsverfahren
Stationäre und zeitabhängige Störungsrechnung
Die Pfadintegralformulierung der Quantenmechanik
Pfadintegral, Propagator und Eichinvarianz
Anwendung: Der Aharonov-Bohm Effekt
Verschränkte Zustände
Das EPR-Paradox und die Bellsche Ungleichung
Praktische Anwendung: Quanteninformatik


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Einige empfohlene Bücher

• C. Cohen-Tannoudji, B. Diu, F. Laloe: Quantenmechanik Bd. 1 und 2.


(de Gruyter) (ausführlich, klassisch)

• J. J. Sakurai: Modern Quantum Mechanics. (Addison Wesley) (ausführ-


lich, moderner)

• L. Ballentine: Quantum Mechanics - A Modern Development. (World


Scientific) (originell)

• F. Schwabl: Quantenmechanik. (Springer)

• A. Messiah: Quantenmechanik Bd. 1 und 2. (de Gruyter)

• L. D. Landau, E. M. Lifshitz: Quantenmechanik. (Vieweg)

• E. Fick: Einführung in die Grundlagen der Quantenmechanik. (Aula-


Verlag)

• W. Greiner: Quantenmechanik Bd. 1. (Harri Deutsch)

• W. Nolting Quantenmechanik Bd. 1 und 2. (Vieweg) (viele Aufgaben)

• H. Haken, H. C. Wolf, Atom- und Quantenphysik. (Springer) (gute Einführung)

• J. Audretsch Verschränkte Systeme: Die Quantenphysik auf neuen Wegen.


(Wiley) (aktuelle Themen zu Grundlagen der Quantenmechanik)

• J. Audretsch Verschränkte Welt. (Wiley) (populärwissenschaftlich)


c Copyright 2003 Friederike Schmid

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von Christhard Schmid, <christhardschmid@gmx.de>, als Gratulation zum Karl Peter
Grotemeyer-Preis 2003 der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft (http://www.uni-
bielefeld.de/ugb/Foerderung/GrotemeyerPreis.html), der im Zusammenhang mit dieser Vor-
lesung verliehen wurde
Inhaltsverzeichnis

1 Experimentelle Hinweise 9
1.1 Historische“ Experimente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1.1.1 Hinweise auf diskrete Strukturen in Atomen . . . . . . . . 9
1.1.2 Hinweise darauf, dass Licht aus Teilchen besteht . . . . . 11
1.1.3 Hinweise darauf, dass Materie Wellencharakter hat . . . . 12
1.2 Modernere“ Experimente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

1.2.1 Zum Wellencharakter der Materie . . . . . . . . . . . . . 13
1.2.2 Zum Teilchencharakter des Lichts . . . . . . . . . . . . . . 15

2 Wellenmechanik 17
2.1 Grundkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.1.0.1 Allgemeine Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . 17
2.1.1 De Broglie-Wellen ( freie Teilchen“) . . . . . . . . . . . . 18

2.1.1.1 Einstein-de Broglie-Relationen und ebene Wellen 18
2.1.1.2 Superpositionsprinzip und Wellenpakete . . . . . 19
2.1.1.3 Normierung von de Broglie-Wellen . . . . . . . . 19
2.1.1.4 Zeitliche Entwicklung von de Broglie Wellenpa-
keten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.1.1.5 Beispiel: Gaußsches Wellenpaket in einer Dimen-
sion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.1.2 Mathematischer Einschub . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
2.1.2.1 Die Diracsche δ-Funktion . . . . . . . . . . . . . 23
2.1.2.2 Fouriertransformation . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.1.3 Die Schrödingergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.1.3.1 Schrödingergleichung für freie Teilchen (de Broglie-
Wellenpakete) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.1.3.2 Verallgemeinerung für Teilchen im äußeren Po-
tential V (~r) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.1.4 Interpretation von Materiewellen . . . . . . . . . . . . . . 29
2.1.4.1 Wahrscheinlichkeitsdichten . . . . . . . . . . . . 29
2.1.4.2 Wahrscheinlichkeitsstrom und Kontinuitätsglei-
chung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.1.4.3 Erwartungswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
2.1.4.4 Physikalische Observable und Operatoren . . . . 33
2.1.5 Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

3
4 INHALTSVERZEICHNIS

2.1.5.1 Symmetrie von Orts- und Impulsdarstellung und


Bra-Ket Schreibweise . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.1.5.2 Unschärferelation und Kommutatoren . . . . . . 36
2.1.5.3 Ehrenfest-Theorem und Energie-Zeit-Unschärfe . 37
2.1.5.4 Zusammenstellung: Spezielle Operatoren & Kom-
mutatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
2.2 Lösungen der Schrödingergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.2.1 Die stationäre (zeitunabhängige) Schrödingergleichung . . 39
2.2.2 Lösungen der stationären Schrödingergleichung in einer
Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
2.2.2.1 Freies Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
2.2.2.2 Teilchen im unendlich hohen Potentialtopf . . . 41
2.2.2.3 Teilchen im endlich hohen Potentialtopf . . . . . 43
2.2.2.4 Streuung am Kastenpotential . . . . . . . . . . . 45
2.3 Zweikörperproblem und Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . . . 47
2.3.1 Reduktion auf Einteilchenproblem . . . . . . . . . . . . . 47
2.3.2 Reduktion auf eindimensionales Problem . . . . . . . . . . 49
2.3.3 Einschub: Eigenfunktionen des Bahndrehimpulses . . . . . 50
2.3.4 Coulombpotential und Wasserstoffatom . . . . . . . . . . 52
2.4 Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2.4.1 Blatt 1, Aufgaben 1-3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2.4.2 Blatt 2, Aufgaben 4-6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
2.4.3 Blatt 3, Aufgaben 7-9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
2.4.4 Blatt 4, Aufgaben 10-12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
2.4.5 Blatt 5, Aufgaben 13-15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

3 Allgemeine Formulierung 65
3.1 Der mathematische Rahmen der Quantenmechanik . . . . . . . . 65
3.1.1 Der Hilbertraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
3.1.1.1 Lineare Vektorräume . . . . . . . . . . . . . . . 65
3.1.1.2 Unitäre Vektorräume . . . . . . . . . . . . . . . 66
3.1.1.3 Hilbertraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
3.1.1.4 Darstellungen und Basistransformation . . . . . 68
3.1.1.5 Produkt von Hilberträumen . . . . . . . . . . . 69
3.1.2 Lineare Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
3.1.2.1 Allgemeine Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . 70
3.1.2.2 Spezielle Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . 71
3.1.3 Das Eigenwertproblem linearer Operatoren . . . . . . . . 72
3.1.3.1 Eigenwertgleichung eines linearen Operators L . 72
3.1.3.2 Eigenwerte von hermiteschen Operatoren . . . . 73
3.1.3.3 Eigenwerte selbstadjungierter Operatoren . . . . 73
3.1.3.4 Eigenwertproblem von vertauschbaren selbstad-
jungierten Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . 74
3.1.3.5 Vollständiger Satz kommutierender Observablen
(VSKO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
3.2 Elementare Prinzipien der Quantenmechanik . . . . . . . . . . . 74
3.2.1 Postulate“ der Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . 74

INHALTSVERZEICHNIS 5

3.2.1.1 Die Postulate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74


3.2.1.2 Unmittelbare Folgerungen aus den Postulaten . 76
3.2.2 Dynamische Entwicklung abgeschlossener Systeme . . . . 77
3.2.2.1 Der Zeitentwicklungsoperator . . . . . . . . . . . 77
3.2.2.2 Schrödingerbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
3.2.2.3 Heisenbergbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
3.2.2.4 Wechselwirkungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . 83
3.2.3 Offene Systeme und Messprozess . . . . . . . . . . . . . . 83
3.2.3.1 Einfache Beispiele von Messungen . . . . . . . . 83
3.2.3.2 Kopenhagener Interpretation“ und Reduktions-

postulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
3.2.3.3 Statistische Interpretation und Dekohärenz . . . 86
3.2.3.4 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
3.3 Anwendung: Der harmonische Oszillator . . . . . . . . . . . . . . 90
3.3.1 Berechnung der (Energie-)Eigenwerte von H . . . . . . . . 90
3.3.2 Energieeigenvektoren in Ortsdarstellung (Schrödingerbild) 92
3.3.3 Operatoren im Heisenbergbild . . . . . . . . . . . . . . . . 92
3.4 Symmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
3.4.1 Allgemeine Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . 93
3.4.1.1 Erinnerung an klassische Mechanik . . . . . . . . 93
3.4.1.2 Begriffsklärung: Symmetrie“ und Erhaltungs-
” ”
größe“ in der Quantenmechanik . . . . . . . . . 94
3.4.2 Homogenität von Raum und Zeit . . . . . . . . . . . . . . 95
3.4.2.1 Homogenität der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . 95
3.4.2.2 Homogenität des Raumes . . . . . . . . . . . . . 95
3.4.2.3 Isotropie des Raumes . . . . . . . . . . . . . . . 97
3.4.3 Vorläufige Zusammenfassung und Verallgemeinerung: Sym-
metrien und Erhaltungsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . 98
3.4.4 Invarianz unter speziellen Galilei-Transformationen . . . . 99
3.4.5 Diskrete Symmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
3.4.5.1 Raumspiegelung und Parität . . . . . . . . . . . 102
3.4.5.2 Zeitumkehrinvarianz und Zeitumkehroperator . . 103
3.5 Identische Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
3.5.1 Ununterscheidbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
3.5.1.1 1) Folgerung für Observablen . . . . . . . . . . . 105
3.5.1.2 2) Folgerung für Zustandsvektoren . . . . . . . . 106
3.5.2 Symmetrisierungspostulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
3.5.2.1 Konstruktion des reduzierten Zustandsraums . . 107
3.5.2.2 Zusammenfassend: Symmetrisierungspostulat, zwei-
te Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
3.5.2.3 Folgerungen aus dem Symmetrisierungspostulat 109
3.6 Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
3.6.1 Blatt 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
3.6.2 Blatt 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
3.6.3 Blatt 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
3.6.4 Blatt 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
3.6.5 Blatt 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
6 INHALTSVERZEICHNIS

4 Quantenmechanik des Drehimpulses 121


4.1 Wiederholung: Bahndrehimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
4.1.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
4.1.2 Eigenwerte und Eigenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . 121
4.1.3 Darstellung in Polarkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . 121
4.2 Allgemeiner Drehimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
4.2.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
4.2.2 Eigenwerte und Eigenvektoren . . . . . . . . . . . . . . . 123
4.3 Der Spin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
4.3.1 Experimenteller Hinweis: Der Stern-Gerlach-Versuch . . . 125
4.3.2 Beschreibung von Teilchen mit Spin . . . . . . . . . . . . 125
4.3.2.1 Ein Teilchen mit Spin 21 . . . . . . . . . . . . . . 125
4.3.2.2 Konkret: Sz -Darstellung von Spinzuständen und
Spinoperatoren - Paulische Spinor-Schreibweise . 126
4.3.2.3 Identische Spin 12 -Teilchen . . . . . . . . . . . . 127
4.3.3 Nichtrelativistischer Spin im elektromagnetischen Feld -
Pauligleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
4.3.4 Wirkung von Drehungen auf Spinzustände . . . . . . . . . 128
4.3.4.1 Rotationsoperator im Spin-Zustandsraum . . . . 128
4.3.4.2 Wirkung auf Spin-Erwartungswerte . . . . . . . 128
4.3.4.3 Wirkung auf Spinzustandsvektoren . . . . . . . 129
4.3.5 Drehgruppe und spezielle unitäre Gruppe . . . . . . . . . 130
4.3.5.1 Drehgruppe: Gruppe der Drehungen D(~ ϕ) im R3 130
1
4.3.5.2 Darstellung in Spin 2 -Systemen: Rotationsope-
ratoren im Spin-Zustandsraum . . . . . . . . . . 130
4.4 Addition von Drehimpulsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
4.4.1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
4.4.2 Additionstheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
4.4.3 Lösung des Problems: Clebsch-Gordan-Koeffizienten . . . 132
4.4.4 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
4.4.4.1 Elektronen mit Bahndrehimpuls (und Spin) . . . . 134
4.4.4.2 Zwei Spin 21 -Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . 134
4.5 Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
4.5.1 Helium-Atom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
4.5.2 Wasserstoffmolekül und Austauschwechselwirkung in Heitler-
London-Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
4.6 Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
4.6.1 Blatt 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
4.6.2 Blatt 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
4.6.3 Blatt 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

5 Näherungsverfahren 145
5.1 Variationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
5.2 Stationäre Störungsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
5.2.1 Nichtentarteter Fall: Eigenwert En0 nicht entartet . . . . . 148
5.2.2 Entarteter Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
5.2.3 Quasientarteter Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
INHALTSVERZEICHNIS 7

5.2.4 Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152


5.2.4.1 Anharmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . 152
5.2.4.2 Stark-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
5.2.4.3 Feinstruktur der Wasserstoffspektren . . . . . . 154
5.3 Zeitabhängige Störungsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
5.3.1 Erinnerung: Wechselwirkungsbild . . . . . . . . . . . . . . 155
5.3.2 Dyson-Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
5.3.3 Anwendung: Störungstheorie erster Ordnung . . . . . . . 156
5.3.3.1 Zeitlich begrenzte Störung . . . . . . . . . . . . 157
5.3.3.2 Plötzlich eingeschaltete konstante Störung . . . 157
5.3.3.3 Plötzlich eingeschaltete harmonische Störung . . 158
5.3.4 Beispiel: Wechselwirkung mit klassischem elektromagne-
tischem Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
5.3.5 Störungstheorie zweiter Ordnung: Lebensdauer und Lini-
enbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
5.4 Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
5.4.1 Blatt 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
5.4.2 Blatt 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

6 Pfadintegralformulierung 165
6.1 Pfadintegral und Propagator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
6.2 Eichinvarianz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
6.2.1 Allgemeine Eichtransformationen . . . . . . . . . . . . . . 169
6.2.2 Eichinvarianz und elektromagnetische Felder . . . . . . . 170
6.3 Anwendung: Der Aharonov-Bohm Effekt . . . . . . . . . . . . . . 171

7 Verschränkte Zustände 173


7.1 Das EPR-Paradox und die Bellsche Ungleichung . . . . . . . . . 174
7.1.1 EPR-Paradox . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
7.1.2 Bellsche Ungleichung (1964) . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
7.1.3 Bohmsche Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
7.2 Anwendung: Quanteninformatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
7.2.1 Quanteninformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
7.2.2 Quantenkryptographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
8 INHALTSVERZEICHNIS
Kapitel 1

Einleitung: Experimentelle
Hinweise auf die
Quantentheorie

c Copyright 2003 Friederike Schmid1


1.1 Historische“ Experimente



( historisch“: Aus der Zeit, in der die Quantentheorie entwickelt wurde)

1.1.1 Hinweise auf diskrete Strukturen in Atomen


a) Atomspektren (19. Jahrhundert, Kirchhoff und Bunsen)

Jedes Element hat ein charakteristisches Emissionsspektrum.


Es werden bestimmte Frequenzlinien emittiert
(großes Rätsel der Jahrhundertwende)

b) Hohlraumstrahlung und Plancksches Strahlungsgesetz (1900)

Hohlraum: (Schwarzkörperstrahlung)

Klassisch erwartete Strah-


lungsintensität (Rayleigh-
Jeans): dI ∝ ν 2 dν

Tatsächlich: Abknicken
bei hohen Frequenzen

1
Prof. Dr. Friederike Schmid, Vorlesung Quantenmechanik (I), Universität Bielefeld, SS
2008. Letzte Änderung der PDF-Datei am 1.08.08.

9
10 KAPITEL 1. EXPERIMENTELLE HINWEISE

Erklärung durch Plancksche Hypothese:


• Licht wird in Quanten der Energie E = h · ν emittiert und ab-
sorbiert.
h = Plancksche Konstante: h = 6.6 · 10−34 Js
• Zwischen Strahlung und Hohlraum besteht thermisches Gleich-
gewicht.
ν3
; Plancksche Strahlungsformel: dI ∝ ehν −1

c) Franck-Hertz-Versuch (1914)

Nachweis stationärer Atomzustände. Interpretation:


• Bereich (I): Je höher die Spannung, desto mehr Elektronen ge-
winnen genug kinetische Energie, dass sie die Anode erreichen
können und nicht am Gatter abgefangen werden.
; Verluste durch elastische Stöße.
• Bereich (II): Einige Elektronen können einen Teil der Energie -
ein festgelegtes Quantum - in inelastischem Stoß an Hg-Atome
abgeben. Verbleibende kinetische Energie so klein, dass sie ab-
gefangen werden.
; Verluste durch einen inelastischen Stoß.
• Bereich (III): Verluste durch zwei inelastische Stöße.
• etc.
Folgerung: Atome nehmen Energie inelastisch nur in festen Quanten
auf.

d) Stern-Gerlach-Versuch (1921)
Silberatomstrahl
teilt sich im inho-
mogenen Magnetfeld
auf. Richtungs-

quantelung“ des
magnetischen Mo-
ments. (Kommt
in Kapitel 4 S.121
nochmal)
1.1. HISTORISCHE“ EXPERIMENTE 11

1.1.2 Hinweise darauf, dass Licht aus Teilchen besteht


a) Photoeffekt (Hallwachs 1900, Erklärung nach Einstein 1905)

Beobachtungen (Hallwachs)
• Falls Elektroskop positiv geladen ; Elektroskop bewirkt nichts
• Falls Elektroskop negativ geladen:
– sichtbares Licht, egal wie intensiv, bewirkt nichts
– UV-Licht auf Eisenplatte bewirkt nichts
– Aber: Bereits schwacher UV-Strahl auf Zink entlädt Elek-
troskop
Interpretation (Einstein)
• Licht besteht aus Quanten der Energie E = h · ν (Photonen)
• Lichtphotonen treten einzeln mit Elektronen in Wechselwirkung
• Zum Freisetzen eines Elektrons ist Austrittsenergie Vc notwen-
dig. Falls Energie des Lichtquants ausreicht, das Elektron frei-
zusetzen (E > Vc ), entweicht es (das ist der Fall bei UV-Licht
auf Zink). Andernfalls bleibt das Elektron gebunden (und die
Energie wird anderweitig dissipiert).

b) Compton-Effekt (1923)

Licht ändert Frequenz bei der Streuung an Elektronen.


Streuprozeß mit Energie- und
Impulserhaltung

Energie des Photons: E = h · ν


Impuls des Photons: p = h/λ
; Damit kann Compton-Effekt quantitativ verstanden werden.
NB: Nach der speziellen Relativitätstheorie müssen Teilchen mit Lichtge-
schwindigkeit masselos sein. Das sollte natürlich auch für Photonen
zutreffen.
; Viererimpuls ( Ec , p~) hat Norm Null: p2 − ( Ec )2 = 0
2 2 2 √
; p2 = Ec2 = (hν)
c2
= λh2
12 KAPITEL 1. EXPERIMENTELLE HINWEISE

Fazit aus 1.1.2 S.11:


Lichtwellen, bzw. allgemeine elektromagnetische Wellen verhalten sich un-
ter bestimmten Umständen so, als bestünden sie aus Teilchen. Anderer-
seits sind es natürlich auch Wellen (d.h., sie zeigen Interferenzen etc.)

Bemerkung: Streng genommen ist weder der Photoeffekt noch der Compton-
Effekt wirklich ein Beweis“ für den Teilchencharakter des Lichts. Beide

können auch innerhalb einer (Quanten-)Theorie erklärt werden, in der
elektromagnetische Wellen noch als reine Welle behandelt werden. Den-
noch gehören diese Versuche hierher, weil sie für die Entwicklung der
Quantentheorie sehr wichtig waren.

1.1.3 Hinweise darauf, dass Materie Wellencharakter hat


Zunächst: von de Broglie 1924 postuliert (in seiner Doktorarbeit!).
Beziehungen E = h · ν und p = h/λ sollen für alle Teilchen gelten.

Experimentelle Hinweise:

a) Davisson-Germer (1927)

Bragg-Streuung“

von Elektronen an
einem Nickel-Kristall
b) Thomson (1927)

Debye-Scherrer-Ringe“ von Elektronen hinter einer Metallfolie



; Interferenzen bei Streuung von Elektronen an periodischen Strukturen
(Kristallen).

Fazit von 1.1.2 S.11, 1.1.3 S.12: Welle-Teilchen-Dualismus“



Je nach Experiment haben Materie oder Licht entweder Teilchen- oder
Wellencharakter.

Nutzen dieser Betrachtungsweise:


Erklärt Experimente, löst Probleme der Atomspektren (siehe Kapitel 2 S.17)

Nachteil: Interpretation/Deutung bis heute umstritten.


Man stößt auf Widersprüche, die nur schwer (oder gar nicht) aufgelöst
werden können (siehe z.B. Kapitel 3 S.65).
1.2. MODERNERE“ EXPERIMENTE 13

1.2 Modernere“ Experimente



Zahlreich, hier nur ausgewählte Beispiele

1.2.1 Zum Wellencharakter der Materie


Interferenz von Fullerenen (Arndt, Nain, ... Zeilinger 1999)

Vorbemerkung: Doppelspaltversuch mit Elektronen

Frage: Könnte man denselben Versuch mit Fußbällen machen?


Fußball → Impuls p = h/λ groß → Wellenlänge λ klein

Interferenzmuster wird sehr


viel feiner als Fußball sein
; praktisch vermutlich nicht zu sehen

Nun zu Zeilingers Experiment (1999)

nicht gerade Fußbälle, aber C60 -Moleküle


- 60 Kohlenstoffatome, Durchmesser 1 nm
- 174 interne Schwingungs- und Rotationsmoden
- Masse nicht eindeutig (Kohlenstoffisotope)

Aufbau:

Entscheidend: Kollimatoren ; Strahl hat Divergenz von 10 µrad


Zahlenvergleich: C60 (1 nm): Schlitzgröße(50 nm) =
b Fußball : Tor.
Auf dieser Skala wäre Abstand Quelle-Detektor = b Abstand
Erde-Mond.
14 KAPITEL 1. EXPERIMENTELLE HINWEISE

Ergebnis: Interferenzmuster (a: Mit Gitter, b: Ohne Gitter)

Späteres Experiment (selbe Gruppe, 2001)

Streuung von C60 an stehenden Lichtwellen

; Interferenzbilder
1.2. MODERNERE“ EXPERIMENTE 15

1.2.2 Zum Teilchencharakter des Lichts


Photonen-Korrelations-Experimente

Aufbau (Hanbury, Brown, Twiss 1956)

Korrelator misst die Anzahl


n(τ ) der Photonen, die im Ab-
stand τ in Detektoren regi-
striert werden.

Beobachtungen

• Stellares Licht (auch sonst häufig)

Photon bunching“: Photonen korreliert,



treffen häufig zusammen ein.

Erklärung: Bose-Einstein-Statistik (siehe Kapitel 3 S.65)


Aber: Klassische“ Erklärung wäre auch möglich (fluktuierendes

elektromagnetisches Feld)
• Fluoreszenz einfacher Atome (auch künstlicher Atome“: Quanten-

dots)

Photon antibunching“ (Kimble, Dage-



nais, Mandel 1977)

kann klassisch nicht erklärt werden


; gilt endlich als Nachweis der Teilchennatur des Lichts.
Erklärung im Photonenbild ganz einfach:

Atom =
b Zwei-Niveau-System

Fluoreszenz → angeregtes Atom geht von Energie E1 zu E0


über, emittiert dabei ein Photon.
Nachdem das geschehen ist, kann nicht sofort ein zweites emit-
tiert werden.
16 KAPITEL 1. EXPERIMENTELLE HINWEISE
Kapitel 2

Wellenmechanik

c Copyright 2003 Friederike Schmid1


2.1 Grundkonzepte
2.1.0.1 Allgemeine Vorbemerkungen
Experimente legen nahe:

(i) Licht (klassische Welle) hat Teilchencharakter


(ii) Materie (klassische Teilchen) hat Wellencharakter

In diesem Kapitel wird Aspekt (ii) behandelt

; historischer (klassischer) Zugang zur Quantenmechanik

- Daran kann man die wichtigsten Konzepte der Quantenphysik erarbei-


ten
- Man kann schon sehr viel ausrechnen
- Vergleichsweise anschaulich

In Kapitel 3 S.65: Verallgemeinerung der Konzepte aus Kapitel 2 S.17, wo-


durch Quantentheorie zu einer sehr mächtigen und vielseitigen Theorie
wird.

Spätere Kapitel: Anwendungen

Aspekt (ii) (Teilchencharakter des Lichts) wird in dieser Vorlesung nicht mehr
behandelt: Gegenstand der Quantenoptik.

Problem: Photonenzahl nicht erhalten ; brauche eine Beschreibung, die


Teilchenerzeugung und Teilchenvernichtung zuläßt
; das leistet erst die Quantenfeldtheorie, ist hier noch nicht vorgesehen.

1
Prof. Dr. Friederike Schmid, Vorlesung Quantenmechanik (I), Universität Bielefeld, SS
2008. Letzte Änderung der PDF-Datei am 1.08.08.

17
18 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

Weitere Einschränkungen in diesem Kapitel:

• Betrachte im allgemeinen nur ein Teilchen


; 1-3 dimensionale Welle, je nach Raumdimension
Mehrere Teilchen können zwar auch innerhalb der Wellenmechanik
behandelt werden, soll aber trotzdem erst in Kapitel 3 S.65 ge-
schehen
(Ausnahme: Kapitel 2.3 S.47 → Zweikörperproblem)
• Nichtrelativistisch
(Relativistisch → siehe Quantenmechanik II)

Fragen:

- Beschreibung der Wellen? Entwicklungsgesetze?


(→ Schrödingergleichung)
- Interpretation der Wellen?
(→ Wahrscheinlichkeitsinterpretation“)

2.1.1 De Broglie-Wellen ( freie Teilchen“)



2.1.1.1 Einstein-de Broglie-Relationen und ebene Wellen
Ansatz von de Broglie:

Materieteilchen lassen sich als Welle beschreiben


Für freie Materieteilchen gelten dieselben Relationen wie für Licht:
E = h · ν und p = h/λ mit h = 6.6 · 10−34 Js

In Zukunft andere Schreibweise: Statt ν (Frequenz) und λ (Wellenlänge) be-


nutze ω = 2πν ( Winkelgeschwindigkeit“ des Phasenwinkels) und Wel-

lenvektor ~k: zeigt in Richtung p~, Betrag |~k| = 2π/λ
⇒ E = ~ω und p~ = ~~k mit ~ = h = 1.05 · 10−34 Js

Zusammenhang zwischen ω und k folgt aus E = p2 /2m

~k 2
⇒ ω(~k) =
2m
p
(Alternativ kann man auch E = m2 c4 + p2 c2 ≈ mc2 + p2 /2m zugrunde
legen. Zusatzterm mc2 stört nicht weiter.)

Folgerung: Ein Teilchen mit Impuls p~ und Energie E hat die Wellenfunktion

~ i
ψ(~r, t) = N ei(k~r−ωt) = N e ~ (~p~r−Et)

; Gleichung für eine ebene Welle


NB: Unendlich ausgedehnt, keine räumliche Beschränkung!
2.1. GRUNDKONZEPTE 19

2.1.1.2 Superpositionsprinzip und Wellenpakete


Eine Theorie, in der alle Teilchenwellen unendlich ausgedehnt sind, kann of-
fenbar die Realität nicht befriedigend beschreiben.

Deshalb nächster Schritt: Wellenfunktion kann auch eine beliebige Überlage-


rung (lineare Kombination) ebener Wellen sein ; Superpositionsprinzip

⇒ Allgemeine Form einer Wellenfunktion

Z Z
~ 1 i
ψ(~r, t) = d~k ei(k~r−ωt) f (~k) = √ d
p e ~ (~p~r−Et) ψ̃0 (~
d~ p)
2π~
| {z }
Vorfaktor
d: Raumdimension

Vorfaktor: hier zunächst willkürlich gewählt. Nutzen wird in Zukunft er-


sichtlich.
Dabei wird nach wie vor ω = ω(~k) = ~k 2 /2m bzw. E = E(p) = p2 /2m
gesetzt.

Vorteil: Eine solche Wellenfunktion kann räumlich lokalisiert sein.


(Man spricht dann von einem Wellenpaket.)

Nachteil: Impuls p bzw. Energie E nicht mehr eindeutig bestimmt.

→ Unschärferelation: Ort und Impuls können nicht gleichzeitig scharf


definiert sein! (mehr dazu in 2.1.5 S.34)

Deutung des Wellenpakets (Max Born):

ψ=b Führungsfeld“, bestimmt Wahrscheinlichkeitsdichte |ψ|2



|ψ(~r, t)|2 d~r gibt Wahrscheinlichkeit an, das Teilchen zur Zeit t innerhalb
eines infinitesimalen Volumens d~r um ~r zu finden.
(; Wahrscheinlichkeit, es in makroskopischem Volumen V zu finden:
2
R
PV = d~r |ψ(~r, t)| )
V

2.1.1.3 Normierung von de Broglie-Wellen


Wahrscheinlichkeitsdeutung ; ψ normiert: d~r |ψ(~r, t)|2 = 1
R
ganzer Raum

d~r |ψ|2 < ∞ (ψ quadratisch integrierbar).


R
Problem: Beinhaltet natürlich
i
Das ist aber bei ebenen Wellen, ψ = N e ~ (~p~r−Et) , nicht erfüllt.
; Ebene Wellen nicht normierbar, trotzdem würden wir sie gern behal-
ten.
20 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

Abhilfemöglichkeiten:

(i) Praktische Variante: Boxnormierung

Funktionen sind nur innerhalb eines sehr großen, aber


endlichen Volumens V definiert, z.B. Würfel mit Kan-
tenlänge L und periodischen Randbedingungen (d.h.
gegenüberliegende Seiten werden miteinander identifi-
ziert).
i
Dann ist Normierung kein Problem: ψ = √1V e ~ (~p~r−Et)

Aber: Nicht mehr alle Impulse möglich, sondern nur


noch die, deren Komponenten px , py , pz ganzzahlige
Vielfache von ~ 2π
L sind. Wenn L sehr groß ist, macht
das nichts.
NB: Wem periodische Randbedingungen zu unrealistisch sind, der kann
auch andere wählen ; kaum Unterschied, da der Einfluss des Randes
auf Verteilungsdichte der erlaubten Impulse p~ im Bereich großer |~
p|
sehr gering ist.

(ii) Formalere Variante: Normierung auf δ-Funktion


(Kurze Einführung in δ-Funktion siehe Kapitel 2.1.2 S.23)
Z
i
Normiere ψp~ = N e ~
(~r −Et)
p~
so, dass d~r ψp~∗ (~r, t)ψp~0 (~r, t) = δ(~
p − p~0 )

1
; N =√ d
(d=Raumdimension) (siehe dazu 2.1.2.1 S.23, Ende)
2π~

2.1.1.4 Zeitliche Entwicklung von de Broglie Wellenpaketen


Der Einfachheit halber in einer Dimension

Betrachte Wellenpaket, das zur Zeit t = 0 räumlich lokalisiert ist.


Wellenvektor k ≈ k0 → Impuls p ≈ p0 = ~k0

dk eikx f (k)
R
Zur Zeit t = 0: ψ(x, t = 0) =
Z
~k2
; spätere Entwicklung: ψ(x, t) = dk ei(kx−ω(k)t) f (k) mit ω(k) = 2m

Was bedeutet das konkret?


2.1. GRUNDKONZEPTE 21

(i) Phasengeschwindigkeit (Geschwindigkeit der Wellenberge“)



vph = ω/k ≈ ~k0 /2m = p0 /2m

; unterscheidet sich immer um Faktor 1/2 vom klassischen Wert p0 /m


; zunächst irritierend, denn klassische Mechanik sollte ja in bestimmten
Grenzfällen richtig sein.
Aber: Phasengeschwindigkeit ist für die Geschwindigkeit des Wellenpakets
de facto nicht maßgeblich. Was zählt, ist die Geschwindigkeit der
Einhüllenden = Gruppengeschwindigkeit.

(ii) Gruppengeschwindigkeit vg (Geschwindigkeit der Einhüllenden)

Analysiere genauer ψ(x, t) = dk ei(kx−ω(k)t) f (k):


R

Verteilung f (k) stark gepeakt bei k = k0


; k ≈ k0 im relevanten Bereich
→ Entwickle ω(k) ≈ ω(k0 ) + dωdk |k0 (k − k0 ) + ...
Z

⇒ ψ(x, t) = e|i(k0 x−ω(k
{z
0 )t)
} dk ei(k−k0 )(x− dk |k0 t)+... f (k)
Ebene Welle | {z }
Einhüllende E(x,t)
iξ(x− dω | t) dω
R
mir E(x, t) ≈ dξ e dk k0 f (k0 + ξ) =: Ẽ(x − dk |k0 t)
⇒ Einhüllende hängt vor allem von (x − dω
dk |k0 t) ab
; bewegt sich mit Geschwindigkeit vg = dω dk |k0 fort.

dω ~k0 p0
⇒ Gruppengeschwindigkeit vg = |k = =
dk 0 m m
Paßt zur klassischen Geschwindigkeit

(iii) Zeitliche Entwicklung der Form der Einhüllenden

Wird von höheren Termen in der Entwicklung ω(k) bestimmt:


1 d2 ω
ω(k) ≈ ω(k0 ) + dω 2
dk |k0 (k − k0 ) + 2 dk2 |k0 (k − k0 ) + ...
2 2
Falls sie nicht verschwinden ( ddkω2 6= 0 etc.; Hier ddkω2 = m
~
6= 0)
; Einhüllende verbreitert sich, Wellenpaket zerfließt
(Beweis: Aufgabe 9 (2.4.3 S.58))
22 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

2.1.1.5 Beispiel: Gaußsches Wellenpaket in einer Dimension


(k−k0 )2

Verteilung der Wellenvektoren: f (k) = C e 2(∆k)2

→ Gaußsche Verteilung mit Breite ∆k


(k−k0 )2
ikx−
dkf (k)eikx
R R
⇒ ψ(x, t = 0) = =C dk e 2(∆k)2

(k−k0 )
ξ= 2 /2
∆k
dξ e−ξ eix(ξ∆k+k 0)
R
= C ∆k Z
τ =ξ+ix∆k 2 /2 2
= C ∆k eik0 x e(−ix∆k) dτ e−τ /2

| {z }

√ −x2 / 2
= C ∆k 2π eik0 x e (∆k)2

; Wellenpaket zur Zeit t=0: Einhüllende hat Gaußsche Form mit Breite ∆x =
1/∆k (; ∆x · ∆k = 1)

Zeitliche Entwicklung:
(2)
(1) z}|{
z}|{
ψ(x, t) =
R
dk f (k) ei(kx− ω(k) t)

(2)
(2) z }| {
z }| {
2 2 ~ 2 ~
Trick: ω(k) − ω(k0 ) = 2m (k − k0 ) = 2m (k − k0 ) + m k0 (k − k0 )
~

| {z }
vg
(1) (2)
}| { z z }| {
(2)
(k − k ) 2 ~
(1) 0 (2)
z }| { − 2
−i (k − k0 )2 t z}|{
i(k−k0 )(x− vg t)
= C ei(k0 x−ω(k0 ) t) dk |e 2(∆k) {z 2m
z}|{ R
}e
2
q e−ξ /2
1 i~
Setze ξ = (k − k0 ) (∆k)2 + m t
q
1
2 i(x−vg t)ξ/ + i~ t
= C ei(k0 x−ω(k0 )t) dξ e−ξ /2 e 1
R
(∆k)2 m q
1
+ i~ t
(∆k)2 m
R −ξ 2 /2 ibξ
√ −b2 /2
dξe e = 2πe (b ∈ C)
√ 1
2π −(x−vg t)2 /2( + i~ t)
=C q
1 i~
ei(k0 x−ω(k0 )t) e (∆k)2 m

(∆k)2+mt

(x−vg t)2 2 2
2π − [ 1 2 + ~ t2 (∆k)2 ]−1
⇒ |ψ(x, t)|2 = |C|2 1 4 ~2 t2
e 2 (∆k) m
(( ∆k ) + 2 )
m q
1 ~2 t2
Gaußkurve mit Zentrum vg t und Breite ∆x(t) = (∆k)2
+ m2
(∆k)2

1 ~ 2 t2
; Verbreiterung des Wellenpakets gemäß ∆x(t)2 = ∆x(0)2 +
∆x(0)2 m2
(vgl. auch Aufgabe 2 (2.4.1 S.54) )
2.1. GRUNDKONZEPTE 23

2.1.2 Mathematischer Einschub


Zur δ-Funktion und zur Fouriertransformation
(siehe dazu auch Cohen-Tannodji, Bd. 2, Anhang)

2.1.2.1 Die Diracsche δ-Funktion


Zunächst in einer Dimension

(a) Formale Definition: δ definiert eine Abbildung

C∞ −→ R
Z
f (x) 7−→ dx f (x) δ(x − x0 ) := f (x0 )

vom Raum C∞ der ∞ oft differenzierbaren Funktionen auf R nach R.

(b) Anschauliche Vorstellung:


Eine bei xR= 0 sehr scharf gepeakte Funk-
tion mit dx δ(x) = 1, δ(x) = 0 für
|x|  0. Peak muss schmäler sein als jede
charakteristische Längenskala der Funkti-
on f(x), auf die die δ-Funktion angewendet
werden soll.
(c) Darstellung als Grenzwert glatter Funktionen:
q 2 x
1 1 − 22
(i) δ(x) = lim 2π  e
→0
2
(ii) δ(x) = 1
lim (sinaxax)
π a→∞ 2
1
(iii) δ(x) = lim sinxax (oszilliert
π a→∞
außerhalb x = 0 so schnell, dass
Beiträge zu Integralen wegfallen)

Z∞
1
(d) Darstellung als Integral δ(x) = dk eikx

−∞

(e) Rechenregeln (ohne Beweis)

δ(x) = 0 für x 6= 0
x · δ(x) = 0
δ(−x) = δ(x) (→ δ(x) ist eine gerade Funktion)
δ(x − y) · f (x) = δ(x − y) · f (y)

Rx 1 x > 0

dy δ(y) = Θ(x) = 12 x = 0 (Stufenfunktion)
−∞ 
0 x<0

1
δ(ax) = |a| δ(x)
24 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

P 1
δ(ϕ(x)) = |ϕ0 (xi )| δ(x − xi )
Nullstellen
xi vonϕ(x)

Ableitungen:
R 0
δ (x − x0 )f (x) dx = −f 0 (x0 )
δ 0 (x) = −δ 0 (−x) (ungerade Funktion)
R (n)
δ (x − x0 )f (x) dx = (−1)n f (n) (x0 )

(f) Verallgemeinerung auf d = 3 Dimensionen

δ(~r − r~0 ) = δ(x − x0 ) · δ(y − y0 ) · δ(z − z0 )

Z
1 ~
δ(~r) = ( )d dd k eik~r

(Analog geht natürlich Verallgemeinerung auf beliebige Dimensionen)

Bemerkung: Damit ist die δ-Funktions-Normierung der ebenen de Broglie-


i
1 (~r −Et)
p~
Wellen ψp~ (~r, t) = √ de
~ (Kapitel 2.1.1.3 S.19) klar:
2π~ Z
1 i ~0 i ~0 √
r ψp~∗ (~ r e ~ (p −~p)~r ·e− ~ (E(~p)−E(p )) = δ(~
p − p~0 )
R
d~ r , t)ψp~0 (~
r , t) = d~
(2π~)d
| {z }
p−p~0 )
δ(~

2.1.2.2 Fouriertransformation
Wieder zunächst in einer Dimension

(a) Definition

Gegeben sei eine Funktion f(x): R → C


Die Fouriertransformierte von f ist, falls sie existiert, definiert durch
Z
1
f˜(k) := √ dx e−ikx f (x)

Für Umkehrung gilt:
Z
1
⇔ f (x) = √ dk eikx f˜(k)

0
(NB: Einsetzen → f (x) = √1 dk eikx √1 dx0 e−ikx f (x0 )
R R
2π 2π

Z
1 0
= dx0 f (x0 ) dkeik(x−x ) = f (x)
R
)

| {z }
δ(x−x0 )
2.1. GRUNDKONZEPTE 25

Bedingungen für Existenz der Fouriertransformierten


(hinreichend, aber nicht notwendig)
- Dirichletsche Bedingungen: f(x) stückweise stetig,
hat in jedem endlichen Intervall höchstens endlich viele endliche
Sprungstellen, an denen rechtsseitiger und linksseitiger Limes
existiert.
R
- f(x) absolut integrierbar, dx|f (x)| < ∞

(b) Eigenschaften

(i) Linearität: h(x) = af (x) + bg(x) ⇔ h̃(k) = af˜(k) + bg̃(k)


(ii) Translation: h(x) = f (x + a) ⇔ h̃(k) = e−ika f˜(k) (zeigen)
1 ˜ k
(iii) Produkt: h(x) = f (x · a) ⇔ h̃(k) = |a| f ( a ) (Aufg.3)

dn
(iv) Ableitungen: h(x) = dxn f (x) ⇔ h̃(k) = (ik)n f˜(k)
dn ˜
h(x) = xn f (x) ⇔ h̃(k) = in dk n f (k) (zeigen)

(v) Symmetrien: f (x) reellwertig ⇔ f˜∗ (k) = f˜(−k)


f (x) rein imaginär ⇔ f˜∗ (k) = −f˜(−k)
Z Z
(vi) Parsevalsche Gleichung: dx|f (x)| = dk|f˜(k)|2
2

Z Z
bzw. verallgemeinerte Version: dxf ∗ (x)g(x) = dk f˜∗ (k)g̃(k)

Z Z
1 1 0
dk · f˜∗ (k) · g̃(k) = dx e+ikx f ∗ (x) · √ dx0 e−ikx g(x0 )
R R
(Beweis: dk · √
2π 2π
| {z } | {z }
f˜∗ (k) g̃(k)

Z
1 0
dxf ∗ (x) dx0 g(x0 ) dkeik(x−x ) = dxf ∗ (x)g(x)
R R R
= )

| {z }
δ(x−x0 )

(vii) Faltungssatz: (Beweis: Übungsaufgabe)


Z √
h(x) = dyf (y)g(x − y) ⇔ h̃(k) = 2π f˜(k)g̃(k)

(c) Verallgemeinerung auf d Dimensionen

Z Z
1 −i~k~ 1 ~
f˜(~k) = √ d d~r e r
f (~r) ⇔ f (~r) = √ d
d~k eik~r f˜(~k)
2π 2π
26 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

(d) Fouriertransformierte in der Quantenmechanik

In der Quantenmechanik wird mittels Fouriertransformation zwischen


Ort ~r und Impuls p~ hin- und hergeschaltet.
Die Transformation wird hier üblicherweise so definiert:
Z Z
1 − ~i p
~~
r 1 i
ψ̃(~
p) = √ d
d~r e ψ(~r) ⇔ ψ(~r) = √ d
p e ~ p~~r ψ̃(~
d~ p)
2π~ 2π~
√ d i
(Beachte den Faktor 1/ ~ wegen ~
p
~~
r)

Es gelten die gleichen Rechenregeln wie oben, insbesondere die Parse-


valsche Gleichung:
Z Z

p ψ̃ ∗ (~
d~r ψ (~r) ψ(~r) = d~ p) ψ̃(~
p)
√ √
(Man kann es so auffassen, dass ~r/ ~ und p~/ ~ ineinander transformiert
werden. Damit kann man alle Regeln aus (b) übernehmen.)

(e) Beispiele für Fouriertransformationen


2 /2a2 2 2
(i) Gaußverteilung f (x) = e−x ⇔ f˜(k) = a · e−k a /2
∞ ∞
denn f˜(k) = √1 dx e−ikx e−x
2
/2a2 (a) 2 2
= √1 e−k a /2 dx e−(x+ika)
2
/2a2
R R
2π 2π
−∞ −∞
∞+ika Z∞
(b) 2 2 2
/2a2 (c) 2 2 2
/2a2 √
√1 e−k a /2 dy e−y = √1 e−k a /2 dy e−y
R
=
2π 2π
−∞+ika
−∞
| {z }

2πa
wobei:
(ika)2
(a) −ikx − x2 /a2 = − 2a12 (x + ika)2 + 2a2
(Quadratische Ergänzung)
(b) Variablensubstitution: y = x + ika
(c) Verschiebung des Integrationswegs auf reelle Achse:
r
1 π 1 −k|a|
(ii) Lorentzverteilung f (x) = 2 ⇔ f˜(k) = e (a reell)
x + a2 2 |a|
∞ (a)
denn f˜(k) = √1 1
dx e−ikx x2 +a √1 1
dz e−ikz z2 +a
R H
2π 2 = − 2π 2
−∞
(b) √ 1 (c) √ 1
Res(e−ikz z2 +a −ikz
P
= − 2πi 2 , z0 ) = − 2πiRes(e z 2 +a2
, −i|a|)
Eingeschlossene
Pole z0
√ 1
√ e−ikz √
= − 2πi lim e−ikz z2 +a2 (z + i|a|) = − 2πi lim
z→(−i|a|) z→(−i|a|) z−i|a|
wobei:
(a) Schließen des Integrationswegs (Unterer Halbkreis
liefert keinen Beitrag,
denn z → x − i∞ ⇒ e−ikz → e−∞ = 0))
(b) Residuensatz
(c) 1/(z 2 + a2 ) hat zwei einfache Pole bei z0 = ±i|a|, davon ist nur −i|a| im Integrati-
onsweg eingeschlossen (d.h. in der unteren Halbebene).
2.1. GRUNDKONZEPTE 27

2.1.3 Die Schrödingergleichung


Ziel: Verallgemeinerung der Beschreibung von Wellenfunktionen für freie Teil-
chen auf Teilchen in beliebigem Potential V (x).

Naiver“ Versuch:

Ausgehend von Einstein de Broglie Beziehungen E = ~ω und p = ~k
p2
und dem klassischen Zusammenhang E = 2m + V (x) einfach k und p
p
ortsabhängig zu machen: p(x) = 2m(E − V (x)).
Verallgemeinerung der de Broglie-Welle wäre also:

i
Rx
i ~
( dy p(y)−Et)
(px−Et)
e ~ →e x0

; Essenz der sogenannten WKB“-Näherung (Wentzel, Brillouin, Kra-



mer)

Problem damit:
Funktioniert nur, solange p(x) auf deutlich größeren Längenskala variiert
2π~ p0 (x) p
als Wellenlänge λ = 2π
k = p , ( p(x)  k = ~

⇒ Taugt nicht als allgemeine Theorie


(aber recht erfolgreich für spezielle Probleme, z.B. Tunneleffekt)

Zugang hier:
Bestimme Bewegungsgleichung für freie Teilchen.
Suche nach geeigneter Verallgemeinerung dieser Bewegungsgleichung

2.1.3.1 Schrödingergleichung für freie Teilchen (de Broglie-Wellenpakete)


Gesucht: Differentialgleichung für ψ(~r, t) mit allgemeiner Lösung
Z
1 i p2
ψ(~r, t) = √ d
p e ~ (~p~r− 2m t) ψ̃0 (~
d~ p) (∗)
2π~

Bedingung: Es soll das Superpositionsprinzip gelten


(Eine Linearkombination von Lösungen ist selber eine Lösung)
⇒ Differentialgleichung muss linear und homogen sein.

Lösung: Einfacher im Impulsraum“ zu finden



i p2
Die Fouriertransformierte von ψ(~r, t) ist: ψ̃(~ p)e− ~ 2m t
p, t) = ψ̃0 (~
; Einfache Exponentialfunktion, ; Lösung der Gleichung:
∂ p2
p, t) = − ~i 2m
∂t ψ̃(~ ψ̃(~
p, t)
Etwas umgestellt:

∂ p2
i~ ψ̃(~
p, t) = ψ̃(~
p, t) (∗∗)
∂t 2m
28 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
√ √
Rücktransformation in den Ortsraum“ (~ p/ ~ ↔ ~r/ ~)

∂ ∂
Linke Seite von (∗∗): i~ ∂t p, t) → i~ ∂t
ψ̃(~ ψ(~r, t)
p2 2
Rechte Seite von (∗∗): 2m ψ̃(~
p, t) → − 2m
~
∆ψ(~r, t)
2
(Beweis in 1 Dimension: ( √p )2 ψ̃(p, t) → (−i)2 d√
ψ(x, t)
~ d(x/ ~)2
2 2 d 2 √
also p ψ̃(p, t) → −~ dx2 ψ(x, t)
p, t) = 3α=1 p2α ψ̃(~
~2 ψ̃(~
P
Beweis in 3 Dimensionen: p p, t)
3 d2 √
→ −~2 α=1 d~r2 ψ(~ r, t) = −~2 ∆ψ(~
P
r, t) )
α

∂ ~2
⇒ Freie Schrödingergleichung: ψ(~r, t) = −
i~ ∆ψ(~r, t)
∂t 2m
(Setze Lösung (∗) ein → passt!)

2.1.3.2 Verallgemeinerung für Teilchen im äußeren Potential V (~r)


p 2

Vergleiche i~ ∂t ψ̃(~
p, t) = 2m ψ̃(~
p, t) = Ekin ψ̃(~
p, t) mit der freien Schrödinger-
∂ ~2
gleichung i~ ∂t ψ(~r, t) = − 2m ∆ψ(~r, t)
2
; − ~ ∆ “ steht für Ekin“ (kinetische Energie)
” 2m ”
Verallgemeinerung: Ekin → Ekin + V (~r)


; Vollständige Schrödingergleichung i~ ψ(~r, t) = Ĥψ(~r, t)
∂t
~2
mit Ĥ = − ∆ + V (~r) : Hamiltonoperator“
2m ”

Eigenschaften dieser Differentialgleichung

• linear und homogen


⇒ Superpositionsprinzip gilt nach wie vor. Wenn ψ1 und ψ2 die
Schrödingergleichung lösen, dann auch αψ1 +βψ2 (α, β ∈ C)
• Erster Ordnung in der Zeit t
⇒ ψ(~r, t0 ) zu gegebener Zeit t0 charakterisiert vollständig die Wel-
lenfunktion ψ(~r, t) zu allen Zeiten.
(vgl. klassische Mechanik: Bewegungsgleichungen zweiter Ordnung
in t → Vollständige Charakterisierung erfordert Angabe von Ort
und Impuls.)
2.1. GRUNDKONZEPTE 29

2.1.4 Interpretation von Materiewellen


2.1.4.1 Wahrscheinlichkeitsdichten
(a) Materiewellen in Ortsdarstellung (siehe 2.1.1.2 S.19)
|ψ(~r, t)|2 = Wahrscheinlichkeitsdichte dafür, dass das Teilchen zur Zeit
t am Ort ~r vorgefunden wird.
Normierung: d~r|ψ(~r, t)|2 = 1
R

(Schwierigkeiten damit nur bei ebenen Wellen, siehe 2.1.1.3 S.19)


(b) Materiewellen in Impulsdarstellung
Impulsdarstellung: ψ(~r, t) wird zerlegt gemäß
i
ψ(~r, t) = √ 1 d d~ p e ~ p~~r ψ̃(~
R
p, t)
2π~
; ψ̃(~ p, t) ist Anteil“ des Impulses p~ am Wellenpaket.

