Inhalt Contents

I Über dieses Buch 1 About this book

I.1 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 I.1 Foreword . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
I.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 I.2 Basics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

II Die Spieltechnik der Violine II Techniques of Violin Playing

II.1 Lagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II.1 Positions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
II.2 Bogentechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II.2 Bowing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
II.3 Vibrato . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II.3 Vibrato . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
II.4 Pizzicato . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II.4 Pizzicato . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
II.5 Glissandi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 II.5 Glissandi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
II.6 Flageoletts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 II.6 Harmonics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
II.7 Tabulaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II.7 Tablature notation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
II.8 Rhythmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II.8 Rhythm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
II.9 Violine und Elektronik . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 II.9 Violin and Electronics . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

III Anhang III Appendix

III.1 Eine Nachbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 III.1 An Epilogue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
III.2 Thomas Adès: Piano Quintet . . . . . . . . . . . . . 105 III.2 Thomas Adès: Piano Quintet . . . . . . . . . . . . 105
III.3 Grifftabellen Violine und Viola . . . . . . . . . . . . 112 III.3 Violin and Viola fingering charts . . . . . . . . . . 112
III.4 Bibliografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 III.4 Bibliography . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
III.5 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 III.5 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

Über die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 About the authors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

 Grundlagen Basics
Flageolett
Leichtes Berühren der Schwingungsknoten der
Saite zur Erzielung von Obertönen. Es gibt natür-
liche und künstliche Flageoletts (siehe Kapitel II.6).
Pizzicato
Gezupft, also ohne Bogen (siehe Kapitel II.4).
Dämpfer
Zumeist aus Holz gefertigt, wird auf dem Steg
vertikal über die Saiten gesteckt (oder aus mit
Filz gefüttertem Metall von jenseits des Stegs ho-
rizontal über die Saiten geschoben): filtert das
Obertonspektrum der Violine erheblich, verän-
dert nicht nur die Lautstärke, sondern auch die
Klangfarbe (»gedämpft«).
Ein besonderer »Dämpfer« wird von Giacinto Scelsi
in seinem 2.  Streichquartett und in Khoom ver-
langt: ein Blechstück, das durch die Saitenschwin-
gung zu einem Rattern angeregt wird, wodurch
der »Dämpfer« eher zum Geräuschgenerator wird
(er nimmt also nicht Klänge weg, sondern fügt
welche hinzu), vergleichbar dem Rattern der süd-
afrikanischen Mbira (einer Art Daumenklavier).
Scelsis Dämpfer/Resonatoren wurden uns in den frü-
hen 1980er-Jahren durch Frances-Marie Uitti1 zu-
gesandt. Im Prinzip sind es dünne Blechstücke, die
auf ein Stück schweres Metall gelötet werden, um
die Sache zusammenzuhalten und ihr mehr Gewicht
