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Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung..............................................................................................................2
1.1.Rückblick.......................................................................................................2
1.2.Aufbau der Arbeit..........................................................................................3
1.3. Hinweise zur Notation..................................................................................3
2.Zur Person.............................................................................................................6
2.1.Biografie........................................................................................................6
3. Equipment............................................................................................................9
3.1.Instrumente und Verstärker............................................................................9
3.2. Effekt-Geräte..............................................................................................10
3.2.1. Delay...................................................................................................10
3.2.2.Hall.......................................................................................................11
3.3.Distortion ....................................................................................................12
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel..................................................................................12
4.1.Tonmaterial..................................................................................................14
4.1.1. Arpeggien und das Ausspielen von Akkordfortschreitungen..............14
4.1.2.Verschiedene Skalen............................................................................20
4.1.3.Zweiklänge..........................................................................................24
4.2.Improvisieren mit der Melodie es jeweiligen Stücks..................................28
4.3.Improvisieren mit Motiven..........................................................................33
4.4.Spieltechnik.................................................................................................36
4.4.1.Legato – Spiel mit Hilfe von Hammer Ons und Pull Offs...................36
4.4.2.Bendings..............................................................................................38
4.4.3.Slides....................................................................................................39
4.4.4.Spiel mit Flageolettes und Leersaiten..................................................41
4.4.5.Spiel mit Liegetönen............................................................................45
4.5.Rhythmik.....................................................................................................49
5.Zusammenfassung...............................................................................................51
6.Quellen................................................................................................................53
6.1.Bücher:........................................................................................................53
6.2.DVD:...........................................................................................................54
6.3.Internetseiten:..............................................................................................54
7.Anhang................................................................................................................55
7.1.Transkriptionen............................................................................................55
7.2.Leadsheets...................................................................................................67
7.3.Audio-CD....................................................................................................70
7.4.Lehrvideo (DVD)........................................................................................70

1
Kapitel 1. Einleitung

1. Einleitung

1.1. Rückblick

Als ich vor etwa zehn Jahren anfing mich mit dem Gitarrenspiel im Jazz zu be-
schäftigen, kam ich immer wieder mit dem Namen Bill Frisell und zunehmend
auch mit seiner Musik in Berührung.
Ich wurde von meinem damaligen Gitarrenlehrer hauptsächlich in der Be-
bop-Tradition unterrichtet. Diese bedeutet das möglichst genaue Ausspielen von
Akkorden , zum Teil mit Hilfe von Arpeggien1 und chromatischen Nebentönen,
sodass sich lange Tonlinien (Achtelketten) ergeben und eine meist sehr dichte Im-
provisation entsteht. Als ich mir meine erste Bill Frisell CD mit dem Titel „Gone,
just like a train“ (1998, Nonesuch Records) kaufte, war ich von Anfang an total
beeindruckt und überrascht von Frisell´s Musik nicht zuletzt auch wegen seiner
Art des Improvisierens. Es gab kaum Achtellinien in den Solos und es war un-
glaublich viel Raum in seinen Stücken vorhanden. Außerdem hatte er einen völlig
untypischen Jazzgitarrensound, welcher im Gegensatz zu den Gitarristen die ich
damals schon kannte, unterschiedlicher nicht hätte sein können. Dieser Gitarren-
sound gepaart mit der Art seines Gitarrenspiels hatte für mich schon damals eine
sehr große Anziehungskraft und war mitunter meine Motivation mich intensiv mit
ihm zu beschäftigen.
Welche Besonderheiten lassen sich in dem Gitarrenspiel und der Art des
Improvisierens mit Augenmerk auf Rhythmus, Tonwahl und Spieltechnik, bei Bill
Frisell feststellen, das war die Leitfrage für diese Arbeit.
Ich werde sie mithilfe eines Lehrvideos2, angefertigter Transkriptionen und
Interviews versuchen zu beantworten. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu

1 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Arpeggio (eingesehen am 27.12.2013) Arpeggio (Pl.: Ar-


peggien) ist der musikalische Fachbegriff für einen Akkord, bei dem die einzelnen Töne nicht
gleichzeitig, sondern nacheinander (in kurzen Abständen) erklingen. Man spricht auch von ei-
nem gebrochenen, oder aufgelösten Akkord.
2 Vgl. Rottor Music (Produzent) (1996): The Guitar Artistry of Bill Frisell (DVD). Milwaukee:
Hal Leonard Corporation
2
1. Einleitung

sprengen musste ich Einschränkungen machen. Diese bestanden darin mich auf
ausgesuchte Alben und Besetzungen des Künstlers zu fixieren. Bill Frisell hat al-
lein unter seinem Namen bis heute weit über vierzig CDs in unterschiedlichsten
Besetzungen herausgebracht.3Da ich selbst in einem Gitarren-Trio mit Schlagzeug
und Kontrabass spiele, habe ich für die Analysen fast ausschließlich Transkriptio-
nen in eben dieser Besetzung erstellt. Beim Anfertigen dieser Transkriptionen
musste ich feststellen dass es sehr schwierig war Frisell´s Gitarrenspiel detailge-
treu aufzuschreiben. Zum einen da er viel mit Effekten arbeitet und es für diese
keine Notationszeichen gibt und zum anderen da er oft während seines Solos meh-
rere Töne gleichzeitig weiterklingen lässt. Würde mann alle Einzelheiten seines
Spiels detailgetreu notieren wäre die Partitur schlichtweg unlesbar. Dennoch ist es
mir, so denke ich, gelungen die Essenz seines Spiels abzubilden und mit Hilfe der
beigefügten CD lassen sich die Analysen sehr gut nachvollziehen.

1.2. Aufbau der Arbeit

Diese Arbeit gliedert sich in vier wesentliche Kapitel. Nach vorangegangener Ein-
leitung, widme ich mich in Kapitel zwei der Biografie von Bill Frisell. In Kapitel
drei werde ich mich mit den Instrumenten und Effektgeräten Frisells beschäftigen,
da vor allem seine Art diese einzusetzen einen wesentlichen Bestandteil seines
Spiels ausmacht. Im vierten Kapitel werde ich dann die Transkriptionen und das
Lehrvideo analysieren.

1.3. Hinweise zur Notation

Bei den Notenbeispielen im Text handelt es sich soweit nicht anders angegeben
durchweg um Ausschnitte aus Frisell´s Solo über das angegebene Stück. Die kom-
pletten Soli bzw. deren relevante Teile finden sich im Anhang. Außerdem liegt der

3 Vgl. Frisell, Bill (2012) http://www.billfrisell.com/discography (eingesehen am 27.12.2013)


3
Kapitel 1. Einleitung

Arbeit eine CD bei, auf der alle aufgeführten Notenbeispiele gehört werden kön-
nen.

Für den Fall dass sich Phrasierungszeichen in den Notenbeispielen befinden, habe
ich sie folgt notiert:

Beispiel 1) zeigt ein Hammer On. Durch schnelles Aufsetzen des Fingers wird die
Saite auf das Bundstäbchen geschlagen und somit ein Ton erzeugt. Beispiel 2)
zeigt ein Pull Off. Hier wird der Finger der linken Hand von der Saite abgezogen
und erzeugt so den nächsten Ton. Im Beispiel 3) wird der zweite Ton durch ver-
schieben (sliden) des greifenden Fingers erzeugt. Bei Beispiel 4) dem sogenann-
ten „Bend“ wird die Saite mit dem Finger horizontal nach oben gezogen um die
gewünschte Tonhöhe zu erreichen. Beispiel 5) zeigt schließlich einen Release
Bend bei dem eine bereits schon „gebendete“ Saite angeschlagen wird um dann
nach dem Anschlagen wieder entspannt zu werden.

Hammer Ons, Slides und Bends werden häufig auch als Vorschläge verwendet
und sind dann wie folgt notiert:

Vorschläge:
1) Hammer On 2) Slide 3) Bend

4
1. Einleitung

Weitere spieltechnische Besonderheiten habe ich wie folgt gekennzeichnet:

Harm. bedeutet „Harmonics“ zu deutsch einen Flageolette - Ton auf der Gitarre.
Dieser entsteht durch das Erzeugen von Obertönen auf Saiteninstrumenten durch
leichte Knotenbildung (leichter Fingeraufsatz auf die Teilungspunkte 1:2, 1:3 etc.
der Gitarrensaite)4 Näheres zu den Flageolette-Tönen in Kapitel vier. P.M. bedeu-
tet „Palm Mute“ und beschreibt einen Ton der beim Anschlag der Saite mit dem
Ballen der rechten Hand gedämpft wird. U.B. bedeutet „Unisono Bending“ bei
dem zu einem klingenden Ton ein (meist um einen Ganzton) tieferer auf einer an-
deren Saite liegender Ton auf die gleiche Tonhöhe gezogen wird.

Bei einigen Notenbeispielen, insbesondere wenn es um das Spiel mit Leersaiten


und Flageolette - Tönen geht, erschien es mir sinnvoll eine Tabulatur mit einzufü-
gen. Sie besteht aus sechs Linien welche den sechs Saiten der Gitarre entsprechen.
Die untere Linie entspricht der tiefen E-Saite die obere der hohen E-Saite. Die
Zahlen geben an auf welchem Bund die Saite zu greifen ist. Das Beispiel zeigt
eine G-Dur Tonleiter in der II. Lage.

4 Vgl. Michels, Prof. Dr. Ulrich / Vogel, Gunther (2001): dtv-Atlas Musik Bd.1 S. 74, Systemati-
scher Teil Musikgeschichte von den Anfängen bis zur Renaissance. München: Deutscher Ta-
schenbuch Verlag
5
Kapitel 1. Einleitung

Die Notenbeispiele habe ich folgendermaßen beschriftet:

„The days of wine and roses“ CD (1 / 02:34)

Die Beschriftung „The days of wine and roses“ CD (1 / 02:34) bedeutet, bei dem
unteren Notenbeispiel handelt es sich um den Titel „The days of wine and roses“
Außerdem ist das Notenbeispiel auf der beigefügten CD unter dem Titel 1 zuhören
und beginnt an der Abspielposition zwei Minuten und vierunddreißig Sekunden.

