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Version: 2021.1
2 Mehrfachintegrale 37
2.1 Integrale über ebene Bereiche - (Ober-)Flächenintegrale . . . . . . . . . . . . . . 38
2.1.1 Berechnung von Flächenintegralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.1.2 Anwendungen der Flächenintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
2.2 Raum- bzw. Volumenintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
2.2.1 Berechnung der Raumintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
2.2.2 Anwendungen der Raumintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.3 Transformation mehrdimensionaler Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
2.3.1 Transformation von Integralen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2.3.2 Beispiele für krummlinige Koordinatensysteme . . . . . . . . . . . . . . . 55
2.3.3 Anwendung der Zylinderkoordinaten für bezüglich der z Achse rotati-
onssymmetrische Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
3 Kurvenintegrale 69
3.1 Kurven in der Ebene und im Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
3.2 Kurvenintegrale 1. Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
3.3 Kurvenintegrale 2. Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
3.4 Anwendungen der Kurvenintegrale 1. und 2. Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
3.5 Der Zusammenhang zwischen Kurvenintegralen 1. und 2. Art . . . . . . . . . . . 86
3
INHALTSVERZEICHNIS 4
4 Oberflächenintegrale 89
4.1 Oberflächenintegrale 1. Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
4.2 Oberflächenintegrale 2. Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
4.3 Zusammenfassung zu den Integraltypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
Hinter diesem Zeichen verbirgt sich oft ein PINGO. Damit kannst du dein Wissen
online testen und mit den anderen vergleichen. Klicke einfach auf das Smartphone-
Icon links der Box oder ö↵ne den Link https://pingo.coactum.de/270136 am
Smartphone. Ein PINGO ist eine kurze Frage zum Thema und dauert max. eine
Minute. Das Reden während des PINGOs ist ausdrücklich erlaubt.
Abschnitte mit diesem Logo beinhalten Code für Matlab. Diese Software ist für alle
Studierenden der HS Mittweida verfügbar und kann auf allen gängigen Betriebs-
systemen installiert werden. Alternativ kann auch Ocatve benutzt werden. Die
Grafiken in diesem Skript sind meist nicht aus Matlab importiert. Daher weichen
die Plots auch in Form und Farbe vom Code ab.
[5] Schwarz: Methode der finiten Elemente, B.G. Teubner, Stuttgart 1991
7
LITERATURVERZEICHNIS 8
Kapitel 1
Definition 1.1 Es sei die Definitionsmenge Df eine Teilmenge des Rn : Df ✓ Rn . Wenn durch
eine Vorschrift jedem Punkt ~x = (x1 , x2 , ..., xn )T 2 Df genau eine reelle Zahl y 2 Wf ✓ R der
Wertemenge zugeordnet wird, so ist durch die Vorschrift auf Df eine reelle Funktion von n
unabhängigen Veränderlichen x1 , x2 , ..., xn mit dem Wertebereich Wf erklärt.
Q
Beispiel 1.2 (x, y, z) = p : elektrostatisches Potential, das im Punkt P =
4⇡"0 x2 + y 2 + z 2
(x, y, z)T durch die Punktladung Q im Ursprung erzeugt wird.
9
1.1. FUNKTIONEN MEHRERER UNABHÄNGIGER VARIABLER 10
Beispiel 1.3 T (x, y, z, t) : Temperatur im Punkt (x, y, z)T des Zimmers zur Zeit t
Reelle Funktionen von n unabhängigen Veränderlichen werden auch skalare Felder genannt (in
der Technik manchmal unzulässig verallgemeinernd Potentiale).
Beispiel 1.5 Isobaren auf der Wetterkarte sind Linien, die Orte gleichen Luftdruckes
verbinden. Eigentlich handelt es sich dabei um Niveaulinie. In der Projektion (Wetterkar-
te) sind es aber Äquipotentiallinien.
Beispiel 1.6 z = x2 + y 2
200 200
100 100
z
10 10
0 0
10 0 10 0
5 0 5 0
5 y 5 y
10 10 10 10
x x
(links) Oberfläche der Funktion z = x2 +y 2 . (rechts) Die Niveaulinien sind als Äquipotentiallinien
als Projektion auf die x-y Ebene dargestellt. Es sind Kreise mit dem Radius c.
