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A N R E G U N G E N Z U M
FINDEN UND ZEIGEN
1 v o n Jo h a n n e s H . Sc hr o eder
T e c h n isc h e Un i ver s i t ät Ber li n
Ü berarbeit et e u nd ak tuali si erte
Ver s io n m eines Bei trags zu
Bu nd der Heim a t , Hr s g., 2 0 1 5 : N aturstei n -
na ch h a lt iger U m ga ng m it e i ner wertvollen Ressource
N u t z u n g : D a s h i e r z u s a m m e n g e s t e l l t e M a t e r i a l d a r f g e r n e z u m p r i v a t e n G e b r a u c h , f ü r U n t e r r i c h t u n d L e h r e o d e r f ü r S t e i n - Ö ff e n t l i c h k e i t s -
arbeit genutzt werden - natürlich unter Angabe der Quelle. Darüber hinaus liegen alle Rechte beim Autor (jhschroeder@tu-berlin.de).
2 D A S N E T ZWE R K „S T E IN E IN DER STADT“
Wenn es um Steine geht, sind erstmal Geowissenschaftler gefragt. Viele von ih-
nen bewegen sich in ebenso wirtschaftlich und/oder wissenschaftlich wichtigen
wie verlockenden Projekten rund um den Globus; da bleibt für den heimischen
Stein selten Zeit. Dieser Stein ist ja selten mit Fragen verbunden, deren Befas-
sung die immer wieder geforderte professionelle Exzellenz des Wissenschaftlers
demonstrieren kann...... und exzelllent muss man im heutigen Wissenschaftsbe-
trieb natürlich schon sein oder doch mindestens scheinen zu sein!! Doch es gibt
auch Geowissenschaftler, die sich zwischen Marktplatz und Friedhof umschauen,
meist „Einzelkämpfer“ – wenn nicht sogar letzte Exemplare einer aussterbenden
Spezies.
Einige von ihnen taten sich 2005 zu diesem Netzwerk zusammen, um die jeweili-
gen Kenntnisse und Erfahrungen – z.B. bezüglich bestimmter Gesteinsgruppen -
auszutauschen und wechselseitig zu aktivieren. Zum Beispiel wer sich – wie dieser
Autor - jahrzehntelang intensiv mit sich-jetzt-bildenden („rezenten“) Kalksanden
und -steinen wie etwa Riffen und deren fossilen „Gegenstücken“ aus unterschied-
lichen Perioden der Erdgeschichte befasst hat, wird schwerlich die Feinheiten
eines Granits angemessen erfassen – es sei denn er findet den „Granit-Kollegen“.
3 Der kann seinerseits vielleicht bei Kalksteinen Hilfe brauchen. Wechselseitig kön-
nen sie in den Städten die praktische Anschauung vermitteln, die Voraussetzung
ist für diese Art von Stadtprojekten.
Von den mittlerweile ca. 140 Teilnehmern sind ca. 70 % Geowissenschaftler, d.h.
Geologen, Paläontologen, Mineralogen, Lagerstättenkundler, Geophysiker und
Geografen. Die weiteren kommen aus „steinbetroffenen Branchen“, angefangen
vom Natursteinwerk-Betreiber über den Steinmetzen, Architekten, Bauingenieur
bis hin zum Restaurator. Auch einige Hobbygeologen sind dabei - im Hauptberuf
vom Lehrer bis zum Maschinenbaukonstrukteur – oder Gästeführer. Im Interes-
se eines informellen Miteinanders wurde kein eingetragener Verein mit Satzung
und Mitgliedsbeitrag gegründet; man kann sich statt um Teilnehmerzahlen um in-
tensive Kommunikation bemühen: Über den E-Mail-Verteiler werden weitere Inter-
essenten erreicht, darunter eine relativ größere Zahl von „Nicht-Geos“.