2. Zur Person

2.1. Biografie

Diese Biografie bezieht sich, sofern nicht anders angegeben, auf das von Bill Fri-
sell autorisierte Buch: „ Bill Frisell – An Anthology“.5 Da es bei dieser Diplomar-
beit zum Wesentlichen um eine Analyse des Stils von Bill Frisell geht, weise ich
daraufhin das diese Biografie keinesfalls vollständig ist, sondern nur die von mir
als wichtig erachteten Eckdaten aufweist.
William Richard Frisell wurde am 18.03.1951 in Baltimore, Maryland ge-
boren und wuchs mit seinen Eltern in Denver, Colorado auf.6 Bereits im Alter von
vier Jahren bastelte er seine erste Gitarre aus einem Holzbrett und einem Gummi-
band, nachdem er die Fernsehserie „Mickey Mouse Club“ sah, in der ein gewisser
Jimmy zu Beginn immer ein Lied auf der Gitarre spielte. 1960 begann Bill Frisell
mit dem Klarinettenspiel. Er bekam von dem damaligen Dirigenten der „Gold
Sash Band“, in der Bill selbst acht Jahre spielte, seinen ersten Instrumentalunter-
richt. Es folgten regelmäßige Auftritte mit der Klarinette in verschiedenen Orches-
tern. Nachdem Bill 1962 seine erste richtige Gitarre zu Weihnachten geschenkt

5 Vgl. Frisell, Bill (2001): An Anthology. New York: Cherry Lane Music Company
6 Vgl. Kunzler, Martin (2002): Jazz Lexikon Bd. 1, S. 397, A-L. Hamburg: Rowohlt Taschen-
buch Verlag
6
2. Zur Person

bekam, hatte er 1964 seinen ersten Gitarrenunterricht bei Bob Marcus, dem Besit-
zer eines Musikgeschäfts in Denver. Im Alter von fünfzehn kam Bill auf die High
School und spielte weiterhin Klarinette in der Schul - Bigband. 1969 begann Bill
Unterricht bei dem Gitarristen Dale Bruning zu nehmen, der ihm die Musik des
Jazz näher brachte. Bruning half Bill die bereits auf der Klarinette musiktheore-
tisch erlernten Fähigkeiten auf die Gitarre zu übertragen und eröffnete ihm somit
die Welt der Improvisation und des Jazz. Im selben Jahr zog Bill mit seinen Eltern
nach South Orange, einem Randbezirk von New York City und somit hatte Frisell
die Möglichkeit viele großartige Musiker in den New Yorker Jazzclubs zu hören.
Zur selben Zeit fing er auch an Musik an der „University of Northern Colorado“
zu studieren und spielte Gitarre und Tenorsaxofon in diversen Big-Bands. 1971
beschloss Bill mit dem Klarinettenspiel aufzuhören um sich ganz auf die Gitarre
konzentrieren zu können. Zur selben Zeit gab sein damaliger Gitarrenlehrer Dale
Bruning ein paar Konzerte mit Jim Hall in Denver und Bill erhielt durch Bruning
die Möglichkeit Jim Hall kennenzulernen und Unterrichtstunden zu erhalten. Bill
und Jim freundeten sich an und ein Jahr später folgte er dem Angebot acht Wo-
chen bei Hall privat in New York Gitarre zu studieren. Drei Jahre später, 1975,
ging Frisell nach Boston um am „Berklee College of Music“ zu studieren. Hier
traf er auch auf seine späteren Trio-Mitglieder Joey Baron (Schlagzeug) und Ker-
mit Driscoll (Bass) mit denen er bis heute zahlreiche Auftritte und CD-Produktio-
nen eingespielt hat. Als Bill Frisell 1978 für ein Jahr nach Belgien zog fing er an
vermehrt an eigenen Stücken zu arbeiten. Auf Grund der Empfehlung von Pat Me-
theny holte ihn 1981 der Schlagzeuger Paul Motion in seine Band, welche Bill die
Möglichkeit bot seine erste Europa-Tournee zu spielen. Seine Debüt- CD unter ei-
genem Namen erschien 1982 mit dem Titel „In Line“ (1983, ECM) und beinhaltet
ausschließlich Eigenkompositionen. Es entstanden weitere CDs für ECM und
1986 gründete Bill Frisell die erste Band unter seinem Namen mit Kermit Driscoll
(Bass), Joey Baron (Schlagzeug) und Hank Roberts (Cello). „Lookout for Hope“
(1988, ECM Records) war der Titel der ersten in dieser Formation eingespielten
CD. Es folgte nahezu jährlich ein neues Album unter seinem eigenen Namen. 7Au-
ßerdem war Bill Frisell als Sideman sehr aktiv in der New Yorker Musikszene un-

7 Vgl. Frisell, Bill (2012): http://www.billfrisell.com/bio (eingesehen am 28.12.2012)


7
Kapitel 2. Zur Person

terwegs. Er spielt mit dem Saxofonisten John Zorn, in dessen Band „Naked City“
er ab 1990 aktiv war. Des weiteren spielte Frisell mit Peter Erskin, Billy Hart und
Lyle Mays um nur ein paar der Musiker zu nennen. Im selben Jahr zogen Bill Fri-
sell, seine Frau und seine vierjährige Tochter Monica Jane nach Seattle. Seine Be-
wegründe in diese Stadt zu ziehen schilderte er in einem Interview mit dem „Fret-
board Journal“ wie folgt:

„But after about ten years of beeing in New York, I was just kind of burnt on the
whole thing. It was constant input, all the time: hearing new stuff and everything
is moving super fast everywhere you go. My daughter Monica Jane was born in
1985, and I was just getting burnt on the energy. There was to much going on. I
felt like I needed to process what I had been intaking.“8

Seit 1994 komponierte Bill Frisell vermehrt auch Filmmusiken wie z.B. für den
animierten Kurzfilm „Gary Larson´s Tales from the Far Side“ und die Buster Kea-
ton Filme „Go West“ und „The High Sign/One Week“. 1995 erschienen zwei Al-
ben, die er mit seinem Trio (Kermit Driscoll und Joey Baron) einspielte und auf
denen seine Kompositionen für die Keaton-Filme zu hören sind. Ferner erschien
im selben Jahr das Live-Album „Bill Frisell / Kermit Driscoll / Joey Baron“
(1995, Gramavision). Ein Beispiel für seine musikalische Offenheit lieferte Bill
1997 mit dem Album „Nashville“ (1997, Nonesuch Records) auf dem eine Mi-
schung aus Country und Bluegrass zu hören ist. Im Jahr 2000 wurde Bill für den
Wim Wenders Film „The Million Dollar Hotel“ als Co-Komponist für den So-
undtrack angefragt und spielte u.a. mit Schlagzeuger Brian Blade und Pianist Brad
Mehldau in der „The Million Dollar Hotel Band“.9 Für den 2001 erschienenen
Film „Finding Forester“ von Regisseur Gus Van Saat steuerte Bill ebenfalls meh-
rere Kompositionen bei. Im Jahr 2005 erhielt Bill Frisell für sein Album „Unspea-
kable“ (2004, Nonesuch Records) den Grammy in der Kategorie „Best Contempo-
rary Jazz Album“.10 Es folgten weitere Live-Alben mit unterschiedlichen Trios

8 Vgl. Frisell, Bill (2013): http://www.billfrisell.com/media/articles/fretboard-journal (eingese-


hen am 28.12.2013)
9 Vgl. Frisell, Bill (2013): http://www.billfrisell.com/artists/Frisell/films.html (eingesehen am
28.12.2013)
10 Vgl. Jazz Fun (2013): http://www.jazz-fun.de/bill-frisell.html (eingesehen am 28.12.2013)
8
2. Zur Person

wie z.B. „East/West“ (2005, Nonesuch Records) und „Further East/Further West“
(nur als Download auf der Bill Frisell Seite zu erwerben). Schon immer war Fri-
sell offen für sämtliche Genres und Instrumentierungen in seinen Projekten. Stets
faszinierte ihn der Klang von Streichinstrumenten. Bereits 2002 nahm er die CD
„Richter 858“ in der Besetzung Gitarre, Geige, Bratsche und Cello auf. Im Juni
2013 ist seine aktuelle CD „Big Sur“ (2013, Sony Classical´s Okeh Records) er-
schienen auf der er erneut mit Streichern zu hören ist.

3. Equipment

3.1. Instrumente und Verstärker

Bill Frisell gehört nicht zu den Gitarristen die ein Hauptinstrument besitzen wie
z.B. John Scofield, der fast ausschließlich eine Ibanez AS-200 spielt. Dennoch
kristallisiert sich bei Frisell eine gewisse Vorliebe für Single Coil11 Gitarren wie
z.B. Stratocaster und Telecaster - Modelle heraus. In den neunziger Jahren spielte
er zudem häufig Modelle der Firma Klein-Guitars.
Bei Konzerten spielt Bill Frisell fast ausschließlich Gitarrenverstärker der
Marke Fender. Außerdem besitzt er verschiedene Mesa-Boogie-Modelle und zwei
sehr alte Gibson Verstärker aus den frühen 50er Jahren. Einen GA-18 und einen
GA-50.12 Des weiteren sollte erwähnt werden das Frisell mit zwei Verstärkern
also in Stereo spielt. Dies hat den Vorteil dass der Klang seiner Gitarre räumlicher
wird und ermöglicht ihm bestimmte Gitarren-Effekte wie z.B. das Stereo-Delay.

11 Vgl. wikipedia (2013): http://de.wikipedia.org/wiki/Single_Coil (eingesehen am 28.12.2013)


Der Single-Coil-Pickup (englisch für Ein-Spulen-Tonabnehmer) einer elektrischen Gitarre be-
steht aus einem Permanentmagneten und einer aus sehr dünnem Draht gewickelten Spule um
den Magneten. Die Saitenschwingung wird durch Beeinflussung des Magnetfeldes in elektri-
sche Spannung umgesetzt (Induktion). Diese geringen Spannungen können mittels eines Gitar-
renverstärkers hörbar gemacht werden. Die Klangcharakteristik des Single Coils kann als hö-
henreich und transparent beschrieben werden.
12 Vgl. Jazz Guitar Online (2013): http://www.jazzguitar.be/guitar_rig_bill_frisell.html (eingese-
hen am 28.12.2013)
9
Kapitel 3. Equipment

3.2. Effekt-Geräte

Da in dem Gitarrenspiel von Bill Frisell bestimmte Effekt-Geräte eine große Rolle
spielen, ja geradezu charakteristisch für seinen Sound sind, lohnt es sich diese ge-
nauer unter die Lupe zu nehmen.

3.2.1. Delay13

In dem Lehrvideo benützt Bill Frisell ein DD-3 Delay der Firma Boss. Es ist so
eingestellt dass es den gleichen Effekt wie ein Sustain-Pedal14 hat, also das natür-
liche Ausklingen der Gitarre künstlich verlängert.