1.1. FUNKTIONEN MEHRERER UNABHÄNGIGER VARIABLER 11
Beispiel 1.7 w = x2 + y 2 + z 2
Niveauflächen: w = x2 + y 2 + z 2 = c2 = const.
Die Niveauflächen sind folglich die Oberflächen der Kugeln mit dem Radius c.
Q
Beispiel 1.8 = p
4⇡"0 x2 + y 2 + z 2
K
Niveauflächen: =p = c = const.
x 2 + y2 + z2
p
=) c = x2 + y 2 + z 2
e
=) c2 = x2 + y 2 + z 2
e
Die Niveauflächen sind ebenfalls Kugeloberflächen mit dem Radius e
c.
Beispiel 1.9 z = x2 + y 2
Sei x = 0 = const. =) z = y 2 : Parabel über der y-Achse;
Sei y = 0 = const. =) z = x2 : Parabel über der x-Achse;
3. Speziell bei Funktionen mit nur zwei unabhängigen Veränderlichen kann eine Darstellung
im R3 erfolgen.
p p
obere Halbkugel z = 1 x2 y 2 (links) und untere Halbkugel z = 1 x2 y2
(rechts).
1
Beispiel 1.12 f (x, y) = sin(x + y) (links) und f (x, y) = (rechts)
x2 + y2
Speziell gilt
lim lim f (x, y) = lim lim f (x, y)
x!x0 y!y0 y!y0 x!x0
genau dann wenn, a) die ’inneren’ Grenzwerte existieren und b) mindestens einer der Grenzwerte
gleichmäßig bezüglich der festgehaltenen Variablen ist.
Definition 1.3 (Grenzwert einer mehrdimensionalen Funktion) Die Funktion f (~x) =
f (x1 , x2 , ..., xn ) sei mindestens in einer Umgebung U (~x0 ) des Punktes ~x0 = (x01 , x02 , ..., x0n )T 2
Df ✓ Rn mit Ausnahme von
P 0 = ~x0 definiert. Dann hat f in ~x0 den Grenzwert ↵, wenn es zu jedem " > 0 ein > 0 gibt,
so dass für alle p P = (x1 , x2 , ..., xn )T 2 Df
mit d(P, P 0 ) = (x1 x01 )2 + ... + (xn x0n )2 < gilt |f (~x) ↵| < ".
Schreibweise: lim0 f (~x) = ↵ oder lim 0 f (~x) = ↵
x!~
~ x P !P
Definition 1.4 Die Funktion f (~x) heißt im Punkt P 0 = ~x0 stetig, wenn
a) P 0 2 Df und
b) lim0 f (~x) = f (~x0 ) gilt.
x!~
~ x
1.1. FUNKTIONEN MEHRERER UNABHÄNGIGER VARIABLER 15
Hinweis zu den Übungen: Verwende die Regel von de l’Hospital indem du eine
� Variable fest hältst. Oft kann man den Grenzwert auch dadurch bestimmen, indem
man einfach die Werte einsetzt. Klassisch findet man natürlich den Grenzwert,
wenn man eine konvergente Folge einsetzt. Wenn das nicht klappt, empfehle ich
die Funktion zu visualisieren.
1.1.4 Vektorfunktionen/Vektorfelder
Bisher galt: Df ✓ Rn , Wf ✓ R.
Bei Vektorfunktionen bzw. Vektorfeldern ist dagegen Wf ✓ Rm , m > 1. Vektorfunktionen sind
also eindeutige Abbildungen vom Rn in den Rm :
0 1
f1 (P )
B f2 (P ) C
B C
f~(P ) = B .. C.
@ . A
fm (P )
Weitere Schreibweisen sind ’fett’ f (P) wie es häufig in englischer Literatur zu finden ist. Oft
findet man Vektorfelder auch großgeschrieben, F . Skalare Felder hingegen klein geschrieben,
f .)
