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Radiologie & Recht

R Ö FO - B E I T R A G 2 | S E I T E 218 - 221 | FE BR UA R 2 0 2 1

Die Entziehung der ärztlichen Approbation


Inhalt

I. Einleitung
II. Feststellung der Unwürdigkeit nach der Bundesärzteordnung
II. Berücksichtigung eines nachträglichen Wohlverhaltens
III. Fazit

I. Einleitung

Häufig sieht sich ein Arzt und gelegentlich ein Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen
Radiologe im Nachgang zu einem Strafverfahren Berufs ergibt. Darüber hinaus kann die Approba-
einem Approbationsentziehungsverfahren vor der tionsbehörde bei einer Erkrankung feststellen,
Approbationsbehörde ausgesetzt – jedenfalls dass der Arzt in gesundheitlicher Hinsicht nicht
dann, wenn das Strafverfahren mit einem Straf- mehr zur Ausübung des Berufs geeignet ist. Die
befehl oder einem Strafe aussprechenden Urteil, Ausübung der ärztlichen Tätigkeit ohne Approba-
also nicht durch einen Freispruch endet. Es muss tion ist untersagt und wird sanktioniert.
gleichwohl nicht zwingend ein strafrechtliches Er-
mittlungsverfahren vorangehen, sofern die Ap-
probationsbehörde Kenntnis von Umständen er- II. Feststellung der Unwürdigkeit nach der
langt, die belegen, dass die Unwürdigkeit oder Bundesärzteordnung
Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen
Berufs eingetreten sein könnte. Besonders aktu- Der Widerruf der Approbation kann aufgrund der
ell ist dabei die Frage, ob SARS-Cov-2-leugnenden Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit eines Arztes
Ärzten die Approbation entzogen werden kann zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit erfolgen.
oder sogar muss. Die Approbationsbehörde ist Nach dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG,
weder die Ärztekammer noch ein ärztliches Be- Beschluss vom 09.01.1991, Az. 3 B 75/90) ist
rufsgericht, vielmehr handelt es sich dabei um zwischen Unzuverlässigkeit und Unwürdigkeit wie
auf Länderebene angesiedelte Verwaltungseinhei- folgt zu unterscheiden:
ten. In einigen Ärztekammerbezirken können die
ärztlichen Berufsgerichte jedoch die Feststellung Der Begriff der „Unzuverlässigkeit” werde im Be-
eines zur Ausübung des Arztberufes unwürdigen rufsrecht durch die Prognose gekennzeichnet, ob
Arztes treffen und damit mittelbar der Approba- der Betroffene in Zukunft seine beruflichen Pflich-
tionsbehörde eine tatsächliche Grundlage für ten zuverlässig erfüllen werde (BVerwG, Buchholz
deren Einleitung eines Prüfverfahrens schaffen. 451.41 § 15 Nr. 3); „Unwürdigkeit“ liege nach
Nach § 5 Abs. 2 S. 1 in Verbindung mit § 3 Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichts-
Abs. 1 Nr. 2 Bundesärzteordnung (BÄO) ist die hofs (Hess. VGH, Beschluss vom 04.03.1985, NJW
Approbation eines Arztes zu widerrufen, wenn der 1986, 2390) bereits vor, wenn der Arzt durch sein
Arzt sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, Verhalten nicht mehr das zur Ausübung des
aus dem sich seine Unwürdigkeit oder ärztlichen Berufs erforderliche Ansehen und

