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Mathematik 10

C. Weindorf
27. Juni 2021

Inhaltsverzeichnis
1 Kreis und Kugel 3
1.1 Kreissektoren, Bogenlänge und Bogenmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.1.1 Die Bogenlänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.1.2 Das Bogenmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2 Kreisteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.3 Oberflächen- und Rauminhalt der Kugel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2 Die Trigonometrischen Funktionen 6


2.1 Sinus, Kosinus und Tangens am Einheitskreis M10-spezWinkel . . . . . 6
2.2 Die Sinus- und die Kosinusfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.3 Verschiebung, Stauchung und Streckung von Funktionen . . . . . . . . . . . . . 9
2.4 Transformationen der Sinusfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.4.1 Verschiebung in y-Richtung um den Wert d . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.4.2 Streckung/Stauchung in y-Richtung um den Faktor a . . . . . . . . . . . 11
2.4.3 Verschiebung in x-Richtung um den Wert c . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.4.4 Streckung/Stauchung in x-Richtung um den Faktor 1/b . . . . . . . . . . 11
2.5 Spiegeln von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.6 Symmetrie von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.7 Die allgemeine Sinusfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.8 Zeichnen von allgemeinen Sinus- und Kosinusfunktionen . . . . . . . . . . . . . . 15

3 Exponentielles Wachstum und Logarithmen 16


3.1 Gegenüberstellung: Exponentielles und lineares Wachstum . . . . . . . . . . . . 16
3.2 Die Exponentialfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
3.2.1 Verschiebung, Streckung und Spiegelung der Exponentialfunktion . . . . 17
3.3 Exponentialgleichung und Logarithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3.4 Die Logarithmusgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.5 Die Substitutionsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

4 Wahrscheinlichkeitsrechnung 21
4.1 Wiederholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
4.1.1 Kombinatorik (Zählprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
4.1.2 Zufallsexperiment und Ergebnismenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
4.1.3 Das Laplace-Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
4.1.4 Baumdiagramm und Pfadregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
4.2 „Drei-mal-mindestens“-Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
4.3 Die bedingte Wahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
4.3.1 Vierfeldertafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
4.3.2 Rechnen mit bedingten Wahrscheinlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 27

5 Ganzrationale Funktionen 28
5.1 Potenzfunktionen mit natürlichen Exponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
5.2 Polynome und Polynomdivision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
5.3 Gleichungen höheren Grades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
5.4 Zerlegung von Polynomen in Linearfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
5.5 Vielfachheit von Nullstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

6 Symmetrie von Funktionsgraphen 34

7 Grenzwerte 36
7.1 Grundlegende Grenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
7.2 Grenzwerte von ganzrationalen Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

8 Gebrochen rationale Funktionen 37


8.1 Definitionslücken und Nullstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
8.2 Hebbare Definitionslücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
8.3 Senkrechte Asymptoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
8.4 Verhalten gebrochen rationaler Funktionen im Unendlichen . . . . . . . . . . . . 39
8.5 Zusammenfassung: Gebrochen rationale Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 42
1 Kreis und Kugel
Wiederholung: Umfang und Flächeninhalt des Kreises DorFuchs

U = 2πr
A = πr2

1.1 Kreissektoren, Bogenlänge und Bogenmaß


b
Ein Kreissektor ist ein „Stück“ eines Kreises. Jeder Kreissektor r
besitzt einen Mittelpunktswinkel α, eine Radiuslänge r und α
r
eine Bogenlänge b. M

1.1.1 Die Bogenlänge

Die Bogenlänge b ist immer ein Anteil des gesamten Kreisumfangs, dessen Größe sich
aus dem Quotienten 360
α
◦ ergibt. Den Wert der Bogenlänge können wir wie folgt berechnen:

α πrα
b= 2πr · =
|360 180◦
|{z} ◦
Kreisumfang {z }
Anteil am Kreis

1.1.2 Das Bogenmaß


Weil die Bogenlänge direkt proportional zum Radius des Sektors ist, ergibt der Quotient b
r
eine
Größe, die nur vom Mittelpunktswinkel α abhängt:

πrα
b= |:r
180◦
b πα
=
r 180◦
Zu jedem Winkelmaß α gehört also ein bestimmtes Verhältnis rb und umgekehrt. Den Zusammen-
hang liefert die obige Formel. Aus diesem Grund kann man die Größe eines Winkels einerseits
in Grad, und andererseits durch das Verhältnis rb angeben.
Dieses neue Winkelmaß hat keine Einheit und wird das Bogenmaß [engl.: radian] genannt.
Um deutlich zu machen, in welchem Maß man den Winkel gerade angibt, kann man αdeg
oder αrad schreiben (degree bzw. radian). Es gilt:

b παdeg
αrad = =
r 180◦
Für αdeg = 180◦ ergibt sich für das Bogenmaß αrad = π. Wegen der Proportionalität von
αdeg und αrad kann man mithilfe des Dreisatzes ganz einfach umrechnen:

180◦ =π
ˆ
360 =2π

ˆ etc.

Ein Vorteil des Bogenmaß:


Mithilfe des Mittelpunktswinkels im Bogenmaß kann man die Bogenlänge sehr einfach
berechnen:

b = rαrad

Beispiele: Berechne die Bogenlänge

a) α = 3 (Bogenmaß, da keine Gradzahl!) und r = 5 cm


⇒ b = 5 cm · 3 = 15 cm

b) α = 23 π, r = 10 cm
⇒ b = 23 π · 10 cm = 15π cm ≈ 47 cm

c) α = 60◦ (Gradmaß ⇒ umwandeln!), r = 2 m


⇒ α = 60◦ = 13 · 180◦ =
ˆ 31 π
⇒ b = 3π · 2 m = 3π m
1 2

1.2 Kreisteile
Ebenso wie die Bogenlänge einen Anteil des Kreisumfangs darstellt (siehe 1.1.1), stellt
der Flächeninhalt eines Kreissektors einen Anteil der Kreisfläche dar. Es gilt:
α
A= 2
r π ·
|360
|{z} ◦
Kreisfläche {z }
Anteil am Kreis

α 1.1.1 b
Unter Verwendung von = folgt:
360◦ 2πr
b 1
A = r2 π · = rb
2πr 2
(Plausibilitäts-Check: Für einen ganzen Kreis ist b = 2πr und daher A = 12 r·2πr = r2 π X)

Beispiele: Berechne den Flächeninhalt des Kreissektors

• α = 30◦ , r = 15 cm
30◦
⇒ A = r2 π · α
= (15 cm)2 π · = 58,9 cm2
360◦
360◦
• α = 1,5π (Bogenmaß!), r = 9 dm
⇒ A = 21 rb = 12 r · rα = 21 r2 α = 12 (9 dm)2 · 1,5π = 191 dm2
1.3 Oberflächen- und Rauminhalt der Kugel

Eine Kugel ist die Menge aller Punkte im dreidimensionalen Raum, die vom Mittelpunkt
M denselben Abstand r haben.
Der Oberflächen- und Rauminhalt einer Kugel mit Radiuslänge r beträgt

O = 4πr2
4π 3
V = r .
3

Nützliche Tipps zur Bearbeitung von Aufgaben:

1. Oft ist nicht die Radiuslänge, sondern der Oberflächen- oder der Rauminhalt der Kugel
gegeben. Die Radiuslänge erhält man dann durch Auflösen der obigen Gleichungen nach r:

√ 4π 3 3 √
O = 4πr2 | : (4π); V = r |· ; 3
s s3 4π
3 3V
O
r= r=
4π 4π
2. Eine Hohlkugel (Kugelschale) besteht aus einer Vollkugel mit Außenradius ra , aus der
eine kleinere Kugel mit Radius ri ausgeschnitten wurde. Das Volumen einer Hohlkugel
ergibt sich aus der Differenz der Volumina beider Kugeln:
4π 3 4π 3 4π 3
VHohlkugel = Va − Vi = r − r = (r − ri3 )
3 a 3 i 3 a

Kugelschale/Hohlkugel

ri
ra

Wandstärke = ra − ri

Die Wandstärke der Hohlkugel ergibt sich aus der Differenz aus Außen- und Innenradius.

3. Bei verschiedenen Körpern aus demselben Material ist der Quotient aus Masse und Vo-
lumen stets gleich. Dieser Quotient ist also stoffabhängig und wird die Dichte % („rho“)
genannt.
m kg g
%= [%] = 1 3
=1 3
V m cm
[Physikalischer Hintergrund: Die Dichte eines Stoffs hängt davon ab, wie eng die Atome in
diesem Material gepackt sind (vgl. Gas/Festkörper) und wie groß die Masse seiner Atome
ist.]
2 Die Trigonometrischen Funktionen
2.1 Sinus, Kosinus und Tangens am Einheitskreis M10-spezWinkel
Die Zahlenwerte des Sinus, Kosinus und des Tangens lassen sich für beliebige Winkel am soge-
nannten Einheitskreis mit r = 1 LE (Längeneinheit) und Mittelpunkt M (0|0) veranschauli-
chen.
Im eingezeichneten rechtwinkligen Dreieck gilt:
y
y x
sin ϕ = und cos ϕ =
1 1 LE 1 LE
P(x|y) Die Zahlenwerte der Strecken x und y entspre-
1 LE
ϕ
y = sin ϕ chen daher genau dem Sinus- bzw. Kosinus-Wert
x = cos ϕ x des Winkels ϕ:
−1 1
y = sin ϕ (LE) und x = cos ϕ (LE)
−1
Die Pfeile deuten an, dass für Winkel 0◦ < ϕ <
0◦ <ϕ< 90◦ 90◦ sowohl der Sinus als auch der Kosinus posi-
tiv sind.

Dieses Verfahren setzt man für Winkel ϕ ≥ 90◦ fort:

y y y

1 1 1

1 LE
sin ϕ
ϕ cos ϕ ϕ ϕ cos ϕ

−1
cos ϕ
1 x −1 1 x −1 sin ϕ 1 x
sin ϕ 1 LE
1 LE

−1 −1 −1
90◦ < ϕ < 180◦ 180◦ < ϕ < 270◦ 270◦ < ϕ < 360◦

Das Vorzeichen des Sinus oder Kosinus kann man daran ablesen, ob der zugehörige Pfeil in
die positive oder negative Richtung zeigt.
Tragen Sie für die Intervalle jeweils das richtige Vorzeichen und für die Grenzen die konkreten
Zahlenwerte des Sinus und des Kosinus ein.
Winkelbereich sin ϕ cos ϕ
ϕ = 0◦
0◦ < ϕ < 90◦
ϕ = 90◦
90◦ < ϕ < 180◦
ϕ = 180◦
180◦ < ϕ < 270◦
ϕ = 270◦
270◦ < ϕ < 360◦
Auch den Tangens kann man am Einheitskreis ablesen:

y
Q Die Gerade durch den Ursprung und Q hat die
1 Steigung
y = tan ϕ
sin ϕ ∆y sin ϕ y
m= = =
ϕ ∆x cos ϕ 1 LE
−1
cos ϕ
1 x
Folglich gilt für die Länge der Strecke y:
−1 sin ϕ
y= (LE) = tan ϕ (LE)
0◦ < ϕ < 90◦ cos ϕ

Aufgabe:
Bestimmen Sie mithilfe des Einheitskreises jeweils einen Näherungswert für den Sinus, den
Kosinus und den Tangens für die Winkel ϕ ∈ {50◦ , 130◦ , 200◦ , 300◦ }. Achten Sie dabei auf die
Vorzeichen!
y y
1 1

−1 1 x −1 1 x

−1 −1

sin(50◦ ) ≈ sin(130◦ ) ≈
cos(50◦ ) ≈ cos(130◦ ) ≈
tan(50◦ ) ≈ tan(130◦ ) ≈

y y
1 1

−1 1 x −1 1 x

−1 −1

sin(200◦ ) ≈ sin(300◦ ) ≈
cos(200◦ ) ≈ cos(300◦ ) ≈
tan(200◦ ) ≈ tan(300◦ ) ≈
2.2 Die Sinus- und die Kosinusfunktion
Die Sinusfunktion ordnet jedem Winkel seinen Sinuswert zu: x 7→ sin(x)
y
1

−2π − 3π −π − π2 π
2
π 3π 2π x
2 2
−1
Periode p = 2π

• In die Sinusfunktion darf man alle reellen Zahlen einsetzen. Die y-Werte, die man hierdurch
erhält, liegen alle im Intervall [−1; 1].