Ein Vektorfeld ist oft schwierig darzustellen. Am einfachsten geht es, wenn man
� an regelmäßigen Abständen den lokalen Vektor mit einem Pfeil darstellt. Dazu
ist es hilfreich die Funktionen per Software zu visualisieren. Oft beschreibt ein
Vektorfeld eine Strömung. Zum Beispiel auf eine Wetterkarte zeigen die Pfeile an,
wie stark, und in welcher Richtung der Wind weht.
Definition 1.5 Eine Vektorfunktion F~ (P ) ist genau dann stetig, wenn f1 (P ), f2 (P ), .., fm (P )
stetig sind.
In diesem PINGO testen wir, dein Wissen bezüglich Felder. Es stehen jeweils
Skalarfelder, Vektorfelder, Tensorfelder oder kein Feld zur Auswahl.
Für festes x0 bzw. y0 sind die Funktionen g(x) = f (x, y0 ) und h(y) = f (x0 , y) von einer
Veränderlichen abhängig und können in der bekannten Weise di↵erenziert werden:
@f (x, y0 ) dg(x) g(x0 + 4x) g(x0 ) f (x0 + 4x, y0 ) f (x0 , y0 )
= = lim = lim
@x x=x0 dx 4x!0 4x 4x!0 4x
@f (x0 , y) dh(y) h(y0 + 4y) h(y0 ) f (x0 , y0 + 4y) f (x0 , y0 )
= = lim = lim .
@y y=y0 dy 4y!0 4y 4y!0 4y
Diese beiden Grenzwerte charakterisieren das Anstiegsverhalten der Funktion f (x, y) im Punkt
P0 = (x0 , y0 )T in x- bzw. y-Richtung. Sie heißen partielle Ableitungen nach x bzw. y. Ist
f (x, y) di↵erenzierbar für alle (x, y) 2 M ✓ R2 , so sind die partiellen Ableitungen selbst
wieder Funktionen von x und y. Partielle Ableitungen lassen sich analog bei Funktionen mit n
Veränderlichen definieren.
Definition 1.6 f (~x) = f (x1 , x2 , ..., xn ) sei in U (~x0 ) definiert. Bei festgehaltenen x0i , i =
1, 2, .., n; i 6= k sei (xk ) = f (x01 , x02 , ..x0k 1 , xk , x0k+1 , ..., x0n ) bei xk = x0k di↵erenzierbar. Dann
heißt
0 0 (x0k + 4xk ) (x0k )
(xk ) = lim
4xk !0 4xk
1.2. PARTIELLE ABLEITUNGEN VON SKALAREN FUNKTIONEN UND DAS TOTALE
DIFFERENTIAL 17
Die Ableitungsregeln sind entsprechend der Definition analog zu den Regeln bei der Ableitung
von Funktionen einer Veränderlichen.
Es sei u = u(x, y); v = v(x, y); f = f (t). Dann gilt:
@(u ± v) @u @v
= ± (Addition/Subtraktion)
@x @x @x
@(u · v) @u @v
= v+u (Produktregel)
@x @x @x
@(a · u) @u
= a (Produktregel mit a=const.)
⇣@x
u⌘
@x
ux v uvx
= (Quotientenregel)
v x v2
@f (u(x, y)) df @u
= · (Kettenregel).
@x du @x
Beispiel 1.16 z = f (x, y) = ax + by + c; a, b, c 2 R
zx = a; zy = b
Q
Beispiel 1.18 (x, y, z) = (x2 + y 2 + z 2 ) 0.5
4⇡"0
Q 1 2
z = (x + y 2 + z 2 ) 1.5 (2z)
4⇡"0 2
Qz 2
= (x + y 2 + z 2 ) 1.5
4⇡"0
@ @f @2f @ @f @2f
( )
@x @y
= @y@x
= fyx ( )
@y @y
= @y 2
= fyy
Für gemischte partielle Ableitungen 2. Ordnung gilt der Satz von SCHWARZ (1843 - 1921):
Bemerkung 1.2 Dieser Satz gilt analog auch für gemischte partielle Ableitungen höherer Ord-
nung.