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Vertrauen besitzt. Das BVerwG hält den Widerruf konkreten Fall strafrechtlich geahndet worden sei.
der Approbation wegen Unzuverlässigkeit nur
dann für rechtens, wenn Tatsachen die Annahme In tatsächlicher Hinsicht können zur Feststellung
rechtfertigen, der Arzt werde in Zukunft die be- der Unwürdigkeit die in vorangehenden Strafver-
rufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht fahren gewonnen Erkenntnisse und Beweismittel
beachten; die Rechtfertigung des Widerrufs der berücksichtigt werden. Es ist höchstrichterlich
Approbation wegen Unwürdigkeit sieht es in dem bestätigt, dass sowohl im Fall des Abschlusses
Ansehens- und Vertrauensverlust, hervorgerufen eines Strafverfahrens durch Strafbefehl (BVerwG,
durch das zurückliegende Verhalten des Arztes. Beschlüsse vom 18.08.2011, Az. 3 B 6.11 und
Bereits in seinem Beschluss vom 02.11.1992 (Az. 06.03.2003, Az. 3 B 10.03) wie auch bei der Ver-
3 B 87/92) bestätigte das BVerwG diese Differen- fahrenseinstellung nach §§ 153, 153a StPO (BVer-
zierung und führte aus, dass, ob sich ein Arzt zur fG, Beschluss vom 16.01.1991, Az. 1 BvR
Ausübung des ärztlichen Berufs als „unwürdig“ 1326/90; Urteil vom 26.09.2002, Az. 3 C 37.01;
erwiesen habe, nicht von der Prognose abhänge, Beschluss vom 28.04.1998, Az. 3 B 174.97) eine
ob der Arzt in Zukunft die beruflichen Pflichten eigenständige Überprüfung der in einem staats-
zuverlässig erfüllen werde. anwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren oder
strafgerichtlichen Verfahren gewonnenen Erkennt-
Über die Feststellung der Unwürdigkeit eines Arz- nisse und Beweismittel im Hinblick auf das Vor-
tes hatte zuletzt das Oberverwaltungsgericht liegen der Voraussetzungen des Approbationswi-
(OVG) Lüneburg in seinem Beschluss vom derrufs erfolgen kann. Zwar dürfe allein aus der
15.12.2020 (Az. 8 LA 80/20) zu entscheiden: Verfahrenseinstellung auf dieser Rechtsgrundlage,
die nur mit Zustimmung des Angeschuldigten
Hintergrund des Verfahrens war der Widerruf der bzw. Angeklagten möglich sei, nicht auf die
Approbation wegen des Verordnens von Benzodi- Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der
azepinen ohne medizinische Indikation. Gegen angeklagten Straftaten geschlossen werden. Die
den betreffenden Arzt war im Jahre 2016 wegen Ermittlungsergebnisse der Strafverfolgungsorga-
Untreue zulasten der Krankenkassen ein Strafbe- ne dürfen jedoch von anderen Behörden und Ge-
fehl über eine Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessät- richten in berufsrechtlichen Verfahren selbst aus-
zen ergangen. Die Tagessatzanzahl des Strafbe- gewertet, einer eigenständigen, nachvollziehbaren
fehls unterschritt damit die Grenze der Eintragung Bewertung unterzogen und auf dieser Grundlage
der Geldstrafe in das Führungszeugnis um exakt eine berufsbezogene Zuverlässigkeitsprognose
einen Tagessatz. Nach dem OVG Lüneburg beste- getroffen werden, so das OVG Lüneburg.
he Unwürdigkeit, wenn der Arzt ein Verhalten
gezeigt habe, dass mit dem Berufsbild und den Im Rahmen der Prüfung, ob ein solcher Vertrau-
allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit ensverlust gegeben sei, dürfe, so das Verwal-
eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren sei, tungsgericht (VG) Hamburg in seinem Urteil vom
und er daher nicht mehr das Ansehen und Ver- 23.02.2019 (Az. 17 K 4618/18), kein idealisieren-
trauen genieße, das für die Ausübung des Berufes des Bild des Berufsstandes zugrunde gelegt wer-
unabdingbar sei (BVerwG, Beschluss vom den. Der Approbationswiderruf diene nicht etwa
31.07.2019, Az. 3 B 7/18). Anlass für den Appro- dem Zweck, in der Öffentlichkeit den Eindruck
bationswiderruf könne mit Blick auf den grundge- einer „moralischen Makellosigkeit“ der Ärzteschaft
setzlich gewährleisteten Schutz der Berufsfreiheit aufrechtzuerhalten – auch ein approbierter Arzt
(Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz) und das Verhältnis- unterliege nicht per se überhöhten moralischen
mäßigkeitsgebot nur ein schwerwiegendes Fehl- Anforderungen. Er müsse keineswegs ein
verhalten sein, das geeignet sei, das Vertrauen gleichsam „besserer Mensch“ als der empirische
der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand Durchschnittsbürger sein. Daher sei ein fehlsames
nachhaltig zu erschüttern. Dieses für das Arzt-Pa- Verhalten des Berufsangehörigen, welches von
tienten-Verhältnis konstitutive und für die Ge- der Öffentlichkeit lediglich moralisch missbilligt
sundheitsversorgung der Bevölkerung unerlässli- werde, grundsätzlich kein hinreichender Grund
che Vertrauen in die Integrität der Ärzteschaft für den massiven Grundrechtseingriff des Appro-
würde durch eine fortdauernde Berufstätigkeit von bationswiderrufs (vgl. BVerfG, Beschluss vom
Berufsträgern beeinträchtigt, die sich durch ihr 08.09.2017, Az. 1 BvR 1657/17).
Verhalten eines solchen Vertrauens unwürdig er-
wiesen haben. Nicht erforderlich sei, dass die gra- Anderes gelte nur und erst dann, wenn der Arzt
vierende Verfehlung auch strafbewehrt oder im sich ein Fehlverhalten habe zuschulden kommen