Des weiteren benützt Frisell ein Delay der Firma Line 6 mit der Bezeichnung
DL415. Dieses digitale Delay besitzt sechzehn verschiedene Modelle von Echo -
Geräten. Die Besonderheit dieses Effekt-Pedals ist aber seine Loop - Funktion.
Diese ermöglicht es dem Benutzter vierzehn Sekunden lang etwas aufzunehmen
um es danach abzuspielen. Der „Loop“ wird dann in einer endlosen Schleife wie-
derholt bis er abgeschalten wird. Das Reverse-Delay ist eine eine zusätzliche
Funktion des Dl4 die man des öfteren auf Aufnahmen von Frisell findet. Es wer-
den dabei die gespielten Töne in umgekehrter Reihenfolge abgespielt. Ein Hörbei-
spiel dafür befindet sich auf der beigefügten CD. (1 / 06:44)

Das Digitech PDS 8000 Echo Plus ist wie kaum ein anderes Effekt-Gerät mit Bill
Frisell verbunden. Auf dem Lehrvideo erklärt er folgendes zu dem Gerät:

13 Vgl. wikipedia (2014): http://de.wikipedia.org/wiki/Delay (eingesehen am 07.01.2014) : dieser


Souneffekt kann eine oder mehrere verzögerte Kopien des Eingangssignals ausgeben, und man
erzielt so einen echoähnlichen Klang.
14 Vgl. Guitar Voodoo Guide (2006): Das Lexicon für den Gitarristen, S.183. Bergkirchen: Pres-
se Projekt Verlag: Bei akustischen Klangerzeugern, besonders bei Musikinstrumenten, be-
zeichnet Sustain die Länge des Ausklingvorgangs eines Tons, nachdem er manuell oder ma-
schinell ausgelöst wurde
15 Vgl. line 6 (2014): http://de.line6.com/dl4/ (eingesehen am 07.01.2014)
10
3. Equipment

„This has less to do with the sound. I almost think off this as another little in-
strment that I use to react with“16

Bei dem PDS 8000 handelt es sich um ein acht Sekunden Delay was bedeutet dass
das zuvor Gespielte acht Sekunden später abgespielt wird. Es hat im Prinzip die
gleiche Funktion wie der Looper im oben erwähnten DL4. Nun ist es aber mit die-
sem Gerät möglich den zuvor eingespielten „Loop“ (Tonschleife) in Echtzeit zu
modulieren. Das heißt wenn man die Tonhöhe erhöht, erhöht sich die Geschwin-
digkeit und das Gegenteil passiert wenn die Tonhöhe erniedrigt wird. Des weite-
ren ist es möglich dem „Loop“ durch Drücken des linken Pedals kleine Melodie-
Phrasen hinzufügen.17 Auf dem zweiten Titel der beigefügten CD (2 / 00:02) lässt
sich eine zusätzliche Anwendungsmöglichkeit erkennen. Indem Bill Frisell zuerst
einige Flageolette - Töne anschlägt und mit Hilfe des Geräts aufnimmt, schafft er
sich einen Klangteppich über den er nun seine weitere Improvisation spielen kann.

3.2.2. Hall

Als Hall-Gerät benützt Frisell einen Lexicon MPX-100.18 Diesen verwendet er


zum einen um sein Signal auf zwei Verstärker zu verteilen, denn wie bereits wei-
ter oben erwähnt spielt Bill Frisell fast auschließlich in Stereo. Zum anderen be-
nützt er diesen Effekt um z.B. einen kleinen reflexionsarmen Raum in einen
großen Raum mit vielen Reflexionen zu verwandeln. Mit diesem Gerät verschafft
sich Bill Frisell an jedem Spielort seinen persönlichen Raum in dem er sich wohl-
fühlt. Des weiteren dient der Output-Regler des Lexicon dazu die Gesamtlautstär-
ke der Verstärker einzustellen.

16 Vgl. Rottor Music (Produzent) (1996): The Guitar Artistry of Bill Frisell (DVD). Milwaukee:
Hal Leonard Corporation
17 Vgl. Rottor Music (Produzent) (1996): The Guitar Artistry of Bill Frisell (DVD). Milwaukee:
Hal Leonard Corporation
18 Vgl. Guitarplayer (2013): http://www.guitarplayer.com/article/bill-frisell/2 (eingesehen am
29.12.2013)
11
Kapitel 3. Equipment

3.3. Distortion

Um seinen Gitarrensound zu verzerren (engl. to distort) benützt Frisell ein Pedal


der Firma ProCo mit Namen „RAT“ und einen „Tube Screamer“ der Firma Iba-
nez.19 Dieser Effekt führt dazu das ein komprimierter „sägender“ Sound entsteht,
welchen Bill Frisell z.B. zur Steigerung während eines Solos benützt. Zu hören
auf der beigefügten CD (3 / 00:02)

4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

Bei folgenden Analysen werden ausschließlich die im Jazz üblichen amerikani-


schen Notennamen verwendet. So wird das deutsche h als b bezeichnet und ein
deutsches b wird als bb geschrieben. Die Tonangaben werden mit Hilfe der Verset-
zungszeichen # und b angeben. Ein fis wird dann folglich als f# und ein es als e b
notiert. Akkordsymbole werden im Text kursiv geschrieben. Somit wird ein G
Dur-Akkord als G und ein D Moll-Akkord mit Septime und None als Dm7/9 no-
tiert. Die Stufen-Akkorde einer bestimmten Tonleiter werden mit römischen Zif-
fern notiert d.H. die im Jazz sehr gängige Akkordverbindung bestehend aus der
zweiten, fünften und ersten Stufe wird als II-V-I dargestellt. Die Oktavbereiche
werden mit Hilfe von Zahlen dargestellt. Ein zweigestrichenes C wird demnach
als c2 dargestellt. Die Grundintervalle eines Akkords, d.H. der Grundton, die Terz,
die Quinte und die Septime werden immer als 1 3(b3) 5 (b7) 7 dargestellt, selbst
wenn die Töne in verschiedenen Oktavbereichen liegen.
Werden die Notennamen im Text außerdem als Intervalle angegeben , so
bezeichnen sie die Funktion eines Tones in Bezug auf dessen zugrunde liegenden
Akkord:

19 Vgl. Guitarplayer (2013): http://www.guitarplayer.com/article/bill-frisell/2 (eingesehen am


29.12.2013)
12
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

1 = Grundton
b2 = kleine Sekunde
2 = große Sekunde
b3 = kleine Terz
3 = große Terz
4 = reine Quart
b5 = verminderte Quinte
5 = reine Quinte
b6 = kleine Sexte
6 = große Sexte
b7 = kleine Septime
7 = große Septime
8 = Oktave
b9 = kleine None
9 = große None
#9 = erhöhte None
11 = Undezime
#11 = erhöhte Undezime
b13 = kleine Terzdezime
13 = große Terzdezime20

4.1. Tonmaterial

Um die Besonderheiten in Bill Frisell´s Gitarrenspiel festzustellen werde ich zu-


nächst das von ihm verwendete Tonmaterial einer näheren Betrachtung unterzie-
hen. Beginnen möchte ich diesen Abschnitt zunächst mit einem Zitat von Bill Fri-
20 Vgl. Jünge, Erik (2007): Bill Frisell – Analyse seiner Kompositionen und deren stilistische Ent-
wicklung von 1983 bis 2005 anhand ausgewählter Stücke. Bremen: HfK-Bremen (Diplomar-
beit)
13
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

sell indem er erklärt wie er allgemein beim improvisieren vorgeht:

„With a standard song or with any song that I play, the melody is so important. I
mean it gives you an architecture to what you improvise. If you combine all the
theoretical knowledge you learn but keep that melody going, that´s what can give
you your own individual sound really.
The melody gives me ideas, even to play things that are wrong just to see
what they sound like. If you keep hearing the melody, it can also give you more
freedom to find harmonies that maybe aren´t even in the key.
Just think of sounds!!21

4.1.1. Arpeggien und das Ausspielen von Akkordfortschreitungen

Als erstes Beispiel sehen wir einen Ausschnitt aus dem Solo über die Akkordfolge
von „All the things you are“. In Takt zwei spielt Frisell über einen Bbm7 die Inter-
valle 1 b3 5 b7 aufwärts, also ein klassisches m7-Arpeggio.

„All the things you are“: CD (4 / 00:54)

Ein weiteres Beispiel für die Verwendung eines m7-Arpeggio sehen wir in Takt
eins. Wieder spielt Frisell die Intervalle 1 b3 5 b7 über einen Cm7 wobei er dieses
mal den Grundton auf der Zählzeit 1u chromatisch anspielt und die Phrase auf der
b6 endet.

21 Vgl. Rottor Music (Produzent) (1996): The Guitar Artistry of Bill Frisell (DVD). Milwaukee:
Hal Leonard Corporation
14
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„All the things you are“: CD (4 / 01:12)

An dieser stelle sollte erwähnt werden das die Technik des chromatischen Anspie-
lens von Akkordtönen, dem sogenannten „Chromatic Approach“ eine oft verwen-
dete Technik ist. Dabei werden dem Zielton ein oder mehrere Töne vorangestellt,
die sich chromatisch auf ihn zubewegen. Das folgende Beispiel zeigt einige Varia-
tionen dieser Technik wobei der Ton c2 immer den Zielton darstellt.22

Beispiele für den „Chromatic Approach“

In Takt eins der unteren Abbildung sieht man, wie häufig im Gitarrenspiel von
Frisell, wie er mit arpeggierten Dreiklängen arbeitet. Er spielt auf der Zählzeit 1
abwärts einen F#m Dreiklang mit den Intervallen 5 b3 1 bis zur Zählzeit 2. Von
Zählzeit 2u bis 4 spielt Frisell einen B Dreiklang aufwärts ( 1 3 5 ), der über den
Grundton F# die Intervalle 4 6 1 (11 13 1) ergibt. Die 2 4 6 bzw. 9 11 13 eines
Akkords bezeichnet man auch als „Upper Structures“, d.H. die obere Struktur ei-
nes Akkords. Man erhält die zur Funktion passenden „Upper Structures“, indem
man die Terzschichtung des zugrundeliegenden Vierklangs in der Tonart bis zur
13 weiterführt.23

22 Vgl. Sikora, Frank (2003): Neue Jazz Harmonielehre S.239. Mainz: Schott Musik International
23 Vgl. Sikora, Frank (2003): Neue Jazz Harmonielehre S.89. Mainz: Schott Musik International
15
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„All the things you are“: CD (4 / 01:31)

Dies ist außerdem ein schönes Beispiel dafür wie Frisell eine II-V-I Verbindung
ausspielt. Nach dem B Dreiklang spielt er auf Zählzeit 4u des ersten Taktes die 7
und 3 von B7 an um auf der 1u den Grundton b anzuschlagen. Danach spielt er die
I – Stufe mit den tonleitereigenen (diatonischen) Sexten von Emaj7 aus um auf
der 4u die b7 von C7 zu spielen. Hier wird deutlich das Frisell eine klare Vorstel-
lung davon hat wo seine Phrase hingehen soll.