zx = yxy 1
zy = xy ln x
Q
Beispiel 1.22 (x, y, z) = (x2 + y 2 + z 2 ) 0.5
4⇡"0
Q 1 2
x = (x + y 2 + z 2 ) 1.5 (2x)
4⇡"0 2
Q
= (x2 + y 2 + z 2 ) 1.5 · x
4⇡"0
Q 3
xx = ( )(x2 + y 2 + z 2 ) 2.5 2x · x + (x2 + y 2 + z 2 ) 1.5
·1
4⇡"0 2
Q 2 2 2 1.5 3x2
= (x + y + z ) 1
4⇡"0 x2 + y 2 + z 2
= z x xt + z y yt
Verallgemeinerungen:
1. Mittelbare nD, unmittelbar 1D: F (t) = F (x1 (t) , x2 (t) , ..., xn (t)) = f (x1 , x2 , ..., xn )
2. Mittelbare 2D, unmittelbar 2D: z = f (x, y), x = x(u, v), y = y(u, v), F (u, v) =
f (x(u, v), y(u, v)); Existieren die stetigen partiellen Ableitungen fx , fy , xu , xv , yu , yv , dann
gilt
z u = f x xu + f y yu
z v = f x xv + f y yv
3. Mittelbare nD, unmittelbar mD: F (t1, t2, ...tm ) = F (x1 (t1 , t2 , ..., tm ) , ...xn (t1 , t2 , ..., tm )) =
f (x1 , x2 , ..., xn );
wegen xi = xi (t1 , t2 , ..., tm ) ; i = 1, 2, ...n
@z @z @x @z @y
= +
@v @x @v @y @v
Der Mittelwertsatz besagt, dass der Sekantenanstieg mindestens an einer Stelle zwischen (a, b)
als Tangentenanstieg zu finden ist.
f = f (x, y) besitze stetige partielle Ableitungen in der Umgebung U4 des betrachteten Punktes
P0 = (x0 , y0 )T . Weiter sei P04 = (x0 + 4x, y0 + 4y)T ein Punkt aus dieser Umgebung. In
Analogie zum eindimensionalen Fall f = f (x) stellen wir nun die Frage: Wie groß ist der
Zuwachs 4f = f (x0 + 4x, y0 + 4y) f (x0 , y0 )? Dabei sind 4x, y kleine positive Di↵erenzen.
Bei Anwendung des Mittelwertsatzes der Di↵erentialrechnung in einer Koordinatenrichtung
(hier y-Richtung ) erhält man:
4f = f (x0 + 4x, y0 + 4y) f (x0 , y0 )
~ =
Mit 4x 4x
und der Stetigkeit von fx und fy in U4 folgt
4y
lim ~
(4x) = 0
~
4x!~0
lim ~
(4x) = 0.
~
4x!~0
~ gilt:
Bei Vernachlässigung der Terme höherer Ordnung in 4x
4f ⇡ fx (x0 , y0 )4x + fy (x0 , y0 )4y.
Dieser in 4x und 4y lineare Anteil des Funktionszuwachses heißt totales Di↵erential.
1.2. PARTIELLE ABLEITUNGEN VON SKALAREN FUNKTIONEN UND DAS TOTALE
DIFFERENTIAL 23
Definition 1.7 Es sei f (x1 , x2 , ..., xn ) stetig partiell di↵erenzierbar nach x1 , x2 , ...xn . Für ~x0 2
Df und beliebige Zuwächse 4x~ = (4x1 , 4x2 , ..., 4xn )T gelte
n
!
X @f (~
x 0
)
~
4f = f (~x0 + 4x) f (~x0 ) = ~
4xi + (4x) ~
4x
i=1
@x i
mit lim4x!
~
~
~0 (4x) = 0. Dann heißt f (~
x) total di↵erenzierbar und
n
X
0 @f (~x0 )
df (~x ) = dxi
i=1
@xi
~
das totale Di↵erential von f in ~x0 bezüglich des Zuwachses dx.