Bereits der Austausch zwischen den unterschiedlichen Geowissenschaftlern ist
ausgesprochen wichtig, wie das o.a. relativ simple Beispiel Kalk/Granit deutlich
macht. Die jährlichen Arbeitstagungen dienen solchem Austausch. Seit 2006 fan-
den sie – jeweils Ende März/Anfang April - in mehreren Städten statt, angefangen
von Berlin über München, Köln, Dresden, Münster, Mainz, Halle (Saale), Hannover Abb. 3 Tagungs-Unterlagen der 11. Arbeitstagung des
bis Hof und Potsdam, 2016 war Mendig (Rheinland-Pfalz) an der Reihe (s. Abb. 3). Netzwerkes 2016 in Mendig [Ge sta l tu n g : D u n ke r & Sch r o e d e r ]
Mit Vorträgen werden zunächst die Steine, Stein-Arbeiten und -Probleme der
gastgebenden Stadt vorgestellt, sodann Berichte aus anderen Städten einge- Stadthistoriker Architekt
bracht. In zumeist drei Exkursionen durch verschiedene Bereiche der Stadt, Heimatforscher Bauingenieur
bekommt man gründliche Einblicke in das „Stein-Leben“ der jeweiligen Stadt Stadtführer
und zugleich Anregungen für die eigene Arbeit. (Programme und die Tagungs- Darum
unterlagen sind unter http://www.steine-in-der-stadt.de zu finden). optimiert
man mit
3 ARBEIT VOR ORT: STEINE FINDEN - fachüber-
Je de r Fa ch ma n n
DIE BESTANDSAUFNAHME sie h t u n d ve rste h t
greifender
de n S TEIN a n de rs -
Die Arbeit des Stadt-Stein-Geowissenschaftlers unterscheidet sich nicht so n ä mlich a u s se in e m Zusammen-
sehr von dem im Gelände arbeitenden Kollegen: Er muss kartieren, d.h. durch B lick win k e l
arbeit
die Straßen und Gassen laufen, um zu schauen, wo Natursteine eingesetzt
das Erlebnis
wurden und diese dann so gut wie möglich bestimmen. Das Handicap da-
bei ist, dass man in den allermeisten Fällen keine Proben nehmen kann, Steine
also auch nicht direkt am Material Untersuchungen anstellen kann, ob nun in der
optische (Dünnschliff > Mikroskop), chemische (u.a. nass-chemisch und mit
Atomabsorption) oder mineralogische (z.B. Röntgen-Diffraktometrie). Man ist Stad t
sehr auf Vergleichsmaterial von gleicher Herkunft angewiesen. Allerdings
gibt es auch einige Methoden, deren Analysen keinerlei Schaden am Gestein Steinmetz,
4 verursacht, die man also ohne Weiteres am Bau vornehmen kann. Ein gutes Restaurator Geo-
Beispiel ist die Infrarotspektroskopie (Bowitz & Ehling, 2010): Man hält das Denkmalpfleger wissenschaftler
Gerät an den Stein, entsendet einen Infrarotstrahl, der wird mit einem ma-
terial-typischen Spektrum reflektiert, welches mit Spektren bekannter Steine Abb. 4 Jedes Projekt „Steine in unserer Stadt“ ist nur so gut wie Zu-
verglichen wird. sammenarbeit, Austausch und Auskunftsfreudigkeit aller Beteiligten;
diese elementare Erfahrung ist die Grundlage für Aktivitäten des Netzwerkes.
Die „Aufschlüsse“, d.h. die Fundstellen von Steinen in der Stadt, sind vielfältig In vielen Städten funktioniert das mittlerweile gut!
und orientieren sich an den Bauwerken in weitesten Sinne (s. Abb. 5). Es geht [Beitrag: Schroeder; Gestaltung: Dunker]
nicht nur um die klassischen historischen Gebäude der Stadt, sondern - wie
Steinmetz- oder Steinlieferfirma. Auch Bau- und Heimat-Geschichtler können
am Beispiel des Hamburger Gänsemarktes gezeigt wird - um viele durchaus
ausgesprochen hilfreich sein.
unscheinbare Vorkommen.
Für die Steine in der Stadt gibt es weitere - für Geowissenschaftler unge- Schon bei kleineren Städten – und je größer die Stadt umso mehr - empfiehlt
wöhnliche - wichtige Informationsquellen: Die Bauakten, sofern sie nicht ir- es sich, zunächst einen begrenzten Bereich auszuwählen. Das kann das Zen-
gendwelchen Katastrophen wie Stadtbränden oder Kriegszerstörungen zum trum/die Altstadt sein, ein Stadtteil oder ein thematischer Bereich wie Hafen,
Opfer gefallen sind. Es erfordert allerdings einige Energie, den richtigen Ort, Fußgängerzone oder ein Gebäudekomplex (z.B. ein Campus: Schroeder &
das richtige Amt und den zuständigen Menschen zu finden. Dazu braucht man Schirrmeister, 2010).
dann einiges Glück, dass dieser Mensch sich von der Begeisterung des Aus- In den meisten Städten findet man auf so einer Route mehr Steinsorten, als der
kunftssuchenden anstecken lässt und sich Zeit für das Anliegen nimmt. Für Besucher in zwei Stunden aufnehmen kann. Deshalb ist es empfehlenswert,
jüngere Bauwerke lohnt es sich erfahrungsgemäß, nach Zeitzeugen zu su- die von M. Link (persönliche Mitteilung 2008) vorgeschlagene Unterscheidung
chen, u.a. dem Bauherrn oder Architekten oder der betroffenen Bau- oder von Verweilpunkten und Vorbeigehpunkten vorzunehmen.
