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Heitor Villa-Lobos:

idiomatisches und
innovatives
Gitarrenschreiben
Schriftliche Arbeit verfasst im Rahmen des Musikgeschichteseminars
«Instrumentalkonzert im 18. Und 19. Jahrhunderts» bei Prof. Dr. phil. Tihomir Popovic

Herbstsemester 2022

Amrit Beran
amrit.beran@stud.hslu.ch

HSLU-MUSIK
Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG .......................................................................................................................................................... 1
VILLA-LOBOS: DIE WERKE FÜR GITARRE .................................................................................................... 1
SPIELTECHNIK...................................................................................................................................................... 2
DOUZE ÉTUDES .................................................................................................................................................... 2
CONCERTO ........................................................................................................................................................... 5
REZEPTION DAMALS .......................................................................................................................................... 5
REZEPTION HEUTE .............................................................................................................................................. 6
FAZIT ...................................................................................................................................................................... 6
BIBLIOGRAPHIE ................................................................................................................................................... 7

Einleitung
Diese schriftliche Arbeit über Heitor-Villa Lobos (1887-1959) behandelt seine innovative und
einzigartige Konzeption der Gitarre. Zwei Aspekte werden damit vertieft. Zuerst, wie hat
Villa-Lobos die Kompositionstechnik der Musik für Gitarre neu entwickelt? Seine Werke,
von Douze Études (12 Etüden) bis zu dem Concerto, werden hier aufgegriffen und die
Spieltechnik in diesen genauer beobachtet. Natürlich gibt es mehrere Gründe dafür; hier
werden ein paar ausdrucksstrake Beispiele präsentiert und darüber hinaus kommentiert.
Das zweite Thema handelt von der Rezeption von Villa-Lobos Musik für Gitarre. Die
Wirkung seiner Musik damals wird hier thematisiert, durch den Austausch mit Andrès
Segovia (1893-1987). Die heutige Rezeption wird dann auch vertieft und zur Reflexion
gebracht. Literatur für beide Themen sind u.a. von Andrès Segovia, Simon Wright und
Frederik Zigante.

Villa-Lobos: die Werke für Gitarre


Heitor Villa-Lobos ist heute einer der bekannteste und häufigste gespielte Komponist in dem
Repertoire für Gitarre. Auf seinen Reisen in den tiefen und dunklen ‚Bauch‘ Brasiliens (1905-
1911) gab er jede Idee von konventioneller Ausbildung auf und absorbierte stattdessen die
musikalischen Einflüsse der indigenen Kulturen Brasiliens, die selbst auf portugiesischen und
afrikanischen sowie amerikanischen indianischen Elementen basierten. Diese Erfahrungen,
kombiniert mit seinem zahlreichen Austausch mit wichtigen Persönlichkeiten der Pariser-
Szene in den Zwanziger-jahren (u.A. L. Stokovski, E. Varese und P. Picasso), haben seine
kompositorischen Fähigkeiten beeinflusst1. Sein Umgang mit der Gitarre ist mit melodischen
und rhythmischen Fragmenten aus ethnischer und populärer Musik von Brasilien zusammen
mit innovativen Spieltechniken geprägt. Dank des Austauschs mit Andrès Segovia konnte
Villa-Lobos seine Besonderheiten veröffentlichen. Dem spanischen Gitarristen hat er die
Douze Etudés (Paris 1928, veröffentlich 1953) und das Concerto pour Guitare et petit
Orchestra (1951) gewidmet. Villa-Lobos erstes publiziertes Werk für Gitarre ist das Chôros
no. 1 (1920), das erste von 12 Chôros, wo die Motorik eines Samba populäre Melodien
aufruft. Im Jahr 1941 komponiert Villa-Lobos die Cinq Preludés, ein Zyklus von fünf

1
Appleby, D. (2002), Heitor Villa-Lobos a Life (1887-1959), Scarecrow Press, London, Kap. 3
1
Préludes. Die Prélude sind heute oft mit populärer Musik assoziiert, aber es geht nicht nur um
das. In diesen kurzen Stücken indigene Rhythmen und Polyrhythmen (Préludes no. 2, 4 und 5)
und auch Bach Zitate (Prélude no. 1) kommen vor. Villa-Lobos hat die Suite Populaire
Bresilienne in verschiedenen Momenten seines Lebens wieder- oder neukomponiert. Es ist
eine Suite mit fünf populären Tänzen (wie Gavotte, Valse, usw…) in Form eines Chôro. Sie
wurde im Jahr 1955 veröffentlicht.2 Aus dieser Arbeit werden die Etüden und das Konzert
angeschaut.