Gegenüberstellung:
Anstieg der Tangenten: f 0 (x0 ) Diese Ebene wird aufgespannt durch die
Tangenten an die Schnittkurven
z = h(y) = f (x0 , y) und
z = g(x) = f (x, y0 ) :
z = h(y) = z0 + fy (x0 , y0 )(y y0 )
z = g(x) = z0 + fx (x0 , y0 )(x x0 )
Das totale Di↵erential gibt den linearen Anteil des Funktionszuwachses an, d.h. den Funkti-
onszuwachs, der entsteht, wenn die Bildfläche von f im Punkt P0 durch die Tangentialebene
ersetzt wird. Durch Auswertung der Formel für das totale Di↵erential kann die Gleichung für
die Tangentialebene aufgestellt werden. Im Fall n = 2 gilt:
Das totale Di↵erential einer Funktion, das von zwei Variablen abhängt, läßt sich
� einfach geometrisch interpretieren. Es entspricht dem Bild der Funktion in einer
lokalen Umgebung um einen Punkt P, welches durch die Tangentialebene ersetzt
wird. Es ist die lineare Approximation der Funktion f um den Punkt P.
p
Beispiel 1.27 Sei f (x, y) = ln x2 + y 2 . Wir bestimmen die Tangentialebene an diese Funk-
tion im Punkt P0 = (1, 1)T .
p 2x 2y
z ln x2 + y 2 = ⇣p ⌘2 (x x0 ) + ⇣p ⌘2 (y y0 )
P0
2 x2 + y2 2 x2 + y 2
P0 P0
p 1 1
z ln 2 = (x 1) + (y 1)
2 2
1 1 1
z x y = ln 2 1.
2 2 2
Die Prüfung, ob ein gegebener Ausdruck fx (x, y)dx + fy (x, y)dy ein totales Di↵erential ist,
erfolgt mit Hilfe des Satzes von Schwarz:
Gilt P (x, y) = fx (x, y) und Q(x, y) = fy (x, y) sind stetig di↵erenzierbar, so muss fxy = fyx ,
d.h. Py = Qx erfüllt sein.
Beispiel 1.28 (x2 + y 2 )dx + xydy ist kein totales Di↵erential, denn mit
P (x, y) = x2 + y 2 und Q(x, y) = xy gilt:
Py = 2y 6= y = Qx
1.2. PARTIELLE ABLEITUNGEN VON SKALAREN FUNKTIONEN UND DAS TOTALE
DIFFERENTIAL 25
Beispiel 1.29 (x3 + xy 2 )dx + (y 3 + x2 y)dy ist ein totales Di↵erential, denn mit
P (x, y) = x3 + xy 2 und Q(x, y) = y 3 + x2 y gilt:
Py = 2xy = Qx
Im Fall n = 3 gilt:
Die Prüfung, ob ein gegebener Ausdruck P (x, y, z)dx + Q(x, y, z)dy + R(x, y, z)dz ein totales
Di↵erential ist, erfolgt analog zu oben:
Gilt P (x, y, z) = Fx (x, y, z), Q(x, y, z) = Fy (x, y, z) und R(x, y, z) = Fz (x, y, z) sind stetig
di↵erenzierbar, so müssen folgende Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein:
Beispiel 1.30 Zur Abschätzung des absoluten (relativen) Fehlers einer der unmittelbaren Mes-
sung nicht zugänglichen Größe ze :
Es sei ze = f (e
x, ye); 4z = ze(ex, ye) z(x, y), wobei die Messwerte x und y mit den maximalen
Messfehlern von 4x und 4y gemessen werden und x e bzw. ye die wirklichen Werte von x bzw.
y sind:
|e
y y| 4y d.h. y 4y ye y + 4y
|e
x x| 4x d.h. x 4x x
e x + 4x.
m m
⇢(a, b, c, m) = =
V abc
|4⇢| ⇡ |d⇢|
@⇢ @⇢ @⇢ @⇢
|4a| + |4b| + |4c| + |4m|
@a @b @c @m
m m m 1
= |4a| + |4b| + |4c| + |4m|
a2 bc ab2 c abc2 abc
✓ ◆
m |4a| |4b| |4c| |4m|
= + + +
abc a b c m
✓ ◆
|4a| |4b| |4c| |4m|
= ⇢ + + +
a b c m
✓ ◆
270g 0.01 0.01 0.01 0.5
= + + +
10 · 6 · 5cm3 10 6 5 270
g
⇡ 0.00587 3
cm
0 @
1
@x
Bemerkung 1.3 Durch Einführen des formalen Vektors r = @ @
@y
A , dem sogenannten Na-
@
@z
blaoperator, folgt grad f = rf.