zu geben. Der Dämpfer wird so auf die »andere«
Seite des Stegs gesteckt, dass das Blechstück die
Spielseite des Stegs berührt […] Das Blech vib-
riert, wenn die Saite gespielt wird, wodurch eine
Art Rasseln entsteht. In Scelsis Vorstellung reflek-
tierte der so entstehende Klang gewisse tibetanische
Rituale. Leider sind diese »Dämpfer« sehr empfind-
lich und fallen im Konzert oft ab. Das Rattern, das
1 Die Violoncellistin und Komponistin Frances-Marie
Uitti revolutionierte das Violoncello, indem sie es durch
das gleichzeitige Spiel mit zwei Bögen in der rechten
Hand veränderte. Dadurch wurde es zum polyphonen
Instrument, indem Akkorde von zwei, drei und auch vier
Noten ausgehalten werden und komplexe Mehrstimmig-
keiten dargestellt werden konnten. Uitti pflegte eine enge
Zusammenarbeit mit Scelsi, und wie er schrieben danach
noch viele Komponisten Stücke für sie und ihre spezielle
Technik wie  Barrett, Harvey, Kurtág, Nono und Radulescu.
15
Harmonics
Lightly touching the nodes of the string to pro-
duce overtones. There are natural and artificial
harmonics. (see Chapter II.6)
Pizzicato
Plucked, so without the bow (see Chapter II.4)
Mute
Mostly made of wood, placed vertically across the
strings at the bridge (or made of metal lined with
felt, slid across the strings horizontally from the
other side of the bridge): filters the violin‘s over-
tone spectrum considerably, changing not just the
loudness, but also the timbre (“muted”)
A very particular mute is required by Giacinto
Scelsi in his 2nd String Quartet and in Khoom: a
brass strip that the vibrating strings causes to rat-
tle, which means that the “mute” becomes more of
a noise generator (so it doesn‘t subtract sounds,
but adds some), it‘s comparable to the rattling of
the South African mbira (a kind of thumb piano).
Scelsi‘s mutes/resonators were sent us in the early
80‘s by Frances-Marie Uitti2. Basically they are made
of light tin soldered to a piece of heavy metal in the
middle which holds them together and gives weight
to the object which should rest on the “other” side of
the bridge, with the tin pieces touching the playing
side of the bridge. The idea is that the tin vibrates
when the string is played and a vibration or rattle
is produced. Unfortunately they are rather delicate
and can come flying off during performance.
For Scelsi, this produced a sound whose sonority
reflected certain Tibetan ritualistic practises where
a ground tone is produced alongside the notated
pitch. The rattling sound they produce is not unlike
the bass vibration in Scelsi‘s old Revox tape machine
when he turned the volume up to maximum. This I
2 The cellist and composer Frances-Marie Uitti revo-
lutionised the cello by playing it with two bows simulta-
neously in the right hand. It thus became a polyphonic
instrument, in so far as chords of two, three or four notes
could be sustained, and complex multi-voice textures
presented. Uitti worked in close collaboration with Scelsi,
and subsequently, like him, many composers wrote pieces
for her and her technique, including Barrett, Harvey,
Kurtág, Nono and Radulescu.
16 Grundlagen Basics
sie produzieren, klingt wie die Bassschwingungen
von Scelsis altem Revox-Tonbandgerät, wenn er die
Lautstärke bis zum Maximum hochdrehte.
Ich konnte dies bei Arbeitstreffen mit dem Kompo-
nisten einige Male selbst hören. (Irvine Arditti)
Beispiel / Example I.2,4:
Scelsi-»Resonator« 1 / Scelsi-“resonator” 1
Der Vollständigkeit halber werden im Folgenden
in alphabetischer Reihenfolge noch einige weitere
Begriffe erklärt, die in Partituren mit Streichin
strumenten Verwendung finden:

Abstrich (  )
Bewegung des Bogens nach unten: Die Saite be-
rührt den Bogen anfangs in der unteren Bogen-
hälfte näher beim  Frosch, dann in Richtung der
Bogenspitze. Im Französischen tiré, also »gezo-
gen«, genannt. Mehr siehe unter íAufstrich.
alla corda
(Mit dem Bogen) an der Saite bleiben: je Note ein
kurzer Ab- oder Aufstrich ohne den Bogen von
den Saiten zu nehmen. Die Tondauer liegt zwi-
schen Legato und Staccato.
alla punta
(An der Spitze) Bogenspitze, bei Tremoli oft we-
gen des geringen Bogendrucks im pp verlangt.
heard several times myself, during working sessions
with the composer (Irvine Arditti).
DSC06103.JPG (image) 04/09/2011 16:08
Beispiel / Example I.2,5:
Scelsi-»Resonator« 2 / Scelsi-“resonator” 2
In the interests of completeness, there follow (in
alphabetical order) explanations of some further
terms used in scores with string instruments:
http://1.bp.blogspot.com/_sWdbcMdejbQ/SilKVKlBTXI/AAAAAAAAADg/Ra3P82one-g/s1600-h/DSC06103.JPG Page 1 of 1
down bow (   ) 
Movement of the bow downwards: initially the
point of contact is close to the frog then moving
down the bow to the tip. In French called tiré i.e.
“drawn”. See also íup bow.
alla corda
Keep the bow on the string: for each note, a short
up- or down bow, without taking the bow off
the string. The length of the note lies between
í legato and í staccato.
alla punta
(Ger. Spitze) tip of the bow, often called for in pp
tremoli, because of the light bow pressure.
 Grundlagen Basics
Arpeggio
In der Klavierliteratur, wenn nicht notiert, wohl
eher ein Indiz auf (zu) kleine Hände des Aus-
führenden. Hier im Falle der Violine die einzige
Möglichkeit, 4-Ton-Akkorde zu spielen. Da der
Steg eine gebogene Oberkante aufweist, auf der
die Saiten aufliegen, und somit die vier Saiten
nicht (wie z.  B. bei Zupfinstrumenten) auf der-
selben Höhe liegen, können nur maximal zwei
(im pp) bis drei (f, entfernter vom Steg) neben-
einanderliegende Saiten gleichzeitig gestrichen
werden. Im Arpeggio werden die Töne eines
vollen Akkordes rasch nacheinander gespielt,
im  íAbstrich vom tiefsten zum höchsten Ton
(Saiten IV–I), im  Aufstrich umgekehrt (Saiten I–
IV). Mehr unter Kapitel II.1.

