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07.06.

2021

VO
030777
Grundlagen der Kriminologie

Elfte Einheit am 7. 6. 2021


Ass.-Prof.in Mag.a Dr.in Katharina Beclin

Erinnerung an Prüfungsanmeldung

 1. Prüfungstermin 21.6.2021
(13:00 Uhr – 13:40 Uhr, netto 25 Minuten)

 Anmeldung ab sofort über den Link zum


Prüfungstermin im Vorlesungsverzeichnis
möglich! (eine eventuelle Abmeldung ist bis
knapp vor der Prüfung möglich)

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07.06.2021

Zur Prüfung!

 Der 2. Prüfungstermin wird im Oktober in nach


der Prüfungswoche, also wahrscheinlich in der
zweiten Oktoberwoche stattfinden.
 Der genaue Termin kann erst im September
bekannt gegeben werden(über moodle, bzw. im
VO-Verzeichnis)
 Voraussichtlich auch online – es sei, denn das ist
nicht mehr zulässig, was ich nicht glaube.

Zur Prüfung!

 Sie können frei wählen, ob Sie beim ersten


oder zweiten Termin erstmals antreten!

 Negative Noten bleiben in UNIVIS ersichtlich,


es gilt aber immer die letzte. (Es ist also auch
eine Verschlechterung bei neuerlichem Antritt
möglich!)

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„Umweltkriminalität“

Bedeutung von Umweltkriminalität

 Die Bedeutung der Umweltkriminalität wurde


erst verhältnismäßig spät erkannt:
 Reakterunglück von Tschernobyl (26.4.1986) bis
1998 12.000 Todesopfer; immer noch Krebs-
Erkrankungen; in Österreich tw. noch erhebliche
Belastungen des Bodens!
 1984: Luftverschmutzungskatastrophe von

Bhophal: 3000 Tote, tausende erblindet, 100.000


Verletzte.
 In Österreich: HCB-Skandal in Kärnten

 Altlasten
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Definition von Umweltkriminalität

 Die Umweltkriminalität umfasst Handlungen, die


gegen Normen verstoßen, die dem Schutz der
Umwelt im weiteren Sinne dienen und die
entweder strafrechtlich abgesichert sind oder doch
so gravierend sind, dass eine strafrechtliche
Sanktionierung sinnvoll erscheinen könnte.

 Großteils Überschneidungen mit dem


Wirtschaftsstrafrecht!

Maßnahmen gegen Umweltkriminalität

Um die Anzeigebereitschaft zu mobilisieren


wurde 2002 wurde beim BK (Bundeskriminalamt)
eine „Meldestelle Umweltkriminalität“
eingerichtet:

Meldestelle Umweltkriminalität
 Telefax: +43-(0)1-24836-951136
 E-Mail: umwelt@bmi.gv.at

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„Umweltkriminalität“ –
Umfang aus der Sicht der Praxis

Beispiel: Zuständigkeit der Meldestelle für


Umweltkriminalität (Quelle: Homepage des
Bundeskriminalamts, Stand 7.6.2021,
https://bundeskriminalamt.at/602/start.aspx)
 Straftaten gegen die Umwelt (Boden-, Luft- oder
Wasserverunreinigungen)
 illegale Abfalllagerungen oder –transporte
 Kurpfuscherei („Wunderheiler“)
 Tierquälerei oder den illegalen Besitz oder Handel von geschützten
Tieren oder Pflanzen
 Gefährdung von Menschen durch den unerlaubten Umgang mit
radioaktiven Stoffen, durch Brandstiftung, übertragbare
meldepflichtige Krankheiten sowie durch illegal hergestellte
gesundheitsgefährdende Lebensmittel
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Maßnahmen gegen Umweltkriminalität


 Kriminalisierung verdeutlicht hohen Unwert
 Abschreckende Wirkung hängt aber vor allem von
 der Wahrscheinlichkeit ab, mit der ein Verstoß entdeckt

und angezeigt wird


 bzw. mit der eine Sanktion verhängt wird.

 Im Bereich der Verbandsverantwortlichkeit kann auch


die Höhe der Strafe entscheidend sein, da es hier
durchaus zur Abwägung von Vor- und Nachteilen einer
Rechtsverletzung kommen kann.