1.3. GRADIENT UND RICHTUNGSABLEITUNG 27
Ein Operator ist eine mathematische Vorschrift für eine Rechenoperation, d.h.
� eine exakt definierte Handlungsanweisung, die auf ein oder mehrere mathemati-
sche Objekte, die Operanden, angewendet wird und durch diese mathematische
Operation ein neues mathematisches Objekt erzeugt. Am bekanntesten sind die
Operatoren für die vier Grundrechenarten. Ein Di↵erentialoperator ordnet einer
gegebenen Funktion eine Funktion zu, die deren Ableitung nach einer oder mehre-
ren Variablen enthält. Handelt es sich dabei um einen linearen Operator, so liegt
ein linearer Di↵erentialoperator vor. Im Fall einer partiellen Ableitung spricht man
von einem partiellen Di↵erentialoperator.
Bemerkung 1.4 Das totale Di↵erential kann mit 4x ~ = (4x1 , 4x2 , ..., 4xn )T = 4x1 e~1 +
4x2 e~2 + ... + 4xn e~n . durch den Nablaoperator vereinfacht dargestellt werden,
@f @f @f
df (~x0 ) = 4x1 + 4x2 + ... + 4xn
@x1 x0
~ @x2 x0
~ @xn x0
~
~
= grad f (~x0 ) · 4x (Skalarprodukt!)
p
Beispiel 1.31 f (x, y) = ln x2 + y 2 y
1 2x x
fx = p p = 2
x2 + y 2 2 x2 + y 2 x + y2
1 2y y
fy = p p = 2
2 2
x +y 2 x +y 2 2 x + y2
✓ ◆
1 x
rf = grad f = 2
x + y2 y
Die partiellen Ableitungen fx und fy sind in diesem Beispiel außer im Ursprung stetig. Damit
ist f total di↵erenzierbar in Df = R2 \(0, 0)T :
✓ ◆
1 dx
df = 2 (xdx + ydy) = grad f · .
x + y2 dy
✓ ◆
T 1 1
Im Punkt P0 = (1, 1) gilt dann grad f |P0 =
2 1
Beispiel 1.32 Der Betrag der Kraft zwischen zwei Massepunkten m1 und m2 mit Abstand
p m 1 m2
r = x2 + y 2 + z 2 ist F = 2
x + y2 + z2
m 1 m2
Fx = · 2x
(x2
+ y 2 + z 2 )2
0 1
2x
m 1 m2
rF = · @ 2y A
(x + y 2 + z 2 )2
2
2z
Rechenregeln:
Voraussetzungen: a, b 2 R; a, b = const.;
f (~x) , g (~x) seien skalare Felder, h = (x) , x 2 R eine Funktion einer Veränderlichen
1.3. GRADIENT UND RICHTUNGSABLEITUNG 28
dh
3. grad h(f ) = · grad f Kettenregel
df
Wir betrachten nun die Änderung der Funktion f in Richtung eines beliebigen Vektors ~l 2
Rn , ~l 6= ~0, h 2 R, o.B.d.A. sei h > 0:
~l
= grad f (~x0 ) ·
~l
df ~l
= grad f (P0 ) ·
d~l P0 ~l
✓ ◆ ✓ ◆
1 1 1 1 1
= · p
2 1 2 1 1
2
2
1
= p (1 + 1)
2 2
2 1p
= p = 2
2 2 2
1.3. GRADIENT UND RICHTUNGSABLEITUNG 29
Beispiel 1.34 Für das obige Beispiel ergibt sich als Gleichung für die Tangentialebene im
Punkt P0 (vergleiche mit oben!).
z z0 = z f (P0 ) ' df (P0 )
= ~
grad f (P0 ) · 4x
✓ ◆ ✓ ◆
1 1 x 1
= ·
2 1 y 1
1 1 1
z ln 2 = (x 1) + (y 1)
2 2 2
1 1 1
x y+z = ln 2 1.
