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2011, Heft 11

738 Rechtsprechung ± Korrespondenz November

¹RaÈume`` Ausnahmen zulaÈssig waren (¹Raucherzim- den BegriffsverstaÈndnis des (historischen) Gesetzgebers
mer``). (¹Raucherzimmer``; ¹Raucherraum``) ist ± bezogen auf
Durch die Novelle BGBl I 2004/167 wurde in § 13 Abs 1 den Beschwerdefall ± davon auszugehen, dass eine bauli-
TabakG ein grundsaÈtzliches Rauchverbot in RaÈumen oÈf- che ¹Trennung`` bloû durch Unterbringung von Raucher-
fentlicher Orte festgelegt, mit der gleich lautenden Aus- und Nichtraucherbereichen in unterschiedlichen Ge-
nahmeregelung in Abs 2 und der Herausnahme der Be- schoûen, ohne dass eine bauliche Abtrennung des Rau-
triebe des Gastgewerbes vom allgemeinen Verbot des cherraumes von den uÈbrigen Bereichen des Betriebes be-
Abs 1 (§ 13 Abs 4 TabakG idF der Novelle BGBl I 2004/ steht, auch bei Vorhandensein von getrennten LuÈftungs-
167). anlagen dem Erfordernis des § 13a Abs 2 TabakG nicht
Die Novelle BGBl I 2008/120 schlieûlich dehnte das entspraÈche.
Rauchverbot auch auf RaÈume der Gastronomie aus, in- Gegen dieses Ergebnis kann auch nicht eingewendet
dem die Ausnahmeregelung fuÈr Gastronomiebetriebe in werden, dass dann kein Anwendungsbereich mehr fuÈr
§ 13 Abs 3 TabakG aF aufgehoben und mit § 13a Abs 1 die weitere Voraussetzung des § 13a Abs 2 TabakG (¹ge-
TabakG ein ausdruÈckliches generelles Rauchverbot in waÈhrleistet..., dass der Tabakrauch nicht in die mit
Gastronomiebetrieben festgelegt wurde, wobei wiederum Rauchverbot belegten RaÈumlichkeiten dringt``) bliebe.
in Abs 2 die in Rede stehende AusnahmemoÈglichkeit nor- Vielmehr ist die vollstaÈndige bauliche Abtrennung des
miert ist. Raucherraumes notwendige, aber nicht ohne weiteres
Vor dem genannten Hintergrund, insb dem Begriffsin- hinreichende Bedingung, um dem § 13a Abs 2 TabakG
halt ¹Raum`` und dem aus den Materialien hervorgehen- zu entsprechen.

Korrespondenz
DOI 10.1007/s00503-011-0067-0

Univ.-Ass. Dr. Marcus Klamert, M.A., Wien einer Liberalisierung des oÈsterr Zugabenrechts, schnell
zur Wirkung zu verhelfen.
Richtlinienkonforme teleologische Reduktion bis
zur Gegenstandslosigkeit ± Methodologische An- B. Sachverhalt und Entscheidung des OGH
merkungen zur Zugabenverbot-Entscheidung des
OGH 4 Ob 208/10g*) Im Ausgangsverfahren standen sich zwei Medienunter-
nehmen gegenuÈber. Die Bekl hatte uÈber neun Tage in ih-
A. Einleitung rer Zeitung die Wahl eines ¹Fuûballers des Jahres`` ange-
Die Wirkung von Unionsrichtlinien im innerstaatli- kuÈndigt, die Leser zum Mitmachen bei der Wahl aufge-
chen Recht zaÈhlt wohl zu den schwierigsten Bereichen fordert und ein Abendessen mit dem Sieger der Wahl
im Recht der EU. Dies einerseits auf Grund der teilweise ausgelobt. Die Kl sah darin eine verbotene Zugabe gem
nur schwer nachvollziehbaren Rsp des EuGH im Grenz- § 9a Abs 1 Z 1 UWG 2). Im Zuge des Verfahrens wurde
bereich zwischen direkter Wirkung und richtlinienkon- vorgebracht, dass diese Bestimmung gegen die RL 2005/
former Auslegung nationalen Rechts. Vor allem aber 29/EG uÈber unlautere GeschaÈftspraktiken (RL-UGP)
auch, weil die Umsetzung von Richtlinien die Anwen- verstoûe und daher unanwendbar sei. Nach divergieren-
dung des gesamten, nationalstaatlich zur VerfuÈgung ste- den Urteilen der ersten und der zweiten Instanz im Si-
henden Instrumentariums fordert, von (rechtzeitiger und cherungsverfahren leitete der OGH ein Vorabentschei-
richtiger) Umsetzungsgesetzgebung bis zu allen Formen dungsverfahren beim EuGH ein. Zu dem in der Folge er-
der Norminterpretation. So scheinen ¹Klassiker`` der gangenen Urteil des EuGH in der Rs Mediaprint gg
OÈ sterreich (EuGH Rs C-540/08) wurde bereits viel ge-
Methodenlehre wie Analogieschluss und teleologische
Reduktion vor diesem Hintergrund geradezu eine Re- schrieben (s etwa Schuhmacher, Das Ende der oÈsterrei-
naissance zu erleben. chischen per-se-Verbote von ¹GeschaÈftspraktiken`` ge-
Der hier besprochene Fall 1) ist ein aktueller Beleg fuÈr genuÈber Verbrauchern, wbl 2010, 612; Haberkamm/
diesen Befund, und gleichzeitig eine Warnung, dass eine KuÈhne, Zugabe, Zugabe! Ist nach dem ¹Fuûballer-des-
Jahres``-Urteil bald alles erlaubt?, O È Bl 2011, 14). Wir
sorgsame methodische Argumentation gerade in diesem
Bereich einzufordern ist. Bei der Herstellung eines richt- koÈnnen uns somit hier auf die Wiedergabe des Resultats
linienkonformen Zustandes muÈssen sich die Gerichte des beschraÈnken. Nach dem EuGH ist, wie auch schon vorher
SpannungsverhaÈltnisses zwischen den Anforderungen erwartet wurde (s Wittmann, EuGH: Zugabenverbot vor
einerseits der NormkonfliktloÈsung mittels des Anwen- dem Fall?, MR 2008, 283), das AnkuÈndigen, Anbieten
dungsvorrangs einer Richtlinie, und andererseits der oder GewaÈhren von Zugaben gegenuÈber Verbrauchern
Normauslegung im Rahmen des nach nationalem Recht nur mehr dann unzulaÈssig, wenn es im Einzelfall gegen
ZulaÈssigen bewusst sein. Die AufloÈsung dieses Span- das Verbot irrefuÈhrender, aggressiver oder sonst unlaute-
nungsverhaÈltnisses durch teleologische Reduktion des rer GeschaÈftspraktiken verstoÈût.