Definitionsmenge: D=R
Wertemenge: W = [−1; 1]

• Die Sinusfunktion ist periodisch, d.h. ab einem gewissen x-Wert wiederholen sich die
Funktionswerte (vgl. mehrfache Umrundung am Einheitskreis). Der kürzeste Abstand, ab
dem sich die Funktionswerte wiederholen, heißt die Periode p. Die gewöhnliche Sinus-
funktion hat die Periode p = 2π.
Addiert man zu einem beliebigen Winkel x ein ganzzahliges Vielfaches der Periode, dann
erhält man denselben Sinuswert:

sin (x + k · 2π) = sin (x) für alle k ∈ Z

• Der Graph der Sinusfunktion ist punktsymmetrisch zum Ursprung.

sin ( − x) = − sin (x) für alle x ∈ R

• Die gewöhnliche Sinusfunktion hat unendlich viele Nullstellen bei allen ganzzahligen
Vielfachen von π.

sin(x) = 0 ⇔ x ∈ {...; −2π; −π; 0; π; 2π; ...} = {kπ | k ∈ Z}

Die Kosinusfunktion ist eine um − π2 in x-Richtung verschobene Sinusfunktion.


π
cos(x) = sin(x + )
2
y
sin(x) cos(x)
1

−2π − 3π −π − π2 π
2
π 3π 2π x
2 2
−1

• Der Graph der Kosinusfunktion ist achsensymmetreisch zur y-Achse.


• Die Kosinusfunktion hat Nullstellen bei allen ungeraden Vielfachen von π2 .

3π π π 3π π
   
cos(x) = 0 ⇔ x ∈ ...; − ; − ; ; ; ... = (2k + 1) | k ∈ Z
2 2 2 2 2
2.3 Verschiebung, Stauchung und Streckung von Funktionen
Verschiebung in y-Richtung
Wenn man zu jedem Funktionswert einen gewissen Wert addiert oder sub-
y
trahiert (z.B. +1), verschiebt sich der Graph um genau diesen Wert nach
oben oder nach unten. 4

x -2 -1 0 1 2 2

f (x) = x2 4 1 0 1 4
x
f ∗ (x) = f (x) + 1 5 2 1 2 5
−2 2

Streckung und Stauchung in y-Richtung


y
Wenn man jeden Funktionswert mit einem Faktor a multipliziert (z.B. 2), 8

dann wird der Graph um den Faktor a in y-Richtung gestreckt oder ge-
staucht. 6

x -2 -1 0 1 2 4

f (x) = x2 4 1 0 1 4 2

f ∗ (x) = 2f (x) 8 2 0 2 8
−2 2 x

Verschiebung in x-Richtung
Sei die Funktion f ∗ gegenüber f um eine Längeneinheit nach rechts verschoben. Dann hat f ∗
an der Stelle x = 1 denselben Funktionswert wie die Funktion f an der Stelle x = 0. Ebenso ist
f ∗ (2) = f (1), f ∗ (3) = f (2) usw. Die Wertetabellen von f ∗ und f haben identische Werte, sind
aber um eine Einheit gegeneinander verschoben!
Wenn wir den Funktionswert von f ∗ an der Stelle x wissen möchten, dann müssen wir f an der
Stelle x − 1 auswerten: f ∗ (x) = f (x − 1).
y
4
x -2 -1 0 1 2

f (x) = x2 4 1 0 1 4 2

f ∗ (x) = f (x − 1) = (x − 1)2 9 4 1 0 1
−2 2 x

Streckung und Stauchung in x-Richtung


Wenn man eine Funktion in x-Richtung Streckt oder Staucht, dann haben
y
die Wertetabellen der alten und der neuen Funktion gleiche Einträge. Diese 4

werden nur bei unterschiedlichen x-Werten erreicht (vgl. Verschiebung in


x-R.). Streckt man f beispielsweise um den Faktor 2 in x-Richtung, dann 2

erreicht f ∗ den Funktionswert f (1) erst bei x = 2, also f ∗ (2) = f (1).


Ebenso ist f ∗ (4) = f (2), f ∗ (6) = f (3), usw.
x
Für beliebige x gilt: f ∗ (x) = f ( 12 x).
−4 −2 2 4

x -6 -5 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6

f (x) = x2 36 25 16 9 4 1 0 1 4 9 16 25 36
 2
f ∗ (x) = f ( 12 x) = 1
2
x 9 6,25 4 2,25 1 0,25 0 0,25 1 2,25 4 6,25 9
Zusammenfassung

• Verschiebung in y-Richtung um d:
Addiere d zum ursprünglichen Funktionsterm.

f ∗ (x) = f (x) + d

• Streckung in y-Richtung um den Faktor a:


Multipliziere den gesamten Funktionsterm mit a (Klammern setzen!).

|a| > 1: Streckung

f ∗ (x) = a · f (x) |a| < 1: Stauchung


a < 0: zusätzliche Spiegelung an der x-Achse

• Verschiebung in x-Richtung um c:
Ersetze jedes x im ursprünglichen Funktionsterm durch (x − c).

f ∗ (x) = f (x − c)

• Streckung in x-Richtung um den Faktor 1b :


Ersetze jedes x im ursprünglichen Funktionsterm durch (bx).

|b| > 1: Stauchung

f ∗ (x) = f (bx) |b| < 1: Streckung


b < 0: zusätzliche Spiegelung an der y-Achse

• Beachte:
Wenn mehrere Transformationen nacheinander ausgeführt werden, dann bestimmt
die Reihenfolge das Ergebnis!
Streckung + Verschiebung 6= Verschiebung + Streckung

Aufgabe
Die Normalparabel f : x 7→ x2 soll nacheinander

1. um den Faktor 2 in x-Richtung gestreckt,

2. um den Faktor 3 in y-Richtung gestreckt,

3. um −1 in y-Richtung verschoben,

4. um −3 in x-Richtung verschoben werden.

a) Führen Sie die Streckungen und Verschiebungen rechnerisch durch. Notieren Sie nach
jedem Schritt den zugehörigen Funktionsterm.

b) Führen Sie die Verschiebungen und Streckungen graphisch durch.

c) Erörtern Sie, ob sich das Endergebnis ändert, wenn man die Transformationen 1. bis 4. in
umgekehrter Reihenfolge durchführt.

d) Führen Sie die Transformationen 1. bis 4. rechnerisch für die folgenden Funktionen durch.
(i) g : x 7→ 5x − 3x2 + 1 (ii) h : x 7→ sin(x)
2.4 Transformationen der Sinusfunktion
Zur Beschreibung von Sinusfunktionen eignen sich zwei Kennzahlen:
1. Die Amplitude A:
• Maximaler Ausschlag der Funktion.
• Für die gewöhnliche Sinus- und Kosinusfunktion gilt A = 1.
• Wichtig: A ist nicht der größte y-Wert, sondern der maximale Abstand zum „Null-
niveau“ der Schwingung.
2. Die Periode p:
• Abstand in x-Richtung, ab dem sich die Funktionswerte wiederholen.
• Für die gewöhnliche Sinus- und Kosinusfunktion gilt p = 2π.

2.4.1 Verschiebung in y-Richtung um den Wert d


y

• Addiere zum Funktionsterm den Wert d: 2

Gf ∗
f ∗ (x) = f (x) + d = sin x + d A
x
− π2 π
2
π 3π
2

• Amplitude und Periode unverändert: A = 1, p = 2π Gf
p
−2

2.4.2 Streckung/Stauchung in y-Richtung um den Faktor a


y
• Multipliziere den Funktionsterm mit dem Faktor a: 2

f ∗ (x) = a · f (x) = a sin x


x
− π2 π
π 3π

• Amplitude verändert sich sich: A = |a|; 2 2

Gf
Periode unverändert. Gf ∗
−2

2.4.3 Verschiebung in x-Richtung um den Wert c


y
2
• Ersetze jedes x durch (x − c):
Gf ∗
f ∗ (x) = f (x − c) = sin(x − c)
x
− π2 π
2
π 3π
2

• Amplitude und Periode unverändert: A = 1, p = 2π Gf
−2

2.4.4 Streckung/Stauchung in x-Richtung um den Faktor 1/b


y
• Ersetze jedes x durch (bx): 2
Gf ∗
f ∗ (x) = f (bx) = sin(bx)
x
− π2 π
π 3π

• Periode verändert sich: p = 2π
|b|
; 2 2

Gf
Amplitude unverändert.
−2
Aufgaben zu 2.4
1. Beschreiben Sie jeweils, welche Transformationen (nacheinander) durchgeführt wurden
und geben Sie an, wie sich die Amplitude und die Periode verändern. Geben Sie auch an,
welche der Funktionen Nullstellen besitzen.
a) sin(x + 5) b) sin(3x) c) cos x + 6
d) −4 sin x e) 0,5 sin(x + 6) f) 2 sin x + 3
g) 3 sin( x2 ) h) 5 sin(x − 3) − 1,5 i) 2,5 sin[3(x + 1)] − 4
2. Gegeben sind Paare von Transformationen T1 und T2 . Diese sind hier in Kurzform notiert:
„Sy um 4 “ bedeutet „Streckung bzw. Stauchung in y-Richtung um den Faktor 4 “.
a) T1 : Sy um 5; b) T1 : Vy um 3; c) T1 : Sx um 7;
T2 : Vy um 2 T2 : Vx um -2 T2 : Vy um -6
d) T1 : Sx um 4; e) T1 : Sy um 0,5; f) T1 : Sx um 13 ;
T2 : Sy um 2 T2 : Vx um 1 T2 : Vx um -3
i) Wenden Sie die Transformationen T1 und T2 in dieser und der umgekehrten Reihen-
folge auf die Sinusfunktion an und vergleichen Sie die Ergebnisse.
ii) Halten Sie tabellarisch fest, welche Arten von Transformationen miteinander ver-
tauscht werden können, ohne das Ergebnis zu verändern.
iii) Fassen Sie Ihre Erkenntnis in einem kurzen Merksatz zusammen.
2.5 Spiegeln von Funktionen
Man kann Funktionen entweder an der x-Achse, der y-Achse oder dem Ursprung spiegeln. Eine
Spiegelungen ist nichts anderes als eine Streckung um den Faktor (−1). Deshalb gilt:

Spiegelung an.. Streckung um den Faktor (−1) in... neuer Funktionsterm:

der x-Achse y-Richtung −f (x)


der y-Achse x-Richtung f (−x)
dem Ursprung x- und y-Richtung −f (−x)

2.6 Symmetrie von Funktionen

Wenn der Graph einer Funktion bei einer Spiegelung auf sich selbst abgebildet wird, dann
spricht man von einer symmetrischen Funktion. Die Funktionsterme von symmetri-
schen Funktionen haben folgende Eigenschaften:

f ist achsensymmetrisch zur y-Achse ⇔ f (−x) = f (x)


f ist punktsymmetrisch zum Ursprung ⇔ f (−x) = −f (x)

Bemerkungen:

• Die Kosinusfunktion f (x) = cos(x) ist achsensymmetrisch zur y-Achse. Es gilt:

cos(−x) = cos(x)

• Die Sinusfunktion f (x) = sin(x) ist punktsymmetrisch zu Ursprung. Es gilt:

sin(−x) = − sin(x)

• Die einzige zur x-Achse symmetrische Funktion ist ist die x-Achse selbst (f (x) = 0),
denn bei einer Funktion darf zu jedem x-Wert höchstens ein y-Wert gehören.