2 2 2
df
Folgerung 1.1 wird maximal, wenn grad f (~x0 ) und ~l parallel sind. Folglich zeigt der Gra-
~
dl
dient in die Richtung des Raumes, in der die Funktion am schnellsten wächst. Das wollen wir
nun beweisen:
Sei ~v ein normierter (||~v || = 1) beliebiger Vektor und f eine beliebige Funktion. Die Rich-
tungsableitung ergibt sich durch,
df ~v
= rf · = rf · ~v .
d~v ||~v ||
Nun sind rf und ~v zwei Vektoren, die den Winkel ↵ einschließen.
rf · ~v
cos ↵ =
||rf || · ||~v ||
damit ergibt sich,
df
= rf · ~v = ||rf || · ||~v || cos ↵
d~v
und für ||~v || = 1
df
= ||rf || · cos ↵
d~v
Die Richtungsableitung wird genau dann maximal, wenn cos ↵ = 1 annimmt. Das entspricht
ganzzahligen Vielfachen von ⇡. Für den einfachsten Fall ↵ = 0 stehen dann rf und ~v par-
allel zueinander. Und somit folgt für den maximalen Anstieg der Richtungsableitung für einen
beliebigen Vektor ~v ,
df
= ||rf ||
d~v
Folglich muss der Gradient immer in Richtung des steilsten Anstiegs zeigen, da nur dort
cos ↵ maximal ist, also den Wert 1 annimmt.
df
Folgerung 1.2 misst die Zunahme von f (~x) bei Verschiebung von ~x0 in Richtung ~l um
~
dl
~ D.h. die Änderung von f pro Wegeinheit hat in ~x0 in Richtung von grad f ihren
den Weg 4x.
Maximalwert, nämlich kgrad f (~x0 )k .
1.4. EXTREMWERTAUFGABEN 30
1.4 Extremwertaufgaben
Betrachten f = f (x, y) : eine gekrümmte Fläche im Raum. Bei Extremwerten liegt die Tan-
gentialebene parallel zur x-y-Ebene.y
0 = df (P0 )
0 = fx (P0 ) dx + fy (P0 ) dy y
fx (P0 ) = 0
Gleichungssystem für P0 = (x0 , y0 )T
fy (P0 ) = 0
fx (0, 0) = 2x|P0 = 0
fy (0, 0) = 2y|P0 = 0
f (x, 0) = x2 0 in U (P0 )
f (0, y) = y 2 0 in U (P0 )
f (0, 0) = 0,
>> [ x , y ] = meshgrid ( l i n s p a c e ( − 5 , 5 , 1 0 0 ) ) ;
>> z=x . ˆ 2 − y . ˆ 2 ;
>> s u r f ( x , y , z , ’ FaceColor ’ , ’ i n t e r p ’ )
1.4. EXTREMWERTAUFGABEN 31
D(Hf (P0 )) = fxx (P0 )fyy (P0 ) [fxy (P0 )]2 (1.3)
(Kriterium von Sylvester) Eine (2⇥2) Matrix A ist genau dann positiv oder negativ definit,
wenn ihr zweiter Hauptminor, d.h. det(A) selbst positiv ist. Ist dies der Fall, so ist sie positiv
bzw. negativ definit je nachdem, ob ihr erster Hauptminor, d.h. das Element a11 , positiv bzw.
negativ ist. Weiter ist die (2 ⇥ 2) Matrix A indefinit, wenn det(A) negativ ist. Ist det(A) = 0,
so ist sie weder definit noch indefinit.
2. D(P0 ) > 0 (positiver zweiter Hauptminor, also entweder definit oder indefinit)
3. fxx (P0 ) < 0, (negativer erster Hauptminor, negativ definit) so liegt bei P0 ein relatives
Maximum vor.