Bei der folgenden Abbildung unten spielt Frisell im zweiten Takt ein F#m7b5 Ar-
peggio abwärts. In dem Takt sehen wir halbtaktig die Akkorde Am7 und D7. Analy-
siert man nun das Arpeggio in Bezug auf das Am7 erhält man die Töne 5 3 1 6. Be-
zieht man es auf D7 erhält man die Töne 9 b7 5 3. Dadurch ergibt sich dass man
statt dem spannungsarmen Grundton die spannungsreichere 9 erhält. Auf der
Zählzeit 3 spielt Frisell die Linie 5 #5 5 1 13 über D7 um dann im vierten Takt zu-
erst auf der 9 und dann auf der 1 von Gmaj7 zu landen. Dies ist auch wieder ein
schönes Tonbeispiel für eine II-V-I Verbindung und wenn man Takt zwei in die
Betrachtung miteinbezieht wird wie oben schon erwähnt deutlich, wie elegant Fri-
sell die Takte und einzelnen Phrasen, meist durch Halbtonschritte miteinander ver-
bindet.

16
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„Turn out the stars“ CD (5 / 01:34)

Die Verwendung eines verminderten Arpeggios über einen Dominantakkord ver-


anschaulicht der Takt eins des folgenden Beispiels. Beginnt man ein vermindertes
Arpeggio auf der 3 eines Dominant - Akkords verhält es sich wie mit den bereits
oben erwähnten halbverminderten Arpeggien, mit dem Unterschied das man an-
statt der Töne 3 5 b7 9 bei halbverminderten, die Töne 3 5 b7 b9 bei verminderten
Arpeggien erhält. In Zählzeit 2 spielt Frisell zuerst die 7 und dann die 1 von B7
an, um dann anschließend auf der Zählzeit 3 ein Dverm Arpeggio zu spielen. Takt 3
veranschaulicht wieder eine typische „Chromatic Approach“ Phrase. Zugrunde
liegen die Töne der Em Pentatonik eb, gb, ab, bb und db. Diese Töne werde chroma-
tisch aufgefüllt auf den Zählzeiten 1e, 2e, und 4ete.

„Turn out the stars“ CD (5 / 01:53)

Das nächste Beispiel stammt aus Bill´s Solo über „The days of wine and roses“.
Takt zwei und drei zeigen auf den Zählzeiten 4u, 1u, 2u, 3u und 4u ein Bbm7 Ar-
peggio. In den Zählzeiten 4, 1, 2, 3 und 4 werden die Arpeggio - Töne jeweils
chromatisch von unten angespielt um dann im vierten Takt auf der 5 von Bm7 zu
landen. In Takt vier auf der Zählzeit 3 spielt Frisell die Töne f 2und eb2, also die 11
und die 5 um dann auf der Zählzeit 4 einen „Chromatic Approach“ zu dem Ziel-
ton c2 zu spielen. Auf der Zählzeit 2u in Takt 5 spielt Frisell wieder einen „Chro-
matic Approach“ zu dem Zielton a1 um dann den Am7 mit einem klassischen Be-
17
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

bop - Arpeggio, nämlich den Tönen 1 3 4 5 auszuspielen.24Schließlich spielt er in


Takt 6 auf der Zählzeit 2 u noch ein F Dreiklang - Arpeggio über einen Dm7. So
entstehen die Töne b3 5 und b7 in Bezug zu dem Dm7.

„The days of wine and roses“ CD (5 / 01:21)

Takt eins bis fünf zeigt nochmal zwei schöne II-V-I Ausspielungen. Zunächst um-
spielt Frisell die 11 von Gm7in Takt zwei Zählzeit 1u. Danach spielt er kurz die 1
und die b9 von C7 an um dann wieder durch einen „Chromatic Approach“ zur 3
von Fmaj7 zu gelangen. Ein F -Dreiklang führt dann abwärts (3 1 5) zum bb1 in
Zählzeit 3, welches chromatisch zum a1 führt. Ab dem a1 spielt Frisell dann die
chromatische Tonleiter abwärts bis zum db1, welches wiederum zusammen mit
dem bb auf Zählzeit 4u den „Chromatic Approach“ zu dem Zielton c 1 in Takt 5
bildet. Bill´s Vorliebe für Dreiklang - Arpeggien sieht man erneut in Takt 6. In die-
sem Fall spielt er einen Eb- Dreiklang über den Akkord Eb7#11. Auch hier zeigt sich
erneut Frisell´s elegante Verbindung der Phrasen. Er landet im sechsten Takt Zähl-
zeit 4 auf dem eb3 welches er dann chromatisch zum Grundton von D7 führt.

24 Vgl. Bergonzi, Jerry (2012): Melodic Structures. Mainz: Advance Music GmbH
18
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„The days of wine and roses“ CD (5 / 01:30)

Ein weiterer Beweis für Bill´s häufige Verwendung von Dreiklang – Arpeggien: In
Takt 1 spielt er die Fmaj7 - Skala inklusive der #11 aufwärts. Das Eb – Arpeggio
beginnt in Takt zwei auf Zählzeit 1u und wird wie schon des Öfteren durch einen
„Chromatic Approach“ auf der 1 vorbereitet. Das gleiche Muster spielt Frisell im
dritten Takt nur ohne die chromatische Vorbereitung.

„The days of wine and roses“ CD (5 / 02:36)

Abschließend möchte ich noch eine Bebop – Phrase zeigen mit der Frisell einen
Dm7 ausspielt. Zugrunde liegen die Töne 7 1 9 und 11. Die 7 in Takt eins auf Zähl-
zeit 4 wird chromatisch angespielt. Dann folgt die 7 und 1. Zählzeit 1 in Takt zwei
ist wieder eine chromatische Anspielung zu der 9. Das Dm7 - Arpeggio bestehend
aus den Tönen b3 5 b7 und 1 wird durch die 2 auf Zählzeit 2u vorbereitet um
schließlich auf der 4 von dem Bbm7b5 zu landen. Auch hier wird wieder die elegan-
te Verknüpfung der Phrasen über die Takte hinweg deutlich.

19
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„The days of wine and roses“ CD (5 / 02:46)

4.1.2. Verschiedene Skalen

In diesem Abschnitt untersuche ich die Transkriptionen unter dem Aspekt be-
stimmter Skalen. Die Skalen des ionischen Systems25 werde ich nicht gesondert
analysieren, vielmehr geht es in diesem Abschnitt darum die etwas „exotischeren“
Skalen, welche von Bill Frisell benützt werden aufzuzeigen.

Im ersten Beispiel spielt Bill Frisell in Takt 2 Zählzeit 1 die C Ganztonskala vom
e3 bis zum d2 abwärts. Die Ganztonskala besteht wie der Name schon sagt aus
Ganztonschritten.26 Spielt man die C Ganztonskala über einen C7 ergeben sich die
Töne 1 2 3 #4 #5 #6 und b7. Das Besondere an diesem Beispiel ist das Frisell die
Ganztonskala in Sexten spielt wobei die obere Tonreihe der C Ganztonskala ent-
liehen ist, die untere Tonreihe aber aus F Dur stammt.

„The days of wine and roses“ CD (5 / 02:14)

25 Vgl. Sikora, Frank (2003): Neue Jazz Harmonielehre S.46. Mainz: Schott Musik International
26 Vgl. Sikora, Frank (2003): Neue Jazz Harmonielehre S.119. Mainz: Schott Musik International
20
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

Wieder die C Ganztonskala dieses mal von e1 aufwärts bis zum d3 spielt Frisell in
Takt 3 Zählzeit 3 des folgenden Beispiels.

„The days of wine and roses“ CD (5 / 02:54)

Im nächsten Beispiel sieht man wie Frisell in Takt eins Zählzeit 2e bis Zählzeit
4ete die sogenannte HM5 (Harmonisch Moll 5) Skala benützt. Diese Skala
stammt aus dem Harmonisch Moll – System und entsteht auf dessen V Stufe. Sie
besteht aus den Tönen 1 b2 3 4 5 b6 und b7.27 Auch hier wieder die Verbindung
der Phrase in Takt eins mit der Phrase in Takt zwei durch einen Halbtonschritt.

„Turn out the stars“ CD (5 / 02:33)

In Takt zwei des unteren Beispiels wird noch einmal veranschaulicht wie Bill
einen Ausschnitt der G HM5 Skala über G7#5 spielt.

27 Vgl. Sikora, Frank (2003): Neue Jazz Harmonielehre S.55. Mainz: Schott Musik International
21
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„All the things you are“ CD (4 / 01:57)

Wieder ein Beispiel aus „All the things you are“ zeigt wie Frisell in Takt vier die
GTHT (Ganzton - Halbton) Skala28 über einen Bverm einsetzt. Bei der GTHT Skala
handelt es sich um eine symmetrische Skala d.H. sie hat einen symmetrischen
Aufbau GT HT GT HT usw. Somit entstehen über den Bverm die Töne 1 2 b3 4 #4
#5 6 und 7. Hieraus wird auch deutlich dass die GTHT Skala einen Ton mehr be-
sitzt als eine unsymmetrische Skala.

„All the things you are“ CD (4 / 01:48)

Ein Beispiel für die Verwendung der alterierten Skala sieht man in Takt zwei des
nächsten Beispiels. Die alterierte Skala stammt aus dem Melodisch Moll – System
und entsteht auf dessen VII Stufe. Sie besteht aus den Tönen 1 b2 #2 3 #4 b6 und-
b7.29 Ihre Verwendung hat den Vorteil das sie alle möglichen Erweiterungstöne ei-
nes Dominant-Akkords besitzt und somit sowohl für Dominanten welche nach
Dur, als auch für Dominanten welche nach Moll auflösen, eingesetzt werden kann.
28 Vgl. Sikora, Frank (2003): Neue Jazz Harmonielehre S.386.Mainz: Schott Musik International
29 Vgl. Sikora, Frank (2003): Neue Jazz Harmonielehre S.54. Mainz: Schott Musik International
22
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

30
Der Ton e3 in Takt zwei Zählzeit 2 muss bei der Betrachtung weggelassen wer-
den, da er nicht in der alterierten Skala vorkommt. Er wird in dem Beispiel als
chromatischer Durchgangston analysiert. Es handelt sich um eine D alterierte –
Skala die auf der Zählzeit 1 mit der 3 beginnt. Danach folgen die #9 b9 1 #5 3 und
schließlich die b9, welche sich wie im vorangegangenen Abschnitt schon des Öf-
teren beschrieben, elegant durch einen Halbtonschritt in die 5 des G im darauffol-
genden Takt auflöst.

„All the things you are“: CD (4 / 02:32)

Durch die Tatsache das sich in meinen Transkriptionen nicht sehr viele Beispiele
für die Verwendung von Skalen finden ließen bestätigt sich das oben erwähnte Zi-
tat von Bill Frisell, indem er sagt dass er beim Improvisieren nicht so sehr in Ska-
len denkt sondern in Sounds.