Aufgaben
1. Spiegeln Sie die Funktionen rechnerisch an den Koordinatenachsen und dem Ursprung.
a) a(x) = 5x2 − 3 c) c(x) = x2 cos(x)
3
b) b(x) = 53x − x d) d(x) = 2x−x
x

2. Skizzieren Sie die Graphen der Funktionen und spiegeln Sie diese graphisch an den Ko-
ordinatenachsen und dem Ursprung. Geben Sie an, welche Symmetrieeigenschaft jeweils
vorliegt und weisen Sie diese rechnerisch nach.
a) a(x) = 0,5x c) c(x) = 2 sin(x)
b) b(x) = x2 + 1 d) d(x) = x1

3. Zeigen Sie rechnerisch, dass die Funktion f (x) = x · sin(x) achsensymmetrisch zur y-Achse
und die Funktion g(x) = x · cos(x) punktsymmetrisch zum Ursprung ist.
2.7 Die allgemeine Sinusfunktion

Die allgemeine Sinusfunktion erhält man, indem man sin(x)


die gewöhnliche Sinusfunktion zuerst in x- und y-Richtung
Streckung um den Faktor
streckt und anschließend in x- und y-Richtung verschiebt:
a in y-Richtung
f : x 7→ a sin[b(x − c)] + d a sin(x)
Streckung um den Faktor
Für die Parameter gilt a, b ∈ R \ {0} und c, d ∈ R. 1
b
in x-Richtung
Der Betrag von a wird die Amplitude genannt. Sie be-
stimmt den maximalen Ausschlag der Schwingung. Es gilt: a sin(bx)
Verschiebung um c
|a| = (ymax − ymin ) : 2 in x-Richtung
Der Parameter b ändert die Periode der Sinusfunktion. Es a sin [b(x − c)]
gilt der Zusammenhang Verschiebung um d
2π 2π in y-Richtung
p= bzw. |b| =
|b| p a sin [b(x − c)] +d

Weitere Eigenschaften der allgemeinen Sinusfunktion


Definitionsmenge
Die Definitionsmenge der allgemeinen Sinusfunktion ist die Menge der reellen Zahlen.

D=R

Wertemenge
f : x 7→ sin(x) hat die Wertemenge W = [−1; 1]. Der Parameter a streckt den Graphen in y-
Richtung, wodurch die erreichbaren y-Werte nun zwischen −|a| und |a| liegen können. Verschiebt
man den Graphen jetzt noch um d in y-Richtung, dann liegen die erreichbaren y-Werte zwischen
−|a| + d und |a| + d. Die Wertemenge der allgemeinen Sinusfunktion ist daher
h i
W = − |a| + d; |a| + d

Die Parameter b und c strecken bzw. verschieben nur in x-Richtung und haben daher keinen
Einfluss auf die Wertemenge.

Nullstellen
Die Nullstellen der Funktion f : x 7→ sin(x) liegen bei x = kπ mit k ∈ Z. Folglich hat die
allgemeine Sinusfunktion für d = 0 genau dort Nullstellen, wo das Argument des Sinus (das,
was in der Sinus-Klammer steht) kπ ergibt:


a sin[b(x − c)] = 0 ⇔ b(x − c) = kπ ⇔ x= +c
b
Falls d 6= 0 verschieben sich die Nullstellen wieder. Ist die Verschiebung in y-Richtung größer
als die Amplitude, dann gibt es überhaupt keine Nullstellen mehr.
2.8 Zeichnen von allgemeinen Sinus- und Kosinusfunktionen
Das Allgemeine Verfahren wird erklärt an einer Sinus- und einer Kosinusfunktion:

f : x 7→ −2,5 sin[2(x − π4 )] + 1
g : x 7→ −2,5 cos[2(x − π4 )] + 1

Definitionsmenge einer Schwingung ermitteln

• Bestimme die Periode und lies die Verschiebung in x- y


Richtung ab. 3
2π 2π
p= = =π 2
|b| 2
π 1
Verschiebung: um nach rechts
4 x
− π2 π
2
π 3π
2

−1
• Markiere das Intervall, in dem sich folglich eine kom-
plette Schwingung vollzieht (x-Werte). −2
π
4
π
4

Wertemenge der Schwingung ermitteln

• Lies die Amplitude und die Verschiebung in y-Richtung


ab. Hieraus ergibt sich die Wertemenge der Schwin- y
y0 + A
gung. 3
A = |a| = 2,5
2
Verschiebung: um 1 nach oben
1 y0

• Verschiebung → neues Nullniveau y0 = 1 x


− π2 π
2
π 3π
2

• Amplitude → Ausschlag ausgehend vom Nullniveau −1
y0 − A
−2
π
4
π
4

• Zeichne den rechteckigen Rahmen einer Schwingung
und teile ihn in 4 Teile.
y
y0 + A
3
Zeichnen der Graphen
2

• Die Sinusfunktion startet im Nulldurchgang (y0 ) 1 y0


und wächst normalerweise an (gestrichelt).
x
− π2 π
2
π 3π
2

• Die Kosinusfunktion startet normalerweise mit einem −1
Maximum (gestrichelt). −2
π
4
π
4

y0 − A

y
y0 + A
• Da im Beispiel a < 0 ist, werden die Graphen zusätz- 3
lich am Nullniveau gespiegelt.
2
• Zeichne die Graphen innerhalb des Rahmens und führe 1 y0
im Außenbereich fort.
x
− π2 π
2
π 3π
2

−1
y0 − A
−2
π
4
π
4

3 Exponentielles Wachstum und Logarithmen
3.1 Gegenüberstellung: Exponentielles und lineares Wachstum

Lineares Wachstum Exponentielles Wachstum

Erhöht man x um 1, dann wird zum ak- Erhöht man x um 1, dann wird der aktu-
tuellen Bestand eine feste Konstante m elle Bestand mit dem Wachstums- oder
hinzu addiert. Zerfallsfaktor a > 0 multipliziert.
Die Zunahme ist unabhängig vom aktuel- Die Zunahme ist umso größer, je größer
len Bestand. der aktuelle Bestand ist.
• Falls m > 0 liegt Wachstum vor. • Falls a > 1 liegt Wachstum vor.
• Falls m < 0 liegt Zerfall vor. • Falls 0 < a < 1 liegt Zerfall vor.

x −1 0 1 2 x −1 0 1 2
y −1 1 3 5 y 0,5 1 2 4

y f (x) = y f (x) =
5 5

4 4

3 3

2 2

1 1

−2 −1 1 2 x −2 −1 1 2x

y = f (x) = t + m · x y = f (x) = b · ax

• t: Anfangsbestand t = f (0) • b: Anfangsbestand b = f (0)


• m: Steigung • a: Wachstums- oder Zerfallsfaktor

Beispiele:
Eine 4cm hohe Pflanze wächst pro Monat um Herr Huber hat 12 000 e auf dem Sparbuch.
1,5cm. Pro Jahr bekommt er 3% Zinsen.

a) Stellen Sie die Wachstumsfunktion auf. a) Stellen Sie die Wachstumsfunktion auf.

b) Berechnen Sie die Höhe der Pflanze b) Berechnen Sie den Kontostand nach 5
nach zwei Jahren. Jahren.

c) Berechnen Sie, nach welcher Zeit die c) Berechnen Sie, nach welcher Zeit Herr
Pflanze eine Höhe von 8cm erreicht hat. Huber 15 000 e auf dem Konto hat.
3.2 Die Exponentialfunktion

Definition: Exponentialfunktion
y
Unter einer Exponentialfunktion versteht man eine 16
Funktion der Form
14
f : x 7→ ax
mit a ∈ R \ {1}.
+

12
Eigenschaften:
10
• Df = R und Wf = R+
8
• Wegen f (0) = a0 = 1 verläuft Gf durch (0|1).

• f hat keine Nullstelle. Die x-Achse ist waa- 6


gerechte Asymptote.
4
• Die Basis a bestimmt, ob Gf steigt oder fällt:
– a > 1: Gf steigt mit zunehmendem x. 2

– a < 1: Gf fällt mit zunehmendem x.


−4 −2 2 4x

3.2.1 Verschiebung, Streckung und Spiegelung der Exponentialfunktion


Wie jede andere Funktion kann man auch die Exponentialfunktion verschieben, strecken und
stauchen oder an den Koordinatenachsen spiegeln. Es gelten die bekannten Regeln:
Operation Auswirkung
Addition einer Konstanten Verschiebung in y-Richtung
Multiplikation mit einer Konstanten Streckung/Stauchung in y-Richtung
Spezialfall: Multiplikation mit (−1) Spiegelung an der x-Achse
Ersetze x durch (x − d) Verschiebung um d nach rechts
Ersetze x durch (bx) Streckung/Stauchung um den Faktor 1b in x-Richtung
Spezialfall: x → (−x) Spiegelung an der y-Achse

Beispiele
 x
1. Den Graphen der Funktion g(x) = a1 erhält man durch Spiegelung der Exponential-
funktion f (x) = ax an der y-Achse, denn
1
 x  x
f (−x) = a−x = a−1 = = g(x)
a

2. Die Funktion g(x) = b · ax ergibt sich durch Streckung um den Faktor b in y-Richtung.
Der Graph verläuft jetzt nicht mehr durch (0|1), sondern durch (0|b).
3. Die Funktion g(x) = ax+1 ist eine um 1 Einheit nach links verschobene Exponentialfunk-
tion. Aus den Potenzgesetzen folgt:

ax+1 = ax · a1 = a · ax

,→ Die Verschiebung um 1 nach links und die Streckung um den Faktor a in y-Richtung
haben auf die Exponentialfunktion denselben Effekt.
3.3 Exponentialgleichung und Logarithmus

Bei einer Exponentialgleichung steht die gesuchte Variable im Exponenten. Die einfachste
Exponentialgleichung hat für a ∈ R+ \ {1} und b ∈ R+ die Form

ax = b.

Der Logarithmus von b zur Basis a (kurz: loga b) ist das Symbol für die Lösung dieser
Gleichung.

ax = b | loga ()
⇔ x = loga b

Beispiel: 5x = 125 ⇒ x = log5 125 = 3, weil 53 = 125.


loga b ist also diejenige Zahl, mit der man a potenzieren muss, um b zu erhalten.
Das Logarithmieren ist die Umkehrung des Potenzierens der Basis a. Es gilt:

aloga x = x
loga (ax ) = x

Spezialfälle (für a ∈ R+ \ {1}):

• loga 1 = 0, denn ax = 1 hat wegen a 6= 1 nur die Lösung x = 0.