§ 9a Abs 1 Z 1 UWG zum Zugabenverbot in der hier be- Der OGH untersucht zwei Herangehensweisen, diese
sprochenen Entscheidung des OGH ist weder durch das Vorgabe des EuGH im Ausgangsfall umzusetzen. Einer-
Unionsrecht verlangt noch methodisch nach oÈsterr Recht
zu vertreten. Dies durchaus auch vor dem aus pragmati- 2
) Wer im geschaÈftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs (...) in oÈf-
scher Sicht nachvollziehbaren, offenkundigen Bestreben fentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die fuÈr einen
groÈûeren Personenkreis bestimmt sind, ankuÈndigt, daû er Verbrauchern ne-
des OGH, der unionsrechtlich gewuÈnschten Rechtsfolge, ben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (PraÈmien) gewaÈhrt,
oder Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zuga-
ben (PraÈmien) anbietet, ankuÈndigt oder gewaÈhrt (...) kann auf Unterlassung
*) Der Verfasser dankt Univ.-Prof. Michael Potacs, Univ.-Prof. Stefan und Schadenersatz in Anspruch genommen werden. Dies gilt auch dann,
Griller, Mag. Hannes Seidelberger und Mag. Peter Thalmann fuÈr ihre wert- wenn die Unentgeltlichkeit der Zugabe durch Gesamtpreise fuÈr Waren oder
vollen Anmerkungen. Leistungen, durch Scheinpreise fuÈr eine Zugabe oder auf andere Art ver-
1
) OGH 15.2.2011, 4 Ob 208/10g wbl 2011, 221 (W. Schuhmacher). schleiert wird.

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seits mittels einer direkten Wirkung der RL-UGP, anderer- 201/02, Wells, Slg 2004, I-723). Andererseits wurde die
seits mit einer richtlinienkonformen Auslegung des § 9a horizontale Direktwirkung von RL bei VerstoÈûen gegen
UWG. Beides wird unten naÈher eroÈrtert. In der Sache die durch RL begruÈndete Pflicht der Mitgliedstaaten
kommt der OGH zu dem Ergebnis, dass nach der Entschei- zur Notifizierung bestimmter nationaler Regelungen zu-
dung des EuGH die Koppelung des Kaufs einer Ware mit erkannt, mit der Folge der Nichtanwendbarkeit der
einem Gewinnspiel und das damit einhergehende Ausnut- nicht-notifizierten nationalen Norm auch im Rechtsstreit
zen des Spieltriebs der Verbraucher fuÈr sich genommen zwischen Privaten (Rs C-194/94, CIA Security Internatio-
nicht (mehr) unlauter sind. Das Zugabenverbot in § 9a nal, Slg 1996, I-2201).
Abs 1 Z 1 UWG ist nur mehr dann anwendbar, wenn die be- Der OGH beruft sich auf Wells und CIA Security Inter-
anstandete GeschaÈftspraktik im Einzelfall auch nach § 1 national und folgert, ¹dass sich der in Anspruch Genom-
Abs 3 lit a oder b oder nach § 1 Abs 1 UWG idF der mene gegenuÈber dem Staat auf die Unanwendbarkeit von
UWG-Nov 2007 untersagt werden koÈnnte. Die AnspruÈche § 9a Abs 1 Z 1 UWG berufen kann, sodass Unterlas-
der Kl im Verfahren auf Unterlassung und UrteilsveroÈf- sungsgebote nicht mehr zulaÈssig sind; der damit verbun-
fentlichung waren somit nicht erfolgreich. dene Wegfall von UnterlassungsanspruÈchen anderer
Marktteilnehmer waÈre nur eine die unmittelbare Anwen-
C. Anmerkungen dung nicht hindernde, ,negative Auswirkung` ...ª. Diese
Folgerung des OGH zur moÈglichen Direktwirkung der
I. Problemaufriss RL-UGP kann sich jedoch nicht auf die zitierte Rsp des
WaÈhrend die richtlinienkonforme Auslegung immer EuGH stuÈtzen. Als Ausnahmen vom Verbot der horizon-
zur Anwendung einer Norm des nationalen Rechts fuÈhrt, talen Direktwirkung unterscheiden sich die genannten
erlaubt die Direktwirkung hingegen die Berufung auf ein FaÈlle insofern, als es vorliegend weder um ein vertikales
in einer nicht oder fehlerhaft umgesetzten Richtlinie nor- VerhaÈltnis wie in Wells geht, noch um spezifische Notifi-
miertes Recht, vorausgesetzt dieses ist hinreichend be- zierungspflichten wie in CIA Security International. In
stimmt und unbedingt. Vor diesem Hintergrund ist zur beiden FaÈllen war weiters fuÈr den EuGH entscheidend,
SouveraÈnitaÈtswahrung der Mitgliedstaaten die richtli- dass es sich um Verpflichtungen handelte, die einerseits
nienkonforme Auslegung der Direktwirkung vorzuzie- an den Staat adressiert waren (UVP-PruÈfung, Notifizie-
hen (s Klamert, Richtlinienkonforme Auslegung und un- rung), und die andererseits nicht unmittelbar in Zusam-
mittelbare Wirkung von EG-Richtlinien in der Recht- menhang mit einer an einen Dritten adressierten Ver-
sprechung der oÈsterreichischen HoÈchstgerichte, JBl pflichtung standen (vgl Rs Wells Rn 56±58, wo kein sol-
2008, 158 [164 f]). Die richtlinienkonforme Auslegung cher Zusammenhang zwischen UVP-PruÈfung und Be-
hat ein groÈûeres Anwendungsgebiet, da sie grundsaÈtzlich triebseinstellung gesehen wurde). Das IrrefuÈhrungsver-
nicht wie die Direktwirkung auf vertikale Sachverhalte bot in Art 6 und 7 RL-UGP begruÈndet hingegen primaÈr
(Privater gegen Staat) beschraÈnkt ist. Sie ist in horizon- eine Verpflichtung Privater, die AnkuÈndigung oder Ge-
talen Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten zulaÈssig, waÈhrung irrefuÈhrender Zugaben zu unterlassen.