5
An einem Verweilpunkt zeigt man gut sichtbare und erkennbare wichtige Steine; sich selbst oder seine Besucher auf eine „verdaubare“ Anzahl von Steinsor-
es sind aber auch sonst die in Tabelle 1 aufgeführten Kriterien erfüllt. Dagegen ten beschränken. Das heißt allerdings nicht, dass man die Steine der Vor-
weist ein Vorbeigehpunkt zwar Natursteine auf, aber sie sind nicht so wichtig, beigehpunkte nicht „auf dem Schirm“ zu haben brauchte: Da fragt schnell mal
nicht so gut zu sehen oder nicht so charakteristisch. Auf diese Weise kann man ein Gast seinen Führer oder ein Schüler seinen Lehrer....und da sollte man
Grundlage: Liegenschaftskarte 2007
schon eine Antwort parat haben.
S i n z i g , F l u r 1 2 ; Ve r m e s s u n g s - u . Magmatische
Katasterverwaltung Rheinland-Pfalz Gesteine
Jahn straß e
Tiefengestein
Schloß Vulkanisches
1 Gestein
2
aß e Sediment-
Ba rb ar os sa str
gesteine
3
Klastit
4
Rathaus Karbonat
Sc hlo ßs tra ße
St. Peter
Metamorphe
N 6 Gesteine
Kirch- 5
6 13
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Exkursionspunkte
7
M ü h le 14 n st ra ß e 4 Verweilpunkt
nb B a ch o ve
straß ach-
e 10 Abb.
Vorbeigeh-
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CottaerSandstein
Sandstein ObernkirchenerSs.
Ss. Abb. 7 Berlin,
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Obernkirchener
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B r a n d e n b u r g e r To r
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26 27 32 35
erbaut 1788 - 1791;
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gasse Postelwitzer Ss.
Ss. Lausitzer Granit
Granit
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Münz ße Ko bl en ze r Straß e
Au
20
22 23 34 Wiederaufbau:
21
29 30 31 100 m Reinhardtsdorfer
ReinhardtsdorferSs.
Ss. Striegauer Granit
Striegauer Granit 1956 - 1958,
Fränkischer Muschelkalk Ve r t e i l u n g
Abb 6 Routenkarte für das Zentrum der Stadt Sinzig/ Rhein. Auch in klei- Postaer
Postaer Sandstein
Sandstein Fränkischer
Fränkischer Muschelkalk d er Steine
nen Städten findet man auf relativ kurze Entfernungn viele Steine, hier an 38 Muschelkalk aufgenommen von
Abb. 6.3.14 - 2
Punkten - davon 9 Verweilpunkten - 47 verschiedene Steinsorten! SchlesischerSs.
Schlesischer Ss. Damaschun &
Abb. 6.3.14 - 2Ss.
Brandenburger = von
Tor Sandstein
Osten her
[ Sc hr oeder, 2009, in m e m o r i a m G u s t a v B u n g e ; G r a f i k : D u n k e r ] Jekosch [Lit.:1991]
gesehen (Torhäuser
Brandenburger Tornur
vonangerissen):
Osten her
Verteilung der Naturwerksteine
gesehen (Torhäuser nur angerissen):
[Beitrag: Damaschun
Verteilung & Jekosch]
der Naturwerksteine
[Beitrag: Damaschun & Jekosch]
<< Abb. 8 Berliner Dom, erbaut 1894 - 1905; RS - Rackwitzer Sandstein (Sandstein, Kreide)
Wiederaufbau/Restaurierung innen: 1983 - 1999: SK - Saalburg Königsrot (Kalkstein, Devon)
Kanzelbereich, Wandverkleidung / -dekoration SM - Saalburg Meergrün (Kalkstein, Devon)
CA - Carrara Arabescato (Marmor, Jura) SV - Saalburg Violett (Kalkstein, Devon)
<GS GS - Giallo di Siena (Marmor, Jura) Kartierung: Schroeder, Schirrmeister & Harten-
NM - Negro Marquina (Kalkstein, Karbon) stein, Foto: Kleeberg, nach Schroeder, 2006
v - vertikal
Element Schlüterhof Boden: Mason Granit;
CA Abb. 9 >> Figurenschmuck: Cottaer Sandstein;
v CA Berlin, Fußleiste: Kappelrodecker Granit,
v z.T. Ersatz: Rosa Beta (Monzonit)
Deutsches
Historisches
Museum
SM Unter den
Linden 2;
<SK früher Zeughaus, 1
2
SV erbaut 1695 2
v
1
- 1729, letzte
<CA große
77 Renovierung: 1
1992 - 2006 2
RS Steine im
v Erdgeschoss
NM SV (SW-Teil)
v v [Kartierung: 1
2
SM Schroeder u.