Aufstrich (   )
Bewegung des Bogens nach oben: die Saite be-
rührt den Bogen anfangs in der oberen Bogen-
hälfte näher bei der Spitze, dann in Richtung
Frosch, wo der Bogen gehalten wird. Im Französi-
schen poussé, also »geschoben«, genannt.
Für den Komponisten mag ein Vergleich mit dem
menschlichen Atem hilfreich für das Verständnis
sein: Aufstriche entsprechen dem Ein-, Abstriche
dem Ausatmen. Schwerpunkte (harmonisch, inhalt-
lich – nicht zu verwechseln mit den »schweren« Takt-
zeiten oder rhythmischen Akzenten) werden mit
Abstrich begonnen, da am Frosch, in dessen Nähe
der Bogen mit der Hand gehalten wird, mehr Druck-
kontrolle herrscht, die mit dem Gleiten des Bogens
zur Spitze abnimmt. Umgekehrt führt ein Aufstrich
auf natürliche Weise von weniger Druckkontrolle zu
mehr, wodurch der Klang nicht nachlässt, sondern
zunehmen kann im Sinne eines Crescendo.
balzato
Springbogen, den Bogen mit jeder Note zurückfe-
dern lassen: kurzer, heller = obertonreicher Klang.
Bariolage
Integrieren leerer Saiten in die (melodische) Ge-
staltung rascherer Passagen zur Verstärkung der
Resonanz.
battuto
Nicht (mit dem Bogen) gestrichen, sondern (mit
dem Bogen) geschlagen: kurzer, perkussiver Klang.
17
arpeggio
In the piano literature, unless specifically notated,
this tends to be an indication that the performer‘s
hands are (too) small. Here, in the case of the vio-
lin, it is the only way to play 4-note chords. Since
the bridge has a curved upper edge on which the
strings rest, and thus the four strings are not all
at the same height (unlike plucked instruments,
for example), only a maximum of two (adjacent)
strings can be bowed at the same time. In an ar-
peggio the 3 or 4 notes of a full chord are played
in rapid succession: with a í down bow from the
lowest note to the highest (strings IV–I), and with
an up bow the opposite (strings I–IV). More in
Chapter II.1.
up bow (   )
Movement of the bow upwards: initially the
point of contact is the upper half of the bow,
nearer to the tip, then in the direction of the
frog. In French called poussé, i.e. “pushed”.
Composers may find a comparison with human
breathing helpful in understanding this: upbeats
correspond to breathing in, down bows to breath-
ing out. Focal points (in terms of harmony or con-
tent - not to be confused with “strong” beats or
rhythmic accents) commence with a down bow,
since at the frog, which is close to where the hand
holds the bow, there is more control of pressure,
which decreases as the bow slides up to the tip.
Conversely, an up bow naturally leads from less
control of pressure to more, so that the sound
doesn‘t diminish, but can actually increase, in the
sense of crescendo.
balzato
Springing bow, letting the bow rebound on every
note: short, bright sound = rich in overtones.
bariolage
Integration of open strings into the (melodic)
shaping of fast passages, so as to increase the
resonance.
battuto
not bowed, but struck (with the bow): short, per-
cussive sound.
18 Grundlagen Basics
Bogen-Vibrato
Vor allem in der Barockmusik übliche Art einer
technisch gesehen Amplituden-(Lautstärken-)
Modulation des Klangs, im Gegensatz zum nor-
malen Vibrato, das eine Frequenz-(Tonhöhen-)
Modulation darstellt. Die Kombination von bei-
den Arten lässt das Instrument »singen«. Die Ent-
scheidung über eine Verwendung des Bogen-Vibra-
tos sollte beim Spieler bleiben.
col legno
Die Saiten werden nicht mit den Bogenhaaren
(crini), sondern mit dem umgedrehten Bogen,
also dem Bogenholz gestrichen (ítratto) oder
geschlagen (íbattuto). Auch Mischformen (halb
und halb mit Holz und Haaren) sind möglich.
détaché
Franz. »getrennt«: Bogenwechsel mit jeder Note.
divisi
Im Orchester: mehrstimmige Passagen werden auf
verschiedene Gruppen innerhalb der ersten oder
zweiten Violinen (oder Bratschen, Violoncelli,
Kontrabässe) aufgeteilt. Aufhebung: unisono.
flautando
Sehr weich klingende Spielart mit viel Bogenstre-
cke und wenig Bogendruck.
Frosch
Unterer Teil des Bogens, wo die Spannschraube
für die Spannung der Bogenhaare sitzt, nahe der
Hand des Spielers
gettato
Franz. jété: »geworfen«. Gemeint ist ein sehr kur-
zer obertonreicher Klang, bei dem im Gegensatz
zum battuto der Bogen nicht quasi lotrecht auf
die Saiten trifft, sondern doch ein klein wenig
Strichbewegung dabei ist.
legato
Ital. »gebunden«, ohne Zäsur und ohne hörbaren
Bogenwechsel.
leggiero
Ital. »leicht«.
liscio
Ital. »glatt«.
martellato
Ital. »gehämmert«: kurzer, scharfer Klang mit gro-
ßem Bogendruck.
bow-vibrato
Especially common in baroque music, this is tech-
nically speaking a kind of amplitude- (volume-)
modulation of the sound, as opposed to normal vi-
brato, which represents frequency- (pitch-) mod-
ulation. The combination of both kinds lets the
instrument “sing”. Decisions about the use of bow
vibrato should be left to the player.
col legno
The strings are not activated by the bow hairs
(crini), but rather, with the bow turned round,
and are bowed (ítratto) or struck (íbattuto)
with the wood of the bow. Mixed forms (half bow
and half hair) are possible.
détaché
French “detached”: bow change with each note
divisi
In the orchestra: polyphonic passages are distrib-
uted among various groups within the first and
second violins (or violas, celli and basses). Can-
celled by: unisono.
flautando
Very soft-sounding way of playing, with lots of
bow movement and little bow pressure
frog (also: heel, nut)
Lower part of the bow, where the screw adjuster
to tighten the bow hair is located, near the play-
er‘s hand
gettato
French jété: “thrown”. This indicates a very short
sound, rich in overtones, where in contrast to →
battuto the bow does not come down quasi-ver-
tically onto the string, but there is a little bit of
horizontal bowing movement.
legato
It. “tied”, without pause, and without audible
change of bow
leggiero
It. “light”
liscio
It. “flat”
martellato
It. “Hammered”: short, sharp sound with heavy
bow pressure
34 Bogentechnik Bowing