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lassen, das bei wertender Betrachtung das für Abwertung seiner Persönlichkeit führe. Ergänzend
die Behandlung von Patienten unerlässliche wies aber der VGH Mannheim daraufhin, dass
spezifische Vertrauensverhältnis nachhaltig zer- Straftaten nicht unmittelbar im Verhältnis Arzt-Pa-
stören müsse. Zu dessen Bewertung ist auf einen tient angesiedelt sein müssten. Erfasst würden
objektiven Maßstab abzustellen: Entscheidend sei vielmehr auch alle berufsbezogenen, das heiße
das Werturteil, welches ein billig und gerecht Den- mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit in nahem
kender bei Kenntnis der tatsächlichen Gegeben- Zusammenhang stehende Handlungen, und fer-
heiten des jeweiligen Einzelfalls – also nicht etwa ner, abhängig von der Schwere des Delikts, auch
unter dem Einfluss einer möglicherweise tenden- Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungs-
ziösen Medienberichterstattung – über das zur kreises.
Überprüfung stehende Verhalten des Arztes fällen
würde. Sei danach dem betreffenden Arzt infolge Dem Fall des VGH Mannheim lag ein Sachverhalt
seines Fehlverhaltens die für ein Vertrauensver- zugrunde, in dem ein Arzt zum Nachteil seiner
hältnis zu seinen Patienten unerlässliche Integri- Kollegen missbräuchlich Zugangsdaten zu einem
tät abzusprechen, sei das hohe Schutzgut der Bankkonto verwendet und Gelder einer Praxis auf
Gesundheit der Bevölkerung gefährdet, was allein ein eigenes Bankkonto transferiert hatte. Ein sol-
den im Approbationswiderruf liegenden Grund- cher schwerwiegender Vertrauensbruch gegen-
rechtseingriff zu rechtfertigen vermöge. Die Wah- über ärztlichen Kollegen verletze zum einen die
rung dieses Schutzgutes erfordere es nämlich, berufsrechtlich geschuldete Kollegialität. Zum
dass sich Patienten jederzeit dem Arzt als ihrem anderen führe dieser nicht allein zu einem Anse-
allein fachlich-medizinischen Erwägungen ver- hens- und Vertrauensverlust innerhalb der Ärzte-
pflichtetem Helfer uneingeschränkt anvertrauen schaft, sondern entfalte zudem Außenwirkung
können. gegenüber der weiteren Öffentlichkeit, die den
Arzt für den ärztlichen Beruf als auf absehbare
Hätten die Patienten jedoch Anlass, infolge eines Zeit untragbar erscheinen lasse. Denn die Öffent-
schwerwiegenden Fehlverhaltens des Arztes an lichkeit verlange von einem Arzt neben der fach-
seiner grundlegenden ärztlichen Integrität zu lich beanstandungsfreien Behandlung seiner Pa-
zweifeln, liege es nahe, dass die Patienten davon tienten grundsätzlich auch die Einhaltung der
abgehalten werden, im Bedarfsfall ärztliche Hilfe sonstigen ärztlichen Berufspflichten (vgl. OVG
in Anspruch zu nehmen. Erst hieraus sei eine Ge- Münster, NJW 2003, 1888).
fährdung des hochstehenden Rechtsguts der Ge-
sundheit der Bevölkerung herzuleiten. Bloßes Diese Erwartung und das darin zum Ausdruck
Missfallen über bestimmte Verhaltensweisen im kommende Vertrauen in die Seriosität der Ärzte-
beruflichen oder gesellschaftlichen Umfeld des schaft wäre in hohem Maß beeinträchtigt, wenn
Arztes rechtfertigen den Grundrechtseingriff hin- ein Angehöriger dieser Berufsgruppe trotz der
gegen nicht. schwerwiegenden berufsbezogenen Verfehlungen
und einer Verurteilung zu einer hohen Freiheits-
Ähnlich hatte bereits der Verwaltungsgerichtshof strafe weiter als Arzt tätig sein könne. Die Bevöl-
(VGH) Baden-Württemberg in Mannheim (Be- kerung erwarte von einem Arzt, dass er einer
schluss vom 28.07.2003, Az. 9 S 1138/03) aus- anderen Person, insbesondere einem anderen
geführt, dass den Vertretern der Heilberufe heu- Kollegen, nicht willentlich erheblichen Schaden
te (Anm: im Jahr 2003) nicht mehr in jeder zufügt (vgl. OVG Münster, NWVBl 2003, 233).
Beziehung eine integre Lebensführung als Berufs- Bereits die nur dessen individuellem Gewinnstre-
pflicht auferlegt werde mit der Folge, dass ein ben dienende Berufsausübung eines Arztes be-
Arzt, der sich eines Vermögensdelikts schuldig trachte die Öffentlichkeit für sich genommen kri-
gemacht habe, das Ansehen seines Berufsstands tisch. Sichere sich aber ein Arzt darüber hinaus
grundsätzlich nicht so schwer schädige, dass er durch die Begehung krimineller Taten im Rahmen
als unwürdig angesehen werden müsse. Unwür- seiner Berufsausübung eine Erwerbsquelle von
digkeit sei vielmehr nur dann zu bejahen, wenn gewisser Dauer und Umfang, sei das Ansehen der
der Arzt vorsätzlich eine schwere, gemeingefähr- Ärzteschaft im Ganzen erheblich beschädigt.
liche, gemeinschädliche oder gegen die Person
gerichtete, von der Allgemeinheit besonders miss- Hinzu komme, dass der Arzt auch Urkundenfäl-
billigte, ehrenrührige Straftat begangen hat, die schungen begangen habe, unter fremden Namen
ein die Durchschnittsstraftat übersteigendes Un- aufgetreten sei und ärztliche Dokumente verän-
werturteil enthalte und zu einer tief greifenden dert habe. Der damit verbundene Ansehens- und