Legt analoge Wahrscheinlichkeitsdeutung wie bei (a) nahe:
p, t)|2 = Wahrscheinlichkeitsdichte im Raum der Impulse p~ dafür, dass
|ψ̃(~
das Teilchen zur Zeit t bei einer Impulsmessung mit dem Impuls p~
vorgefunden wird.
Normierung stimmt automatisch, da (Parsevalsche Gleichung)
p|ψ̃ ∗ (~
p, t)|2 = d~r|ψ ∗ (~r)|2 (= 1)
R R
d~

2.1.4.2 Wahrscheinlichkeitsstrom und Kontinuitätsgleichung


Erinnerung an Kontinuitätsgleichung allgemein: Gegeben sei eine beliebige
Dichtefunktion ρ(~r, t), z.B. Teilchendichte. Es gelte lokale Teilchenzah-

lerhaltung. Dann folgt daraus, dass eine Gleichung der Form ∂t ρ(~r, t) =
~ (~r, t) gelten muss (Kontinuitätsgleichung). ~ ist der Strom.
−∇~
Hier Wahrscheinlichkeitsdichte |ψ(~r, t)|2 . Gesamtwahrscheinlichkeit natürlich
2
R
erhalten ( d~r|ψ(~r, t)| = 1)

; Suche so etwas wie Kontinuitätsgleichung für |ψ|2 : ~ (~r, t)
|ψ(~r, t)|2 = −∇~
∂t
Frage: Was ist ~?
Rechnung
∂ ∂ ∂ ∂ ∗
∂t
|ψ|2 = ∂t
(ψ ∗ ψ) = ψ ∗ ∂t ψ + ψ ∂t ψ
2
∂ ~
Schrödingergleichung: i~ ∂t ψ = − 2m ∆ψ + V ψ
∂ V ∂ ∗ V
⇒ ∂t ~
ψ = − 2mi ∆ψ + i~ ψ; ∂t ~
ψ = 2mi ∆ψ ∗ − i~
ψ∗
~ ∗
= − 2mi (ψ ∆ψ − ψ∆ψ ) ∗
ffi ffi
~ ∗ ∇ψ
∇(ψ ~ − ψ ∇ψ
~ ∗ ) = (∇ψ
~ ∗ )(∇ψ)
~ ~
+ ψ ∗ ∆ψ − (∇ψ)( ~ ∗ ) − ψ∆ψ ∗
∇ψ
~ ~ (ψ ∗ ∇ψ
= −∇{ ~ − ψ ∇ψ
~ ∗ )} := −∇~
~
2mi

~
⇒ Wahrscheinlichkeitsstrom: ~ = (ψ ∗ ∇ψ ~ ∗)
~ − ψ ∇ψ
2mi

Bemerkung: Wir werden gleich sehen, dass der Operator ~/i∇ ~ mit dem Im-
puls p~ gleichgesetzt werden kann. Dann folgt mit ~v = p~/m das intuitive
Ergebnis ~j ∼ ψ ∗~v ψ.
30 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

2.1.4.3 Erwartungswerte

(a) Fragestellung

Wahrscheinlichkeitsinterpretation:
Physikalische Größen (Ort, Impuls, ...) nicht mehr scharf definiert, aber
man kann immerhin noch ihren Erwartungswert angeben: Statistischer
Mittelwert des Messergebnisses nach unendlich vielen Wiederholungen
desselben Experiments.

• Rein ortsabhängige Größen f (~r) (z.B. V (~r))


; klar: hf (~r)i = d~rf (~r)|ψ(~r, t)|2
R

• Rein impulsabhängige Größen p) (z.B. Ekin = p2 /2m))


f (~
; auch klar: hf (~ p, t)|2
R
p)i = d~ pf (~
p)|ψ̃(~

Aber: Was ist mit Größen, die von Ort und Impuls abhängen?
(z.B. Drehimpuls L~ = ~r × p~)

; Brauche Verfahren, das mir erlaubt, Erwartungswerte vom Impuls p~ oder


von abgeleiteten Größen f (~p) auch in Ortsdarstellung, aus ψ(~r, t) auszu-
rechnen - bzw. umgekehrt, Erwartungswerte des Ortes ~r und abgeleiteter
Größen f (~r) aus ψ̃(~
p, t).

; Diskutiere zunächst das erste Problem (Berechnung von hpi und hf (p)i aus
ψ(x, t) für den Fall eines eindimensionalen Systems.

(b) Berechnung des Erwartungswerts hpi des Impulses


(eindimensional)

hpi = dp p |ψ̃(p, t)|2


R
i R 0 − i px0
1
dx e ~ px ψ ∗ (x, t) √2π~
1
dx e ~ ψ(x0 , t)
R R
= dp p √2π~
Z
1 i 0
= dx ψ ∗ (x, t) dx0 ψ(x0 , t) dp p e ~ p(x−x )
R R
2π~ | {z }
i 0)
p(x−x
d
− ~i dx 0 e~
| Z{z }
1 i 0
d
− ~i dx 0 dp e ~ p(x−x )
2π~
| {z }
0
δ(x −x)

= R dx ψ ∗ (x, t) dx0 ψ(x0 , t) (− ~i ) dx


d 0 − x)
R R
0 δ(x
= dx ψ ∗ (x, t) ~i dx
d
ψ(x, t)
Z Z
∗ ~ d
; hpi = dp ψ̃ (p, t) p ψ̃(p, t) = dx ψ ∗ (x, t)
ψ(x, t)
i dx
~ d
Struktur ähnlich in Orts- und Impulsdarstellung, p ersetzt durch i dx
2.1. GRUNDKONZEPTE 31

(c) Berechnung des Erwartungswerts hf (p)i von Funktionen des


Impulses
P∞ k
• Betrachte Taylor-Reihe
P∞ von f (p): f (p) = k=0 fk p
; hf (p)i = k=0 fk hp i
k

• Berechnung von hpk i kann analog wie Roben durchgeführt werden.


hpk i = dp ψ̃ ∗ (p, t) pk ψ̃(p, t) = . . . = dx ψ ∗ (x, t) ( ~i dx
d k
R
) ψ(x, t)
(Details der Rechnung: Übungsaufgabe)
; Hier wird pk ersetzt durch ( ~i dx d k
)

• Beides zusammengenommen, erhält man


Z Z
~ d
hf (p)i = dp ψ̃ (p, t) f (p) ψ̃(p, t) = dx ψ ∗ (x, t) f (

) ψ(x, t)
i dx
d
wobei f ( ~i dx ) ein Operator ist, formal definiert durch Potenzreihe


~ d X ~ d k
f( )= fk ( )
i dx i dx
k=0
1 dk
mit fk = k! dτ k
f (τ )|τ =0 (Taylorentwicklung)
2
p d ~2 d2
(z.B. f (p) = 2m ⇒ f ( ~i dx = − 2m dx2
)

Beachte: Funktion f kann zusätzlich noch von x abhängen.

(d) Fazit:

In Ortsdarstellung (eindimensional) errechnet man Erwartungswert von Funk-


Z
~ d
tionen f (x, p) durch hf (x, p)i = dx ψ ∗ (x, t) f (x, ) ψ(x, t)
i dx
~ d
; Impuls p wird formal durch Operator ( ~i dx
d
) ersetzt: p ↔
i dx

Für die Impulsdarstellung kann man ähnliche Überlegungen anstellen. Man


Z Z
~ d
erhält: hxi = dx ψ (x, t) x ψ(x, t) = . . . = dp ψ̃ ∗ (p, t) (−

) ψ̃(p, t)
i dp

Z
~ d
hf (x, p)i = dp ψ̃ ∗ (p, t) f (− , p) ψ̃(p, t)
i dp

~ d
; Ort x wird formal durch Operator (− ~i dp
d
) ersetzt: x ↔ −
i dp

d d
Achtung: Übersetzung“ f (x, p) → Operator f (x, ~i dx ) bzw. f (− ~i dp , p) nicht

immer eindeutig, da Reihenfolge von x“ und p“ wichtig wird. (Zum
” ”
Beispiel ist hxpi =
6 hpxi, siehe Beispiel (iii).)
32 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

(e) Verallgemeinerung auf drei Dimensionen

in Ortsdarstellung: ~
p~ ↔ ~i ∇
Ersetzungsvorschrift ~ p~
in Impulsdarstellung: ~r ↔ − ~i ∇
~ p~ = ( ∂ , ∂ , ∂ )
mit ∇ ∂px ∂py ∂pz

⇒ Erwartungswert für Funktionen f (~r, p~)


~ ψ(~r, t)
hf (~r, p~)i = d~r ψ ∗ (~r, t) f (~r, ~i ∇)
R
in Ortsdarstellung:
∗ ~~
R
in Impulsdarstellung: hf (~r, p~)i = d~ p ψ̃ (~ p, t) f (− i ∇p~ , p~) ψ̃(~
p, t)

(f ) Beispiele

~2
p
(i) Gesamtenergie bzw. Hamiltonfunktion H(~r, p~) = 2m + V (~r)

~ 2 = −~2 ∆
In Ortsdarstellung ist p~2 ↔ ( ~i ∇)
~2
⇒ hHi = d~r ψ ∗ (~r, t) [− 2m ∆ + V (~r)] ψ(~r, t) =: d~r ψ ∗ (~r, t) Ĥ ψ(~r, t)
R R

p~2 ~2
mit Ĥ = +V =− ∆+V = Hamiltonoperator (vgl. 2.1.3.2 S.28)
2m 2m
~ = ~r × p~
(ii) Drehimpuls (Bahndrehimpuls) L
 
∂ ∂
y ∂z − z ∂y
~ = ~
In Ortsdarstellung ist ~r × p~ → ~i (~r × ∇) ∂ ∂ 
i z ∂x − x ∂z 
∂ ∂
x ∂y − y ∂x
~ = d~r ψ ∗ (~r, t) ~ [~r × ∇]
~ ψ(~r, t)
R
⇒ hLi i
∗ ∂ ∂
R
z.B. hLx i = d~r ψ (~r, t) ~i (y ∂z − z ∂y ) ψ(~r, t)
~ p~ ) × p~ = Beh. ~ ~ p~ ]
In Impulsdarstellung ist ~r × p~ → (− ~i ∇ p×∇
i [~
Beweis der obigen Behauptung (in Komponentenschreibweise mit ∂j = ∂/∂pj und Sum-
mationskonvention, 2 steht für ψ̃(~ ~)i 2 = ijk ∂j pk 2
~ p~ × p
p)): (∇
= ijk (∂j pk ) 2 + ijk pk (∂j 2) = −ijk pj (∂k 2) = −(~p×∇ ~ p~ )i 2 √
| {z }
δjk
| {z }
=0

~ = p ψ̃ ∗ (~ ~ p~ ] ψ̃(~
R
⇒ hLi d~ p×∇
p, t) ~i [~ p, t)
Bemerkung: Dasselbe würde man erhalten, wenn man den Ausdruck L ~ =
−~
p × ~r übersetzen würde. Hier spielt die Reihenfolge von ~r und p~
ausnahmsweise keine Rolle. Im allgemeinen ist das jedoch schon der
Fall (siehe (iii)).

(iii) Funktion f (x, p) = 12 (xp + px) (in eindimensionalem System)

Klassisch sind xp, px und f (x, p) = 21 (xp + px) gleich.


In der Quantenmechanik muss allerdings unterschieden werden:
2.1. GRUNDKONZEPTE 33

= R dx ψ ∗ (x, t) x ~i dx
d
R
hxpi ψ(x, t)
hpxi ∗ ~ d
= R dx ψ (x, t) i dx x ψ(x,Rt) Produktregel!
∗ ∗
= dxψ (x, t) i ψ(x, t) + dx ψ (x, t) x ~i dx
~ d
ψ(x, t)
= i + hxpi
~

hf (x, p)i = 21 ( hxpi + hpxi ) = 2i ~


+ hxpi

2.1.4.4 Physikalische Observable und Operatoren


Physikalische Observablen: Größen, die im Prinzip gemessen werden können.

Klassisch: i.allg. Funktionen O(~r, p~, t) (z.B. Energie, Drehimpuls, . . . )

Quantenmechanisch: motiviert durch 3)


; Observablen werden Operatoren Ô zugeordnet,
sodass der Erwartungswert einer Messung der Observablen gegeben ist
Z
durch: hOi = d~r ψ ∗ (~r, t) Ô ψ(~r, t) rˆ = ~
(NB: ~ r ist auch ein Operator)

Als Eigenschaften solcher Operatoren fordern wir:

(I) Linearität: Ô(αψ1 (~r, t) + βψ2 (~r, t)) = αÔψ1 (~r, t) + β Ôψ2 (~r, t) für
α, β ∈ C rˆ, p
(check: Für ~ ~ˆ = ~i ∇ rˆ, p
~ und abgeleitete Operatoren f (~ ~ˆ) erfüllt.)

(II) Erwartungswerte sollen reell sein:


r ψ ∗ (~ r ψ ∗ (~ r , t)]∗ = d~ r , t)]∗ ψ(~
R R R
d~ r , t)[Ôψ(~
r , t)] = [ d~ r , t)Ôψ(~ r[Ôψ(~ r , t)

De facto fordern wir noch stärker:


Für quadratintegrable Funktionen ϕ, ψ soll gelten:
Z Z
d~rϕ (~r, t)[Ôψ(~r, t)] = d~r[Ôϕ(~r, t)]∗ ψ(~r, t)

(?)

; Operator Ô “hermitesch“.

rˆ, ~
(check: Für ~ rˆ2 ,. . . klarerweise erfüllt
~ ∗ ψ = − ~ d~ ~ ∗ ψ = − ~ d~ ~ ∗ ψ) + d~ ~ √
r ϕ∗ ( ~i ∇ψ)
R R R R
Für p
~: d~r ( ~i ∇ϕ) i
r (∇ϕ) i
r ∇(ϕ
| {z }
=0 (Gauß)
~ ∗ ψ) = σ (ϕ∗ ψ)
R R
(Gaußscher Satz: r ∇(ϕ
d~ d~ = 0, wenn Oberfläche
Oberfläche
im Unendlichen, denn ϕ, ψ quadratintegrabel → schnell abfallend.)
p
~ ˆ† R
ˆ=p
~ √
~ˆ2 : ~ˆ2 ϕ)∗ ψ = d~ ~ˆ(p
~ˆϕ))∗ ψ = ~ˆϕ)∗ (p
~ˆψ) = d~ ~ˆ2 ψ)
r ϕ∗ (p
R R R
Für p d~
r (p r (p d~
r (p
etc.)
NB: Strenggenommen reicht Hermizität nicht aus, man muß for-
dern, dass der Operator “selbstadjungiert” ist. Dies beinhaltet
zusätzlich zur Hermizität noch eine subtile Forderung an den
Definitionsbereich von Ô. Mehr dazu siehe Kapitel 3.1 S.65.

Bemerkungen

(i) Operatoren können im allgemeinen nicht vertauscht werden.


Definiere Kommutator: [Â, B̂] := ÂB̂ − B̂ Â
Im allgemeinen ist [Â, B̂] 6= 0
34 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

Prominentes Beispiel: [x̂, p̂] = i~


~ d d
( [x̂, p̂]ϕ(x, t) = [x, i dx
]ϕ(x, t) = (x ~i dx − ~ d x)ϕ(x, t)
ffi ffi i dx
d ~ d ~ d
= (x ~i dx − i ( dx x) − x i dx )ϕ(x, t) = i~ϕ(x, t) für alle ϕ )

(ii) Korrespondenzprinzip
Formale Übersetzungsregel“ für die Konstruktion eines Operators

aus der entsprechenden klassischen“ Größe:

~r → ~rˆ = ~r
p~ → p~ˆ = ~i ∇
~

E → Ê = i~ ∂t
Letzteres steht im Zusammenhang mit der Schrödingergleichung:
~2
p ∂ ~2
E = 2m + V = H(~r, p) → Êψ = Ĥψ ⇔ i~ ∂t ψ = (− 2m ∆ + V )ψ
Aber: Übersetzung ist unter Umständen nicht eindeutig, da
Reihenfolge der Operatoren in der Quantenmechanik wichtig.
(Zusatzforderung, dass Operator selbstadjungiert ist, klärt man-
ches. Weitere häufige Zusatzforderung mit Poissonklammer:
{A, B} = C → [Â, B̂] = i~Ĉ)
(iii) Auf makroskopischer Skala (Grenzwert ~ → 0) muss klassische nicht-
relativistische Mechanik wiederhergestellt sein.

2.1.5 Folgerungen
2.1.5.1 Symmetrie von Orts- und Impulsdarstellung und Bra-Ket
Schreibweise
Beschreibung eines Teilchens → verschiedene Möglichkeiten

(i) Ortsdarstellung:

Wellenfunktion ψ(~r, t)
Physikalische Meßgrößen: Operatoren Ô(~r)
damit werden Erwartungswerte berechnet gemäß
hOi = d~r ψ ∗ (~r, t) Ô(~r) ψ(~r, t)
R
(~
r) ∂
z.B. x̂(~r) = x, p̂x = ~i ∂x

(ii) Impulsdarstellung:

Fouriertransformierte ψ̃(~
p, t)
Physikalische Meßgrößen: Wieder Operatoren Ô(~p)
Erwartungswerte werden berechnet gemäß
∗ p, t) Ô(~p) ψ̃(~
R
hOi = d~ p ψ̃ (~ p, t)
(~
p) ~ ∂ (~
p)
z.B. x̂ = − i ∂px , p̂x = px

ψ(~r, t) und ψ̃(~ p, t) beschreiben ein- und dasselbe Teilchen. Operatoren Ô(~r)
und Ô (~p) sehen verschieden aus, aber ihr physikalischer Gehalt ist der
gleiche.
2.1. GRUNDKONZEPTE 35

; beschreiben dieselbe physikalische Observable, liefern dieselben Erwartungs-


werte

⇒ Orts- und Impulsdarstellung völlig äquivalent.

Motiviert Einführung einer Notation, die diese Äquivalenz sichtbar macht, also
von der konkreten Darstellung “abstrahiert“.

; Diracsche Bra- Ket- Schreibweise

• ψ(~r, t) bzw. ψ̃(~


p, t) → |ψi: Zustand“

Bra Ket Z Z
Parseval
z}|{ z}|{

• Def. hϕ | ψi := d~r ϕ (~r, t) ψ(~r, t) = p ϕ̃∗ (~
d~ p, t) ψ̃(~
p, t)

(Parsevalsche Gleichung siehe 2.1.2.2 S.24b)


|ψi quadratintegrabel ⇒ hψ|ψi < ∞
|ψi normiert ⇒ hψ|ψi = 1
hϕ|cψi = hc∗ ϕ|ψi = chϕ|ψi für c ∈ C
hψ|ϕi = hϕ|ψi∗
• Observablen =
b Operatoren Ô mit hϕ|Ôψi = hÔϕ|ψi ≡ hϕ|Ô|ψi

; Erwartungswerte hÔi = hψ|Ô|ψi (|ψi normiert


• Um Verknüpfung mit bestimmten Darstellungen herzustellen, führt
man spezielle Bras h~r0 |,h~ p0 | ein: Dirac-Vektoren“,

so dass gilt: ψ(~r0 , t) = h~r0 |ψi ; ψ̃(~ p0 , t) = h~
p0 |ψi
(
δ(~r − ~r0 ) in Ortsdarstellung
; h~r0 | = 1 i
p
~~
r0
√ de in Impulsdarstellung
~
2π~
( 1 i
p
~ ~r
de in Ortsdarstellung
√ ~ 0
; h~p0 | = 2π~
δ(~p − p~0 ) in Impulsdarstellung
(R √
d~rδ(~r − ~r0 )ψ(~r, t)) = ψ(~r0 , t)
check: h~r0 |ψi = R i √
d~p √ 1 d e ~ p~~r0 ψ̃(~
p, t) = ψ(~r0 , t)
2π~
Dirac-Vektoren sind nicht quadratintegrabel und damit auch nicht
auf 1 normierbar. Stattdessen Normierung auf δ-Funktion gemäß
2.1.1.2 S.19
h~r0 |~r1 i = δ(~r0 − ~r1 ) ; h~
p0 |~
p1 i = δ(~
p0 − p~1 )
36 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

2.1.5.2 Unschärferelation und Kommutatoren


Wir hatten schon gesehen, dass Ort und Impuls nicht gleichzeitig scharf de-
finiert sein können → Orts-Impuls-Unschärfe. Nun: Quantifizierung und
Verallgemeinerung.

Seien zwei Observablen A, B mit Operatoren Â, B̂


⇒ Erwartungswerte hAi, hBi
Streuung ( Unschärfe“) ∆A2 := h(A − hAi)2 i, ∆B 2 := h(B − hBi)2 i

1
Dann gilt: ∆A2 · ∆B 2 ≥ |h [A, B]i|2 ([A, B] = AB − BA)
2i

; Observablen können nicht gleichzeitig scharf bestimmt sein, wenn ihre Ope-
ratoren nicht vertauschen.
(Beweis:

• Einfachkeitshalber: Definiere a = A − hAi, b = B − hBi ⇒ ∆A2 = ha2 i, ∆B 2 = hb2 i

• Zeige: ha2 ihb2 i ≥ hψ|abψihψ|baψi


(Spezialfall einer Cauchy-Schwarzschen Ungleichung, siehe Kapitel 3 S.65)
hbψ|aψi hbψ|aψi∗
Dazu: Zerlege |aψi = |bψi hbψ|bψi + |ϕi; haψ| = hbψ| hbψ|bψi + hϕ|
hbψ|aψi
⇒ hbψ|ϕi = hbψ|aψi − hbψ|bψi hbψ|bψi = 0; hϕ|bψi = hbψ|ϕi∗ = 0
|hbψ|aψi|2
⇒ ha2 i = hψ|a2 |ψi = haψ|aψi = hbψ|bψi hbψ|bψi2
+ hϕ|ϕi

⇒ ha2 ihb2 i = |hbψ|aψi|2 + hϕ|ϕi ≥ |hbψ|aψi|2 = hψ|abψihψ|baψi
| {z }
≥0

• Zerlege ab = S + iC, ba = S − iC mit S = 21 (ab + ba), C = 2i1


(ab − ba)
⇒ S und C selbstadjungiert: Für beliebige quadratintegrable ψ, ϕ gilt:
hSϕ|ψi = 12 (habϕ|ψi + hbaϕ|ψi) = 12 (hϕ|baψi + hϕ|abψi) = hϕ|Sψi
hCϕ|ψi = −12i
(habϕ|ψi − hbaϕ|ψi) = −12i
(hϕ|baψi − hϕ|abψi) = hϕ|Cψi
⇒ S und C haben reelle Erwartungswerte (vgl. 2.1.4.4 S.33 )
⇒ hψ|abψihψ|baψi = hψ|S + iCψihψ|S − iCψi = (hSi + ihCi)(hSi − ihCi) = hSi2 + hCi2 ≥ hCi2

1 1 √
• Zusammen: ha2 ihb2 i ≥ hCi2 = |h 2i [a, b]i|2 = |h 2i [A, B]i|2 )

Anwendungen: Unschärferelationen

(a) Orts-Impuls-Unschärfe: Â = x̂, B̂ = p̂


1 ~
[x̂, p̂] = i~ (vgl. 2.1.4.4 S.33) ⇒ h 2i [x̂, p̂]i = ~
2 ⇒ ∆x ∆p ≥
2

(b) Drehimpulskomponenten: L ~ˆ = ~rˆ × p~ˆ


Allgemein gilt: [L̂j , L̂k ] = i~jkl L̂l (Übungsaufgabe)
~
also z.B. [L̂x , L̂y ] = i~L̂z ⇒ ∆Lx ∆Ly ≥ |hLz i| usw.
2
(c) Energie-Zeit-Unschärfe ?
Kann so nicht hergeleitet werden, denn die Zeit t ist eigentlich kein
Operator, sondern nimmt eine Sonderrolle ein. Trotzdem gibt es eine
Unschärferelation für Energie und Zeit. ; Siehe nächster Abschnitt!
2.1. GRUNDKONZEPTE 37

2.1.5.3 Ehrenfest-Theorem und Energie-Zeit-Unschärfe


• Ehrenfest-Theorem (vorab)
beschreibt zeitliche Entwicklung von Erwartungswerten
Rechnung:
d d ∂ ∂ ∂
dt hAi = dt hψ|A|ψi
= hψ| ∂t A|ψi + (h ∂t ψ|A|ψi + hψ|A| ∂t ψi)
∂ 1 ∂ 1
Schrödingergleichung: | ∂t ψi = i~ |Hψi, h ∂t ψ| = − i~ hHψ|
∂A 1
= hψ| ∂t |ψi + i~ (−hψ|HA|ψi + hψ|AH|ψi)
= hψ| ∂A 1
∂t |ψi + hψ| i~ [A, H]|ψi

d ∂A i
⇒ hAi = h i + h [H, A]i : Ehrenfestsche Gleichung
dt ∂t ~
• Energie-Zeit-Unschärfe
Frage: Was bedeutet Zeitunschärfe ∆t“?

Interpretation: Betrachte Messreihe an beliebiger Observablen A, die
nicht explizit zeitabhängig ist.
; Erwartungswert hAi, Unschärfe ∆A
Dann gibt es charakteristische Zeitskala τA , auf der sich hAi sicht-

bar“ (um mehr als ∆A) verändern kann.
; Zeitunschärfe“ bzgl. Observablen A: τA = | d∆A
” dt
hAi|
Mit dem Ehrenfest-Theorem und der Unschärferelation gilt:
Ehrenf est 2.1.4.2 S.29
d
| dt hAi| = |h ~i [H, A]i| ≤ 2
~ ∆A ∆H
∆A 1
⇒ τA ≥ 2
∆A ∆H
= ~2 ∆H
~
~
⇒ τA · ∆H ≥ für alle charakteristischen Zeitskalen τA
2
~
Identifiziere τA ≥ ∆t, ∆H = ∆E → ∆E · ∆t ≥
2

2.1.5.4 Zusammenstellung: Spezielle Operatoren & Kommutatoren

Observable“ Allgemeiner Orts- Impuls-



Ausdruck Darstellung Darstellung
Ort ~rˆ ~r −~∇ ~ p~
i
Impuls p~ˆ ~~
i ∇~
r p~
Drehimpuls ~ˆ = ~rˆ × p~ˆ
L ~
r×∇~ ~r ) ~
p×~ p~ )

i (~ i (~
~ˆ2
p 2 ~2
p ~ p~ )
Hamilton-Op. Ĥ = 2m + V (~r) − 2m
~
∆ + V (~r) 2m + V (− ~ ∇
i
Wahrscheinlichkeits- Ŵ (~r0 ) = |~r0 ih~r0 | δ(~r − ~r0 ) kompliziert
Dichten (*) p0 ) = |~
Ŵ (~ p0 ih~
p0 | kompliziert p − p~0 )
δ(~
ˆ
~(~r0 ) = 1 ~ ~r
r − ~r0 ) ~i ∇
Wahrscheinlichkeits-
2m (δ(~ kompli-
Strom (**) 1
2m (Ŵ (~r0 )p~ˆ + p~ˆŴ (~r0 )) + ~i ∇
~ ~r δ(~r − ~r0 )) ziert
~ ∂
Energie Ê = − i ∂t
Zeit kein Operator: Sonderrolle
38 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

(*) Wahrscheinlichkeitsdichten - vgl. 2.1.4.1 S.29

hψ|Ŵ (~r0 )|ψi = hψ|~r0 ih~r0 |ψi = |ψ(~r0 , t)|2


hψ|Ŵ (~
p0 )|ψi = hψ|~
p0 ih~
p0 |ψi = p0 , t)|2
|ψ(~

(**) Wahrscheinlichkeitsstrom - vgl. 2.1.4.2 S.29

hψ|~ˆ(~r0 )|ψi = 1
2m (hψ|~r0 ih~r0 |~
p|ψi + hψ|~
p|~r0 ih~r0 |ψi)
∗ ~ r0 , t) − ψ(~r0 , t)∇ψ~ ∗ (~r0 , t))
= ~
2mi (ψ (~r0 , t)∇ψ(~

Spezielle Kommutatoren:
~ˆ 2 , L̂j ] = 0
[p̂j , r̂k ] = ~i δjk ; [p̂j , p̂k ] = 0; [r̂j , r̂k ] = 0; [L̂j , L̂k ] = − ~i jkl L̂l ; [L
(Übungsaufgaben)
2.2. LÖSUNGEN DER SCHRÖDINGERGLEICHUNG 39

2.2 Lösungen der Schrödingergleichung


2.2.1 Die stationäre (zeitunabhängige) Schrödingergleichung

Erinnerung: Schrödingergleichung lautet i~ ψ = Ĥψ
∂t
p
~ ˆ2
mit Ĥ = − 2m +V : Hamiltonoperator

Nun sei Ĥ nicht explizit zeitabhängig (d.h. V unabhängig von t, V (~r))

Dann kann man einen Separationsansatz machen:

ψ = ϕ(~r) · χ(t) (Separation der Variablen)



⇒ i~ ∂t (ϕ(~r) · χ(t)) = Ĥ(ϕ(~r) · χ(t))

→ ϕ(~r) · i~ ∂t χ(t) = χ(t) · Ĥϕ(~r) | Teile durch ϕ(~r) · χ(t)

∂t χ(t) Ĥϕ(~r)
⇒ i~ = = const ≡E
χ(t) ϕ(~r) | {z }
| {z } | {z } darf daher
weder von ~r
hängt nur von t hängt nur von ~
r noch von t
ab, nicht von ~
r ab, nicht von t abhängen

⇒ Man erhält zwei Gleichungen, die simultan erfüllt sein müssen:



(i) i~ ∂t χE (t) = EχE (t)
i
; Lösung lautet: χE (t) = const · e− ~ Et
(ii) ĤϕE (~r) = EϕE (~r) : zeitunabhängige Schrödingergleichung
; kann gelöst werden für bestimmte (nicht unbedingt für alle!) Wer-
te von E

Für die allgemeine Lösung der Schrödingergleichung folgt:


Z
X i
ψ(~r, t) = dE“ cE ϕE (~r) · e− ~ Et Notation RΣ dE“ cE · ϕE (~r)e− ~i Et steht für
” | {z } ”
| {z } Lösung für ein E Überlagerung aller möglichen Eigenfunktio-
Überlagerung von
Lösungen für nen mit Amplitude cE .
verschiedene E

Struktur der zeitunabhängigen Schrödingergleichung:

Eigenwertgleichung: Ĥ ϕE (~r) = E
|{z} ϕE (~r)
| {z }
Eigenfunktion Eigenwert
| {z }
zum Operator Ĥ

Das Spektrum“ der Eigenwerte E, für die eine Lösung existiert,



kann diskret sein (nur einzelne Werte möglich), kontinuierlich (In-
tervall von Werten) oder auch gemischt.
(Falls Spektrum kontinuierliche Anteile hat, sind allerdings
die zugehörigen Eigenfunktionen nicht mehr normierbar, ähn-
lich ebenen Wellen. Siehe dazu Kapitel 3.1.3.2 S.73)
40 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

Interpretation: (Vorweggenommen von Kapitel 3.2 S.74)


Eigenwerte E sind die einzig möglichen Messwerte bei einer Ener-
giemessung
|cE |2 gibt die Wahrscheinlichkeit an, einen bestimmten Energieei-
genwert E zu messen.

(Zur Konsistenz mit der bisherigen Wahrscheinlichkeitsdeutung


siehe Kapitel 3 S.65)

2.2.2 Lösungen der stationären Schrödingergleichung in einer


Dimension
2.2.2.1 Freies Teilchen
p̂2
Potential: V (x) ≡ 0, Ĥ = 2m
2
~ d 2
Schrödingergleichung: (− 2m dx2
) ϕE (x) = E ϕE (x)
2 2 √
Lösung: ϕE (x) = N e±λx mit − ~2m
λ
= E ⇒ ~λ = −2mE

• E > 0: λ = ik imaginär → ebene de Broglie-Wellen


• E < 0: λ reell: ϕE (x) ∝ e±λx divergiert bei x → +∞ oder x → −∞
;verboten! Lösungen mit E < 0 existieren nicht.

Diskussion:

(i) Beispiel für ein rein kontinuierliches Spektrum


Lösungen existieren für alle E ≥ 0
p2
(vgl. klassisch: E = 2m ≥ 0 : passt!)
(ii) ϕE ist nicht quadratintegrabel, aber beschränkt (|ϕ| < ∞)
; Boxnormierung oder Normierung auf δ-Funktion möglich (2.1.1.3 S.19)
Deutung: Freies Teilchen, Wellenpaket zerfließt
; Stationäre Lösung kann nicht lokalisiert sein
(vgl. klassisch: In unendlich langer Zeit bewegt sich Teilchen beliebig
weit weg.)
Formaler: Kontinuierliches Spektrum ↔ Eigenfunktionen nicht normier-
bar
(iii) Eigenwerte E sind zweifach entartet
Unabhängige Lösungen ϕE (x) ∝ e±λx
(=
b rechtslaufende und linkslaufende Welle)
Hintergrund: V (x) und damit Ĥ sind symmetrisch bzgl. Vertauschung
x ↔ −x
; mit ϕ(x) ist auch ϕ(−x) Eigenfunktion.
2.2. LÖSUNGEN DER SCHRÖDINGERGLEICHUNG 41

2.2.2.2 Teilchen im unendlich hohen Potentialtopf


(
0 : |x| < a2
Potential: V (x) =
∞ : |x| > a2

~ 2 d2
Schrödingergleichung: 2m dx2 ϕ(x) = (V − E) ϕ(x)

Lösung:

• Paritätsüberlegungen
Symmetrie bzgl. Vertauschung x ↔ −x
; Mit ϕE (x) ist auch ϕE (−x) Eigenfunktion zum Eigenwert E
; Eigenfunktionen können zerlegt werden in gerade“ und unge-
” ”
rade“ Anteile: ϕ(x) = ϕg (x) + ϕu (x)

 sind selbst wieder


ϕ (x) = 12 (ϕ(x) + ϕ(−x)) = ϕg (−x)
mit g Eigenfunktionen
ϕu (x) = 12 (ϕ(x) − ϕ(−x)) = −ϕu (−x)
zu E
; Lösungen können sortiert werden nach gerade / ungerade
• Form der Lösung innerhalb und außerhalb des Topfes
2
~ d 2
Außen : ( 2m dx2
+ E) ϕ(x) = V ϕ(x) <∞
(|x|> a2 )
Aber: V → ∞ ⇒ ϕ(x) = 0 überall
Innen : Schrödingergleichung entspricht der für freie Teilchen
(|x|< a2 )
ϕg (x) ∝ 21 (eikx + e−ikx ) = cos kx

mit √
E>0:
ϕu (x) ∝ 21 (eikx − e−ikx ) ∝ sin kx ~k = 2mE
1 κx −κx

ϕ (x) ∝ 2 (e + e ) = cosh κx mit √
E<0: g
ϕu (x) ∝ 12 (eκx − e−κx ) = sinh κx ~κ = −2mE
Die tatsächlich erlaubten Lösungen ergeben sich aus den
Anschlussbedingungen bei |x| = a2
a
• Anschlussbedingung bei |x| = 2
Argument: Erwartungswert der kinetischen Energie sollte beschränkt
sein
⇒ Dann muss ϕ(x) stetig sein.
hp2 i = dx ψ ∗ (x, t) p̂2 ψ(x, t) = dx (p̂ϕ)∗ (p̂ϕ) = ~2 dx | dϕ |2 < ∞
R R R
( dx
Falls ϕ Sprünge macht, z.B. Sprung um ∆ϕ bei x ≈ a

≈ ∆ϕ δ(x − a2 ) + · · · → hp2 i = ~2 dx δ(x − a2 )2 ∆ϕ2 + · · ·
R
→ dx
→ hp2 i = ~2 ∆ϕ2 δ(0) + · · · → ∞ Widerspruch! )
Bemerkung: Ganz koscher ist dieses Argument nicht. (Strenggenom-
men muss nur der Erwartungswert der Gesamtenergie endlich
sein.) Es zeigt sich aber: Löst man das Problem zunächst für
endlich hohen Potentialtopf (Beispiel 3) und bildet dann Grenz-
wert zum unendlich hohen Topf, so bleiben genau die Lösungen
ϕ, die stetig sind!
42 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

• Konkret ergibt sich Anschlussbedingung: ϕ(±a/2) = 0


!
E > 0 : ϕg (x) = N cos(kx) mit cos( ka
2 )=0
; geht nur für 2 = (m + 21 )π (m ∈ Z) → k = πa (2m + 1)
ka
!
ϕu (x) = N sin(kx) mit sin( ka
2 )=0
; geht nur für ka
2 = mπ (m ∈ Z) → k = π
q a 2m
Normierungsfaktor in beiden Fällen: N = a2
a a
R2 R2
(wegen: N −2 = dx cos2 (kx) = dx sin2 (kx) für ak = nπ (n ∈ Z)
−a
2
−a
2
a a
1
R2 1
R2 a
⇒ N −2 = 2
dx(cos2 (kx) + sin2 (kx)) = 2
dx = 2
)
−a
2
−a
2

!
E < 0 : ϕg (x) = N cosh(κx) mit cosh( κa
2 )=0
; geht nicht
!
ϕu (x) = N sinh(κx) mit sinh( κa 2 )=0
; geht nicht für κ 6= 0, a 6= 0
⇒ Lösungen mit E < 0 existieren nicht!

Zusammenfassend:
k 2 2 2 2
Mögliche Energieeigenwerte sind: En = ~2m ~
= 2m · πa2 n2
wobei n eine ganze Zahl sein muss (oBdA positiv)
q
Falls n gerade: Eigenfunktion ungerade ϕn (x) = a2 sin(πn xa )
q
Falls n ungerade: Eigenfunktion gerade ϕn (x) = a2 cos(πn xa )

Diskussion:

(i) Beispiel für ein diskretes Spektrum


a
(ii) ϕn problemlos normierbar, lokalisiert im Potentialtopf |x| < 2
(vgl. klassisch: Teilchen kann nicht entweichen)
(iii) Energieeigenwerte nicht entartet
Es gilt zwar wieder: Schrödingergleichung symmetrisch bezüglich
Vertauschung x ↔ −x
Aber: Eigenfunktionen zu gegebenem Eigenwert En haben definierte Parität:
ϕE (x) = ±ϕE (−x)
; ϕE (x) und ϕE (−x) sind nicht unabhängig!
2.2. LÖSUNGEN DER SCHRÖDINGERGLEICHUNG 43

2.2.2.3 Teilchen im endlich hohen Potentialtopf


(
V0 : |x| ≤ a2 (V0 < 0)
Potential: V (x) =
0: |x| > a2

~ 2 d2
Schrödingergleichung: 2m dx2 ϕ(x) = (V − E) ϕ(x)

Lösung:

• Paritätsüberlegungen wie bei 2)

Schrödingergleichung wieder symmetrisch bzgl. x ↔ −x


; Sortiere Lösungen nach geraden/ungeraden Funktionen ϕg (x), ϕu (x)

• Form der Lösung innerhalb und außerhalb des Topfes

Außen rechts: x > a2



E > 0 : ϕg,u (x) = Aeikx+ Be−ikx mit ~k = 2mE
κx −κx mit ~κ =

E < 0 : ϕg,u (x) = Ae
| {z } + Be −2mE
verboten,
da divergent
bei x→∞

Außen links: x < − a2


Dieselbe Lösung gespiegelt: ϕg (x) = ϕg (−x), ϕu (x) = −ϕu (−x)
a
Innen: |x| < 2 
ϕg (x) = α cos qx p
E > V0 : mit ~q = 2m(E − V0 )
ϕu (x) = α sin qx

ϕ (x) = α cosh θx
E < V0 : g
p
mit ~θ = −2m(E − V0 )
ϕu (x) = α sinh θx
• Anschlussbedingungen:
~ 2 d2
Schrödingergleichung 2m dx2
ϕ(x) = (V − E) ϕ(x) < ∞
d2 d
⇒ dx2 ϕ(x) < ∞ ⇒ dx ϕ stetig und ϕ stetig !

• Konkret: Bedingung ϕ(x), ϕ0 (x) stetig bei x = a2 (Stetigkeit bei − a2 folgt daraus)
p √
E < V0 : (~θ = 2m(V0 − E); ~κ = −2mE)
− κa
ϕg stetig → α cosh θa
 
2 = Be
2
−1
− κa ⇒ 1θ coth θa
2 = κ <0
ϕ0g stetig → αθ sinh θa
2 = −Bκe 2

; nicht möglich, da coth y > 0 für y > 0


Analog folgt auch: Ungerade Lösungen ϕu nicht möglich
⇒ Lösungen mit E < V0 existieren nicht.
44 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
p √
V0 < E < 0: (~q = 2m(E − V0 ); ~κ = −2mE)
− κa
ϕg stetig → α cos qa
 
2 = Be
2
− κa ⇒ 1q cot qa 1
2 = κ
ϕ0g stetig → −αq sin qa
2 = −Bκe 2
qa
; geht nur für 2
= arccot κq + mπ = mπ + π2 − arctan κq (m ∈ Z)
− κa
stetig → α sin qa
 
ϕu 2 = Be
2
− κa ⇒ 1q tan qa = − κ1
ϕ0u stetig → αq cos qa 2 = −Bκe 2 2
; geht nur für qa
2
= − arctan q
k
+ mπ (m ∈ Z)
~2 qn
2
⇒ Zusammengenommen: Diskrete Energieeigenwerte En = 2m + V0
mit Quantisierungsbedingung qn a + 2 arctan κqnn = nπ (n ∈ N)
q
n ungerade → Eigenfunktion ϕn gerade (κn = qn E−E n
n −V0
)
n gerade → Eigenfunktion ϕn ungerade
p √
E > 0: (~q = 2m(E − V0 ); ~k = 2mE)

ϕg stetig → α cos qa
ika
− ika
 Immer möglich
2 = Ae
2 + Be 2
ika ika
) (bei vorgegebe-
ϕ0 stetig → qα sin qa
2 = ik(Ae
2 − Be
− 2
)
 g qa ika
− ika  nem B lösbare
ϕu stetig → α sin 2 = Ae 2 + Be 2 Gleichungen
ika
− ika
ϕ0u stetig → qα cos qa
2 = ik(Ae 2 − Be 2 )
für A, α)
⇒ Zu jedem Wert E > 0 existiert gerade und ungerade Eigenfunktion

Diskussion:

(i) Spektrum hat diskreten und kontinuierlichen Anteil


- diskrete Eigenwerte: V0 < E < 0
- kontinuierliche Eigenwerte: E > 0
(ii) Eigenfunktionen
- zu diskreten Eigenwerten → lokalisiert und quadratintegrabel

- zu kontinuierlichen Eigenwerten → delokalisiert, nicht quadratin-


tegrabel. Eigenfunktionen außerhalb des Topfes wie freie Teilchen

(iii) Entartung der Energieeigenwerte


- gebundene Zustände: nicht entartet, da definierte Parität
- freie Zustände: zweifach entartet, da zu jeder Parität (gerade /
ungerade) eine eigene Lösung existiert.
(iv) Deutung des Falles E > 0
Streuung freier Teilchen an einem Potential-
topf. Dieses Szenario soll im nächsten Ab-
schnitt genauer untersucht werden.
2.2. LÖSUNGEN DER SCHRÖDINGERGLEICHUNG 45

2.2.2.4 Streuung am Kastenpotential


(
V0 : |x| ≤ a2
Potential: V (x) =
0: |x| > a2

Frage: Wie wird ein freies Teilchen (Energie E > 0) daran gestreut?

→ Wie groß sind die


Amplituden R und
S?

Lösung: (E > 0, ~k = 2mE )
p
E > V0 : im Prinzip selbe Situation wie in 3) ~q = 2m(E − V0 )
Form der Lösung: ϕ(x) = ϕg (x) + ϕu (x) mit
|x| < a2 : ϕg (x) = αg cos qx ; ϕu (x) = αu sin qx
x > a2 : ϕg (x) = Ag eikx + Bg e−ikx ; ϕu (x) = Au eikx + Bu e−ikx
x < − a2 : ϕg (x) = Ag e−ikx + Bg eikx ; ϕu (x) = −Au e−ikx − Bu eikx
Hier: Teilchen läuft von links ein, also:
x > a2 : ϕ(x) = ϕg + ϕu = Seikx ⇒ S = Ag + Au , Bg + Bu = 0
x < − a2 : ϕ(x) = . . . = eikx + Re−ikx⇒ R = Ag − Au , Bg − Bu = 1
⇒ Bg = −Bu = 21 ; Ag und Au legen R und S fest.
Anschlussbedingungen wie bei 3): ϕg,u (x) und ϕ0g,u (x) stetig
cos qa −eika/2
    
2 αg 1 −ika/2 1
gerader Anteil ϕg → q = 2e
i k sin qa −eika/2 A −1
2  g 
sin qa ika/2
  
2 −e αu 1 −ika/2 −1
ungerader A. ϕu → = 2e
−i kq cos qa2 −eika/2 Au 1
Auswertung: Nach längerer Rechnung erhält man:
qa
e−ika/2 1 cos +i kq sin qa
αg = cos qa
−i kq sin qa ; Ag = 2 cos
2
qa
2
−i kq sin qa
2 2 2 2
−e−ika/2 sin qa −i kq cos qa
αu = sin qa
+i kq cos qa ; Au = − 21 2
sin qa +i kq cos
2
qa
2 2 2 2
1 k q
⇒ S = Ag + Au = 1/[cos(qa) + 2i sin(qa)( q + k )]
q
R = Ag −Au = 1 k 1 k
2i sin(qa)( q − k )/[cos(qa) + 2i sin(qa)( q + kq )]
0 < E < V0 : (setzt V0 > 0 voraus)
Vorheriges Ergebnis kann übernommen werden, mit der einzigen
p
Änderung, dass q imaginär wird: q = iθ mit ~θ = 2m(V0 − E)
⇒ S = 1/[cosh(θa) + 2i sinh(θa)( kθ − kθ )]
R = 2i sinh(θa)( kθ + kθ )/[cosh(θa) + 2i sinh(θa)( kθ − kθ )]
Zusammenfassend:
• Transmissionskoeffizient T
T = |Transmittierter Strom|
|Einfallender Strom| =
|jtrans |
|jein | = |S|
2
d d ∗
~
denn  = 2mi (ϕ∗ dx ϕ − ϕ dx ϕ ); ϕein = eikx , ϕtrans = Seikx
46 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

1 k q
E > V0 : T = 1/[1 + ( − )2 sin2 (qa)]
4 q k
1 k θ
E < V0 : T = 1/[1 + ( − )2 sinh2 (θa)]
4 θ k
• Reflexionskoeffizient |R|2
Es gilt: |R|2 + |S|2 = 1 (check durch Einsetzen)

Diskussion:

(i) E < V0 : Tunneleffekt


Transmission, wo sie klassisch verboten wäre
Für dicke Tunnelbarrieren
√ gilt asymptotisch:
2
T ∝ e−2θa = e− ~ 2m(V (x)−E)a
; Motiviert WKB-Näherung für beliebige Potentialbarrieren:
2
Rb √
−~ dx 2m(V (x)−E)
T ∼ e−2θa = e a
(vgl. Bemerkung am Anfang von 2.1.3 S.27)
kann verwendet werden, wenn V (x) hinreichend langsam variiert
und wenn Transmission T sehr klein ist.
(ii) E > V0 : Resonanzen
Klassisch wäre T = 1 (Teilchen wird immer transmittiert)
Hier:
T = 1 nur für sin(qa) = 0
; wenn ϕ gerade in den Topf passt“

Sonst ist T < 1
q
T besonders klein, wenn E klein und (E − V0 ) groß (↔ k groß)
; Reflexion am Potentialtopf
⇒ T zeigt charakteristische Oszillationen:
2.3. ZWEIKÖRPERPROBLEM UND WASSERSTOFFATOM 47

2.3 Zweikörperproblem und Wasserstoffatom


Betrachte nun System von zwei Teilchen, Massen m1 , m2 , Potential V (~r1 , ~r2 )

Symmetrien:
Translationsinvarianz → V = V (~r1 − ~r2 )
Isotropie des Raumes → V = V (|~r1 − ~r2 |)

Speziell Wasserstoffatom: Coulombpotential V = −e2 /r

Vorüberlegung: Erinnerung an klassische Mechanik

Vorgehen damals in drei Schritten:


(i) Reduktion auf Einteilchenproblem
Ausnutzen der Translationsinvarianz ↔ Impulserhaltung
→ Schwerpunkt- und Relativkoordinaten
Schwerpunkt: allgemein lösbar für gegebenen Gesamtimpuls P~
Relativkoordinaten → äquivalentes Problem:
Ein Teilchen mit reduzierter Masse µ = mm11+m
m2
2
im Zentralpotential V (r)
(ii) Reduktion auf eindimensionales Problem
Ausnutzen der Isotropie ↔ Drehimpulserhaltung
→ Winkel- und Radialkoordinaten
Winkelkoordinaten: allgemein lösbar für gegebenen Drehimpuls l
Radialkoordinaten → äquivalentes Problem:
Ein Teilchen in einer Dimension
l2
im effektiven Potential Veff (r) = V (r) + 2µr
(iii) Lösung für ein konkretes Potential
Speziell V (r) ∝ − 1r : Kepler-Problem

Hier nun in der Quantenmechanik: Folge im wesentlichen demselben Pro-


gramm

2.3.1 Reduktion auf Einteilchenproblem


Ausgangspunkt: Zwei Teilchen m1 , m2
p̂21 p̂22
Hamiltonoperator: Ĥ = 2m1 + 2m2 + V (~r1 , ~r2 )
wirkt auf Zweiteilchenwellenfunktion ϕ(~r1 , ~r2 )
~ r = ~ ( ∂ , ∂ , ∂ ) , p~2 = ~ ∇
p1 = ~i ∇
(~ ~
1 i ∂x1 ∂y1 ∂z1 i r2 )

Schrödingergleichung: Ĥϕ = Eϕ

(NB: Vorgriff → Vielteilchensysteme hatten wir noch nicht. Verallgemeinerung


aber für den Fall unterscheidbarer Teilchen (Proton/Elektron unterscheid-
bar) ziemlich offensichtlich.)