und das Ergebnis der Auslegung kann Privatpersonen Der vorliegende Sachverhalt kann auch nicht in eine
verpflichten oder belasten (s EuGH Verb Rs C-397/01 (zulaÈssige) vertikale Konstellation ¹umgedeutet`` werden.
und C-403/01, Pfeiffer, Slg 2004, I-8835). Eine richtli- WaÈre das Zugabenverbot des § 9a Abs 1 Z 1 UWG nicht
nienkonforme Auslegung kann und soll somit auch dann durch die Mediaprint eingeklagt worden, sondern gem
zur Anwendung kommen, wenn die direkte Einwirkung § 14 UWG durch etwa die BundeswettbewerbsbehoÈrde
einer Richtlinie ins nationale Recht unmoÈglich ist. (BWB), wuÈrde dennoch kein klassischer Fall der erlaub-
Im vorliegenden Fall stehen sich zwei private Unter- ten vertikalen Direktwirkung vorliegen, in dem ein Pri-
nehmen gegenuÈber, dennoch haÈlt der OGH die Direktwir- vater einen in einer nicht umgesetzten RL verbrieften
kung fuÈr zulaÈssig, wendet diese dann konkret jedoch Anspruch gegen den Staat geltend macht. Die RL-UGP
nicht an, sondern legt richtlinienkonform aus, kommt gewaÈhrt ja nicht das Recht Zugaben anzukuÈndigen, son-
dabei aber zu demselben Ergebnis, welches er durch Di- dern ersetzt nur das bisherige, oÈsterr Per-se-Verbot
rektwirkung erzielt haÈtte. Im Folgenden wird untersucht, durch ein IrrefuÈhrungsverbot im Einzelfall. Wohl gleich-
ob eine solche Vorgangsweise unionsrechtlich geboten falls unzulaÈssig waÈre der analoge Fall, wuÈrde sich die
und nationalrechtlich zulaÈssig ist, unter der nachfolgend BWB (¹umgekehrt vertikal``) in einem Verfahren gegen
OÈ sterreich direkt auf das IrrefuÈhrungsverbot der RL-
begruÈndeten Annahme, dass die Direktwirkung im vor-
liegenden Fall zumindest zweifelhaft ist. Des Weiteren UGP stuÈtzen, mit dem Argument, dieses sei durch die
wird generell die Methodik eroÈrtert, welche zur Ermitt- Fortgeltung des § 9a Abs 1 Z 1 UWG nicht korrekt umge-
lung der Voraussetzungen richtlinienkonformer Analo- setzt.
gieschluÈsse und Reduktionen angewendet werden sollte. FuÈr die dem vorliegenden Fall zugrunde liegende Kon-
stellation, in der eine direkte Berufung auf eine Richtli-
nie zwischen Privaten ¹nur`` zu einer Duldungspflicht
II. Direkte Wirkung
(der beanstandeten Zugabe), aber nicht zu einer (neuen)
Der EuGH lehnt grundsaÈtzlich die direkte Anwendung Verpflichtung auf Grundlage der Richtlinie fuÈhrt, gibt
von in Richtlinien normierten Verpflichtungen in Privat- es, soweit ersichtlich, noch keine Rsp des EuGH. Auch
rechtsstreitigkeiten ab, hat dieses von ihm selbst aufge- die Entscheidung in der Rs Marleasing kann hier keinen
stellte Verbot der ¹horizontalen`` Wirkung jedoch in einer eindeutigen Aufschluss geben (Rs 106/89, Marleasing,
Reihe von Entscheidungen relativiert (zu dieser Rsp s Slg 1990, 4135; vgl aber Eilmansberger, JBl 2004, 374;
etwa Eilmansberger, Zur Direktwirkung von Richtlinien Heidinger, Zugabenverbot, quo vadis?, MR 2009, 45
gegenuÈber Privaten, JBl 2004, 283, 364; Klamert, JBl [48]). In Marleasing beantragte ein Unternehmen die
2008, 162). Dies betraf einerseits ¹vertikale`` FaÈlle, in de- NichtigerklaÈrung der GruÈndungsurkunde eines anderen
nen sich als Folge des Anspruchs eines Privaten gegen Unternehmens gestuÈtzt auf spanisches Recht, wonach
den Staat Belastungen fuÈr Dritte ergaben. So geschehen VertraÈge ohne rechtlichen Grund oder mit einem uner-
etwa im Fall Wells, in dem als Konsequenz eines auf eine laubten Grund unwirksam sind. Das beklagte Unterneh-
Richtlinie gestuÈtzten Anspruchs einer Nachbarin gegen men hielt dem eine einschlaÈgige Richtlinienbestimmung
den Staat der Betreiber einer Bergbauanlage mit der Ein- entgegen, welche das Fehlen eines erlaubten Rechtsgrun-
stellung des Betriebes bis zur DurchfuÈhrung einer UVP- des nicht als Nichtigkeitsgrund vorsah. Der EuGH ent-
PruÈfung durch den Staat ¹belastet`` wurde (EuGH Rs C- schied, dass das spanische Recht so ausgelegt werden

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muÈsse, dass die Nichtigkeit der Gesellschaft nur aus den 2009, 273611 [Lorenz]). Nur drei Wochen nach diesem Er-
in der Richtlinie genannten GruÈnden ausgesprochen wer- kenntnis des BGH novellierte der deutsche Gesetzgeber
den durfte. Der EuGH hat hierbei klargemacht, dass den § 439 Abs 4 BGB nach den Vorgaben der einschlaÈgi-
diese Pflicht zur Duldung des Fortbestands des Unter- gen Richtlinie.