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Maßnahmen gegen Umweltkriminalität

Um die Ermittlungen effektiver zu gestalten:


 bei Polizei (bzw. ehemals noch Gendarmerie) gab
es speziell ausgebildete Umweltsachbearbeiter
sowie österreichweit rund 600
umweltkundige Organe, die bei Verdacht ein
Verfahren einleiteten;
 Umwelt-Spezialist*innen der Exekutive arbeiten mit
den Beamt*innen des Umweltministeriums und des
Umweltbundesamtes zusammen, etwa im Bereich
der Abfallkontrolle oder bei der Durchsetzung des
Washingtoner Artenschutzabkommens
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Straftatbestände der Umweltkriminalität

Siehe die §§ 180 bis 183b StGB


 Vorsätzliche und fahrlässige Beeinträchtigung der
Umwelt;
 Schwere Beeinträchtigung durch Lärm
 Vorsätzlicher / fahrlässiger umweltgefährdender
Umgang mit Abfällen
 Grob fahrläss. umweltgefährdendes Betreiben von
Anlagen
 Schädigung des Tier- und Pflanzenbestandes bzw.
Von Lebensräumen
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Straftatbestände der Umweltkriminalität

Aber auch andere Tatbestände, wie


 § 171 /172 StGB Vorsätzliche oder fahrlässitge
Gefährdung durch Kernenergie oder ionisierende
Strahlen

 Vorsätzliche und fahrlässige Gemeingefährdung

 Unerlaubter Umgang mit Kernmaterial oder Stoffen,


die zum Abbau der Ozonschicht beitragen
 ….

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Verurteilungen wegen
Umweltkriminalität?
Sicherheitsbericht 2014
(„Bericht über die Tätigkeit der Strafjustiz“, S. 44)
 2014 kam es nur zu 8 Verurteilungen wegen eines
Umweltdelikte
 Davon entfielen 6 auf § 181b StGB (Vorsätzliches
umweltgefährdendes Behandeln und Verbringen von
Abfällen)
 In den Jahren davor gab es 13 (2012)
bzw. 12 (2013) Verurteilungen.
Neben § 181b StGB spielten noch die §§ 180 u. 181 StGB
(Vorsätzliche u. fahrlässige Beeinträchtigung der Umwelt) mit
7 bzw. 5 Verurteilungen in den letzten drei Jahren eine
nennenswerte Rolle.
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Verurteilungen wegen
Umweltkriminalität?
Sicherheitsbericht 2019
(„Bericht über die Tätigkeit der Strafjustiz“, S. 64)
 2019 kam es nur zu 6 Verurteilungen wegen eines
Umweltdelikte
Davon entfielen 2 auf § 181b StGB (Vorsätzliches
umweltgefährdendes Behandeln und Verbringen von
Abfällen)
 2018 gab es 9
 2017 7 Verurteilungen.
Neben § 181b StGB spielten noch die §§ 180 u. 181 StGB (Vorsätzliche u.
fahrlässige Beeinträchtigung der Umwelt) sowie § 182 („Andere
Gefährdungen des Tier oder Pflanzenbestandes) eine nennenswerte Rolle.17

Andere Instrumente der


Umweltkriminalität

 Informelles Staatshandeln, insb.


Öffentlichkeitsarbeit;
 Marktwirtschaftliche Instrumente: z.B.
ökonomische Anreize, Umweltabgaben,
Finanzierungshilfen, Vergaberecht;
 Administrative Kontrollinstrumente, wie
Genehmigungsverfahren oder
Umweltverträglichkeitsprüfung;

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Geltende EU-Richtlinie:

 RICHTLINIE 2008/99/EG DES EUROPÄISCHEN


PARLAMENTS UND DES RATES
vom 19. November 2008 über den
strafrechtlichen Schutz der Umwelt
 Demnach sind folgende rechtswidrige Handlungen, die
vorsätzliche oder grob fahrlässig begangen wurden,
jedenfalls mit „wirksamen, angemessenen und
abschreckenden strafrechtlichen Sanktionen“ unter
gerichtliche Strafandrohung zu stellen, und zwar auch die
Anstiftung und Beihilfe zu diesen Handlungen:
(vgl. die Art 3,4 und 5 der RL)
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RICHTLINIE 2008/99/EG DES


EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND
DES RATES

Beispiele
für gem Art 3 der RL unter Strafe zu stellende Handlungen:
 „die Einleitung, Abgabe oder Einbringung einer Menge von Stoffen oder
ionisierender Strahlung in die Luft, den Boden oder das Wasser, die den
Tod oder eine schwere Körperverletzung von Personen oder erhebliche
Schäden hinsichtlich der Luft-, Boden- oder Wasserqualität oder an Tieren
oder Pflanzen verursacht oder verursachen kann“

 Unter gleicher Gefährdungslage wird auch rechtswidrige


Abfallbewirtschaftung unter Strafe gestellt sowie der Betrieb gefährlicher
Anlagen.

 Aber z.B. auch die Tötung, die Zerstörung, der Besitz oder die Entnahme
von Exemplaren geschützter, wildlebender Tier- oder Pflanzenarten.

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RICHTLINIE 2008/99/EG DES


EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND
DES RATES

Art 7 verlangt Sanktionen gegen juristische Personen. Die


Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um
sicherzustellen, dass gegen im Sinne von Artikel 6
verantwortliche juristische Personen wirksame,
angemessene und abschreckende Sanktionen verhängt
werden können.

„Verbandsverantwortlichkeit“

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Aktuelle Bemühungen auf EU-Ebene

 EU-Regeln zur Umweltkriminalität sollen


überarbeitet werden:
 In Vorbereitung dafür gab es Konsultation im
Vorfeld die interessierte Öffentlichkeit.
 Bis Ende 2021 soll Entwurf einer neuen
Richtlinie vorliegen.

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Wirksamer als Strafrecht?

 Schadenersatzleistungen, ev. als


Gefährdungshaftung
https://www.dw.com/de/shell-muss-nigerianische-
bauern-entsch%C3%A4digen/a-56382897

 Stichwort: Lieferkettenverantwortung

 „Klimaklage“

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„Organisierte Kriminalität“

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Definition von „Organisierter Kriminalität“?

Auch hier keine einheitliche Definition!


Hans Joachim Schneider verweist im Internationalen
Handbuch für Kriminologie auf Jay S. Albanese
(2004, 4), der durch Vergleich verschiedener
Definitionen die am häufigsten verwendeten
Definitionselemente ermittelt hat:
 Beständige hierarchische Struktur (16x)
 Profit durch Verbrechen (13x)
 Gewalt und Drohung (12x)
 Korruption, um Immunität zu erlangen (11x)
 Öff. Nachfrage nach illegalen Diensten (7)
 Monopol in speziellem Markt ( 6)

Definition nach Jay S. Albanese

„ Organisiertes Verbrechen ist ein beständiges

kriminelles Unternehmen, das rationell darauf abzielt,


durch illegale Aktivitäten, die häufig nachgefragt

werden, Profit zu erzielen. Seine Existenz wird durch

Gewaltanwendung, Bedrohungen, Monopolstellung


und /oder Korruption öffentlicher Bediensteter

aufrecht erhalten. “

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Hinweise (Marker) für „Organisierte Kriminalität“

 Organisierte Kriminalität bleibt meist im


Dunkelfeld

 Hinweise auf ihr Vorliegen (nach :


 Wahrgenommene OK
 Instrumentelle Gewalt
 Hochgradige Korruption
 Geldwäsche
 Ausmaß der Schattenwirtschaft
 Hohe Zahl unaufgeklärter Morde

Definition der “Kriminelle Organisation“


im Strafgesetzbuch
§ 278a. Wer eine auf längere Zeit angelegte
unternehmensähnliche Verbindung einer größeren Zahl von
Personen gründet oder sich an einer solchen Verbindung
als Mitglied beteiligt (§ 278 Abs. 3),
 1. die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die
wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender
strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche
Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder
schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen
Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten
Verkehrs mit Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stoffen,
gefährlichen Abfällen, Falschgeld oder Suchtmitteln ausgerichtet ist,

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Definition der “Kriminelle Organisation“


im Strafgesetzbuch
 ..... (siehe oben!)
 2. die dadurch eine Bereicherung in
großem Umfang anstrebt und
 3. die andere zu korrumpieren oder
einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise
gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen
sucht,
 ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu
fünf Jahren zu bestrafen. § 278 Abs. 4 gilt
entsprechend.