4.1.3. Zweiklänge

Schön beim Hören meiner ersten Bill Frisell Alben fiel mir auf, dass Frisell sehr
oft mit Zweiklängen improvisiert. Durch die genauere Untersuchung seiner Tran-
skriptionen im Rahmen meiner Diplomarbeit hat sich dies bestätigt.

Besonders deutlich wird diese Tatsache bei der Eigenkomposition „Hello Nellie“
30 Vgl. Sikora, Frank (2003): Neue Jazz Harmonielehre S.115. Mainz: Schott Musik International
23
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

im zweiten Solo – Chorus. In den Takten eins bis vier improvisiert Frisell aus-
schließlich mit den tonleitereigenen Sexten aus dem B Melodisch Moll – System.
Rein analytisch und unter Berücksichtigung der Sexten in Bezug auf den G7, wür-
de Frisell in Takt fünf bis zu der Zählzeit 3 in Takt sechs die tonleitereigenen Sex-
ten aus D Melodisch Moll spielen. Dort wäre die IV Stufe G mixolydisch #11,
welche das c#2 auf der Zählzeit 1 erklären könnte. Da Frisell aber, wie bereits in
dem oben aufgeführten Zitat erwähnt, nicht so sehr in Skalen sondern eher in So-
unds denkt, schließe ich diese Erklärung aus. Somit sind die Takte eins bis acht
komplett als tonleitereigene Sexten aus B Melodisch Moll zu analysieren. Des
weiteren setzt Frisell die Sexten so ein das jeweils auf der Zählzeit 1 in Takt acht
und Zählzeit 4 in Takt neun ein Zweiklang bestehend aus der #11 und 13 des je-
weiligen Akkords entsteht. F#7 wiederum ist die Dominante also die V Stufe von
B Melodisch Moll und führt zurück zu dem Bm7 in Takt neun. Auf der Zählzeit 1u
in Takt neun verlässt Frisell die Sexten wobei er das f#2 gedrückt hält und auf der
unteren Tonreihe die B Melodisch Moll – Tonleiter aufwärts vom a#1 bis zum e2
spielt. Dies hat den Effekt das sich die Intervalle zwischen dem f#2 und der Unter-
stimme stets verkleinern und sich somit auch eine Steigerung der Phrase ergibt da
eine Sekunde zwischen zwei Tönen ( Takt elf Zählzeit 1) eine deutlich höhere
Dissonanz hat als eine Quinte (Takt 9 Zählzeit 2u).

24
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„Hello Nellie“ CD (7 / 03:26)

Die Eigenkomposition „Lookout for Hope“ verdeutlicht weitere Beispiele für das
Improvisieren mit Zweiklängen. Schon in Takt eins beginnt Frisell sein Solo mit
einem Zweiklang. In Takt zwei auf der 2 spielt er dann zunächst einen Oktav –
Zweiklang und benützt wieder die oben erwähnte Technik, bei der er die Unter-
stimme moduliert und den oberen Ton, in diesem Fall das d3 gedrückt hält. So ent-
steht auf der Zählzeit 4 ein Kleiner - Sexten – Zweiklang. Auf der 3. Zählzeit in
Takt drei spielt Frisell dann einen Quarten – Zweiklang. Dabei verbindet die chro-
matische Linie in der Unterstimme (3 11 3 b3) die Zweiklänge miteinander um
sich dann zur 1 in Zählzeit 4 aufzulösen. Danach spielt Frisell in Takt vier Zähl-
zeit 3u und 4u zwei Kleine - Terz – Dreiklänge. Bei dem Kleinen - Terz – Drei-
klang in Takt fünf moduliert Frisell wieder die Unterstimme um auf der 1u auf
dem Grundton e1 zu landen. In den Takten sechs und sieben hält Frisell erneut den
Grundton e3 gedrückt während in der Unterstimme zuerst die 3 von Em und dann
die 5 chromatisch angespielt werden. Takt acht werde ich in dem Abschnitt „Das
Spiel mit Leersaiten genauer erläutern“. Mit den zwei Großen - Terz – Zweiklän-
gen in Takt neun impliziert Frisell die bVI. ( C7 ) und die V. Stufe ( B7 ) von Em.
25
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

Dies wären die Dominanten in einem Em-Blues31 und die Stelle an der Frisell die-
se Zweiklänge spielt, nämlich im neunten Takt des Solos ,verstärkt die Annahme.
In Takt zehn löst sich die angedeutete Dominante ( B7 ) in einen Zweiklang auf der
für Em steht. Hierbei ist noch zu erwähnen dass das gesamte Solo über einen Em7
gespielt wurde.

„Lookout for Hope“ CD (8 / 02:20)

Takt vier des folgenden Beispiels zeigt wieder die Verwendung von Kleinen - Terz
– Zweiklängen in Bill Frisells Spiel. Dabei bedient er sich zunächst der tonleite-
reigenen Terzen aus Abmaj7, (3 und 5 von Ab)welche er chromatisch von unten an-
spielt. Danach moduliert er diese zuerst nach Abm (1 und b3 von Ab) wobei er sie
wieder chromatisch von unten anspielt und schließlich nach Cm7 (9 und b7 von
Cm7) zu einem Großen – Terz – Zweiklang.

31 Vgl. Sikora, Frank (2003): Neue Jazz Harmonielehre S.212. Mainz: Schott Musik International
26
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„Strange Meeting“ CD (9 / 02:39)

Wie Frisell mit Zweiklängen über Jazz – Standars improvisiert soll an den nächs-
ten Beispielen veranschaulicht werden. In Takt drei des unteren Beispiels spielt
Frisell den Emaj7 mit tonleitereigenen Sexten aus.

„All the things you are“ CD (4 / 01:28)

In einem weiteren Beispiel spielt Frisell in Takt vier Zählzeit 1u zwei Große -
Septim–Zweiklänge. ab2 und g3 ( 1 und 7 von Abmaj7) und e2 und eb3 ( #5 und 5 von
Abmaj7). Auf der Zählzeit 4 und 4u spielt er zuerst einen Kleinen - Sext – Zwei-
klang ( #11 und 9 von Abmaj7) und anschließend einen Großen - Sext–Zweiklang
( 5 und 3 von Abmaj7). Dieser wird übergebunden auf Takt 5 und ergibt in Bezug
auf das D7alt die Töne b9 und b7. Anschließend spielt Frisell noch einen Kleinen –
27
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

Sext - Zweiklang (#11 und 7 von D7alt) und in Takt sechs wird das Galt. durch
Große – Septim – Dreiklänge ausgespielt.

„All the things you are“: CD (4 / 00:00)

4.2. Improvisieren mit der Melodie es jeweiligen Stücks

Da beim Improvisieren die Melodie eines Musikstücks für Frisell eine sehr wich-
tige Rolle spielt, werde ich in dem folgenden Abschnitt diesen Aspekt genauer un-
tersuchen. Zuerst werde ich die Beispiele auf dem Lehrvideo und anschließend
meine Transkriptionen in Bezug auf das Improvisieren mit der Melodie analysie-
ren.

In der ersten Übung des Lehrvideos geht es darum die Melodie und die zugehöri-
ge Bassnote zu spielen, um anschließend die Zwischenräume mit Tönen aufzufül-
len. Die Melodie wurde zur besseren Nachvollziehbarkeit eingefärbt.

Bill spielt zuerst die Melodie und dann in Takt zwei Zählzeit 2 den dazugehörigen
Basston. Auf der dritten Zählzeit spielt er die 7 von Fmaj7 dazu. Da der Melodie-
ton a2 weiterklingt fügt Frisell in Takt 3 Zählzeit 1 die b7 und die 1 von Eb7#11 hin-
zu. Danach spielt er wieder die Melodie und fügt die 4 und die b7 von dem zu-

28
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

grundeliegenden D7 dazu. Nach dem nächsten Melodieton in Takt vier auf der
Zählzeit 4 spielt Frisell zunächst die 3, dann den Grundton und anschließend die 3
und die b7. In Takt sechs bis neun „ antwortet“ Frisell der Melodie jeweils mit
zwei Akkorden. Zuerst in Takt sechs Zählzeit 4u mit den Tönen 1 7 und b3 wobei
er die 7 zur 5 (Takt sieben Zählzeit 1) von Gm7 moduliert. Anschließend in Takt
neun mit den Tönen 1 5 9 und b3 von Bbm7. Unter der Melodie in Takt zehn spielt
Frisell die Töne 1 4 b7 b3 von Am7 in dem er mit seinem Zeigefinger einen Barré32
greift. Im Anschluss spielt Frisell erneut die Melodie und fügt ab Zählzeit 1u in
Takt elf die Töne 1 5 b7 von Dm7 bei. Dieser Vorgehensweise folgt Frisell bis
zum Ende des Beispiels. Hierbei ist auffällig dass Frisell fast ausschließlich die
Töne aus den jeweiligen Grundintervallen 1 b3 (3) 5 b7 (7) benützt. Lediglich bei
den Dominantakkorden A7 in Takt vierzehn und dem C7b9 in Takt siebzehn arbeitet
Frisell mit Optionstönen (Tensions)33.

„The days of wine and roses“ (Lehrvideo) Übung 1

32 Vgl. Scheit, Karl (2000): Lehr- und Spielbuch für Gitarre S. 55. Wien: Österreichischer Bun-
desverlag: Beim Quer- oder Barrégriff drückt der erste Finger mehrere Saiten zugleich nieder.
33 Vgl. Sikora, Frank (2003): Neue Jazz Harmonielehre S.89. Mainz: Schott Musik International
29
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

Erneut anhand von „The days of wine and roses“ zeigt Frisell auf seinem Lehrvi-
deo eine weiter Übung um mit der Melodie zu improvisieren. Bei dieser Übung
geht es darum der Melodie mit Akkorden (in diesen Fall mit Zweiklängen) oder
einer Tonfolge zu „antworten“. Auch hier ist die Melodie zur besseren Kenntlich-
keit wieder eingefärbt.