• loga a = 1, denn ax = a hat nur die Lösung x = 1.

Besondere Logarithmen:

• Der Zehnerlogarithmus zur Basis 10 wird oft abgekürzt: log10 x = log x = lg x

• Der natürliche Logarithmus (→Oberstufe): ln x

Aufgabe
Bei der Altersbestimmung des Turiner Grabtuchs ver-
wendete man die Radiokarbon-Methode. Dazu wurde eine
Probe entnommen und chemisch untersucht.
Wenn der Stoff heute hergestellt worden wäre, dann müs-
ste die Probe 1 g des radioaktiven Kohlenstoffisotops C14
enthalten. Der Messwert ergab jedoch, dass die Probe nur
0,85 g enthält. C14 hat eine Halbwertszeit von 5370 Jah-
ren.
Berechnen Sie das Alter des Turiner Grabtuchs. Kann es tatsächlich zur Abdeckung des Leich-
nams Jesu verwendet worden sein?
3.4 Die Logarithmusgesetze
Die Logarithmusgesetze lauten:

Produktregel loga (x · y) = loga (x) + loga (y)


Quotientenregel loga ( xy ) = loga (x) − loga (y)
Potenzregel loga (xy ) = y · loga (x)

Beweis der Logarithmusgesetze:


Die Logarithmusgesetze folgen aus den Potenzgesetzen (PG) und den Zusammenhängen

aloga (x) = x (1)


loga (ax ) = x (2)

Produktregel:
(1)  
loga (x · y) = loga aloga (x) · aloga (y)
PG
 
= loga aloga (x)+loga (y)
(2)
= loga (x) + loga (y)

Quotientenregel:
  (1)  
loga x
y
= loga aloga (x) : aloga (y)
PG
 
= loga aloga (x)−loga (y)
(2)
= loga (x) − loga (y)

Potenzregel:
(1)  y 
loga (xy )) = loga aloga (x)
PG
 
= loga ay·loga (x)
(2)
= y · loga (x)
3.5 Die Substitutionsmethode
Manche Gleichungen lassen sich lösen, indem man einen in der Gleichung vorkommenden Term
durch eine neue Variable u ersetzt (substituiert).
Beispiel:

x4 − 5x2 − 36 = 0

Durch die besondere Struktur obiger Gleichung ist es sinnvoll, den Ausdruck x2 durch eine
neue Variable u zu substituieren. Hierdurch wird die Gleichung vierten Grades in x auf eine
quadratische Gleichung in u zurückgeführt:

x4 − 5x2 − 36 = 0
 2
x2 − 5x2 − 36 = 0

Mit der Substitutionsvorschrift x2 = u folgt:

u2 − 5u − 36 = 0

Diese quadratische Gleichung hat die Lösungen u1 = 9 und u2 = −4, wie man mit der Mitter-
nachtsformel oder dem Satz von Vieta leicht herausfindet.
Diese Ergebnisse muss man nun resubstituieren:

u1 = 9 u2 = −4
x2 = 9 x2 = −4 E
x1/2 = ±3

Verfahren: Die Substitutionsmethode


1. Substituiere einen geeigneten Ausdruck durch eine neue Variable u und notiere
die Substitutionsvorschrift. Die entstehende Gleichung darf jetzt kein x mehr
enthalten!

22x − 17 · 2x + 16 = 0
(2x )2 − 17 · 2x + 16 = 0
⇒ u2 − 17u + 16 = 0 mit 2x = u

2. Bestimme die Lösung(en) u1 , u2 , ... der neuen Gleichung.

Mitternachtsformel/Vieta ⇒ u1 = 1; u2 = 16

3. Resubstituiere, indem du die Substitutionsvorschrift nach x auflöst und nach-


einander alle Lösungen u1 , u2 , ... aus Punkt 2. einsetzt. Hierdurch ergeben sich die
Lösungen x1 , x2 , ... der ursprünglichen Gleichung.

2x = u
⇒ x = log2 u
x1 = log2 u1 = log2 1 = 0 x2 = log2 u2 = log2 16 = 4
L = {0; 4}
4 Wahrscheinlichkeitsrechnung
4.1 Wiederholung

Definition: Fakultät
Die Fakultät einer natürlichen Zahl n wird mit n! abgekürzt und steht für das Produkt
aller natürlicher Zahlen von 1 bis n.

n! = n · (n − 1) · (n − 2) · ... · 2 · 1 für n ∈ N \ {1}


1! = 1
0! = 1

Geht das Produkt nicht bis 1 hinab, sondern bricht schon vorher ab, so kann man dies
ebenfalls mithilfe von Fakultäten notieren. Z.B.:
10 · 9 · 8 · 7 · 6 · 5 · ... · 1 10!
10 · 9 · 8 · 7 = =
6 · 5 · ... · 1 6!

Definition: Mengenoperationen
Die Vereinigung zweier Mengen A ∪ B umfasst alle Elemente, die nur in A, nur in B
oder in beiden Mengen enthalten sind („A oder B“, nicht exklusiv).
Die Schnittmenge A ∩ B enthält alle Elemente, die sowohl in A, als auch in B
enthalten sind („A und B“).
Das Komplement einer Menge A wird mit A bezeichnet (lies „A quer“). A enthält alle
Elemente, die nicht in A sind.
Die Mächtigkeit einer Menge A wird mit |A| abgekürzt und steht für die Anzahl ihrer
Elemente.

4.1.1 Kombinatorik (Zählprinzip)

Das Zählprinzip
• Wenn aus den Mengen M1 , M2 , M3 , ... jeweils ein Element gezogen wird, dann
gibt es dafür |M1 | · |M2 | · |M3 | · ... Möglichkeiten.
Bsp.: 3 Hosen, 5 Pullis, 2 Mützen ⇒ 3 · 5 · 2 = 30 Outfits

• n-faches Ziehen aus einer Menge mit m Elementen:


– mit Zurücklegen: mn Möglichkeiten
Bsp: Zahlenschloss mit 4 Rädchen und 10 Ziffern (0 bis 9)
⇒ 10 · 10 · 10 · 10 = 104 Kombinationen
– ohne Zurücklegen: m · (m − 1) · (m − 2) · ... · (m − n + 1) = m!
(m−n)!
Mögl.
| {z }
n Faktoren
4.1.2 Zufallsexperiment und Ergebnismenge

Definition: Zufallsexperiment, Ergebnismenge, Ereignis und Gegenereignis


Ein Zufallsexperiment ist ein Experiment, dessen Ausgang dem Zufall unterworfen
und nicht vorhersehbar ist.

Die Menge aller möglichen Ergebnisse eines Zufallsexperiments heißt die Ergebnis-
menge Ω. Bsp:

Würfeln mit 2 Würfeln; Zufallsexperiment: Augenzahlen werden notiert

Ω = {(1; 1), (1; 2), (1; 3), ..., (1; 6),


(2; 1), (2; 2), (2; 3), ..., (2; 6),
..
.
(6; 1), (6; 2), (6; 3), ..., (6; 6)}

Jede Teilmenge der Ergebnismenge bezeichnet man als Ereignis (E ⊆ Ω). Bsp:

Ereignis E: Die Augensumme beträgt 6.


Mengenschreibweise: E = {(1; 5), (5; 1), (2; 4), (4; 2), (3,3)} ⊆ Ω
Mächtigkeit von E (Anz. der günstigen Ergebnisse): |E| = 5

Das Gegenereignis E ist das Komplement der Menge E, also E = Ω \ E. Die Wahr-
scheinlichkeiten von E und E addieren sich zu 1. Folglich gilt:

P (E) = 1 − P (E)

4.1.3 Das Laplace-Experiment

Definition: Laplace-Experiment und -Wahrscheinlichkeit


Ein Laplace-Experiment ist ein Zufallsexperiment, bei dem alle Ergebnisse (Elemente
von Ω) gleich wahrscheinlich sind.
Wenn ein Laplace-Experiment vorliegt, dann lässt dich die Wahrscheinlichkeit eines Er-
eignisses E mithilfe der Laplace-Wahrscheinlichkeit berechnen:

|E| Anz. der günstigen Ergebnisse


P (E) = =
|Ω| Anz. aller möglichen Ergebnisse

4.1.4 Baumdiagramm und Pfadregeln

Die Pfadregeln
1. Die Wahrscheinlichkeiten entlang eines Pfades werden miteinander multipli-
ziert.

2. Sind mehrere Pfade für ein Ereignis günstig, dann werden deren Wahrscheinlich-
keiten miteinander addiert.

3. Die von jedem Knoten ausgehenden Wahrscheinlichkeiten addieren sich zu 1.


4.2 „Drei-mal-mindestens“-Aufgaben
Wir starten mit einem Beispiel:

Wie oft muss man mindestens Würfeln,


um mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 95%
mindestens eine 3 zu würfeln?

Bei diesem Aufgabentyp gibt es immer vier Größen, die wichtig sind:

• Die Trefferwahrscheinlichkeit p.

• Die Anzahl der Versuche n.

• Eine obere oder untere Schranke für die Wahrscheinlichkeit P eines Ereignisses.

Um die ersten beiden Größen im Blick zu haben, wird die Wahrscheinlichkeit von E mit
Ppn (E) notiert, z.B. P0,1
20
(„mindestens ein Treffer“).

Die Aufgabenstellung besteht immer aus drei Satzbausteinen, welche meistens, aber nicht immer
in obiger Reihenfolge vorliegen. Aus dem Text muss herausgelesen werden, welche Größe gesucht
ist und welche Werte die anderen beiden haben. Analysieren wir die Beispielaufgabe:

1. Zeile: Hier wird die gesuchte Größe benannt. In diesem Fall die Anzahl der Versuche n.
Auch die Trefferwahrscheinlichkeit ist hier versteckt: Es wird gewürfelt, also p = 61 .
Schlüsselworte: „wie oft“, „wie groß/klein“.

2. Zeile: Hier steht eine Bedingung (Schranke) für die Wahrscheinlichkeit eines (noch nicht
benannten) Ereignisses.
Schlüsselworte: „um...“,„damit...“, „so dass...“

3. Zeile: Jetzt wird endlich das Ereignis benannt, dessen Wahrscheinlichkeit innerhalb der
Schranke liegen soll.

Es kann entweder die Anzahl der Versuche n oder die Trefferwahrscheinlichkeit p gesucht sein.
Die Lösungsverfahren unterscheiden sich jedoch erst am Ende beim Auflösen der Ungleichung.

Fall 1: Anzahl der Versuche gesucht


Wie oft muss man mindestens Würfeln,
um mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 95%
mindestens eine 3 zu würfeln?