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Vertrauensverlust sei vor allem deshalb erheblich, keine bedeutungslose Nebenpflicht der ärztlichen
weil dem Arzt auf Grund seines Berufs eine Viel- Tätigkeit dar, auch wenn die insoweit festgestell-
zahl von Tätigkeiten überantwortet sei, bei denen ten Unregelmäßigkeiten nicht das gleiche Gewicht
er Urkunden, Gesundheitszeugnisse und sonstige haben wie strafrechtliche Vorwürfe, insbesondere
Bescheinigungen ausstellen müsse und dürfe. solche gegen die körperliche Integrität von Pati-
Deshalb und gerade weil die ärztliche Tätigkeit enten.
weitgehend keiner Kontrolle unterliege, werde
durch die Begehung von Urkundsdelikten das An- Im Fall eines Abrechnungsbetruges zulasten der
sehen des Arztes und seiner Kollegen selbst dann Patienten oder Krankenkassen stellen die
untergraben, wenn es sich nicht um Urkundsde- Approbationsbehörden die Unwürdigkeit schnell
likte aus dem ärztlichen Bereich handele. Dies fest, jedenfalls dann, wenn der Abrechnungsbe-
gelte erst recht, wenn ein Arzt ärztliche Zulas- trug von einer gewissen Dauer und Umfang war.
sungsdokumente verfälscht. So führte das VG Hamburg (Urteil vom 09.10.2018,
Az. 17 K 6716/17) aus, dass ein allgemeiner tief-
Das OVG Lüneburg bewertete neben den darge- greifender Verlust des Vertrauens in die Integrität
stellten strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen eines wegen Abrechnungsbetruges bestraften
in der Vergangenheit auch bereits Mängel der Pa- Arztes sich hingegen aus der von allen billig und
tientendokumentation als gravierendes Fehlver- gerecht Denkenden geteilten Erwägung ergeben
halten. Ärzte seien durch § 630f Bürgerliches könne, dass ein Arzt, der Betrugsstraftaten ver-
Gesetzbuch (BGB) und § 295 Fünftes Buch Sozi- übe, um sich wirtschaftliche Vorteile zu verschaf-
algesetzbuch (SGB V) sowie § 10 der Muster-Be- fen, auf eine Weise von einem übersteigerten
rufsordnung der Ärzte sowie ggf. als Vertragsärz- Erwerbsstreben beherrscht sei, die mit grundle-
te der gesetzlichen Krankenkassen nach § 57 genden ethischen Vorstellungen schlechthin un-
Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) verpflichtet, vereinbar sei. Eine solche Wahrnehmung werde
in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht regelmäßig besonders nahe liegen, wenn das
für die derzeitige und künftige Behandlung strafbare Verhalten in Zusammenhang mit der
wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse Berufsausübung stehe.
aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Di-
agnosen, Untersuchungen,Untersuchungsergeb- Ein derart von der Erlangung unberechtigter wirt-
nisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, schaftlicher Vorteile geprägter Mensch werde nach
Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und dem Urteil jedes billig und gerecht Denkenden als
Aufklärungen sowie auch Arztbriefe von vor- und jemand wahrgenommen werden, der sein Verhal-
mitbehandelnden Ärzten. ten und damit auch seine ärztlichen Entscheidun-
gen primär an wirtschaftlichen Motiven orientiere,
Die ärztliche Dokumentation diene dabei der The- statt vorrangig am Patientenwohl. In derartigen
rapiesicherung und der Rechenschaftslegung. Sie Fallkonstellationen sei daher typischerweise das
hat die Aufgabe, das Behandlungsgeschehen auf- für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung un-
zuzeichnen und dadurch eine sachgerechte the- abdingbare Vertrauen zwischen Arzt und Patient
rapeutische Behandlung zu gewährleisten sowie als nachhaltig zerstört anzusehen.
Ärzte, die einen Patienten weiterbehandeln, zu
informieren. Die erforderlichen Aufzeichnungen
dienen nicht allein der ärztlichen Gedächtnisstüt- II. Berücksichtigung eines nachträglichen
ze, sondern auch dem Interesse der Patienten, Wohlverhaltens
die grundsätzlich ein Recht auf Einsicht in die sie
betreffende Patientenakte haben. Darüber hinaus Nach der ständigen Rechtsprechung der Verwal-
ist die Dokumentation für die vertragsärztliche tungsgerichtsbarkeit ist es möglich, dass ein Arzt
Tätigkeit von Bedeutung, um eine eventuelle Wirt- die durch eine gravierende Verfehlung eingebüß-
schaftlichkeits- oder Plausibilitätsprüfung zu te Berufsunwürdigkeit während des laufenden
ermöglichen. behördlichen Verfahrens über den Widerruf der
Approbation wiedererlangt.
Die Behandlungsdokumentation ist mithin für die
Weiterbehandlung durch andere Ärzte, die Nach- Die Wiedererlangung der Würdigkeit setzt voraus,
vollziehbarkeit der Behandlung und Aufklärung dass sich an der zum Widerruf führenden
von Behandlungsfehlern sowie eine externe Kon- Sachlage nachweislich etwas zum Guten geändert
trolle von erheblicher Bedeutung und stellt daher hat, also der Arzt das für die Ausübung seines