In den Takten zwei und fünf „antwortet“ Frisell der Melodie durch eine abfallende
Tonfolge. In Takt zwei mit den Tönen 1 7 6 5 und #4 von Fmaj7. Hierbei wird die
#4 als chromatischer Durchgangston zur 5 von Eb7(Takt drei) analysiert. Die zwei-
te abfallende Tonfolge startet auf der Zählzeit 2 in Takt vier mit der 11 und 3 von
D7. Nach dem Melodieton c3 führt Frisell die Linie weiter mit den Tönen 1 5 3
und 1. Ein Beispiel für das „Beantworten“ der Melodie mit aufsteigenden Tonfol-
gen, wird in den Takten sieben und neun veranschaulicht. Nach der Melodie in
Takt sechs folgt die Tonfolge 1 2 b3 5 1 b3 5. In Takt acht spielt Frisell erneut die
Melodie und darauf folgt in Takt neun die Tonfolge 1 b3 5 1 b3. Auch hier wird
erneut Frisell´s Vorliebe für das Improvisieren mit Dreiklängen deutlich. In Takt
zwölf „antwortet“ Frisell zuerst mit dem Grundton und dann mit der 13 von Gm7.
Anschließend spielt er noch die Tonfolge 5 9 11 3 und 5 nachdem der Melodieton
a2 ab der Zählzeit 2 klingt. Den ersten Teil des Stücks schließt Frisell mit einem
rhythmischen Motiv als „Antwort“ in Takt vierzehn bis sechzehn ab. Auch hier ist
erneut das Improvisieren mit den jeweiligen Grundintervallen 1 5 3 7 zu erken-
nen.

30
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„The days of wine and roses“ (Lehrvideo) Übung 2

Auch in der unteren Transkription ist deutlich zu erkennen wie Bill Frisell immer
wieder die Melodie des Stücks aufgreift und in seine Improvisation mit einbettet.
Die Melodie – Fragmente sind eingefärbt somit lässt sich gut erkennen wann und
wo sie bei der Improvisation auftreten.

31
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„The days of wine and roses“ CD (6 / ab 01:16)

4.3. Improvisieren mit Motiven

In diesem Abschnitt werden die Transkriptionen auf tonale und rhythmische Moti-
ve untersucht.

Beim ersten Beispiel handelt es sich um das Stück „Turn out the stars“. Schon bei
der ersten Solo – Phrase in Takt zwei bis drei erkennt man deutlich ein sich rhyth-
misch wiederholendes Motiv. Es beginnt in auf der Zählzeit 1 in Takt eins, wird in

32
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

Takt zwei weitergeführt und endet in Takt drei. Auch in Takt vier und fünf impro-
visiert Frisell mit Motiven. Er spielt über den Cmaj7 eine Tonfolge mit den Tönen
5 5 #11 5 3 in folgender Rhythmik: Eine Achtelnote, gefolgt von drei Sechzehn-
teln und einer punktierten Achtel. Mit derselben Rhythmik spielt Frisell in Takt
fünf die Töne 1 1 7 1 11 über den Fm7.

„Turn out the Stars“ CD (5 / 01:25)

Bei der Eigenkomposition „Strange Meeting“ improvisiert Bill Frisell mit einem
eher tonalen Motiv. Er spielt immer wieder den Ton gb1 an um diesem dann unter-
schiedliche Töne gegenüberzustellen. Die Motivik ist deutlich erkennbar, da in
fast jedem der Takte eins bis elf eben dieses gb1 eine tragende Rolle spielt.

33
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„Strange Meeting“ CD (9 / 01:17)

Ein weiteres Motiv lässt sich ab Takt eins erkennen. Das Interessante an diesem
Motiv ist, dass es als eine rhythmische Modulation wahrgenommen wird. Durch
den Slide auf den Zählzeiten 3, 4u, 2, 3u in Takt eins und zwei, impliziert Frisell
einen ¾ Takt. Man empfindet nun den Slide als die neue eins des Taktes.

„Strange Meeting“ CD (9 / 02:40)

In dem unteren Beispiel macht sich in den Takten vier bis sieben ein rhythmisches
und tonales Motiv bemerkbar. Es besteht aus den Tönen 5 b7 1 b3 welche in ihrer
Abfolge leicht variieren. Das Motiv wird in Takt vier eingeleitet, bleibt dann in
Takt fünf und sechs in der jeweils gleichen Rhythmik (zwei Achtel, zwei Viertel
und zwei Achtel) und wird in Takt sieben aufgelöst. In Takt acht folgt gleich das
34
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

nächste Motiv. Es beginnt mit einem Slide auf der Zählzeit 4u in Takt sieben und
endet auf der Zählzeit 2 in Takt neun.

„Lookout for Hope“ CD (8 / 03:00)

4.4. Spieltechnik

4.4.1. Legato – Spiel mit Hilfe von Hammer Ons und Pull Offs

Beim genaueren Hören von Bill Frisell´s Gitarrenspiel fällt sofort die besondere
Art seiner Phrasierung auf. Analysiert man diese genauer ist erkennbar das er
nicht jede Note die er spielt mit der rechten Hand auch anschlägt. Diese Spielwei-
se, bei der die Töne nicht voneinander abgetrennt sind nennt sich Legato.34 Für
einen Musiker der z.B. ein Saxofon spielt ist das Legato – Spiel einer Tonfolge
kein Problem. Er bläst in sein Instrument drückt die Töne und alle Noten sind an-
einander gebunden. Bei der Gitarre gestaltet sich dies etwas komplexer. Zum

34 Vgl. Sikora, Frank (2003): Neue Jazz Harmonielehre S.447. Mainz: Schott Musik International
35
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

einen besteht das Problem, dass wenn man eine Tonfolge auf einer Saite der Gitar-
re spielen möchte, um diese nur einmal anzuschlagen, oft sehr weite Wege für die
linke Hand daraus resultieren. Zum anderen ist man eingeschränkt da eine Gitar-
rensaite, einmal angezupft nicht sehr lange klingt. Dies ist auch einer der Gründe
warum Frisell mit Effekten arbeitet. Durch ein Delay z.B. hat er die Möglichkeit
die Naturgesetzte der Gitarre auszutricksen und den Ton länger klingen zulassen.
Auf seinem Lehrvideo zeigt Frisell zwei Übungen zum Legato – Spiel.

Bei der ersten Übung geht es darum bei jedem Halbtonschritt der Tonleiter einen
Hammer On bzw. beim Abwärtsspielen einen Pull Off zu machen. Somit entsteht
auch ein sich verschiebender rhythmischer Akzent da die Halbtonschritte immer
an einer anderen Stelle im Takt sind.

Hier an einem Beispiel mit G-Dur: (Lehrvideo)

Bei einer anderen Übung spielt Frisell wieder die G-Dur Tonleiter nur dieses Mal
mit drei Noten auf einer Saite. Hierbei wird jeweils der erste Ton angeschlagen
und die zwei darauffolgenden Töne durch ein Hammer On gespielt.

36
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

Drei Noten pro Saite am Beispiel G-Dur: (Lehrvideo)

Ein schönes Beispiel für Bill´s Spiel mit Hammer Ons und Pull Offs verdeutlicht
Takt eins des folgenden Beispiels.

„Strange Meeting“ CD (9 / 01:45)

Zum Schluss noch ein Beispiel aus „The days of wine and roses“ bei dem Frisell
die abfallende Tonfolge ab Takt drei Zählzeit 4 mit Pull Offs spielt. Dabei schlägt
er die Töne auf den „Und – Zählzeiten“ an und spielt die Pull Offs auf die Zähl-
zeiten 1 2 und 3.

37
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„The Days of wine and roses“ CD (6 / 01:33)

4.4.2. Bendings

Bei der Eigenkomposition „Strange Meeting“ macht Frisell ausgiebig Gebrauch


von Bendings. In Takt vier auf der Zählzeit 1 „zieht“ Frisell den Ton gb1 durch ein
Small Bend nach oben und lässt ihn durch ein Release Bend wieder auf seine ur-
sprüngliche Tonhöhe gleiten. Das gleiche Prinzip wendet er auch in Takt acht auf
der Zählzeit 3 an. In Takt zehn „zieht“ Frisell das g b1 durch ein Halbton – Bending
auf ein g1.

„Strange Meeting“ CD (9 / 01:17)

38
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

4.4.3. Slides

Eine weitere Spieltechnik die Frisell gerne benützt sind sogenannte Slides. Im fol-
genden Beispiel deutlich zu erkennen ab der Zählzeit 4u in Takt vier. Frisell „sli-
ded“ hier die b5 von Cm7 in die 5. Dies verleiht der Phrase ein „Blues -Feeling“,
da es sich bei der b5, wie bereits weiter oben erwähnt, um die „Blue – Note“ han-
delt.

„Strange Meeting“ CD (9 / 02:28)

Im folgenden Beispiel lässt sich auch gut erkennen wie Frisell mit den Slides ar-
beitet. In den Takten eins bis drei platziert er die Slides jeweils auf der dritten
Zählzeit des Taktes somit entsteht zusätzlich eine gewisse Motivik.

„Lookout for Hope“ CD (8 / 03:00)

39
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

Ein schöne Kombination von Slides, Pull Offs und Hammer Ons verdeutlicht sich
in Takt eins bis drei des folgenden Beispiels. Zuerst „slided“ Frisell die Töne 5
und 1 von Gm7 chromatisch an. Anschließend macht er noch einen Slide von der
b5 zur 5, also die weiter oben des Öfteren erwähnte Blues – Phrase. In Takt zwei
auf der Zählzeit 2 spielt Frisell einen Pull Off von c3 nach bb2 und dann wieder
eine Hammer On zurück zum c3. Nach dem gleichen Prinzip spielt Frisell auch die
Phrase in Takt drei Zählzeit 1. Zuerst ein Pull Off vom g2 auf das f2 und mit einem
Hammer On wieder zurück zum g3. Zu guter Letzt „slided“ Frisell dann noch das
c2 auf der Zählzeit 4 chromatisch von oben an.

„The days of wine and roses“ CD (6 / 02:00)

4.4.4. Spiel mit Flageolettes und Leersaiten

Ein unverkennbares Merkmal in Bill Frisell´s Gitarrenspiel sind die Klangwolken


welche er entstehen lässt. Schon früh versuchte Frisell aus dem herkömmlichen
Lagenspiel der Tonleiter, bei dem diese z.B. im dritten Bund über alle sechs Saiten
gespielt wird, auszubrechen. Dabei entwickelte er mitunter seine eigene Spieltech-
nik, mit der er bei Tonleitern die Leersaiten und Flageolette – Töne der Gitarre
miteinbezieht und außerdem versucht die Töne jeweils auf benachbarten Saiten zu
spielen. Dadurch bietet sich Frisell die Möglichkeit Töne klingen zu lassen. Spielt
man nämlich die Tonleiter in der Lage wird jeder Ton von dem darauffolgenden
abgelöst. Es besteht einzig die Möglichkeit bei einem Saitenwechsel einen Ton
40
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„liegen“ und somit klingen zulassen. Wird die Tonleiter aber in der Art gespielt in
der Frisell sie spielt, entstehen wahre Klangwolken.

„ You can get sometimes more dense or more dissonant things using open
strings where your hand isnt´t wide enough. I like the sound of trying to play sca-
les in combinations of strings that are right next to each other and many times
with open strings. It has kind of an harp effect. It´s almost what a piano player can
do by just holding his fingers down“35

Hier nun ein Beispiel, bei dem Frisell die C-Dur Tonleiter auf benachbarten Saiten
und unter Miteinbeziehung der Leersaiten spielt.