1.4. EXTREMWERTAUFGABEN 32
4. fxx (P0 ) > 0, (positiver erster Hauptminor, positiv definit) so liegt bei P0 ein relatives
Minimum vor.
Bemerkung 1.5 Im Fall von mehr als zwei Veränderlichen kann die notwendige Bedingung
erweitert werden auf
@f
= 0, i = 1, 2, ..., n.
@xi ~x0
Hinreichende Bedingungen für diesen Fall sind komplizierter. Es gilt
@f
1. = 0, i = 1, 2, ..., n.
@xi x0
~
@ 2 f (~x0 )
2. A = (aik ); aik = besitzt durchweg positive (negative) Eigenwerte,
@xi @xk
dann hat f (~x) bei ~x = ~x0 ein relatives Minimum (Maximum).
x2 1
Beispiel 1.36 f (x, y) = 4xy + 9y 2 + 3x 14y + ; Df = R2 y
2 2
fx = x 4y + 3 = 0
fy = 4x + 18y 14 = 0
1.4. EXTREMWERTAUFGABEN 33
Die Lösung dieses linearen Gleichungssystems durch Multiplikation der 1. Zeile mit 4 und Ad-
dition zur 2. ergibt
2y 2 = 0
! y0 = 1
! x0 = 4y0 3=1
fxx (1, 1) = 1
fyy (1, 1) = 18
fxy (1, 1) = fyx = 4
D(1, 1) = 18 16 = 2 > 0.
Damit liegt in P0 ein Extremum vor. Da fxx (1, 1) = 1 > 0 gilt, ist es ein Minimum. Wir
erhalten also als Extrempunkt: P0 = (1, 1, 5)T .
Beispiel 1.37 Es liege ein Quader mit den Kantenlängen x, y, z vor. Gegeben ist die Summe
der Kantenlängen S = x + y + z. Für welche Werte von x, y, z ist das Volumen des Quaders
maximal?
V = x·y·z Hauptbedingung
z = S x y Nebenbedingung
Durch Einsetzen ergibt sich eine Zielfunktion, die nur noch von zwei Veränderlichen abhängig
ist:
V = x · y · (S x y)
= xyS x2 y xy 2 .
Vx = yS 2xy y 2 = y(S 2x y) = 0
Vy = xS x2 2xy = x(S x 2y) = 0.
Durch Nullsetzen der Faktoren in den verschiedenen Kombinationen ergeben sich die extrem-
wertverdächtigen Punkte
x = 0
S = 2x + y = y
4. P4 = (S, 0)T , wenn man die Faktoren y und (S x 2y) null setzt:
y = 0
S = x + 2y = x.
O↵ensichtlich können die Punkte P1 , P3 , P4 keine Maxima liefern, da wegen einer Kan-
tenläge gleich Null das Volumen ebenfalls Null sein muss. Die Überprüfung der hinrei-
chenden Bedingungen ergibt Folgendes:
2
D = Vxx Vyy Vxy
= ( 2y)( 2x) (S 2y 2x)2
= 4xy (S 2y 2x)2
D1 = 0 S 2 < 0 y Sattelpunkt in P1
SS 2S 2S 2
D2 = 4 (S )
33 3 3
4 2 1 2
= S S > 0 y Extrempunkt in P2
9 9
D3 = 0 ( S)2 < 0 y Sattelpunkt in P3
D4 = 0 ( S)2 < 0 y Sattelpunkt in P4
S
Vxx |P2 = ( 2y)|P2 = 2 < 0.
3
S S
Folglich liegt in Punkt ( , )T ein Maximum vor. Der zugehörige z-Wert und das Volu-
3 3
men lauten
S
z = S x y=
3
1 3
V = S .
27
Das folgende Bild zeigt die zum Maximum führende Funktion V = 3xy xy 2 x2 y, d.h.
es wurde S = 3 gewählt.
1.4. EXTREMWERTAUFGABEN 35
1.4. EXTREMWERTAUFGABEN 36