Translationsinvarianz: V = V (~r1 − ~r2 )


48 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

→ legt Übergang zu Schwerpunkt- und Relativkoordinaten nahe


analog Mechanik: ~ =
R m1 ~
r1 +m2 ~
r2
; ~r = r~2 − r~1
m1 +m2

⇒ Zugehörige Impulse sind:

ˆ ~ ~ = p~ˆ1 + p~ˆ2 ~ˆ1 −m2 p


~ˆ2
P~ := ~i ∇ R ; p~ˆ := ~i ∇
~ ~r = m1 p
m1 +m2

(check: Für ϕ(~ r1 , ~


r2 ) = ϕ(~ r(~r1 , ~ ~ r1 , ~
r2 ), R(~ r2 )) gilt:
~ ∂ϕ ∂ϕ
(p̂1x + p̂2x )ϕ = i ( ∂x + ∂x )
1 2
~ ~
~ ~r ϕ) ∂~ r ∂R ~ ~r ϕ) ∂~ r ∂R
“ˆ ˜”
~ ~r ϕ) ~ ~r ϕ)
˜ ˆ
= ~i (∇ +(∇ + (∇ +(∇
∂x1 ∂x1 ∂x2 ∂x2
| {z } | {z } | {z } | {z }
0 1 0 1 0 1 0 1
−1C 1 1 1
B
B 0 C m 1
B C B C m 2
B C
m1 +m2 @0A
B 0C
m1 +m2 @0A
B C B C
@ A @ A
0 0 0 0
0 1
1
~ ~ ϕ) @0A = ~ ∂ϕ = P̂x ϕ
= ~i (∇ R i ∂Rx
0
∂ϕ ∂ϕ
( m +m p̂2x − m +m p̂1x )ϕ = ~i ( m m
m1 m2 1
− mm 2
)
1 2 1 2 1 +m2 ∂x2 1 +m2 ∂x1
∂~ r ∂ ~
R ~
~ ~r ϕ) ∂~ r ∂R
“ ˜”
= ~i m m ~ ~r ϕ) ~ ~r ϕ) −mm ~ ~r ϕ)
1
ˆ ˜ ˆ
(∇ +(∇ 2
(∇ +(∇
1 +m2 ∂x2 ∂x2 1 +m2 ∂x1 ∂x1
| {z } | {z } | {z } | {z }
0 1 0 1 0 1 0 1
1 1C 1C 1
B C
B 0C m2 B
B 0C
B m1 B C
@ A m1 +m2 @ A
−@0A
B C
m1 +m2 @0A
B C
0 0 0 0
0 1
1
~ ~r ϕ) @0A = ~ ∂ϕ = p̂x ϕ
= ~i (∇ i ∂rx
0

Analoges gilt auch für Komponenten y, z )

Für den Hamiltonoperator folgt:

ˆ
P~ 2 p~ˆ2 m1 m2
Ĥ = + + V (~r) mit M = m1 + m2 , µ=
2M 2µ m1 + m2
(check (Einsetzen):
P2 p2 1 (p1 +p2 )
2
1 m1 +m2 (m1 p2 −m2 p1 ) 2 p2 p2 √
→ 2M
+ 2µ
= 2 m1 +m2
+ 2 m1 m2
( m +m ) = ··· = 1
2m1
+ 2
2m2
)
1 2

; Ergebnis analog zu dem der klassischen Mechanik

⇒ Stationäre Schrödingergleichung
 ˆ2
~ˆ2

~
P p ~ = Eϕ(~r, R)
~
Ĥϕ = 2M + 2µ + V (~r) ϕ(~r, R)

~ = χ(R)
Lösungsansatz: Separationsansatz ähnlich 2.2.1 S.39: ϕ(~r, R) ~ · ϕ̃(~r)
1 ~ˆ2 ~ 1 ˆ2
[ 2µ p~ + V (~r)]ϕ̃(~r)
2M P χ(R)
→ Ĥϕ
ϕ = E = +
|{z} ~
χ(R) ϕ̃(~r)
Kon-
stan- } |
| {z {z }
te muss unabhängig muss unabhängig
~ sein von ~
r sein
von R
→const.≡ER →const.≡Ẽ

→ Man erhält wieder einen Satz von zwei Gleichungen

P~ˆ 2 ~ ~
(a) Schwerpunktgleichung 2M χ(R) = ER χ(R)
2.3. ZWEIKÖRPERPROBLEM UND WASSERSTOFFATOM 49

→ entspricht Gleichung für freies Teilchen der Masse M (Gesamtmasse)


ˆ
(P~ Gesamtimpuls)

p~ˆ2
(b) Relativgleichung [ + V (~r)]ϕ̃(~r) = Ẽ ϕ̃(~r)

→ entspricht Gleichung für ein Teilchen der reduzierten Masse µ im
Potential V (~r)

→ Problem reduziert sich auf effektives Einteilchenproblem (b)

2.3.2 Reduktion auf eindimensionales Problem


Ausgangspunkt: Ein Teilchen der Masse µ im Potential V

Isotropie des Raums: V = V (r) (Zentralpotential)

→ legt Übergang
  zu
 Polarkoordinaten
 nahe:
x sin ϑ cos ϕ
~r = y  =: r  sin ϑ sin ϕ 
z cos ϑ
−L̂2z /~2
z}|{
1 ∂ 2∂ 1 ∂ ∂ 1 ∂2
∆= 2 r + r12 ( sin ϑ + )
|r ∂r{z ∂r} sin ϑ ∂ϑ ∂ϑ sin2 ϑ ∂ϕ2
| {z }
=:∆r
~ˆ 2 /~2 : Übungsaufgabe
−L

⇒ Stationäre Schrödingergleichung
ˆ
h i
~2 1 ~
Ĥ ϕ̃(r, ϑ, ϕ) = − 2µ ∆r + V (r) + 2µr 2
L2 ϕ̃(r, ϑ, ϕ) = Ẽ ϕ̃(r, ϑ, ϕ)

Lösungsansatz wieder Separationsansatz: ϕ̃(r, ϑ, ϕ) = U (r) · Y (ϑ, ϕ)


2
[− ~ ∆r +V (r)]U (r) ~ˆ 2 Y (ϑ, ϕ)
L
Ẽ = Ĥϕ̃ϕ̃ = 2µ U (r)
⇒ |{z} 1
+ 2µr 2
Y (ϑ, ϕ)
Kon-
stan-
| {z }
te muss unabhängig
von ϑ,ϕ sein
→const.≡~2 λ

→ (a) Winkelgleichung: ~ˆ 2 Y (ϑ, ϕ) = ~2 λ Y (ϑ, ϕ)


L

~ˆ 2
; Eigenwertgleichung zu L
mit Randbedingung: Y eindeutig ↔ Y (ϑ, ϕ + 2π) = Y (ϑ, ϕ)
Lösung im nächsten Abschnitt (2.3.3 S.50)
Ergebnis:
• Eigenwerte ~2 λ = ~2 l(l + 1) mit l ∈ N0 (natürliche Zahl)
• Eigenfunktionen: Ylm (ϑ, ϕ): Kugelfunktionen
h 2 l(l+1)
i
~2
→ (b) Radialgleichung für festes l: − 2µ ∆r + V (r) + ~ 2µr 2 Ul (r) = ẼUl (r)
50 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

Vereinfachung: Substituiere Ul (r) = ul (r)/r


d 2 d ul d2
∆r Ul (r) = 1r dr r dr ( r ) = · · · = 1r dr 2 ul (r)

 ~2 d2 ~2 l(l + 1) 
⇒ − + V (r) + ul (r) = Ẽ ul (r)
2µ dr2 2µr2
=
b Gleichung für Teilchen in einer Dimension (r)
2 l(l+1)
im effektiven Potential Veff (r) = V (r) + ~ 2µr 2

2.3.3 Einschub: Eigenfunktionen des Bahndrehimpulses


Gesucht: (motiviert durch 2.3.2 S.49)
~ˆ 2 Y (ϑ, ϕ) = ~2 λ Y (ϑ, ϕ)
Funktionen Y (ϑ, ϕ) mit L

wobei Operatoren zum Drehimpuls in Polarkoordinaten gegeben sind durch

~ˆ 2 = 1 2 ∂ ∂ 2 ~ ∂
L 2 (−~ sin ϑ ∂ϑ sin ϑ ∂ϑ + L̂z ) mit L̂z = (Übungsaufgabe )
sin ϑ i ∂ϕ

Ansatz: Wieder Separationsansatz Y (ϑ, ϕ) = θ(ϑ) · φ(ϕ)


1 ∂ ∂
sin ϑ ∂ϑ θ(ϑ) L̂2z φ(ϕ)
λ = −~2
⇒ |{z} sin ϑ ∂ϑ
θ(ϑ) + sin12 ϑ
φ(ϕ)
Kon-
stan-
| {z }
te muss unabhängig von ϕ sein
→const.≡~2 m2

d 2
→ (a) Gleichung für φ(ϕ): L̂2z φ = −~2 dϕ 2 2
2 φ = ~ m φ(ϕ)

mit Randbedingung: φ(ϕ + 2π) = φ(ϕ)

; φm ∼ eimϕ , m muss ganze Zahl sein.

⇒ φm ist Eigenfunktion zu L̂z : L̂z φm = ~m φm

→ (b) Gleichung für θ(ϑ) bei gegebenem m


m2
−~2 ( sin1 ϑ ∂ϑ
∂ ∂
sin ϑ ∂ϑ − θ(ϑ) = ~2 λ θ(ϑ)
sin2 ϑ
)
√ d
√ d
Substituiere z = cos ϑ → sin ϑ = 1 + z 2 , dϑ = 1 + z 2 dz
d d m2  Legendresche
⇒ (1 − z 2 ) +λ− θ(z) = 0
dz dz 1 − z2 Differentialgleichung

Lösung der Legendreschen Differentialgleichung

Zunächst m 6= 0 (obdA m > 0)


• Analyse des asymptotischen Verhaltens: Singularität bei z → ±1
m2 m2
z → ±1 : Term 1+z 2 ≈ 2(1∓z) dominiert; (1 + z 2 ) ≈ 2(1 ∓ z)
m2
; [ dz
d d
2(1 ∓ z) dz − 2(1∓z) ]θ(z) ≈ 0
d d 2
⇒ [(1 ∓ z) dz (1 ∓ z) dz − m4 ]θ(z) ≈ 0
d d d 2 m 2
Substituiere y = ln(1∓z) ⇒ dy = (1∓z) dy ⇒ [ dy 2 − 4 ]θ(z) ≈ 0
m
Lösung: θ ∼ e 2 y = (1 ∓ z)m/2
2.3. ZWEIKÖRPERPROBLEM UND WASSERSTOFFATOM 51

• Motiviert Ansatz:
θ(z) = (1 − z)m/2 (1 + z)m/2 pm (z) = (1 − z 2 )m/2 pm (z)
Einsetzen:
(1 − z 2 )p00m − 2(m + 1)zp0m (z) + (λ − m(m + 1))pm (z) = 0 (∗)
• Trick: Diese Gleichung ableiten und sortieren
→ (1−z 2 )p000 00
m −2(m+2)zpm (z)+(λ−m(m+1)(m+2))pm (z) = 0
0
0
Vergleich mit (∗): pm+1 (z) = pm (z),
dm
also pm (z) = p0m−1 (z) = · · · = dz m p0 (z)

⇒ Problem zurückgeführt auf m = 0


d d
Nun also m = 0: [ dz (1 − z 2 ) dz + λ ] θ(z) = 0

l
P
• Keine Singularitäten → mache Potenzreihenansatz θ(z) = al z
l=0
Einsetzen: d d
(1 − z 2 ) dz + λ] al z l = al [l(l + 1)z l−2 − l(l + 1)z l + λz l ]
P P
[ dz
P l l l
= z {al+2 (l + 1)(l + 2) − al l(l + 1) + al λ} ≡ 0 für alle z ∈ [−1 : 1]
l

l(l + 1) − λ
⇒ Koeffizienten {· · · } = 0 ⇒ al+2 = al
(l + 1)(l + 2)
• Möglichkeiten
al
- Reihe bricht nicht ab → Konvergenzradius lim | al+1 |=1
l→∞
Für große l (l2 > λ) gilt:
Alle geraden/ungeraden al haben dasselbe Vorzeichen
→ Reihe divergiert bei z → 1 oder z → −1 Widerspruch!
- Also muss Reihe abbrechen (Polynom)
⇒λ = l(l + 1) für ein l ≥ 0  
gerade ungerade
l → ak = 0 für k
ungerade gerade
⇒ Man erhält die sogenannten Legendre-Polynome Pl (z)
z.B. P0 = 1, P1 = z, P2 = 12 (3z 2 − 1) (Normierung: Pl (1) = 1)

Zusammenfassend

Die Eigenfunktionen zu L~ˆ 2 und L̂z sind die Kugelflächenfunktionen“



dm
Ylm (ϑ, ϕ) = Nlm eimϕ sinm ϕ Pl (cos ϑ) (m > 0)
(d cos ϑ)m

und Yl−m (ϑ, ϕ) = (−1)m Ylm (ϑ, ϕ) ((−1)m : Konvention)
DerR Normierungsfaktor N ist so gewählt, dass
sin ϑ dϑ dϕ|Ylm (ϑ, ϕ)|2 = 1
Pl (cos ϑ) ist das Legendre-Polynom l-ten Grades
(NB: Daraus folgt, dass |m| < l sein muss!)
Es gilt:
L~ˆ 2 Ylm = ~2 l(l + 1) Ylm
mit l ∈ N0 und m ∈ [−l, −l +1, · · · , l −1, l]
L̂z Ylm = ~m Ylm
52 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

Wichtigste Eigenschaft der Legendre-Polynome


R1 2
Orthogonal: dz Pl (z) Pl0 (z) = 2l+1 δll0
−1
Wichtigste Eigenschaft der Kugelfunktionen
R2π Rπ ∗ (ϑ, ϕ) Y 0 0 (ϑ, ϕ) = δ 0 δ
Orthonormal: dϕ sin ϑdϑ Ylm lm ll mm0
0 0
∞ P

∗ (ϑ, ϕ) Y 0 0 (ϑ, ϕ) = δ(ϕ−ϕ0 )δ(cos ϑ−cos ϑ0 )
P
Vollständig: Ylm lm
l=0 m=0
(ohne Beweis: Wird sich in Kapitel 3 S.65 automatisch erge-
ben)
Konkret:
q q q
1 3 5 2
Y00 = 4π Y10 = 4π
q
cos ϑ Y20 = 16π (3 cos ϑ − 1)
q
3 15
Y11 = − 8π sin ϑ eiϕ Y21 = − 8π sin ϑ cos ϑ eiϕ
q
15
Y22 = − 32π sin2 ϑ e2iϕ

2.3.4 Coulombpotential und Wasserstoffatom


2
Löse nun Radialgleichung aus 2.3.2 S.49 mit dem Potential V (r) = − er
 ~2 d2 ~2 l(l + 1) e2 
− + − ul (r) = E ul (r)
2µ dr2 2µr2 r

E ≥ 0: Streuzustände
sollen hier nicht behandelt werde.
Nur so viel: Zu jedem E ≥ 0 existiert eine Lösung.

E < 0: Gebundene Zustände

Lösungsweg ähnlich dem bei der Legendreschen Differentialgleichung


q q
e2 µc2
• Reskalierung: Definiere % := 8µ|E| ~ 2 r , ν = ~c 2|E|
  2 
1 d l(l+1) ν 1
→ (− 4|E| ) d% 2 − %2
+ % − 4 ul (%) = 0 (check: Einsetzen)

• Analyse des asymptotischen Verhaltens


% → 0: Term ( l(l+1)
%2
) dominiert
d 2
⇒ %2 d% 2 ul (%) ≈ l(l + 1)ul (%) ⇒ ul ∼ %
l+1

% → ∞: Term (− 14 ) dominiert
d2 1 −%/2
⇒ %2 d% 2 ul (%) ≈ 4 ul (%) ⇒ ul ∼ e (e+%/2 verboten)

• Motiviert Ansatz: ul (%) = %l+1 e−%/2 p(%)


Einsetzen: % p00 (%) + (2l + 2 − %) p0 (%) + (ν − l + 1) p(%) = 0

ak %k
P
Potenzreihenansatz für p: p(%) =
k=0
k+l+1−ν
Einsetzen, Koeffizientenvergleich → ak+1 = (k+1)(k+2l+2) ak
2.3. ZWEIKÖRPERPROBLEM UND WASSERSTOFFATOM 53

• Möglichkeiten:
ak
- Reihe bricht nicht ab → Konvergenzradius lim | ak+1 |→∞
k→∞
Bei k → ∞ gilt ak /ak−1 → 1/k.
; asymptotisch Exponentialfunktion: ak ∼ k! 1
, p(ρ) ∼ eρ
; ul (ρ) würde wie exp(ρ/2) divergieren: Verboten!
- Also bricht Reihe ab (Polynom)
⇒ k + l + 1 = ν für ein k
; geht nur, wenn ν = n (natürliche Zahl) und n > l
⇒ Man erhält die
zugeordneten Laguerre-Polynome“ pnl (%) ∝ L2l n+l (%)

(Grad: n − l − 1; z.B. p10 ∼ 1, p21 ∼ 1, p20 ∼ 1 − %/2)

Fazit und Rückrechnung:


2
Gebundene Zustände (E < 0) im Coulombpotential V (r) = − er
 e2 2 µc2 q
e2 mc2
→ Energieeigenwerte: En = − (aus n = 2|E| )
~c 2n2 ~c

Eigenfunktionen: ϕnlm (r, ϑ, ϕ) = Nnlm %l e−%/2 L2l+1


n+l (%) Ylm (ϑ, ϕ)
r
8µ|E|
mit % = r
~2
und Quantenzahlen“ n ∈ N

l ∈ N0 , l ≤ n − 1
m ∈ Z, |m| ≤ l
Bemerkungen:
Energieeigenwerte sind entartet bzgl. l und m.
n−1 l
1 = n2 mal vor.
P P
Entartungsgrad: Jeder Eigenwert kommt
l=0 m=−l
Entartung bzgl. m ↔ Isotropie des Raums
(m ist Quantenzahl zu L̂z ,
aber nichts zeichnet L̂z vor L̂x , L̂y aus.)
Entartung bzgl. l: Eigenheit des Coulombpotentials, also in gewisser
Weise zufällig“

54 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

2.4 Übungen
2.4.1 Blatt 1, Aufgaben 1-3
Quicky:

1) Erläutern Sie ein Experiment, das auf den Teilchencharakter von Licht
hindeutet.

2) Erläutern Sie ein Experiment, das auf den Wellencharakter von Materie
hindeutet.

3) Was ist ein Photon? Welche Energie und welchen Impuls hat ein Photon?

4) Welche Bedeutung hat die Plancksche Konstante und wie groß ist sie?

5) Wie lauten die Einstein-de Broglie Beziehungen für Materie?

6) Was besagt das Superpositionsprinzip?

7) Wie lautet die Gleichung für eine ebene de Broglie-Welle?

8) Wie lautet die allgemeine Gleichung für ein Wellenpaket?

9) Wie werden Wellenpakete normiert? Warum?

10) Wie werden ebene Wellen normiert?

11) Was ist der Unterschied zwischen der Phasen- und der Gruppengeschwin-
digkeit eines Wellenpaketes?

12) Wie entwickelt sich ein Wellenpaket zeitlich?

13) Erklären Sie die Bornsche Wahrscheinlichkeitsdeutung von Materiewellen.

Aufgaben

1) Wellen (5 Punkte)

(a) Wie ist die Gruppengeschwindigkeit von Licht im Vakuum? Gilt das-
selbe auch für die Ausbreitung von Licht in einem Medium?
(b) Die Phasengeschwindigkeit vph von Schwerewellen
p in tiefem Wasser
hängt von der Wellenlänge λ gemäß vph = λg/(2π) ab. Berechnen
Sie die Gruppengeschwindigkeit.
(c) Zeigen Sie: Für beliebige Wellenpakete
Z
ψ(x, t) = dk ei(k x−ω(k)t) f (k)

Rmit

beliebiger Dispersionsrelation ω(k) gilt: Der Wert des Integrals
2
−∞ dx |ψ(x, t)| ist zeitlich konstant.
2.4. ÜBUNGEN 55

2) Gaußsches Wellenpaket (8 Punkte)


Betrachten Sie ein Wellenpaket ψ(x, t) mit der Impulsverteilung
2 /2~2 a2
ψ̃0 (p) = N e−p .

(a) Wie muß N gewählt werden, damit dp |ψ̃0 (p)|2 = 1 gilt?


R

(b) Welchen Wert hat dx |ψ(x, t)|2 ?


R

(Hinweis: Sie dürfen das Ergebnis von Aufgabe 1 (c) verwenden. Für
diese Teilaufgabe brauchen Sie so gut wie nicht zu rechnen!).
(c) Berechnen Sie ψ(x, t).
Sie erhalten
N 2 2 2 1 it
ψ(x, t) = √ e−x /2~ b(t) mit b(t)2 = + .
~b(t) ~2 a2 ~m

(d) Diskutieren Sie anhand des zeitlichen Verhalten von |ψ(x, t)|2 , wie
das Wellenpaket “zerfließt”. (Sie können dazu das angegebene Er-
gebnis von (c) benutzen).

3) Diracsche δ-Funktion und Fouriertransformation (6 Punkte)


Beweisen Sie

(a) xδ(x) = 0
1
(b) δ(a x) = |a| δ(x)
(c) dx δ 0 (x − a)f (x) = −f 0 (a) für alle “vernünftigen” Funktionen f (x).
R

1 ˜ k
(d) Die Fouriertransformierte von h(x) = f (a x) ist h̃(k) = |a| f(a)
R
Die Fouriertransformierte von h(x) = dy f (y) g(x − y) ist h̃(k) =
(e) √
2π f˜(k)g̃(k).
56 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

2.4.2 Blatt 2, Aufgaben 4-6


Quicky:

14) Wie lautet die Schrödingergleichung für freie Teilchen? Bei Anwesenheit
eines Potentials?

15) Was ist die quantenmechanische Interpretation von |ψ(~r, t)|2 und von
p, t)|2 ?
|ψ̃(~

16) Was ist der Wahrscheinlichkeitsstrom?

17) Wie lautet die Kontinuitätsgleichung für die Wahrscheinlichkeitsdichte?


Interpretieren Sie die einzelnen Terme.

18) Wie berechnet man in Ortsdarstellung den Erwartungswert des Ortes/des


Impulses eines Teilchens?

19) Wie berechnet man in Impulsdarstellung den Erwartungswert des Or-


tes/des Impulses eines Teilchens?

20) Wie berechnet man den Erwartungswert einer beliebigen physikalischen


Observablen?

21) Wie hängen physikalische Observable mit Operatoren zusammen?

22) Welche Eigenschaften muß ein Operator erfüllen, der eine physikalische
Observable beschreiben soll?

23) Was ist der Hamiltonoperator?

Aufgaben:

4) Erwartungswerte (5 Punkte)
Betrachten Sie Wellenpakete ψ(x, t) in einer Dimension.

(a) Zeigen Sie ausgehend von dem Ausdruck für den Erwartungswert
von pk in Impulsdarstellung,
Z
< pk >= dp ψ̃ ∗ (p, t)pk ψ̃(p, t) ,

daß in Ortsdarstellung gilt:


Z
~ d k
< p >= dx ψ ∗ (x, t)(
k
) ψ(x, t) .
i dx

(b) ψ habe die Form ψ(x, t) = f ((x − a)2 ). Berechnen Sie den Erwar-
tungswert < x >.
(c) ψ(x, t) sei reellwertig. Zeigen Sie, daß daraus < p >= 0 folgt.
2.4. ÜBUNGEN 57

5) Kontinuitätsgleichung mit komplexem Potential (6 Punkte)


In der Vorlesung wurde die Kontinuitätsgleichung nur für freie Teilchen
hergeleitet.

(a) Zeigen Sie, daß die Kontinuitätsgleichung

∂ ~ ~j(~r, t) = 0
ρ(~r, t) + ∇
∂t
mit ρ(~r, t) = |ψ(~r, t)|2
und ~j(~r, t) = 2mi
~ ~ r, t) − ψ(~r, t)∇ψ
(ψ ∗ (~r, t)∇ψ(~ ~ ∗ (~r, t)) allgemein auch
für Teilchen im reellen Potential V (~r) gilt.
(b) Zeigen Sie: Z
< p~ >
= d3 r ~j(~r, t)
m
und interpretieren Sie dieses Ergebnis.
(c) Was ändert sich, wenn das Potential komplex ist? Interpretieren Sie
das Ergebnis.

6) Freier Propagator (5 Punkte)


Aus der allgemeinen Gleichung für freie Wellenpakete zur Zeit t (in einer
Dimension): Z ∞
1 i
ψ(x, t) = √ dp e ~ (px−Et) ψ̃0 (p)
2π~ −∞
und Z ∞
1 i
ψ̃0 (p) = ψ̃(p, 0) = √ dx e− ~ px ψ(x, 0)
2π~ −∞

folgt der allgemeine Zusammenhang zwischen ψ(x, t) und ψ(x, 0):


Z ∞
ψ(x, t) = dx0 G0 (x − x0 , t)ψ(x0 , 0) .
−∞

G0 heißt freier Propagator oder freie Greensfunktion.

(a) Zeigen Sie, daß G0 der Schrödingergleichung für freie Teilchen genügt.
(b) Wie lautet die Anfangsbedingung G0 (x − x0 , 0)?
(c) Berechnen Sie G(x − x0 , t) explizit.
58 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

2.4.3 Blatt 3, Aufgaben 7-9


Quicky:
24) Was ist ein Kommutator?

25) Welchen Wert hat der Kommutator [x̂, p̂] ?

26) Wie lauten in Ortsdarstellung die Operatoren für Ort ~rˆ, Impuls p~ˆ, Dre-
~ˆ Energie Ê? Welche Form hat der Hamiltonoperator Ĥ ?
himpuls L,

27) Formulieren Sie die Unschärferelation für Ort und Impuls.

28) Formulieren Sie die Unschärferelation für Energie und Zeit.

29) Nennen Sie weitere Unschärferelationen.

30) Nach welcher einfachen Gleichung können Sie die rechte Seite in der
Unschärferelation “∆A ∆B ≥ ? ” für zwei Observablen A und B berech-
nen?

31) Wann kann man zwei Größen gleichzeitig scharf messen?

32) Wie lautet das Ehrenfestsche Theorem? Interpretieren Sie die einzelnen
Terme.
Aufgaben:
7) Unschärferelation (4 Punkte)

(a) Wie genau muß man die Geschwindigkeit einer Kugel (Radius r =
1cm, Dichte ρ = 1g/cm3 ) messen, um die Unschärferelation nachzu-
weisen, wenn man die Position der Kugel mit Licht der Wellenlänge
λ = 10−7 m beobachtet?
(b) Welche kinetische Energie (in eV) muß ein Elektron mindestens ha-
ben, wenn es in einem Atom (Radius ∼ 1Å) bzw. in einem Atomkern
(Radius ∼ 1 Fermi) lokalisiert sein soll?
(c) Verifizieren Sie die Orts-Impuls-Unschärferelation für den Fall des
Gaußschen Wellenpaketes aus Aufgabe 2.
N 2 2 2 1 it
ψ(x, t) = √ e−x /(2~ b ) mit b2 = +
~b ~2 a2 ~m
2 2 2
ψ̃(p, t) = N e−p /(2~ a ) e−iEt/~

8) Kommutatoren (5 Punkte)
Zeigen Sie:

(a) Für zwei Operatoren  und B̂ mit [Â, B̂] = i~ gilt: [Â, B̂ n ] =
i~ n B̂ n−1 .
(Hinweis: Machen Sie einen Induktionsbeweis).
2.4. ÜBUNGEN 59

(b) Für Drehimpulskomponenten gilt [L̂j , L̂k ] = i~jkl L̂l .


(Es gilt die Einsteinsche Summenkonvention. Wenn Sie nicht gerne
mit dem -Tensor hantieren, dann beweisen Sie zunächst [L̂x , L̂y ] =
i~L̂z ), und verallgemeinern Sie dann dieses Ergebnis.)

9) Zerfließen eines freien Wellenpaketes (6 Punkte)


Betrachten Sie ein eindimensionales freies Teilchen. Zeigen Sie, daß bei ge-
eigneter Wahl des Zeitursprungs die Ortsunschärfe ∆x sich zeitlich gemäß

t2
∆x(t)2 = ∆x(0)2 + ∆p2 (2.1)
m2
entwickelt. Gehen Sie dazu folgendermaßen vor.

(a) Zeigen Sie, daß generell für Größen A gilt: ∆A2 = hA2 i − hAi2 .
(b) Leiten Sie mit Hilfe des Ehrenfest-Theorems die Bewegungsgleichun-
gen für hpi, hxi, hp2 i, hx2 i, und hxp + pxi her. Sie erhalten:

dhpi dhxi hpi


= 0; =
dt dt m
dhp2 i dhxp + pxi 2 dhx2 i 1
= 0; = hp2 i; = hxp + pxi.
dt dt m dt m
(c) Begründen Sie, daß Sie den Zeitursprung und den Ortsursprung so
wählen können, daß zur Zeit t = 0 die Erwartungswerte hxi und hxp+
pxi Null werden. Integrieren Sie dann die Bewegungsgleichungen aus
(b) und beweisen Sie die Gleichung (2.1).
(d) Interpretieren Sie die Gleichung (2.1).
60 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

2.4.4 Blatt 4, Aufgaben 10-12


Quicky:
33) Welchen Wert hat [p̂j , r̂k ], [r̂j , r̂k ], [p̂j , p̂k ] für Orts- bzw. Impulskomponen-
ten r̂j und p̂j ?

~ˆ 2 , L̂j ]
34) Welchen Wert hat [L̂j , L̂k ] für Drehimpulskomponenten L̂j ? Was ist [L
?
35) Wie lautet die stationäre Schrödingergleichung?
36) Wie hängt die stationäre Schrödingergleichung mit der allgemeinen (zeitab-
hängigen) Schrödingergleichung zusammen? Wann kann man die stati-
onäre Schrödingergleichung benutzen?
37) Wie setzt man aus den Lösungen der stationären Schrödingergleichung die
allgemeinste Lösung der zeitabhängigen Schrödingergleichung zusammen?
38) Was versteht man unter einer Eigenwertgleichung?
39) Wann spricht man bei einem quantenmechanischen System von einem dis-
kreten Energiespektrum? von einem kontinuierlichen Energiespektrum?
Nennen Sie jeweils ein Beispiel.
40) Wann erwartet man ein gemischtes Spektrum? Welches ist physikalisch der
Unterschied zwischen Zuständen im diskreten und im kontinuierlichen Teil
des Spektrums?
41) Erklären Sie den Tunneleffekt.
42) Was für weitere typisch quantenmechanische Effekte können bei Streuung
an einem eindimensionalen Potential eintreten?
Aufgaben:
10) Drehimpuls (5 Punkte)

(a) Zeigen Sie: Aus der Kommutatorrelation [L̂j , L̂k ] = i~ jkl L̂l (Ein-
steinsche Summenkonvention) für Drehimpulskomponenten
ˆ2
folgt: [ ~L, L̂j ] = 0.
∂ 1 ∂
(b) In Polarkoordinaten lautet der Nabla-Operator ∇ = ~er +~eθ +
∂r r ∂θ
1 ∂
~eφ , wobei ~er = ~r/r, ~eφ = (~ez ×~r)/|~ez ×~r| mit ~ez = (0, 0, 1),
r sin θ ∂φ
~eθ = ~er × ~eφ .
(NB: ~er , ~eφ , ~eθ stehen aufeinander senkrecht).
Zeigen Sie damit die Polarkoordinatendarstellung des Drehimpulses:

~ˆ = ~ (~eφ ∂ − ~eθ 1 ∂ ).
L
i ∂θ sin θ ∂φ

Wie sieht konkret L̂z aus?


2.4. ÜBUNGEN 61

(c) Berechnen Sie L~ˆ 2 in Polarkoordinaten. Das Ergebnis kann in die


Form
2
~ˆ 2 = −~2 1 ( ∂ + sin θ ∂ sin θ ∂ )
L
sin2 θ ∂φ2 ∂θ ∂θ
gebracht werden.

11) Streuung an einer Potentialstufe (6 Punkte)



0 :x<0
Betrachten Sie das eindimensionale Potential V (x) = .
V0 :x>0
Von links laufe eine ebene Welle der Energie E ein. Es gelte E > V0 > 0.

(a) Berechnen Sie die Amplituden r und t der reflektierten und trans-
mittierten Welle.
– Begründen Sie, daß die Lösung der 
stationären Schrödingerglei-
eikx + re−ikx :x<0
chung die allgemeine Form φ(x) =
teiqx :x>0
hat. Welchen Wert haben k und q ?
– Wie lauten die Anschlußbedingungen bei x = 0?
p t. Sie erhalten r = (1 − τ )/(1 + τ ) und
– Berechnen Sie nun r und
t = 2/(1 + τ ) mit τ = (E − V0 )/E.
(b) Zeigen Sie, daß die Summe der Beträge der transmittierten und der
reflektierten Ströme gleich dem einlaufenden Strom ist.
Berechnen Sie den Reflexionskoeffizient R = |Jreflektiert |/|Jeinlaufend |.
(c) Was ändert sich, wenn E < V0 wird? Berechnen Sie die Eindringtiefe
der Welle in die Potentialstufe. Was passiert bei E < 0?
(d) Diskutieren Sie den Fall, daß die Welle von rechts kommt (E > V0 )
und vergleichen Sie die Reflexionskoeffizienten.

12) Separationsansatz und dreidimensionaler Potentialtopf (4


Punkte)

(a) Betrachten Sie ein dreidimensionales quantenmechanisches Teilchen


in einem Potential der Form V (~r) = V1 (x) + V2 (y) + V3 (z).
Stellen Sie die stationäre Schrödingergleichung auf. Machen Sie einen
Separationsansatz und reduzieren Sie sie auf drei eindimensionale
Gleichungen. Zeigen Sie, daß die Eigenwerte der stationären Schrödin-
gergleichung die Bedingung E = Ex +Ey +Ez erfüllen müssen, wobei
Eα die Eigenwerte der eindimensionalen Eigenwertgleichungen sind.
(b) Wenden Sie diese Überlegungen auf den dreidimensionalen unendlich
hohen Potentialtopf an. Benutzen Sie die Ergebnisse für den eindi-
mensionalen Topf aus der Vorlesung (oder aus einem Buch)und geben
Sie die Energieeigenwerte eines Teilchen an, das in einem Kasten der
Seitenlängen a, b und c eingeschlossen ist.
62 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK

2.4.5 Blatt 5, Aufgaben 13-15


Quicky:

43) Welche Symmetriebedingungen müssen erfüllt sein, damit man ein Zweikörper-
problem auf ein Einteilchenproblem reduzieren kann?

~ˆ 2 und Lˆz (Bahndrehimpuls)?


44) Welches sind die Eigenwerte der Operatoren L
Welches sind die zugehörigen Eigenfunktionen?

45) Was versteht man unter Quantenzahlen? Welche Quantenzahlen haben


Eigenfunktionen des Drehimpulses?

46) Welche Quantenzahlen haben Energie-Eigenzustände im Wasserstoffatom?


Welche Bedeutung haben sie?

47) Wann spricht man davon, daß ein Energieeigenwert entartet ist?

48) Diskutieren Sie die Entartung der Eigenzustände im Wasserstoffatom.

Aufgaben:

13) Radialimpuls (5 Punkte)


Der Radialimpuls ist definiert als p̂r = 12 ( 1r̂ ~rˆp~ˆ + p~ˆ~rˆ 1r̂ ).

(a) Zeigen Sie [p̂r , r̂] = ~i .


(b) Welche Forderungen müssen an die Wellenfunktionen gestellt wer-
den, damit
hφ|p̂r ψi = hp̂r φ|ψi?
~ˆ 2 .
(c) Zeigen Sie p~ˆ2 = p̂2r + r̂12 L

14) Teilchen im Delta-Funktions-Potential (6 Punkte)


Ein Teilchen befinde sich in einem Potential der Form
~2
V (x) = − U0 δ(x), (U0 > 0).
2m
(a) Stellen Sie die stationäre Schrödingergleichung auf. Wie lauten die
Anschlußbedingungen, welche die Lösungen für x < 0 mit denen für
x > 0 verknüpfen?
(Die Antwort lautet: φ(x) muß stetig sein, φ0 (x) macht bei x = 0
einen Sprung um −U0 φ(0).)
(b) Lösen Sie die stationäre Schrödingergleichung für E < 0. Bestimmen
Sie die Energieeigenwerte und Eigenfunktionen. Gibt es gebundene
Zustände, und wenn ja, wie viele?
(c) Betrachten Sie nun den Fall E > 0. Geben Sie die allgemeine Lösung
der stationären Schrödingergleichung an. Dabei sollen die Amplitu-
den der von links (rechts) einlaufenden Anteile der Wellenfunktion
mit e1 (e2 ) bezeichnet werden und diejenigen der nach rechts (links)
2.4. ÜBUNGEN 63

auslaufenden Anteile mit a1 (a2 ). Die einlaufenden Amplituden sind


mit den auslaufenden Amplituden dann über eine 2 × 2-Matrix S
verknüpft.    
a1 e1
=S
a2 e2
Berechnen Sie die S-Matrix explizit.
(d) Die Lösung von (c) lautet
 
A B 2ik −U0
mit A= , B= .
B A U0 + 2ik U0 + 2ik

Zeigen Sie, daß S unitär ist, d. h. S ∗T S = 1. Berechnen Sie die Pole


von S. Wie hängen Sie mit der Bindungsenergie aus (b) zusammen?

15) Teilchen im elektromagnetischen Feld (6 Punkte)


Ein Teilchen der Ladung e und der Masse m befinde sich in einem kon-
~ = (0, 0, E), B
stanten elektromagnetischen Feld E ~ = (0, B, 0).
Die allgemeine Form des Hamiltonoperators bei Anwesenheit eines elek-
tromagnetischen Feldes ist

1 ˆ e~ 2
Ĥ = (p~ − A) + eΦ,
2m c
~ und Φ das Vektorpotential und das skalare Potential sind. (B
wobei A ~ =
∇×A ~ und E~ = −∇Φ).

(a) Stellen Sie die stationäre Schrödingergleichung auf. Wählen Sie die
Eichung so, daß A ~ und Φ nur von z abhängen.
(b) Machen Sie einen Separationsansatz und reduzieren Sie das Problem
auf eine eindimensionale Gleichung für die z-Komponente.
(c) Das Ergebnis von (b) lässt sich in die Form
h p̂2 i
z
+ Veff (z) φz (z) = Eφz (z)
2m

1 eB mEc 2
mit Veff (z) = V0 + ( z − ~kx − )
2m c B
bringen. Leiten Sie daraus den Erwartungswert hzi her. Sie können
dabei annehmen, daß Eigenwerte E nicht entartet sind. (Warum ist
das wichtig?)
dhxi Ec
(d) Zeigen Sie =− .
dt B
64 KAPITEL 2. WELLENMECHANIK
Kapitel 3

Allgemeine Formulierung der


Quantenmechanik

c Copyright 2003 Friederike Schmid1


In Kapitel 2 S.17: Wellenmechanik


; Wellenfunktionen, Wahrscheinlichkeitsdichten, Operatoren
Darstellungen im Orts- und Impulsraum

Aber: Physikalische Eigenschaften unabhängig von der Darstellung

Jetzt: Systematisierung der Theorie, allgemeiner Formalismus

Dieses Kapitel soll die Grundlage dessen enthalten, was heute moderne Quan-
tentheorie ausmacht.

3.1 Der mathematische Rahmen der Quantenmecha-


nik
Zunächst kurzer Abriss der mathematischen Strukturen, in denen die Quan-
tenmechanik formuliert wird. (Erinnerung an LA und MMP)

3.1.1 Der Hilbertraum


3.1.1.1 Lineare Vektorräume
Ein linearer Vektorraum V über einem Körper K (z.B. R oder C) ist

• eine Menge V von Vektoren |ψi


• eine Addition“ in V : V ×V −→ V

(|ψi, |ϕi) 7−→ |ψi + |ϕi
• und eine Multiplikation“: K × V −→ V

(λ, |ψi) 7−→ λ|ψi
1
Prof. Dr. Friederike Schmid, Vorlesung Quantenmechanik (I), Universität Bielefeld, SS
2008. Letzte Änderung der PDF-Datei am 1.08.08.

65
66 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

so dass gilt

1. λ1 , λ2 ∈ K, |ψ1 i, |ψ2 i ∈ V ⇒ λ1 |ψ1 i + λ2 |ψ2 i ∈ V


2. Distributivgesetze: λ(|ψ1 i + |ψ2 i) = λ|ψ1 i + λ|ψ2 i
(λ1 + λ2 )|ψi = λ1 |ψi + λ2 |ψi
3. Assoziativgesetz: λ(µ|ψi) = (λµ)|ψi

Beispiele:

• Rn oder Cn
• Quadratintegrable (nicht normierte) Funktionen ψ(~r): L2
• Glatte Funktionen auf einer Kugeloberfläche f (ϑ, ϕ)

Innerhalb eines Vektorraums definiert man

Lineare Unabhängigkeit:
P Mehrere Vektoren |ψi i heißen linear unabhängig,
wenn aus λi |ψi i = 0 folgt λi = 0 ∀i
i
Basis: Ein Satz von linear unabhängigen Vektoren |bi i, diePV erzeugen,
d.h. jedes |ψi ∈ V kann als Linearkombination |ψi = i ci |bi i dar-
gestellt werden.

Es gilt der Basis-Existenzsatz:

Jeder Vektorraum hat eine Basis.


Die Anzahl der Basisvektoren ist eindeutig (; Dimension von V ).
(Beweis über Zornsches Lemma)

3.1.1.2 Unitäre Vektorräume


Ein unitärer Vektorraum ist ein Vektorraum über C mit einem Skalarprodukt:

V ×V −→ C
(|ϕi, |ψi) 7−→ hϕ|ψi

mit den folgenden Eigenschaften:

• linear: hϕ|λ1 ψ1 + λ2 ψ2 i = λ1 hϕ|ψ1 i + λ2 hϕ|ψ2 i


• hermitesch: hϕ|ψi = hψ|ϕi∗ (N.B. ⇒ hϕ|ϕi reell)
• positiv definit: hϕ|ϕi ≥ 0

Beispiele:

• Cn mit h~a|~bi = ~a∗~b = a∗α bα


P
α
• Quadratintegrable Funktionen: L2 : hϕ|ψi = d~r ϕ∗ (~r) ψ(~r)
R

Rπ R2π
• Funktionen auf Kugeloberfläche: hf1 |f2 i = sin ϑ dϑ dϕ f1∗ (ϑ, ϕ)f2∗ (ϑ, ϕ)
0 0
3.1. DER MATHEMATISCHE RAHMEN DER QUANTENMECHANIK 67

Damit kann man definieren:


p
Norm: kϕk = hϕ|ϕi
Abstand, Metrik: d(ϕ, ψ) = k|ϕi − |ψik
Orthogonalität: |ϕi und |ψi sind orthogonal, wenn hϕ|ψi = 0
hϕ|ψi
Winkel: cos ](|ϕi, |ψi) = kϕk·kψk
Orthonormalbasis: Eine Basis von auf 1 normierten Vektoren, die ortho-
gonal aufeinander stehen.

Es gilt: Jeder unitäre Vektorraum von endlicher oder abzählbar unendlicher


Dimension hat eine Orthonormalbasis.
(Beweis: Konstruktion mit Gram-Schmidtschem Orthonormalisierungs-
verfahren)

Weiterhin gelten:

• Cauchy-Schwarzsche Ungleichung |hϕ|ψi| ≤ kϕk · kψk


• Dreiecksungleichung: kϕ + ψk ≤ kϕk + kψk
(Beweis nicht schwer, ähnlich 2.1.5.2 S.36 - evtl. Übungen)

3.1.1.3 Hilbertraum
Ein Hilbertraum ist ein unitärer Vektorraum, der vollständig ist: Der Grenz-
wert jeder Cauchyfolge liegt im Hilbertraum.

Dabei heißt Cauchyfolge eine Folge |ψm i mit


∀ > 0 ∃ n0 : d(|ψm i, |ψn i) <  ∀n, m > n0

Der Hilbertraum ist der Raum, in dem die Quantenmechanik formuliert wird.

Konkret ist der Ausgangspunkt der Raum L2 der quadratintegrablen Funktio-


nen (; Wellenfunktionen“ ψ(~r))

Aus praktischen Gründen: Erweiterung um Dirac“-Vektoren
i ”
p0 | = √ 1 d e ~ p~0~r in Ortsdarstellung)
(z.B. h~r0 | = δ(~r − ~r0 ), h~
2π~

; Laß für Dirac-Vektoren Forderung nach Normierbarkeit fallen. Fordere


stattdessen, dass Skalarprodukt mit gewöhnlichem“ Vektor existiert.

Normierung:

Gewöhnliche“ Vektoren normiert, wenn hψ|ψi = 1



Dirac“-Vektoren normiert, wenn hdk |dk0 i = δ(k − k 0 )

(k: kontinuierlicher Index)

Bemerkung: Dirac-Vektoren sind physikalisch nicht wirklich notwendig, da

• nie ein unendlicher Raum zur Verfügung steht


• alle experimentellen Messungen (Ort, Impuls) mit einem Fehler be-
haftet sind.
68 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

x0 +/2
√1 δ(x − x0 ) dx0
R
Z.B. könnte man definieren: |x0 i = 
x0 −/2
Der Dirac-Vektor |x0 i entspricht dem idealisierten Grenzwert  → 0,
vereinfacht die Notation.

3.1.1.4 Darstellungen und Basistransformation


Gegeben sei eine orthonormale Basis {|bi i}

Ein Vektor |ψi wird in dieser Basis dargestellt als


P
|ψi = ci |bi i mit ci = hbi |ψi.
P P
(check: hbj |ψi = i ci hbj |bi i = i ci δji )
i

• Beispiele

Rn : neue Koordinaten, selber Vektor

Funktionen: Ortsdarstellung h~r|ψi = ψ(~r); Impulsdarstellung h~


p|ψi =
ψ̃(~
p)

• Zerlegung der Eins


P
Wegen
P |ψi = i |bi ihbi |ψi für alle Vektoren |ψi gilt formal:
i |bi ihbi | = 1̂ = I (Einheitsoperator) → ”Vollständigkeitsrelation“

P ∗ auf Kugel → Kugelfunktionen


Z.B. Funktionen Ylm bilden Basis
mit Ylm (ϑ, ϕ)Ylm (ϑ, ϕ) = δ(ϕ − ϕ )δ(cos ϑ − cos ϑ0 )
0
l,m
N.B. Einen Ausdruck der Form |ψihϕ| nennt man auch dyadisches Pro-

dukt“. Er liefert einen
 Operator in V (vgl.nächstes Kapitel).
a1 b∗1 . . . a1 b∗n
 
a1
z.B. Cn : |~aih~b| =  ...  b∗1 . . . b∗n =  ... .. .. 
   
. . 
an an b1 . . . an b∗n

3.1. DER MATHEMATISCHE RAHMEN DER QUANTENMECHANIK 69

• Wechsel der Darstellung, Basistransformation

Neue Orthonormalbasis {|b0i i}

– Darstellung der neuen Basis in der alten:


X
|b0j i = |bi ihbi | b0j i = Uij |b0i i mit Uij = hbi |b0j i: Transformationsmatrix
P
i
| i {z }
=1̂
Es gilt: U U ∗T = 1̂ ; U −1 = U ∗T : U ist eine unitäre Matrix.
X √
[U U ∗T ] ∗ |b0j ihb0j | bk i = hbi |bk i = δik = 1̂)
P
(check: ik = Uij Ukj = hbi
j j
| {z }
=1̂

c0i |b0i i
P P
– Transformation der Koeffizienten: |ψi = ci |bi i =
i i
ci = hbi |ψi = hbi |b0j ihb0j |ψi = Uij c0j
P P
j j
c0i = hb0i |ψi = hb0i |bj ihbj |ψi = Uji
P P ∗
cj
j j

Beispiel: Übergang Ortsraum → Impulsraum in einer Dimension


i
1
Transformationsmatrix: hx|pi = √2π~ e ~ px
b Dirac-Vektor |pi in Ortsdarstellung)
(=
Z
i
√1 dp e ~ px hp|ψi
R R
⇒ hx|ψi = hx dp|pihp| ψi = dphx|pihp|ψi = 2π~
| {z }
=1
; Fouriertransformation!

3.1.1.5 Produkt von Hilberträumen


Problem: Komplexere Systeme, zum Beispiel

• Zwei-Teilchen-System, jedes Teilchen i wird durch Vektoren (Wellen-


funktionen) im Hilbertraum Vi beschrieben.
• Zusätzliche Freiheitsgrade (Spin, ...)
N
⇒ Bildung eines Produktraums V1 V2 (Tensorprodukt):
Enthält Elemente |ψi |χi mit |ψi ∈ V1 und |χi ∈ V2 und sämtliche Line-
arkombinationen aus solchen Elementen.

Es gilt

• (a|ψ1 i + b|ψ2 i) · (c|χ1 i + d|χ2 i)


= a c |ψ1 i|χ1 i + b c |ψ2 i|χ1 i + a d |ψ1 i|χ2 i + b d |ψ2 i|χ2 i
• Skalarprodukt: hχ1 |hψ1 |1|ψ2 i|χ2 i = hχ1 |χ2 i · hψ1 |ψ2 i
N
• Dimension des Produktraums: dim(V1 V2 ) = dim(V1 ) · dim(V2 )
70 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

3.1.2 Lineare Operatoren


3.1.2.1 Allgemeine Aussagen
(∗) Operatoren: (von jetzt an vereinfachte Symbolik A, B, ... statt Â, B̂...)

Transformationen A: V −→ V
|ψi 7−→ A |ψi

(∗) Produkt von Operatoren: A1 A2 |ψi = A1 (A2 |ψi)

(∗) Lineare Operatoren: Operatoren L mit der Eigenschaft


L |λ1 ψ1 i + λ2 ψ2 i = λ1 L|ψ1 i + λ2 L|ψ2 i

(∗) Summe linearer Operatoren:


(λ1 L1 + λ2 L2 )|ψi = λ1 L1 |ψi + λ2 L2 |ψi (λi ∈ C)

(∗) Darstellung linearer Operatoren in einer Basis {|bi i}:


P
Gegeben sei |ψi = ci |bi i (= b Darstellung von |ψi)
P i0
und L|ψi = ci |bi i (=
b Darstellung von L|ψi)
i
Dann gilt c0i = Lij cj mit Lij = hbi |L|bj i
P
j
P P X PX √
(Check: L|ψi = cj L|bj i = cj |bi ihbi | L|bj i = cj Lij |bi i )
j j i i j
| {z } | {z }
=1 =c0i

; Darstellung von L ist eine Matrix


Falls Basis abzählbar: Zeilen und Spalten (evtl. unendlich viele)
Falls Basis überabzählbar (; Dirac-Vektoren)
; lineare Operatoren in der jeweiligen Darstellung, z.B. Integral-
oder Differentialoperator
P
(∗) Spur eines Operators: Sp(L) = i hbi |L|bi i

NB: Hängt nicht von der Wahl der Basis ab (Übungsaufgabe)


Eigenschaften:
=1
zX }| {
P
Sp(AB) = Sp(BA) (= hbj |A |bi ihbi | B|bj i)
j i
Sp(A + B) = Sp(A) + Sp(B)
R
Falls Basis kontinuierlich: {|bλ i} → Sp(L) = dλhbλ |L|bλ i
3.1. DER MATHEMATISCHE RAHMEN DER QUANTENMECHANIK 71

(∗) Vertauschbarkeit und Kommutatoren

Operatoren dürfen im Allgemeinen nicht vertauscht werden.