Einige Komponisten haben den Bogen auf beson-
dere Weise eingesetzt, um alle vier Saiten gleich-
zeitig spielen zu können.
In Platz’ Quartett (Zeitstrahl) hält die zweite Vio-
line einen separaten Bogen mit stark gelocker-
ten Haaren dafür bereit. Der Bogen wird von der
Schnecke her mit den Haaren nach oben über das
Griffbrett gezogen und in einer Molto-tasto-Posi-
tion angesetzt. Durch die stark gelockerten Haare
werden alle vier Saiten vom Bogen erfasst.
Es braucht dann aber eine spezielle Bogentech-
nik, um die Bogenhaare so zu steuern, dass ein
»schöner« Klang entstehen kann. Dabei ist es not-
wendig, den Bogen nur mäßig und mit konstan-
ter Geschwindigkeit zu bewegen, ohne jemals an-
zuhalten, was sich als schwierig erweist.
Some composers have used the bow in special
ways in order to be able to play all four strings at
once. In Robert HP Platz’s Quartett (Zeitstrahl), the
2nd violin is asked to have an extra, loosened bow
at hand in order to do this. The violin fingerboard
is “threaded” from the scroll end with the loosened
bow hair, which is placed in a molto tasto position.
With the hair loosened it is possible for all four
strings to be gripped by the bow. However, a spe-
cial bowing technique is then required; one has to
learn how to draw the hair of the bow to attain an
unperforated, even sound; what is required here is
to draw the bow at a moderate and constant speed
without stopping. That is difficult. Platz writes
long, slow chords, which is the most effective way
to write for this special bowing.