§ 278 Abs 4 StGB besagt:

„Hat die Vereinigung zu keiner strafbaren Handlung der


geplanten Art geführt, so ist kein Mitglied zu bestrafen, wenn
sich die Vereinigung freiwillig auflöst oder sich sonst aus ihrem
Verhalten ergibt, dass sie ihr Vorhaben freiwillig aufgegeben
hat. Ferner ist wegen krimineller Vereinigung nicht zu bestrafen,
wer freiwillig von der Vereinigung zurücktritt, bevor eine Tat
der geplanten Art ausgeführt oder versucht worden ist; wer an der
Vereinigung führend teilgenommen hat, jedoch nur dann,
wenn er freiwillig durch Mitteilung an die Behörde (§ 151
Abs. 3) oder auf andere Art bewirkt, dass die aus der Vereinigung
entstandene Gefahr beseitigt wird.“

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§ 278 StGB „Kriminelle Vereinigung“

 § 278. (1) Wer eine kriminelle Vereinigung gründet oder sich an


einer solchen als Mitglied beteiligt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren zu bestrafen.
 (2) Eine kriminelle Vereinigung ist ein auf längere Zeit angelegter
Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf
ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der
Vereinigung ein oder mehrere Verbrechen, andere erhebliche
Gewalttaten gegen Leib und Leben, nicht nur geringfügige
Sachbeschädigungen, Diebstähle oder Betrügereien, Vergehen nach
den §§ 104a, 165, 177b, 233 bis 239, 241a bis 241c, 241e, 241f,
283, 304 oder 307, in § 278d Abs. 1 genannte andere Vergehen
oder Vergehen nach den §§ 114 Abs. 1 oder 116 des
Fremdenpolizeigesetzes ausgeführt werden.

§ 278 StGB „Kriminelle Vereinigung“

 (3)Als Mitglied beteiligt sich an einer kriminellen


Vereinigung, wer im Rahmen ihrer kriminellen
Ausrichtung eine strafbare Handlung begeht oder
sich an ihren Aktivitäten durch die Bereitstellung von
Informationen oder Vermögenswerten oder auf
andere Weise in dem Wissen beteiligt, dass er
dadurch die Vereinigung oder deren strafbare
Handlungen fördert.
 (4) siehe oben!

Die Strafbarkeit setzt also ein, bevor überhaupt eine Straftat


versucht wurde!

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Entstehungsbedingungen von OK

 Fehlendes Vertrauen in staatliche AkteurInnen

 Mangelnde soziale Absicherung

 „Schwarzmarkt“

 Korruptionsanfälligkeit von BeamtInnen

 Geld- und Machtgier (?)

Beispiel für OK:

„Menschenhandel“

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Was versteht man unter Ausbeutung


und „Menschenhandel“?

 Definition von „Menschenhandel“?


 Wo beginnt Ausbeutung?
 Abschreckung durch gerichtliche
Strafdrohungen?
 Welche Unterstützung brauchen
Betroffene?
 Welche Maßnahmen könnten präventiv
wirken?

Was ist strafwürdiger „Menschenhandel“? –


Definition laut „Palermo Protokoll“

Erst 2000, im UN Menschenhandels-Protokoll


(Protokoll zur Verhütung, Unterdrückung und
Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des
Frauen- und Kinderhandels, in Ergänzung der UN
Konvention gegen die grenzüberschreitende
organisierte Kriminalität)

erfolgte eine Einigung auf folgende Definition (in Art 3):

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Definition „Menschenhandel“
„Menschenhandel meint die Anwerbung, Beförderung,
Verbringung, Beherbergung oder den Empfang von Personen
durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderer
Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung,
Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer
Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von
Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses
einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum
Zweck der Ausbeutung. …“

Der (gerichtliche)
Straftatbestand Menschenhandel
in § 104a Strafgesetzbuch (StGB)

… orientierte sich an der Definition des


UN-Menschenhandelsprotokolls

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Menschenhandel § 104a StGB.