Kommutator [A, B] = AB − BA
definiert “Multiplikation“ im Raum der Operatoren mit den Eigen-
schaften:
- distributiv: [A1 + A2 , B] = [A1 , B] + [A2 , B]
[A, B1 + B2 ] = [A, B1 ] + [A, B2 ]
- antikommutativ: [A, B] = −[B, A]
- Jacobi-Identität: [A, [B, C]] + [B, [C, A]] + [C, [A, B]] = 0
(NB: nicht assoziativ: [A, [B, C]] 6= [[A, B], C] im Allgemeinen)
; Diese Eigenschaften definieren eine Lie Algebra über C
(vgl. Analogie zum Kreuzprodukt ~a × ~b in Cn )
Antikommutator [A, B]+ = AB + BA
(kommutative und assoziative Multiplikation → assoziative Alge-
bra)

(∗) Operatorfunktionen
k
P
- Definition über Taylorentwicklung: f (L) = k fk L
mit fk = Koeffizienten der Taylorreihe von f (x) um x = 0.
- Ableitung einer Funktion F (L1 , . . . , Lk ):
∂F
∂Li = lim 1 (F (L1 , . . . , Li + 1̂, . . . , Lk ) − F (L1 , . . . , Li , . . . , Lk ))
→0
; Produktregel, Kettenregel etc. gelten nach wie vor, wenn man
Nichtvertauschbarkeit richtig berücksichtigt.

3.1.2.2 Spezielle Operatoren


(∗) Einsoperator: 1̂|ψi = |ψi für alle |ψi
P
(Zerlegung: 1̂ = k |bk ihbk |)

(∗) Inverser Operator L−1 zu linearem Operator L:

L−1 mit L−1 L = 1̂ also L−1 L|ψi = |ψi für alle |ψi (⇒ LL−1 = 1̂)

(∗) Adjungierter Operator L† zu linearem Operator L:

L† mit hL† ϕ|ψi = hϕ|Lψi für alle |ψi, |ϕi im Def.bereich von L, L† .
Dabei ist der Definitionsbereich von L beliebig, der von L† “maxi-
mal”, d.h. er enthält alle |ϕi, für die hL† ϕ|ψi = hϕ|Lψi erfüllt ist.
Es gilt: (L† )† = L auf dem Definitionsbereich von L; (AB)† = B † A†

(∗) Hermitescher Operator:

Operator H, für den gilt: hϕ|H|ψi = hHϕ|ψi


72 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

(∗) Selbstadjungierter Operator:

Hermitescher Operator mit zusätzlicher Bedingung:


H und H † haben dieselben Definitionsbereiche
⇒ H = H† ∗ =H )
(für Matrixdarstellungen gilt: Hik ki

Es gilt: Wenn H, K selbstadjungiert, dann sind auch


HK + KH und i[H, K] selbstadjungiert. (Übungsaufgabe)

(∗) Positiv definiter selbstadjungierter Operator: hψ|H|ψi > 0 für alle |ψi

(∗) Unitärer Operator: U −1 = U †

Unitäre Operatoren sind normerhaltend: kU ψk2 = hψ|U † U |ψi = hψ|ψi

(∗) Projektionsoperatoren: Selbstadjungierte Operatoren mit P 2 = P

Beispiele:
• |ei Einheitsvektor (d.h. he|ei = 1)
⇒ Pe = |eihe| projiziert Vektoren auf |ei
• {|ek i} orthonormale
P Vektoren
⇒ P = k |ek ihek | projiziert auf den Unterraum von V , der von
{|ek i} aufgespannt wird.

3.1.3 Das Eigenwertproblem linearer Operatoren


3.1.3.1 Eigenwertgleichung eines linearen Operators L
Struktur: L |vλ i = λ
|{z} |vλ i (λ ∈ C)
|{z}
Eigenwert Eigenvektor

Gesamtheit aller Eigenwerte: Spektrum des Operators

- im eigentlichen Hilbertraum: Diskret (abzählbar)

- mit Dirac-Vektoren: Auch kontinuierliches Spektrum möglich.

Beachte: Eigenwerte sind natürlich unabhängig von der Darstellung.

Beispiele:

• Eigenwerte von Matrizen im Cn


• (Diskrete) Eigenwerte des Drehimpulsoperators im Raum der Funk-
tionen auf einer Kugeloberfläche: |lmi=Y
b lm (ϑ, ϕ)
– Lz |lmi = ~m|lmi
~ 2 |lmi = ~2 l(l + 1)|lmi
– L
• Eigenwerte des Hamiltonoperators in der Wellenmechanik
– gebundene Zustände: diskretes Spektrum
– freie Zustände: kontinuierliches Spektrum
3.1. DER MATHEMATISCHE RAHMEN DER QUANTENMECHANIK 73

3.1.3.2 Eigenwerte von hermiteschen Operatoren


(∗) reell (Beweis: Spezialfall s.u.)

(∗) Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten sind orthogonal

(Aus hvλ |Hvλ0 i = hHvλ |vλ0 i (H hermitesch) und H|vλ0 i = λ0 |vλ0 i bzw.
hHvλ | = λ∗ hvλ | (Eigenwertgleichung) folgt:
λ0 hvλ |vλ0 i = λ∗ hvλ |vλ0 i

⇒ Spezialfall λ = λ0 : λ = λ∗ Eigenwerte reell

⇒ Fall λ∗ ≡ λ 6= λ0 : hvλ |vλ0 i = 0 Eigenvektoren orthogonal )

(∗) Entartung eines Eigenwerts: Dimension des zugehörigen Eigenvektorraums

(∗) Folgerung: In einem echten Hilbertraum müssen Eigenwerte diskret sein


(kontinuierliche Eigenwerte ↔ Eigenvektoren sind Dirac-Vektoren)

3.1.3.3 Eigenwerte selbstadjungierter Operatoren


Für selbstadjungierte Operatoren L gilt, dass die Eigenvektoren den Hilber-
traum erzeugen (Saloppe Version des “Spektraltheorems“)

(∗) L-Darstellung oder Spektraldarstellung eines selbstadj. Operators L:

• Falls Eigenwerte von L nicht entartet sind, bilden die normierten


Eigenvektoren eine Orthonormalbasis {|bl i}
• Falls L entartete Eigenwerte l hat, wählt man zu jedem Eigenvektor-
raum eine Orthonormalbasis {|bl,ν i}. Die Basisvektoren zu verschie-
denen l stehen sowieso senkrecht aufeinander.
→ Man erhält eine orthogonale Basis für den ganzen Raum.
• Konkret: Spektraldarstellung von L:
X X
L= l |bl,ν ihbl,ν |
l ν

NB: Für Operatorfunktionen f (L) gilt dann:


X X
f (L) = f (l) |bl,ν ihbl,ν |
l ν

(∗) Speziell: Eigenwerte und Eigenvektoren von Projektionsoperatoren:

P = P 2 ⇒ P |vλ i = λ|vλ i = P 2 |vλ i = λP |vλ i = λ2 |vλ i


⇒Eigenwerte sind λ = 0 oder λ = 1
λ = 1: Eigenvektorraum =
b Projektionsebene
λ = 0: Eigenvektorraum steht senkrecht auf Projektionsebene
74 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

3.1.3.4 Eigenwertproblem von vertauschbaren selbstadjungierten Ope-


ratoren
Gegeben zwei selbstadjungierte Operatoren L, M

Falls l Eigenwert von L und [L, M ] = 0 gilt: Mit |vl i ist auch M |vl i Eigenvektor
von L zum Eigenwert l.

( M L|vl i = lM |vl i = LM |vl i )

Folgerung: Man kann immer eine Basis finden mit Basisvektoren, die sowohl
Eigenvektoren von L als auch von M sind.

(- Falls l nicht entartet: M |vl i ∝ |vl i → |vl i automatisch Eigenvektor


- Falls l entartet: M |vl i liegt im Eigenraum von l.
Betrachte Darstellung von M in diesem Eigenraum:
Mνν 0 = hblν |M |blν 0 i; Mνν 0 = Mν∗0 ν ist selbstadjungiert
; Mνν 0 kann diagonalisiert werden.)

3.1.3.5 Vollständiger Satz kommutierender Observablen (VSKO)


Ein Satz von selbstadjungierten Operatoren {A, B, . . .}, die paarweise kom-
mutieren und deren gemeinsames Basissystem eindeutig bestimmt ist.
~ 2 , Lz }
(Beispiel: Teilchen im Coulombpotential: {H, L (Kapitel 2.3.4 S.52)

Gebundene Zustände: Quantenzahlen (n, l, m) bestimmen eindeutig ein


System von Basisvektoren für quadratintegrable Funktionen.
Freie Zustände: Fügen Dirac-Vektoren hinzu.)

3.2 Elementare Prinzipien der Quantenmechanik


Wir sind nun in der Lage, innerhalb des mathematischen Rahmens von 3.1 S.65
die Quantenmechanik auf einem abstrakten Niveau neu zu formulieren.

3.2.1 Postulate“ der Quantenmechanik



3.2.1.1 Die Postulate
(vgl. Ballentine)

I: Ein quantenmechanisches System wird durch Zustandsvektoren in ei-


nem unitären Vektorraum (Hilbertraum + Diracvectoren) dargestellt.
Diese enthalten die maximal mögliche Information über ein System. Es
gilt das Superpositionsprinzip: Zustandsvektoren können linear überla-
gert werden zu einem neuen Zustandsvektor.
Zuordnung: ”Reiner Zustand” ' Schar von parallelen Vektoren λ|ψi.
Üblicherweise wird stellvertretend der normierte Vektor
genannt (hψ|ψi = 1) → bis auf Phasenfaktor bestimmt.
3.2. ELEMENTARE PRINZIPIEN DER QUANTENMECHANIK 75

II: Jeder dynamischen Variable (messbare Größe) ist ein selbstadjun-


gierter Operator (eine Observable) zugeordnet. Der Zustandsraum wird
von den Eigenvektoren eines vollständigen Satzes kommutierender Ob-
servablen aufgespannt.
(d.h. es gibt keine “überflüssigen“ Freiheitsgrade)

III: Die einzig möglichen Werte (Meßwerte) einer dynamischen Variable


sind die Eigenwerte der zugeordneten Observable.

IV: Ein konkreter Zustand wird durch einen statistischen Operator“ %



beschrieben. Der Erwartungswert einer Observablen O bei einer Messung
ist gegeben durch hOi = Sp(%O)
Es muss gelten: - % ist selbstadjungiert
- % ist positiv semidefinit (hψ|%|ψi ≥ 0 für alle |ψi)
- Sp(%) = 1
Zwei Zustände sind identisch, wenn sie durch denselben statistischen
Operator beschrieben werden (d.h., alle Erwartungswerte physikalisch
messbarer Größen sind identisch)

(NB: O selbstadjungiert
P P Eigenwerten λi und Eigenvektoren |vi i
mit (reellen)
⇒ Sp(%O) = i hvi |%O|vi i = i λi hvi |%|vi i automatisch reell!)

Speziell:

• Reiner“ Zustand: % = |ψihψ| (|ψi normiert)



⇒ hOi = hψ|O|ψi
P X √
(check: hOi = Sp(%O) = hbk |ψihψ|O|bk i = hψ|O |bk ihbk | ψi )
k k
| {z }
=1

; man erhält das Ergebnis der Wellenmechanik für einen Zustand


mit vorgegebener Wellenfunktion ψ
Kennzeichen reiner Zustände: %2 = % (d.h., % ist Projektionsopera-
tor)
% ↔ |ψi: % enthält maximal mögliche Information über ein Sy-
stem.

Möglich aber auch:


P P
• Gemischter“ Zustand: % = pi |ϕi ihϕi | mit pi ≥ 0, pi = 1
” i i
(|ϕi i normiert (hϕi |ϕi i = 1), aber nicht notwendig orthogonal)
P
⇒ hOi = pi hϕi |O|ϕi i
i
P P P X √
(check: (hOi = Sp(%O) = pi hbk |ϕi ihϕi |O|bk i = pi hϕi |O |bk ihbk | ϕi i )
i k i k
| {z }
=1
76 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

; entspricht in der Wellenmechanik dem Erwartungswert eines


Ensembles von Wellenfunktionen ϕi , die mit Wahrscheinlichkeit
pi vorliegen.
(check Postulat IV für gemischten Zustand:

% selbstadjungiert: Summe von Projektionsoperatoren

pi |hψ|ϕi i|2 ≥ 0 ∀|ψi
P P
% positiv semidefinit: hψ|%|ψi = pi hψ|ϕi ihϕi |ψi =
i i
P P P X P √
Sp(%) = pi hbk |ϕi ihϕi |bk i = pi hϕi | |bk ihbk | ϕi i = pi = 1 )
i k i k i
| {z }
=1

3.2.1.2 Unmittelbare Folgerungen aus den Postulaten


(a) Wahrscheinlichkeit Wλ ,
bei Messung einer Größe O einen konkreten Eigenwert λ zu messen

• Zunächst unter vereinfachten Annahmen: Spektrum diskret (λl ) und


Eigenwerte nicht entartet
Allgemeiner Fall
P
Wλl = hδO,λl i = Sp(% δO,λl ) = hbm |% δO,λl |bm i
m
Wähle als Basis |bm i Eigenvektoren von δ
δml
P z }| {
= hbm |%|bm i δλm ,λl = hbl |%|bl i
m
Speziell: Reiner Zustand
P
% = |ψihψ|, |ψi = cm |bm i mit cm = hbm |ψi
m
⇒ Wλl = hbl |ψihψ|bl i = |hbl |ψi|2 = |cl |2
; Wahrscheinlichkeitsinterpretation für Entwicklungskoeffizienten
cm eines Zustandsvektors |ψi in der Spektraldarstellung ei-
ner Observablen O: |cm |2 = Wahrscheinlichkeit, zugehörigen
Eigenwert λm in einem reinen Zustand % = |ψihψ| zu messen.

• Verallgemeinerungen:
– Eigenwerte λl entartet → Eigenvektoren |blν i
(ν=Entartungsindex)
P
Allgemeiner Fall: Wλl = hblν |%|blν i

Reiner Fall: Wλl = |hψ|blν i|2
ν
– Spektrum kontinuierlich → Eigenvektoren |bν (λ)i
(ν=Entartungsindex)
Spur wird ausgewertet gemäß
PR
Sp(% A) = dλ hbν (λ)|% A|bν (λ)i
ν
; Allgemeiner Fall: W (λ) = hδ(O−λ)i = . . . = hbν (λ)|%|bν (λ)i
P
ν
W (λ) = |hψ|bν (λ)i|2
P
Reiner Fall:
ν
3.2. ELEMENTARE PRINZIPIEN DER QUANTENMECHANIK 77

; Ausdrücke dieselben wie im Fall des diskreten Spektrums,


allerdings ist W (λ) hier eine Verteilungsdichte:
W (λ)dλ entspricht der Wahrscheinlichkeit, einen Messwert
im Intervall [λ, λ + dλ] zu messen.

(b) Unschärferelation (vgl. Kapitel 2.1.5 S.34)

∆A · ∆B ≥ 12 |hi[A, B]i|

Zwei Größen können nur dann gleichzeitig scharf messbar sein, wenn sie
vertauschbar sind.
(Beweis:
• Definiere a = A − hAi, b = B − hBi ⇒ ∆A2 = ha2 i, ∆B 2 = hb2 i, [A, B] = [a, b]
Es gilt: i[A, B] = i[a, b] ist selbstadjungiert (da (i[A,√B])†
= −i(AB − BA)† = −i(B † A† − A† B † ) = i(AB − BA) = i[A, B] )
• Definiere d := a + iλb (nicht hermitesch) → d† = a − iλb
und D(λ) := Sp(d† %d)P
⇒ D(λ) = Sp(d† %d) = hbk |d† %d|bk i = hdbk |%|dbk i ≥ 0
P
k k
⇒ D(λ) = Sp(%dd† ) = Sp(%(a + iλb)(a − iλb)) = Sp(%(a2 + λ2 b2 − iλ[a, b]))
= ha2 i + λ2 hb2 i − λhi[a, b]i (reell, da i[a, b] hermitesch!)
hi[a,b]i
• Wähle speziell λ = (minimiert übrigens D(λ))
2hb2 i
1 hi[a,b]i
2 √
⇒ ha2 i − 4 hb2 i
≥ 0 ⇒ ha2 ihb2 i ≥ 14 hi[a, b]i2 )

NB: Beweis gilt natürlich auch für reine Zustände


; Alternativer Beweis zu dem von 2.1.5 S.34

3.2.2 Dynamische Entwicklung abgeschlossener Systeme


Abgeschlossenes System: Keine Wechselwirkung mit der Außenwelt

Beschreibung in Kapitel 2 S.17 → im wesentlichen Schrödingergleichung

Hier: - Herleitung der Form der dynamischen Gleichungen aus allgemeinen


Prinzipien

- Rekapitulation der Schrödingergleichung ( Schrödingerbild“)



- Einführung alternativer, äquivalenter Beschreibungen, in denen sich
statt bzw. außer Zustandsvektoren auch Operatoren dynamisch
entwickeln ( Heisenbergbild“ und Wechselwirkungsbild“)
” ”

3.2.2.1 Der Zeitentwicklungsoperator


Betrachte zeitliche Entwicklung von reinen Zuständen: Repräsentiert durch
Zustandsvektor |ψ(t)i; Statistischer Operator: ρ(t) = |ψ(t)ihψ(t)|.

zur Zeit t0 : |ψ(t0 )i bzw. ρ(t0 ) = |ψ(t)ihψ(t)|.


zur Zeit t > t0 : |ψ(t)i =: U (t, t0 )|ψ(t0 )i
bzw. ρ(t) = U (t, t0 )ρ(t0 )U † (t, t0 )
– definiert Zeitentwicklungsoperator U
78 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

Forderungen an U

(i) stetig, speziell lim U (t, t0 ) = 1̂ (; lim |ψ(t)i = |ψ(t0 )i)


t→t0 t→t0
⇒ |ψi soll sich stetig, nicht sprunghaft entwickeln
(ii) unitär: U U † = 1̂ (; normierte Zustandsvektoren bleiben normiert)
Folgt aus Wahrscheinlichkeitserhaltung in reinen Zuständen.
ihψ0 | (hψ0 |ψ0 i = 1) %(t) = U (t, t0 )|ψ0 ihψ0 |U † (t, t0 )
Sei %(t0 ) = |ψ0P
; Sp(%(t)) = hbk |U |ψ0 ihψ0 |U † |bk i = hψ0 |U † U |ψ0 i = 1
k
Gilt für alle normierten |ψ0 i, also auch für Eigenvektoren von U † U

⇒ U U † = 1̂
(iii) zusammensetzbar: U (t, t0 ) = U (t, t1 )U (t1 , t0 ) für t ≥ t1 ≥ t0

Folgerung:

• Infinitesimaler Zeitschritt dt
; U (t0 +dt, t0 ) = 1̂+(t0 , dt) mit  = −i Ω(t0 ) dt, Ω(t0 ) hermitesch
–  muss mit dt gegen Null gehen wegen (i)
–  muss linear in dt sein wegen (iii)
( U (t0 + dt1 + dt2 , t0 ) = U (t0 + dt1 + dt2 , t0 + dt1 )U (t0 + dt1 , t0 )
⇒ 1̂ + (t0 , dt1 + dt2 ) = (1̂ + (t0 + dt1 , dt2 ))(1̂ + (t0 , dt1 ))

⇒ (t0 , dt1 + dt2 ) ≈ (t0 + dt1 , dt2 ) + (t0 , dt1 ) ≈ (t0 , dt2 ) + (t0 , dt1 ) )
– i muss hermitesch sein wegen (ii)
( 1̂ = U (t0 + dt, t0 )† U (t0 + dt, t0 ) = (1̂ + )† (1̂ + ) = 1̂ + † +  + o(2 )
| {z }
o(dt2 )

⇒  + † = 0 ⇒  = −† ⇒ (i) = (i)† )

• Endlicher Zeitschritt
Setzt sich aus vielen infinitesimalen Intervallen zusammen
Rekursiv“: U (t + dt, t0 ) = U (t + dt, t)U (t, t0 ) = (1̂ − i Ω dt)U (t, t0 )

⇒ U (t + dt, t0 ) − U (t, t0 ) = −i Ω dtU (t, t0 )

⇒ i U (t, t0 ) = Ω U (t, t0 )
∂t
Falls Ω nicht zeitabhängig ist
→ Formale Lösung möglich: U (t, t0 ) = e−iΩ(t−t0 )
Allgemein: schwieriger (Reihe, siehe z.B. Kapitel 5.3 S.155)
3.2. ELEMENTARE PRINZIPIEN DER QUANTENMECHANIK 79

3.2.2.2 Schrödingerbild
Schrödingerbild → der Zugang, den wir aus der Wellenmechanik kennen. Wur-
de bis jetzt implizit immer verwendet.

Kennzeichen:

Operatoren O für Observablen im allgemeinen zeitunabhängig, es sei


denn, es gibt explizite Zeitabhängigkeit (z.B. Potential V (t))
Zustandsvektoren |ψ(t)i verändern sich in der Zeit

Dann ist: Ω = H/~ mit H: Hamiltonoperator (dies definiert H)

Es folgt für die dynamische Entwicklung . . .

• des Zeitentwicklungsoperators U (t, t0 ):


i~ U (t, t0 ) = H U (t, t0 )
∂t

i
Falls H nicht explizit zeitabhängig: U (t, t0 ) = e− ~ H(t−t0 )

• von reinen Zuständen bzw. den zugehörigen Zustandsvektoren:


mit |ψ(t)i = U (t, t0 )|ψ(t0 )i folgt:


i~ |ψ(t)i = H |ψ(t)i : Schrödingergleichung
∂t

dO ∂O
• von Operatoren zu Observablen: =
dt ∂t
• des statistischen Operators %:
P
Für allgemeine gemischte Zustände ρ = i pi |φi ihφi | gilt:
ρ(t) = i pi |φi (t)ihφi (t)| = sumi pi U (t, t0 )|φi (t0 )ihφi (t0 )|U † (t, t0 ) = U (t, t0 )ρ(t0 )U † (t, t0 )
P

→ %(t) = U (t, t0 ) %(t0 ) U † (t, t0 )

∂ ∂ ∂
Zugehörige Differentialgleichung: i~ ∂t % = (i~ ∂t U ) %(t0 ) U † − U %(t0 ) (i~ ∂t U )†
= H U %(t0 ) U † − U %(t0 ) U † H
| {z } | {z }
%(t) %(t)


→ i~ % = [H, %] : von-Neumann-Gleichung
∂t

• von Erwartungswerten:

d i ∂A
hAi = h [H, A]i + h i : Ehrenfest-Gleichung
dt ~ ∂t
80 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

( d
dt
Sp(%A) = Sp( d%
dt
A) + Sp(% dA
dt
) = Sp( ~i [H, A]A) + h ∂A
∂t
i

= Sp( ~ %HA) − Sp( ~ %AH) + h ∂t i = Sp( ~i %[H, A]) + h ∂A
i i ∂A
∂t
i = h ~i [H, A]i + h ∂A
∂t
i )

Konkret: Berechnung von Zeitentwicklungsoperatoren im Schrödingerbild

; sinnvollerweise in H-Darstellung (Energiedarstellung):


H|ϕn i = En |ϕn i (' stationäre Schrödingergleichung)
i
Falls H zeitunabhängig: U (t, t0 ) = e− ~ H(t−t0 )
i
|ϕn i hϕn |U |ϕm i hϕm | = |ϕn ihϕn | e− ~ En (t−t0 )
P P
U (t, t0 ) =
n,m | {z } n
i
δnm e− ~ En (t−t0 )
i
|ϕn ihϕn |ψ(t0 )i e− ~ En (t−t0 )
P
|ψ(t)i = U (t, t0 )|ψ(t0 )i =
n
Falls H explizit zeitabhängig: schwieriger (z.B. Dyson-Reihe, Kapitel
5.3 S.155)

Beispiel: Zeitentwicklungsoperator für freies Teilchen in einer Dimension


p2 p2
p2 i i
→ U (t, t0 ) = e− ~ (t−t0 ) 2m = dp |pihp|e− ~ (t−t0 ) 2m
R
H= 2m (∗)
in Ortsdarstellung:
hx|U (t, t0 )|x0 i =: G(x, t; x0 , t0 ) → Propagator“

ψ(x, t) =Rhx|ψ(t)i = hx|U (t, t0 )|ψ(t0 )i = dx0 hx|U (t, t0 )|x0 ihx0 |ψ(t0 )i
R

= dx0 G(x, t; x0 , t0 )ψ(x0 , t0 )


(x−x0 )2
− ~i m
q
; G(x, t; x0 , t0 ) = 2πi~(t−tm
0) e
2 (t−t0 )

0 2
p
i
(Rechnung: hx|U (t, t0 )|x0 i = hp|x0 i e− ~ (t−t ) 2m
R
dp hx|pi
| {z } | {z }
i xp − i x0 p
√1 e~ √1 e ~
2π~ 2π~
i 0 i 0 p2
1
dp e ~ p(x−x ) e− ~ (t−t ) 2m
R
= 2π~
quadratische Ergänzung
(x−x0 )2 ∞ (t−t0 ) 0
1 −i m −i (p−m( x−x0 ))2
e ~ 2 (t−t0 )
R
= 2π~ dp e ~ 2m t−t
−∞
Gaußsches Integral
(x−x0 )2
q
m −i m √
= 2πi~(t−t0 )
e ~ 2 (t−t0 ) )

3.2.2.3 Heisenbergbild
Alternative, äquivalente Beschreibung zum Schrödingerbild

Idee: Zustandsvektoren |ψi ändern sich im Grunde nicht, werden nur gedreht.
Was sich ändert, sind Erwartungswerte von Observablen

; Es wäre in manchen Situationen transparenter, eine Beschreibung zu haben,


in denen Zustandsvektoren zeitunabhängig und Observablen zeitabhängig
sind.
→ Heisenbergbild“

3.2. ELEMENTARE PRINZIPIEN DER QUANTENMECHANIK 81

∗ Entwicklung des Heisenbergbilds aus dem Schrödingerbild

(i) Schrödingerbild, übliche Darstellungen (Index S bedeutet Schrödinger)

Zustandsvektoren: |ψS (t)i = US (t, 0) |ψS (0)i


zeitabhängig
Observablen: OS im allgemeinen zeitunabhängig
statistischer Operator: %S (t) = US %S (0) US† zeitabhängig

Üblicherweise wählt man Darstellungen mit zeitunabhängigen Ba-


sen |bn i
; Zustandsvektoren: hbn |ψS (t)i → zeitabhängige Koeffizienten
Observablen: hbn |OS |bm i → zeitunabhängige Matrixelemente
(ii) Schrödingerbild mit mitbewegten Basisvektoren
Im Prinzip kann Basis auch mitbewegt werden: |b̃n (t)i = US (t, 0) |bn i
; In solchen Darstellungen gilt:
Zustandsvektoren: hb̃n (t)|ψS (t)i = hbn |US† US |ψS (0)i = hbn |ψS (0)i
→ zeitunabhängige Koeffizienten
Observablen: hb̃n (t)|OS |b̃m (t)i
→ i.a. zeitabhängige Matrixelemente
NB: Koeffizienten der Zustandsvektoren in solchen Darstellungen
sind zwar zeitunabhängig, aber für |ψS (t)i selber gilt nach wie
vor (i)
(immer noch Schrödingerbild)
(iii) Heisenbergbild (Index H bedeutet Heisenberg)

Darstellungen von Zustandsvektoren und Observablen sollen die


gleichen Eigenschaften wie in (ii) haben, aber bezüglich fester Basis
|bn i
→ Zustandsvektoren |ψi und Observable O müssen angepasst wer-
den:
hb̃n (t)|ψS (t)i = hbn |US† (t, 0)|ψS (t)i = hbn |ψS (0)i =: hbn |ψH i
hb̃n (t)|OS |b̃m (t)i = hbn |US† OS US |bm i =: hbn |OH |bm i
; neue Zustandsvektoren, Observablen, neuer statistischer Opera-
tor

Zustandsvektoren: |ψH i = US† (t, 0) |ψS (t)i = |ψS (0)i zeitun-


abhängig
Observablen: OH (t) = US† (t, 0) OS US (t, 0) i.a. zeitabhängig

stat. Op.: %H = US (t, 0) %S (t) US (t, 0) = %S (0) zeitunabhängig

(Beweis von %H = %S (0) ergibt sich aus der Forderung hOi = Sp(%S OS ) = Sp(%H OH ):
⇒ Sp(%S OS ) = Sp(%H US† OS US ) = Sp(US %H US† OS ) für alle Observablen OS
→ US %H US† = %S (t) ⇒ %H = US† %S (t)US

Weiterhin gilt: %S (t) = US %H US† ⇒ %H = %S (0) )
82 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

∗ Charakterisierung des Heisenbergbilds

• Beschreibung völlig kompatibel mit den Postulaten aus 3.2.1 S.74


1. |ψH i sind Zustandsvektoren im Hilbertraum
2. OH = US† OS US selbstadjungiert, falls OS selbstadjungiert
3. Eigenwerte von OH und OS sind identisch
(Eigenvektor |vS i geht über in |vH i = U † |vS i)
4. Statistischer Operator %H so konstruiert, dass hOi = Sp(%H OH ) =
Sp(%S OS )
• Beschreibung auch kompatibel mit 3.2.2.1 S.77,
wenn man trivial setzt: Ω = 0 ⇒ UH (t, 0) ≡ 1̂
• Es folgt für die dynamische Entwicklung . . .
d
- des Zeitentwicklungsoperators: dt UH =0 (UH ≡ 1̂)
d
- von Zustandsvektoren: =0 dt |ψH i
- von Operatoren zu Observablen:
d ∂O
i~ OH = [OH , HH ] + i~( )H : Heisenberg-Gleichung
dt ∂t
† ∂OS
mit ( ∂O
∂t )H := US (t, 0) ∂t US (t, 0)
(Beweis: OH (t) = US† OS US und i~ ∂t

US = HS US wobei US = US (t, 0):
d
⇒ i~ dt d
OH = −(i~ dt US )† OS US + US† OS (i~ dt
d
US ) + US† (i~ dt
d
OS )US
= −(HS US )† OS US + US† OS HS US + i~ US† ( dt
d
OS )US
= −US† HS US US† OS US + US† OS US US† HS US + i~ ( ∂O )
∂t H
| {z } | {z }
1̂ 1̂

= −HH OH + OH HH + i~ ( ∂O )
∂t H
)
d
- des statistischen Operators: dt %H = 0
- von Erwartungswerten: Ehrenfest-Gleichung wie gehabt
Ergibt sich hier direkt aus der Heisenberg-Gleichung
• Bemerkungen
i
- Falls HS zeitunabhängig ist ↔ US (t, 0) = e− ~ HS t
i i
folgt: HH = e ~ HS t HS e− ~ HS t = HS ≡ H (auch zeitunabhängig)
i i
und OH = e ~ Ht OS e− ~ Ht für allgemeine Observable
- Beispiel: Freies Teilchen in einer Dimension
2 2
p2 i pS i pS
HS = 2mS
; HH = HS = H; pH = e ~ 2m t pS e− ~ 2m t = pS
⇒ rH (t) = rS + pmS t
p2 √
d
(i~ dt rH = [rH , H] = U † [rS , S
2m
]U = i~ pm
H
⇒ rH (t) − rH (0) = pH
m
t= pS
m
t )
3.2. ELEMENTARE PRINZIPIEN DER QUANTENMECHANIK 83

3.2.2.4 Wechselwirkungsbild

Noch eine weitere, äquivalente Beschreibung

Mittelding zwischen Schrödingerbild und Heisenbergbild


- nützlich für bestimmte Anwendungen (siehe Kapitel 5 S.145)

z.B. Wasserstoff im elektromagnetischen Strahlungsfeld, Strahlungsübergänge


→ Wähle ein Bild, in dem Zustandsvektoren zu festen Energieniveaus fest
sind
Unter Strahlung variieren Zustandsvektoren langsam ' Übergänge zwi-
schen Niveaus

Zerlege: HS = H0 + H 0 (t) so, dass H0 zeitunabhängig ist

i
Definiere: |ψW (t)i = e ~ H0 t |ψS (t)i
i i
OW (t) = e ~ H0 t OS e− ~ H0 t
i i
Daraus ergibt sich analog zum Heisenbergbild: %W (t) = e ~ H0 t %S e− ~ H0 t
i i
⇒ Dynamische Gleichungen: mit HW 0 (t) = e ~ H0 t H 0 (t) e− ~ H0 t
d
i~ dt |ψW (t)i = HW0 |ψ (t)i
W
d
i~ dt OW (t) = [OW , H0 ] + i~ ( dO
dt )W
d 0
i~ dt %W (t) = [HW , %W ]
i i
Zeitentwicklungsoperator: UW (t, 0) = e ~ H0 t US (t, 0) e− ~ H0 t

3.2.3 Offene Systeme und Messprozess


In Kapitel 3.2.2 S.77: Störungsfreie Zeitentwicklung in abgeschlossenem Sy-
stem

Messung: Ankopplung an Außenwelt“ notwendig, kann nicht störungsfrei von-



statten gehen

3.2.3.1 Einfache Beispiele von Messungen

(i) Ortsmessung“

Falls Elektron nicht absorbiert wurde,


(feststellbar / ↔ messbar)
ist es durch den Spalt getreten
→ Ort bestimmt mit Unschärfe ∆z
→ Impulsunschärfe ∆pz (Richtung)
84 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

(ii) Impulsmessung“ (Analysator)



Braggstreuung: Durch In-
terferenz wird eine Fre-
quenz herausgefiltert
→ Monochromatisierter“

Strahl, Ort weniger scharf
als vorher. Grund“: Ein-

dringtiefe in den Kristall
unbekannt
⇒ (i) und (ii) sind Beispiele für eine Messung“, aber auch für die Präparation

eines Systems → Messung beeinflusst gemessenes Objekt.

Zusammenhang mit Unschärferelation: Man kann zwei inkompatible Observa-


blen nicht gleichzeitig scharf messen, nur hintereinander. Mit der zweiten
Messung erübrigt sich der Messwert aus der ersten Messung.

(iii) Weiteres Beispiel: Doppelspaltversuch


“ Unschärfe“ hier: Man
kann nicht gleichzeitig wis-
sen, durch welchen Spalt
das Elektron gelaufen ist,
und Interferenzmuster er-
halten.
Versuch, eine Information über den Weg des Elektrons zu erhalten

(nach Feyn- Lichtquelle. Licht wird an Elektronen


man, lectures gestreut. So könnte man evtl. Trajek-
in physics) torien der Elektronen verfolgen.
Aber:
Streuprozess stört Elektronen, zerstört Kohärenz → keine Interferenz

Abhilfeversuche:

- Schwächeres Licht → nur noch wenige Streuprozesse (wenig Photonen)


; nur noch wenige Elektronen an Streuprozessen beteiligt
; Gestreute Elektronen liefern inkohärentes Muster
Ungestreute Elektronen liefern Interferenzmuster
(über diese liegt aber keine “Welcher Weg“-Information vor)
- Licht größerer Wellenlänge
; Einzelne Streuprozesse beeinflussen Elektronen weniger
; irgendwann ist Störung so klein, dass Interferenzmuster wieder
auftaucht
Aber: Die Wellenlänge ist dann so groß, dass man zwischen den
beiden Spalten nicht mehr unterscheiden kann.

Frage: Was geschieht nun allgemein bei einer Messung?


3.2. ELEMENTARE PRINZIPIEN DER QUANTENMECHANIK 85

3.2.3.2 Kopenhagener Interpretation“ und Reduktionspostulat



(stammt aus der Gruppe um Niels Bohr, findet sich in den meisten Quanten-
mechanikbüchern)

Zusätzliches Postulat: (zu den Postulaten aus 3.2.1 S.74)

Nach einer Messung befindet sich das System in einem dem Mes-

sergebnis entsprechenden Eigenzustand.“
%initial −→ %final = |vn ihvn |
Messung einer Observablen Ô
Ergebnis: Eigenwert λn ,
zugehöriger Eigenvektor |vn i

Im Fall eines von Anfang an reinen Zustands %i = |ψihψ| → %f = |vn ihvn |


entspricht dies einer Zeitentwicklung“ |ψi → |vn i

Neue Dynamik, im Lauf derer der Zustandsvektor |ψi auf den Eigenvek-
torraum von λn projiziert wird: |ψi → |vn ihvn |ψi
Reduktion“ des Zustands (daher Reduktionspostulat) bzw. Kollaps“
” ”
Probleme mit dem Reduktionspostulat

• Zwei verschiedene Dynamiken


Schrödingergleichung: reversibel, unitäre Zeitentwicklung
Messung; Kollaps: irreversibel, nicht unitär
; passt nicht zusammen, in sich inkonsistent
• Wenn schon zwei Dynamiken, dann muss man fragen:
- Wann genau setzt Reduktion ein?
- Was ist eine Messung?
(z.B. Doppelspaltversuch: Ab wann wird Interferenzmuster zerstört?
Muss ich (Beobachter) wissen, wo Elektron durchgegangen ist?
Was ist, wenn ich eine Messung mache, aber nicht hinschaue?
Was ist, wenn ich prinzipiell gar nicht hinschauen kann?)

Berühmtes Gedankenexperiment: Schrödingers Katze

Setup: - Radioaktives Atom |1i, zerfällt zu |0i, emittiert dabei Photon


- Photon wird detektiert, das legt einen Schalter“ um

- Der Schalter öffnet einen Behälter mit Gift
- Die Katze frisst das Gift und stirbt
Betrachtet man das Atom alleine (reiner Zustand), würde man sagen:
Nach einer Halbwertszeit wird es durch Zustandsvektor √12 (|1i + |0i)
beschrieben.
Betrachtet man den ganzen Setup, kommt man auf
√1 (|1, · · · , Katze lebendigi + |0, · · · , Katze toti)
2
; Was bedeutet das? Wie kann eine Katze tot und lebendig sein?
bzw. Wann entscheidet sich, ob sie tot oder lebendig ist?
Erst wenn ich hinschaue?
86 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

Häufiges Argument: Messung und Kollaps finden da statt, wo ein makroskopi-


sches Messgerät an ein mikroskopisches Quantenobjekt (Elektron, Atom)
gekoppelt wird.
Mikroskopisches System → quantenmechanische Beschreibung
Makroskopisches System → klassische Beschreibung
An der Schnittstelle findet angeblich Kollaps statt
Aber: Nanotechnologie → Messgeräte (Sensoren) werden immer kleiner.
Tieftemperaturphysik → Quantenobjekte werden immer ausgedehnter
Übergang mikroskopisch/makroskopisch ist fließend
Die strenge Unterscheidung makroskopisch/klassisch und mikroskopisch/quantal
lässt sich heute nicht mehr ohne weiteres aufrechterhalten.

3.2.3.3 Statistische Interpretation und Dekohärenz


Ausweg aus den in 3.2.3.2 S.85 angesprochenen Problemen

Statistischer Ansatz: Diskutiere von vornherein nicht Einzelsysteme, sondern


statistisches Ensemble, beschrieben durch Operator %
→ selbst reiner Fall“ % = |ψihψ| entspricht dann einem Ensemble iden-

tisch präparierter Systeme
Dieser Ansatz räumt die grundlegendsten Probleme zwar nicht aus (siehe da-
zu (4)), aber er umgeht sie und ermöglicht das aufstellen eines in sich
konsistenten Formalismus.
Wichtig ist dabei: Konsequente Berücksichtigung dessen, dass man offene Sy-
steme immer gemeinsam mit der Umwelt betrachten muss.
(a) Beispiel: Noch einmal Doppelspalt (Gedankenexperiment, Scully, 1991)

Kavität wird so eingestellt, dass


das Atom genau abgeregt wird
und Photon in der Kavität bleibt

; Information über den Weg des Atoms ist im System gespeichert, aber
dem Beobachter ( mir“) nicht zugänglich

; Wie wirkt sich das auf Interferenzen aus?
• Referenzsystem ohne Kavitäten:
Zustandsvektor |ψi zerlegt in Anteile |ψ1 i (vom oberen Spalt) und
|ψ2 i (vom unteren Spalt).
⇒ |ψi ∝ |ψ1 i + |ψ2 i,
% = |ψihψ| ∝ (|ψ1 ihψ1 | + |ψ2 ihψ2 | + |ψ1 ihψ2 | + |ψ2 ihψ1 | )
| {z }
Kreuzterme → Interferenzen
(Interferenzmuster: Anzahl n(z0 ) der Atome bei z0 gegeben durch:
n(z0 ) ∝ hz0 |%|z0 i ∝ (|hz0 |ψ1 i|2 + |hz0 |ψ2 i|2 + hz0 |ψ1 ihψ2 |z0 i + hz0 |ψ2 ihψ1 |z0 i)
| {z }
= |ψ1 (z0 )|2 + |ψ2 (z0 )|2 + 2<(ψ1∗ (z0 )ψ2 (z0 ))
| {z }
oszilliert→Interferenzen
3.2. ELEMENTARE PRINZIPIEN DER QUANTENMECHANIK 87

• Füge Kavitäten hinzu:


8
<|0i
> kein Photon
Kavitäten ↔ Beschreibung durch Zustandsvektoren >
|1i Photon in 1
|2i Photon in 2
:

Kein Überlapp, also hi|ji = 0


Gekoppeltes System:
vor dem Spaltdurchgang: |ψi|0i = N ( |ψ1 i|0i + |ψ2 i|0i )
nach dem Durchgang: √12 ( |ψ1 i|1i + |ψ2 i|2i )
→ % = 12 ( |ψ1 i|1i + |ψ2 i|2i )( h1|hψ1 | + h2|hψ2 | )
Nun interessieren hauptsächlich Erwartungswerte von Größen, die
nur von Atompositionen abhängen (z.B. Interferenzmuster)
→ Über den Freiheitsgrad der Kavität kann Spur vorab gebildet
werden
→ trunkierter“ Dichteoperator
” trunk P
% = hi|%|ii = h0|%|0i + h1|%|1i + h2|%|2i
i=0,1,2 | {z } | {z } | {z }
0 1
|ψ1 ihψ1 | 1
|ψ2 ihψ2 |
2 2

= 12 ( |ψ1 ihψ1 | + |ψ2 ihψ2 | )


; Interferenzterme sind verschwunden!
1
(Interferenzmuster n(z0 ) ∝ hz0 |%|z0 i = hz0 |%trunk |z0 i = 2
(|ψ1 (z0 )|2 + |ψ2 (z0 )|2 )
; kein oszillierender Beitrag mehr!)

• Weitergehende Gedankenexperimente:
Kopple Kavitäten ; hi|ji = 0 stimmt nicht mehr genau
aneinander, so dass ; Interferenzen erscheinen wieder
Photonenaustausch Aber: Weginformation geht gleich-
möglich wird zeitig auch verloren.
(b) Verallgemeinerung dieser Gedankengänge
Untersuche einen Prozess, in dem an einem quantenmechanischen Objekt
eine Observable O gemessen wird.
Betrachte das gekoppelte System
I: gemessenes Objekt
II: Messgerät
System I: Observable hat Eigenwerte λn , Eigenvektoren |vn i
System II: Observable gekoppelt an Zeiger“, Zeigeroperator Z
” 
|z0 i → neutraler Zeigerstand
Eigenvektoren: hzi |zj i = 0
|zn i → zeigt Messwert λn an
Dynamik während einer Messung
vorher: Zeigerstand neutral → |z0 i
nachher: Systeme I und II so gekoppelt, dass |vn i|z0 i übergeht in
|vn i|zn i
Ein solcher Übergang kann konsistent mit Schrödinger-Dynamik
sein
(kein Informationsverlust ↔ reversibel. Wie die Dynamik kon-
kret aussieht, muss von Fall zu Fall extra untersucht werden.)
88 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

; Auswirkungen auf den statistischen Operator des Systems:


P
vorher: % = %nm |z0 i|vn ihvm |hz0 | (allgemeinster Ansatz)
n,m
P
nachher: % = %nm |zn i|vn ihvm |hzm |
n,m
→ Information (%nm ) bleibt vollständig erhalten ⇒ reversibel
Betrachte nun den Fall, dass das Objekt I und das Messgerät II im wei-
teren Verlauf nicht mehr miteinander verquickt sind.
; Es interessiert nur noch das System I, Spurbildung über das Sy-
stem II kann vorab durchgeführt werden.
⇒ Trunkierter Operator: %trunk = hzl |%|zl i,
P
l
enthält alle Information über das System I (d.h. alle Erwartungswer-
te, die nur von I abhängen, können damit berechnet werden).
Dynamische Entwicklung des trunkierten Operators bei der Messung:
vorher: %trunk =
P P
%nm hzl |z0 i |vn ihvm | hz0 |zl i = % |v ihv |
n,m,l | {z } | {z } n,m nm n m
δl0 δ0l
%trunk
P P
nachher: = %nm hzl |zn i |vn ihvm | hzm |zl i = %nn |vn ihvn |
n,m,l | {z } | {z } n
δln δml
⇒ Nicht-Diagonalterme verschwinden, inkohärente Überlagerung
von Eigenvektoren |vn i: Dekohärenz
⇒ Reduktion des statistischen Operators %trunk reproduziert, diesmal
aber völlig kompatibel mit der Schrödinger-Dynamik.
Bemerkung: Zeitentwicklung des totalen Dichteoperators % ist unitär.
Zeitentwicklung des trunkierten Operators %trunk muss nicht unitär
sein.
(%trunk erleidet Informationsverlust bei Messung - Nebendiagonalter-
me %nm - Information kann nur zusammen mit System II (Messgerät)
wiederbeschafft werden.)

3.2.3.4 Diskussion
(sehr unvollständig)

• Der Effekt der Dekohärenz spielt bei Messungen offenbar eine wichtige
Rolle. Er macht deutlich, worauf es bei einer Messung ankommt:

– Offenes Quantensystem (Wechselwirkung mit Umgebung ↔ Mess-


gerät)
– Umgebung muss zwischen den Eigenvektoren der gemessenen Obser-
vable unterscheiden können (d.h. Zeigerzustandsvektoren orthogonal)

• Mit dem statistischen Zugang aus (3) lässt sich eine konsistente Theorie
formulieren, die ohne zwei verschiedene Dynamiken auskommt.
Aber man bezahlt einen Preis → man betrachtet nur noch Ensembles,
nicht mehr einzelne, individuelle Systeme.
3.2. ELEMENTARE PRINZIPIEN DER QUANTENMECHANIK 89

• Fragt man sich, was in einem konkreten, einzelnen System (unserer Welt)
passiert, dann sind alle Interpretationsprobleme wieder da.

; Führe noch dritte Ebene ein: III: Beobachter (nach John von Neu-
mann: Mathematical foundations of Quantum Mechanics“)

Gekoppelte Zustandsvektoren sind nun |System Ii|Messgerät IIi|Beobachter IIIi
z.B. Gesamtvektor zu Schrödingers Katze“:

√1 ( |1i|Katze lebti|Ich sehe lebende Katzei
2
+|0i|Katze toti|Ich sehe tote Katzei )
; Wie kommt man von da zu einem eindeutigen Ergebnis?
Optionen:
(i) Kollaps (nun doch wieder) zu einem der beiden Möglichkeiten
(ii) Alle Möglichkeiten bleiben erhalten, also auch alle Beobach-
terzustände → Everettsche Vielweltentheorie ( meine“ Welt be-

stimmt sich daraus, was ich gesehen habe)
(iii) Alternativen?
90 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

3.3 Anwendung: Der harmonische Oszillator


Wichtigstes Modellsystem der Quantenmechanik

Grundbaustein“ der Quantenfeldtheorie



→ soll deshalb in diesem Kapitel über Grundlagen der Q.M. behandelt werden

p2
System: Hamiltonoperator H = + 1 mω 2 x2 (eindimensional)
2m 2
Vorbemerkungen:

• Heisenbergbild vs. Schrödingerbild


- [xS , pS ] = i~ ⇒ [xH , pH ] = i~ (denn: [xH , pH ]

= US† xS US US† pS US − US† pS US US† xS US = US† [xS , pS ]US = US† i~US = i~ )
- Funktionale Form des Hamiltonoperators gleich:
p2S p2H
H = 2m + 12 mω 2 x2S = 2m + 12 mω 2 x2H (Übungsaufgabe)
• Wir hätten den harmonischen Oszillator auch in der Wellenmechanik
schon lösen können, das ist nur aus Zeitgründen nicht geschehen.
Vorgehen: Ähnlich dem, das beim Wasserstoffatom verwendet wurde:
- zeitunabhängige Schrödingergleichung Hϕ = Eϕ
(erwarte diskretes Spektrum, da alle Zustände gebun-
den)
- Analyse des asymptotischen Verhaltens
|x|→∞ 1 2 2
→ ϕ(x) −→ e− 2~ mω x
- Potenzreihenansatz für den Rest r
1
− 2~ mω 2 x2 mω
→ Eigenfunktionen ϕn ∝ e Hn ( x)
~
| {z }
Hermite“-Polynome

Energieeigenwerte En = (n + 12 )~ω
• Hier: alternativer Lösungsweg - algebraisches“ Verfahren

Führt Methode ein, die in der Quantenmechanik immer wieder ver-
wendet wird.