Platz schreibt lange langsame Akkorde, die wir-

kungsvollste Art, für diese Bogentechnik zu
schreiben.

Beispiel / Example II.2,11: Robert HP Platz, »Quartett (Zeitstrahl)«, 6. Satz /

6th movement, Partitur S. / score p. 1, T. / b. 32–35
©1986 by Breitkopf & Härtel, Wiesbaden

Benedict Mason findet in seinem 2. Streichquartett
eine andere Lösung und widmet einen ganzen Satz
den Bögen, die er erfunden hat: hoch gebogenen
Rundbögen mit erheblich kürzerer Bogenstange als
normal. Durch die geringe Spannung erfassen die
Bogenhaare alle vier Saiten, wenn dieser Bogen auf
die Saiten gesetzt wird. Da es sich hier um einen
tatsächlichen Bogen handelt, kann man damit auch
ganz andere Ereignisse spielen als lange Noten.
Ich werde dieses Kapitel beschließen mit der
Erwähnung von subharmonischen Tönen, auch
wenn ich diese Technik nie in mein Repertoire
Benedict Mason finds another solution in his 2nd
String Quartet, and devotes a whole movement
to bows that he has invented, which are high-
arched and considerably shorter than the normal
stick. When pressed onto the strings, there is suf-
ficiently little tension to allow the hairs of the
bow to wrap themselves around all four strings.
Because this is an actual bow, it is possible to
perform more varied actions than just long notes.
I will close this chapter by mentioning sub-har-
monics, even though I have never incorporated
this technique into my own performing vocabu-
 Vibrato Vibrato
aufgenommen habe1. Man mag sich fragen, wa-
rum dies nicht im Kapitel über Flageoletts erörtert
wird. Die Antwort ist: Diese tiefen Töne werden
durch verstärkten Bogendruck an gewissen Stellen
des Griffbretts gespielt. Um diese Töne artikulieren
zu können, muss also eine besondere Bogentech-
nik erlernt werden: den Bogendruck so weit zu
verstärken, dass der Klang verzerrt, und gleichmä-
ßig genug, damit die Tonhöhe konstant bleibt. Es
gibt mathematisch genaue Positionen im Tasto-Be-
reich, wo jeder Ton hervorgebracht werden kann.
Soweit ich weiß, gibt es in der in den USA lebenden
Japanerin Mari Kimura die einzige Exponentin die-
ser Technik. Sie scheint diese Technik glänzend unter
Kontrolle zu haben, aber selbst in ihren Händen sind
die Tonhöhen manchmal ein wenig unvorhersehbar.
Dazu kommt noch eine gewisse Unklarheit der Ton-
höhe, was diese tiefen Töne der Violine klar von der
Viola und dem Violoncello unterscheidet. Kimuras
Repertoire ist ein wenig klassisch orientiert, und ich
könnte mir vorstellen, dass experimentellere Kom-
ponisten diese Technik sinnvoller einsetzen würden.
II.3 Vibrato (Irvine Arditti)
Über das Vibrato in Neuer Musik habe ich viel
nachgedacht und im Laufe der Jahre mit Kom-
ponisten darüber diskutiert. Im Glissando-Kapitel
werde ich erklären, dass viele berühmte Geiger im
letzten Jahrhundert an ihrem recht altmodischen
Gebrauch des Portamento erkennbar ­waren. Auch
beim Vibrato wirkten ihre Unterschiede wie Visi-
tenkarten. Die vielen Arten, ein Vibrato auszufüh-
ren, waren: schnell / langsam, weit / eng, mit dem
Finger / mit der Hand / mit dem Arm.
Viele Komponisten möchten ihre Musik mit wenig
oder überhaupt keinem Vibrato ausgeführt haben.
»Ohne Vibrato« oder »ohne jedes Vibrato« steht in
vielen Partituren von zum Beispiel Cage, Clarke, Dil-
lon, Nono, Xenakis usw., was von der linken Hand
einen Klang fordert, der wenig oder nichts mehr
1 Nach dem verfassen dieses Kapitels erhielt ich just in
der Korrekturphase eine neue Partitur des 4 . Quartetts
von Hans Abrahamsen, in dem 2 subharmonische Töne
zu bewältigen sind.
35
lary2. Why, you may ask, is this not dealt with
in the chapter on harmonics? The answer is that
these low pitches are produced by overpressure of
the bow at certain points along the fingerboard.
So in order to articulate these pitches, an appro-
priate bowing technique has to be learnt: one has
to press hard enough for the string to distort, and
evenly enough for the pitch to remain constant.
There are mathematically calculated points in the
tasto position where each pitch can be produced.
As far as I know, the only exponent of this tech-
nique is Mari Kimura, a Japanese violinist living in
the US. She seems to be able to exert a formidable
amount of control over this technique, but even
in her hands the pitches are sometimes slightly
unpredictable. There is also a certain uncertainty
about the pitch which clearly differentiates these
low violin pitches from those of a viola or cello.
Ms. Kimura’s repertoire is somewhat classically
orientated and I could imagine more experimental
composers making more apt use of this technique.
II.3 Vibrato (Irvine Arditti)
I have given much thought to the question of vi-
brato in contemporary music, and over the years
there has been much discussion with compos-
ers on this subject. As I will explain in the chap-
ter on glissandi, the rather old-fashioned use of
portamento singled out many famous violinists
of the last century. With vibrato too, the differ-