§ 104a StGB (Abs 1)
Wer eine volljährige Person
mit dem Vorsatz, dass sie ausgebeutet werde (Abs. 3),

unter Einsatz unlauterer Mittel (Abs. 2) gegen diese Person

anwirbt, beherbergt oder sonst aufnimmt, befördert oder


einem anderen anbietet oder weitergibt,
ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren

zu bestrafen.

Menschenhandel § 104a StGB.


(Abs 2) Unlautere Mittel sind der Einsatz von Gewalt oder
gefährlicher Drohung, die Täuschung über Tatsachen, die
Ausnützung einer Autoritätsstellung, einer Zwangslage,
einer Geisteskrankheit oder eines Zustands, der die Person
wehrlos macht, die Einschüchterung und die Gewährung
oder Annahme eines Vorteils für die Übergabe der
Herrschaft über die Person. [Bei minderjähr. Opfern ist
unlauteres Mittel nicht Voraussetzung für Strafbarkeit!]

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Menschenhandel § 104a StGB


§ 104a StGB …
(3) Ausbeutung umfasst die sexuelle Ausbeutung, die
Ausbeutung durch Organentnahme, die Ausbeutung der
Arbeitskraft, die Ausbeutung zur Bettelei sowie die
Ausbeutung zur Begehung mit Strafe bedrohter
Handlungen.

(Abs 4) Qualifikationen (kriminellen Vereinigung,


schwere Gewalt, Lebensgefahr oder besonders
schwerer Nachteil)

Menschenhandel § 104a StGB

§ 104a StGB …
(5) Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren ist
auch zu bestrafen, wer eine minderjährige Person mit
dem Vorsatz, dass sie ausgebeutet werde (Abs.3),
anwirbt, beherbergt oder sonst aufnimmt, befördert
oder einem anderen anbietet oder weitergibt.

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Menschenhandelsdelikt:
drei Elemente (bei erwachsenen Opfern)

 Handlung (z.B. Anwerbung, Beförderung,


Verbringung)
 Mittel (z.B. die Anwendung von Gewalt,
Betrug, Täuschung) und
 Vorsatz auf Ausbeutung (z.B. in der
Prostitution, in der Haushaltsarbeit,
Bauindustrie, Straßenbettelei etc.)

rechtliche Schwächen
des Straftatbestandes
 knüpft nicht an die eigentlich verwerfliche
Handlung an, sondern an an sich
„wertneutrale“ Handlungen

 „erweiterter Vorsatz“ bei arbeitsteiliger


Organisation sehr schwer nachweisbar

 Es gibt nach wie vor


kein allgemeines Ausbeutungsdelikt, insb.
nicht, wenn Inländer betroffen sind!

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faktische Schwächen
der Strafverfolgung
 Opfer als „Mittel zum Zweck“

 Aufenthaltsrecht grundsätzlich nur für und


solange ein Strafverfahren anhängig ist

 „Erholungs- und Bedenkzeit“, die laut


Europaratskonvention schon bei Verdacht
verpflichtend zu gewähren wäre, wird
einschränkend ausgelegt und ist nicht
gesetzlich verankert

Zuständigkeit im Bundeskriminalamt
liegt beim Schlepperwesen

 Engagierter Leiter der Abteilung,


aber Mittel ungleich verteilt
 Politischer Wille? Vgl. Praxis des BFA bei
Abschiebungen; Abschiebungen sind
wichtiger als Menschenrecht?
 Geschichte des Schleppereitatbestandes!
 Zurückhaltend Gewährung von Rechten an
Opfer von MH aus Angst vor „Pulleffekt“?

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Schlepperei   Menschenhandel
 Wo liegen die Unterschiede?
 Schlepperei geschieht grundsätzlich im Interesse der
geschleppten Person

 Menschenhandel geschieht mit dem Ziel der Ausbeutung der


betroffenen Person

 Worin besteht der Zusammenhang?


 Seit der Kriminalisierung der Schlepperei wird diese fast nur noch
von kriminellen Organisationen angeboten, die nicht aus Humantität,
sondern aus Gewinnstreben handeln und sich das Risiko der Bestrafung
abgelten lassen; Wer nicht genügend Geld hat, gerät in
„Schuldknechtschaft“ und muss die Schulden im Zielland oft unter
ausbeuterischen Bedingungen abarbeiten.