Spieltechnik
Die Spieltechnik von Villa-Lobos ist revolutionär, weil sie es mit einfachen Mitteln schafft
sehr viel auszudrucken. Das Gitarrenschreiben ist genial und idiomatisch als auch innovativ
und original. Segovia selbst schreibt in dem Préface der erste Max-Eshig Edition (1953) der
Etüden:

Einleitung des Max-Eschig 1953 erste Edition von Douze-Études

Was erstaunt ist das Segovia die Etüden nicht bearbeitet hat und keine eigenen Fingersätze
hinzugefügt hat. Segovia hat sonst immer die ihm gewidmeten Kompositionen bearbeitet und
bei Publikationen seine eigenen Fingersätze veröffentlicht. Er schreibt selbst, dass ‘Villa-
Lobos die Gitarre perfekt kennt’, und vergleicht ihn in der Geschichte der Gitarre mit Scarlatti
und Chopin in der Geschichte des Pianos.

Douze Études
In diesen Etüden entwickelt Villa-Lobos Elemente seine Spieltechnik. Die Etüden sind ein
weitergehender Zyklus, und dank ihrer raffinierten Kompositionstechnik, werden sie heute oft
im Konzert integral vorgespielt. Die grössten technischen Innovationen sind: die Ausbeutung
der leeren Saiten (von der sexten bass Saite aufwärts: E A D G H E), das Schieben von
Griffen der linken Hand und auch besondere Fingersätze für beide Hände im Arpeggien.

2
Zigante, F. (2011), Douze-Études, MGB Hal Leonard, San Giuliano Milanese, Préface
2
In der Etüde n. 1 in e-Moll (TT. 12-22) werden das Schieben von einem vollverminderten
Akkord, chromatisch abwärts geführt. Das passiert während eines ostinato Arpeggios der
rechten Hand. Diese Technik erzeugt besondere Rhythmen der oberen Stimmen und, dank der
Resonanz von des Instruments, eine ganz spezielle harmonische Atmosphäre.

Im 2. Teil der Etüde n. 6 in e-Moll werden Akkorden gebrochen. Die linke Hand spielt
dieselben Griffe, aber die Rechte muss eine Art Double schaffen: der Daumen spielt immer
abwechselnd zur den anderen drei Fingern. Eine stabile rechte Hand ist gefordert, um das zu
schaffen; wenn das gut funktioniert, kann der rhythmische Effekt, durch neue Akzente und die
neue Melodie Linie in dem Bass, einen starken Kontrast zum 1. Teil bringen. In dem Beispiel
sind TT. 1-5 und TT 28-31.

3
In Etüde n. 8 in cis-Moll wird eine lyrische Linie aus das Folklore Brasiliens zweifach
gesungen. Das erste Mal auf der 6. Saite und das zweite auf der 1. Da beides E Saiten sind
(zwei Oktaven entfernt), sind die Griffe und die Melodik dieselbe. Villa-Lobos hat für diese
Melodie zwei unterschiedliche, fast gegensätzliche, Stimmungen komponiert.

Im 3. Teil der Etüde n. 11 wird ein Tremolo über dasselbe E auf drei Saiten (Leeres E + E auf
3. Saite und E auf 2. Saite, E auch in der bass auf der 5. Saite) geteilt. Die gegriffene 5., 3.
und 2. Seite werden verschoben und damit begleitet eine absteigende Melodie den Bass mit
Tremolo-Effekt; eine Widmung an die Regentropfen des Amazonas vielleicht. TT. 48-51 im
Beispiel.

4
Im 2. Teil der Etüde n. 12 taucht die Polyrhythmik 4:3 auf, durch die Nutzung der leeren
Saiten, zusammen mit denselben Griffen der linken Hand. TT. 22-23 im Beispiel.

Concerto
Das Concerto wurde im Jahr 1951 fertig komponiert und später eine Kadenz hinzugefugt (das
war eine Grundvoraussetzung von Andrès Segovia). Es wurde am 6. Februar 1956 in Huston
(Texas, US) mit Segovia und Villa-Lobos uraufgeführt. Eine der größten Schwierigkeiten für
den Komponisten ist die Balance zwischen der leisen Gitarre und dem Orchester. Die
Orchestrierung ist absichtlich leicht (nur ein Horn und eine Posaune zusätzlich zu den
einzelnen Winden und Streichern). Villa- Lobos sagte ausdrücklich, dass er nichts gegen die
elektrische Verstärkung der Gitarre in Aufführungen haben würde.3 Das Konzert artikuliert
sich in zarten, gedämpften Klängen und behält selbst in seinen leidenschaftlichsten Momenten
kammermusik-ähnliche Qualitäten. Dieses Werk ist die Synthese von Villa-Lobos’
Gitarrenschreiben. Es sind die technischen Besonderheiten und die lyrischen, folkloristischen
Melodien die dieses Konzert so idiomatisch und befriedigend auf der Gitarre machen. In
folgendes Beispiel wird die Begleitung von einem Solo des Fagotts in 3. Satz präsentiert. Die
roten Markierungen sind die ersten drei leeren Saiten, die Grün markierten sind eine Mixtur
von Moll-Sextakkorden, generiert von Schieben des selben Griffs.