ences between them were like identification cards
showing who they were. Fast/slow, wide/narrow,
with the finger/the hand/the arm: these were the
many ways of doing different sorts of vibrato.
Many contemporary composers prefer their music
to be performed with little or no vibrato. Some of
them, such as Cage, Clarke, Dillon, Nono, Xenakis
etc., have written in their scores without vibrato,
or absolutely no vibrato, requiring a sound from
2 After writing this chapter, at the proof reading stage,
I have just received the new score of Hans Abrahamsen‘s
4th quartet which gives me two sub-harmonic pitches to
wrestle with.
36 Vibrato Vibrato
mit klassischem Violinspiel zu tun hat. Dadurch
wurde der Klang des Streichinstruments verändert
und gewissermaßen zur barocken Aufführungspra-
xis zurückgeführt, obwohl das Spiel ohne jegliches
Vibrato noch einen Schritt darüber hinaus geht.
Xenakis’ Konzept für seinen Streicherklang war sehr
eigen. Ich erinnere mich an einige Diskussionen dar-
über mit ihm. Seine Vorstellung vom Schönen oder
Hässlichen war radikal verschieden von traditionel-
lem Denken. Für ihn war ein Vibrato-Klang hässlich.
Er hatte durch zahlreiche Erfahrungen mit klassi-
schen Spielern eine klare Vorstellung davon gewon-
nen, bevor ich ihn traf. Wir sprachen darüber, dass
viele klassische Spieler überhaupt nicht in der Lage
sind, den Gebrauch des Vibrato zu unterbinden.
Es war wie eine Krankheit, die mitten im Konzert
plötzlich zuschlug, selbst wenn die Spieler in den
Proben ihre »Tröpfchen« genommen hatten und
genau wussten, was sie unterlassen sollten. In der
Konzertsituation wird Adrenalin ausgeschüttet und
der Geist vermag den Körper nicht völlig zu kontrol-
lieren, daher der Rückfall in gewohnte Abläufe. Ein-
mal damit konfrontiert, mochten viele Komponisten
diese »Reinheit« des Non-Vibrato-Klangs. Gelegent-
lich schrieben Komponisten für den Großteil eines
Stückes Non-Vibrato vor, mit einigen Noten oder
Passagen, in denen Vibrato eingesetzt werden sollte.
Eine dafür typische Partitur ist Cages virtuose Fan-
tasterei Freeman Etudes. In diesen 32 Etüden von
mehr als 90 Minuten Spieldauer finden sich einige
spärliche Vibrato-Angaben für isolierte Noten. In
einem Werk dieser Dauer 40 oder 50  Tonhöhen
mit Vibrato zu spielen, verleiht diesen Tönen eine
besondere Bedeutung und fügt den vielen Klang-
farbenangaben dieser Komposition tatsächlich eine
zusätzliche Farbe hinzu.
Ohne Vibrato wird die Reinheit der Intonation viel
besser hörbar, was die Aufgabe des Aufführenden
erheblich erschwert. Akkorde ohne Vibrato einzu-
stimmen ist, als wenn man Tonhöhen unter das
Mikroskop legen wollte. Jede noch so kleine Ab-
weichung der Intonation wird vergrößert. Vibrato
wirkt wie ein Balsam gegen schlechte Intonation,
da die geringfügige Oszillationsbewegung der
Finger der Überlegung weniger Raum lässt, ob
der Akkord richtig gestimmt ist oder nicht.
the left hand that inherits little or nothing from
classical violin playing. It has been a way of
changing the sound of string instruments and in
some ways it goes back to the performing methods
of the Baroque. However, absolutely no vibrato is
taking this one step further.
Xenakis had a very particular concept for his string
sound; I remember discussing this with him on
several occasions. His idea of what was beautiful
and ugly differed radically from traditional think-
ing. To him a vibrato sound was ugly. He had had
many experiences with classical players before I
met him and he was very clear on this subject.
We discussed the fact that many classical players
could not stop using vibrato. It was like a disease
that attacked them during concerts, even if the
players had taken their medicine during rehears-
als and had clearly in their minds what not to do.
When the performer is put in a concert situation,
adrenalin runs faster and often the mind does not
completely control the body, which reverts back to
familiar responses. Once it was demonstrated to
them, many composers liked the “pure“ sound of
non-vibrato. Sometimes composers wanted most
of a piece to be non-vibrato, but added occasional
notes or passages where vibrato should be used.
Cage‘s virtuoso extravaganza Freeman Etudes is
a score in point. These 32 etudes, spanning more
than 90 minutes of playing time, have only very
occasional vibrato indications on isolated pitches.
To play vibrato on just 40 or 50 pitches in a work
of this length with thousands of notes gives a very
special meaning to those pitches and in fact adds
another dimension to the many timbral demands
of this composition.
With no vibrato, purity of intonation is much
more audible, and this makes the performer’s
task much harder. To tune chords with no vi-
brato is like putting pitch under the microscope.
Every slight intonation mistake is magnified. Vi-
brato acts as a healing lotion for bad intonation,
because the slight finger oscillation gives less
room to understand if the note or chord is really
in tune or not.