1. Text analysieren und Variable einführen:


• n = gesuchte Anzahl an Würfen
• Trefferwahrscheinlichkeit p = 1
6
!
• Bedingung P 1n (E) ≥ 0,95
6

• Ereignis E : „mindestens eine 3 “ (3 =


ˆ Treffer)

2. Term für P 1n (E) aufstellen. Das Gegenereignis ist dein Freund!


6

5
 n
P 1n („mindestens eine 3“) = 1 − P 1n („keine 3“) = 1 −
6 6 6
3. Bedingung für P 1n (E) formulieren und nach n auflösen:
6

P 1n („mindestens eine 3“) ≥ 0,95


6
5 5
 n  n
1− ≥ 0,95 |+
6 6
5
 n
1 ≥ 0,95 + | − 0,95
6
5
 n
0,05 ≥ | log 5 () Basis < 1⇒ Zeichen drehen!
6 6

log 5 (0,05) ≤ n auf ganze Zahl aufrunden, da „n ≥ ...“


6

17 ≤ n

4. Antwort: Wenn man mindestens 17 mal würfelt, dann wird man mit 95%-iger Wahrschein-
lichkeit mindestens eine 3 erhalten.

Fall 2: Trefferwahrscheinlichkeit gesucht


Wie groß muss die Trefferwahrscheinlichkeit mindestens sein,
damit man mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 80%
von 10 Schüssen mindestens einen trifft?

1. Text analysieren und Variable einführen:


• p = gesuchte Trefferwahrscheinlichkeit; Wahrscheinlichkeit für Fehlschuss: 1 − p
• Anzahl der Versuche n = 10
!
• Bedingung Pp10 (E) ≥ 0,8
• Ereignis E : „mindestens eine Treffer“

2. Term für Pp10 (E) aufstellen:

Pp10 („mind. einen Treffer“) = 1 − Pp10 („10 Fehlschüsse“) = 1 − (1 − p)10

3. Bedingung für Pp10 (E) formulieren und nach p auflösen:

Pn10 („mind. einen Treffer“) ≥ 0,8


1 − (1 − p)10 ≥ 0,8

0,2 ≥ (1 − p)10 | 10

10
0,2 ≥ |1 − p| p ∈ [0; 1] ⇒ Betrag weglassen
√ √
10
0,2 ≥ 1 − p | + p; − 10 0,2

p ≥ 1 − 10 0,2 aufrunden, da „p ≥ ...“
p ≥ 0,15

4. Antwort: Wenn die Trefferwahrscheinlichkeit mindestens 15% beträgt, dann trifft man von
10 Schüssen mit 80%-iger Wahrscheinlichkeit mindestens ein mal.
4.3 Die bedingte Wahrscheinlichkeit
Beispielshalber betrachten wir folgendes Experiment: Auf einer Party wird eine zufällig ausge-
wählte Person gefragt, ob sie eine Handtasche dabei hat (H). Auf den ersten Blick wird klar,
dass die Antwort mit sehr viel größerer Wahrscheinlichkeit „ja“ lauten wird, wenn die befragte
Person weiblich ist (W ). Das Baumdiagramm dieses Zufallsexperiments könnte z.B. so aussehen:

Start
0,4 0,6

W W
0,65 0,35 0,01 0,99

H H H H
0,26 0,14 0,006 0,594

Die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses W : „Die befragte Person ist weiblich.“ kann man direkt
aus dem Baumdiagramm ablesen: P (W ) = 0,4
Das Ereignis W ∩ H : „Die befragte Person ist weiblich und hat eine Handtasche dabei.“ wird
durch den Pfad ganz links im Baumdiagramm beschrieben. Die Wahrscheinlichkeit beträgt

P (W ∩ H) = 0,4 · 0,65 = 0,26

Die Wahrscheinlichkeit von H : „Die befragte Person trägt eine Handtasche.“ lässt sich nicht
unmittelbar ablesen. Da zwei Pfade für dieses Ereignis günstig sind, muss man deren Wahr-
scheinlichkeiten gemäß der Pfadregeln addieren:

P (H) = P (W ∩ H) + P (W ∩ H) = 0,4 · 0,65 + 0,6 · 0,01 = 0,266

Aber welche Bedeutung haben die Wahrscheinlichkeiten 0,65, 0,35, 0,01 und 0,99?
0,65 ist die Wahrscheinlichkeit, dass die befragte Person eine Handtasche dabei hat, unter der
Voraussetzung, dass die Person weiblich ist. Es handelt sich hierbei um die bedingte
Wahrscheinlichkeit PW (H).

Bedingung: „Die befragte Person ist weiblich.“ (W )


Betrachtetes Ereignis: „Die Person hat eine Handtasche dabei.“;(H)

Im Beispiel gilt: PW (H) = 0,65 und somit P (W ∩ H) = 0,4 · 0,65 = P (W ) · PW (H)

Definition: Bedingte Wahrscheinlichkeit


Für zwei Ereignisse A und B bezeichnet PB (A) die (bedingte) Wahrscheinlichkeit
von A unter der Bedingung B. Es gilt:
Start
P (B) P (B)
P (A ∩ B) = P (B) · PB (A) bzw.
| {z }
Start → B
| {z }
B→A
B B
PB (A) PB (A) PB (A) PB (A)
P (A ∩ B)
PB (A) =
P (B) A A A A
P (B ∩ A) P (B ∩ A) P (B ∩ A) P (B ∩ A)
4.3.1 Vierfeldertafel
Die Vierfeldertafel eignet sich, um die Zusammenhänge zwischen zwei Ereignissen und deren
Gegenereignissen darzustellen. Man kann Vierfeldertafeln auf zwei Arten notieren. Dabei ste-
hen in den mittleren Feldern immer die Schnittmengen der Ereignisse.

Absolute Häufigkeit (Anzahl) Relative Häufigkeit (Wahrscheinlichkeit)

A A A A

B |A ∩ B| |A ∩ B| |B| B P (A ∩ B) P (A ∩ B) P (B)

B |A ∩ B| |A ∩ B| |B| B P (A ∩ B) P (A ∩ B) P (B)

|A| |A| |Ω| P (A) P (A) 1


|A|: Anzahl der Personen, auf die A zutrifft P (A): Wahrscheinlichkeit, dass auf eine
|A ∩ B|: Anzahl der Personen, auf die beliebig ausgewählte Person A zutrifft
sowohl A als auch B zutrifft P (A ∩ B): Wahrscheinlichkeit, dass auf eine
|Ω|: Anzahl der untersuchten Personen beliebig ausgewählte Person sowohl A als auch
B zutrifft

Regeln bei der Vierfeldertafel


• Die Summe zweier nebeneinander liegender Mittelfelder ergibt das zugehörige Rand-
feld.

• Die Summer zweier nebeneinander liegender Randfelder ergibt immer die Anzahl
der untersuchten Personen (|Ω|) bzw. 100% = 1.

Gegenüberstellung: Vierfeldertafel – Baumdiagramm


In der Vierfeldertafel kommen bedingte Wahrscheinlichkeiten wie PB (A) nicht vor! Diese
tauchen ausschließlich im Baumdiagramm auf (siehe 4.3).
Im Gegenzug kommen im Baumdiagramm die Wahrscheinlichkeiten der Schnittmengen
(z.B. P (A ∩ B)) nicht direkt vor.

In 4.3 haben wir gesehen, dass man aus den Daten des Baumdiagramms die Wahrscheinlichkei-
ten der Schnittmengen berechnen kann: P (A ∩ B) = P (A) · PA (B) (erste Pfadregel).
Ebenso kann man aus den Daten der Vierfeldertafel die bedingten Wahrscheinlichkeiten be-
rechnen. Falls die relativen Häufigkeiten gegeben sind, müssen wir nur ein Mittelfeld durch ein
passendes Randfeld dividieren und erhalten eine bedingte Wahrscheinlichkeit:

P (A ∩ B)
PA (B) =
P (A)

Falls die absoluten Häufigkeiten gegeben sind muss man genauso vorgehen. Es gilt
|A∩B|
P (A ∩ B) |Ω| |A ∩ B| |Ω| |A ∩ B|
PA (B) = = = · =
P (A) |A|
|Ω|
|Ω| |A| |A|

• P (A ∩ B) gibt den Anteil aller Personen an, die sowohl die Eigenschaft A als auch die
Eigenschaft B aufweisen. Also P (A ∩ B) = |A∩B|
|Ω|

• Bei PA (B) bezieht man sich nicht auf alle Personen, sondern nur auf diejenigen, die bereits
die Eigenschaft A aufweisen, also PA (B) = |A∩B|
|A|
.
4.3.2 Rechnen mit bedingten Wahrscheinlichkeiten
Im Einführungsbeispiel (4.3) galt folgendes: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein beliebig ausge-
wählter weiblicher Partygast eine Handtasche dabei hat, ist 0,65, also PW (H) = 0,65.
Wir wählen nun einen beliebigen Partygast mit Handtasche aus. Mit welcher Wahrscheinlichkeit
ist der gewählte Gast dann weiblich? Gesucht ist die Wahrscheinlichkeit PH (W ). Im Vergleich
zum bekannten Wert PW (H) sind die Bedingung und das Ereignis hier vertauscht.
Zunächst können wir mit der Definition der bedingten Wahrscheinlichkeit ansetzen:

P (W ∩ H)
PH (W ) =
P (H)

Dann machen wir uns zu nutze, dass wir die Wahrscheinlichkeit der Schnittmenge H ∩ W auch
über die bekannte Wahrscheinlichkeit PW (H) ausdrücken können:

P (H ∩ W ) = P (W ∩ H) = P (W ) · PW (H)

Setzt man nun die zweite in die erste Gleichung ein, so erhält man einen Ausdruck für PH (W ):

P (W ∩ H) P (W ) · PW (H)
PH (W ) = =
P (H) P (H)

Umkehren von bedingten Wahrscheinlichkeiten


Wenn A und B zwei Ereignisse sind, dann gilt:

P (B)
PA (B) = · PB (A)
P (A)

Die Umkehrungen PA (B) und PB (A) sind also nur dann gleich, wenn P (A) = P (B) gilt.

Nun sehen wir uns an, welcher Zusammenhang zwischen PB (A) und PB (A) besteht. Bei Be-
trachtung des Baumdiagramms in 4.3 erkennt man, dass beide Wahrscheinlichkeiten vom Kno-
tenpunkt B ausgehen. Es können auch keine weiteren Äste von dort ausgehen, da A und A
komplementär sind: Alle Ergebnisse, die nicht für A günstig sind, sind automatisch für A gün-
stig. Es gibt nichts, was weder für A, noch für A günstig wäre.
Die Summe beider Wahrscheinlichkeiten muss daher gleich eins sein.

Im Baumdiagramm gehen die beiden Wahrscheinlichkeiten PB (A) und PB (A) vom Kno-
tenpunkt B aus. Sie sind komplementär und ihre Summe ist gleich 1.

PB (A) + PB (A) = 1

Für die Wahrscheinlichkeiten PB (A) und PB (A) gilt dieser Zusammenhang nicht! Im Baum-
diagramm erkennt man, dass die beiden Wahrscheinlichkeiten nichts miteinander zu tun haben.
Sie gehen insbesondere nicht von demselben Knoten aus.
Hiermit kann man die erste Regel der Vierfeldertafel beweisen:
h i
P (A ∩ B) + P (A ∩ B) = P (A) · PA (B) + P (A) · PA (B) = P (A) · PA (B) + PA (B) = P (A)
| {z }
1
5 Ganzrationale Funktionen
5.1 Potenzfunktionen mit natürlichen Exponenten

Für a ∈ R und n ∈ N heißt die Funktion

f : f (x) = a · xn mit Df = R

Potenzfunktion n-ten Grades. Für n = 1 ergibt sich eine Lineare Funktion und für n = 2
eine Parabel.

Eigenschaften des Graphen der Potenzfunktion:


• Für gerade n ist Gf achsensymmetrisch zur y-Achse.