nehmens nicht der Direktwirkung geschuldet ist, son- Die deutsche Rechtslage wurde daher innerhalb sehr
dern einer Auslegungsverpflichtung. Marleasing zeigt, kurzer Zeit im Sinne der Transparenz und Rechtssicher-
dass der EuGH auch die Abgrenzung zwischen unzulaÈs- heit bereinigt. Der OGH hingegen versteigt sich zu der
siger Direktwirkung und zulaÈssiger richtlinienkonformer Aussage: ¹Eine Aufhebung durch den Gesetzgeber wuÈrde
Auslegung fallweise verwischt (s auch die aktuellere Ju- allerdings im Ergebnis nichts an der schon durch richtli-
dikatur des EuGH, in der die richtlinienkonforme Ausle- nienkonforme Auslegung ermittelten Rechtslage aÈn-
gung als Instrument zur LoÈsung von Normkonflikten dern.`` Dies ist bereits aus dem Grund unzutreffend, als
konzipiert wird; dazu auch weiter unten, sowie etwa weder unmittelbare Wirkung noch richtlinienkonforme
Roth in Riesenhuber, EuropaÈische Methodenlehre2 Auslegung von einer vollstaÈndigen, klaren und generell
[2010] § 14 Rz 30 und 54 f). Marleasing, auf das sich verbindlichen Umsetzung der Richtlinie in nationales
der OGH nicht beruft, war damit jedoch de iure (wenn Recht dispensieren (Klamert, JBl 2008, 164). Auch aus
auch wohl nicht de facto) kein Anwendungsfall einer Di- dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit, dessen Bedeu-
rektwirkung, und blieb in der Rsp des EuGH ein (viel tung der EuGH sowohl im Rahmen der Richtlinienumset-
kritisierter) Einzelfall. zung als auch der Auslegungsverpflichtung immer betont
Der OGH haÈtte die Frage der direkten Wirkung der (zuletzt etwa EuGH Rs C-12/08, Mono Car Styling, Slg
RL-UGP im gegenstaÈndlichen Fall somit zur Vorabent- 2009, I-6653, Rn 61), erscheint diese Aufforderung an
scheidung vorlegen muÈssen, da hierzu keine gesicherte den Gesetzgeber zur UntaÈtigkeit deplatziert.
Rsp des EuGH besteht. Der Vorlagebeschluss legt nahe, Der OGH kann hier den Gesetzgeber somit nicht aus
dass der OGH hierfuÈr keine Veranlassung sah. In diesem der Pflicht nehmen, und zwar selbst dann nicht, wuÈrde
Beschluss (4 Ob 154/08p) heiût es: ¹Sollte der EuropaÈ- die vom OGH im Wege der Auslegung ermittelte Gegen-
ische Gerichtshof diese Frage [der UnzulaÈssigkeit eines standslosigkeit des § 9a Abs 1 Z 1 UWG uÈberzeugen.
generellen Zugabenverbotes] bejahen, haÈtte der Oberste
Gerichtshof unabhaÈngig vom dann gegenstandslosen IV. Der Wille des Gesetzgebers und richtlinienkonforme
§ 9a Abs 1 Z 1 UWG zu pruÈfen, ob die strittige AnkuÈndi- Analogie und Reduktion nationalen Rechts
gung des Gewinnspiels als irrefuÈhrende, aggressive oder
unlautere ,GeschaÈftspraxis` iSv Art 5 RL-UGP anzuse- Der EuGH verlangt von den Mitgliedstaaten im Sinne
hen ist.`` Der EuGH nimmt dazu nicht Stellung, im Un- des Grundsatzes der A È quivalenz zumindest die Anwen-
terschied zu GA Trstenjak, die in ihren SchlussantraÈgen dung all jener Methoden, die auch fuÈr rein innerstaatli-
im Fall Mediaprint gg O È sterreich erwidert, dass ¹gemaÈû che FaÈlle zur VerfuÈgung stehen. So entschied der EuGH,
der Rechtsprechung des Gerichtshofs jedenfalls gemein- wie bereits im Fall Pfeiffer, kuÈrzlich im Fall Mono Car
schaftsrechtlich nicht gefordert wird, dass nationale Ge- Styling: ¹ErmoÈglicht es das nationale Recht durch die
richte in einem Rechtsstreit zwischen Privaten nationales Anwendung seiner Auslegungsmethoden, eine inner-
Recht, das nicht mit einer Richtlinie vereinbar ist, unan- staatliche Bestimmung unter bestimmten UmstaÈnden so
gewendet lassen`` (SA Trstenjak in Rs Mediaprint gg auszulegen, dass eine Kollision mit einer anderen Norm
OÈ sterreich, Rn 129; missverstaÈndlich hingegen noch die- innerstaatlichen Rechts vermieden wird, oder die Reich-
selbe in den verb Rs C-261/07 und C-299/07, VTB-VAB weite dieser Bestimmung zu diesem Zweck einzuschraÈn-
und Galatea, Slg 2009, I-2949, Rn 61 f). Trstenjak ver- ken und sie nur insoweit anzuwenden, als sie mit dieser
weist stattdessen auf richtlinienkonforme Auslegung Norm vereinbar ist, so ist das nationale Gericht ver-
und Staatshaftung (SA Trstenjak, aaO Rn 129). pflichtet, die gleichen Methoden anzuwenden, um das
Nun sagt der OGH ja, wie erwaÈhnt, dass die direkte in der fraglichen Richtlinie festgelegte Ergebnis zu errei-
Anwendung der RL-UGP voraussetzt, dass keine Ausle- chen (...)`` (Rs Mono Car Styling, Rn 63).