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Berufes erforderliche Ansehen und Vertrauen wirtschaftliche Situation.


zurückerlangt hat (BVerwG, Beschluss vom
15.11.2012, Az. 3 B 36.12; vom 23.07.1996, Az. Je näher ein Missverhalten im Zusammenhang
3 PKH 4.96). mit der ärztlichen Berufsausübung steht, umso
wahrscheinlicher wird die Einleitung eines Verfah-
Durch den Approbationswiderruf wegen Unwür- rens zur Entziehung der Approbation. Die Wahr-
digkeit soll nicht das bisherige Verhalten des Arz- scheinlichkeit steigt sodann je mehr ein Patient
tes durch eine zeitliche Verhinderung der Berufs- vorsätzlich geschädigt oder gefährdet wird. Aber
ausübung sanktioniert, sondern das Ansehen der auch Verhalten am Rande oder außerhalb der ärzt-
Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit lichen Tätigkeit können als Grund für eine Entzie-
geschützt werden. Dies geschieht freilich nicht als hung genügen. Insbesondere Straftaten im Zu-
Selbstzweck, sondern um das für jede Heilbehand- sammenhang mit der Erstellung von falschen
lung unabdingbare Vertrauen der Patienten in die Urkunden und im weiteren Sinne dem Vortäu-
Integrität der Personen aufrecht zu erhalten, de- schen von Sachverhalten wirken sich dabei nach-
nen mit der Approbation die staatliche Erlaubnis teilig aus, weil der Arzt zwar eine hochregulierte
zur selbständigen Ausübung der Heilkunde ver- Tätigkeit ausübt, die tatsächlich aber wenig über-
liehen ist, und in deren Behandlung sich die Pati- wacht wird, so dass das Vertrauen in die Integri-
enten vertrauensvoll begeben. Die Würdigkeit zur tät des Arztes von essentieller Bedeutung ist. Das
Ausübung des ärztlichen Berufs besteht daher erst für die Behandlung von Patienten unerlässliche
dann wieder, wenn der Arzt das erforderliche An- spezifische Vertrauensverhältnis darf nicht nach-
sehen und Vertrauen zurückerlangt hat, mithin haltig zerstört sein.
nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände nicht
mehr zu besorgen ist, dass dessen selbstständige Abschließend soll der Fokus noch einmal auf die
Berufstätigkeit das Vertrauen der Öffentlichkeit in eingangs angesprochenen SARS-CoV-2-leugnen-
den Berufsstand nachhaltig erschüttern könnte den Ärzte fallen: In der Regel berufen sich diese
(BVerwG, Beschluss vom 15.11.2012, Az. 3 B auf das in Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes ga-
36/12). Dies erfordert regelmäßig einen längeren rantierte Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Zu
Bewährungsprozess, der nach der Rechtsprechung unterscheiden ist dabei zwischen der Entäußerung
des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg mit min- von Meinungen und Tatsachen. Eine falsche Tat-
destens fünf Jahren bei gravierenden Verfehlun- sachenbehauptung unterfällt nicht dem Schutz
