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ZBR Heft 5/2021 KawiVPflüger: Konkurrentenstreitigkeit: Neuere Tendenzen und Wertungswidersprüche bei Konkurrenteklagen I 45

Konkurrentenstreitigkeit: Neuere Tendenzen und


Wertungswidersprüche bei Konkurrentenklagen im
Beamtenrecht
Prof. Dr. Michael Kawik und Dr. Stephanie Pflüger

Betrachtet man die nicht unerhebliche Anzahl an Konkuten- lung" möglich sein sicherzustellen, dass auch tatsächlich die
tenrechtsstreitigkeiten, I(idersprüchen und Klagen gegen B eur- Gewollten beitirdert werden. Unabhängig von einer recht dich-
teilungen aber auch die schiere Gröt|e von manch einem Perso- ten Prüfung von Beurteilungen durch die Gerichte im Streitfall
nalreferat, einer Personalabteilung oder gar groJJen Behörden, wird es bei Einhaltung der Beurteilungsrichtlinien sowie der
die sich dem Personalmanagement widmen, könnte der Ein- sonstigen, eher formalen, Fragen jederzeit möglich sein, pas-
druck entstehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Arbeits- send zu beurteilen.
kraft der Verwaltung sich in diesem Gebiets konzentriert. Die
Praxis der Personalauswahl und die damit einhergehenden
Prozesse bedürfen daher immer wieder einer lvitischen Be- ll. Amterstabilität und Konkurrentenklage
trachtung. Eine durchaus auch löhmende Wirkung der Streitig-
keiten um Personalentscheidungen kann nicht von der Hand Unter dem Begriff der Amterstabilität wird verstanden, dass
gewiesen werden. Dabei scheint es so zu sein, dass in diesem die Ernennung zum Beamten nur unter den engen im Gesetz
Bereich nichts einfacher koffihfreier und schneller wird. Dies (vgl. $ 14 BBG und $ 12 BeamtStG) genannten Voraussetzun-
trotz bester Absichten der Verwaltung und der Rechtsprechung, gen wieder zurückgenommen werden kann bzw. dass einmal
die diese Umstrinde selbstredend längstens erkannt haben. erfolgte Ernennungen rechtsbeständig sind, wenn nicht einer
der erschöpfend aufgezählten Gründe vorliegt, unter denen die
Nichtigkeit des Beamtenverhältnisses festgestellt wird ($ 13
l. Einleitung BBG und $ 1l BeamtStG).4 Diesbezüglich wird betont, dass
die Amterstabilität als Ausdruck des hergebrachten Grund-
Jüngere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes ge- satzes der ,,Rechtsbeständigkeit" bzw. der ,,gesteigerten Be-
ben erneut Anlass, der Frage nach der verbliebenen Bedeutung standskraft" der Ernennung zu verstehen ist.5 Die gesetzlich
der Amterstabilität im Beamtenrecht nachzugehen. Bis zu der geregelten Nichtigkeits- und Rücknahmetatbestände sollten
- einem ,,Paukenschlag" markierenden - Entscheidung des auf besonders schwerwiegende Mängel der Ernennung be-
BVerwG aus dem Jahre 2010' (,,OLG Präsident Koblenz") schränkt sein und ausschließlich öffentlichen Interessen die-
schien es so zu sein, dass insbesondere Beflorderungen von Be- nen, unter anderem der Integrität und der Leistungsfühigkeit
amten, die ja in der Regel mit dem Umstand verbunden sind, des Berufsbeamtentums und des Berufsrichtertums. Sie be-
dass die entsprechende Planstelle nun nicht mehr mit anderen gründen fi.ir Dritte keine individuelle Rechtsposition.6 Vor die-
Interessierten besetzt werden kann, endgültig sind. Insbesonde- sem Hintergrund war die (Dritt-)Anfechtung einer Ernennung
re greifen auch bei fehlerhaft durchgeführten Auswahlverfah- mit dem Grundsatz der Amterstabilität nicht vereinbar.
ren die Bestimmungen zur Nichtigkeit bzw. zur Rücknahme
Diesbezüglich soll ein Blick in $ l0 Abs. I Nr. I - 4 BBG ver-
von Ernennungen nicht ein (siehe dazu unter VI). In diesem deutlichen, welche Akte hiervon erfasst sind. So bedarfes einer
Kontext war es also etwa besonders forsch handelnden Verwal-
Ernennung zur Begründung des Beamtenverhältnisses, zur
tungen durchaus möglich, auch ohne die Berücksichtigung läs-
Umwandlung des Beamtenverhältnisses in ein solches anderer
tiger Konkurrenz (rechtsmissbräuchlich, aber für den Ausge-
Art (Probezeit/Lebenszeit), bei der Befürderung und bei dem
wählten rechtssicher) zu entscheiden. Diese Möglichkeit sollte
Wechsel der Laufbahngruppe (Aufstieg).
nun nicht mehr bestehen. Trotz der oben genannten Entschei-
dung, die in der Fachöffentlichkeit durchaus interessiert zur In diesem Kontext bekommt der Grundsatz der Amterstabilität
Kenntnis genommen wurde, kam es nicht dazu, dass reihen- eine besondere Bedeutung, wenn es um Ernennungen geht, die
weise Ernennungen im Beftirderungsgeschehen gerichtlich auf einer Auswahlentscheidung unter mehreren Bewerbern be-
aufgehoben wurden. Dennoch musste sich die Rechtsprechung ruhen. Denn eine einmal vorgenommene Ernennung kann trotz
durchaus mit der Frage nach der Bedeutung der Amterstabilität fehlerhafter Auswahlentscheidung (edenfalls im Regelfall),
im Konkurrentenrechtsstreit auseinandersetzen. Exemplarisch gewissermaßen zum Nachteil der nicht ausgewählten Bewer-
dafür stehen etwa die Entscheidungen des BVerwG zurVerwir- beq nicht mehr rückgängig gemacht werden. Dabei geht es also
kung des Anfechfu ngsrechts bei Konkurrentenklagen. 2 Beson- um die Rechtsposition der nicht ausgewählten Bewerbeq die
ders spannend wird es aber dann, wenn eine Drittanfechtungs- sich aufgrund der Auswahlentscheidung benachteiligt fi.ihlen
klage gegen die Ernennung eines Mitbewerbers auch tatsächlich
Erfolg hat.3 Hier wird deutlich, dass der Grundsatz der Amter-
stabilität in seinem Anwendungsbereich deutlich eingeschränkt 1) BVerwGE 138, 102-122.
wird. Auch hat dies eine gewichtige Bedeutung im Hinblick auf 2) BVerwG, Urteil vom 31.8.2018 - 2 C l0ll7.
die Frage, welche Wege im Falle eines Konkurrentenrechts- 3) BVerwG, Beschluss vom 15.1.2020 - 2 B 38119.
streits zu gehen sind. Schließlich ergeben sich auch Konse- 4) BVerwG, Urteil vom 1.2. 1 978 -VI C 9.77 - BVerwGE 55, 212-217 ;
KawiHDechmann/Pfüger/Kruuse, Beamtenrecht, $ 56, Rn. l9;
quenzen flir das Auswahlverfahren selbst. Der Dienstherr wird
Kenntner,ZBR 2016, S. 185.
hier noch mehr Sorgfalt an den Tag legen müssen, jedenfalls 5) BVerwG, Beschluss vom 22.3.1985 2 B 11/85; Plog/Wiedow,
-
wenn es um die formale Abarbeitung der Verfahren geht. Dem Bundesbeamtengesetz, $ 13 BBG, Rn.3.
Dienstherrn wird es nach wie vor über die ,,richtige Beurtei- 6) BVerwG, Beschluss vom 22.3.1985 -2817/85.
I46 KawiVPfläger: Konkmrentenstreitigkeit: Neuere Tbndenzen und Wertungswidersprüche bei Konkunenteklagen ZBR Heft s/2021