gungsloÈsung moÈglich ist. Dieser vorrangigen Anwendung Der EuGH verlangt damit eine richtlinienkonforme te-
der richtlinienkonformen Auslegung gegenuÈber einer Di- leologische Reduktion, wenn diese nach oÈsterr Recht zu-
rektwirkung ist, wie dargestellt, grundsaÈtzlich zuzustim- laÈssig ist. Nach herrschender oÈsterr Lehre ist in solchen
men. Der OGH vermittelt jedoch den Eindruck, dass die FaÈllen der objektivierte Wille des Gesetzgebers das ent-
behauptete ZulaÈssigkeit der Direktwirkung die gewaÈhlte scheidende Kriterium fuÈr die Beurteilung der ZulaÈssig-
AuslegungsloÈsung, mit der der OGH dann doch die ¹Ge- keit einer Reduktion (s Klamert, JBl 2008, 160 ff mwN).
genstandslosigkeit`` des § 9a Abs 1 Z 1 UWG ¹erreicht``, Die U È bertragung dieser Grenze auf unionsrechtliche
gewissermaûen untermauert. Sachverhalte stellt nun jedoch ein Problem dar, wenn
Im Folgenden wird angenommen, dass eine Direktwir- der Wille des nationalen (Umsetzungs-)Gesetzgebers in
kung im vorliegenden Fall nicht zulaÈssig ist, wie dies auch einem Wechselspiel steht mit dem Willen des Unionsge-
bei GA Trstenjak anklingt. Wie ausgefuÈhrt, haÈtte der OGH setzgebers und der (nachtraÈglich ¹korrigierenden``) Judi-
ohne Vorabentscheidung des EuGH zu dieser konkreten katur des EuGH. Diese Problematik zeigt sich im vorlie-
Frage nicht von einer Direktwirkung ausgehen duÈrfen. genden Fall wie folgt.
Drei Aspekte der gegenstaÈndlichen Entscheidung des Zugaben haÈtten urspruÈnglich in einer eigenen Unions-
OGH gilt es hier im Folgenden zu unterscheiden. Verordnung geregelt werden sollen. Aus diesem Grund
findet sich in der RL-UGP nichts zu Zugaben, und der
oÈsterr Gesetzgeber lieû § 9a Abs 1 Z 1 UWG mit der
III. Richtlinienkonforme Auslegung und Bereinigung der
UWG-Nov 2007 unveraÈndert in Kraft. Die genannte VO
Rechtslage
wurde in der Folge nicht erlassen, der EuGH jedoch sub-
Der OGH beruft sich in seiner BegruÈndung der Ausle- sumierte Zugaben, nicht unumstritten, unter die RL-
gung des § 9a Abs 1 Z 1 UWG zentral auf ein Urteil des UGP (s Gamerith, Editorial, O È Bl 2010, 45). Geht man da-
BGH, in welchem dieser § 439 Abs 4 BGB (NacherfuÈl- von aus, dass der oÈsterr Umsetzungsgesetzgeber die Ab-
lung) richtlinienkonform teleologisch reduziert um einen sicht hatte, die RL-UGP nach dem damaligen Wissens-
Anspruch auf Wertersatz fuÈr die Nutzung einer vertrags- stand betreffend ihres zugabenrechtlichen Gehalts um-
widrigen Ware fuÈr den Bereich des VerbrauchsguÈterkaufs zusetzen, ist dieser Fall vergleichbar mit der Entschei-
(BGH, VIII ZR 200/05 ± Quelle II, NJW 2009, 427 = LMK dung des OGH zur entgangenen Urlaubsfreude (OGH

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5 Ob 242/04f, JBl 2005, 581; Klamert, JBl 2008, 169 Eine richtlinienkonforme Reduktion nationalen Rechts
mwN). Dort wurde bekanntlich, und unter der genannten kann als einzige Methode in einem extremen Fall wie
PraÈmisse zulaÈssigerweise, ein Analogieschluss zur Zuer- dem vorliegenden zum Ergebnis der ¹Unanwendbarkeit``
kennung der ErsatzfaÈhigkeit immaterieller SchaÈden bei einer nationalen Norm fuÈhren. Es stellt sich daher die
Reiseveranstaltungen vorgenommen, in Folge eines dies- Frage, weshalb dieses Ergebnis als Direktwirkung unzu-
bezuÈglich klarstellenden Urteils des EuGH. laÈssig, aber als Auslegung geboten sein soll? Der einzige
Der OGH meint im vorliegenden Fall ebenfalls, dass ¹Trost`` fuÈr die Bekl ist hier, dass letztendlich dennoch
der oÈsterr Gesetzgeber das Zugabenverbot aufgehoben nationales Recht zur Anwendung kommt (§ 1 UWG). Dies
oder geaÈndert haÈtte, haÈtte er diese erst durch den EuGH ist aber auch bei der Ausschlusswirkung der normver-
herbeigefuÈhrte Rechtslage gekannt. Anstatt einer Beru- draÈngenden Direktwirkung der Fall (dazu etwa Klamert,
fung auf die erwaÈhnte Entscheidung des 5. Senats zur JBl 2008, 162), und mindert dennoch nicht ihre UnzulaÈs-
Urlaubsfreude ± welche allerdings mangels klarer metho- sigkeit im HorizontalverhaÈltnis, mit Ausnahme der oben
discher AusfuÈhrungen auch nicht sehr hilfreich ist ± dargestellten, sehr spezifischen Rsp zu VerstoÈûen gegen
stuÈtzt sich der 4. Senat des OGH auf die ebenfalls bereits staatliche Notifizierungspflichten.