• Für ungerade n ist Gf punktsymmetrisch zum Ursprung.

• Wegen f (0) = 0 und f (1) = a verläuft Gf durch den Ursprung und den Punkt (1 | a).

• Je größer n ist, desto abgeplatteter ist Gf in der Nähe des Ursprungs und desto steiler ist
Gf für betragsmäßig große x.

gerade n ungerade n
y y

4 4
x2 x1
3 3
x4 x3
2 2
x6 x5
1 1

−4 −3 −2 −1 1 2 x −4 −3 −2 −1 1 2 x
−1 −1

−2 −2

−3 −3

−4 −4
5.2 Polynome und Polynomdivision

Definition: Polynom (ganzrationale Funktion)


Ein Polynom ist eine Summe aus verschiedenen Potenzen von x mit je einem Vorfaktor
(Koeffizient), z.B. p(x) = 3x5 + x3 + 2x2 − 1. Die Exponenten sind dabei immer natürliche
Zahlen oder Null.
Der zu einem Polynom gehörende Funktionstyp heißt ganzrationale Funktion.
Den höchsten vorkommenden Exponenten bezeichnet man als den Grad des Polynoms.
Die allgemeine Form eines Polynoms vom Grad n lautet:
n
p(x) = ai x i „Summe über ai xi von i = 0 bis i = n“
X

i=0

Polynome kann man schriftlich Dividieren. Dabei geht man genau so vor wie bei der Division
natürlicher Zahlen. Wenn die Division zweier Polynome aufgeht, dann ist das Ergebnis wieder
ein Polynom. Wenn Sie nicht aufgeht, dann kommt ein Polynom plus ein Restterm heraus.
Beispiele:

(6x3 + 7x2 − 7x + 1) : (2x − 1) = 3x2 +5x−1 2x · 3x2 = 6x3


−(6x3 − 3x2 ) 3x2 · (2x − 1) = 6x3 − 3x2
10x2 − 7x 2x · 5x = 10x2
− (10x2 − 5x) 5x · (2x − 1) = 10x2 − 5x
− 2x + 1 2x · (−1) = −2x
− (−2x + 1) −1 · (2x − 1) = −2x + 1
0 Division geht auf

(2x4 − 4x3 ) : (x + 2) = 2x3 −8x2 +16x + 64


x+2
x · 2x3 = 2x4
−(2x4 + 4x3 ) 2x3 · (x + 2) = 2x4 + 4x3
− 8x3 x · (−8x2 ) = −8x3
− (−8x3 − 16x2 ) (−8x2 ) · (x + 2) = −8x3 − 16x2
16x2 x · 16x = 16x2
− (16x2 + 32x) 16x · (x + 2) = 16x2 + 32x
− 32x x · (−32) = −32x
− (−32x − 64) −32 · (x + 2) = −32x − 64
64 0 = Grad(64) < Grad(x + 2) = 1
Rest im Ergebnis: x+2
64

Vergleiche hierzu die Division zweier natürlicher Zahlen:

10 : 5 = 2 Die Division geht auf. Das Ergebnis ist natürlich.


1 1
10 : 3 = 3 = 3 + Die Division geht nicht auf. Das Ergebnis ist nicht natürlich
3 3 sondern hat einen rationalen Rest
Bei der Polynomdivision sind folgende Regeln zu beachten:

Regeln bei der Polynomdivision


• Sortiere die Polynome nach absteigenden Exponenten.

• Brich ab, wenn der Grad des Rests kleiner als der Grad des Divisors ist.

• Falls die Division nicht aufgeht: Rest im Gesamtergebnis = letzter Rest


Divisor

5.3 Gleichungen höheren Grades

Grad Name Lösungsverfahren


1 lineare Gleichung Auflösen
2 quadratische Gleichung Mitternachtsformel, Faktorisieren (Ausklammern, bin. Formeln)
3+ kubische,... Gleichung Es gibt kein allgemeingültiges Verfahren wie die MNF!

Man kann jede Gleichung so umstellen, dass auf einer Seite Null steht. Wenn man es jetzt noch
schafft, die andere Seite zu faktorisieren, dann kann man die Lösungen direkt ablesen, denn:

Wichtigste Regel beim Lösen von Gleichungen:


Ein Produkt ist genau dann Null, wenn einer der Faktoren Null ist!

Beispiele:
a) Geben Sie die Nullstellen von f (x) = 3x(x + 1)(x2 − 4) an.
Da der Term dankenswerter Weise bereits faktorisiert ist, können wir obige Regel anwen-
den. Der erste Faktor 3x hat die Nullstelle 0. Der zweite Faktor (x + 1) hat die Nullstelle
−1. Der dritte Faktor hat zwei Nullstellen, nämlich ±2. Die Nullstellen von f (x) sind
daher {−2; −1; 0; 2}.

b) Geben Sie eine Gleichung vierten Grades mit der Lösungsmenge L = {±3} an.
Die Gleichung (x − 3)(x + 3) = 0 hat die gewünschten Lösungen. Allerdings ist sie nicht
vom Grad 4, da (x − 3)(x + 3) = x2 − 9 nur vom Grad 2 ist. Wir müssen daher noch einen
weiteren Faktor vom Grad 2 hinzufügen. Dieser zusätzliche Faktor darf aber keine weitere
Nullstelle haben, da diese sonst auch noch zur Lösungsmenge hinzukäme. Ein Faktor vom
Grad zwei ohne Nullstelle ist zum Beispiel (x2 + 1). Eine möglich Antwort wäre daher
(x − 3)(x + 3)(x2 + 1) = 0.
Bemerkung: Es wäre auch möglich, die weiteren Faktoren so zu wählen, dass sie ebenfalls
nur die Nullstellen ±3 haben. Die Lösungsmenge würde sich hierdurch nicht verändern.
Z.B.

0 = (x − 3)(x + 3)(x − 3)(x − 3) = (x − 3)2 (x + 3)2 oder


0 = (x − 3)(x + 3)(x + 3)2 = (x − 3)(x + 3)3
5.4 Zerlegung von Polynomen in Linearfaktoren

Definition: Linearfaktor
Ein Linearfaktor ist ein Faktor, in dem die Variable nur linear vorkommt. Ein Linearfaktor
ist also ein Polynom vom Grad 1, z.B. (x − 1), (3x − 2), (4 − x).

Satz: Zerlegbarkeit von Polynomen


Wenn ein Polynom p(x) eine Nullstelle bei x0 hat, dann kann man p(x) als das Produkt
aus (x − x0 ) und einem Restpolynom r(x) schreiben:

p(x) = (x − x0 ) · r(x)

Der Grad des Restpolynoms ist immer um eins kleiner als der Grad von p(x). Man erhält
r(x), indem man p(x) durch (x − x0 ) dividiert:

r(x) = p(x) : (x − x0 )

Das Ziel ist es, das Polynom so weit zu zerlegen, dass nur noch Linearfaktoren und solche
Faktoren vorkommen, die nicht weiter zerlegt werden können, weil sie keine Nullstellen besitzen.

Definition: Vollständig faktorisierte Form


Die vollständig faktorisierte Form eines Polynoms enthält nur Linearfaktoren und
solche Faktoren, die keine Nullstelle haben und deshalb nicht weiter zerlegbar sind. Z.B.

f (x) = (2x − 1) · (x + 5)3 · (x2 + x + 4)


| {z } | {z }
Linearfaktoren 6=0, da D=b2 −4ac=−15<0
⇒ nicht zerlegbar

Den Grad eines Polynoms kann man auch in der (vollständig) faktorisierten Form able-
sen. Der Grad des Polynoms ist die Summe der Gradzahlen aller auftretenden Faktoren.
Wenn einzelne Faktoren mehrfach auftreten, dann müssen die entsprechenden Potenzen
berücksichtigt werden. [Im Beispiel: Grad(f ) = 1 + 1 · 3 + 2 = 6]
Ein Polynom vom Grad n kann deswegen höchstens n Linearfaktoren enthalten und
höchstens n Nullstellen besitzen.

Beispiel:
Gesucht ist die vollständig faktorisierte Form und alle Nullstellen des Polynoms

p(x) = x3 + x2 − 25x − 25.

p hat eine Nullstelle bei x0 = −1. Dies prüft man leicht nach, denn

p(−1) = (−1)3 + (−1)2 − 25 · (−1) − 25 = −1 + 1 + 25 − 25 = 0

Aufgrund dieser Tatsache wissen wir, dass wir p(x) als Produkt schreiben können und einer der
Faktoren ist (x − x0 ) = (x + 1). Den zweiten Faktor kennen wir noch nicht. Daher nennen wir
ihn r(x).

p(x) = (x + 1) · r(x)
Bisher wissen wir nur, dass r(x) den Grad 3 − 1 = 2 haben muss. Dieser Faktor enthält aber
alle weiteren Nullstellen von p(x). Deshalb müssen wir ihn genauer untersuchen. Aus obigem
Zusammenhang folgt, dass wir r(x) aus der Umkehraufgabe bekommen:

p(x) = (x + 1) · r(x) | : (x + 1)
⇒ r(x) = p(x) : (x + 1)

Mithilfe der Polynomdivision kann man diesen Quotienten berechnen (nicht vorgeführt):

r(x) = (x3 + x3 − 25x − 25) : (x + 1) = x2 − 25

Nun kennen wir p(x) in einer faktorisierten Form:

p(x) = (x + 1) · (x2 − 25)

Der zweite Faktor (x2 −25) ist kein Linearfaktor, lässt sich aber mithilfe der dritten binomischen
Formel in solche zerlegen: (x2 − 25) = (x + 5)(x − 5). Die vollständig faktorisierte Form von
p(x) lautet somit

p(x) = (x + 1)(x + 5)(x − 5).

Aus dieser Form können wir die Nullstellen direkt ablesen: x1 = −1, x2 = −5, x3 = 5. Hiervon
kann man sich durch Einsetzen der Zahlen in den ursprünglichen Term p(x) leicht überzeugen.

Verfahren: Polynom → Linearfaktoren und Nullstellenbestimmung


Eine Nullstelle x0 des Polynoms muss bekannt sein (gegeben, erraten, aus Kosy ablesen).

1. Dividiere p(x) durch den Linearfaktor (x − x0 ) mithilfe der Polynomdivision.

2. Das Ergebnis ist r(x) und p(x) = (x − x0 ) · r(x).


a) Falls Grad(r) = 1 kannst du die zweite Nullstelle ablesen.
b) Falls Grad(r) = 2:
Versuche r(x) mithilfe der bekannten Verfahren (Ausklammern, binomische
Formeln, Vieta, Mitternachtsformel) weiter zu zerlegen. Dies ist nicht möglich,
wenn r(x) keine Nullstelle hat (Diskriminante < 0). In diesem Fall ist x0 die
einzige Nullstelle von p(x).
c) Falls Grad(r) > 2:
Prüfe, ob sich x ausklammern lässt, ansonsten beginne wieder bei Schritt 1 mit
r(x) statt p(x) und einer erratenen Nullstelle von r(x).

5.5 Vielfachheit von Nullstellen


Definition: Vielfachheit von Nullstellen
Aus der vollständig faktorisierten Form eines Polynoms kann man die Vielfachheit der
Nullstellen ablesen. Wenn der Linearfaktor (x − x0 ) dort genau k mal vorkommt („hoch
k“), dann hat das Polynom eine k-fache Nullstelle bei x0 .