3.3.1 Berechnung der (Energie-)Eigenwerte von H


q
1 √
? Vorab: Reskalierung x = mω x̃, p = mω p̃
→ [x̃, p̃] = i~ (unabhängig vom Bild)
H = ω2 (p̃2 + x̃2 ) = ω2 ((x̃ − ip̃)(x̃ + ip̃) + ~)

? Leiteroperatoren

a= √1 (x̃ + ip̃)
2~
Definiere: (nicht hermitesch)
a† = √12~ (x̃ − ip̃)

und N = a† a (hermitesch) ⇒ H = ~ω(N + 21 )


3.3. ANWENDUNG: DER HARMONISCHE OSZILLATOR 91

Eigenschaften:
(i) [a, a† ] = 1 1
( 2~ 1
[x̃ + ip̃, x̃ − ip̃] = 2~ ([p̃, x̃] − [x̃, p̃]) = 1 )
(ii) N ist positiv ( hψ|a† a|ψi = ka|ψik2 ≥ 0 für alle |ψi )
; Alle Eigenwerte von N sind positiv
(iii) [N, a] = −a ( [N, a] = a† aa − aa† a = [a† , a]a = −a )

[N, a ] = a† ( etc. )

Folgerungen:
• Falls |λi Eigenvektor zu N ist mit Eigenwert λ, dann ist

→ a|λi Eigenvektor zu λ − 1: a|λi = √λ|λ − 1i
und a† |λi Eigenvektor zu λ + 1: a† |λi = λ + 1|λ + 1i
(denn: N a|λi = aN |λi − a|λi = (λ − 1)a|λi

Normierung: ka|λik2 = hλ|aa|λi = λhλ|λi = λ )
• Eigenwerte von N müssen natürliche Zahlen sein

Folgt aus a|λi = λ|λ − 1i und der Positivität von N .
Wäre λ = m − ε nicht natürlich (m natürlich, 0 < ε < 1)
; am |λi =
p
λ(λ − 1) · · · (λ − m + 1)|λ − mi hätte negativen Eigenwert -
Widerspruch
Einzige Möglichkeit: λ = m ⇒ am |mi = m!|0i, am+1 |mi = 0: Abbruch
• Eigenvektoren: |0i, |1i, |2i, · · · , |mi

mit |mi = √1m! (a† )m |0i (wg. a† |mi = m + 1|m + 1i)

? Folgerungen für den harmonischen Oszillator: H = ~ω(N + 12 )

- Eigenvektoren von H ≡ Eigenvektoren von N : |mi


- Eigenwerte von H: En = ~ω(n + 12 )
Speziell Grundzustand: E0 = 21 ~ω

? Interpretation

Energie des Oszillators verteilt sich auf n Energiequanten


- Operator a vernichtet ein Energiequant
Vernichtungs- oder Absteigeoperator
- Operator a† erzeugt ein Energiequant
Erzeugungs- oder Aufsteigeoperator
- Operator N zählt Quanten N |ni = n|ni
Anzahloperator

? Anwendungen: Überall

Festkörperphysik, Kristallgitterschwingungen → Phononen


(multidimensionaler harmonischer Oszillator)
Festkörperphysik, Anregungen von Elektronen auf höhere Niveaus
→ Quasiteilchen“

Quantenfeldtheorie → Erzeugung und Vernichtung von Teilchen
92 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

3.3.2 Energieeigenvektoren in Ortsdarstellung (Schrödingerbild)


? Grundzustand |0i hx|0i = u0 (x)
Es gilt a|0i = 0
⇒ hx|a|0i = dx0 hx|a|x0 ihx0 |0i = 0
R
√ i √ d
mit hx|a|x0 i = hx| mωx + √mω p|x0 i = mωxδ(x − x0 ) + √mω~
dx
δ(x − x0 )
√ d √ d
⇒ dx0 ( mωxδ(x − x0 ) + √mω δ(x − x0 ))u0 (x0 ) = ( mωx + √mω
R ~ ~
dx dx
)u0 (x) = 0

du0 du0
⇒ dx
= − mω
~
x u0 ⇒ = − mω x dx ⇒ ln u0 = const −
~ | {z }
mω 2
2~
x
u0
| {z } 1 dx2
2
d(ln u0 )

; u0 (x) = N · exp(− mω 2
2~ x )

? Angeregte Zustände |ni hx|ni = un (x)

Ergeben sich aus: |ni = √1n! (a† )n |0i


√ d n
⇒ un (x) ∝ ( mωx − √mω ~
dx ) u0 (x)
Führt nach einigen Umformungen zu
q
; un (x) ∝ exp(− mω
2~ x2
) · H n ( mω
~ x)

Mit Hn (y): Hermite-Polynome


- Speziell: H0 (y) = 1, H1 (y) = y, H2 (y) = 4y 2 − 1
- Rekursionsformeln: Hn0 (y) = 2nHn−1 (y)
Hn+1 (y) − 2yHn (y) + 2nHn−1 (y) = 0
- Definierende Differentialgleichung: Hn00 (y) − 2yHn0 (y) + 2nHn (y) = 0

3.3.3 Operatoren im Heisenbergbild


? Leiteroperatoren
d
Bewegungsgleichungen: i~ dt aH (t) = [aH , H] = −~ωaH
d †
i~ dt aH (t) = [a†H , H] = ~ωa†H
; Lösung: aH (t) = a0 · e−iωt
a†H (t) = a†0 · eiωt
? Rückschluss auf xH (t) und pH (t)
q q
xH (t) = 2mω~
(a†H (t) + aH (t)); pH (t) = i mω~ †
2 (aH (t) − aH (t))
q q
x0 := 2mω ~
(a†0 + a0 ); p0 := i mω~ †
2 (a0 − a0 )
q
; xH (t) = 2mω ~
(a†0 e−iωt + a0 eiωt ) = x0 cos(ωt) + mω
1
p0 sin(ωt)
q
† −iωt
pH (t) = i mω~2 (a0 e − a0 eiωt ) = p0 cos(ωt) − mωx0 sin(ωt)
(kann auch direkt bewiesen werden, Übungsaufgabe)
3.4. SYMMETRIEN 93

3.4 Symmetrien
Klassische Mechanik: Zusammenhang zwischen Symmetrien und Erhaltungs-
größen (↔ Noether-Theorem)

In diesem Kapitel wollen wir die analogen Zusammenhänge in der Quanten-


mechanik diskutieren.

Symmetrien spielen für die Entwicklung und Struktur von (quantenmechani-


schen und klassischen) Theorien eine zentrale Rolle.

3.4.1 Allgemeine Vorüberlegungen


3.4.1.1 Erinnerung an klassische Mechanik
(kurze Erinnerung für die, die eine solche Vorlesung gehört haben. Die anderen
können diesen Abschnitt überspringen bzw. weghören“.)

Ausgangspunkt: Lagrange-Formalismus L(q1 , . . . , qn , q̇1 , . . . , q̇n , t)
(mit qi : generalisierte Koordinaten)

∗ Homogenität der Zeit

L unabhängig von der Zeit t ⇒ ∂L∂t = 0


P ∂L
Dann ist H = −L + q̇j ∂ q̇j eine Erhaltungsgröße (Hamiltonfunktion)
j
NB: H hat in der klassischen Mechanik eine ähnliche Bedeutung wie
der Hamiltonoperator in der Quantenmechanik, da es die konkrete
Dynamik eines Systems definiert. Für beliebige dynamische Größen
f gilt klassisch
df ∂f
dt = {f, H} + ∂t ( {. . . ,. . . } = Poissonklammer)

dO 1 ∂O
(vgl. Heisenberg-Gleichung dt = i~ [O, H] + ∂t )

∗ Weitere Symmetrien: Noether-Theorem

Existiert eine kontinuierliche Symmetrie, d.h. ist


L(q1 , . . . , qn , q̇1 , . . . , q̇n , t) invariant unter einer Transf. qj → q̃j (a),
wobei a ein kontinuierlicher Parameter, q̃j (a) stetig, q̃j (0) = qj ,
P ∂L dq̃j (a)
dann ist I = ∂ q̇j ( da )a=0 eine Erhaltungsgröße. (E. Noether 1918)
j
Ist L(q1 · · · qn , q̇1 · · · q̇n , t) quasi-invariant unter qj → q̃j (a), d.h.
L(q̃1 · · · q̃n , q̃˙1 · · · q̃˙n , t) = L(q1 · · · qn , q̇1 · · · q̇n , t) + dt
d
F(q1 · · · qn , t; a),
d
( dt F ändert als totale Zeitableitung nichts an Bewegungsgleichungen)
P ∂L dq̃j (a) ∂F
dann ist I = ∂ q̇j ( da )a=0 − ( ∂a )a=0 eine Erhaltungsgröße.
j
(Erweitertes Noether-Theorem - kam in meiner Vorlesung nicht vor)

→ • Homogenität des Raums


L(~ri , ~r˙i , t) invariant unter Translation ~ri → ~r˜i = ~ri − ~a
(bzw. in Komponenten rjβ → r̃jβ = rjβ − aβ )
94 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

P ∂L dr̃jβ P
⇒ Erhaltungsgröße: Iα = ( ) = − pjα = −Pα
jβ ∂ ṙjβ | daα j
| {z } {z }
pjβ −δαβ

bzw. vektoriell I~ = − p~j = −P~


P
j

; Gesamtimpuls P~ bleibt erhalten.


→ • Isotropie des Raums
L(~ri , ~r˙i , t) invariant unter Drehung ~ri → ~r˜i = D(−~ϕ)~ri
wobei D(~ ϕ): Drehung um Winkel |~ ϕ|, Drehachse ~eϕ = ϕ ϕ|
~ /|~
Das Noether-Theorem braucht nur die Ableitung nach ϕ, daher
genügt es, infinitesimale Drehwinkel d~ ϕ zu betrachten:
 
1 −dϕ3 dϕ2
Es gilt: D(−d~ ϕ) =  dϕ3 1 −dϕ1  = 1̂ − d~ϕ×
−dϕ2 dϕ1 1
˜
bzw. ~ri → ~ri = D(−d~ ϕ)~ri = ~ri − d~
ϕ × ~ri
P
bzw. in Komponenten rjβ → r̃jβ = rjβ − εβγδ dϕγ rjδ
γδ
P ∂L dr̃jβ P
⇒ Erhaltungsgröße: Iα = ( ) =− pjβ εβαδ rjδ
jβ ∂ ṙjβ | dϕ
{z α
} jβδ
| {z } P
pjβ − εβαδ rjδ
δ

εαβγ rjβ pjγ bzw. vektoriell I~ = − (~rj × p~j ) = −L


~
P P
=−
jβγ j

; Gesamtdrehimpuls L
~ bleibt erhalten.
→ • Galilei-Invarianz
L(~ri , ~r˙i , t) quasi-invariant unter ~ri → ~ri − ~v t
⇒ Erhaltungsgröße: I = p~j t + mj ~rj = −P~ t + M R ~
P P
j j
(P~ =Gesamtimpuls, M =Gesamtmasse, R=Schwerpunkt)
~
~
; Schwerpunktssatz: R(t)
~ ~0 + P · t
=R M

3.4.1.2 Begriffsklärung: Symmetrie“ und Erhaltungsgröße“ in der


” ”
Quantenmechanik
• Erhaltungsgröße:

d
Observable O, für die in allen Zuständen % gilt: dt hOi =0
d 1
Wegen dt hOi = h i~ [O, H]i + h ∂O ∂O
∂t i folgt daraus: [O, H] + i~ ∂t = 0

Folgerungen für nicht explizit zeitabhängige Observablen O ( ∂O


∂t = 0):
- Dann ist auch hf (O)i = const für alle Funktionen f
- Insbesondere ist P (λ) = hδ(λ − O)i = const
(Verteilung für Messwert λ)
Bemerkung: Beachte Unterschied zu stationärem Zustand
3.4. SYMMETRIEN 95

- Falls statistischer Operator % = f (H) nur von H abhängt


Schrödingerbild d% 1 d d
−→ = i~
dt [H, %] = 0 ⇒ dt hOi = dt Sp(%O) = 0
für alle nicht explizit zeitabhängigen Observablen O
⇒ alle“ dynamischen Variablen sind in diesem Zustand kon-

stant
- Dagegen Erhaltungsgröße: konstant für alle Zustände %

• Symmetrie

Unitäre Operation |ψi → |ψ̃i = S|ψi, die die Dynamik des Systems
unverändert lässt: Im Schrödingerbild wird die Dynamik für |ψi, |ψ̃i
von demselben Hamiltonoperator bestimmt

→ i~ ∂t |ψi = H|ψi
∂ ∂ ∂
i~ ∂t |ψ̃i = i~ ∂t S|ψi = Si~ ∂t |ψi + i~( ∂S ∂S
∂t )|ψi = S H |ψi + i~( ∂t )|ψi
!
= H|ψ̃i = H S |ψi für alle |ψi
⇒ [S, H] + i~ ∂S
∂t = 0

(NB: Gleichung ähnlich wie oben die für Erhaltungsgrößen. Dennoch ist
S keine Erhaltungsgröße, da keine Observable!)

3.4.2 Homogenität von Raum und Zeit


3.4.2.1 Homogenität der Zeit
Dynamik wird beschrieben durch Hamiltonoperator H (3.2.2 S.77)

Schrödingerbild: i~ ∂t |ψ(t)i = H |ψ(t)i

Homogenität der Zeit → kein Zeitpunkt ausgezeichnet


; H nicht explizit zeitabhängig, ∂H
∂t = 0

d
Dann folgt (Ehrenfest): dt hHi = h ~i [H, H]i + h ∂H
∂t i = 0
⇒ H ist Erhaltungsgröße

3.4.2.2 Homogenität des Raumes


Symmetrieoperation: Verschiebung des Zustandsvektors um Ortsvektor ~a

Ortsdarstellung (ein Teilchen): ψ(~r) → ψ̃(~r) = ψ(~r − ~a)


Koordinatenfrei (auch viele Teilchen möglich): |ψi → |ψ̃i = T (~a)|ψi
mit T (~a) Translationsoperator

∗ Allgemeine Form des Translationsoperators

Eigenschaften:
(i) stetig und lim T (~a) = 1̂
|~a|→0
(ii) unitär (laut Voraussetzung)
96 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

(iii) zusammensetzbar: T (~a1 )T (~a2 ) = T (~a1 + ~a2 )


; selbe Eigenschaften wie Zeitentwicklungsoperator (3.2.2.1 S.77)
Form von T (~a) kann völlig analog hergeleitet werden
~ d~a,
⇒ • Infinitesimale Translation um d~a: T (d~a) = 1̂ − iK
~
wobei K hermitesch ist.
~a N ~a N
iK~
• Endliche Translation: T (~a) = lim (T ( N ) ) = lim ((1̂ − N ) )
N →∞ N →∞
~
= e−iK~a
∗ Erhaltungsgröße
∂T
Falls System translationsinvariant, folgt wegen =0∂t
~ ! ~
[H, T (~a)] = [H, e−iK~a ] = 0 für alle ~a ⇒ [H, K] = 0
~ ist eine Erhaltungsgröße!
⇒K
(K~ hermitesch → potentielle Observable)
~
∗ Kommutatorrelationen für K
• [T (~a), T (~a0 )] = 0 ⇒ [Kα , Kβ ] = 0
• In Einteilchensystemen gilt für Diracvektoren |~r0 i
~r T (~a) |~r0 i = ~r |~r0 + ~ai = (~r0 + ~a) |~r0 + ~ai
T (~a) ~r |~r0 i = T (~a) ~r0 |~r0 i = ~r0 T (~a) |~r0 i = ~r0 |~r0 + ~ai
(NB: ~
r ist ein Operator, ~r0 ist eine Zahl)
?
→ [~r, T (~a)] |~r0 i = ~a |~r0 + ~ai → [~r, T (~a)]
= ~aT (~a)
Daraus folgt für infinitesimale Translationen d~a:
[rβ , 1̂ − iKα daα ] = daα ⇒ [rβ , Kα ] = i δαβ

~
∗ Konkrete Identifizierung von K
• Einteilchensystem
Kommutatorrelation [rβ , Kα ] = iδαβ legt nahe: K~ = p~ (~
~ p Impuls)
Nachweis in Ortsdarstellung, zunächst in 1 Dimension:
P (−a)n dn d
−a dx i
ψ̃(x) = ψ(x − a) = n! dxn ψ(x) = e ψ(x) = e− ~ a·p ψ(x)
n
in 3 Dimensionen: P
~ n
(−~a∇) ~ i
ψ̃(~r) = ψ(~r − ~a) = n! ψ(~r) = e−~a∇ ψ(~r) = e− ~ ~a·~p ψ(~r)
n
i
; Der Translationsoperator ist gegeben durch T (~a) = e− ~ ~a·~p
→ Impuls p~ erzeugt“ Translationen!

Bei Homogenität des Raums gilt: [~
p, H] = 0
; Impuls ist dann eine Erhaltungsgröße
• Allgemein (z.B. Vielteilchensystem)
Definiere P~ = K~:
~ Gesamtimpuls“

; Gesamtimpuls P~ ist definiert als die Größe, die bei der Homoge-
nität des Raumes erhalten ist. (analog Mechanik)
3.4. SYMMETRIEN 97

3.4.2.3 Isotropie des Raumes


Symmetrieoperation: Drehung des Zustandsvektors um Winkel ϕ
~

Ortsdarstellung (ein Teilchen, keine inneren Freiheitsgrade):


ψ(~r) → ψ̃(~r) = ψ(D(−~ ϕ)~r)
Koordinatenfrei (viele Teilchen und/oder innere Freiheitsgrade möglich):
|ψi → |ψ̃i = R(~ϕ)|ψi mit R(~a) Rotationsoperator

∗ Allgemeine Form des Rotationsoperators

Eigenschaften wieder:
(i) stetig und lim R(~
ϕ) = 1̂
|~
ϕ|→0
(ii) unitär
(iii) im allgemeinen nicht zusammensetzbar, aber:
- infinitesimale Drehungen zusammensetzbar
R(~ ϕ1 ε)R(~
ϕ2 ε) = R((~ ~ 2 )ε) + o(ε2 )
ϕ1 + ϕ (iiia)
- Drehungen um dieselbe Achse zusammensetzbar
R(ϕ1~n)R(ϕ2~n) = R((ϕ1 + ϕ2 )~n) (iiib)
; Es können dieselben Überlegungen wie oben ((2) bzw. 3.2.2.1 S.77)
angestellt werden, legen die Form von R(~
ϕ) fest.
⇒ • Infinitesimale Rotation um d~ ϕ: ((i),(ii),(iiia))
R(d~ϕ) = 1̂ − ~i J~ d~
ϕ, wobei J~ hermitesch ist.
• Endliche Rotation um ϕ
~: ((iiib))
ϕ
~ N i J~ϕ
~ N − ~i J~ϕ
~
R(~
ϕ) = lim (R( N ) ) = lim ((1̂ − ~ N ) ) =e
N →∞ N →∞

∗ Erhaltungsgröße
∂R
Falls System rotationsinvariant, folgt wegen ∂t =0
− ~i J~ϕ
~ ! ~ =0
[H, R(~ϕ)] = [H, e ~ ⇒ [H, J]
] = 0 für alle ϕ
~
⇒ J ist eine Erhaltungsgröße!

∗ Kommutatorrelationen für J~

Ergeben sich aus Kommutatorrelationen für R ([R(~ ~0 )] 6= 0 i.allg.)


ϕ), R(ϕ
- Betrachte zunächst speziell Drehmatrizen des R3 für infinitesimale Dre-
hungen εum die x-, y- oderz-Achse
 
1 0 0 1 0 0
Dx (ε) = 0 cos ε − sin ε ≈ 0 1 − ε2 /2 −ε  ;
0 sin ε cos ε 0 ε 1 − ε2 /2
1 − ε2 /2 0 1 − ε2 /2
   
ε −ε 0
Dy (ε) ≈  0 1 0  ; Dz (ε) ≈  ε 1 − ε2 /2 0
−ε 0 1 − ε2 /2 0 0 1
0 −ε2 0
 

⇒ [Dx , Dy ] = Dx Dy − Dy Dx = . . . = ε2 0 0 = Dz (ε2 ) − 1̂


0 0 0
98 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

- Übertragung auf Rotationsoperatoren: [R(~ex ε), R(~ey ε)] = R(~ez ε2 ) − 1̂


(Jα ε)2
- Einsetzen R(~eα ε) = 1̂ − ~i Jα ε − 2~2
+ o(ε3 )
ε)2
(Jx (Jy ε)2
⇒ [(1̂ − ~i Jx ε − 2~2
), (1̂ − ~i Jy ε − 2~2
)] = − ~12 ε2 [Jx , Jy ]
= 1̂ − iJ~z ε − 1̂

⇒ [Jx , Jy ] = i~Jz

Analog zeigt man: [Jy , Jz ] = i~Jx ; [Jz , Jx ] = i~Jx ,

also: [Jα , Jβ ] = i~ εαβγ Jγ (Summenkonvention!)

∗ Identifizierung von J~

• Einteilchensystem ohne innere Freiheitsgrade:


Ortsdarstellung: ψ̃(~r) = ψ(D(−~ ϕ)~r)
infinitesimale Drehung um d~ ϕ : D(−d~ ϕ) ~r ≈ ~r − d~
ϕ × ~r
⇒ ψ̃(~r) ≈ ψ(~r − d~ϕ × ~r) ≈ (1̂ − (d~ ~
ϕ × ~r)∇)ψ(~r)
~ ! ~ r)
= (1̂ − d~
ϕ(~r × ∇)ψ(~r) = R(d~ ϕ)ψ(~r) = (1̂ − i d~
ϕ J)ψ(~ ~
~ = ~r × p~
⇒ J~ = ~i [~r × ∇] : Bahndrehimpuls

• Allgemein: In Systemen mit inneren Freiheitsgraden kann J~ noch


andere Beiträge haben
→ Verallgemeinerter Drehimpuls (siehe Kapitel 4 S.121)

3.4.3 Vorläufige Zusammenfassung und Verallgemeinerung: Sym-


metrien und Erhaltungsgrößen
Fazit von 3.4.2 S.95 (und 3.2.2 S.77) (Schrödingerbild)
Bisher betrachtete Symmetrietransformationen:
i
Zeittranslation: |ψi → e− ~ Ht |ψi (falls H nicht explizit zeitabhängig)
~a
− ~i P~
Ortstranslation: |ψi → e |ψi
− ~i J~ϕ
~
Drehung: |ψi → e |ψi

H, P~ und J~ heißen Generatoren der entsprechenden Symmetrietransfor-


mation. In Systemen mit dieser Symmetrie sind sie Erhaltungsgrößen.

Verallgemeinerung

Gegeben sei eine stetige, kontinuierliche Gruppe von unitären Symme-


trietransformationen, die die Identität 1̂ enthält.
→ Elemente lassen sich schreiben als S = exp(− ~i k Zk αk )
P

mit hermiteschen Generatoren Zk


und kontinuierlichen, reellen Parametern αk (αk = 0 eingeschlos-
sen)
3.4. SYMMETRIEN 99

In Systemen, die invariant sind gegen diese Symmetrietransformationen,


αk →0
gilt: [S, H] + i~ ∂S
∂t = 0 ∀S ⇒ [Zk , H] + i~ ∂Z
∂t = 0
k

→ Die Generatoren Zk sind Erhaltungsgrößen!

Folgerung: Symmetrien und Entartung


∂S
Symmetrietransformationen S seien nicht explizit zeitabhängig: ∂t =0
; Falls |En i Eigenvektor zu H, so auch S|En i mit demselben Eigenwert

( wegen: HS|En i = SH|En i = SEn |En i = En S|En i )
Wenn S|En i und |En i linear abhängig sind, ist En entartet.
; Generatoren Zk können zwischen entarteten Zustandsvektoren unter-
scheiden
(z.B. als Observablen in einem VSKO)

Bemerkung:

Eine Symmetriegruppe, wie sie oben besprochen wurde (stetig, kontinu-


ierlich), nennt man auch Lie-Gruppe
Die Generatoren Zk der Gruppe bilden eine Lie-Algebra:
Der Kommutator [Zk , Zj ] definiert Multiplikation mit Eigenschaften
(i) [Zk , Zj ] = i Ckjl Zl (abgeschlossen)
(ii) [Zk , Zl ] = −[Zj , Zk ] (antisymmetrisch)
(iii) [αZi + βZj , Zk ] = α[Zi , Zk ] + β[Zj , Zk ] für α, β ∈ C
[Zi , αZj + βZk ] = α[Zi , Zj ] + β[Zi , Zk ] (bilinear)
(iv) Jakobi-Identität
[Zi , [Zj , Zk ]] + [Zj , [Zk , Zi ]] + [Zk , [Zi , Zj ]] = 0
Die Lie-Algebra wird durch die Ckjl charakterisiert!
(charakteristische Konstanten, Ckjl ∈ R)

3.4.4 Invarianz unter speziellen Galilei-Transformationen


Etwas weniger prominent“ als die bisher behandelten Symmetrien.

Aber: Symmetrieüberlegungen werden Herleitung des Ausdrucks für den
p2
Hamiltonoperator für freie Teilchen erlauben (→ H = 2m )

Symmetrieoperation: Transformation ~r → ~r − ~v t

Ortsdarstellung, speziell t = 0 (ein Teilchen)


~ ~ ~
ψ(~r, t = 0) = d~k e f (~k) → ψ̃(~r, t = 0) = d~k e
ik~r i( k− k r f (~
0 )~
R R
k)
i
− ~ m~v~
r
= |e {z } ψ(~r, t = 0) (wegen k~0 = m
~
~v )
Phasenfaktor
Koordinatenfrei:
|ψi → |ψ̃i = B(~v )|ψi mit B(~v ): Galilei-Boost

Soll hier einfachheitshalber nur in 1 Dimension diskutiert werden: x → x − vt


100 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

Entsprechende Überlegungen für drei Dimensionen finden sich z.B. in Ballen-


tine.
∗ Allgemeine Form des Galilei-Boosts B(v)
Eigenschaften wieder: stetig, unitär, zusammensetzbar
i
⇒ Entsprechend 3.4.3 S.98 ist B(v) = e− ~ v G mit G hermitesch

∗ Erhaltungsgröße
(Beachte: B(v) ist explizit zeitabhängig)
Falls Dynamik des Systems invariant gegen Boosts B(v), gilt nach 3.4.1 S.93
1 ∂B v→0 1 ∂G
i~ [B, H] + ∂t = 0 ⇒ [G, H] + =0 (vgl. 3.4.3 S.98)
i~ ∂t
Also ist G eine Erhaltungsgröße
(Beispiel für explizit zeitabhängige Erhaltungsgröße)
∗ Kommutatorrelationen für G
• Kommutator von G und H
Betrachte Folge von infinitesimalen Boosts und Zeittranslationen:
Boost um ε → Zeittransl. um ε → Boost um (−ε) → Zeittransl. um (−ε)
ε2
→ U (−ε)B(−ε)U (ε)B(ε)|ψi ≈ . . . ≈ {1̂ + ~2
[G, H] + o(ε3 )}|ψi
-Transformiert (x, t) → (x − εt, t)
-Weiter zu → (x − εt, t − ε)
-Weiter zu → (x − εt + ε(t − ε), t − ε) = (x − ε2 , t − ε)
-Weiter zu → (x − ε2 , t) Netto: Translation um (−ε2 )

i 2
= e|−{z
~
δε 2 i 2 3
} T (−ε )|ψi ≈ {1̂ + ~ (p − δ)ε + o(ε )}|ψi
Phasenfaktor, unbekannt
Vergleich liefert (Entwicklung): [G, H] = i~(p − δ) , δ reell
• Kommutator von G und P
Betrachte Folge von infinitesimalen Boosts und Raumtranslationen:
Boost um ε → Raumtransl. um ε → Boost um (−ε) → Raumtransl. um (−ε)
2
→ T (−ε)B(−ε)T (ε)B(ε)|ψi ≈ . . . ≈ {1̂ + ~ε 2 [G, P ] + o(ε3 )}|ψi
-Transformiert (x, t) → (x − εt, t)
-Weiter zu → (x − εt − ε, t)
-Weiter zu → (x − εt − ε + εt, t), t − ε) = (x − ε, t)
-Weiter zu → (x, t) Netto: Zurück zum Ausgangspunkt

i 2
= e− ~ M ε |ψi : Identität bis auf Phasenfaktor
Vergleich liefert: [G, P ] = i~M , M reell
• In Einteilchensystemen gilt zur Zeit t = 0: [G(t = 0), x] = 0
(wegen: hx0 |B(v)|x1 i ∝ δ(x0 − x1 ) bei t = 0
⇒ hx0 |xB(v)|x1 i = x0 hx0 |B(v)|x1 i = x1 hx0 |B(v)|x1 i = hx0 |B(v)x1 |x1 i

für alle Diracvektoren |x0 i, |x1 i ⇒ [B(v), x] = 0 ⇒ [G, x] = 0 )
3.4. SYMMETRIEN 101

∗ Speziell: Ein Teilchen, keine inneren Freiheitsgrade


Dann muss gelten: G = G(x, p, t); H = H(x, p, t)

• Folgerung für G(x,p,t)


∂G1
[G, H] = i~(p − δ) ⇒ = − i~
∂t [G, H] = −(p − δ)
Rt
⇒ G = G0 − pt + ∆ (∆ = dt0 δ(t0 ) ; ∆(t = 0) = 0)
0
[G(t = 0), x] = [G0 , x] = 0 und: Eigenwerte von x nicht entartet
⇒ G0 diagonal in x-Darstellung ⇒ G0 = G0 (x)
[G, p] = i~M ⇒ [G0 , p] = i~M
⇒ G0 = M · x + g0 (g0 : Konstante)
• Folgerung für H(x,p,t)
[G, H] = [M x − pt, H] = i~(p − δ) für alle t
i~
⇒ [x, H] = M (p − δ) (setze t = 0: Muss dann aber immer
gelten.)
⇒ [p, H] = 0 ⇒ H = H(p, t)
(p-Eigenwerte nicht entartet ; H diagonal in p-Darstellung)
H = p2 /2M − pδ/M + E0
Weitere Forderungen:
- Homogenität von Raum und Zeit → E0 , δ, M unabhängig von x
und t
- System invariant gegen Paritätstransformationen x → −x
Wegen [x, p] = i~ = const folgt:
Unter Paritätstransformation ist p → −p
⇒ H muss symmetrisch bzgl. p sein ⇒ δ = 0
- Konvention: Spektrum von H soll nach unten anstatt nach oben
beschränkt sein ⇒ M > 0
Fazit: G = M x − pt + g0 mit M >0 (Masse)
H = p2 /2M + E0
Die Konstanten g0 , E0 haben keine physikalische Bedeutung
(; kann man auch Null setzen)
⇒ Symmetrieforderungen der eindimensionalen Galilei-Gruppe
- Homogenität von Raum und Zeit
- Invarianz unter Boosts
- Invarianz unter Paritätstransformation
legen den Hamiltonoperator für ein Freies Teilchen ohne innere
Freiheitsgrade fest!
NB: In drei Dimensionen wird die Forderung nach Invarianz unter
Paritätstransformation durch Invarianz unter Drehung (Isotro-
pie des Raums) ersetzt (siehe Ballentine)
102 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

3.4.5 Diskrete Symmetrien


Wir haben nun alle kontinuierlichen Symmetrien der Galilei-Gruppe behandelt.
Darüberhinaus können aber auch diskrete Symmetrien auftreten, die (fast) ge-
nauso wichtig sind.
Ein Beispiel trat schon in 3.4.4 S.99 auf: Die Paritätstransformation bzw. Raum-
spiegelung ~r ↔ −~r. Eine weitere wichtige Transformation ist die Zeitumkehr“

bzw. Spiegelung der Geschwindigkeiten.

3.4.5.1 Raumspiegelung und Parität


Symmetrieoperation: Transformation ~r → −~r

Ortsdarstellung (ein Teilchen, keine inneren Freiheitsgrade)


ψ(~r) → ψ̃(~r) = ψ(−~r)
Koordinatenfrei (allgemeiner)
|ψi → |ψ̃i = Π̂|ψi mit Π̂: Paritätsoperator

∗ Eigenschaften des Paritätsoperators

(i) Π̂2 = 1̂ ⇒ Π̂−1 = Π̂


(strenggenommen ist Π̂2 = eiδ , aber der Phasenfaktor δ ist beliebig
und kann 0 gewählt werden.)
(ii) Π̂ unitär (Π̂−1 = Π̂† )
(iii) Daraus folgt auch: Π̂ hermitesch (Π̂† = Π̂−1 = Π̂)
Eigenwerte λ2 = 1 ⇒ λ = ±1

∗ Kommutatorrelationen

• [Π̂, ~r]+ = Π̂ ~r + ~r Π̂ = 0 (Antikommutator)


!
(wegen: hψ̃|~r|ψ̃i = hψ̃|Π̂†
~r Π̂|ψ̃i = −hψ|~r|ψi ∀ψ
† √
⇒ Π̂ ~r Π̂ = −~r ⇒ ~r Π̂ = −Π̂ ~r )
• [Π̂, p~]+ = Π̂ p~ + p~ Π̂ = 0
(wegen: Π̂ T (~ε) = T (−~ε) Π̂ (T (~ε) = Translation)
i i √
⇒ Π̂ (1̂ − ~ p~~ε) = (1̂ + ~ p~~ε) Π̂ ⇒ −Π̂ p~ = p~ Π̂ )
~ =0
• [Π̂, L] (Π̂ vertauscht mit Rotationen)

• [Π̂, p~2 ] =0 p Π̂ p~ = p~2 Π̂
(Π̂ p~2 = −~ )

∗ Bedeutung des Paritätsoperators

• Zum Beispiel als zusätzliche Observable“ in einem VSKO



Erinnerung an Wellenmechanik (Kapitel 2 S.17)
; Sortierung von Lösungen der stationären Schrödingerglei-
chung nach geraden und ungeraden Funktionen
=b Eigenfunktionen des Paritätsoperators
Speziell eindimensionale Probleme (Kapitel 2.2.2 S.40
p2
H= 2m + V (x), V (x) symmetrisch → [H, Π̂] = 0
3.4. SYMMETRIEN 103

; Eigenfunktionen haben entweder definierte Parität


(z.B. gebundene Zustände in einem Potentialtopf)
oder die Eigenwerte sind zweifach entartet
(z.B. freie Zustände)
Im letzteren Fall kann Π̂ als Observable in einem VSKO mit H
eingesetzt werden.
• Grundlegender: In den meisten Fällen scheint Paritätssymmetrie eine
der fundamentalen Symmetrien der Natur zu sein.
Ausnahme: Paritätsverletzung in der schwachen Wechselwirkung
(- und dafür gab’s immerhin einen Nobelpreis!)

3.4.5.2 Zeitumkehrinvarianz und Zeitumkehroperator


Symmetrieoperation: Zeitumkehr“, entspricht de facto einer

Spiegelung aller Geschwindigkeiten (Zeit läuft von da an rückwärts“)

Koordinatenfrei: |ψi → |ψ̃i = Θ̂|ψi mit Θ̂: Zeitumkehroperator,
so dass im Schrödingerbild: U (t)Θ̂|ψ(0)i = Θ̂U (−t)|ψ(0)i = Θ̂|ψ(−t)i

∗ Eigenschaften des Zeitumkehroperators

• Wenn das Spektrum von H nach unten beschränkt sein soll (z.B.
wegen 3.4.4 S.99), kann Θ̂ nicht linear sein!
(denn: OBdA seien Eigenwerte E von H positiv - sonst setze H → H − Emin .
Setze in U (t)Θ̂|ψ(0)i = Θ̂U (−t)|ψ(0)i infinitesimale Zeit ε ein.
i i
⇒ (1̂ − ~
Hε)Θ̂|ψi = Θ̂(1̂ + ~
Hε)|ψi ⇒ −iΘ̂H|ψi = Θ̂iH|ψi für alle ψ
Wäre Θ̂ linear, dann folgte: −H Θ̂|ψi = Θ̂H|ψi ∀|ψi → −H Θ̂ = Θ̂H
Für Eigenvektoren |Ei von H mit Eigenwert E würde dann gelten:
H Θ̂|Ei = −Θ̂H|Ei = −E Θ̂|Ei ⇒ Θ̂|Ei ∝ | − Ei
; Θ̂|ei wäre Eigenvektor von H mit Eigenwert −E < 0 Widerspruch!)

• Stattdessen ist Θ̂ antilinear


Ein antilinearer Operator hat die Eigenschaft
Θ̂( cn |αn i) = c∗n Θ̂|αn i
P P
n n
⇒ löst das obige Problem, da Θ̂iH|ψi = −iΘ̂H|ψi,
t→0
also folgt aus U (t)Θ̂|ψi = Θ̂U (−t)|ψi ∀|ψi → H Θ̂ = Θ̂H
• Θ̂ ist normerhaltend → antiunitär!
mit |ψ̃i = Θ̂|ψi und |ϕ̃i = Θ̂|ϕi gilt: hψ̃|ϕ̃i = hϕ|ψi = hψ|ϕi∗

∗ Wirkung auf Observablen

Eine Observable heißt gerade/ungerade unter Zeitumkehr,


wenn A = ±Θ̂AΘ̂−1
Dann geht hAi unter Zeitumkehr über in +hAi bzw. −hAi
P
( - Statistischer Operator sei % = |ni%nm hm| (in beliebiger Basis |ki)
n,m
104 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

|ñi%∗nm hm̃| =
P P
Zeitumkehr: % → %̃ = |ñi%mn hm̃| mit |k̃i = Θ̂|ki
n,m n,m
- Wähle als Basis Eigendarstellung von A: A|ai = a|ai
|ai%aa0 ha0 | → %̃ = |ãi%a0 a hã0 |
P P
⇒%=
a,a0 a,a0

ha00 |ãi%a0 a hã0 |A|a00 i hã0 |A|ãi%a0 a


P P
Sp(%̃A) = =
a,a0 ,a00 a,a0

hã0 |Θ̂A Θ̂−1 |ãi %a0 a = ±


P P 0
=± hã |Θ̂ A|ai %a0 a (a reell)
a,a0 | {z } a,a0 | {z }
|ai a|ai

hã0 | Θ̂|ai a%a0 a = ±


P P 0
=± hã |ãi a%a0 a
a,a0 | {z } a,a0 | {z }
|ãi ha|a0 i

ha|a0 ia%a0 a ha|A1̂|a0 i%a0 a |a00 iha00 |


P P P
=± =± 1̂ =
a,a0 a,a0 a00

ha00 |a0 i%a0 a ha|A|a00 i = ±Sp(%A)
P
=± )
a,a0 ,a00

Zum Beispiel ist x gerade, p ungerade, J gerade.

∗ Zeitumkehr der Ortsdarstellung von Einteilchenzustandsvektoren


Zeitumkehr
ψ(~r) −→ ψ(~r)∗ eiϕ (eiϕ : Phasenfaktor, beliebig)
rˆ gerader Operator ⇒ Θ̂ ~
(denn: ~ rˆ Θ̂−1 = ~ rˆ
⇒ Mit |~ r˜0 i = Θ̂|~ rˆ Θ̂−1 |~
r0 i gilt: Θ̂ ~ r˜0 i = ~
rˆ|~
r˜0 i = Θ̂~
r0 |~
r0 i = ~ r0 i = ~
r0 Θ̂|~ r˜0 i
r0 |~
⇒~ rˆ|~
r˜0 i = ~r0 |~ r˜0 i ∝ |~
r0 i ⇒ |~ r0 i
Also: Θ̂|~ ri = |~˜
ri ∝ |~
ri

r) = h~
Daraus folgt: ψ̃(~ r˜i ∝ hψ|~
r|ψ̃i = hψ|~ r|ψi∗
ri = h~ )
3.5. IDENTISCHE TEILCHEN 105

3.5 Identische Teilchen


Vorbemerkung: Allgemeines Vielteilchensystem (z.B. Proton + Elektron)

n Teilchen → Zustandsraum ist Produktraum (nach 3.1.1.5 S.69) der


(ggf. erweiterten) Hilberträume für die einzelnen Teilchen.
Konkret: Einteilchenzustandsvektoren für Teilchen i: |ϕα ii ; Hilber-
traum Hi
P
→ Produktraum enthält Zustandsvektoren |ϕα1 i1 · · · |ϕαn in Cα1 ···αn
N α1 ···α
Nn N
Cα1 ···αn ∈ C; Hilbertraum: H = H1 H2 · · · Hn

Nun: Identische Teilchen


Dabei definieren wir als identisch“: Man kann kein Verfahren angeben,

mit dem ein Teilchen von einem anderen unterschieden werden könnte.

(d.h. gleiche Masse, Ladung, Spin, ... Platzwechsel möglich etc.)


; Eine neue Form von Symmetrie

In diesem Kapitel sollen die Auswirkungen einer solchen Symmetrie be-


handelt werden.

3.5.1 Ununterscheidbarkeit
Laut Definition kann es in einem System identischer Teilchen nur Observablen
geben, die zwischen Teilchen nicht unterscheiden.
- z.B. ist in einem Zweiteilchensystem nicht erlaubt: x1 , x2 ,
aber erlaubt: x1 + x2 ; |x1 − x2 |; W (x) = δ(x − x1 ) + δ(x − x2 )

3.5.1.1 1) Folgerung für Observablen


(N Teilchen)
P
Zunächst: Gegeben sei ein Zustandsvektor |ψi = |ϕα1 i1 · · · |ϕαN iN Cα1 ···αN
α1 ···α
PN
und ein permutierter“ Zustandsvektor |ψ 0 i = |ϕαi1 i1 · · · |ϕαiN iN Cα1 ···αN
” α1 ···αN
wobei (1, 2, . . . N ) → (i1 , i2 , . . . , iN ) Permutation ist.
Dann müssen die Erwartungswerte von allen Observablen in den reinen
Zuständen % = |ψihψ| und %0 = |ψ 0 ihψ 0 | gleich sein: hAi = hψ|A|ψi =
hψ 0 |A|ψ 0 i

Formale Beschreibung: Definiere Permutationsoperator |ψ 0 i = P |ψi


 
1 2 ··· N
- Notation: P =
i1 i2 · · · iN
- Eigenschaften:
• P ist unitär
• Permutationsoperatoren bilden eine Gruppe von N ! Elementen.
106 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

• Alle Permutationen lassen sich aus paarweisen Vertauschungen


(Transpositionen Tij ) zusammensetzen. (nicht eindeutig)
• Es existiert eine eindeutige Zuordnung: Eine Permutation lässt
sich entweder nur aus einer geraden, oder nur aus einer unge-
raden Anzahl Transpositionen zusammensetzen. Entsprechend
nennt man eine Permutation gerade bzw. ungerade.
- Beispiele:
   
12 12
- Zwei Teilchen → gerade: P = (= 1̂), ungerade: P =
12 21
     
123 123 123
- Drei Teilchen → gerade: P = ;P = ;P =
123 231 312
     
123 123 123
ungerade: P = ;P = ;P =
213 132 321
Damit kann die obige Forderung für Observablen folgendermaßen formu-
!
liert werden: hP ψ|A|P ψi = hψ|P † AP |ψi = hψ|A|ψi für alle P , |ψi
⇒ P † AP = A bzw. mit P † = P −1 : AP = P A für alle P
⇒ In einem System identischer Teilchen sind nur Observablen zulässig,
die mit allen Permutationen kommutieren:
[A, P ] = 0 für alle P
Beispiele: Gesamtimpuls, Gesamtdrehimpuls, Schwerpunkt, . . .

3.5.1.2 2) Folgerung für Zustandsvektoren


Wenn |ψi Eigenvektor ist zur Observablen A mit Eigenwert a, dann ist auch
P |ψi Eigenvektor mit demselben Eigenwert. Das muss für alle (zulässigen)
Observablen und alle Permutationen gelten.

⇒ Austauschentartung: Jeder Eigenwert ist N !-fach entartet.


Entartung kann prinzipiell durch keine Observable aufgehoben werden.

→ Widerspricht dem Postulat II (in 3.2.1 S.74)


(Zustandsraum wird von Eigenvektoren eines VSKO aufgespannt, keine
überflüssigen Freiheitsgrade)

Grundlegender: Kann etwas prinzipiell nicht Messbares einen physikalischen



Gehalt“ haben?

→ Problem!

Ausweg der Natur: Symmetrisierungspostulat, nächstes Kapitel

3.5.2 Symmetrisierungspostulat
Problem (siehe 3.5.1 S.105): Austauschentartung

Ausweg der Natur: Zusätzliches Postulat (empirisch festgestellt)


3.5. IDENTISCHE TEILCHEN 107

Symmetrisierungspostulat, erste Formulierung


Der Zustandsraum ist reduziert: Er enthält nur Zustandsvektoren, die
simultane Eigenvektoren aller Permutationsoperatoren sind.

3.5.2.1 Konstruktion des reduzierten Zustandsraums


• Es genügt, simultane Eigenvektoren aller Transpositionen zu suchen, da
man aus ihnen beliebige Permutationen zusammensetzen kann.

• Es gilt: Tij2 = 1̂ ⇒ Eigenwerte von Tij sind ±1


Für einen vorgegebenen simultanen Eigenvektor |ψi müssen die Eigen-
werte aller Transpositionen dasselbe Vorzeichen haben
(da: Tkl = Tik Tjl Tij Tik Tjl

⇒ λkl |ψi = Tkl |ψi = λik λjl λij λik λjl |ψi = λ2ik λ2jl λij |ψi = λij |ψi = Tij |ψi )
|{z} |{z}
1 1

; Zwei Möglichkeiten

Eigenwert +1 (Tij |ψi = |ψi) → Zustandsvektor total symmetrisch


P |ψ S i = |ψ S i für alle P
Eigenwert −1 (Tij |ψi = −|ψi) → Zustandsvektor total antisymmetrisch
(
1 : P gerade Permutation
P |ψ A i = (−1)P |ψ A i mit (−1)P =
−1 : P ungerade Permutation

Symmetrische und antisymmetrische Zustandsvektoren bilden jeweils Unterräume


des (N-Teilchen)-Hilbertraums

Konstruktion von symmetrischen/antisymmetrischen Zustandsvektoren → z.B.


über Projektion eines allgemeinen Vektors in entsprechenden Unterraum

Projektionsoperatoren:

1 X
Symmetrischer Unterraum: S = Pα
N!
alle Permutationen α
1 √
( |ψ S i = S|ψi ⇒ Pβ |ψ S i = Pβ Pα |ψi = N1 ! Pγ |ψi = S|ψi = |ψ S i
P P
N!
)
α | {z } γ

1 X
Antisymmetrischer Unterraum: A = (−1)Pα Pα
N!
alle Permutationen α
( |ψ A i = A|ψi ⇒ Pβ |ψ A i = 1
(−1)Pα Pβ Pα |ψi = N1 ! (−1)Pγ −Pβ Pγ |ψi
P P
N!
α | {z } γ

1 √
= (−1)Pβ (−1)Pγ Pγ |ψi = (−1)Pβ A|ψi = (−1)Pβ |ψ A i
P
N!
)
γ

Beispiele:

- Zwei Teilchen, Einteilchenvektoren |ψα i1 , |ψα i2


Basisvektoren des Produktraums: |ψα1 i1 |ψα2 i2
Projektion der Basisvektoren
108 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

Symmetrisch: |ψαS1 α2 i ∝ (|ψα1 i1 |ψα2 i2 + |ψα2 i1 |ψα1 i2 )


Antisymmetrisch: |ψαA1 α2 i = √12 (|ψα1 i1 |ψα2 i2 − |ψα2 i1 |ψα1 i2 )
- Drei Teilchen, Einteilchenvektoren |ψα i1 , |ψα i2 , |ψα i3
Basisvektoren des Produktraums: |ψα1 i1 |ψα2 i2 |ψα3 i3
Projektion der Basisvektoren
(S=Symmetrisch: +, A=Antisymmetrisch: -):
S/A
|ψα1 α2 α3 i
∝ [|ψα1 i1 |ψα2 i2 |ψα3 i3 + |ψα2 i1 |ψα3 i2 |ψα1 i3 + |ψα3 i1 |ψα1 i2 |ψα2 i3
±(|ψα2 i1 |ψα1 i2 |ψα3 i3 + |ψα3 i1 |ψα2 i2 |ψα1 i3 + |ψα1 i1 |ψα3 i2 |ψα2 i3 )]
- N Teilchen, Einteilchenvektoren |ψα i1 , . . . |ψα iN
Basisvektoren des Produktraums: |ψα1 i1 |ψα2 i2 · · · |ψαN iN
Projektion der Basisvektoren
Symmetrisch: |ψαS1 ···αN i ∝ {|ψα1 i1 · · · |ψαN iN + alle Permutationen }

|ψα i1 · · · |ψα iN
1 1
A
Antisymmetrisch: |ψα1 ···αN i = N ! .
√1 .
. . . .
.
. .
|ψα i1 |ψαN iN
√ N
(1/ N ! ist Normierungsfaktor) Slater-Determinante

3.5.2.2 Zusammenfassend: Symmetrisierungspostulat, zweite Formu-


lierung
Der Zustandsraum eines Systems von N identischen Teilchen ist ent-
weder vollständig symmetrisch oder vollständig antisymmetrisch. Im er-
sten Fall spricht man von Bosonen, im zweiten von Fermionen. Gemisch-
te Zustandsvektoren gibt es nicht.
→ Damit ist die Austauschentartung aufgehoben.
Bemerkung: Symmetrische und antisymmetrische Zustandsvektoren können
dynamisch nicht ineinander übergehen.
(Andernfalls wäre ein Zeitentwicklungsoperator U (t) möglich
mit |ψ2S i = U (t)|ψ1A i ⇒ hψ2S |U (t)|ψ1A i 6= 0
Da U nur von H abhängt, gilt mit [H, Tij ] = 0 auch [U, Tij ] = 0
−1 †
Weiterhin: Tij |ψ2S i = |ψ2S i; Tij |ψ1A i = −|ψ1A i; Tij = Tij = Tij

⇒ hψ2S |U (t)|ψ1A i = hTij ψ2S |U (t)|ψ1A i = hψ2S |Tij U (t)|ψ1A i = hψ2S |Tij U (t)|ψ1A i
= hψ2S |U (t)Tij |ψ1A i = −hψ2S |U (t)|ψ1A i
⇒ hψ2S |U (t)|ψ1A i = 0 für alle U (t) Widerspruch!)

Frage: Wann sind Teilchen Bosonen oder Fermionen?


Antwort: Spin-Statistik-Theorem (Spin → siehe Kapitel 4 S.121)
In der relativistischen Quantenfeldtheorie kann man zeigen, dass Teilchen
mit ganzzahligem Spin keine Fermionen sein können, und Teilchen mit
halbzahligem Spin keine Bosonen.
Fermionen: Halbzahliger Spin (z.B. Elektronen, He3 )
Bosonen: Ganzzahliger Spin (z.B. Photonen, He4 )
(Weitere Bemerkung: Zwei Dimensionen → Anyonen und Zopfgruppen)
3.5. IDENTISCHE TEILCHEN 109

3.5.2.3 Folgerungen aus dem Symmetrisierungspostulat


∗ Pauliprinzip: Zwei Elektronen können nicht exakt den gleichen Einteilchen-
zustand einnehmen.
→ Sehr grundlegend: Verantwortlich dafür, dass die Materie trotz elek-
trostatischer Kräfte nicht kollabiert.

∗ Statistik:

Beispiel: Zwei Teilchen in einem Zwei-Niveau-System (+, −)


Basisvektoren des Zustandsraums für
- unterscheidbare Teilchen: |b1 i = |+i1 |+i2 ; |b2 i = |+i1 |−i2 ;
|b3 i = |−i1 |+i2 ; |b4 i = |−i1 |−i2 ;
- Bosonen: |b1 i = |+i1 |+i2 ; |b2 i = √12 (|+i1 |−i2 + |−i1 |+i2 );
|b3 i = |−i1 |−i2 ;
- Fermionen: |bi = √12 (|+i1 |−i2 − |−i1 |+i2 );
; Im Vergleich zu unterscheidbaren Teilchen haben bei Bosonen
Zustände, in denen beide Teilchen im gleichen Einteilchenzu-
stand sind, ein höheres Gewicht, und tretenP
bei Fermionen dafür
gar nicht auf. (Statistischer Operator: % = %nm |bn ihbm |)
mn
Salopp:
Fermionen meiden einander (Pauli-Abstoßung)
Kennzeichen der Fermi-Dirac-Statistik
Bosonen suchen einander (Bose-Anziehung)
Kennzeichen der Bose-Einstein-Statistik
Mehr dazu in der Vorlesung Statistische Mechanik“

110 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

3.6 Übungen
3.6.1 Blatt 6
Quicky:
49) Was ist ein Hilbertraum?