genannte ¹Quelle IIª-Entscheidung des BGH. Das BGH Der diesbezuÈgliche Vergleich mit dem ¹Quelle II``-Er-
war jedoch alles andere als konsistent in seiner BegruÈn- kenntnis des BGH macht dies deutlich. § 439 Abs 4
dung. Noch im Vorlagebeschluss an den EuGH (16. 8. BGB wurde nicht gegenstandslos durch dessen richtli-
2006, LMK 2006, 199730 [Riesenhuber]) ging er nicht nienkonforme Reduktion. Die Norm wurde tatsaÈchlich
vom Vorliegen einer ¹verdeckten LuÈcke``, und damit der nur reduziert um einen bestimmten Anspruch fuÈr einen
MoÈglichkeit einer teleologischen Reduktion aus. Im Ur- bestimmten Bereich. Nach der vorliegenden Entschei-
teil selbst begruÈndet der BGH die dann doch vorgenom- dung des OGH hingegen, wie der Senat selbst ausfuÈhrt,
men Reduktion des § 439 Abs 4 BGB mit der ausdruÈckli- ¹verliert § 9a Abs 1 Z 1 UWG (...) seine eigenstaÈndige Be-
chen Absicht des deutschen Gesetzgebers, fuÈr die kon- deutung, da sich dasselbe Ergebnis auch unmittelbar auf
krete Regelung richtlinienkonform zu handeln. die Anwendung der allgemeinen Bestimmungen stuÈtzen
Die herkoÈmmliche Grenze fuÈr Rechtsfortbildung, der lieûe; er wird daher, wie der Senat im Vorlagebeschluss
objektivierte Wille des Gesetzgebers, sollte im Anwen- ausgefuÈhrt hat, in der Sache ,gegenstandslos```. § 9a
dungsbereich von Richtlinien in der Tat grundsaÈtzlich Abs 1 Z 1 UWG bleibt somit nicht einmal eine Bedeutung
moÈglichst genau, auf die Umsetzung der konkreten Norm als Konkretisierung der Generalklausel des § 1 UWG.
bezogen, untersucht werden. Nur wenn der Gesetzgeber Dass er in eingeschraÈnktem Zustand, soweit die konkret
den Willen hatte, die konkrete Richtliniennorm umzuset- beanstandete Zugabe auch nach der RL-UGP unzulaÈssig
zen, sollte ein Analogieschluss oder eine teleologische ist, ¹formal`` anwendbar bleibt, wie der OGH meint, ist
Reduktion zulaÈssig sein. Dies kann durchaus auch jene vor diesem Hintergrund nur schwer nachzuvollziehen.
FaÈlle wie den vorliegenden umfassen, in denen es gute Diese ¹Umgehung`` des Verbots der horizontalen Di-
Argumente dafuÈr gibt, dass der Gesetzgeber richtig um- rektwirkung durch Auslegung erscheint im Lichte des
gesetzt haÈtte, waÈre ihm die erst durch den EuGH geklaÈrte Unionsrechts als systemwidrig, da beide genannten
Rechtslage bekannt gewesen. Eine allzu bereitwillige GruÈnde fuÈr die Ablehnung der horizontalen Direktwir-
Annahme eines (abstrakten) Umsetzungswillens des Ge- kung auch gegen die AuslegungsloÈsung ins Treffen ge-
setzgebers hingegen wuÈrde dazu fuÈhren, dass jegliche Di- fuÈhrt werden koÈnnen. Wird hier jedoch eine unionsrecht-
vergenzen der Umsetzungsnorm zu der Richtlinienvorga- liche Verpflichtung zur richtlinienkonformen Reduktion
be ¹korrigiert`` werden koÈnnten. Die Grenze laÈge dann nicht schlagend, ist auf die oÈsterr Auslegungsregeln zu
nur bei einer erkennbar absichtlichen Fehlumsetzung rekurrieren, welche dann nicht unionsrechtlich determi-
(s auch Lorenz, LMK 2009, 273611). niert sind. Nach herrschender oÈsterr Meinung ist solch
eine Interpretation systematisch zu vermeiden, nach der
Diese Differenzierung zwischen einem generellen, all- eine Norm zwecklos, ¹gegenstandslos``, wird, weil sich
gemeinen Umsetzungswillen und einem ¹konkreten`` ihre Rechtsfolge bereits aus einer anderen Norm ergibt
Umsetzungswillen kann man in der Entscheidung des (F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbe-
OGH nur erahnen. Dennoch scheint der OGH dies im griff2 [1991] 444 f). Es kann dem Gesetzgeber nicht zuge-
vorliegenden Fall zumindest im Ergebnis zutreffend be-
sonnen werden, eine sinnlose Norm erlassen zu haben
urteilt zu haben.