C-Dur (Lehrvideo)

In dem folgenden Beispiel spielt Frisell die g2, c2 als gegriffene Töne. e2, d3 und e3
als Flageolette – Töne. Dadurch dass er das c2 mit dem vierten und das g2 mit dem
zweiten Finger greift, kann er nacheinander mit seinem freien Zeigefinger die bei-
den Flageolette -Töne auf dem siebten Bund greifen. Somit klingen alle vier Sai-
ten zusammen. Lediglich um das e3 zu greifen muss Frisell seinen vierten Finger
vom c2 lösen. Spielt man nun diese Phrase mit Hilfe eines Hall und Delay – Ef-
35 Vgl. Rottor Music (Produzent) (1996): The Guitar Artistry of Bill Frisell (DVD). Milwaukee:
Hal Leonard Corporation
41
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

fekts auf der Gitarre, kann man deutlich nachvollziehen wie Frisell seine Klang-
wolken entstehen lässt.

C-Dur mit gegriffenen Tönen und Flageolettes (Lehrvideo)

Wie Frisell diese Spieltechnik in seine Improvisationen einbezieht lässt sich sehr
gut an dem Stück „Lookout for Hope“ erkennen. Bei der Phrase in Takt vier spielt
er das b1 auf der Zählzeit 2 und 2u als Leersaite. Das d2 und e2 in Takt sieben
Zählzeit 2e spielt Frisell als Flageolette – Töne. Bei der Phrase in Takt elf spielt
Frisell jeweils den Zweiklang auf der Zählzeit 2u, 3u und 4u mit Leersaiten. Rein
spieltechnisch ergibt sich dadurch der Vorteil dass sich der Pull Off auf der Zähl-
zeit 2 und 3, welcher mit zwei Fingern gleichzeitig gespielt werden muss, wesent-
lich leichter mit Leersaiten spielen lässt. Das g1 in Takt zwölf spielt Frisell eben-
falls als Leersaite, somit hat er die Möglichkeit das f#1 auf der Zählzeit 1 länger
klingen zulassen. Die Zweiklänge in Takt vierzehn und fünfzehn spielt Frisell er-
neut als Flageolette – Töne. In Takt siebzehn und achtzehn doppelt Frisell das ge-
griffene e2 mit der hohen E – Leersaite. Dieser Klang der entsteht wenn eine Leer-
saite mitschwingt ist sehr charakteristisch und sofort erkennbar. Selbst wenn man
einen konsonanten Akkord greift entsteht eine feine Dissonanz wenn Leersaiten
mitschwingen.

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4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„Lookout for Hope“ CD (8 / 02:34)

An Bill Frisell´s Eigenkomposition „Strange Meeting“ zeigt sich wie er bereits im


Thema mit Leersaiten spielt. In den Takten eins bis vier und den Takten sieben
und acht spielt Frisell jeweils das g1 auf der Zählzeit 2u und 3u mit der leeren G –
Saite.

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Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„Strange Meeting“36 CD (9 / 00:00)

36 Vgl. Frisell, Bill (2001): An Anthology S.12. New York: Cherry Lane Music Company
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4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

4.4.5. Spiel mit Liegetönen

Eine weitere Besonderheit bei Bill Frisell ist sein Spiel mit Liegetönen. Oft klingt
dies ähnlich wie ein gedrücktes Sostenuto37 – Pedal beim Klavier. Dieser fast
schon „orchestrale“ Sound ist ein wichtiger Bestandteil in Frisell´s Spiel, egal ob
bei Improvisationen oder dem Interpretieren von Themen. Ein gutes Beispiel für
die Anwendung dieser Spieltechnik ist die Eigenkomposition „Justice and Honor“
erschienen auf seiner Solo – CD Ghost Town (1999, Elektra Nonesuch). Um zu
verdeutlichen wie und an welchen Stellen Frisell seine Liegeton – Technik anwen-
det habe ich zuerst die Originalnoten abgebildet und darunter meine Transkription
der CD – Aufnahme. Da das Stück rubato38 (Freiheit im Tempo) vorgetragen wird-
war es zum Teil schwierig die Taktart zu bestimmen. Mit Hilfe der beigefügten
Audio – CD ist die Transkription jedoch gut nachzuvollziehen. Frisell hat das
Stück im 4/4 Takt und in C Dur geschrieben. Dies ist eine oft benützte Tonart bei
seinen Kompositionen da sie die Möglichkeit bietet viele Leersaiten und Flageo-
lette – Töne zu benützten.

Schon im zweiten Takt ist erkennbar wie Frisell mit Liegetönen arbeitet.
Er schlägt das e2, welches der Melodieton ist, auf der hohen E – Saite an um dann
mit seinem Ringfinger das c1 zu greifen. Anschließend schlägt Frisell die leere D –
Saite an und macht ein Hammer On auf das e1 auf der vierten Sechzehntel der
Zählzeit 2. Was bei der Transkription nicht deutlich hervorgeht ist dass der Ton c1
weiterklingt da er für den gesamten Takt gegriffen bleibt. Auf diese Weise entsteht
wieder dieser klangwolkenartige Sound, der einerseits die Melodie widerspiegelt
und zusätzlich die Farbe des Akkords abbildet. Auf gleiche Weise spielt Frisell
auch Takt zwei. Zuerst spielt er wieder den Melodieton e2 an um anschließend das
F mit dem Zeigefinger und das c1 mit dem Ringfinger zu greifen. Somit haben alle

37 Vgl. wikipedia (2014): http://de.wikipedia.org/wiki/Klavier#Pedale (eingesehen am


(05.01.2014) Das Sostenuto oder Tonhaltepedal hindert die gerade gehobenen Dämpfer daran,
wieder zurückzufallen. Der Spieler kann damit also einzelne Töne oder Klänge festhalten, wäh-
rend alle anderen Dämpfer weiterhin auf das Spielen und Loslassen der Tasten (bzw. das rechte
Pedal) reagieren.
38 Vgl. Michels, Prof. Dr. Ulrich / Vogel, Gunther (2001): dtv-Atlas Musik Bd.1 S. 77: Systemati-
scher Teil Musikgeschichte von den Anfängen bis zur Renaissance. München: Deutscher Ta-
schenbuch Verlag
45
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

drei Töne die Möglichkeit frei zu schwingen. In Takt vier auf der Zählzeit 3u ver-
deutlicht sich wie Frisell die Tonfolge c2, d#2 und e2 auf den drei benachbarten Sai-
ten G H und E spielt. Somit klingen alle drei Töne ineinander und es kommt
schön die Dissonanz der kleinen Sekunde zwischen dem d#2 und dem e2 zur Gel-
tung. Während der Ring- und der kleine Finger die Noten gedrückt halten ( das e 2
spielt Frisell als Leersaite) greift Frisell mit dem Zeigefinger das F und mit dem
Mittelfinger das c1. Abermals entsteht eine Klangwolke á la Frisell. In den Takten
sechs und sieben lässt sich erneut Frisell´s Vorliebe für die Grundintervalle erken-
nen. Er füllt den Melodieton c2 in den beiden Takten lediglich mit der 1 und b7
auf. Bei den bisherigen Beispielen wurde zuerst die Melodie gespielt und dann mit
Liegetönen aufgefüllt. Eine andere Möglichkeit zeigt Frisell in Takt zwölf. Er
schlägt auf der ersten Zählzeit einen G mit leerer D und G – Saite an. Dieser
klingt mit Ausnahme des Melodietons ab2 den ganzen Takt. Anhand der Takte zehn
und fünfundzwanzig lässt sich sehr gut verdeutlichen wie einfach und „gitarris-
tisch“ Bill Frisell denkt. In Takt zehn z.B. schlägt er den Melodieton g2 an und bil-
det anschließend einen sehr gängigen G – Akkord ab. Dasselbe macht er in Takt
fünfundzwanzig. Er schlägt die Töne d2, c1, g2, g1 und d2 nacheinander an, sodass
in Takt sechsundzwanzig der vollständige C9 Akkord klingt und abgebildet ist.

An dieser Stelle ist noch zu erwähnen, dass Frisell sehr filigran mit seiner
rechten Anschlagshand ist. Das bedeutet das er die Melodie stets stärker betont als
die Liegetöne damit diese deutlich bleibt. Diese Fähigkeit setzt eine sehr ausge-
prägte und virtuose Spieltechnik der rechten Hand voraus. John Scofield bemerkt
dazu:

„ Er kann wirklich dynamisch differenzieren, abschattieren und färben.


Bill ist einer meiner Lieblingsgitarristen. Er transzendiert die Gitarre. Er be-
herrscht was er macht – ein emotionaler und lyrischer Musiker. Von all den neuen
Gitarristen ist Frisell der wirklich große.“39

39 Vgl. Kunzler, Martin (2002): Jazz Lexikon Bd. 1, S. 397: A-L. Hamburg: Rowohlt Taschen-
buch Verlag
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4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„Justice and Honor“ CD (10 / 00:00)

47
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„Justice and Honor“- Transkription

4.5. Rhythmik

Auf Grund der Transkriptionen die ich erstellt und analysiert habe bekam ich
einen breiten Überblick über die Rhythmik von Bill Frisell. Auffällig war dabei
dass er meist mit Viertel und Achtelnoten improvisiert, seltenst findet man Sech-
zehntelnoten in den analysierten Soli. Frisell arbeitet in seinen Improvisationen
stets mit Pausen in denen er dem Zuhörer die Möglichkeit gibt die Melodien auf
sich wirken zulassen. Das rhythmische Vokabular von Frisell ist sehr umfangreich
und doch untersteht es stets er Musikalität und wird nicht zum Selbstzweck. Er
beherrscht sämtliche rhythmische Ebenen sei es in binärem oder ternärem40 Kon-
40 Vgl. Marron, Eddy (1990): Die Rhythmik-Lehre S.47. Brühl: AMA-Verlag : Wird eine Viertel-
note in zwei genau gleichlange Achtelnoten aufgeteilt spricht man von der zweigeteilten oder
binären Aufteilung. Bei der ternären oder dreigeteilten Aufteilung wird die Viertelnote in drei
gleichlange Notenwerte eingeteilt.
48
4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

text. Dabei ist auch die rhythmische Motivarbeit bemerkenswert die in seinen Im-
provisationen herrscht.

Bei dem Beispiel „Lookout for Hope“ zeigt sich sich in Takt drei, wie Frisell über
das ternäre „Feel“ des Stück mit binären Achtelnoten improvisiert. Besonders gut
lässt sich dies mit Hilfe der Aufnahme nachvollziehen. Erst dann wird deutlich
welche rhythmische Reibung, durch das ternäre Spiel von Bass und Schlagzeug
und das binäre Spiel von Frisell, entsteht.