50) Wie lautet die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung und wann gilt sie?

51) Wie lautet die Dreiecksungleichung und wann gilt sie?

52) Was ist eine Basis?

53) Was versteht man unter “Zerlegung der Eins” in einer Basis?

54) Wie werden Vektoren in einer Basis dargestellt?

55) Wie werden Operatoren in einer Basis dargestellt?

56) Was transformieren sich Darstellungen eines Vektors bei Basiswechsel?

57) Was ist ein unitärer Operator?

58) Was ist ein hermitescher, was ein selbstadjungierter Operator?

59) Was versteht man unter einem Projektionsoperator?


Aufgaben:
16) Operatoren im Hilbertraum (5 Punkte)
Betrachten Sie lineare Operatoren in einem Hilbertraum.

(a) Zeigen Sie: Die Spur eines Operators ist unabhängig von der Basis,
in dem sie ausgewertet wird.
(b) Wie transformiert sich die Darstellung Lij eines Operators L bei
Wechsel der Basis |bi i −→ |b0i i?
(c) Berechnen Sie die Spur eines Projektionsoperator, der auf einen d-
dimensionalen Unterraum des Hilbertraums projiziert.

17) Unschärferelation (5 Punkte)


Die Unschärfe eines hermiteschen Operators A bezüglich eines auf 1 nor-
mierten Zustandsvektors |ψi im Hilbertraum ist definiert als ∆A2ψ =
||a2 ψ||2 , mit a = A − 1hψ|A|ψi (der Operator 1 ist der Einheitsopera-
tor).

(a) Zeigen Sie: Wenn Operatoren A und B hermitesch sind, dann sind
auch (AB + BA) und i[A, B] hermitesch.
(b) Beweisen Sie mit Hilfe der Cauchy-Schwarz-Ungleichung, daß
1 1
∆A2ψ ∆Bψ2 ≥ hψ|(ab + ba)|ψi2 + hψ|i[a, b]|ψi2
4 4
3.6. ÜBUNGEN 111

(c) Folgern Sie daraus die Unschärferelation


1
∆Aψ ∆Bψ ≥ |hψ| [A, B]|ψi|
2i

18) Zerfließen von Wellenpaketen ?


In der Vorlesung haben Sie gelernt, daß quantenmechanische Wellenpakete
mit der Zeit zerfließen. Dies steht offenbar im Widerspruch zur Alltagser-
fahrung und zu sonstigen Erfahrungen der Naturwissenschaften. Zum Bei-
spiel wäre Nanotechnologie unter solchen Umständen sehr erschwert, und
man kann sich schwer ein funktionierendes biologisches System vorstel-
len, in dem die Proteine etc. immer weiter zerfließen. Überlegen Sie sich,
welche Mechanismen dazu führen könnten, daß Objekte (makroskopische
Teilchen, Nanoteilchen, Moleküle) meistens doch lokalisiert bleiben.
Für diese Aufgabe gibt es keine Punkte, weil es (noch) nichts zu rechnen
gibt. Sie sollen “nur” darüber nachdenken.
Bemerkung: De facto “pendelt” sich die Ausdehnung eines Objektes auf
p
die sogenannte thermische de-Broglie Wellenlänge ein, λ = 2π~2 /kB T m
(kB ist die Boltzmann-Konstante).
112 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

3.6.2 Blatt 7
Quicky:

60) Erläutern Sie die Eigenwertgleichung eines Operators O.

61) Welche Eigenschaften haben die Eigenwerte und Eigenvektoren von her-
miteschen Operatoren? von selbstadjungierten Operatoren?

62) Welche Eigenschaften haben konkret die Eigenwerte und Eigenvektoren


von Projektionsoperatoren?

63) Wie lautet die Spektraldarstellung eines selbstadjungierten Operators?

64) Wie lautet die Spektraldarstellung einer Funktion f (O) eines selbstadjun-
gierten Operators O?

65) Welche Grundkonzepte (“Postulate”) liegen der Quantenmechanik zugrun-


de?

66) Was ist ein quantenmechanischer Zustand? Wie wird er mathematisch


beschrieben?

67) Wie werden dynamische Größen mathematisch beschrieben?

68) Was versteht man unter einem vollständigen Satz kommutierender Obser-
vablen?

69) Was ist der statistische Operator?

70) Wie berechnet man den Erwartungswert einer dynamischen Größe in einem
quantenmechanischen System?

71) Welche Meßwerte können bei der Messung einer dynamischen Größe auf-
treten? Welche nicht? Warum nicht?

72) Mit welcher Wahrscheinlichkeit tritt ein konkreter Meßwert auf?

73) Was versteht man unter einem “reinen” Zustand?

74) Wie lautet die allgemeine Version der Unschärferelation?

75) Was versteht man unter einem Zeitentwicklungsoperator?

76) Welche Eigenschaften muß der Zeitentwicklungsoperator haben und warum?

Aufgaben:

19) Statistischer Operator (5 Punkte)

(a) Gegeben sei ein statistischer Operator ρ. Zeigen Sie, daß 1−ρ positiv
definit ist.
3.6. ÜBUNGEN 113

(b) Zeigen Sie: Damit ein hermitescher, positiv definiter Operator ρ mit
Spur 1 einen reinen Zustand beschreibt, ist es notwendig und hinrei-
chend, daß Sp(ρ2 ) = 1.
(Hinweis: Benutzen Sie die Eigendarstellung von ρ).
(c) Beweisen Sie im Schrödingerbild das Ehrenfest-Theorem

d i ∂A
hAi = h [H, A]i + h i
dt ~ ∂t
für beliebige (nicht notwendig reine) quantenmechanische Zustände.
(Benutzen Sie die von-Neumann-Gleichung).

20) Unitäre Operatoren (5 Punkte)

(a) Beweisen Sie: Die Eigenwerte eines unitären Operators sind komplexe
Zahlen vom Betrag 1.
(b) Zeigen Sie, daß der Operator exp(iαA) (α reell) genau dann unitär
ist, wenn A hermitesch ist.
(c) Es sei f = f (A, B) eine Operatorfunktion und U ein unitärer Ope-
rator. Zeigen Sie, daß der transformierte Operator f¯ = U f U + sich
dadurch ergibt, daß man im Argument von f die transformierten
Operatoren Ā = U AU + und B̄ = U BU + einsetzt: f¯ = f (Ā, B̄).

21) Observablen (5 Punkte)


In Aufgabe 13 haben Sie gezeigt, daß der Radialimpuls p̂r = 12 ( 1r̂ ~rˆp~ˆ + p~ˆ~rˆ 1r̂ )
die Bedingung hφ|p̂r ψi = hp̂r φ|ψi erfüllt, wenn er auf dem Hilbertraum
der Funktionen mit

lim rψ(~r) = 0 lim rψ(~r) = 0


r→0 r→∞

definiert ist. Zeigen Sie nun, daß er dennoch als Observable nicht in Frage
kommt.
~1 ∂
(a) Zeigen Sie zunächst: In Ortsdarstellung gilt p̂r = i r ∂r r.
(b) Für Observablen gilt, daß die Eigenfunktionen den Hilbertraum auf-
spannen. Wie sehen die Eigenfunktionen des Radialimpulses aus?
Diskutieren Sie den Befund.
114 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

3.6.3 Blatt 8
Quicky:

77) Erläutern Sie den Unterschied zwischen dem Schrödingerbild und dem
Heisenbergbild

78) Wie entwickeln sich Zustandsvektoren, Observablen, statistische Operato-


ren zeitlich im Schrödingerbild?

79) Wie entwickeln sich Zustandsvektoren, Observablen, statistische Operato-


ren zeitlich im Heisenbergbild?

80) Wie hängen die Ausdrücke für Zustandsvektoren, Observablen, statistische


Operatoren im Heisenbergbild und im Schrödingerbild zusammen?

81) Beantworten Sie 80) konkret für den Fall, daß der Hamiltonoperator nicht
explizit zeitabhängig ist.

82) Was bedeutet “explizit zeitabhängig” ? Nennen Sie Beispiele für explizit
zeitabhängige und nicht explizit zeitabhängige Observablen.

82) Wie lautet die von-Neumann-Gleichung und wann wird sie angewendet?

83) Wie lautet die Heisenberg-Gleichung und wann wird sie angewendet?

84) Erläutern Sie das Wechselwirkungsbild.

85) Wie entwickeln sich Erwartungswerte zeitlich im Schrödingerbild, im Hei-


senbergbild, im Wechselwirkungsbild?

Aufgaben:

22) Heisenbergbild (4 Punkte)


Betrachten Sie die Bewegung eines (kräfte)freien eindimensionalen Teil-
chens der Masse m.

(a) Stellen Sie die Heisenberg-Gleichungen für xH (t) und pH (t) auf und
lösen Sie diese.
(b) Berechnen Sie die Kommutatoren
[xH (t), xH (t0 )], [pH (t), pH (t0 )], [xH (t), pH (t0 )].

23) Harmonischer Oszillator im Heisenbergbild (5 Punkte)

(a) Der Harmonische Oszillator wird im Schrödingerbild durch den Ha-


miltonoperator HS = p2S /2m + 1/2 mω 2 x2s beschrieben. Zeigen Sie,
daß er im Heisenbergbild als Funktion der Operatoren pH und xH
die gleiche funktionale Form hat.
(b) Stellen Sie die Heisenberg-Gleichung für xH (t) und pH (t) auf und
lösen Sie diese.
3.6. ÜBUNGEN 115

(c) Stellen Sie die Bewegungsgleichung für die Erwartungswerte hxi und
hpi auf (Ehrenfest-Gleichung). Zeigen Sie, daß diese identisch sind
mit den Bewegungsgleichungen des klassischen harmonischen Oszil-
lators.
(d) Gilt die Aussage von (c) auch noch für Teilchen in einem Potential
die Form V (x) = αx4 ? Diskutieren Sie den Unterschied.

24) Rechnen mit Operatoren (6 Punkte)

(a) Berechnen Sie den Kommutator [~a~r, ~b~


p] für den Ort ~r, den Impuls p~,
und gewöhnlichen komplexen Vektoren im C3 ~a und ~b.
(b) Beweisen Sie die Identität

X λn
eλL M e−λL = [L, M ](n)
n!
n=0

mit [L, M ](0) := M , [L, M ](n) := [L, [L, M ](n−1) ].


Im Fall λ = 1 erhält man die sogenannte Baker-Hausdorff-Formel.
(c) Zeigen Sie: Für [L, [L, M ]] = [M, [L, M ]] = 0 gilt
1
eL+M = eL eM e− 2 [L,M ]

Dies ist der einfachste Fall einer Baker-Campbell-Hausdorff-Identität.


Ein möglicher Lösungsweg geht folgendermaßen vor: Definieren Sie
den Operator G(λ) = eλA eλB . Leiten Sie G nach λ ab und stellen
Sie eine Differentialgleichung für G(λ) auf. Lösen Sie diese mit einem
geeigneten Ansatz für G(λ).
116 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

3.6.4 Blatt 9
Quicky:

86) Was versteht man unter einem “trunkierten statistischen Operator” ?

87) Erläutern Sie den Vorgang der Dekohärenz.

88) Was geschieht nach dem Reduktionspostulat bei einer Messung? Wie
hängen Reduktionspostulat und Dekohärenz miteinander zusammen?

89) Wie lautet der Hamiltonoperator des eindimensionalen harmonischen Os-


zillators? Welche Eigenwerte hat er?

90) Was sind Aufsteige- und Absteigeoperatoren?

Aufgaben:

25) Abzugebende Aufgabe


Überlegen Sie sich mindestens drei Fragen zur Vorlesung.

26) Auf- und Absteigeoperatoren (5 Punkte)


Betrachten Sie einen harmonischen Oszillator in einem elektrischen Feld
E, der durch den Hamiltonoperator

p2 1
H= + mω 2 x2 − eEx.
2m 2
beschrieben wird.

(a) Definieren Sie den Aufsteigeoperator a+ , den Absteigeoperator a und


den Anzahloperator N . Setzen Sie dazu a in der Form a = αx+βp+γ
an und fordern Sie

[H, a+ ] ∝ a+ , [a, a+ ] = 1

(b) Drücken Sie H als Funktion von a und a+ aus, und bestimmen Sie
daraus das Energiespektrum.
(c) Zeigen Sie: [N, ap ] = −pap , und [N, a+p ] = pa+p
(d) Berechnen Sie die Matrixelemente von a, a+ und N in der Energie-
darstellung.

27) Kohärente Zustandsvektoren (8 Punkte)


Ein “kohärenter Zustandsvektor” eines eindimensionalen harmonischen
Oszillators ist definiert als Eigenvektor zum Vernichtungsoperator, a|λi =
λ|λi, wobei λ eine komplexe Zahl ist. Kohärente Zustandsvektoren sind
das, was dem klassischen Bild eines harmonischen Oszillators entspricht:
Das Wellenpaket oszilliert ohne zu zerlaufen zwischen den zwei klassischen
Wendepunkten hin und her. Dies soll im folgenden untersucht werden.
3.6. ÜBUNGEN 117

(a) Zeigen Sie, daß


2 |/2 +
|λi = e−|λ eλa |0i
ein normierter kohärenter Zustandsvektor ist.
(b) Berechnen Sie die Koeffizienten von |λi in Energiedarstellung |λi =
zeigen Sie, dass |cn |2 Poissonverteilt ist.
P
c
n n |ni und
(Eine Zufallsvariable heisst Poissonverteilt, wenn P (n) = αn e−α /n!
gilt.)
(c) Stellen Sie die Zeitentwicklung der kohärenten Zustandsvektoren |λ(t)i
im Schrödingerbild auf und berechnen Sie damit die zeitliche Ent-
wicklung von hxi im reinen Zustand |λihλ|. Zeigen Sie, daß sich hxi
wie ein klassischer harmonischer Oszillator verhält.
(d) Berechnen Sie ∆x2 = hx2 i − hxi2 als Funktion der Zeit.
118 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG

3.6.5 Blatt 10
Quicky:
91) Was versteht man in der Quantenmechanik unter einer Erhaltungsgröße?
Wie lautet die Bedingung dafür, daß eine Observable eine Erhaltungsgröße
ist?
92) Was versteht man unter einer Symmetrieoperation?
93) Wie lautet die Bedingung dafür, daß ein System eine bestimmte Symmetrie
aufweist?
94) Was versteht man unter dem Generator einer kontinuierlichen Symmetrie-
gruppe?
95) Welche physikalische Bedeutung haben die Generatoren der Translations-
gruppe und der Rotationsgruppe?
96) Wie kommutieren die Generatoren der Translationsgruppe miteinander?
Wie die Generatoren der Rotationsgruppe? Warum ist die Antwort ver-
schieden?
97) In welchem konkreten Fall sind die Generatoren der Rotationsgruppe ge-
rade die Komponenten des Bahndrehimpulses?
98) Erläutern Sie den Zusammenhang zwischen Symmetrien und Erhaltungs-
größen in der Quantenmechanik.
99) Nennen und erklären Sie speziell die Erhaltungsgrößen, die aus der Ho-
mogenität der Zeit, der Homogenität des Raums, und der Isotropie des
Raums folgen.
100 Was ist der Paritätsoperator? Welche Eigenschaften hat er?
Aufgaben:
28) Harmonischer Oszillator (5 Punkte)
Betrachten Sie einen eindimensionalen harmonischen Oszillator.

(a) Konstruieren Sie aus den beiden niedrigsten Energieeigenvektoren |0i


und |1i einen kombinierten Zustandsvektor |ψi = α|0i + β|1i derart,
daß der Erwartungswertphxi im reinen Zustand |ψihψ| maximal wird.
(Sie erhalten α = β = 1/2).
(b) Betrachten Sie einen reinen Zustand, der zur Zeit t = 0 durch den
statistischen Operator |ψihψ| beschrieben wird. Berechnen Sie hx(t)i.
(c) Berechnen Sie h∆x2 i als Funktion der Zeit.

29) Korrelationsfunktion (3 Punkte)


Die Ortskorrelationsfunktion ist definiert als C(t) = hx(t)x(0)i, wobei x(t)
der Ortsoperator im Heisenbergbild ist. Berechnen Sie C(t) im Grundzu-
stand des harmonischen Oszillators.
3.6. ÜBUNGEN 119

30) Symmetrietransformationen (6 Punkte)

(a) Zeigen Sie, daß für allgemeine Operatorfunktionen f (~r) gilt:


T (~a)+ f (~r) T (~a) = f (~r + ~a).
Dabei ist T (~a) = exp(− ~i p~~a) der Translationsoperator für eine Trans-
lation um den Ortsvektor ~a.
Hinweis: Es genügt zu zeigen, daß hψ|T (~a)+ f (~r)T (~a)|ψi = hψ|f (~r +
~a)|ψi für alle |ψi. Alternativ können Sie die Operator-Identität auch
direkt beweisen, z. B. mit Hilfe der Baker-Hausdorff-Formel aus Auf-
gabe 24 b), aber das ist sehr viel mühsamer.
(b) Wie transformieren sich statistische Operatoren ρ unter Raumtrans-
lationen? Überlegen Sie sich zunächst anhand einer beliebigen kon-
kretenPDarstellung von ρ
(ρ = n,m |niρnm hm|), wie das Transformationsgesetz wohl lauten
muß . Leiten Sie dann das Gesetz allgemein her aus der Forderung,
daß der Erwartungswert hf (~r)i bei Translation in hf (~r + ~a)i über-
gehen muß . Überprüfen Sie, daß Ihre beiden Gesetze miteinander
konsistent sind.
Verallgemeinern Sie: Wie transformieren sich statistische Operatoren
allgemein unter unitären Symmetrietransformationen S?
(c) Betrachten Sie den Zeitumkehroperator Θ aus der Vorlesung. Er hat
die Eigenschaft, antiunitär zu sein, d. h. für |ψ̃i = Θ|ψi, |φ̃i = Θ|φi
und komplexe Zahlen a, b gilt: hψ̃|φ̃i = hφ|ψi, und Θ(a|φi + b|ψi) =
a∗ |φ̃i + b∗ |ψ̃i (antilinear).
Für Zeitumkehroperatoren kann das Transformationsgesetz von (b)
nicht ohne weiteres übernommen werden, da θ nicht unitär ist. In
einer (beliebigen) vorgegebenen Basis |ni kann das Transformations-
gesetz jedoch angegeben werden:
X X
ρ= |niρnm hm| −→ ρ̃ = |ñiρmn hm̃|.
n,m n,m

Dabei ist |ñi = Θ|ni.


Eine Observable A heißt gerade unter Zeitumkehr, wenn Θ−1 AΘ =
+A, und ungerade, wenn Θ−1 AΘ = −A. Zeigen Sie, daß Erwar-
tungswerte hAi unter Zeitumkehr in hAi bzw. −hAi übergehen für
gerade bzw. ungerade Operatoren A.

31) Harmonischer Oszillator mit reflektierender Wand (3 Punkte)


Betrachten Sie ein Teilchen der Masse m in dem eindimensionalen Poten-
tial  1 2 2 :
V (x) = 2 mω x x>0
∞ : x<0
Wie hoch ist die Grundzustandsenergie?
(Bitte nicht rechnen !)
120 KAPITEL 3. ALLGEMEINE FORMULIERUNG
Kapitel 4

Quantenmechanik des
Drehimpulses

c Copyright 2003 Friederike Schmid1 Wir


haben in den Kapiteln 2 S.17 und 3 S.65
bereits einige wesentliche Aspekte des Drehimpulses kennengelernt.
In diesem Kapitel: Systematische Gesamtdarstellung
- Wiederholung, Erweiterung, Ergänzungen (insbesondere: Spin)

4.1 Wiederholung: Bahndrehimpuls


4.1.1 Definition
~ = ~r × p~
Operator: L
~ = ~ ~r × ∇
Ortsdarstellung: L ~
i
~ 2 , Lk ] = 0
Kommutatorrelationen: [Lj , Lk ] = i~εjkl Ll ; [L ∀k = x, y, z

4.1.2 Eigenwerte und Eigenfunktionen


~ 2 und Lz : |lmi
Gemeinsame Eigenvektoren z.B. von L
~ 2 |lmi = ~2 l(l + 1)|lmi
L
Lz |lmi = ~m |lmi
mit l ≥ 0 ganzzahlig; m ganzzahlig, m ∈ [−l : l]

4.1.3 Darstellung in Polarkoordinaten


∂ ∂
Lx = ~
i (− sin ϕ ∂ϑ − cot ϑ cos ϕ ∂ϕ )
∂ ∂
Ly = ~
i (− cos ϕ ∂ϑ − cot ϑ sin ϕ ∂ϕ )
~ ∂
Lz = i ∂ϕ
~ 2 = − ~22 ( sin ϑ
L ∂
sin ϑ ∂
+ ∂2
)
sin ϑ ∂ϑ ∂ϑ ∂ϕ2
1
Prof. Dr. Friederike Schmid, Vorlesung Quantenmechanik (I), Universität Bielefeld, SS
2008. Letzte Änderung der PDF-Datei am 1.08.08.

121
122 KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES

|lmi → Ylm (ϑ, ϕ) Kugelflächenfunktionen


imϕ m dm
mit Ylm (ϑ, ϕ) = N e sin ϑ d cos ϑm Pl (cos ϑ) (m ≥ 0)
| {z }
Legendre-P.
Yl−m (ϑ, ϕ) = (−1)m Ylm (ϑ, ϕ)

Konkret:

Y00 = √1

q
3
Y10 = 4π cos ϑ
q
Y1±1 = ∓ 8π3
sin ϑ e±iϕ

Kugelflächenfunktionen bilden ein vollständiges und orthogonales Funktionen-


system
(; L~ 2 , Lz selbstadjungierte Operatoren)
4.2. ALLGEMEINER DREHIMPULS 123

4.2 Allgemeiner Drehimpuls


4.2.1 Definition
Drehimpuls ↔ Generator einer Drehung (Kapitel 3.4.2.3 S.97)
(eines Systems oder eines Teils eines Systems)
Drehung um Winkel ϕ, Drehachse ϕ
~ /ϕ:
|ψi → |ψ̃i = R(~
ϕ)|ψi mit ϕ) = exp(− ~i ϕ
R(~ ~
~ J)
; Definiert Drehimpuls J~
Konkrete Form hängt vom Zustandsraum {|ψi} ab.

Kommutatorrelationen: [Jj , Jk ] = i~εjkl Jl (gezeigt in 3.4.2.3 S.97)

Folgerungen: Für J~2 = Jx2 + Jy2 + Jz2 gilt:


- [J~2 , Jk ] = 0 für alle k = x, y, z
( z.B. [J~2 , Jx ] = [Jy2 , Jx ] + [Jz2 , Jx ] = Jy [Jy , Jx ] + Jz [Jz , Jx ] + [Jy , Jx ]Jy + [Jz , Jx ]Jz

= −i~(Jy Jz + Jz Jy ) + i~(Jz Jy + Jy Jz ) = 0 )

- J~2 positiv ( hψ|J~2 |ψi = kJx |ψik2 + kJy |ψik2 + kJz |ψik2 ≥ 0 )

4.2.2 Eigenwerte und Eigenvektoren


Suche gemeinsame Eigenvektoren von J~2 und Jz
→ Standarddarstellung“ |jmi

Motiviert durch 4.1 S.121, schreibe Eigenwertgleichung in der Form:
J~2 |jmi = ~2 j(j + 1)|jmi mit j > 0 (da J~2 positiv)
Jz |jmi = ~m|jmi
Lösungsweg: ähnlich wie harmonischer Oszillator in 3.3 S.90, gestützt auf Kom-
mutatoren: Algebraische“ Lösung

Hauptergebnisse

Eigenvektoren von J~2 , Jz : |jmi


erfüllen J~2 |jmi = ~2 j(j + 1)|jmi
Jz |jmi = ~m|jmi
wobei: j ist positiv und halbzahlig oder ganzzahlig
m ∈ [−j, −j + 1, · · · , j − 1, j] ( (2j + 1) mögliche Einstellungen)
p
Es gilt: J+ |jmi = ~p(j − m)(j + m + 1)|j m + 1i
J− |jmi = ~ (j + m)(j − m + 1)|j m − 1i
(modulo Phasenfaktor)
mit J± = Jx ± i Jy

Weitere Ergebnisse und algebraische Herleitung im Vergleich mit Kapitel 3.3 S.90
siehe große Tabelle auf der folgenden Seite
124 KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES

Harmon. Oszillator Drehimpuls


Ausgangs- H = ω2 (p̃2 + x̃2 ) J~2 = Jx2 + Jy2 + Jz2
punkt: [x̃, p̃] = i~ [Jx , Jy ] = i~Jz
(reskalierte Einheiten) (Jz ist eine Zahl!)
Leiter- a = √12~ (x̃ + ip̃) J± = Jx ± i Jy
operatoren a† = √12~ (x̃ − ip̃)
⇒ H = 12 ~ω(a† a + aa† ) J~2 = (J+ J− + J− J+ )/2 + Jz2
Kommu- [a, a† ] = 1 [J+ , J− ] = 2~Jz
tatoren [N, a] = −a [J~2 , J± ] = 0
[N, a† ] = a† [Jz , J± ] = ±~J± (da [Jz , Jx ± iJy ]
mit N = a† a = [Jz , Jx ] ± i[Jz , Jy ] = i~Jy ± ~Jx )
Positive N = a† a J~2
Operatoren N + 1 = aa† J+ J− = Jx2 + Jy2 + ~Jz
= J~2 − Jz2 + ~Jz
J− J+ = Jx2 + Jy2 − ~Jz
= J~2 − Jz2 − ~Jz
Lösung: Sei |ni Eigenvektor Sei |jmi Eigenvektor zu J~2 , Jz ,
zu N , Eigenwert n Eigenwerte ~2 j(j + 1) und ~m
Wirkung N a|ni Jz J± |jmi = J± (Jz ± ~)|jmi
der Leiter- = (n − 1)a|ni = ~(m ± 1)J± |jmi
operatoren N a† |ni ~
J J± |jmi = J± J~2 |jmi
2

= (n + 1)a† |ni = ~2 j(j + 1)J± |jmi


⇒ a|ni ∝ |n − 1i J± |jmi ∝ |j m ± 1i
a† |ni ∝ |n + 1i
Normier- ka|nik2 = hn|a† a|ni kJ± |jmik2 = hjm|J∓ J± |jmi
ung =n = hjm|J~2 − Jz2 ∓ ~Jz |jmi
ka† |nik2 = hn|aa† |ni = ~2 (j(j + 1) − m(m ± 1))
=n+1 = ~2 (j ∓ m)(j ± m + 1)

⇒ a|ni = n|n − 1i J± |jmi

a† |ni = n + 1|n + 1i
p
= ~ (j ∓ m)(j ± m + 1)|j m ± 1i
Positivität N positiv J 2 positiv
⇒ j(j + 1) ≥ 0 bzw. j ≥ 0 (oBdA)
J+ J− positiv ⇒ j(j + 1) − m(m − 1)
= (j + m)(j − m + 1) ≥ 0
⇒ −j ≤ m ≤ (j + 1)
J− J+ positiv ⇒ j(j + 1) − m(m + 1)
= (j − m)(j + m + 1) ≥ 0
⇒ −j − 1 ≤ m ≤ j
⇒ n≥0 j ≥ 0 und −j ≤ m ≤ j
Abbruch- nmin = 0 mmax = j ⇒ J+ |j, ji = 0
bedingung ⇒ a|0i = 0 mmin = −j ⇒ J− |j, −ji = 0
Übrige Zustandsvektoren: Übrige Zustandsvektoren: |j, j − 1i,|j, j − 2i,
|1i, |2i, |3i, . . . . . . bzw. |j, −j + 1i, |j, −j + 2i . . .
Damit es zusammenpasst:
j − k = −j für ein k
⇒ 2j = k ; j ganz- oder halbzahlig
4.3. DER SPIN 125

4.3 Der Spin


Wir haben gesehen: Bahndrehimpulsquantenzahlen sind ganzzahlig, aber prin-
zipiell wären ganzzahlige oder halbzahlige Quantenzahlen möglich.
Frage: Treten halbzahlige Quantenzahlen in der Natur auf?
z.B. einfachster Fall j = 21 ⇒ m = ± 21 (zwei Einstellungen) → gibt es das?

Antwort: Ja - Spin !
4.3.1 Experimenteller Hinweis: Der Stern-Gerlach-Versuch
Idee: Direkte Sichtbarmachung der Quantelung von Jz (Quantenzahl m).

Drehimpuls erzeugt magnetisches Moment (z.B. Bahndrehimpuls µ


~ =
e ~
2mcL)
; Beitrag zum Hamiltonoperator: Hmagn = −~
µB~
Für ungeladene freie Teilchen im Magnetfeld gilt:
d 1 1 ~ µB)
~
dt h~
pi = i~ h[~
p, H]i = i~ h[~
p, Hmagn ]i = ∇(~

⇒ Um die Quantelung von µz (↔ Jz ) sichtbar zu machen, muss man Teilchen


durch ein inhomogenes Magnetfeld in z-Richtung schicken.

Aufbau

Ursprüngliche Erwartung: Aufspaltung in 1, 3, 5 Strahlen je nach Bahndreim-


puls.

Beobachtung (Stern, Gerlach 1921): Aufspaltung in zwei Strahlen !


Atome: Silber → sollten eigentlich gar keinen Bahndrehimpuls haben.
Wiederholung mit Wasserstoff im Grundzustand (1927) → wieder zwei
Strahlen.

Folgerung: Es gibt einen intrinsischen Drehimpuls mit zwei möglichen Einstel-


lungen: Den Spin! → zusätzliche Eigenschaft der Elektronen.

4.3.2 Beschreibung von Teilchen mit Spin


1
4.3.2.1 Ein Teilchen mit Spin 2

Spin: Zusätzlicher Freiheitsgrad

; Erweiterung des Zustandsraums


H = H(0) H(Spin)
N
(Produktraum)
126 KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES

mit H(0) = Zustandsraum eines spinlosen Teilchens


und H(Spin) = Spin-Zustandsraum

Spinobservable: Operator S

~ 2 |ψi = ~2 s(s + 1)|ψi = ~2 3 |ψi für alle |ψi ∈ H


Eigenwerte S 4
Sz |ψ± i = ±~ 12 |ψ± i für Eigenvektoren |ψ± i
~ 2 und Sz kommutieren mit allen bisher bekannten Observablen
S
→ Sz vervollständigt VSKO im erweiterten Zustandsraum

Konstruktion des Raums H(Spin) der Spinzustandsvektoren

H(Spin) : Raum, in dem der Operator S~ wirkt


Basisvektoren: z.B. Eigenvektoren von Sz : |+i, |−i
mit Sz |+i = ~2 |+i; Sz |−i = − ~2 |−i
; Spannen H(Spin) auf → H(Spin) hat zwei Dimensionen
Allgemeiner Vektor: |χi = a|+i + b|−i
(0) (0)
Gesamter Zustandsraum: |ψi = |ψ+ i|+i + |ψ− |−i

4.3.2.2 Konkret: Sz -Darstellung von Spinzuständen und Spinopera-


toren - Paulische Spinor-Schreibweise
Zustandsvektoren:
     
1 0 a
Kets: |+i= ; |−i= ; allgemein |χi = a|+i + b|−i=
0 1 b
b b b

b a∗ b ∗

Bras entsprechend: hχ|=

Spinoperatoren:
~ 2 = 3 ~2 1̂
S ~ 2 |χi =
( da S 3 2
~ |χi für alle |χi )
4 4

~ = ~ ~σ
S mit ~σ = (σx , σy , σz ): Paulimatrizen
2
     
0 1 0 −i 1 0
σx = ; σy = ; σz =
1 0 i 0 0 −1
(Rechnung:
„ «
h+|Sα |+i h+|Sα |−i
Sα = für α = x, y, z
h−|Sα |+i h−|Sα |−i
b
« „
~ 1 0
Sz : Sz |+i = |+i; Sz |−i = − ~2 |−i; ⇒ Sz =
b ~2
2 0 −1
Sx , Sy : aus S± = Sx ± iSy mit S+ |+i = 0, S− |−i = 0 und
1
m = − 12 )
p
S+ |−i = ~ (j − m)(j + m + 1)|+i = ~|+i (denn j = 2
,
1 1
p
S− |+i = ~ (j + m)(j − m + 1)|−i = ~|−i (denn j = 2
, m= 2
)
⇒ Sx |+i = 12 (S+ + S− )|+i = ~2 |−i; Sx |−i = . . . = ~2 |+i
1
Sy |+i = 2i (S+ − S− )|+i = i ~2 |−i; Sy |−i = . . . = −i ~2 |+i

„ « „ «
0 1 0 −i
b ~2
⇒ Sx = b ~2
und Sy = )
1 0 i 0
4.3. DER SPIN 127

Eigenschaften der Pauli-Matrizen:


 
a3 a1 − ia2
für beliebige Vektoren ~a ∈ C3
P
• ~σ · ~a = σi ai =
i a1 + ia2 −a3
• σi† = σi ; det(σi ) = −1; Sp(σi ) = 0
• σi2 = 1; [σi , σj ] = 2iεijk σk ; [σi , σj ]+ = σi σj + σj σi = 2δij
⇒ σi σj = δij · 1̂ + i · εijk σk
(~σ~a)(~σ~b) = ~a~b1̂ + i ~σ (~a × ~b)

4.3.2.3 Identische Spin 12 -Teilchen


Spin 12 -Teilchen sind nach dem Spin-Statistik-Theorem Fermionen

; Gesamtzustandsvektor muss antisymmetrisch sein

Beachte aber: Gesamtzustandsvektor beinhaltet Bahn- und Spinanteil

Beispiel: Betrachte zwei identische Teilchen a, b

Setze Gesamtzustandsvektoren zusammen aus Einteilchen-Bahnvektoren


|ψ1 i, |ψ2 i und Einteilchen-Spinvektoren |+i, |−i.
Möglichkeiten:
|ψi ∝ |ψ1 ia |ψ2 ib |+ia |−ib − |ψ2 ia |ψ1 ib |−ia |+ib
aber auch: antisymmetrischer symmetrischer
Bahnanteil Spinanteil
|ψi ∝ (|ψ1 ia |ψ2 ib − |ψ2 ia |ψ1 ib ) |+ia |+ib
|ψi ∝ (|ψ1 ia |ψ2 ib − |ψ2 ia |ψ1 ib ) (|+ia |−ib + |−ia |+ib )
oder: symmetrischer antisymmetrischer
Bahnanteil Spinanteil
|ψi ∝ (|ψ1 ia |ψ2 ib + |ψ2 ia |ψ1 ib ) (|+ia |−ib − |−ia |+ib )
|ψi ∝ |ψ1 ia |ψ1 ib (|+ia |−ib − |−ia |+ib )

4.3.3 Nichtrelativistischer Spin im elektromagnetischen Feld -


Pauligleichung
Stern-Gerlach-Versuch:
Spin wird dann messbar, wenn Magnetfeld eingeschaltet wird.

Generell gilt für

Geladene Teilchen ohne Spin im elektromagnetischen Feld


Hamiltonoperator: H0 = 1
p − qc A)
2m (~
~ 2 − qφ (q=Ladung)
Teilchen mit Spin
|e| ~
→ magnetisches Moment: µ ~ =: −g 2mc S =: − g2 µ0~σ
|e|~
mit µ0 = 2mc : Magneton
g: gyromagnetischer Faktor
128 KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES

→ zusätzlicher Beitrag zum Hamiltonoperator: −~


µB~

Speziell Elektronen:
Relativistische Quantenmechanik (Diracgleichung) → g = 2
Quantenelektrodynamik: Korrekturen wegen Wechselwirkung mit elek-
tromagnetischem Feld → g ≈ 2 (g = 2.002319304718)
Schrödingergleichung nimmt die Form an
∂ 1 e~ 2 g ~ |ψi Pauligleichung
i~ |ψi = [ p − A)
(~ + eφ + µB ~σ B]
∂t 2m c 2

4.3.4 Wirkung von Drehungen auf Spinzustände


4.3.4.1 Rotationsoperator im Spin-Zustandsraum
~ = exp(− i ϕ ϕ
~ ~σ ϕ
~ ~σ
ϕ) = exp(− ~i ϕ
R(~ ~ S) 2 ~~σ ) = cos( ) −i sin( )
| {z2 } | {z2 }
gerade ungerade
Potenzen von ϕ
~~σ
Es gilt: (~
ϕ~σ )2 = ϕ2 1̂ + i~ ϕ×ϕ
σ (~ ~ ) = ϕ2 1̂
(
1̂ k gerade
; (~ ϕ~σ )k = ϕ k
ϕ~ /ϕ · ~
σ k ungerade
ϕ ϕ
⇒ R(~
ϕ) = cos · 1̂ − i(~σ · ϕ
~ /ϕ) sin
2 2

4.3.4.2 Wirkung auf Spin-Erwartungswerte


Generell: Wirkung einer Drehung auf statistischen Operator %

% → %̃ = R(~ ϕ)†
ϕ) % R(~ (vgl. Aufgabe 30 (3.6.5 S.118))
P P
( da: % = |ni%nm hm| → |ñi%nm hm̃| mit |ñi = R(~
ϕ)|ni )
nm nm

i
ϕ) = e− 2 σz ϕ
Hier: Betrachte oBdA speziell Drehung um z-Achse: R(~
Berechne Wirkung auf hSα i: Sp(%Sα ) → Sp(%̃Sα )
   
hSx i hSx i cos ϕ − hSy i sin ϕ
⇒ Man erhält: hSy i → hSy i cos ϕ + hSx i sin ϕ
hSz i hSz i
Spinerwartungswerte drehen sich wie gewöhnliche Vektoren
(Rechnung dazu: Sp(%̃Sα ) = Sp(R(~ ϕ)† Sα ) = Sp(% R(~
ϕ) % R(~ ϕ)† Sα R(~
ϕ))
i i
R(~ ϕ) = e 2 σz ϕ Sk e− 2 σz ϕ = (cos
ϕ)† Sα R(~ ϕ
2
+ iσz sin ϕ
2
)Sk (cos ϕ2
− iσz sin ϕ
2
)
= ~
2
(cos2 ϕ σ
2 k
+ ϕ
sin2 2 σz σk σz + i sin 2 cos ϕ
ϕ
2
[σ z σk ])
,
[σz , σk ] = 2iεzkl σl ; σz σk = δzk · 1̂ + i · εzkl σl
⇒ σz σk σz = σz δzk +iεzkl σl σz = σz δzk − εzkl εlzm σm = 2σz δzk −σk
| {z }
δkm (1−δzk )
= ~
2
(cos2 ϕ σ + sin2 ϕ
2 k 2
(2σz δzk − σk ) − 2 sin ϕ
2
cos ϕ ε σ)
2 zkl l
2 sin 2 cos 2 = sin ϕ; cos 2 − sin 2 = cos ϕ; sin2 ϕ
ϕ ϕ 2 ϕ 2 ϕ
2
= 1
2
(1 − cos ϕ)

= (cos ϕ Sk + δzk Sz (1 − cos ϕ) − sin ϕ εzkl Sl ) )
4.3. DER SPIN 129

4.3.4.3 Wirkung auf Spinzustandsvektoren

ϕ) |χi = cos ϕ2 |χi − i(~σ · ϕ


R(~ ~ /ϕ) sin ϕ2 |χi

Speziell: Drehung um ϕ = 2π


|χi −→ R |χi = −|χi : Vorzeichenwechsel !

Anschaulich“ im Spinor-Raum:

Vorzeichenwechsel hat keine Auswirkung auf Erwartungswerte, kann aber einen
Effekt machen, wenn es gelingt, Interferenzen zwischen gedrehten“ und

ungedrehten“ Zuständen herbeizuführen.

Experimentelle Realisierung (Rauch et al. 1975, Werner et al. 1975)

~
Neutronen im Magnetfeld B||z
p2 ~ := p2
Neutronen neutral: H = 2m −µ
~B 2m + ωSz
2
p ~ koppelt an Spin)
( 2m koppelt nur an Bahn, µ
~B

g eB
mit ω = : Larmor-Frequenz
2 mc
; Zeitentwicklung der Zustandsvektoren beschrieben durch:
i i
U (t) = e− ~ H t =
b
|{z} e− ~ ωtSz
Spinanteil
; entspricht genau einer Drehung um z-Achse, Winkel ϕ = ωt
Wirkung
0 1auf0Erwartungswerte: 1
hSx i hSx i cos ωt − hSy i sin ωt
@hSy iA = @hSy i cos ωt + hSx i sin ωtA Larmorpräzession“

mit Frequenz ω
hSz i hSz i

Wirkung auf Zustandsvektoren:


|χ(t + 2π
ω )i = −|χ(t)i:
Periode für Zustand ist doppelt so lang wie für Präzession
Experimenteller Aufbau:

; Konstruktive und destruktive In-


terferenz, abhängig vom Magnet-
feld.

konstruktiv: ω ∆t = 2π · 2n

destruktiv: ω ∆t = 2π · (2n + 1)
130 KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES

4.3.5 Drehgruppe und spezielle unitäre Gruppe


4.3.5.1 ϕ) im R3
Drehgruppe: Gruppe der Drehungen D(~
Eigenschaften:

• normerhaltend: kDak2 = kak2 für alle a ∈ R3 ⇒ DT D = 1̂


• Determinante det(D) = 1
( det(DT D) = det(DT ) det(D) = det(D)2 = 1̂ → det(D) = ±1
Vorzeichen +“ folgt daraus, dass Drehungen kontinuierlich ineinander überführt werden

können. )

⇒ Spezielle orthogonale Gruppe SO(3)

- 3 freie Parameter (~
ϕ)
- Infinitesimale Erzeugende:
0 1 0 1 0 1
~ϕ 0 −1 0 0 0 0 0 0 1
W ~
D=e mit Wx = @1 0 0A, Wy = @0 0 −1A, Wz = @ 0 0 0A
0 0 0 0 1 0 −1 0 0

4.3.5.2 Darstellung in Spin 12 -Systemen: Rotationsoperatoren im Spin-


Zustandsraum
cos ϕ2 − inz sin ϕ2 (−inx − ny ) sin ϕ2
 
− 2i ~
σϕ~ ϕ ϕ
R=e ~ /ϕ) sin 2 =
= cos 2 1̂−(~σ ϕ
|{z} (−inx + ny ) sin ϕ2 cos ϕ2 + inz sin ϕ2
~
n
 
a b
=: =: U (a, b) mit |a|2 + |b|2 = 1 (= cos2 ϕ
+ sin2 ϕ
(n2x + n2y + n2z ))
−b∗ a∗ 2 2

Eigenschaften

• komplexe 2 × 2 Matrizen, Untergruppe der 2 × 2 Matrizen


• Unitär: U ∗T = U −1
• Unimodular: det(U ) = 1 ( det(U ) = |a|2 + |b|2 = 1 )

⇒ Spezielle unitäre Gruppe SU(2)

- Wieder 3 freie Parameter


- Zuordnung SO(3) → SU (2): lokal isomorph, aber nicht global:
Zu jeder Drehung D ∈ SO(3) gehören zwei Elemente der SU (2)
(U (a, b) und U (−a, −b))
Hintergrund: Drehung um 2π dreht Vorzeichen um
- Parameter a, b heißen auch Cayley-Klein-Parameter
4.4. ADDITION VON DREHIMPULSEN 131

4.4 Addition von Drehimpulsen


4.4.1 Problemstellung
Gegeben sei ein System mit zwei Drehimpulsen J~(1) , J~(2) ,
(1) (2)
so dass [Ji , Jj ] = 0 für alle i, j.
z.B. Elektron mit Bahndrehimpuls L ~ und Spin S~
Zweiteilchensystem mit je einem Spin Si
Bei Isotropie des Raums ist der Gesamtdrehimpuls die Erhaltungsgröße,
Einzeldrehimpulse nicht mehr notwendig erhalten.
Beispiel: Wasserstoffatom mit Spin-Bahn-Kopplung.
Hamiltonoperator hat Zusatzterm ∝ L ~ · S.
~
~ ~ ~ ~
⇒ [H, L] 6= 0, [H, S] 6= 0, aber [H, L + S] = 0.

Gesamtdrehimpuls: J~ = J~(1) + J~(2)

(1) (1) (2) (2)


· Drehimpuls, denn: [Ji , Jj ] = [Ji , Jj ] + [Ji , Jj ] = i~εijk Jk
· Kommutatoren:
(α)
[Ji , (J~(α) )2 ] = 0; [J~2 , (J~(α) )2 ] = 0, aber [J~2 , Ji ] 6= 0
(Check: Übungsaufgabe).

Mögliche Darstellungen (Basissysteme):

(i) Naheliegend: Eigenvektorenvon ~(1) 2 (J~(2) )2 , Jz(1) , Jz(2) )


 ((J ) ,  
1 0
(z.B. beim Elektron: |lmi und |lmi )
0 1
→ Notation |j1 j2 ; m1 m2 i
(α)
(ii) Andererseits Eigensystem zu Jz unbrauchbar für Lösung der Schrödin-
(alpha)
gergleichung, wenn [H, Jz ] 6= 0.
(α)
; Günstiger wäre häufig Eigensystem zu J~2 , Jz statt Jz
; Alternative Basis: Eigenvektoren von ((J~(1) )2 , (J~(2) )2 , J~2 , Jz )
→ Notation |j1 j2 ; j mi

Basiswechsel von (i) nach (ii)


; Addition von Drehimpulsen“

4.4.2 Additionstheorem
Erste Frage: Welches sind die möglichen Eigenwerte von J~2 , Jz bei vorgegebe-
nen Eigenwerten zu (J~(α) )2 (vorgegebene Quantenzahlen j1 , j2 ) ?

Vorbemerkung: Zustandsvektoren |j1 j2 ; m1 m2 i sind Eigenvektoren zu Jz .


(1) (2)
(Jz |j1 j2 ; m1 m2 i = (Jz + Jz )| · · · i = ~(m1 + m2 )| · · · i =: ~m| · · · i)
Also können sie zur Bestimmung möglicher m-Werte genutzt werden.
132 KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES

OBdA sei j1 > j2 . Mit mα ∈ [−jα , jα ] folgt für die Werte von m:
−j1 j1
−j2 −j1 − j2 · · · j1 − j2
.. ..
. .
j1 + j2 − 2
j1 + j2 − 2 j1 + j2 − 1
j2 j2 − j1 · · · j1 + j2 − 2 j1 + j2 − 1 j1 + j2

Folgerung:

(i) mmax = j1 + j2 ⇒ jmax = mmax = j1 + j2 .


(ii) Übrige Werte von m unterscheiden sich von mmax ganzzahlig.
⇒ j ∈ [jmin , jmin + 1, · · · , jmax − 1, jmax ]
mit jmax = j1 + j1 ; Was ist die Untergrenze jmin ?
(iii) Gesamtzahl der möglichen Kombinationen von m: (2j1 + 1)(2j2 + 1),
wobei viele entartet sind.

Entartungsgrad:
Diese Entartungsstruktur wird reproduziert für jmin = j1 − j2 .

⇒ Additionstheorem: |j1 − j2 | ≤ j ≤ j1 + j2
Anschaulich: Dreiecksungleichung.

NB: Damit ist auch gezeigt, dass der Satz Operatoren ({J~(1) )2 , (J~(2) )2 , J~2 , Jz }
tatsächlich ein VSKO ist (gleiche Anzahl Basisvektoren wie im ursprüng-
lichen System).

4.4.3 Lösung des Problems: Clebsch-Gordan-Koeffizienten


P
Formal: |j1 j2 ; j mi = |j1 j2 ; m1 m2 i hj1 j2 ; m1 m2 |j1 j2 ; j mi
m1 ,m2 | {z }
Clebsch-Gordan-Koeffizienten
NB: Notation in jedem Buch anders; hier: Sakurai

Eigenschaften der Clebsch-Gordan-Koeffizienten

(i) hj1 j2 ; m1 m2 |j1 j2 ; j mi = 0 für m 6= m1 + m2


(1) (2)
( denn: hj1 j2 ; m1 m2 | Jz − Jz − Jz |j1 j2 ; j mi = ~(m − m1 − m2 )h· · · | · · · i = 0 )
| {z }
0

(ii) hj1 j2 ; m1 m2 |j1 j2 ; j mi = 0, falls nicht gilt: |j1 − j2 | ≤ j ≤ j1 + j2


(wegen Additionstheorem)

(iii) Clebsch-Gordan-Koeffizienten können reell gewählt werden.