Die Vielfachheit einer Nullstelle hat großen Einfluss auf den Verlauf des Graphen in der Umge-
bung der Nullstelle:
Satz: Graphische Bedeutung der Vielfachheit einer Nullstelle
Umso größer die Vielfachheit einer Nullstelle ist, desto mehr schmiegt sich der Graph in
der Umgebung der Nullstelle an die x-Achse an.
Wenn die Vielfachheit der Nullstelle gerade ist, dann berührt der Graph die x-Achse. f (x)
wechselt dabei nicht das Vorzeichen.
Wenn die Vielfachheit der Nullstelle ungerade ist, dann schneidet der Graph die x-Achse.
f (x) wechselt somit das Vorzeichen von Minus nach Plus oder umgekehrt.

k gerade: k ungerade:
Nullstelle ohne Vorzeichenwechsel Nullstelle mit Vorzeichenwechsel
Gf berührt die x-Achse Gf schneidet die x-Achse

y y

4 4
(x − 2)1
3 3
(x − 2)3
2 2
(x − 2)5
1 1
f (x) > 0 f (x) > 0 f (x) > 0

−1 1 2 3 4 5 x −1 1 2 3 4 5 x
kein Vorzeichenwechsel
−1 −1
(x − 2)2 Vorzeichenwechsel

f (x) < 0
−2 −2
(x − 2) 4

−3 −3
(x − 2)6
−4 −4
Beispiel:
Das Polynom f (x) = 0,02x2 (x − 4)3 (x + 2) ist vom Grad 2 + 3 + 1 = 6. Es hat
• eine einfache Nullstelle mit Vorzeichenwechsel bei x1 = −2
• eine doppelte Nullstelle ohne Vorzeichenwechsel bei x2 = 0
• eine dreifache Nullstelle mit Vorzeichenwechsel bei x3 = 4
y

2 doppelte NSt.
ohne VZW
1 −→−

f (x) > 0 f (x) > 0

−5 −4 −3 −2 −1 1 2 3 4 5 6 7 x

einfache NSt. −1 dreifache NSt.


mit VZW mit VZW
+→− −→+
−2 f (x) < 0
6 Symmetrie von Funktionsgraphen
Definition: Achsensymmetrie zur y-Achse
Der Graph einer Funktion f ist achsensymmetrisch zur y-Achse, wenn die Funktionswerte
an zur y-Achse symmetrisch liegenden Stellen (x und −x) identisch sind. Es muss also
gelten:

Gf achsensymmetrisch zur y-Achse ⇔ f (−x) = f (x) für alle x ∈ Df

1
−x x
−4 −3 −2 −1 1 2 3 4x
−1
f (−x) = f (x)
−2

Definition: Punktsymmetrie zum Koordinatenursprung


Der Graph einer Funktion f ist punktsymmetrisch zum Ursprung, wenn die Funktions-
werte an zur y-Achse symmetrisch liegenden Stellen (x und −x) betragsmäßig gleich, aber
von umgekehrtem Vorzeichen sind. Es muss also gelten:

Gf punksymmetrisch zum Ursprung ⇔ f (−x) = −f (x) für alle x ∈ Df

1 f (−x) = −f (x)

x
−4 −3−x−2 −1 1 2 3 4x
−1
f (x)
Verfahren: Ermitteln der Symmetrieeigenschaft einer Funktion
Um zu prüfen, ob eine gegebene Funktion achsensymmetrisch zur y-Achse, punktsymme-
trisch zum Ursprung oder keines von beidem ist, gehe wie folgt vor:

1. Ermittle f (−x), indem du jedes x im Funktionsterm von f durch (−x) ersetzt.


Achte dabei auf die Klammernsetzung!

2. Forme den entstehenden Term f (−x) mithilfe von Äquivalenzumformungen um. Es


können drei Fälle auftreten:
a) f (−x) lässt sich in f (x) umformen.
⇒ Gf ist achsensymmetrisch zur y-Achse.
b) f (−x) lässt sich in −f (x) umformen (Minuszeichen ausklammern).
⇒ Gf ist punktsymmetrisch zum Ursprung.
c) f (−x) lässt sich weder in f (x) noch in −f (x) umformen.
⇒ Gf ist weder achsensymmetrisch zur y-Achse noch punktsymmetrisch zum
Ursprung.

Bemerkung: Durch dieses Verfahren wird nicht geprüft, ob eine Symmetrie zu einer
anderen Geraden oder einem anderen Punkt vorliegt. Deshalb ist der unnötig erscheinende
Zusatz „zur y-Achse“ bzw. „zum Ursprung“ vor allem im Fall c) wichtig!

Beispiele:
a) f (x) = 3x4 − x2 + 1
f (−x) = 3(−x)4 − (−x)2 + 1 = 3x4 − x2 + 1 = f (x)
⇒ Gf ist achsensymmetrisch zur y-Achse.

b) f (x) = (x − 1)2 (x + 1) 

 f (x)
f (−x) = (−x − 1)2 (−x + 1) = [−(x + 1)]2 [−(x − 1)] = −(x + 1)2 (x − 1) 6=
−f (x)


⇒ Gf ist weder achsensymmetrisch zur y-Achse noch punktsymmetrisch zum Ursprung.

c) f (x) = x(x − 1)(x + 1)


f (−x) = −x(−x − 1)(−x + 1) = −x[−(x + 1)][−(x − 1)] = −x(x + 1)(x − 1) = −f (x)
⇒ Gf ist punktsymmetrisch zum Ursprung.
Alternativ durch Ausmultiplizieren:
f (x) = x(x − 1)(x + 1) = x(x2 − 1) = x3 − x
f (−x) = (−x)3 − (−x) = −x3 + x = −(x3 − x) = −f (x)

Für ganzrationale Funktionen erkennen wir:

Satz: Symmetrie von ganzrationalen Funktionen


Wenn in der ausmultiplizierten Form einer ganzrationalen Funktion nur gerade Po-
tenzen von x auftauchen, dann ist Gf achsensymmetrisch zur y-Achse.
Wenn nur ungerade Exponenten auftauchen, dann ist Gf punktsymmetrisch zum Ur-
sprung.
In allen anderen Fällen liegt keine der genannten Symmetrien vor.
7 Grenzwerte
Oft interessiert man sich für das Verhalten einer Funktion für sehr große oder sehr kleine x-
Werte (x → ∞ bzw. x → −∞). Da unendlich keine Zahl ist, die man einfach so einsetzen kann,
hat man ein neues Symbol eingeführt – den sogenannten Limes (lat: „Grenze“):

lim f (x)
x→∞
„Limes x gegen unendlich von f (x)“

7.1 Grundlegende Grenzwerte


Die Grundlage von allen weiteren Grenzwertbetrachtungen sind die folgenden drei Limiten:

Satz: Grundlegende Grenzwerte


Für n ∈ N und a ∈ R gelten folgende Grenzwerte:


 +∞ falls n gerade a
lim xn = ∞ lim xn =  lim =0
x→∞ x→−∞  −∞ falls n ungerade x→±∞ xn

7.2 Grenzwerte von ganzrationalen Funktionen


Grenzwerte von ganzrationalen Funktionen lassen sich immer auf die oben genannten grundle-
genden Grenzwerte zurückführen. Dabei geht man wie folgt vor:

Verfahren: Grenzwertbestimmung bei ganzrationalen Funktionen


Gesucht ist das Verhalten von f (x) = 5x2 − 2x5 + 1 + 3x im positiv- und negativ-
Unendlichen.

1. Klammere die höchste vorkommende Potenz von x aus.


5 1 3
 
f (x) = 5x2 − 2x5 + 1 + 3x = x5 − 2 + +
x3 x5 x 4

2. Ermittle die Grenzwerte der auftretenden Terme und multipliziere den Grenzwert
der Klammer mit dem Grenzwert der ausgeklammerten Potenz.
→0 →0 →0
 z}|{ z}|{ z}|{ 
5 1 3
lim f (x) = x→∞
lim |{z}
x5 3
−2 + 5
+ 4
= −∞
x→∞
→∞ |
x {z
x x }
→−2

→0 →0 →0
 z}|{ z}|{ z}|{ 
5 1 3
lim f (x) = x→∞
lim |{z}
x5 3
−2 + 5 + 4 = +∞
x→−∞
→−∞ |
x {z
x x }
→−2

Die Klammer wird dabei immer gegen eine positive oder negative reelle Zahl streben
und die Potenz vor der Klammer entweder gegen +∞ oder gegen −∞. Die möglichen
Ergebnisse von limx→±∞ f (x) beschränken sich somit auf +∞ oder −∞.
Anhand der Beispiele wird folgendes klar: Wenn die ganzrationale Funktion vom Grad n ist,
also f (x) = an xn + an−1 xn−1 + ... + a2 x2 + a1 x + a0 , dann klammern wir xn aus. In der Klammer
stehen folglich eine Konstante (an ) und lauter Quotienten mit einer Potenz von x im Nenner.
an−1 a2 a1 a0
 
f (x) = x n
an + + ... + n−2 + n−1 + n
x x x x
Die Konstante in der Klammer ist immer der Vorfaktor vor der höchsten Potenz in f (x), also
an . Die Quotienten streben für betragsmäßig große x gegen Null, weshalb die gesamte Klammer
immer gegen an strebt. Das Verhalten im Unendlichen hängt somit nur vom Vorzeichen von an
und davon ab, ob n gerade oder ungerade ist:
Im Fall x → ∞ strebt die Potenz vor der Klammer immer gegen plus unendlich. Das Gesam-
tergebnis ist daher +∞ oder −∞, je nach Vorzeichen von an . Gleiches gilt für gerade n und
x → −∞.
Nur im Fall x → −∞ bei ungeradem n muss man aufpassen, denn dann strebt xn gegen minus
unendlich. Das Gesamtergebnis hat somit das umgekehrte Vorzeichen von an . Dieser Fall ist in
der letzten Zeile folgender Tabelle zu finden.

an > 0 an < 0
limx→∞ f (x) = ∞ limx→∞ f (x) = −∞
n gerade Vorzeichen von an
limx→−∞ f (x) = ∞ limx→−∞ f (x) = −∞
ausschlaggebend
limx→∞ f (x) = ∞ limx→∞ f (x) = −∞
n ungerade
limx→−∞ f (x) = −∞ limx→−∞ f (x) = ∞ umgekehrtes VZ von an

8 Gebrochen rationale Funktionen


Definition: Gebrochen Rationale Funktion
Der Funktionsterm einer gebrochen rationalen Funktion ist immer als Quotient zweier
Polynome darstellbar, wobei der Grad des Nennerpolynoms mindestens eins ist:

f (x) = p(x)
q(x)
mit Polynomen p(x) und q(x) und Grad q ≥ 1

Bemerkung: Eine gebrochen rationale Funktion muss nicht immer in der Form p(x) q(x)
vorliegen.
Beispielsweise ist die Funktion g : x 7→ x+1− x−4 ebenfalls gebrochen rational. Durch Erweitern
2x−3

lässt sich g(x) aber in die obige Form bringen:

2x − 3 (x + 1)(x − 4) 2x − 3 (x + 1)(x − 4) − (2x − 3) x2 − 5x − 1


g(x) = x + 1 − = − = =
x−4 x−4 x−4 x−4 x−4
8.1 Definitionslücken und Nullstellen
Satz: Definitionslücken und Definitionsmenge
Sei f eine gebrochen rationale Funktion der Form f (x) = p(x)
q(x)
. Da die Division durch Null
nicht definiert ist, sind die Nullstellen des Nenners q(x) nicht nicht in Df enthalten. Man
nennt sie Definitionslücken. Es gilt:

Df = R \ {x ∈ R | q(x) = 0} „R ohne die Nullstellen des Nenners“

Satz: Nullstellen gebrochen rationaler Funktionen


Sei f eine gebrochen rationale Funktion der Form f (x) = p(x)
q(x)
. Dann sind die Nullstellen
von f diejenigen x-Werte aus Df , für die der Zähler Null wird.