„Lookout for Hope“ CD (8 / 02:50)

Bei der Eigenkomposition „Hello Nellie“ ist deutlich die rhythmische Motivarbeit
von Frisell zu sehen. Das Motiv beginnt in Takt zwei auf der 4u. Es besteht aus ei-
ner Achtel und einer Viertelnote und wird in Takt sechs und sieben aufgelöst. In
Takt acht auf der Zählzeit 4u wird es erneut aufgegriffen. Dieses mal in Form ei-
ner Achtelnote gefolgt von einer punktierten Viertelnote.

49
Kapitel 4. Bill Frisell´s Gitarrenspiel

„Hello Nellie“ CD (7 / 03:26)

5. Zusammenfassung

Wie sich bei der Beschäftigung und den Analysen von Bill Frisell gezeigt hat,
liegt seine Besonderheit und sein hoher Wiedererkennungswert nicht an einem
einzigen Aspekt. Vielmehr ist es das Zusammenspiel dieser Aspekte.

Zu allererst muss noch einmal der jazzuntypische Sound von Bill Frisell
erwähnt werden. Im Gegensatz zu den vielen bekannten Jazzgitarristen wie z.B.
Jim Hall, George Benson, Pat Martino oder Pat Metheney bevorzugt Frisell einen
klaren und durchsichtigen Sound mit wenig Bassfrequenzen. Dazu trägt sicher
auch die hauptsächliche Benützung der weiter oben bereits erläuterten Single –
Coil – Gitarren bei. Des weiteren führt der Einsatz von Effekten wie Delay und
Hall und besonders auch der Einsatz seines Digitech PDS 8000 dazu, dass sich
Frisell deutlich aus der Masse hervorhebt.

Bei der Analyse des Tonmaterials ließ sich feststellen dass Frisell weitrei-
chende Kenntnisse der jeweiligen Arpeggien und Skalen hat. Auffällig war auch
die häufige Verwendung von Arpeggien in Verbindung mit chromatischen Anspie-
50
5. Zusammenfassung

lungen. Es hat sich herauskristallisiert, dass es gerade die weniger komplexen


Aspekte wie z.B. das Ausspielen eines Akkords mit Hilfe eines Dreiklangs – Ar-
peggios sind, die dazu beitragen das sich Frisell so sehr von anderen Jazzgitarris-
ten unterscheidet. Wie sich herausgestellt hat, besitzt Frisell die Fähigkeit seine
Phrasen stets sehr elegant und musikalisch zu verbinden. Oft geschieht dies da-
durch das er die Takt oder Harmoniewechsel durch Halbtonschritte verbindet und
sie somit logisch erscheinen lässt. Seine Improvisationen verlieren somit niemals
den sogenannten roten Faden. Eine weitere Besonderheit, die ich sich bei keinem
der mir bekannten Jazzgitarristen so ausgeprägt vorfinden lässt, ist das Improvi-
sieren mit Zweiklängen. Diese Technik hat Frisell wirklich bis ins Detail ausge-
feilt, was ihm ermöglicht über jedwede Harmonik Zweiklänge einzusetzen.

Für mich persönlich gibt es drei Aspekte die ich als sehr einzigartig bei
Frisell erachte. Zum einen sind es die von mir vielzitierten Klangwolken die er
entstehen lassen kann. Dieses Wechselspiel zwischen einzelnen Tönen die er im-
provisiert dann wieder durch Akkorde, Liegetöne oder Zweiklänge auffüllt ma-
chen seine Soli so besonders. Zum anderen ist es die Tatsache, dass wenn Frisell
über ein Stück improvisiert, er nie die Melodie desselben außer Acht lässt. Es
wäre möglich an irgendeiner Stelle des Solos einzusteigen und man würde trotz-
dem, ohne das Thema des Stücks vorher gehört zu haben, erkennen über welches
Stück Frisell gerade soliert. Bei seinen Improvisationen steht stets die Melodie des
jeweiligen Stückes im Fokus. Auch die Tatsache das sich kaum Beispiele für lange
Skalenabfolgen oder dichte Notenketten finden ließen, beweist das Frisell all sei-
ne Fähigkeiten als Gitarrist stets der jeweiligen Komposition und nicht der Veran-
schaulichung seiner Virtuosität unterstellt. Was natürlich eine andere Art von Vir-
tuosität erfordert und sich auch sehr stark auf Frisell´s Rhythmik in seinen Soli
auswirkt. Der dritte Aspekt ist die sehr individuelle Spieltechnik Frisells, mit der
er Leersaiten und Flageolette – Töne in sein Spiel mit einbezieht. Diese Art Gitar-
re zu spielen ist wirklich sehr einzigartig und innovativ, ebenso wie der Sound der
daraus resultiert.

Trotz eines sehr kleinen Ausschnitts den ich von Bill Frisell beleuchtet
habe, konnte ich viele Besonderheiten und vor allem neue Erkenntnisse für mich
gewinnen, auf deren Aufarbeitung und Umsetzung ich mich jetzt schon freue.
51
Kapitel 6. Quellen

6. Quellen

6.1. Bücher:

Michels, Prof. Dr. Ulrich / Vogel, Gunther (2001): dtv Atlas Bd. 1: Systematischer
Teil Musikgeschichte von den Anfängen bis zur Renaissance. München: Deut-
scher Taschenbuch Verlag

Frisell, Bill (2001): An Anthology. New York: Cherry Lane Music Company

Kunzler, Martin (2002): Jazz Lexikon Bd. 1 A-L. Hamburg: Rowohlt Taschen-
buch Verlag

Guitar Voodoo Guide (2006): Das Lexikon für den Gitarristen. Bergkirchen: Pres-
se Projekt Verlag

Jünge, Erik (2007): Bill Frisell – Analyse seiner Kompositionen und deren stilisti-
sche Entwicklung von 1983 bis 2005 anhand ausgewählter Stücke. Bremen. HfK
Bremen (Diplomarbeit)

Sikora, Frank (2003): Neue Jazz Harmonielehre. Mainz: Schott Musik Internatio-
nal

Bergonzi, Jerry (2012): Melodic Structures. Mainz: Advance Music GmbH

Scheit, Karl (2000): Lehr- und Spielbuch für Gitarre. Wien: Österreichischer Bun-
desverlag

52
6. Quellen

Marron, Eddy (1990): Die Rhythmik-Lehre. Brühl: AMA-Verlag

6.2. DVD:

Rottor Music (Produzent) (1996): The Guitar Artistry of Bill Frisell (DVD). Mil-
waukee: Hal Leonard Corporation

6.3. Internetseiten:

Arpeggio: Wikipedia, die freie Enzyklopädie, Stand 04.09.2013, URL:


http://de.wikipedia.org/wiki/Arpeggio (eingesehen am 27.12.2013)

Frisell, Bill: official website, URL: http://www.billfrisell.com (eingesehen am


27.12.2013)

Frisell, Bill: Jazz Fun, URL: http://jazz-fun.de/bill-frisell.html (eingesehen am


28.12.2013)

Single-Coil-Pickup: Wikipedia, die freie Enzyklopädie, Stand 24.06.2013, URL:


http://de.wikipedia.org/wiki/Single_Coil (eingesehen am 28.12.2013)

Frisell, Bill: Jazz Guitar Online URL:


www.jazzguitar.be/guitar_rig_bill_frisell.html (eingesehen am 28.12.2013)

Delay: Wikipedia, die freie Enzyklopädie, Stand 04.01.2014, URL:


http://de.wikipedia.org/wiki/Delay (eingesehen am 07.01.2014)

Line 6, official website, URL: http://de.line6.com/dl4 (eingesehen am 07.01.2014)

Frisell, Bill: Guitarplayer, URL: http://www.guitarplayer.com/article/bill-frisell/2


(eingesehen am 29.12.2013)

53
Kapitel 6. Quellen

Klavier: Wikipedia, die freie Enzyklopädie, Stand 28.12.2013, URL: http://de.wi-


kipedia.org/wiki/Klavier#Pedale (eingesehen am 05.01.2014)

7. Anhang

7.1. Transkriptionen

„Hello Nellie“ (transkribiert von Tobias Knecht)

54
7. Anhang

„Justice and Honor“ (transkribiert von Tobias Knecht)

55
Kapitel 7. Anhang

„All the things you are“ (transkribiert von Martin Lane)

56
7. Anhang

57
Kapitel 7. Anhang

„Strange Meeting“ (transkribiert von Tobias Knecht)

58
7. Anhang

„The days of wine and roses“ Übung 1 des Lehrvideos (transkribiert von Tobias
Knecht)

59
Kapitel 7. Anhang

„The days of wine and roses“ Übung 2 des Lehrvideos (transkribiert von Tobias
Knecht)

60
7. Anhang

„Turn out the stars“ (transkribiert von Martin Lane)

61
Kapitel 7. Anhang

62
7. Anhang

„The days of wine and roses“ (transkribiert von Tobias Knecht)

63
Kapitel 7. Anhang

64
7. Anhang

„Lookout for Hope“ (transkribiert von Tobias Knecht)

65
Kapitel 7. Anhang

7.2. Leadsheets

„Justice and Honor“

66
7. Anhang

„Strange Meeting“

67
Kapitel 7. Anhang

68
7. Anhang

7.3. Audio-CD

1. I heard it through the Grapevine Bill Frisell – East West


2. Shenandoah Bill Frisell – East West
3. When we go Bill Frisell – Live
4. All the things you are Paul Motian – On Broadway Vol.2
5. Turn out the stars Paul Motian – Bill Evans
6. Days of wine and roses Bill Frisell – East West
7. Hello Nellie Bill Frisell – Live
8. Lookout for Hope Bill Frisell – Gone, just like a train
9. Strange Meeting Bill Frisell – Live
10. Justice and Honor Bill Frisell – Ghost Town

7.4. Lehrvideo (DVD)

The Guitar Artistry of Bill Frisell

69
Kapitel 7. Anhang

Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere an Eides statt durch meine Unterschrift, dass ich die vorliegende
Arbeit selbständig verfasst und ohne fremde Hilfe angefertigt und alle Stellen, die
wörtlich oder annähernd wörtlich aus Veröffentlichungen entnommen sind, als
solche kenntlich gemacht und mich auch keiner anderen als der angegebenen Lite-
ratur bedient habe. Diese Versicherung bezieht sich auch auf die in der Arbeit ge-
lieferten Zeichnungen, Skizzen, bildlichen oder grafischen Darstellungen und der-
gleichen. Mit einer späteren Einsichtnahme in meine schriftliche Arbeit erkläre ich
mich einverstanden.

Ottersberg, den

Tobias Knecht

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