Das nächste Beispiel ist der zweite Cantabile Teil vom 1. Satz des Concertos. Hier ist das
Gitarrenschreiben innerhalb von wenigen Takten sehr orchestral konzipiert. Eine zarte
Melodie, die an Flöte oder Geige erinnert, hat eine synkopierten Begleitung und trägt bis zum
Höhepunkt. Danach verwandelt sich diese Melodie der Gitarre, dank dieser chromatischen
Töne der tieferen Lage, ins Cello oder Horn.

Rezeption damals
Neben dem Austausch mit Segovia zeigt sich die Modernität des Komponisten auch darin,
dass die Etüden, obwohl sie 1928 komponiert wurden, erst im Jahr 1953 von Max-Eschig
Verlag veröffentlicht wurden. Es gibt mehrere plausible Gründe: der erste ist die große Breite
des Zyklus, der zweite ist, dass die Neuheit der musikalischen Sprache noch keine
kommerziellen Perspektiven hatte und der dritte ist, dass es zu dieser Zeit vor allem Gitarren-
Amateure gab, die nicht in der Lage waren, diese Musik zu spielen, und so fehlte die
Nachfrage.4 Darüber hinaus transkribierte der Pianist und Freund von Villa-Lobos Tomás
Terán die Etüden Nr. 3, 5, 10, 12. Dies zeigt das Interesse an seinem Werk auch von anderen
Instrumentalisten. Wie in einem Brief von 1936 bestätigt, wollte Villa-Lobos die
Transkription vervollständigen. Es gelang ihm aber nie.

3
Wright, S. (1992) Villa-Lobos, Oxford University Press, s. 123
4
Zigante, F. (2011), Douze-Études, MGB Hal Leonard, San Giuliano Milanese, Préface, XIII
5
Rezeption Heute
Heute gehört Villa-Lobos zum Standard-Repertoire der Gitarre. Seine Werke haben sehr viele
spätere Komponisten, die sich mit dem Gitarrenschreiben beschäftigen, beeinflusst.
Fortgeschrittene Werke wie Nocturnal op. 70 (1963) von B. Britten oder L. Berios Sequenza
XI (1987-88) sowie einfachere Werke, wie die Estudios Sencillos (1972) von L. Brouwer sind
auf Villa-Lobos‘ Spiel- und Kompositionstechnik rückführbar. Die Douze Études sind heute
an vielen Konservatorien als Aufnahme- oder auch normale Prüfungen obligatorisch.

Fazit
Mit dieser schriftlichen Arbeit wollte ich erklären, wie Heitor Villa-Lobos es geschafft hat,
mit einfachen Mitteln die Welt der Gitarre zu revolutionieren. Die profunde Kenntnis von
Musik und Instrument und auch ein wenig gesunder Wahnsinn, machen seine Musik
unnachahmlich und einzigartig. Leider gibt es keine direkten Quellen wie Audio- oder
Videoaufnahmen der Zeit. Es wäre sehr schön mit eigenen Augen und Ohren seine Kunst zu
sehen und zu hören. Stattdessen hab ich ein Zitat, aus Villa-Lobos Erinnerungen, gefunden,
das einen Moment der ersten Begegnung (1923 oder 1924) zwischen Villa-Lobos und
Segovia beschreibt. Ich denke, es beschreibt gut den Charakter der beiden intensiven
Persönlichkeiten:

„Porque é que você acha minhas obras anti-violonísticas?“. Segóvia, meio supreso (claro
que ele nem poderia supor que eu estivesse ali) explicou que, por exemplo, o dedo minimo
direito não era usado no violão clássico. Eu perguntei: „Ah! Não se usa? Então corta fora,
corta fora“. Segóvia ainda tentou rebater, mas eu avancei e pedi: „Me dá aqui seu violão, me
dá!“

„Why do you think my work are anti-guitar?’’ Segovia, a bit surprised (obviously he could
not have imagined I was there) explained that, for example, my right pinkie finger was not
used in classical guitar. So, I said to him: „Ah, so it is not used? Well then, just cut it off, cut
it off!’’ Segovia tried to make a rebuttal but I went straight ahead and said to him: „Give me
your guitar, come on, give it to me! ’’ 5

5
Santos, T. (1975), Heitor Villa-Lobos e o Violão, Museu Villa-Lobos, Rio de Janeiro, s. 11
6
Bibliographie

Appleby, D. (2002), Heitor Villa-Lobos a Life (1887-1959), Scarecrow Press, London

Wright, S. (1992), Villa-Lobos, Oxford University Press, Oxford

Santos, T. (1975), Heitor Villa-Lobos e o Violão, Museu Villa-Lobos, Rio de Janeiro

Villa-Lobos, H. herausgegeben von Zigante, F. (2011), Douze-Études, MGB Hal Leonard,


San Giuliano Milanese

Villa-Lobos, H. (1971), Concerto pour Guitarre & Petit Òrchestre. Édition Max-Eschig, Paris

Villa-Lobos, H. (1953), Douze-Étude, Édition Max-Eschig, Paris

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