Df = {x ∈ R | p(x) = 0} ∩ Df
= {x ∈ R | p(x) = 0} \ {x ∈ R | q(x) = 0}
= „Nullstellen des Zählers ohne die Nullstellen des Nenners“

Bemerkung: Falls f (x) nicht in der Form p(x)


q(x)
vorliegt, also z.B. f (x) = x + 1 + x5 − 2x−3
x−4
, dann
ergeben sich die Definitionslücken aus allen gebrochen rationalen Anteilen von f (x),
also x5 und 2x−3
x−4
. Der ganzrationale Anteil x + 1 hat keinen Einfluss auf Df . Im Beispiel gilt
Df = R \ {0; 4}.
Für die Nullstellen muss man aber den kompletten Term betrachten! Es empfiehlt sich,
f (x) durch Erweitern auf die Form p(x)
q(x)
zu bringen um dann den Zähler zu untersuchen:

5 2x − 3
f (x) = x + 1 + −
x x−4
(x + 1)(x − 4)x 5(x − 4) (2x − 3)x
= + − Klammernsetzung beachten!
x(x − 4) x(x − 4) x(x − 4)
(x + 1)(x − 4)x + 5(x − 4) − (2x − 3)x
=
x(x − 4)
x3 − 5x2 + 4x − 20
= NSt. x = 5 des Zählers erraten und PD
x(x − 4)
(x − 5)(x2 + 4)
=
x(x − 4)

Da x2 + 4 ≥ 4 hat f nur eine einzige Nullstelle bei x = 5 ∈ Df .

8.2 Hebbare Definitionslücken


Manchmal lässt sich aus der Faktorisierten Form einer gebrochen rationalen Funktion ein Line-
arfaktor herauskürzen. Dieser Fall tritt genau dann auf, wenn der Zähler und der Nenner eine
gemeinsame Nullstelle haben. Ein Beispiel:

x2 + 6x + 8 (x + 2)(x + 4) x+2
f (x) = = =
3x2 + 12x 3x(x + 4) 3x

In diesem Fall ist x = −4 trotzdem eine Definitionslücke, da man für diese den ursprünglichen,
ungekürzten Term betrachten muss. x = −4 ist folglich keine Nullstelle, obwohl der Zähler dort
Null ergeben würde. Weil man in den gekürzten Term ohne Probleme x = −4 einsetzen könnte,
nennt man die Definitionslücke hebbar. Die Lücke wird „behoben“, indem man f an der Stelle
x = −4 den Wert 3·(−4)
−4+2
= 16 zuordnet.
Zu beachten ist jedoch, dass die gemeinsame Nullstelle im Zähler und Nenner jeweils unter-
schiedliche Vielfachheiten haben kann – das heißt, dass der entsprechende Linearfaktor un-
terschiedlich oft bzw. in unterschiedlicher Potenz vorkommt. Falls die Vielfachheit im Nenner
größer ist, bleibt der Faktor auch nach dem Kürzen im Nenner erhalten. In diesem Fall ist die
entsprechende Definitionslücke nicht hebbar.

8.3 Senkrechte Asymptoten


Eine Definitionslücke darf man nicht in f (x) einsetzen. Ein zugehöriger Funktionswert existiert
nicht. Man kann sich aber beliebig nahe an eine Definitionslücke annähern – sowohl von links,
als auch von rechts (z.B. limx→2− f (x) und limx→2+ f (x)). Im Falle einer nicht hebbaren Defini-
tionslücke ergeben diese Grenzwerte +∞ oder −∞. Der Graph von f wächst also betragsmäßig
über alle Maßen an, wenn man sich einer (nicht hebbaren) Definitionslücke nähert. Optisch sieht
es so aus, als würde sich der Graph an eine parallele zur y-Achse anschmiegen, die genau bei
der Definitionslücke liegt. Diese Gerade nennt man senkrechte Asymptote.
Näher man sich einer hebbaren Defintionslücke an, dann liefern die obigen Grenzwerte einen
endlichen Wert (im Bsp. von oben: limx→−4− f (x) = limx→−4+ f (x) = 16 ). Der Graph hat dann
keine senkrechte Asymptote an dieser Stelle.

Definition: senkrechte Asymptote


Eine senkrechte Asymptote ist eine parallele zur y-Achse mit der Gleichung x =konst.
Eine gebrochen rationale Funktion hat an allen nicht hebbaren Definitionslücken xi je
eine senkrechte Asymptote mit der Gleichung x = xi .

8.4 Verhalten gebrochen rationaler Funktionen im Unendlichen


Während ganzrationale Funktionen im Unendlichen entweder gegen unendlich oder gegen minus
unendlich streben, kann es bei gebrochen rationalen Funktionen zu ganz unterschiedlichem
Verhalten kommen.
Das Verhalten von gebrochen rationalen Funktionen im Unendlichen untersucht man auf eine
ähnliche Art und Weise wie bei ganzrationalen Funktionen:
Verfahren: Grenzwertbestimmung bei gebrochen rationalen Funktionen
2−3x2
Gesucht ist das Verhalten von f (x) = x3 +1
im positiv und negativ Unendlichen.

1. Klammere die höchste vorkommende Potenz von x im Zahler und im Nenner aus.
2 − 3x2 x3 ( x23 − x3 )
f (x) = =
x3 + 1 x3 (1 + x13 )

2. Kürze die ausgeklammerte Potenz und ermittle die Grenzwerte der auftretenden
Terme. Bilde anschließend den Quotienten.
→0 →0
z}|{ z}|{
− x3 0 2
lim f (x) = x→∞
lim = =0 x3
x→∞ 1 + x3
1
1
|{z}
→0

In diesem Beispiel ist limx→−∞ f (x) ebenfalls Null, weil die einzelnen Quotienten auch für
x → −∞ gegen Null streben. Man hätte also gleich limx→±∞ f (x) = 0 schreiben können.
Im Allgemeinen können sich aber unterschiedliche Werte für x → ±∞ ergeben, sodass
man beide Fälle separat prüfen muss.

Definition: Waagerechte Asymptote


Eine waagerechte Asymptote einer Funktion f ist eine parallele zur x-Achse, an die
sich Gf im positiv oder negativ Unendlichen annähert.
Gf hat eine waagerechte Asymptote, wenn f (x) im positiv oder negativ Unendlichen
gegen einen festen Wert a ∈ R strebt, also insbesondere nicht unendlich groß wird.

lim f (x) = a ∈ R ⇔ Gf hat die waagerechte Asyptote mit der Gleichung y = a


x→±∞

4 Gf

1 g

−6 −5 −4 −3 −2 −1 1 2 3 4 5 6 x
−1

−2

−3

−4

Eine gebrochen rationale Funktion f mit f (x) = p(x)


q(x)
hat genau dann eine waagerechte
Asymptote, wenn der Grad des Zählerpolynoms (Z) kleiner oder oder gleich dem Grad
des Nennerpolynoms (N ) ist.

f hat die waagerechte Asymptote g : y = a


Z≤N ⇔
mit a = limx→∞ f (x)
Definition: Schräge Asymptote
Wenn sich der Graph einer Funktion f für betragsmäßig große x einer Geraden g mit der
Funktionsgleichung g : y = mx+t annähert, dann nennt man g eine schräge Asymptote
von Gf . Eine schräge Asymptote ist nicht parallel zur x-Achse, also m 6= 0.
y

4
Gf
3

2 g

−6 −5 −4 −3 −2 −1 1 2 3 4 5 6 x
−1

−2

−3

−4

Der Funktionsterm einer gebrochen rationalen Funktion mit schräger Asymptote lässt
sich immer als Summe eines linearen Terms (Gerade) und eines gebrochen rationalen
Terms darstellen, wobei der gebrochen rationale Term für betragsmäßig große x gegen
Null strebt. Beispiel:
2
f (x) = 0,5x + 1 +
| {z } x+1
schräge Asymptote | {z }
Abstand zur Asymptote
→0 für x→±∞

Oft ist der Funktionsterm nicht in obiger Form gegeben, sondern als Quotient f (x) = p(x)
q(x)
. In
diesem Fall muss man die Polynomdivision ausführen, um die Gleichung der schrägen Asymptote
zu erhalten.

Verfahren: Bestimmung der schrägen Asymptote


Eine gebrochen rationale Funktion f : x 7→ p(x)
q(x)
hat genau dann eine schräge Asymptote,
wenn der Grad des Zählerpolynoms (Z) um eins größer ist als der Grad des Nennerpoly-
noms (N ).

Z =N +1 ⇔ Gf hat eine schräge Asymptote

Die Gleichung der schrägen Asymptote ermittelt man mithilfe der Polynomdivision.
Beispiel:

2x2 + x − 3
f (x) =
x−2
= (2x2 + x − 3) : (x − 2)
PD 9
= 2x −3 −
| {z } x−2
Asymptote
| {z }
→0

Im Beispiel lautet die Gleichung der schrägen Asymptote somit g : y = 2x − 3


8.5 Zusammenfassung: Gebrochen rationale Funktionen

Zusammenfassung: Gebrochen rationale Funktionen


• Allgemeiner Funktionsterm

p(x)
f (x) =
q(x)

mit Polynomen p(x) und q(x). Es gilt Grad(p) = Z, Grad(q) = N und N ≥ 1.


Falls f (x) eine Summe ist: Auf Haupnenner erweitern und zusammenfassen.

• Definitionsmenge

Df = R \ {x ∈ R | q(x) = 0} „R ohne die Nullstellen des Nenners“

• Nullstellen

Df = {x ∈ R | p(x) = 0} ∩ Df „Alle NSt. des Zählers, die in Df sind“

• Senkrechte Asymptoten
Parallelen zur y-Achse (x =konst.) bei den (nicht hebbaren) Definitionslücken.

• Schnelle Entscheidungsregel für Grenzwerte


– Z > N : limx→±∞ f (x) = ∞ oder −∞
– Z = N : limx→±∞ f (x) = a mit a ∈ R \ {0} (endlicher Wert)
– Z < N : limx→±∞ f (x) = 0
Nachweis muss trotzdem immer über Ausklammern der höchsten Potenz erfolgen!

• Waagerechte Asymptote (Z ≤ N )
Parallele zur x-Achse, an die sich Gf im Unendlichen annähert. Die Lage ergibt sich
aus dem Grenzwert: Wenn limx→∞ f (x) = a < ∞, dann ist die Asymptote y = a.

• Schräge Asymptote (Z = N + 1)
f strebt betragsmäßig gegen unendlich und verhält sich dabei annähernd wie eine
Gerade. Ermittlung der Asymptote durch Polynomdivision;

2x2 + x − 3 PD 9
f (x) = = 2x − 3 −
x−2 | {z } x−2
schräge Asymptote | {z }
Abstand zur Asymptote
→0 für x→±∞

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