<SK Schirrmeister,
GS Gestaltung:
v Dunker; nach
SK Schroeder, 2006,
Abb. 5.2.3 - 2] 1 < 10 m >
<CA
1 Lausitzer Granit (Kambrium) 2 Langensalzaer Travertin (Kalkstein, Quartär)
2 Grenzland, Hohwald (Gabbros, Devon)
Nero Asoluto (Gabbro, Präkmbrium)
Strahwalde (Gabbro, Devon)
Mason Granit (Karbon) Kapfenberg (Kalkstein, Devon)
NM
Fürstenstein-Diorit (Karbon) Rojo Alicante (Kalkstein, Tertiär)
Ehringsdorfer Travertin (Qua rtär) Marron Imperial (Dolomit-Brekzie, ?Tertiär)
50 cm Mühlhäuser Travertin (Kalkstein, Quartär) Punktiert :
z.T. mit Ehringsdorfer Travertin Crema Marfil (Kalkstein, Tertiär) Sockel
D ie Berliner Beispiele
(Abb. 7 - 9) mit ihrer Viel- Abb. 12 Worms, >>>
falt an Gesteinen zeigen, Kaiserpassage,
dass mit ihnen unter ande-
HS
modernes Shopping
rem auch Machtfülle und Center, Kämmererstr. KW
Reichtum der Bauherrn 44, erbaut 2002 - 2004
(meist die Regierenden)
OG>
Wandverkleidung und
demonstriert werden soll- Bodenbelag mit Steinen
te - und das ist bis heute < W S> aus aller Welt
oft noch so. Diesen z.T. AV - Amarelo Venecia
bombastisch anmutenden (Granit, Präkambrium,
Bauten werden in den fol-
H
Brasilien)
genden Abbildungen Stein- S KW - Kashmir White
AV NI
Fundpunkte verschiedener (Granulit. Präkambrium,
Art aus großen und kleinen Indien)
Städten der Republik ge- NI - Nero Impala (Gabbro,
genüber gestelllt: Solche SK SK Präkambrium, Südafrika) AV
Attraktionen kann man OG - Olive Green (Gneis,
in jeder Stadt entdecken OG
Paläozoikum, Südafrika) KW
8 und aktivieren. [Foto: Schroeder]
V NI
<We Abb. 10 Goslar, Ehemaliges Fernmeldeamt Ecke
Rosentor / Mauerstraße, erbaut 1898, Fassade gestal-
tet mit Steinen der Region HS - Hilssandstein (Kreide)
-Wand; SK - Sudmerberg Kalkstein (Kreide) - Sockel;
WS - Roter Wesersandstein (Trias) - Fenster- und Tür-
einfassungen [Foto: Schroeder]
S <W1 << Abb. 11 Tübingen, Pfeiler am unteren Schloss-
tor, Relief mit „Nike“, der griechischen Göttin des
Sieges - Nachbildung von G. Feldmann 2009 KG
v
G - Gönninger Kalktuff (Kalkstein, Quartär) S - Schönbuch-
sandstein (Trias) We - Wendelsteiner (= Schilf-) Sandstein NI
(Trias) W1 / W2 Weiler Sandstein, Varianten 1 + 2 (Trias)
[Foto: Schroeder]
< WM >
>> Abb. 13 Wunsiedel, Fichtelgebirgshallle >>> WM
erbaut 1992 - 1994, Foyer mit Freitreppe - KG - Kös- WM
W2
seine Granit (Karbon, Fußboden) , NI - Nero Impala
20 cm (Gabbro, Präkambrium) WM - Wunsiedler Marmor
G (Kambrium, Treppenstufen und Pfeiler des „Geländers“) KG
We [Foto: Roth]
<< Abb. 14 Hof, Kugelbrunnen
auf dem Oberen Torplatz,
errichtet 1986,
Künstler: C. Meier
MR - Multicolor Red
(Gneis, Präkambrium)
EG - Epprechtstein Granit
MR (Karbon) [Foto. Poschlod]
MR
15 - 2
OS
Abb. 21 Berlin 2009 - Pariser Platz: Die Geolo- Abb. 22 Berlin 2009 - Steinmetzmeister
gin G. Schirrmeister zeigt die Steine im Pflas- Seubert zeigt in seiner Werkstatt die
ter an historischen und neuen Bauten. [Foto: Marotz] Bearbeitung von Steinen [Foto: Schirrmeister] 23 - 2
14