(Potacs, Effet utile als Auslegungsgrundsatz, EuR 2009,
465 [473]). Diese Grenze kann mE auch nicht durch den
V. Richtlinienkonforme Reduktion und mangelnde Di- hypothetischen, konkreten Umsetzungswillen uÈberspielt
rektwirkung werden. Das Ausmaû der Reduktion im vorliegenden
Fall, welche § 9a Abs 1 Z 1 UWG keinen Anwendungsbe-
Scheidet eine Direktwirkung aus, wie dies im vorlie- reich mehr laÈsst, uÈberschreitet damit die Grenze der in
genden Fall mangels einer notwendigen Vorabentschei- OÈ sterreich zulaÈssigen, mangels unionsrechtlicher PraÈfor-
dung durch den EuGH angenommen werden kann, sollte mierung alleine maûgeblichen Methodik.
dies auch Auswirkungen auf die DurchfuÈhrung der ¹Er-
satzhandlung`` richtlinienkonforme Auslegung haben. VI. Konklusion
Essentiell ist dabei, sich zu vergegenwaÈrtigen, weshalb
der Anwendungsbereich des letzteren Instruments wie Zweifellos entspricht das Urteil des OGH dem Rechts-
bereits erwaÈhnt weiter ist als jener der Direktwirkung, schutzbeduÈrfnis des Bekl im vorliegenden Fall und setzt
und etwa Private im Ergebnis auch belasten kann: Nur das Richtlinienziel in seiner Interpretation durch den
unter der PraÈmisse, dass eine richtlinienkonforme Ausle- EuGH ohne weitere VerzoÈgerung um. HaÈtte der OGH an-
gung immer die Anwendung nationalen Rechts sowie in ders entschieden und keine Reduktion vorgenommen,
der Regel nationaler Auslegungsmethodik bedingt, wer- waÈre der Bekl auf den in der Praxis sehr wenig aussichts-
den die GruÈnde, weshalb der EuGH die horizontale Di- reichen Staatshaftungsanspruch fuÈr legislatives Unrecht
rektwirkung ablehnt, dh Rechtssicherheit und die Natur verwiesen gewesen. Aus methodischen GruÈnden ist dem
der RL in Abgrenzung von jener der VO, nicht schlagend. Ergebnis jedoch dennoch nicht zuzustimmen. Die be-
Bei einer richtlinienkonformen Reduktion jedoch ver- sprochene Entscheidung legt nahe, dass aus GruÈnden
schwimmen diese Unterschiede signifikant, aus den fol- der Rechtssicherheit nationale Auslegungsgrenzen vor-
genden GruÈnden. rangig beachtet werden muÈssen, wenn die Auslegung na-

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2011, Heft 11
742 Korrespondenz November

tionalen Rechts im Lichte einer Richtlinie exakt dasselbe thodisch vor neue Herausforderungen gestellt. Es sollten
Ergebnis zeitigt, welches mittels einer direkten Einwir- jedoch rechtliche Grenzen bestehen bleiben, wo der
kung der Richtlinie unionsrechtlich nicht zulaÈssig waÈre. pragmatische Zweck der Herstellung von Richtlinien-
Die HoÈchstgerichte der Mitgliedstaaten werden durch konformitaÈt und der Befriedigung eines Rechtsschutzbe-
die Einwirkung von Richtlinien ins nationale Recht me- duÈrfnisses das methodische Mittel nicht mehr heiligt.

DOI 10.1007/s00503-011-0094-x
È ner
RiAA Dr. Stephanie O sein 5). Die Presse steht als ¹public watchdog`` unter be-
sonderem Schutz der MRK, die Freiheit des Journalisten
Die politische Satire im oÈsterreichischen Straf- deckt dabei auch den RuÈckgriff des Verfassers auf einen
und Medienrecht ± Ein Vergleich mit den Vorgaben gewissen Grad der U È bertreibung und Provokation 6),
der MRK/des EGMR wie er ua der Satire inhaÈrent ist.
Bemerkungen zu OGH 8. 5. 2008, 15 Os 6/08h*) Von der Meinungsfreiheit nach Art 10 MRK erfasst
Die E 15 Os 6/08h (15 Os 7/08f) befasst sich anhand der sind auch Meinungen, die beleidigen, schockieren oder
Beurteilung einer VeroÈffentlichung in Form der politi- verstoÈren 7), sodass der beleidigende Charakter einer Ver-
schen Satire eingehend mit der Handhabung kuÈnstleri- oÈffentlichung per se ihren Schutz noch nicht aus-
scher Ausdrucksformen wie Kabarett, Karikatur, Parodie schlieût 8). Dies ist insb im Zusammenhang mit der
und Satire im oÈsterr Straf- und Medienrecht. Sie bietet da- Kunstform der Satire von Bedeutung, hat diese doch
bei einen komplexen U È berblick uÈber den Stand der Rsp zu haÈufig auf Grund ihrer Wirklichkeitsverzerrung und
dieser Thematik, der mit den folgenden Bemerkungen naÈ- UÈ berzeichnung beleidigenden oder herabsetzenden Cha-
her beleuchtet und dabei mit den Vorgaben des EGMR bzw rakter 9). Satirische Darstellungen oder Kommentierun-
der MRK in Beziehung gesetzt werden soll. gen muÈssen sich aber trotz ihrer grundsaÈtzlichen Akzep-
tanz im Rahmen der Kunstfreiheit innerhalb der Grenzen
A. Einleitende Bemerkungen eines in einer demokratischen Gesellschaft akzeptablen
satirischen Kommentars bewegen 10), zumal derjenige,
Die vorliegende Entscheidung befasst sich aus Anlass der die MeinungsaÈuûerungsfreiheit fuÈr sich in Anspruch
des zu beurteilenden Falls hauptsaÈchlich mit der Hand- nimmt, stets auch Pflichten uÈbernimmt, deren Reich-
habung der politischen Satire, nimmt in ihren AusfuÈh- weite sodann von der individuellen Situation und den
rungen jedoch auch auf andere kuÈnstlerische Ausdrucks- verwendeten Mitteln abhaÈngt 11). Aus dieser Formulie-
formen wie Parodie oder Karikatur Bezug, sodass die rung laÈsst sich unschwer erkennen, dass der EGMR fuÈr
entwickelten und untenstehend analysierten GrundsaÈtze die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffs in die
auf diese Kunstformen uÈbertragen werden koÈnnen. Rechte nach Art 10 MRK eine Einzelfallbewertung fuÈr
Den Bemerkungen vorauszuschicken ist zunaÈchst das erforderlich haÈlt, in der die jeweils widerstreitenden
allgemeine BegriffsverstaÈndnis der Satire, das wohl auch Freiheitsrechte gegeneinander abzuwaÈgen sind. Die Frei-
der Entscheidung des OGH zu Grunde lag: Eine Satire ist heit des kuÈnstlerischen Ausdrucks ist somit nicht schran-
demnach eine Kunstgattung (Literatur, Karikatur, Film), ken- und grenzenlos, sondern muss sich stets im Rahmen
die durch U È bertreibung, Ironie und (beiûenden) Spott an der Akzeptanz einer demokratischen Gesellschaft halten.