I
I II
I
I II SP
II II I
I SP CL CL IV II
beat beat
II Vib. III beat II II I III
Vib.
III IV IV CL beat CL I
Vibrato

IV I ( ) beat
III II II Vib.
II IV IV II II
IV
IV III SP Vib. SP III IV

I II
I IV I I Vib.
Vib.
I CL II II
II Vib.
II
III IV IV IV IV
Vibrato

Beispiel / Example II.3,1: John Cage, »Freeman Etudes«, Etude 19, Partitur S. / score p. 39
37
38 Vibrato Vibrato

Die Frage, ob die Musik Ferneyhoughs mit oder ohne
Vibrato gespielt werden soll, mag den ­Spieler in Ver-
legenheit bringen. Der Komponist versicherte mir
jedenfalls öfters, dass er den Gebrauch des Vibrato
weder in seinen Violin-Solostücken noch in den
Kammermusikwerken völlig ausschließt. Sein erstes
Violinstück Intermedio alla Ciaccona beginnt mit der
Anweisung »quasi senza vibrato«, einige Takte spä-
ter steht »più vibrato« und schließlich »vibrato nor-
male«. Diese Angabe wird später nicht aufgehoben.
Working out whether or not to perform the music
of Ferneyhough with vibrato creates a particular
dilemma. The composer has told me many times
that he does not exclude the use of vibrato in
his solo violin and chamber works. In his first
violin piece Intermedio alla Ciaccona, he begins
with the indication “quasi senza vibrato”, then
some bars later “più vibrato” and then “vibrato
normale”. He never cancels this indication.

Beispiel / Example II.3,2: Brian Ferneyhough, »Intermedio alla Ciaccona«, Partitur S. / score p. 2

In schnellen Passagen gibt es natürlich zu wenig Zeit
für ein Vibrato, und auch bei der Ausführung vie-
ler Viertel- oder Mikrotöne sollte man es sparsam
verwenden. Trotzdem ist es kein ehernes Gesetz,
beim Anblick eines Vierteltones jedes Mal auf ein Vi-
brato zu verzichten. Ich meine inzwischen, dass die
Schlusssektion von Intermedio von ein wenig Vibrato
profitieren könnte, wo immer es ausführbar ist.
Obviously, with rapid passages there is no time
for vibrato, and where one has to execute many
quarter-tone or other microtonal notes, vibrato
should be used sparingly. However, it is not a hard
and fast rule that every time one sees a quarter-
tone pitch we should not use vibrato. For example
I now consider that the last section of Intermedio
benefits from some vibrato where possible.

Beispiel / Example II.3,3: Brian Ferneyhough, »Intermedio alla Ciaccona«, Partitur S. / score p. 7

 Vibrato Vibrato 39

Bei Aufführungen der recht klassisch orientierten
Quartette von Hába und Wyschnegradsky ist ein
reduzierter Gebrauch des Vibrato erwünscht.
Wenn die Musik innerhalb einer Vierteltonstim-
mung moduliert und sich alle vier Spieler im sel-
ben Spektrum dieser Stimmung bewegen, ist es
sinnvoll, diese Passage wenigstens bei der Pro-
benarbeit ohne Vibrato zu spielen, um die Stim-
mung zu verstehen. Später können die Ausfüh-
renden bei melodischen Linien ein wenig Vibrato
hinzufügen, um diese Musik leichter auszuspielen.
When performing the quartets of Hába and Wy-
schnegradsky, which are in some ways very classi-
cally orientated, it is desirable to use a restricted
vibrato. Where the music modulates within quar-
ter-tone tuning and the rest of the quartet are
playing in the same spectrum of tuning it is wise
to at least practise the section without vibrato, to
understand what the tuning should be. Later, for
melodic lines, performers can add a little vibrato
to help project this music.

Beispiel / Example II.3,4: Ivan Wyschnegradsky, 2. Streichquartett, 1. Satz /

Ivan Wyschnegradsky, 2nd String Quartet, 1st movement, S. / p. 19, Ziffer / figure 16