(Wegen (v,vi): Konstruktion aus Rekursionsrelationen mit reellen Koeffizienten)
4.4. ADDITION VON DREHIMPULSEN 133

(iv) Definieren unitäre Matrix (da Basistransformation)


da sie noch dazu reell sind: orthogonale Matrix (C T C = 1̂)
hj1 j2 ; m1 m2 |j1 j2 ; jmihj1 j2 ; m01 m02 |j1 j2 ; jmi = δm1 m01 δm2 m02
P

jm
hj1 j2 ; m1 m2 |j1 j2 ; jmihj1 j2 ; m1 m2 |j1 j2 ; j 0 m0 i = δjj 0 δmm0
P
m1 m2
Speziell j = j 0 , m = m0
X
→ |hj1 j2 ; m1 m2 |j1 j2 ; jmi|2 = 1 : Normierung
m1 m2

Beziehungen zwischen Clebsch-Gordan-Koeffizienten

(v) Rekursionsrelationen
(1) (2)
Aus hj1 j2 ; m1 m2 |J± − J± − J± |j1 j2 ; j mi = 0
p
und J± |j mi = ~ (j ∓ m)(j ± m + 1)|j m ± 1i folgt:
p
(j ∓ m)(j p ± m + 1)hj1 j2 ; m1 m2 |j1 j2 ; j m ± 1i
= p(j1 ± m1 )(j1 ∓ m1 + 1)hj1 j2 ; m1 ∓ 1 m2 |j1 j2 ; j mi
+ (j2 ± m2 )(j2 ∓ m2 + 1)hj1 j2 ; m1 m2 ∓ 1|j1 j2 ; j mi
; Daraus können Koeffizienten rekursiv bestimmt werden.
(vii) Beziehungen zwischen Koeffizienten für gleiches m
(1) (2) (1) (2)
Es gilt: J~2 = (J~(1) + J~(2) )2 = (J~(1) )2 + (J~(2) )2 + J+ J− + J− J+ +
(1) (2)
2Jz Jz
(α) (α) (α)
(J± = Jx ± Jy )
(1) (2) (1) (2) (1) (2)
Sei Γ = J~2 − (J~(1) )2 − (J~(2) )2 − J+ J− − J− J+ − 2Jz Jz
Aus hj1 j2 ; m1 m2 |Γ|j1 j2 ; j mi = 0 folgt:
0 = {j(j + 1) − j1 (j1 + 1) − 2m1 (m − m1 )} ·
p hj1 j2 ; m1 (m − m1 )|j1 j2 ; j mi
− (j1 + m1 )(j1 − m1 + 1)(j2 − m + m1 )(j2 + m − m1 + 1) ·
p hj1 j2 ; (m1 − 1) (m − m1 + 1)|j1 j2 ; j mi
− (j1 + m1 + 1)(j1 − m1 )(j2 − m + m1 + 1)(j2 + m − m1 ) ·
hj1 j2 ; (m1 + 1) (m − m1 − 1)|j1 j2 ; j mi
; Homogenes Gleichungssystem für hj1 j2 ; m1 (m − m1 )|j1 j2 ; j mi
bestimmt Koeffizienten bis auf konstanten Faktor
Dieser ergibt sich dann aus der Normierungsbedingung (v)
134 KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES

4.4.4 Beispiele
4.4.4.1 Elektronen mit Bahndrehimpuls (und Spin)

J~(1) = S,
~ J~(2) = L
~

Gesamtdrehimpuls: J~ = L
~ +S
~
1
Für die Quantenzahl j muss gelten: j = l ± 2 (wegen (iii))

Rechnung (z.B. über (vii)) (Übungsaufgabe).


q
l±m+ 12
→ h 21 l; ±12 m∓12 | 1
2 l; l+21 mi =
q2l+1 1
l∓m+ 2
h 21 l ; ±12 m∓12 | 1
2 l ; l−21 mi = ∓ 2l+1

z.B. sind Eigenfunktionen zu j = l + 12 gegeben durch:


q q
l+m+ 21 l−m+ 12
| 12 l ; l+21 mi = 2l+1 |ψ 1 i|+i +
l,m− 2 2l+1 |ψl,m+ 12 i|−i
| {z } | {z }
(∗) (∗)
(∗) = Bahndrehimpuls-Eigenfunktion

4.4.4.2 Zwei Spin 21 -Teilchen

J~(1) = S
~1 , J~(2) = S
~2

Gesamtspin: J~ = S
~1 + S
~2

Gesamtspinquantenzahl: j = 0 oder j = 1

Lösung kann von (a) übernommen werden.

j = 1: h 12 1 1 1
2; 2 2 | 21 1
2 ; 1 1i =1 → |1 1i = |+i|+i
h 12 1
2; ±2
1
∓ 1 1
2| 2
1
2 ; 1 0i = √12 → |1 0i = √12 (|+i|−i + |−i|+i)
h 12 1
2; −2
1
− 1 1
2| 2
1
2 ; 1−1i =1 → |1 − 1i = |−i|−i
∓1
j = 0: h 21 1
2; ±2
1
∓ 1 1
2| 2
1
2 ; 0 0i =√ 2
→ |0 0i = √12 (−|+i|−i + |−i|+i)

; Zustandsvektoren zum Gesamtspin j = 1 ( parallele Spins“)



bilden Triplett: |1 1i, |1 0i, |1 − 1i
Triplettzustandsvektoren sind symmetrisch

; Zustandsvektor zum Gesamtspin j = 0 ( antiparallele Spins“)



bildet Singulett |0 0i
Singulettzustandsvektor ist antisymmetrisch!
4.5. ANWENDUNGSBEISPIELE 135

4.5 Anwendungsbeispiele

4.5.1 Helium-Atom

System: Kern (zweifach geladen) und zwei Elektronen 1,2.


(Annahme: Kern sehr viel schwerer als Elektronen
; effektiv zwei Teilchen im Zentralpotential).
Hamiltonoperator H = H1 + H2 + H12
mit Hi = p~2i /2m − 2e2 /r, H12 = e2 /|~r1 − ~r2 |.
Suche Grundzustand.
Wegen [H, S]~ = 0 (Gesamtspin) gilt: Eigenzustand zu S
~ 2.

; Strategie: Suche Zustand niedrigster Energie zu vorgegebenem Gesamtspin,


optimiere dann den Gesamtspin.

(i) Vorab: Einteilchen-Bahnzustandsvektoren für System mit Hamiltonopera-


tor Hi :
→ im Prinzip wie Wasserstoffatom, reskalierte Ladung (e2 → 2e2 ).
2 )2 m
→ gebundene Zustände mit Energie-Eigenwerten En = − (2e
2~2 n2
(vgl. 2.3)
und zugehörigen Eigenvektoren |Φn i

(ii) Zweiteilchensystem ohne Elektronen-Wechselwirkung: H12 = 0.


Gesamtspin S = 0 (Singulett
→ Spinanteil des Gesamtzustands antisymmetrisch.
→ Bahnanteil symmetrisch:
Niedrigste Energie: |ψ0 i = |Φ1 i|Φ1 i mit E = 2E1 .
Gesamtspin S = 1 (Triplett)
→ Spinanteil des Gesamtzustands symmetrisch.
→ Bahnanteil antisymmetrisch.
; Kombination |ψ0 i = |Φ1 i|Φ1 i nicht erlaubt.
; Zustand niedrigster Energie: √12 (|Φ1 i|Φ2 i − |Φ2 i|Φ1 i)
mit Energie E = E1 + E2 .
⇒ Singulettzustand günstiger!

(iii) Beitrag der Elektronen-Wechselwirkung


Abschätzung: Eigenzustände bleiben ungefähr gleich.
Energie hHi = hψ0 |H|ψ0 i = 2E0 + hψ0 |H12 |ψ0 i
Konkrete Berechnung:
Einteilchen-Wellenfunktion Φ1 (~r) = N e−2r/a0 (a0 = ~2 /me).
Zwei Teilchen: ψ0 (~r1 , ~r2 ) R= Φ1 (~r1 )Φ2 (~r2 ) = N 2 e−2(r1 +r2 )/a0
⇒ ∆E ≈ hψ0 |H12 |ψ0 i = d~r1 d~r2 H12 ψ02 = · · · = 45 me4 /~2 .
Vergleiche mit E = 2E1 ⇒ ∆E/E = 5/16 = 0.31
(experimentell ∆E/E = 0.274).
136 KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES

4.5.2 Wasserstoffmolekül und Austauschwechselwirkung in Heitler-


London-Näherung

System: Zwei Kerne A,B und 2 Elektronen 1,2

Hamiltonoperator H = HA (~r1 , p~1 ) + HB (~r2 , p~2 ) + HAB (~r1 , ~r2 )


~2
p 2
mit HA,B (~r, p~) = 2m − |~r−~erA,B |
e2 e2 e2 e2
HAB (~r1 , ~r2 ) = − ~ B | − |~ ~ A | + |R
~ A −R~ B | + |~
r1 −~
r2 |
|~
r1 −R r2 −R
(Zuordnung Kern A ↔ Elektron 1; Kern B ↔ Elektron 2 willkürlich, beliebig)

~
Suche wieder Zustände niedrigster Energie zu H und Gesamtspin S.

Heitler-London-Ansatz
~A − R
(i) Betrachte zuerst den Fall |R ~ B| → ∞
Zustandsvektoren zu Zuständen niedrigster Energie:
• Setzen sich aus Einteilchen-Grundzustandsvektoren |ϕA i, |ϕB i
zu HA , HB und aus Einteilchen-Spinzustandsvektoren zu-
sammen
• Nur ein Elektron pro Kern (wg Elektronenabstoßung)
• Gesamtzustandsvektor muss bzgl. Vertauschung antisymme-
trisch sein.
Gesamtspin S = 0
→ Spinanteil: Singulett |χsing i, antisymmetrisch
; Bahnanteil muss symmetrisch sein
→ |ψs i = |χsing i · √12 (|ϕA i1 |ϕB i2 + |ϕB i1 |ϕA i2 )
Gesamtspin S = 1
→ Spinanteil: Im Triplett |χtrip i, symmetrisch
; Bahnanteil muss antisymmetrisch sein
→ |ψt i = |χtrip i · √12 (|ϕA i1 |ϕB i2 − |ϕB i1 |ϕA i2 )
Zustandsvektoren |ψs i, |ψt i sind entartet bzgl. H → haben alle
Energie 2E1 mit E1 = Grundzustandsenergie des Wasserstoffa-
toms
(ii) Bringe nun Kerne näher aneinander: |R~A − R~ B| < ∞
Näherung: |ψs i und |ψt i beschreiben die Zustände niedrigster Ener-
gie nach wie vor in guter Näherung.
hψt,s |H|ψt,s i
Abschätzung der Energie: Et,s = hψt,s |ψt,s i
(Normierung nötig, da |ϕA i, |ϕB i nicht mehr orthogonal)
Konkret in Ortsdarstellung:
~ A,B |)
Einteilchenwellenfunktion: ϕA,B (~r) = N exp(− a20 |~r − R
Zweiteilchenwellenfunktion (Bahnanteil):
4.5. ANWENDUNGSBEISPIELE 137

ϕt,s (~r1 , ~r2 ) = √1 (ϕA (~


r1 )ϕB (~r2 ) ± ϕA (~r2 )ϕB (~r1 ))
2
(. . . Zwischenrechnung . . .)
hψt,s |ψt,s i = 1 ± S 2 mit S = d~r ϕA (~r) ϕB (~r)
R

hψt,s |H|ψt,s i = hψt,s |HA + HB |ψt,s i + hψt,s |HAB |ψt,s i


| {z } | {z }
2E0 (1±S 2 ) Q±A
mit Q: Coulombenergie“ und A: Austauschenergie“
R ” ”
Q = d~r1 d~r2 ϕA (~r1 )2 ϕB (~r2 )2 HAB (~r1 , ~r2 )
R
A = d~r1 d~r2 ϕA (~r1 ) ϕB (~r1 ) ϕA (~r2 ) ϕB (~r2 ) HAB (~r1 , ~r2 )
Q±A
⇒ Et,s = 2E1 + 1±S 2

Nach Auswertung der Integrale erhält man netto:

; Singulettzustand ist immer


günstiger als Triplettzustand!

Anschaulich:
Singulett: Elektronendichte hat
Maximum zwischen Kernen
; Elektronen profitieren von
beiden Kernen.
Triplett: Elektronendichte hat
Minimum zwischen Kernen
; Elektronen sehen je nur einen
Kern.
Fazit

(1) Austauschwechselwirkung Et − Es > 0


begünstigt Singulettzustand (Spins ↑↓)
⇒ Effektive Wechselwirkung zwischen Spins, erzeugt von
• Pauli-Prinzip (Symmetrisierungspostulat)
• Coulomb-Wechselwirkung
hat nichts mit magnetischer Wechselwirkung (über magnetische
Momente) zu tun.
Nach diesem Prinzip funktionieren alle ferromagnetischen Wechselwirkungen
in Materie (Mechanismen im Detail unterschiedlich, im Prinzip
gleich).
(2) Für Singulettzustand wird Es negativ und nimmt bei einem Abstand
R0 ein Minimum an.
⇒ Elektronen binden Kerne aneinander: Molekülbindung
138 KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES

4.6 Übungen
4.6.1 Blatt 11
Quicky:
101) Wann gelten Teilchen als ununterscheidbar?

102) Welche Forderung müssen die Observablen in einem System ununter-


scheidbarer Teilchen erfüllen?

103) Welche Eigenschaft hat nach dem Symmetrisierungspostulat der Zu-


standsraum eines Systems identischer Teilchen?

104) Worin besteht der Unterschied zwischen Bosonen und Fermionen?

105) Was versteht man unter einer Slater-Determinante und wozu kann man
sie brauchen?

106) Was besagt das Spin-Statistik Theorem?


Aufgaben:
32) Ununterscheidbare Teilchen in Ortsdarstellung (5 Punkte)
Betrachten Sie ein reines System von zwei ununterscheidbaren Teilchen,
die die beiden ersten Zustände ψ0 , ψ1 des harmonischen Oszillators ein-
nehmen.
1 1 1
ψ0 (x) = ( ) 4 exp(− x2 )
π 2
4 1 1
ψ1 (x) = ( ) 4 x exp(− x2 ).
π 2
(a) Wie sieht die Zweiteilchenwellenfunktion Ψ(x1 , x2 ) aus für (i) Boso-
nen, (ii) Fermionen?
(b) Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeit dafür, eines der beiden Teilchen
links vom Ursprung x = 0 und das andere rechts davon zu finden,
jeweils für Bosonen und Fermionen. In welchem der beiden Fälle ist
die Wahrscheinlichkeit größer?
(c) Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeit, beide Teilchen auf der gleichen
Seite des Ursprungs zu finden jeweils für Bosonen bzw. Fermionen.
Vergleichen Sie das Ergebnis mit (b).

33) Heliumatom (8 Punkte)


Der Hamiltonoperator für ein Heliumatom in seinem Schwerpunktsystem
lautet
p~2i e2
H = H1 + H2 + V12 mit Hi = − 2e2 /ri , V12 =
2m |~r1 − ~r2 |
Dabei sind ~r1 und ~r2 die Relativkoordinaten der Elektronen bezüglich der
Lage des Kerns.
4.6. ÜBUNGEN 139

(a) Betrachten Sie zuerst ein Einteilchensystem mit dem Hamiltonope-


rator Hi . Geben Sie die Energieeigenwerte an. Worin unterscheiden
sich die Eigenzustandsvektoren |nlmi (Ortsraumdarstellung) von de-
nen des Wasserstoffatoms?
(b) Untersuchen Sie nun das gesamte Zweiteilchensystem, aber vernach-
lässigen Sie zunächst noch den Wechselwirkungsterm V12 . Konstru-
ieren Sie aus den Einteilchen-Eigenzustandsvektoren die Zustands-
vektoren mit den beiden niedrigsten Energien für den Fall, dass die
Teilchen keine inneren Freiheitsgrade haben und (i) Bosonen, (ii)
Fermionen sind. Diskutieren Sie den Entartungsgrad dieser Energie-
eigenwerte.
(c) Elektronen sind konkret Fermionen, haben aber einen zusätzlichen
Freiheitsgrad, nämlich den Spin. Die Hilberträume für den Spin-
Freiheitsgrad der beiden Teilchen können jeweils von zwei Basisvek-
toren |+i und |−i aufgespannt werden.
Konstruieren Sie den Zustandsvektor niedrigster Energie für Elek-
tronen im Fall V12 = 0. Ist er entartet?
(d) Die Verschiebung der Grundzustandsenergie nach Einschalten des
Wechselwirkungsterms V12 kann durch die einfache Formel ∆E ≈
h0|V12 |0i abgeschätzt werden, wobei |0i den Grundzustand im Sy-
stem V12 = 0 darstellt (mehr dazu in Kapitel 5). Berechnen Sie
damit ∆E.
Hinweis: Der Grundzustand des Einteilchensystems (a) hat im Orts-
raum die Einteilchenwellenfunktion ψ0 (r) = N exp(−2r/a0 ) (mit
a0 = ~2 /me2 ).
R1 √
Es gilt: −1 du/ a2 + b2 − 2ab u = (|a + b| − |a − b|)/(ab).

34) Mehrere Teilchen im harmonischen Oszillator (4 Punkte)


Gegeben seien N nicht wechselwirkende identische Teilchen ohne innere
Freiheitsgrade in einem eindimensionalen harmonischen Oszillatorpoten-
tial.

(a) Wie hoch ist die Grundzustandsenergie im Fall von Bosonen, von
Fermionen? Wie sieht jeweils der Grundzustand aus?
(b) Betrachten Sie den Fall N = 2. Das System werde durch den sta-
tistischen Operator ρ = Z1 (e−βH ) charakterisiert. Berechnen Sie die
Normierungskonstante Z für Bosonen und Fermionen. Nehmen Sie
dabei an, daß β so groß ist, daß Sie nur die Zustandsvektoren mit den
jeweils drei niedrigsten Energieniveaus zu berücksichtigen brauchen.
(c) (optional) Wenn Sie Spaß an kombinatorischen Problemen haben:
Versuchen Sie, (b) exakt (unter Berücksichtigung aller Energiezu-
stände) zu lösen und zu verallgemeinern für den Fall beliebiger N .
140 KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES

4.6.2 Blatt 12
Quicky:

~
107) Welches ist die definierende Eigenschaft eines Drehimpulsoperators J?

108) Welche Bedeutung haben die Drehimpulsquantenzahlen j und m? Welche


Werte können sie annehmen?

109) Was versteht man unter einem Spin?

110) Erklären Sie den Stern-Gerlach Versuch.

111) Welche Form hat der Spinoperator zum Spin 1/2 in der Spinorschreib-
weise?

112) Schreiben Sie die Pauli-Matrizen auf.

113) Wie lautet die Pauli-Gleichung?

Aufgaben:

35) Drehimpulskommutatoren und Paulimatrizen (5 Punkte)

(a) Zeigen Sie: Aus der Kommutator-Relation [Ji , Jj ] = i~ijk Jk für all-
gemeine Drehimpulse J~ folgen für die Leiteroperatoren J± = Jx ± iJy
die Kommutator-Relationen:
[J 2 , J± ] = 0, [J+ , J− ] = 2~Jz , [Jz , J± ] = ±~J± .
(b) Beweisen Sie die folgenden Eigenschaften der Pauli-Matrizen σi ((~σ =
(σx , σy , σz )):
• σi σj = δij 1 + iijk σk
• (~σ~a) (~σ~b) = ~a~b 1 + i~σ (~a × ~b) für komplexe Vektoren ~a, ~b.
• für hermitesche 2×2 Matrizen A gilt: A = 12 Sp(A)1+ 21 ~σ Sp(~σ A).

36a) Statistischer Operator eines Spinsystems (5 Punkte)

(a) Betrachten Sie ein System eines Spin-1/2-Teilchens. Die Spin-Er-


wartungswerte hSx i, hSy i, und hSz i seien bekannt. Konstruieren Sie
daraus den statistischen Operator im Spin-Zustandsraum. (In Spi-
norschreibweise erhalten Sie eine 2 × 2 Matrix.)
(b) Welche Bedingung müssen hSx i, hSy i, und hSz i erfüllen, wenn das
System ein reines System ρ = |χihχ| ist?
Hinweis: Zeigen Sie zunächst: Für reine Systeme gilt det(ρ)=0.
(c) Betrachten Sie nun ein solches reines System ρ = |χihχ|. Konstruie-
ren Sie den Zustandsvektor |χi aus hSx i, hSz i und der Kenntnis des
Vorzeichens von hSy i.
4.6. ÜBUNGEN 141

36b) Ununterscheidbare Teilchen (4 Punkte)


Betrachten Sie drei identische Spin-1 Teilchen. Die Drehimpuls-Eigenzu-
stände eines einzelnen Teilchens werden mit |+i, |0i, |−i bezeichnet.

(a) Konstruieren Sie vollständig symmetrische Gesamtspinzustandsvek-


toren für den Fall, daß
(i) alle drei Teilchen den Zustand |+i besetzen,
(i) zwei in |+i sind und einer in |0i ist,
(i) alle drei in verschiedenen Zuständen sind.
Welche Symmetrie muß der Bahnanteil des Gesamtzustandsvektors
haben?
(b) Versuchen Sie, für die drei Fälle aus (a) jeweils einen völlig antisym-
metrischen Zustandsvektor zu konstruieren.
Welche Symmetrie muß hier der Bahnanteil des Gesamtzustandsvek-
tors haben?
142 KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES

4.6.3 Blatt 13
Quicky:
114) Wie verhalten sich Spin-Zustandsvektoren unter Drehungen, wie Spin-
Erwartungs- werte?
115) Was versteht man unter “Addition von Drehimpulsen”? Wozu braucht
man sie?
116) Was sind Clebsch-Gordan-Koeffizienten?
117) Welche Werte kann die Quantenzahl j des Gesamtdrehimpulses in einem
System aus zwei gekoppelten Drehimpulsen mit Quantenzahlen j1 und j2
annehmen? Wie kann man die Antwort anschaulich interpretieren?
117) Wie sehen die Eigenvektoren zum Gesamtspin in einem System zweier
gekoppelter Spin 1/2 aus? Erklären Sie die Begriffe Singulett und Triplett
und diskutieren Sie die Symmetrieeigenschaften.
118) Erklären Sie den Ursprung und die Wirkung der Austauschwechselwir-
kung im Wasserstoffmolekül.
Aufgaben:
37) Clebsch-Gordan-Koeffizienten (5 Punkte)
In der Vorlesung wurde die folgende Beziehung gezeigt:
 
0 = j1 (j1 + 1) + j2 (j2 + 1) + 2m1 (m − m1 ) − j(j + 1) ·
hj1 , j2 ; m1 , m − m1 |j1 , j2 ; j, mi
p
+ (j1 +m1 )(j1 −m1 +1)(j2 −m+m1 )(j2 +m−m1 +1) ·
hj1 , j2 ; m1 −1, m−m1 +1|j1 , j2 ; j, mi
p
+ (j1 +m1 +1)(j1 −m1 )(j2 −m+m1 +1)(j2 +m−m1 ) ·
hj1 , j2 ; m1 +1, m−m1 −1|j1 , j2 ; j, mi
|hj1 , j2 ; m1 , m2 |j1 , j2 ; j, mi|2 = 1.
P
Weiterhin gilt die Normierung
m1 ,m2

Berechnen Sie damit h 12 , l; ± 21 , m ∓ 21 | 12 , l; j, mi


= Clebsch-Gordan Koeffi-
zienten der Addition eines Bahndrehimpulses L mit einem Spin 21 für alle
möglichen Werte von j und m.
(Die Lösung wurde in der Vorlesung angegeben bzw. kann in jedem Quan-
tenmechanikbuch nachgeschlagen werden.)
38) Identische Teilchen (3 Punkte)
Können zwei Protonen mit relativem Bahndrehimpuls l = 1 sich in einem
Spin-Singulett-Zustand befinden? Begründen Sie Ihre Antwort.
39) Austauschwechselwirkung (7 Punkte)
In der Vorlesung wurde die Austauschwechselwirkung im Wasserstoffmo-
lekül in Heitler-London Näherung diskutiert. Dies soll in dieser Aufgabe
reproduziert und vertieft werden.
4.6. ÜBUNGEN 143

Betrachten Sie zwei Elektronen am Ort ~r1 und ~r2 im Feld zweier Ker-
ne A und B (Kernkoordinaten R ~ A und R
~ B ). Der Hamiltonoperator des
gesamten Systems lautet

p~21 p~2 e2 e2
H= + 2 − − + H12 (~r1 , ~r2 )
2m 2m |~r1 − R~ A | |~r2 − R~ B|

e2 e2 e2 e2
mit H12 (~r1 , ~r2 ) = − − + + .
~ B|
|~r1 − R ~ A|
|~r2 − R ~A − R
|~r1 − ~r2 | |R ~ B|

(a) Die Einteilchenwellenfunktion des Grundzustandes im Feld des Kerns


A sei φA (~r) und die im Feld des Kerns B sei φB (~r). Konstruieren Sie
aus diesen Wellenfunktionen und den Einteilchen-Spinzustandsvektoren
|+i und |−i mögliche Zweiteilchenzustandsvektoren |ψs i zum Ge-
samtspin 0 (Singulettzustand) und |ψt i zum Gesamtspin 1 (Triplett-
zustände).
R
Definieren Sie S = d~r φA (~r)φB (~r), ohne es explizit auszurechnen,
und normieren Sie die Zustandsvektoren |ψs,t i damit.
Von den Zustandsvektoren aus (a) sind diejenigen mit den Bahnan-
teilen φ(~r1 , ~r2 ) = φA (~r1 )φA (~r2 ) bzw. φ(~r1 , ~r2 ) = φB (~r1 )φB (~r2 ) ener-
getisch sehr ungünstig. Warum? (Qualitative Antwort genügt).
(b) Die Energien Es , Et der verbleibenden Zustandsvektoren können
über Es,t = hψs,t |H|ψs,t i/hψs,t |ψs,t i. abgeschätzt werden. Zeigen Sie,
daß das Ergebnis die Form Es,t = 2E1 + (Q ± A)/(1 ± S 2 ) hat, wo-
bei E1 die Grundzustandsenergie des Wasserstoffatoms ist, S wie in
(a) definiert ist, und Q und A gegeben sind durch:
Z
Q = d~r1 d~r2 φA (~r1 )2 φB (~r2 )2 H12 (~r1 , ~r2 )
Z
A = d~r1 d~r2 φA (~r1 )φA (~r2 )φB (~r1 )φB (~r2 )H12 (~r1 , ~r2 ).

Q wird auch Coulombenergie genannt, und A Austauschenergie.


(c) Eine Auswertung der Integrale in (b) liefert Et > Es . Also ist der
Singulett-Zustand mit dem Gesamtspin 0 energetisch günstiger als
die Triplett-Zustände mit dem Gesamtspin 1.
Konstruieren Sie einen effektiven Hamiltonoperator im Zweiteilchen-
Spin-Zustandsraum, der diesen Sachverhalt quantitativ reproduziert:
Machen Sie den Ansatz
~1 S
Heff = E0 + J S ~2 .

Fordern Sie Heff |χsing i = Es |χsing i für den Singulettzustandsvektor


und Heff |χtrip i = Es |χtrip i für Triplettzustandsvektoren, und bestim-
men Sie daraus E0 und die effektive Spin-Spin-Kopplung J als Funk-
tion von Es und Et .
144 KAPITEL 4. QUANTENMECHANIK DES DREHIMPULSES
Kapitel 5

Näherungsverfahren

c Copyright 2003 Friederike Schmid1


Problem: Exakte Lösung der Schrödingergleichung ist nur in sehr wenigen


Fällen zugänglich
; Entwicklung von Näherungsverfahren notwendig ;
• Ermöglichen analytische Behandlung von Näherungslösungen
• Ausgangspunkt für numerische Behandlung
• (Beispiel: Kapitel 4.5.2 S.136 - Heitler-London-Näherung )
→ Abschätzung der Grundzustandsenergie über hψ̃|H|ψ̃i, wobei |ψ̃i
ein Näherungsansatz für Grundzustand ist
→ Näherungsverfahren, bislang aber sehr unsystematisch )
In diesem Kapitel sollen verschiedene Näherungsverfahren eingeführt werden:
5.1 S.145: Variationsrechnung
Verfeinerte Version des oben diskutierten Ansatzes
Grundzustand wird erraten und dann noch optimiert
5.2 S.146, 5.3 S.155: Störungsrechnung
Systematischer Zugang für den Fall, dass das betrachtete System
einem exakt lösbaren System zumindest ähnlich ist.

5.1 Variationsverfahren
Ausgangspunkt: Hamiltonoperator H, beliebiger Zustandsvektor |φi

Definiere Funktional I[φ] = hφ|H|φi


hφ|φi
Dann gilt:
(i) I[φ] ≥ E0 (Grundzustandsenergie) für alle |φi
(denn:
X P P √
hφ|H|φi = hφ|H|nihn|φi = En hφ|nihn|φi ≥ E0 hφ|nihn|φi = E0 hφ|φi )
n n n
| {z }
Eigenvektoren von H

1
Prof. Dr. Friederike Schmid, Vorlesung Quantenmechanik (I), Universität Bielefeld, SS
2008. Letzte Änderung der PDF-Datei am 1.08.08.

145
146 KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN

(ii) Allgemeiner: Eigenvektoren von H machen I[φ] extremal.


(Beweis: Betrachte |φi = |ki + ε|ηi, wobei |ki Eigenvektor von H und ε|ηi eine
hφ|H|φi E hk|ki+Ek (hk|ηiε+hη|kiε∗ )+|ε|2 hη|H|ηi
kleine Abweichung. I[φ] = hφ|φi
= k hk|ki+(hk|ηiε+hη|kiε ∗ )+|ε|2 hη|ηi
1+(hk|ηiε+hη|kiε∗ )+|ε|2 hη|H|ηi1/Ek
= Ek 1+(hk|ηiε+hη|kiε∗ )+|ε|2 hη|ηi
hη|H|ηi−E hη|ηi √
= Ek +|ε|2 1+(hk|ηiε+hη|kiεk∗ )+|ε|2 hη|ηi = Ek +O(ε2 ) )

; Legt Lösungsverfahren nahe:

Rate“ Testfunktion |φi, die von Parametern λ1 , . . . , λn abhängt



Berechne I[φ] = J(λ1 , . . . , λn ) und minimiere

Beispiel: Variationsverfahren für Grundzustand von Wasserstoff


~2
Rate |φi ∝ e−r/λ ; Minimiere J(λ); → λ = me2
(vgl. 2.3.4 S.52)

Anwendung: Vor allem Vielteilchensysteme

|φi wird als Produkt von Einteilchenzustandsvektoren angesetzt


Einfaches Produkt → Hartree-Verfahren |ψi ∝ |ϕ1 i1 · · · |ϕN iN
Antisymmetrisches Produkt (Vielelektronensysteme)
|ϕ1 i1 · · · |ϕ1 iN
→ Hartree-Fock-Verfahren |ψi ∝ .. .. ..
. . .
|ϕN i1 · · · |ϕN iN
I[φ] wird minimiert bzgl. Einteilchenwellenfunktionen ϕj (~r)

5.2 Stationäre Störungsrechnung


Systematisches Näherungsverfahren für den Fall, dass das betrachtete System
einem exakt lösbaren System mit Hamiltonoperator H0 sehr ähnlich ist.

H = H0 + εV ||εV || klein

Beispiele: Wasserstoffatom mit Zusatztermen

Vorab: Erinnerungen und Ergänzungen zum Wasserstoffatom


• Kapitel 2.3 S.47
p
~ 2 2
→ Eigenwertproblem des Hamiltonoperators H0 = 2m − er
exakt gelöst
→ Eigenvektoren |ψnlml (ms ) i; Eigenwerte En
Energieniveaus entartet bzgl. Quantenzahlen l, ml (und ms :
Spin kommt noch dazu)
• Kapitel 4.4 S.131
→ Alternative Eigenvektoren |ψnljm i zu (H0 , L ~ 2 , J~2 , Jz ) mit
J~ = L
~ +S~
• Kapitel 3.4.3 S.98
Isotropie des Raums → Entartung bzgl. Quantenzahl m
5.2. STATIONÄRE STÖRUNGSRECHNUNG 147

( denn: Sei |ψnljm i Eigenvektor zu H0 mit Eigenwert En .


~ = 0 ⇒ [H0 , J± ] = 0
Isotropie des Raums → [H0 , J]
⇒ J± |ψnljm i ∝ |ψnlj m±1 i Eigenvektor zu H0 mit demselben En )
; m-Entartung kann nur aufgehoben werden, wenn Isotropie
des Raums gebrochen ist.
Entartung bzgl. j und l weniger zwingend
(i) Stark-Effekt
Wasserstoff im elektromagnetischen Feld E~ = const
~
E~ = −∇φ ~ ⇒ φ = −E~ ~ r ⇒ H = H0 − eφ = H0 + eE~
~r
~
NB: E-Feld bricht Isotropie des Raums
→ m-Entartung kann aufgehoben werden
Experimentelle Beobachtung
l = 0: Verschiebung des Energieniveaus um Betrag ∝ |E|2
(quadratischer Stark-Effekt)
l = 1: Verschiebung des Energieniveaus um Betrag ∝ |E|
(linearer Stark-Effekt)
(ii) Feinstruktur der Wasserstoffspektren
Experimentelle Beobachtung: Auch ohne elektrisches Feld sind Ener-
gieniveaus bzgl. Quantenzahlen j und l nicht völlig entartet.
Aufspaltung ↔ Feinstruktur
Grund: Spin-Bahn-Kopplung“: Relativistischer Effekt

Bahndrehimpuls des Elektrons erzeugt am Ort des Elektrons ein
magnetisches Moment, das mit dem magnetischen Moment des
Spins wechselwirkt.
; Zusatzterm im Hamiltonoperator:

e2 1 ~S~
H = H0 + g · ·L
(2mc)2 r3
e2 1 1
= H0 + g · 3 · (J~2 − L
~2 − S
~ 2)
(2mc)2 r 2

NB: Isotropie des Raums bleibt natürlich bestehen


⇒ [H, J]~ = 0; m-Entartung bleibt.

Frage: Wie kann man mit solchen Situationen systematisch umgehen?

Abstrakte Formulierung des Problems

Gegeben ein Hamiltonoperator H0


mit bekannten Eigenvektoren |ki und Eigenwerten Ek0
( k“ kann auch multidimensionale“ Quantenzahl sein, z.B. k =
” ”
(nljm))
→ In H0 -Darstellung können beliebige Matrixelemente von beliebi-
gen Operatoren berechnet werden.
Frage: Wie wirkt sich eine kleine Störung εV des Hamiltonoperators auf
Eigenvektoren und Eigenwerte aus?
148 KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN

Ansatz: Entwicklung nach Potenzen von ε bzw. kεV k

Konkret:

Gestörter Hamiltonoperator: H = H0 + εV
Betrachte Zustandsvektor |ni, Eigenwert En0 mit H0 |ni = En0 |ni
|ni → |ψi
Störung führt das über in: mit H|ψi = E|ψi
En0 → E
Behandlung hängt davon ab, ob Eigenwert En0 entartet ist

5.2.1 Nichtentarteter Fall: Eigenwert En0 nicht entartet


0 hk|εV |ni
Konkret fordern wir: hn|εV |ni  |En±1 − En0 | und 0 −E 0 |
|En
 1 ∀k 6= n
k

Verfahren:

• Konstruiere geeignete Rekursionsgleichungen für |ψi und E


Normiere hn|ψi = 1 (aus praktischen Gründen) → hψ|ψi =
6 1
; |ψi = |ni + ε |ki hk|V |ψi
P
E−E 0 k
k6=n
E= En0 + εhn|V |ψi
P P
(Herleitung: |ψi = |kihk|ψi = |ni hn|ψi + |kihk|ψi
k | {z } k6=n
1
Es gilt: hk|H|ψi = Ehk|ψi = hk|H0 |ψi + εhk|V |ψi = Ek0 hk|ψi + εhk|V |ψi
hk|V |ψi √ k=n hn|V |ψi √
⇒ hk|ψi = ε E−E 0 → hn|ψi = ε E−E 0 )
k | {z } n
1

• Sukzessive Anwendung liefert Entwicklung nach ε !

⇒ Ordnungen:

Null: |ψ (0) i = |ni; E (0) = En0 (Fall ε = 0)

(0)
Eins: |ψ (1) i = |ni + ε |ki hk|V |ψ i hk|V |ni
P P
E (0) −E 0
= |ni + ε |ki E 0 −E 0
k n k
k6=n k6=n
E (1) = En0 + εhn|V |ψ (0) i = En0 + εhn|V |ni

(1)
Zwei: |ψ (2) i = |ni + ε |ki hk|V |ψ i
(bis Ordnung ε2 )
P
E (1) −Ek0
k6=n
hk|V |k0 ihk0 |V |ni hk|V |nihn|V |ni
= |ψ (1) i + ε2
P P
|ki( 0 −E 0 )(E 0 −E 0 )
(En
− En0 −E 0 )
k6=n k0 6=n k n k0 k
hn|V |kihk|V |ni
E (2) = En0 + εhn|V |ψ (1) i = En1 + ε2
P
En0 −E 0
k6=n k

(N −1)
|ψ (N ) i= |ni + ε |ki hk|V |ψ i
(bis Ordnung εN )
P
N: E (N −1) −E 0
k6=n k

E (N ) = En0 + εhn|V |ψ (N −1) i

Abschließend: Normierung des Zustandsvektors |ψi: |ψi → |ψ̃i = √|ψi


hψ|ψi
5.2. STATIONÄRE STÖRUNGSRECHNUNG 149

Bemerkung: Wichtigstes Ergebnis für die Praxis


→ Energiekorrektur erster Ordnung: E (1) = hn|H|ni

5.2.2 Entarteter Fall


En0 sei nun g-fach entartet → Eigenraum der Dimension g

Störung hebt Entartung im allgemeinen auf


(es sei denn, Symmetriegründe sprechen dagegen)
⇒ Aus dem Eigenraum werden g orthogonale
Zustandsvektoren |ni i ausgewählt“, die sich bei

Einschalten der Störung zu neuen Eigenvektoren
|ψi i von H entwickeln
 
|ni i → |ψi i
mit H|ψi i = Ei |ψi i
En0 → Ei

⇒ Diese Zustandsvektoren |ni i müssen Ausgangspunkt der Störungsreihe sein.

Fragen:

• Wie ermittelt man die Zustandsvektoren |ni i ?


• Wie entwickelt man danach die Störungsreihe?

Antwort: Hängt davon ab, in welcher Ordnung von ε Entartung aufgehoben


wird.

(0) In jedem Fall müssen Matrixelemente der Störung, hni |V |nj i, im


Eigenraum von En0 diagonal sein: hni |V |nj i = Vi δij
0 hn |ψ i + εhn |V |ψ i
(denn: hnj |H|ψi i = Ei hnj |ψi i = En j i j i
0 )hn |ψ i = εhn |V |ψ i
⇒ (Ei − En j i j i
0
Ei −En
Im Grenzfall ε → 0 ist ε
→ Vi (Zahl); |ψi i → |ni i lt. Voraussetzung
0 !
Ei −En
hnj |ψi i → Vi hnj |ni i = Vi δij √
⇒ ε
ε→0
⇒ hni |V |nj i = Vi δij )
hnj |V |ψi i → hnj |V |ni i
(i) Falls Vi 6= Vj für alle i, j, sind damit alle Zustandsvektoren |ni i eindeu-
tig bestimmt. In diesem Fall ist Entartung in Ordnung ε aufgehoben
Ei −En0
ε −→ Vi ⇒ Ei = En0 + εVi
ε→0
(ii) Anderenfalls müssen weitere Bedingungen an |ni i gestellt werden.

Betrachte hier ausführlich nur Fall (i)

Verfahren

• Bestimme zuerst |ni i so, dass hni |V |nj i = Vi δij


Matrixelemente hνm |V |νl i seien in irgendeiner Basis |νl i des Eigen-
raums von En0 bekannt (l = 1, · · · g)
Pg
→ Eigenwertgleichung: (hνm |V |νl i − V δml )hνl |ni = 0
l=1
150 KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN

→ Bestimme Eigenwerte Vi und Eigenvektoren hνl |ni i


g
P
⇒ Neue Basis |ni i = |νl ihνl |ni i. Für diese gilt: hni |V |nj i = Vi δij
l=1
• Konstruiere dann wieder Rekursionsgleichung für |ψi i, Ei
Normierung wieder hni |ψi i = 1
;

Ei = En0 + ε hni |V |ψi i


X X hk|V |ψi i
|ψi i = |ni i + ε |nj ifij + ε |ki
Ei − Ek0
nj 6=ni k∈{n
/ 1 ···ng }
mit
1 X hk|V |ψi i
fij = (hnj |V |ki − hni |V |kihnj |ψi i)
(Vi − V j) Ei − Ek0
k∈{n
/ 1 ···ng }

X X
(Herleitung: |ψi i = |ni i + |nj ihnj |ψi i + |kihk|ψi i
nj 6=ni k∈{n
/ 1 ···ng }
| {z } | {z }
Zustandsvektoren im Eigenraum andere Zustandsvektoren
Es gilt: hm|H|ψi i = Ei hm|ψi i = Em 0 hm|ψ i + εhm|V |ψ i
i i
⇒ (i) m = ni : Ei = En 0 + εhn |V |ψ i √ (wegen Normierung)
i i
hk|V |ψ i
/ {n1 · · · ng }: εhk|V |ψi i = (Ei − Ek0 )hk|ψi i ⇒ hk|ψi i = ε (E −E 0i )
(ii) m = k ∈
i k
(iii)m = nj 6= ni : εhnj |V |ψi i = (Ei − En0 )hn |ψ i = εhn |V |ψ ihn |ψ i (∗)
j i i i j i
(i)
ε kürzt sich heraus ⇒ Weitere Entwicklung nötig!
g
X P
hnj |V |ψi i = hnj |V |nl ihnl |ψi i + hnj |V |kihk|ψi i
l=1 k∈{n
/ 1 ···ng }
| {z }
Vj hnj |ψi i
P
hni |V |ψi i = Vi hni |ψi i + hni |V |kihk|ψi i
| {z } k∈{n
/ 1 ···ng }
1
in (∗) einsetzen P
⇒ hnj |ψi i(Vi − Vj ) = (hnj |V |ki − hni |V |kihnj |ψi i) hk|ψi i
k∈{n
/ 1 ···ng } | {z }
(ii)
(ii) ε P hk|V |ψi i √
⇒ hnj |ψi i = Vi −Vj Ei −Ek0 (hnj |V |ki − hni |V |ki hnj |ψi i) )
k∈{n
/ 1 ···ng } | {z }
O(ε)

• Sukzessive Anwendung der Rekursionsgleichungen erzeugt Störungs-


entwicklung

⇒ Ordnungen

(0) (0)
Null: |ψi i = |ni i; Ei = En0 (Fall ε = 0)

(1)
Eins: Ei = En0 + εhni |V |ni i = En0 + εVi
(1) P 1 P hnj |V |kihk|V |ψi i
|ψi i = |ni i + ε |nj i Vi −V j En0 −E 0
nj 6=ni k
k∈{n
/ 1 ···ng }
P hk|V |ni i
+ε |ki E 0 −E 0
n k
k∈{n
/ 1 ···ng }

Abschließend: Wieder Normierung von |ψi notwendig


5.2. STATIONÄRE STÖRUNGSRECHNUNG 151

Dies gilt für den Fall (i), dass die Entartung in Ordnung ε aufgehoben wird
bzw. Vi 6= Vj für alle i, j. Falls das nicht der Fall ist, müssen mit Hilfe
analoger Überlegungen zusätzliche Bedingungen an |ni i und neue Rekur-
sionsgleichungen ermittelt werden.

Bemerkung zu Fall (ii): Falls z.B. Entartung in Ordnung ε2 aufgehoben wird,


P hnj |V |kihk|V |ψi i
lautet die Bedingung an |ni i, dass E 0 −E 0
diagonal sein muss.
n k
k
0 )hn |ψ i = hn |V |ψ iε
(denn: (Ei − En j i j i
g
X P hnj |V |kihk|V |ψi i
= ε(hnj |V |ni i + hnj |V |nl ihnl |ψi i +ε Ei −Ek0 )
| {z } l=1 k∈{n
/ 1 ···ng }
Vi δij | {z }
Vj hnj |ψi i
1 0
P hnj |V |kihk|V |ψi i
⇒ ε
(Ei − En − εVi )hnj |ψi i = Vi δij + (Vi − Vj ) hnj |ψi i + ε Ei −Ek0
| {z } | {z } k
0 für i6=j 0 lt.Voraussetzung
1 0 − εV )hn |ψ i =
P hnj |V |kihk|V |ψi i
⇒ (i 6= j) ε2
(Ei − En i j i Ei −Ek0
k
1 0 − εV ) → 0
ε→0 ε2
(Ei − En i Ci (Zahl); hnj |ψi i → δij ; |ψi i → |ni i; Ei → En
P hnj |V |kihk|V |ni i √
⇒ 0
En −Ek 0 = Ci δij diagonal )
k

Bemerkung wieder: Wichtigstes Ergebnis für die Praxis (gilt generell)

(1)
→ Energiekorrektur erster Ordnung: Ei = hni |H|ni i

mit hni |H|ni i ↔ Eigenwerte der g × g Matrix für H


im Eigenraum (bzgl. H0 ) von En0 .

5.2.3 Quasientarteter Fall


Angenommen, die Energieniveaus in einem System sind nicht entartet, aber
0
|hn|εV |ni| ≥' |En±1 − En0 |
; Störungsentwicklung kann so nicht durchgeführt werden.

Ausweg (Trick):

Konstruiere alternativen, exakt lösbaren Hamiltonoperator H00 , in dem


Energieniveaus echt entartet sind. Verfahre dann weiter nach 5.2.2 S.149.
Beispiel: H0 habe quasientartete Eigenwerte {En1 · · · Eng }
und zugehörige Eigenvektoren |n1 i · · · |ng i
g
P P
Entwickle H0 = |nj ihnj | · Enj + |kihk| · Ek
j=1 k∈{n
/ 1 ···ng }
g
Definiere H00 = E n
P P
|nj ihnj | + |kihk| · Ek
j=1 k∈{n
/ 1 ···ng }
wobei E n beliebig (z.B. Mittelwert von {En1 · · · Eng })
⇒ H00 ist exakt lösbar
- hat dieselben Eigenvektoren wie H0
- Eigenwert E n ist g-fach entartet.
152 KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN

5.2.4 Anwendungsbeispiele
5.2.4.1 Anharmonischer Oszillator

Anharmonischer Oszillator mit Zusatztermen


p2 1 2 2
Ausgangspunkt: Eindimensionaler harmonischer Oszillator H0 = 2m + 2 mω x .
p
(1) Kubischer Zusatzterm: H = H0 + V mit V = ~ω( mω/2~ x)3

Trick: Drücke Störung durch Leiteroperatoren aus: V = 18 ~ω (a + a† )3 .


Störungstheorie nullter Ordnung: E (0) = En = ~ω(n + 12 ), |ψ (0) i = |ni
Störungstheorie erster Ordnung:
E (1) − E (0) = hn|V |ni = 0.
; Keine Energieverschiebung in der Ordnung .
(Grund: Symmetrie – dx x|φn (x)|2 = 0 ∀φ(x).)
R
hk|V |ni
|ψ (1) i − |ψ (0) i =  k6=n |ki E
P
−E

 1
√ n k√ √ √ 3
= · · · = 8 3 |n + 3i n + 1 n + 2 n + 3 + 3|n + 1i n + 1
√ 3 √ √ √ 
− 3|n − 1i n − 13 |n − 3i n n − 1 n − 2
Störungstheorie zweiter Ordnung:
1
E (1) − E (0) = hn|V |ψ (1) i = · · · = 64 ~ω2 (11 + 30n(1 + n)).
; Verschiebung der Niveaus in der Ordnung 2 .
Aber: Potentialminimum bei x = 0 bei Einschalten der Störung nur noch
lokal. In unendlich langer Zeit tunnelt das Teil-
chen aus dem Minimum heraus.
; Störungstheorie gibt allenfalls Auskunft über
metastabile Zustände, nicht über die echten sta-
tionären Zustände (die in diesem Potential gar
nicht definiert sind).
; Störungsreihe konvergiert mit Sicherheit nicht.
NB: Für Energiezustände oberhalb des Potentialmaximums muss Störungs-
theorie schon in den unteren Ordnungen zusammenbrechen.
4
(Vmax = 272
~ω, entspricht Quantenzahlen n ∼ 4/272 . Für diese Quantenzahlen ist die
5 ~ω
Energieverschiebung E (2) − E (0) ∼ 2 ~ω
64
30n2 ∼ 486 2
, also von der gleichen Größen-
ordnung wie Vmax ).

p
(2) Zusatzterm vierter Ordnung: H = H0 + V mit V = ~ω( mω/2~ x)4 .

Ausgedrückt in Leiteroperatoren: V = 1
64 ~ω(a + a† )4 .
Störungstheorie erster Ordnung:
3
E (1) − E (0) = hn|V |ni = · · · = ~ω 16 (1 + 2n(1 + n)).
; Energieverschiebung in der Ordnung .
Aber: x = 0 ist nur für  > 0 totales Minimum. Für  < 0 nur lokal.
Störungsreihe ist Potenzreihe in , muss bei  < 0 zusammenbrechen.
; Konvergenzradius muss Null sein, Störungsreihe divergiert!
5.2. STATIONÄRE STÖRUNGSRECHNUNG 153

Konkret: Höhere Ordnungen q


(nur Grundzustand, ohne Beweis):
(m) (m−1)
E0 − E0 = − ~ω ~6 Γ(m + 12 )(1 − 95
m 1 2
72 m + O(1/m )).
; Konvergenzradius der Reihe: limm→∞ 1/3(m + 1/2) = 0.
; Heisst das, die Störungsreihe taugt überhaupt nicht ???
Doch: Glücklicherweise gilt für  > 0 immer noch “asymptotische
Konvergenz”: Für die Differenz zwischen
Pm derk tatsächlichen Lösung
E() und der Störungsreihe E (m) = k=0 ck  gilt:
|E − E (m) | ≤ cm+1 m+1 ∀m mit limm→∞ cm+1 m → ∞:
Reihe gut bis zu einem mmax (), wird danach schlechter. (deshalb:
asymptotische Reihe).
Verhalten typisch für Störungsreihen: Selten wirklich konvergent, häufig
nur asymptotisch konvergent.

Als nächstes: Physikalische Anwendungen: Greife auf Beispiele vom Anfang des
Kapitels zurück.

5.2.4.2 Stark-Effekt
~ Störung εV =e
Wasserstoff im elektrischen Feld E, ~r
b E~

• Grundzustand: n = 1, l = m = 0 → nicht entarteter Fall (Spin-Entartung


spielt hier keine Rolle!)

Störungstheorie erster Ordnung liefert:


~ r)|ψnlm i = d~r (eE~
~ r) |ψnlm (~r)|2 = 0
R
∆E = E − E0 = hψnlm |(eE~
(aus Symmetriegründen: ~r geht ungerade in Integral ein)
⇒ Führende Korrektur zur Grundzustandsenergie ist zweiter Ordnung
~ 2
⇒ Quadratischer Stark-Effekt: ∆E ∝ |E|

• Angeregte Zustände: Entartung bzgl. l, m → entarteter Fall (Spin-Entartung


spielt hier keine Rolle!)