Ausbeutung
 Zur Verwirklichung des Straftatbestandes
Menschenhandel ist Ausbeutung gar nicht
erforderlich, vielmehr reicht der Vorsatz, dass es
(später) zu einer Ausbeutung kommen könne.

 Ausbeutung als solche ist nur sehr eingeschränkt


gerichtlich strafbar, nämlich,
 wenn die Ausgebeuteten Ausländer sind (FPG oder AuslBG)
oder
 wenn die Ausbeutung im Zuge der Zuhälterei (§ 216 StGB)
stattfindet.

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Die Begriffe
„Ausnützen“ und „Ausbeuten“

 Vgl Pallin,
WK (Wiener Kommentar) zu § 216 StGB Rn 3a und 3b

 Ausnützen einer Prostituierten liegt demnach vor,


wenn der Täter für empfangene materielle Vorteile
keine oder nur eine unverhältnismäßig geringe
Gegenleistung erbringt. (Wie bewertet man den Wert des
„Schutzes“ im Rotlichtmilieu? / Geschenke / Ehe kein Hindernis)
 Ausbeutung: rücksichtloses, mit erheblichem Nachteil
für das Opfer verbundenes finanzielles Ausnützen

Entwicklung der Tatverdächtigenzahlen


(§ 104a StGB)
(§ 217 StGB)

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Wie erfolgreich ist Strafverfolgung?

Menschenhandel Zuhälterei Grenzüberschreitender „Ausbeutung


Prostitutionshandel eines Fremden“

Hauptproblem:
Identifizierung der Opfer
 Opfer werden oft nicht als solche erkannt,
sondern nur nach dem Fremdengesetz
„beamtshandelt“ oder wegen Diebstahls oder
Urkundendelikten strafrechtlich verfolgt.

 Es braucht noch mehr Schulungen für


betroffene Berufsgruppen und
Bewusstseinsbildung.

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Manche Opfer begeben sich (oder ihre


Angehörigen) mit Aussage in Gefahr

 Angst vor Vergeltung


 Angst, keinen Job mehr zu erhalten
 Angst vor Abschiebung und Ausgrenzung im
Heimatland
 zu kurze „Erholungsphase“ bzw. Bedenkzeit
 kein gesichertes Aufenthaltsrecht
 Unterstützungseinrichtungen
sind teilweise nicht ausreichend bekannt

Andere Opfer sehen sich selbst gar


nicht als Opfer

 Keine alternative Einkunftsmöglichkeit oder


soziale Absicherung
 daher solidarisch mit Arbeitgeber
 Beruf in Sexarbeit zum Teil bewusst gewählt
– z.B. wegen der Arbeitszeiten oder des
relativ hohen Einkommens ohne Ausbildung
und ohne Sprachkenntnisse

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Menschenrechtsbasierter
Zugang wichtig
Vorgaben der Europaratskonvention gegen
Menschenhandel:
 „Erholungsphase“ bzw. Bedenkzeit ist allen
potentiellen Opfern von Menschenhandel zu
gewähren, damit sie sich erholen und eine
fundierte Entscheidung treffen können, ob sie
mit den (Strafverfolgungs-)Behörden
kooperieren wollen
 Zugang zu einem Aufenthaltsrecht
 Unterstützung der Opfer im Vordergrund

Österreichische Einrichtungen zur


Bekämpfung von Menschenhandel

Auf politischer Ebene:


 Task-Force Menschenhandel
koordiniert vom Ministerium für europäische und
internationale Angelegenheiten
 ECPAT gegen Kinderhandel
 FRA – die Europäische Grundrechtsagentur
 IOM – International Organisation for Migration
Österreich

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Österreichische Einrichtungen zur


Bekämpfung von Menschenhandel

Einsatz zur Unterstützung Betroffener


 LEFÖ-IBF Interventionsstelle für Betroffene von
Frauenhandel
 MEN-VIA zur Unterstützung männlicher Betroffener
 Die „Kinderdrehscheibe“ (nur ca. 10% MH-Opfer?)
 Herzwerk – eine Einrichtung der Diakonie
 Solwodi …
zur Betreuung von Frauen, die nicht Anzeige
erstatten können / wollen
 KAVOD (aufsuchende Sozialarbeit)

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