Personen und Ereignissen Kritik uÈbt, sie der LaÈcherlich- KuÈnstler sind nach Ansicht des EGMR nicht ¹immun``
keit preisgibt, ZustaÈnde anprangert und mit scharfem gegen moÈgliche EinschraÈnkungen des Freiheitsrechts
Witz geiûelt1). Der EGMR versteht im Einklang mit die- iSd Art 10 Abs 2 MRK 12), Eingriffe in ihr Ausdrucksrecht
ser Definition unter Satire eine Form des kuÈnstlerischen muÈssen aber mit besonderer Sorgfalt gepruÈft werden 13).
Ausdrucks und des gesellschaftlichen Kommentars, der
uÈber die ihm innewohnenden Charakteristika der U È ber-
B. Vorgehensweise der Gerichte bei Beurteilung des Be-
treibung und Verzerrung der RealitaÈt zu provozieren deutungsinhalts einer VeroÈffentlichung
und aufzuruÈhren sucht 2).
Satirische VeroÈffentlichungen fallen nach Ansicht des FuÈr die Vorgehensweise der Gerichte bei der Beurtei-
EGMR unter die Kunstfreiheit 3), die jedoch in der MRK lung des Bedeutungsinhalts einer VeroÈffentlichung kann
nicht ausdruÈcklich als eigenstaÈndiges Freiheitsrecht fest- aus der vorliegenden Entscheidung einiges gewonnen
gelegt ist. KuÈnstlerische BetaÈtigung wird dessen unge- werden. Sie wiederholt zunaÈchst den in der Rsp der letz-
achtet seit einem Urteil des EGMR aus dem Jahr 1988 4) ten Jahre durchgehend anzutreffenden Grundsatz, dass
einhellig als Ausdrucksform der persoÈnlichen Meinung es sich bei der Beurteilung des Bedeutungsinhalts einer
und damit als Bestandteil der MeinungsaÈuûerungsfrei- VeroÈffentlichung um eine Tatfrage handelt, die der freien
heit nach Art 10 MRK angesehen, sodass sie von dessen BeweiswuÈrdigung des Gerichts nach § 258 Abs 2 StPO
Schutzbereich erfasst ist. Diese Auffassung vertritt wohl unterliegt 14).
auch der OGH in stRsp, wenn er bei Beurteilung von
kuÈnstlerischen Ausdrucksformen den vom EGMR zu
Art 10 MRK entwickelten GrundsaÈtzen folgt. DaruÈber 5
) Zanger, Karikatur, Satire, Kabarett und Kunstfreiheit, OÈ Bl 1990, 196.
È sterreich freilich auch uÈber Art 17a StGG
6
) EGMR 16.11.2004, Karhuvaara und Iltalehti, Nr 53678/00, NJW 2006,
hinaus ist O 591, Z 40.
zum Schutz der Kunstfreiheit verpflichtet. 7
) So der EGMR in zahlreichen Entscheidungen, ua in EGMR 25.1.2007,
Auch die in der Meinungsfreiheit nach Art 10 MRK Vereinigung bildender KuÈnstler, Nr 68354/01, MR 2007, 124, Z 26.
8
) Vgl dazu OGH 30.10.1991, 1 Ob 4/91 MR 1992, 19.
enthaltene Pressefreiheit kann von der VeroÈffentlichung 9
) Luf/Schinkele, Kommunikationsfreiheit und Schutz religioÈser Ge-
satirischer Kommentare oder Abbildungen beruÈhrt fuÈhle, JRP 2006, 91.
10
) EGMR 22.2.2007, Nikowitz/Verlagsgruppe News GmbH, Nr 5266/03,
MR 2007, 71, Z 26.
11
) EGMR 25.1.2007, Vereinigung bildender KuÈnstler, Nr 68354/01, MR
*) VeroÈffentlicht in diesem Heft der JBl 2011, 723. 2007, 124, Z 26; vgl dazu auch Zanger, aaO 195.
1
) http://www.duden.de/zitieren/10034092/1.6, zuletzt aufgerufen am 12
) EGMR 24.5.1988, MuÈller ua, Nr 10737/84, EuGRZ 1988, 543, Z 34.
22. 8. 2011. 13
) EGMR 25.1.2007, Vereinigung bildender KuÈnstler, Nr 68354/01, MR
2
) EGMR 25.1.2007, Vereinigung bildender KuÈnstler, Nr 68354/01, MR 2007, 124, Z 33.
2007, 124, Z 33. 14
) Vgl dazu ua auch OGH 29.4.2008, 11 Os 124/07f (11 Os 125/07b); RIS-
3
) Berka/HoÈhne/Noll/Polley, MedienG (2002) Vor §§ 28±42 Rz 25. Justiz RS0092588 sowie Ratz, Schutz der freien MeinungsaÈuûerung und
4
) EGMR 24.5.1988, MuÈller ua, Nr 10737/84, EuGRZ 1988, 543. Schutz vor ihr im Straf- und Medienrecht durch den OGH, O È JZ 2007, 952 ff.

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