Störungstheorie erster Ordnung: Diagonalisiere Matrixelemente im Ei-


genraum des Operators H0 zum Eigenwert En0
~ r) ψ ∗ (~r)ψnl0 m0 (~r)
~ r)|ψnl0 m0 i = d~r (eE~
R
hψnlm |(eE~ nlm
Kapitel 2.3 S.47: ψnlm (~r) = Rnl (r)Ylm (ϑ, ϕ)
R∞ R2π Rπ
~
= e|E| dr r3 ∗ (ϑ, ϕ)Y ∗ (ϑ, ϕ)
dϕ dϑ sin ϑ cos ϑRnl (r)Rnl0 (r)Ylm l0 m0
 0 0 0
0 (Ylm ∝ eimϕ ⇒ dϕYlm ∗ Y 0 = 0)
R
= 0 : m 6= m
 lm
= 0 : l = l 0 , m = m0 (wie oben: Integral ungerade in ~r)

6= 0 : l 6= l0 , m = m0

⇒ Es gibt Matrixelemente, die nicht Null sind, demnach hat Matrix auch
nichtverschwindende Eigenwerte.
⇒ Führende Korrektur zur Grundzustandsenergie ist erster Ordnung
~
⇒ Linearer Stark-Effekt: ∆E ∝ |E| (für die meisten Niveaus)
154 KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN

Anschauliche Interpretation des Stark-Effekts

- Linearer Stark-Effekt: Ausrichtung von Dipolmomenten

- Quadratischer Stark-Effekt: Induziertes Dipolmoment

5.2.4.3 Feinstruktur der Wasserstoffspektren


Wasserstoff mit Spin-Bahn-Kopplung
e2
→ Störung εV “ = b g2 (2mc) 1 ~2 ~ 2 ~2
2 · r 3 (J − L − S )

Störungstheorie erster Ordnung - entarteter Fall
(Entartung bzgl. Spin muss hier natürlich berücksichtigt werden)

→ Die Zustandsvektoren, die εV im Eigenraum von En0 diagonal machen, sind


gerade die |ψnljm i aus Kapitel
q 4 S.121 q
l∓m+ 12 l±m+ 12
(|ψnljm i=ψ
b nlm+ 1 (~r)·|−i 2l+1 ±ψnlm− 1 (~r)·|+i 2l+1 für j = l + 12 )
2 2

→ Einsetzen und ausrechnen liefert:


e2
hψnljm |εV |ψnljm i = g2 (2mc) 1 3
2 · h r 3 inl (j(j + 1) − l(l + 1) − 4 )

mit h r13 inl = dr 1r Rnl (r)2


R
5.3. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSRECHNUNG 155

5.3 Zeitabhängige Störungsrechnung


Betrachte nun den Fall einer zeitabhängigen Störung: H = H0 + V (t)

Typische Anwendung:
Wechselwirkung von Atomelektronen mit elektromagnetischem Feld
→ Übergänge zwischen Energieniveaus

; geeigneter Rahmen für Beschreibung: Wechselwirkungsbild (3.2.2.4 S.83)

Schrödingerbild: Zustandsvektoren |ψS (t)i zeitabhängig


Heisenbergbild: Zustandsvektoren |ψH i fest
Hier → langsame Übergänge zwischen Energieniveaus |ki (fest)
Dynamik von |ψW (t)i reflektiert Übergänge

5.3.1 Erinnerung: Wechselwirkungsbild


• Zusammenhang mit dem Schrödingerbild
i
Zustandsvektoren: |ψW (t)i = e ~ H0 t |ψS (t)i
i i
Operatoren: OW (t) = e ~ H0 t OS e− ~ H0 t
i i
Speziell: HW (t) = H0 + e ~ H0 t VS (t) e− ~ H0 t = H0 + VW (t)

• Dynamische Entwicklung: Zeitentwicklungsoperator UW (t, t0 )

definiert über: |ψW (t)i = UW (t, t0 ) |ψW (t0 )i


d
erfüllt Bewegungsgleichung: i~ dt UW (t, t0 ) = VW (t) UW (t, t0 )
Interpretation: Übergangswahrscheinlichkeiten
ungestörtes System: Eigenvektoren |ki von H0 bleiben konstant
P
gestörtes System: |ki → UW (t, t0 )|ki = |jihj|UW (t, t0 )|ki
j
; Wahrscheinlichkeit, dass ein reines System % = |kihk| nach Zeit (t−t0 )
den H0 -Eigenwert Ej liefert, ist Pk→j = |hj|UW (t, t0 )|ki|2

5.3.2 Dyson-Reihe
d
Ausgangspunkt: i~ dt UW (t, t0 ) = VW (t) UW (t, t0 )

⇒ Formale Integration liefert Integralgleichung


Zt
1
UW (t, t0 ) = 1̂ + VW (t0 ) UW (t0 , t0 )dt0
i~
t0

; Kann als Rekursionsgleichung aufgefasst werden


(ähnlich den Rekursiongleichungen in 5.2 S.146)
Iterative Anwendung generiert Störungsreihe

Konkret:
156 KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN

(0)
UW (t, t0 ) = 1̂

(1) Rt (0) Rt
UW (t, t0 ) = 1̂ + 1
i~ dt0 VW (t0 ) UW (t0 , t0 ) = 1̂ + 1
i~ dt0 VW (t0 )
t0 t0

(2) Rt (1)
UW (t, t0 ) = 1̂ + 1
i~ dt0 VW (t0 ) UW (t0 , t0 )
t0
Rt Rt Rt
= 1̂ + 1
i~ dt0 VW (t0 ) + ( i~
1 2
) dt0 dt00 VW (t0 )VW (t00 )
t0 t0 t0
··· = ··· Z
(n) (n−1)
UW (t, t0 ) = UW (t, t0 ) + 1 n
( i~ ) dt0 dt00 · · · dt(n) VW (t0 )VW (t00 ) · · · VW (t(n) )
| {z }
t0 <t0 <t00 ···<t(n) <t

Beachte Zeitordnung: VW (t0 ) und VW (t00 ) dürfen nicht vertauscht werden,


da im allgemeinen [VW (t0 ), VW (t00 )] 6= 0

5.3.3 Anwendung: Störungstheorie erster Ordnung


Betrachte reines System, das zur Zeit t → −∞ im reinen Zustand mit Zu-
standsvektor |ii ( initial“) ist: %(t → −∞) = |iihi|

Dann wird Störung V (t) eingeschaltet: H = H0 + V (t)
Störung ermöglicht Übergänge in |f i ( final“):
+ ”
%(t) = UW (t, −∞)|iihi|UW (t, −∞) enthält Beiträge |f ihf |
→ Übergangswahrscheinlichkeit

Pf i (t) := hf |%(t)|f i = |hf |UW (t, −∞)|ii|2

Störungstheorie erster Ordnung:


Rt
hf |UW (t, −∞)|ii = hf |1̂ + 1
i~ dt0 VW (t0 )|ii
−∞
Rt i 0 i 0
= δf i + 1
i~ dt0 hf |e ~ H0 t V (t0 )e− ~ H0 t |ii
−∞
Rt i 0
= δf i + 1
i~ dt0 e ~ (Ef −Ei )t hf |V (t0 )|ii
−∞

Definiere ωf i = ~1 (Ef − Ei ) charakteristische Frequenz des Übergangs

Dann folgt für f 6= i

Zt
0
Pf i (t) = | ~1 dt0 eiωf i t hf |V (t0 )|ii|2
−∞

Das soll nun für verschiedene Situationen berechnet werden.


5.3. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSRECHNUNG 157

5.3.3.1 Zeitlich begrenzte Störung

V (t) → 0 für t → ±∞

⇒ Totale Übergangswahrscheinlichkeit (nach unendlicher Zeit) ist:

Z∞
1
Pf i (∞) = | ~1 dt eiωf i t hf |V (t)|ii|2 = |Vf i (ω)|2
~2
−∞

⇒ Ergibt sich aus Fouriertransformierten des Matrixelements hf |V (t)|ii der


Störung !

5.3.3.2 Plötzlich eingeschaltete konstante Störung


(
0 : t≤0
V (t) =
V : t>0

⇒ Übergangswahrscheinlichkeit
Zt
0 sin2 (ωf i t/2)
Pf i (t) = 1
~2
|hf |V |ii dt0 eiωf i t |2 = |hf |V |ii|2 4 |~ωf i |2

|0 {z }
iω t/2 sin(ωf i t/2)
2ie f i ωf i

NB: Energie-Zeit-Unschärfe:
Energieänderung ∆E nur möglich
für Zeiten t · ∆E ≈≤ ~

sin2 ωt
Speziell lange Zeiten t → ∞: lim 2 = πδ(ω) (Kapitel 2.1.2 S.23)
t→∞ ω t
→ Pf i (t) = |hf |V |ii|2 4π
~2
tδ(ωf i ) = |hf |V |ii|2 2π
~ tδ(Ef − Ei )

d
⇒ Übergangsrate Wi→f := dt Pf i (t)


Wi→f = |hf |V |ii|2 δ(Ef − Ei ) Fermis goldene Regel
t→∞ ~
→ Energieerhaltung: Übergänge nur zwischen Zustandsvektoren glei-
cher Energie
Formulierung für kontinuierliches Energiespektrum:

Wi→f = |hf |V |ii|2 %(Ef )|Ef ≈Ei %(E) Zustandsdichte
t→∞ ~
158 KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN

5.3.3.3 Plötzlich eingeschaltete harmonische Störung


(
0 : t≤0
V (t) = (v konstanter Operator)
v exp(iΩt) + v † exp(−iΩt) : t > 0

⇒ Übergangswahrscheinlichkeit

Rt 0
Pf i (t) = 1
~2
| dt0 eiωf i t hf |V (t0 )|ii|2
0
Rt 0 Rt 0
= 1
~2
| hf |v|ii dt0 ei(ωf i +Ω)t + hf |v † |ii dt0 ei(ωf i −Ω)t |2
0 0
4 sin((ωf i +Ω)t/2)
= ~2
| hf |v|ii ei(ωf i +Ω)t/2
ωf i +Ω
† i(ω −Ω)t/2 sin((ωf i −Ω)t/2) 2
+hf |v |ii e f i
ωf i −Ω |
2π †
−→ 2 t{|hf |v|ii| δ(ωf i + Ω) + |hf |v |ii|2 δ(ωf i
2 − Ω)}
t→∞ ~

d
⇒ Übergangsrate Wi→f := dt Pf i (t)


Wi→f = (|hf |v|ii|2 δ(ωf i + Ω) + |hf |v † |ii|2 δ(ωf i − Ω))
t→∞ ~2

Interpretation:

1. Term δ(ω + Ω): stimulierte Emission eines Energiequants


2. Term δ(ω − Ω): Absorption eines Energiequants
keine Energieerhaltung (Störfeld muss in Bilanz einbezogen werden)

Formulierung für kontinuierliches Energiespektrum:


StE = 2π 2
Stimulierte Emission: Wi→f ~ |hf |v|ii| %(Ef )|Ef =Ei −~Ω
Absorption: WfA→i = 2π † 2
~ |hf |v |ii| %(Ef )|Ef =Ei +~Ω

Wegen |hf |v|ii|2 = |hi|v ∗ |f i|2 gilt detailliertes Gleichgewicht“ zwischen sti-

mulierter Emission (Elektron 1→ 0) und Absorption (Elektron 0→ 1)
StE
W1→0 A
W0→1
%(E0 ) = %(E1 )

5.3.4 Beispiel: Wechselwirkung mit klassischem elektromagne-


tischem Feld
Einzelnes Atomelekron im elektromagnetischen Feld
Polarisation ~ε senkrecht zur Ausbreitungsrichtung ~n
~ = 2A0 ~ε · cos( Ω ~n~r − Ωt)
Vektorpotential: A c

p~2 e ~ e ~2
|A|
⇒H= 1 ~ 2
p − ec A) − − ~
2m (~ + eφ = + eφ A~
p [~
p, A] + 2
|2m{z } mc
| {z } | 2mc{z } | 2mc
{z }
H0 V (t) ε⊥~
=0, da ~ n vernachlässigt
5.3. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSRECHNUNG 159

⇒ Harmonische Störung H = H0 + V (t)


mit V (t) = v e−iΩt + v † eiΩt entsprechend 5.3.3.3 S.158
e
wobei v = − mc A0 exp(i Ωc ~n · ~r) ~ε · p~

⇒ Übergangsrate (einsetzen)

2π e2
Wi→f = ~2 m2 c2
|A0 |2 |hf |ei c ~n·~r ~ε · p~|ii|2 {δ(ωf i − Ω) + δ(ωf i + Ω)}
| {z } | {z }
Absorption Emission

⇒ Absorptionsspektrum
A ·~Ω
Wi→f
Absorbierte Energie/Zeit
σAbs = Energiefluß = 1 2 ( Energiefluß“ siehe E-Dynamik)


|A0 |2 Ωc
2 Ω
e
= 4π 2 ~c 1
m2 Ω
|hf |ei c ~n·~r ~ε · p~|ii|2 δ(ωf i − Ω)

Dipolnäherung: in der Praxis oft angewandte wichtige weitere Näherung.

Im Allgemeinen ist die Wellenlänge groß gegen die Atomgröße:



⇒ Ωc  h~r2 i ⇒ ei c ~n·~r ≈ 1
p


⇒ hf |ei c ~n·~r ~ε · p~|ii ≈ hf |~ε · p~|ii = i m ~ε ωf i hf |~r|ii
1 m √
(denn: p
~/m = i~
[~
r , H0 ] → hf |~
p|ii = i~
hf |~
r H0 r|ii = − m
− H0 ~ ω hf |~
i fi
r|ii )

e2
⇒ σAbs = 4π 2 ωf i |hf |~ε · ~r|ii|2 δ(ωf i − Ω)
~c

Folgerungen: Auswahlregeln für Dipolübergänge ( E1“-Übergänge)



Notation: |f i ∼ Yl0 m0 (ϑ, ϕ)Rn0 l0 (r); |ii ∼ Ylm (ϑ, ϕ)Rnl (r)
0 1
Rπ 2π sin ϑ cos ϕ
3 dϕYl∗0 m0 (ϑ, ϕ)Ylm (ϑ, ϕ) @ sin ϑ sin ϕ A ~
R R
→ hf |~
ε·~
r|ii = dr Rnl (r)Rn0 l0 (r)r sin ϑdϑ ε
0 0 cos ϑ

⇒ hf |~ε · ~r|ii =
6 0 nur für: (check durch Einsetzen)
l0 )
• (l − = 0, ±1
• m = m0 , falls ~ε k z; m = m0 ± 1, falls ~ε ⊥ z
• Speziell Übergang l = 0, m = 0 → l0 = 0, m0 = 0 verboten

5.3.5 Störungstheorie zweiter Ordnung: Lebensdauer und Lini-


enbreite
Bis jetzt: Berechnung von Übergangswahrscheinlichkeiten i → f in Zustände
f 6= i

Nun: Verweildauer im Zustand i bei Anwesenheit einer Störung. Dazu wird


Störungstheorie zweiter Ordnung notwendig.

Betrachte hier konstante Störung V , die aus technischen“ Gründen adiaba-



tisch eingeschaltet wird.
(
V eηt : t≤0
V (t) = mit η → 0+
V : t>0
160 KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN

Zeit t sei im Folgenden t < 0

∗ Überprüfe zunächst Übergänge i → f 6= i

Übergangswahrscheinlichkeit:
Rt 0 0 2ηt
Pf i (t) = ~12 | dt0 eiωf i t eηt hf |V |ii|2 = |hf |V |ii|2 ~2 (ωe2 +η2 )
−∞ fi

Übergangsrate:
d η→0 2
Wi→f = dt Pf i (t) −→ |hf |V |ii|2 ~2
π δ(ωf i ) (η → 0, η
ω 2 +η 2
→ πδ(ω))

⇒ man erhält Fermis goldene Regel wie in 5.3.3 S.156

∗ Betrachte nun Verweildauer“ im Zustand |ii



Definiere Ci (t) := hi|UW (t, −∞)|ii
Zeige im Grenzwert η → 0+ : Ci (t) ∼ exp(− ~i ∆i t)
mit
P |hi|V |ki|2
Re(∆i ) = hi|V |ii + Ei −Ek
P k6=i 2
Im(∆i ) = −π |hi|V |ki| δ(Ei − Ek )
k6=i

(Rechnung:
Zt Zt Zt
1 0 1 0 00 X
Ci (t) = 1̂+ dt0 eηt hi|VW (t0 )|ii + ( )2 dt0 dt00 eηt eηt hi|VW (t0 )|kihk|VW (t00 )|ii
t<0 i~ i~ k
−∞ −∞ t0
| {z } | {z }
1.Ordnung Störungstheorie 2.Ordnung Störungstheorie
iH t −~iH t
Benutze: VW (t) = e Ve ~ 0 0

1
Rt 0 1 2
Rt Rt P (iω +η)t0 (−iω +η)t00
= 1̂ + i~ hi|V |ii dt0 eηt + ( i~ ) dt0 dt00 e ki e ki hi|V |kihk|V |ii
−∞ −∞ t0 k
ηt 2ηt
1
|ii eη + ( i~
1 2e
) 2η ( η1 |hi|V |ii|2 + 1
|ki|2 )
P
= 1̂ + i~
hi|V η−iωki
|hi|V
k6=i
dCi (t)
⇒ dt
/ Ci (t) = · · · (Berechnung und Entwicklung nach Potenzen von eηt )
= − ~i hi|V |iieηt − ~i 1
|hi|V |ki|2 e2ηt + · · ·
P
E −E +i~η i k
k6=i
1
Benutze: lim x+iη
= P ( x1 ) − iπδ(x) (P =Principal Value=Hauptwert)
η→0+
dCi (t)
/ Ci (t) −→ − ~i ∆i mit ∆i = hi|V |ii + |hi|V |ki|2 ( E 1
P
⇒ − iπδ(Ei − Ek ))
dt
η→0+ i −Ek
k6=i

Lösung dieser Differentialgleichung → Ci (t) ∼ exp(− ~i ∆i t) )
i 1
Es folgt: Ci (t) = e− ~ Re(∆i )t e− ~ Im(∆i )t
Interpretation:
Re(∆i ): Verschiebung der Energieniveaus (gleicher Ausdruck wie
5.2.1 S.148)
Im(∆i ): Lebensdauer des Zustandes ↔ Linienbreite
5.4. ÜBUNGEN 161

5.4 Übungen
5.4.1 Blatt 14
Quicky:

119) Erklären Sie die Grundidee des Variationsverfahrens zur näherungsweise


Lösung eines quantenmechanischen Problems.

120) Erklären Sie die Grundidee der stationären Störungsrechnung. Unter wel-
chen Umständen kommt sie als Lösungsmethode in Frage?

121) Wie lautet der Ausdruck für die Verschiebung der Energieniveaus in erster
Ordnung Störungsrechnung?

122) Welches Problem tritt bei der Anwendung von (121) auf, wenn die Ener-
gieniveaus des ungestörten Systems entartet sind? Skizzieren Sie den An-
satz zur Lösung dieses Problems.

123) Erklären Sie den Stark-Effekt.

124) Erklären Sie den Zusammenhang zwischen der Spin-Bahn-Kopplung und


der Feinstruktur des Spektrums von Wasserstoff.

Aufgaben:

40) Anharmonischer Oszillator (5 Punkte)


Betrachten Sie einen anharmonischen eindimensionalen Oszillator mit dem
Hamiltonoperator

H = H0 + V (x)
p2
r
1 2 2 mω0 3
mit H0 = + m ω0 x und V (x) = σ ~ω0 ( x)
2m 2 ~

(a) Fassen Sie V (x) als Störung auf und berechnen Sie die Energiever-
schiebung der Energieniveaus verglichen in erster Ordnung Störungs-
theorie.
(b) Geben Sie die Korrekturen zu den Eigenvektoren |ni in erster Ord-
nung Störungsrechnung an.
(c) Berechnen Sie mit Hilfe von (b) die Verschiebung der Energiekorrek-
tur in zweiter Ordnung Störungstheorie.

41) Eichinvarianz im elektromagnetischen Feld (5 Punkte)


In der Vorlesung werden wir uns im Zusammenhang mit Pfadintegralen
mit Eichinvarianz befassen. In dieser Aufgabe soll dieses wichtige Thema
auf “traditionelle” Art behandelt werden.
Betrachten Sie ein spinloses Teilchen der Ladung e im elektromagneti-
schen Feld. Der Hamiltonoperator lautet
162 KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN

1 e~ 2
H= p − A)
(~ + eΦ,
2m c
~ r, t) das Vektorpotential ist, Φ(~r, t) das skalare Potential, und
wobei A(~
der kanonische Impuls p~ in Ortsdarstellung die Form p~ = ~i ∇ hat.

~ = m
(a) Zeigen Sie, daß der Operator Π d~
r
im Heisenbergbild durch
dt
~ e ~
Π = p~ − c A gegeben ist.
(b) Berechnen Sie den Kommutator [Πi , Πj ].
(c) ψ(~r, t) sei eine Wellenfunktion, die der Schrödingergleichung

Hψ(~r, t) = i~ ∂t ψ(~r, t) genügt. Betrachten Sie eine Transformation,
bei der an ψ eine orts- und zeitabhängige Phase multipliziert wird:
ψ 0 (~r, t) = ψ(~r, t) exp( ~cie
ϕ(~r, t)).
Zeigen Sie, daß ψ 0 ebenfalls einer Schrödingergleichung im elektro-
magnetischen Feld A ~0 = A ~ + ∇ϕ und Φ0 = Φ − 1 ∂ ϕ genügt. Inter-
c ∂t
pretieren Sie diesen Befund.
(Worin unterscheiden sich die elektrischen und magnetischen Felder
~ 0 und B
E ~ 0 von E ~ und B?)~
~ unter der in (c)
(d) Zeigen Sie, daß die Erwartungswerte h~ri und hΠi
beschriebenen Transformation unverändert bleiben.
5.4. ÜBUNGEN 163

5.4.2 Blatt 15
Quicky:

125) Warum verwendet man zur Beschreibung eines Systems mit einer zeitabhängi-
gen Störung das Wechselwirkungsbild?

126) Welcher dynamischen Gleichung genügt der Zeitentwicklungsoperator in


diesem Bild?

127) Wie hängen die Zeitentwicklungsoperatoren des Wechselwirkungsbildes


und des Schrödingerbildes miteinander zusammen?

128) Welche Größe muß man berechnen, um die Übergangswahrscheinlichkeit


von einem Zustandsvektor in einen anderen zu bestimmen?

129) Welche Gleichung liegt der Dyson-Reihe zugrunde? Leiten Sie daraus den
Ausdruck für den Zeitentwicklungsoperator in nullter, erster, und zweiter
Ordnung Störungstheorie her.

130) Wie lautet Fermis goldene Regel und für welche Art von Störungen gilt
sie?

131) Welche Art von Störung kann stimulierte Emission oder Absorption von
Energiequanten induzieren? Erläutern sie diese Phänomene.

132) Was versteht man unter der Dipolnäherung?

133) Welche Auswahlregeln gelten für Dipolübergänge?

134) (Optional, nur auf Wunsch Prüfungsstoff)


Erläutern Sie den Pfadintegralzugang zur Quantenmechanik.
164 KAPITEL 5. NÄHERUNGSVERFAHREN
Kapitel 6

Die Pfadintegralformulierung
der Quantenmechanik

c Copyright 2003 Friederike Schmid1 Alternativer


Zugang zur Quantenmechanik, R.
Feynman

• In mancher Hinsicht anschaulicher als bisheriger Zugang

• Eröffnet elegante Lösungswege für manche Probleme

• Formalismus hat auch Anwendungen außerhalb der W.M.


(z.B. stochastische Prozesse, Polymere)

6.1 Pfadintegral und Propagator


Ausgangspunkt: Wellenmechanik

• Teilchen werden durch Wellenfunktionen ψ(~r, t) beschrieben


• Für deren zeitliche Entwicklung gilt das Superpositionsprinzip
; linearer Zusammenhang: ψ(~r1 , t1 ) = d~r0 G(~r1 , t1 ; ~r0 , t0 ) ψ(~r0 , t0 ),
R

wobei Propagator G unabhängig von ψ ist.


Bemerkungen dazu:
- G entspricht dem Zeitentwicklungsoperator in Ortsdarstellung
ψ(~r1 , t1 ) =Rh~r1 |ψ(t1 )i = h~r1 |U (t1 , t0 )|ψ(t0 )i
= d~r0 h~r1 |U (t1 , t0 )|~r0 i h~r0 |ψ(t0 )i
| {z }
ψ(~
r0 ,t0 )
! R
= d~r0 G(~r1 , t1 ; ~r0 , t0 ) ψ(~r0 , t0 )
⇒ G(~r1 , t1 ; ~r0 , t0 ) = h~r1 |U (t1 , t0 )|~r0 i
- Interpretation: Ein Teilchen sei zur Zeit t0 am Ort ~r0
⇒ ψ(~r, t0 ) = δ(~r − ~r0 )
⇒ ψ(~r1 , t1 ) = dr~0 G(~r1 , t1 ; r~0 , t0 ) ψ(r~0 , t0 ) = G(~r1 , t1 ; ~r0 , t0 )
R

1
Prof. Dr. Friederike Schmid, Vorlesung Quantenmechanik (I), Universität Bielefeld, SS
2008. Letzte Änderung der PDF-Datei am 1.08.08.

165
166 KAPITEL 6. PFADINTEGRALFORMULIERUNG

; G(~r1 , t1 ; ~r0 , t0 ) liefert Wahrscheinlichkeitsamplitude dafür,


dass ein Teilchen, welches zur Zeit t0 am Ort ~r0 war, zur
Zeit t1 am Ort ~r1 ist ( Übergangsamplitude“)

Zentrale Frage dieses Kapitels: Wie bestimmt man G?

• Traditionelle“ Antwort (Kapitel 2.1.3 S.27)



→ Schrödingergleichung
∂ 2
~
i~ ∂t G(~r, t; ~r0 , t0 ) = (− 2m ∆ + V (~r))G(~r, t; ~r0 , t0 )
mit Anfangsbedingung G(~r, t0 ; ~r0 , t0 ) = δ(~r − ~r0 )
• Feynmans Zugang

Teilchen können auf verschiede-


nen Pfaden von ~r0 nach ~r1 gelan-
gen. Jeder Pfad trägt mit einem
eigenen, noch zu bestimmenden
Gewicht zur Übergangsamplitu-
de bei.
Speziell im klassischen Limes ~ → 0 muss gelten:
In diesem Grenzfall dominiert der klassische Pfad, d.h. der, der
die klassische Wirkung S extremal macht
Rt
mit S{~r(t)} = dt0 L(~r, ~r˙, t0 ) ; L = 1 m~r˙ 2 − V (~r)
2
t0
Bei endlichem ~ tragen andere Pfade zunehmend bei.

Frage: Wie kann ein solches Szenario realisiert werden?

Analogie: Fermatsches Prinzip

Ausbreitung elektromagnetischer Wellen in einem Medium


Das Licht kann viele Wege
nehmen: De facto dominiert
aber ein Lichtstrahl, der den
optischen Weg l extremal macht
(optischer Weg = geometrischer
Weg × Brechungsindex)
→ Fermatsches Prinzip

Grund: Optischer Weg l ↔ Phase ϕ ∼ ei2πl/λ


Falls l  λ: Viele Oszillationen, benachbarte Pfade interferieren
destruktiv miteinander
Ausnahme: l Extremum → konstruktive Interferenz

Übertragung auf unser Problem

Hier sollen im Grenzfall ~ → 0 die Wege mit einer extremalen Wirkung


S dominieren.
6.1. PFADINTEGRAL UND PROPAGATOR 167

; Ansatz (Feynman): Wirkung geht in einen Phasenfaktor ein. Jeder


i
Pfad trägt mit Phase e ~ S{~r(t)} zum Propagator bei.
⇒ Pfadintegral:

Rt1

i
dt0 L(~ r˙,t0 ) ~r(t

Z r ,~
~
t 0 )=~
r0
G(~r1 , t1 ; ~r0 , t0 ) = D{~r(t)} e 0 ~r (t1 )=~
r1

R
wobei D{~r(t)} = Summe über alle möglichen Pfade,
und L(~r, ~r˙, t) = klassische Lagrange-Funktion
R
Konkret: Was bedeutet D{~r(t)} bzw. wie kann man es berechnen?
R
Erläuterung für den Fall einer Dimension: D{x(t)}
Diskretisierung

Zeitschritte: ∆t = (t − t0 )/n (n → ∞)
Pfad x(t) → Folge (x0 , x1 , . . . , xn = x) mit xj = x(t0 + j∆t)
Rt Rt
Wirkung S{x(t)} = dt0 L(x, ẋ, t0 ) = dt0 ( m 2
2 ẋ − V (x))
t0 t0
n
(xj −xj−1 )2
(m
P
→ 2 ∆t − V (xj )∆t)
j=1
⇒ Pfadintegral:
i
n (xj −xj−1 )2
(m
P
−V (xj )∆t)
Z Z
i ~ 2 ∆t
S{x(t)}
D{x(t)} e ~ = lim dx1 · · · dxn−1 e j=1
N n−1
n→∞

(∆t = (t − t0 )/n)
p
mit N : Normierungsfaktor: N = m/2πi~∆t
(siehe unten)
Verallgemeinerung auf 3 Dimensionen offensichtlich.
(nur schlechter zu zeichnen)

Äquivalenz des Pfadintegralansatzes zur Schrödingergleichung

Zu zeigen: G(~r, t; ~r0 , t0 ) erfüllt die Schrödingergleichung


Hier wieder: für den Fall einer Dimension.
R∞ i m (x−xn )
2
G(x, t + ∆t; x0 , t0 ) = N dxn e ~ ( 2 ∆t −V (x)∆t) G(xn , t; x0 , t0 )
−∞
ξ = x − xn
168 KAPITEL 6. PFADINTEGRALFORMULIERUNG

i R∞ i m ξ2
= N e− ~ V (x)∆t dξ e ~ 2 ∆t G(x − ξ, t; x0 , t0 )
−∞
Im Grenzfall ∆t → 0 oszilliert Integrand sehr stark
Hauptbeitrag zum Integral kommt von ξ ≈ 0
; Taylorentwicklung von G um ξ ≈ 0 sinnvoll!
2
∂2

G(x − ξ, t; x0 , t0 ) ≈ G(x, t; x0 , t0 ) − ξ ∂x G + ξ2 ∂x 2G

Einsetzen: 
∞ im ξ 2 0 : k ungerade
dξ ξ k e 2~ ∆t = √
R
q k+1
−∞  2π(k − 1)!! i~∆t : k gerade
m
((k − 1)!! = 1 · 3 · 5 · · · · k)
⇒ G(x, t + ∆t; x0 , t0 )
q
∂2
≈ N (1 − ~i V (x)∆t)(1 + 2m
i~
∆t ∂x2 )G(x, t; x0 , t0 )
2πi~∆t
m
q
2
≈ N 2πi~∆t i i~ ∂
m (1 + ∆t(− ~ V (x) + 2m ∂x2 ))G(x, t; x0 , t0 )
Speziell ∆tp→ 0+ : Linke Seite → G(x, t; x0 , t0 )
m
⇒ N = 2πi~∆t
Nächste Ordnung in ∆t:
G(x, t + ∆t; x0 , t0 ) − G(x, t; x0 , t0 )
| {z }

∆t ∂t G(x,t;x0 ,t0 )
i~ ∂ 2
= (− ~i V (x) + 2m ∂x2
)G(x, t; x0 , t0 ) · ∆t
∂ ~2 ∂ 2
⇒ i~ G(x, t; x0 , t0 ) = [− 2
+ V (x)] G(x, t; x0 , t0 )
∂t 2m ∂x√
; Schrödingergleichung
6.2. EICHINVARIANZ 169

6.2 Eichinvarianz
6.2.1 Allgemeine Eichtransformationen

Klassisch gilt: Der Lagrangefunktion L(~r, ~r˙, t) kann eine beliebige


d
totale Zeitableitung dt Λ(~r, t) hinzugefügt werden, ohne dass dies die
Bewegungsgleichungen ändert
L0 (~r, ~r˙, t) = L(~r, ~r˙, t) + d
dt Λ(~
r, t) = L(~r, ~r˙, t) + ∂
∂t Λ + ~r˙ · ∇Λ
~

Frage: Wie wirkt sich eine solche Transformation hier aus


- auf Propagator und Wellenfunktion?
- auf Hamiltonoperator und Schrödingergleichung?

∗ Propagator und Wellenfunktion

(Zur Zeit t → −∞ sei Λ(~r, t) = 0)


Rt1 Rt1 Rt1
i
~
L0 (~ r˙,t)dt
r ,~ i
~
Ldt i
~
dt dΛ
dt
G0 (~r1 , t1 ; ~r0 , t0 )
R R
= D{~r(t)} e t0
= D{~r(t)} e t0
e t0

i
(Λ(~
r ,t )−Λ(~
r ,t ))
= e~ 1 1 0 0
G(~r1 , t1 ; ~r0 , t0 )
i
ψ 0 (~r, t) = d~r0 G0 (~r, t; ~r0 , −∞) ψ(~r0 , −∞) = e ~ Λ(~r,t) ψ(~r, t)
R

→ Die Funktion ~i Λ(~r, t) geht als ortsabhängiger Phasenfaktor in den


transformierten Propagator bzw. den Zustandsvektor ein.

∗ Schrödingergleichung und Hamiltonoperator


i i
∂ 0
i~ ∂t ψ = H 0 ψ 0 mit H 0 = e ~ Λ He− ~ Λ − ∂Λ ~ − ∇Λ)
= H(~r, ~i ∇ ~ − ∂Λ
∂t ∂t
i i i
∂ 0
(denn: i~ ∂t ∂
ψ = i~ ∂t (e ~ Λ ψ) = i~( ~i ∂Λ
∂t
e ~ Λ ψ) + e ~ Λ (i~ ∂t

ψ)
i i
= − ∂Λ
∂t
ψ 0 + e ~ Λ He− ~ Λ ψ 0
iΛ iΛ
−~
Es gilt: e ~ f (~
r)e = f (~
r) für alle Funktionen f (~
r)
iΛ iΛ
e ~ ~
( ~ ∇)e −~
= ~∇ ~ − ∇Λ~ → e ~i Λ p i
~e− ~ Λ = p ~ =: q~
~ − ∇Λ
i i
i i i i i i
e ~ Λ pkα11 · · · pkαnn e− ~ Λ = (e ~ Λ pα1 e− ~ Λ )k1 · · · (e ~ Λ pαn e− ~ Λ )kn = qα
k1 kn
1 · · · qαn

~ ~ − iΛ
~ ~ ~ √
⇒ e ~ H(~ r , ∇)e ~ = H(~
i
r , ∇ − ∇Λ)
r , q~) = H(~ i
)

NB: Vergleiche klassische Mechanik: L0 (~r, ~r˙, t) = L(~r, ~r˙, t) + ∂t


∂ ~
Λ + ~r · ∇Λ
→ kanonischer Impuls: p~0 = ∂L
~ + ∇Λ~
∂~r =p
→ Hamiltonfunktion: H0 (~r, p~0 ) = p~0~r˙ −L0 = p~0~r˙ +~r˙ ∇Λ−L−
~ ∂
p0~r˙
∂t Λ−~
⇒ H0 (~r, p~0 ) = H(~r, p~) − ∂
H(~r, p~0 ~
− ∇Λ) − Λ ∂
∂t Λ = ∂t
~~
⇒ Passt zu obigem Ergebnis, wenn p~0 mit i∇ identifiziert wird!

∗ Fazit: Wellenfunktion kann mit beliebigem orts- und zeitabhängigem Phasen-


faktor exp(− ~i Λ(~r, t)) multipliziert werden, wenn gleichzeitig der Hamil-
tonoperator umgeeicht wird, d.h.:

- Ursprüngliche Schrödingergleichung: i~ ∂t ~
ψ(~r, t) = H(~r, ~i ∇)ψ(~
r, t)
i
- Formale Ersetzung: ψ → ψ 0 = e ~ Λ(~r,t)) ψ
170 KAPITEL 6. PFADINTEGRALFORMULIERUNG

~~ ~ − ∇Λ
~
i∇ → ~i ∇
∂ ∂ ∂Λ
i~ ∂t → i~ ∂t + ∂t
∂ 0
→ Neue Schrödingergleichung: i~ ∂t ψ = H 0ψ0
~ − ∇Λ)
mit H 0 = H(~r, ~i ∇ ~ − ∂Λ
∂t

6.2.2 Eichinvarianz und elektromagnetische Felder


Betrachte speziell
 freies Teilchen 
p
~2 Umeichung ~ 2−
H = 2m → → H0 = 1
p−
2m (~ ∇Λ) ∂Λ
(∗)
ψ → ψ 0 exp( ~i Λ) ∂t

Verallgemeinere“ nun: Hamiltonoperator soll die Form (∗) haben, aber ersetze
” ~ und ∂Λ durch allgemeinere Felder e A, ~ −eΦ: Eichfelder“
∇Λ ∂t c ”
1 e~ 2
Man erhält: H = p − A)
(~ + eΦ
2m c
; Hamiltonoperator eines Teilchens im elektromagnetischen Feld

Bemerkungen

• Einfachste Möglichkeit, einen Hamiltonoperator zu konstruieren, der


i
bei einer Phasentransformation ψ → ψ 0 = e ~ Λ(~r,t) ψ nicht die Form
ändert.
• Die Eichtransformation der Elektrodynamik:
~→A
~0 = A
~ + ∇ϕ;
~ 1 ∂ϕ
A Φ → Φ0 = Φ − c ∂t

entspricht einer Phasentransformation nach (a)


i e
mit ψ → ψ 0 = e ~ c ϕ(~r,t) ψ
6.3. ANWENDUNG: DER AHARONOV-BOHM EFFEKT 171

6.3 Anwendung: Der Aharonov-Bohm Effekt


Setup:

Magnetfeld ist nur im Zylinder eingeschaltet. In diesen können die Teil-


chen aber nicht eindringen. Aufbau spiegelsymmetrisch bzgl. der
Achse Quelle-Detektor.

Analyse:

Klassische Lagrange-Funktion: L(~r, ~r˙ ) = L0 (~r, ~r˙ ) + ec ~r˙ · A


~
Z
~ = S0 + e
Wirkung: S = S0 + ec dt ~r · A ~
R
c d~r · A
| {z }
Wegintegral
i i
S
D{~r(t)} e ~ S0 exp( ~c
ie ~
R R R
Pfadintegral: D{~r(t)} e ~ = d~r · A)
Fasse Wege in Paare zusammen: Pfade, die oben und unten am Zylinder
vorbeiführen:

e ~ |oben
R
oben: → S = S0 + d~r · A
c
unten: → S = S0 + ec d~r · A ~ |unten
R

~ = e Φ0
Differenz: ∆S = ec d~r · A
H
c
mit Φ0 : magnetischer Fluß durch Zylinder
(NB: Im Prinzip können sich Wege auch um Zylinder herumwinden,
z.B. wie in Abb.

; Komplikation, Paare müssen dann etwas anders gewählt werden,


aber ∆S bleibt gleich.)
i i
Zusammengefasst: G = D{~r(t)} e ~ S ∝ (1 + e ~ ∆S ) = cos( 2~c
e
R
Φ0 )

Fazit: Interferenzeffekte als Funktion des magnetischen Flusses Φ0


172 KAPITEL 6. PFADINTEGRALFORMULIERUNG

Experimenteller Nachweis:
Erster Nachweis: R.G. Chambers, 1960.
Beispiel hier: G. Möllenstedt, W. Bayh, 1962. (Physik. Blätter 18, 299)

(Beweglicher Film; Interferenz abhängig vom Spulenstrom).


Kapitel 7

Verschränkte Zustände

c Copyright 2003 Friederike Schmid1



Wir haben in dieser Vorlesung gesehen, dass die Quantenmechanik eine sehr
mächtige Theorie ist, mit der man vieles beschreiben und vorhersagen kann.
Jetzt, zum Abschluss: Ein Kapitel, das daran erinnern soll, wie merkwürdig sie
trotz allem ist.
Verschränkte“ Zustände sind zusammengesetzte, nicht faktorisierbare Vielteil-

chenzustände.

→ z.B. Zweiteilchensystem |ψa i1 |ψb i2 → faktorisierbar


√1 (|ψa i1 |ψb i2 − |ψa i2 |ψb i1 ) → verschränkt
2

Verschränkung führt zu Quantenkorrelationen“.



→ Operationen an einem Teilchen beeinflussen das andere.
Bedeutung:

• Diskussion grundlegender Fragen der Quantenmechanik

– EPR Paradox
– Bellsche Ungleichung

• Praktische Anwendungen

– Quantenteleportation
– Quantenkryptographie
– Quantencomputer

1
Prof. Dr. Friederike Schmid, Vorlesung Quantenmechanik (I), Universität Bielefeld, SS
2008. Letzte Änderung der PDF-Datei am 1.08.08.

173
174 KAPITEL 7. VERSCHRÄNKTE ZUSTÄNDE

7.1 Das EPR-Paradox und die Bellsche Ungleichung


7.1.1 EPR-Paradox
Argumentation geht zurück auf Einstein, Podolsky und Rosen (1935) - Ausein-
andersetzung mit Bohr über die innere Konsistenz der Quantentheorie.
Hier: modernere Version des Arguments.
Gedankenexperiment:

Betrachte eine Quelle, die Paare von Spin 12 -Teilchen emittiert, die im Singulett-
Zustand √12 (|+i|−i − |−i|+i) sind.

Angenommen, der Beobachter A misst Sz am Teilchen 1, er erhält z.B. ~2 .


Dann steht fest, dass B bei einer Messung von Sz am Teilchen 2 den Wert
− ~2 erhalten würde, auch ohne dass B die Messung durchführt.
Wie kann das sein?

Quantenmechanische Erklärung: Fernwirkung“ von A nach B.



Selbst dann, wenn sie beliebig auseinander sind.

Klassische Erklärung: Fast trivial - Messwert (− ~2 ) steht von vornherein fest,


intrinsische Eigenschaft von Teilchen 2. (Würde die Quelle z.B. Paare von
weißen und schwarzen Bällen emittieren, und A misst weiß, dann steht
damit auch fest, dass B schwarz messen würde.)

Klassische Erklärung wirkt viel vernünftiger als die quantenmechanische.


; Essenz des EPR-Arguments

Basiert auf zwei vernünftigen Forderungen:

(i) Das Teilchen 2 kann nicht davon beeinflusst werden, was dem Teilchen
1 widerfährt, wenn die beiden räumlich getrennt sind (Lokalitätsprin-
zip)
(ii) Wenn man eine Eigenschaft eines Objekts sicher vorhersagen kann,
ohne das Objekt zu beeinflussen, dann hat das Objekt diese Eigen-
schaft.

Folgerung: In dem obigen Gedankenexperiment muss Sz eine Eigenschaft der


Teilchen sein. Analoges gilt für Sx , Sy .
Aber: In der Quantentheorie können Sx , Sy , Sz nicht gleichzeitig scharf
bestimmt sein. Deshalb ist nach EPR die Quantentheorie inkonsistent
oder zumindest unvollständig.
7.1. DAS EPR-PARADOX UND DIE BELLSCHE UNGLEICHUNG 175

Frage: Könnte man die Quantentheorie eventuell vervollständigen“? Ange-



nommen, die Quantenmechanik stimmt“ (sie ist ja sehr erfolgreich und

bislang unwiderlegt): Kann es eine Theorie geben, die die gleichen Vor-
hersagen wie die Quantenmechanik macht, aber in der die Messwerte vor-
herbestimmte, intrinsische Eigenschaften der Messobjekte sind?

Antwort: Nein und Ja

Nein - Bellsche Ungleichung


Ja (doch) - Wenn man Lokalitätsprinzip aufgibt, z.B. Bohmsche Mecha-
nik.

7.1.2 Bellsche Ungleichung (1964)


Ausgangspunkt: Dasselbe Gedankenexperiment wie bei 7.1.1 S.174. Es sollen
die beiden Annahmen von EPR gelten:

(i) Eine Messung von Teilchen 1 beeinflusst Teilchen 2 nicht.


(ii) Die Werte des Spins in eine beliebige Richtung ~e (=b die voraussicht-
~
lichen Messergebnisse einer Messung von S~e) sind prädeterminierte,
intrinsische Eigenschaften eines Teilchens. (NB: Das schließt nicht
aus, dass man sie möglicherweise nicht gleichzeitig messen kann.)

Wähle nun drei Spinrichtungen ~a, ~b, ~c (Einheitsvektoren)

Statistik der möglichen Zustände

Teilchen 1 Teilchen 2 Wahrschein-


~a ~b ~c ~a ~b ~c lichkeiten
+ + + - - - P1
+ + - - - + P2 mit
+ - + - + - P3 Pi ≥ 0
P
+ - - - + + P4 Pi = 1
i
- + + + - - P5 sonst beliebig
- + - + - + P6
- - + + + - P7
- - - + + + P8

⇒ Gekoppelte Wahrscheinlichkeit P~e1~e2 , dass A in Richtung ~e1 und B in Rich-


tung ~e2 beide ~2 messen: P~a~b = P3 + P4 , P~c~b = P3 + P7 , P~a~c = P2 + P4

→ zusammengefasst: P~a~c + P~c~b = P2 + P3 + P4 + P7 ≥ P3 + P4 = P~a~b

⇒ Bellsche Ungleichung: Unter den eingangs erwähnten Annahmen (i) und


(ii) muss gelten:

P~a~c + P~c~b ≥ P~a~b


176 KAPITEL 7. VERSCHRÄNKTE ZUSTÄNDE

Berechne diese gekoppelten Wahrscheinlichkeiten nun in der Quantentheorie


oBdA sei ~a = ez (~a zeige in z-Richtung)
• A misst den Wert ~2 mit Wahrscheinlichkeit 12 . Danach hat das
Teilchen 2 den Zustand |−i.
• B misst in Richtung ~b. Der Erwartungswert seines Ergebnisses
ist: hS~~bi = h−|S~~b|−i = −bz ~ = − ~ (~a~b)
2 2
; Wahrscheinlichkeit P+ , Messwert ( ~2 ) zu messen, folgt aus
hS~~bi = (P+ )( ~ ) + (1 − P+ )(− ~ ) = ~(P+ − 1 )
2 2 2
~~
P+ = hS bi + 1 = 1 (1 − ~a~b)
~ 2 2
⇒ Zusammengefasst: P~a~b = 14 (1 − ~a~b)
Analog: P~c~b = 41 (1 − ~c~b), P~a~c = 41 (1 − ~a~c)
Betrachte nun speziell den Fall ~c ∝ (~a +~b)
und ~a~b=0:
→ P ~ = 1 (1 − ~a~b) = 1 = 0.25
~ab 4 4
P~c~b = P~a~c = 41 (1 − cos π4 ) ≈ 0.07
→ P~a~c + P~c~b ≈ 0.14 < P~a~b = 0.25 !
⇒ Laut Quantenmechanik kann die Bellsche Ungleichung verletzt sein.
Diese Vorhersage lässt sich experimentell überprüfen.
Experimente zur Bellschen Ungleichung
Meistens mit Photonenpaaren (analoge theoretische Behandlung)
aber auch mit Protonenpaaren
; ergaben immer eine Bestätigung der Quantenmechanik und eine Verletzung
der Bellschen Ungleichung.
Damit kann eine Theorie, die gleichzeitig Messergebnisse auf intrinsische Ei-
genschaften der Messobjekte zurückführt und das Lokalitätsprinzip erfüllt,
nicht korrekt sein.
Aber: Deterministische Theorie wird möglich, wenn man die Lokalität aufgibt
- z.B. Bohmsche Mechanik.

7.1.3 Bohmsche Mechanik


Zustand eines Systems wird beschrieben durch:
- Wellenfunktion ψ
- Konfiguration ~r1 · · · ~rN
Dynamische Gleichungen:
• Schrödingergleichung für ψ
d~
rk ~ kψ
ψ∗ ∇
• dt = ~
mk Im( ψ ∗ ψ )

; In dieser Form absolut äquivalent zur Quantenmechanik.


Deterministisch, aber nichtlokal.
7.2. ANWENDUNG: QUANTENINFORMATIK 177

7.2 Praktische Anwendung für Verschränkung: Quan-


teninformatik
Moderne Anwendungen
Ausnützen von verschränkten Zuständen für

- Quantenkryptographie (funktioniert im Prinzip schon)


- Quantenteleportation (etwas esoterisch)
- Quantencomputer (wird z.Zt. intensiv erforscht,
möglicherweise großes technologisches Potential)

7.2.1 Quanteninformation
• Basiseinheit: 1 qubit

Zwei-Zustandssystem mit Zuständen |0i, |1i


=
b zweidimensionaler Hilbertraum
entsprechend n qubits: Produktraum von n qubits,
aufgespannt von Zuständen |0 · · · 0i, |0 · · · 1i, · · · , |1 · · · 1i

• Experimentelle Realisierungsmöglichkeiten

- Linear polarisierte Photonen: |0i =l; |1i =↔


- Zirkular polarisierte Photonen: |0i =; |1i =
- Spin 21 -Teilchen: |0i = |+i; |1i = |−i
- Quantendots mit zwei Zuständen
- ...

• No Cloning Theorem (Wootters, 1982)


Ein unbekanntes qubit kann nicht geklont werden.
(Beweis: Andernfalls gäbe es unitären Operator U , der jeden Zustand
|αi|0i in |αi|αi überführt: U |αi|0i = |αi|αi; U |βi|0i = |βi|βi.
Aber: U (|αi + |βi)|0i = |αi|αi + |βi|βi 6= (|αi + |βi)(|αi + |βi) Widerspruch! )

7.2.2 Quantenkryptographie
Herausforderung der Kryptographie:

A (Alice) und B (Bob) wollen


eine Bitfolge derart austauschen,
dass sie mit Sicherheit von keinem
Dritten E (Eve) abgehört werden
kann. Bitfolge darf zufällig sein. Sie
wird später als Schlüssel verwen-
det, wenn die echte Nachricht über-
mittelt wird.
178 KAPITEL 7. VERSCHRÄNKTE ZUSTÄNDE

Idee: Verwende qubits.


Da qubits nicht geklont werden können, kann E sie nicht alle abfangen
und weiterschicken, ohne dass A und B es merken.

Konkrete Strategien

1) A sendet qubits an B
• A präpariert qubits zufällig in zwei möglichen Basissystemen
(z.B. Spins → Eigenzustände von Sx und Sz )
• B misst zugesandte qubits in zufällig gewählter Basis (z.B. Spins
→ zufällige Messung von Sx oder Sz )
• A und B verständigen sich öffentlich, wann sie welche Basis be-
nutzt haben. War es die gleiche, so kennen beide das Messergeb-
nis und können es für eine Bitfolge verwenden. Der Rest wird
verworfen.
• Um Abhörern E auf die Spur zu kommen, vergleichen A und B
noch öffentlich einige Testbits (die danach verworfen werden).
Falls E mitgehört hat, musste sie eine Messung machen. In der
Hälfte der Fälle hat sie dabei die falsche Basis erwischt und das
qubit gestört.
2) Ausnützen verschränkter Zustände
• Zentrale Quelle Q sendet qubit-Paare im Singulett-Zustand
√1 (|0i|1i − |1i|0i) an A und B.
2
• A und B messen ihr qubit in einem zufällig gewählten Basissy-
stem. Dieses wird ausgewählt aus drei möglichen Systemen ~a, ~b,
~c, die so beschaffen sind, dass die Wahrscheinlichkeiten P~a~b (1, 1),
P~a~c (1, 1), P~c~b (1, 1) die Bellsche Ungleichung verletzen.
• A und B tauschen sich öffentlich darüber aus, wann sie welches
Basissystem benutzt haben.
Falls es dasselbe war - benutze Ergebnisse für den Schlüssel
Falls es verschieden war - werte Ergebnisse öffentlich aus:
– Überprüfe Bellsche Ungleichung
– → verletzt: OK
– erfüllt: E hat mitgehört.

Experimentelle Realisierung

Beispiel: Zbinden et al. 1997


Schlüsselübertragung über 23 km, quer durch den Genfer See, über
Standard-Glasfaserleitung der Swisscom (qubits hier: Polarisations-
zustände von Laserpulsen, im Mittel ∼ 0.1 Photonen pro Puls)
Über sehr viel weitere Strecken können qubits mit Glasfasern nicht über-
mittelt werden. Zur Zeit wird die Möglichkeit einer Satellitenübert-
ragung erforscht.

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