gen außerhalb des beruflichen Wirkungskreises des Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes. Dies zeigt
und mindestens acht Jahren bei gravierenden sich besonders deutlich an dem Beispiel der Leug-
Verfehlungen im beruflichen Wirkungskreis anzu- nung der Verbrechen des Nationalsozialismus der
setzen ist (Beschlüsse vom 23.09.2015, Az. 8 LA in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeich-
126/15 und 29.07.2015, Az. 8 ME 33/15). neten Art. Die Billigung, Verharmlosung oder
Leugnung des Holocausts und die daraus folgen-
Maßgeblich für den Beginn der Bewährungsfrist de Störung des öffentlichen Friedens konnte, da
ist der Zeitpunkt, in dem die zur Annahme der es sich bei den Verbrechen des Nationalsozialis-
Berufsunwürdigkeit führenden gravierenden Ver- mus um eine historische Tatsache handelt, nach
fehlungen durch den Betreffenden eingestellt wor- § 130 Abs. 4 des Strafgesetzbuches unter Strafe
den sind, gleich ob dies auf einem freiwilligen gestellt werden. Die Leugnung von SARS-CoV-2
Willensentschluss des Betreffenden oder auf einer ist nicht unter Strafe gestellt; nach den obigen
Aufdeckung und Ahndung der Verfehlungen durch Ausführungen kommt es bei der Feststellung der
Dritte, insbesondere Strafverfolgungs- oder Ap- Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit aber darauf
probationsbehörden beruht. nicht entscheidend an, ob das Verhalten eines
Arztes strafbewehrt ist oder nicht, sondern z.B.
ob sich Patienten jederzeit dem Arzt als ihrem
III. Fazit allein fachlich-medizinischen Erwägungen ver-
pflichtetem Helfer uneingeschränkt anvertrauen
Bei einer ganzen Reihe von berufsrechtlichen können. Haben sie jedoch Anlass, infolge eines
und strafrechtlichen Verstößen droht eine schwerwiegenden Fehlverhaltens des Arztes an
Approbationsentziehung entweder aufgrund der seiner grundlegenden ärztlichen Integrität zu
festgestellten Unwürdigkeit oder Unzuverlässig- zweifeln, liegt es nahe, dass die Patienten davon
keit. In aller Regel bringt die Approbationsentzie- abgehalten werden, im Bedarfsfall ärztliche Hilfe
hung einen Radiologen in eine existenzielle in Anspruch zu nehmen.

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Ob oder wie ein SARS-CoV-2-leugnender Arzt ei- Mit dieser und weiteren Fragestellung des kon-
nen an SARS-CoV-2 erkrankten Patienten kreten Einzelfalles werden sich die Approbations-
behandelt oder behandeln kann, erscheint behörden zu befassen haben.
paradox, ist aber jedenfalls fraglich.

Impressum René T. Steinhäuser, Rechtsanwälte Wigge


Rechtsanwalt Großer Bustah 42
20457 Hamburg
Tel.: (040) 3398705-90
Fax: (040) 3398705-99
Internet: www.ra-wigge.de
E-Mail: kanzlei@ra-wigge.de

Ein gemeinsamer Service der Rechtsanwälte Wigge


und der Deutschen Röntgengesellschaft e.V. (DRG).

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