und nach der Ernennung ihrer Konkurrenten (Mitbewerber) Rechtsstreitigkeiten in sog. Massenbeft)rderungsverfahren ver-
nicht mehr daraufhoffen können, den begehrten Dienstposten deutlicht dies.ro
und insbesondere das begehrte Statusamt (die Beftirderung) Mit der Übertragung des (Beflorderungs-)Dienstpostens ist
übertragen zu bekommen. Mit der Ernennung eines Konkur- aber noch keine Befiirderung verbunden. Gleichwohl können
renten ist das Statusamt unwiderruflich vergeben, und zwar die Beamten, denen ein entsprechender Dienstposten übertra-
ohne dass es darauf ankommt, ob die Ernennung mit Art. 33 gen worden ist, erwarten, dass sie nach Ablauf einer Bewäh-
Abs. 2 GG im Einklang steht. T Entsprechend gehen auch die rungszeit (für den Bund vgl. $ 22 Abs. 2 BBG) befordert wer-
Bewerbungsverfahrensansprüche der unterlegenen Bewerber den. Insoweit ist schon die Übertragung des Dienstpostens mit
durch die Emennung unter. s Die Ernennung der Konkurrenten Risiken flir die unterlegenen Bewerber verbunden. Der Voll-
kann nach dem Grundsatz der Amterstabilität grundsätzlich ständigkeit halber sei aber erwähnt, dass diese Bewährungszeit
nicht mehr rückgängig gemacht werden. Nach neuerer Recht- bei gebündelten Dienstposten nicht zu beachten ist, da der
sprechung kann sie es jedenfalls dann nicht, wenn sie nicht Dienstposten nicht gewechselt wird.
unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG zu Stande gekommen
ist, weil der unterlegene Bewerber daran gehindert worden ist,
seine Rechtsschutzmöglichkeiten vor der Ernennung auszu- lll. Herleitung und Geltungsbereich des Prinzips
schöpfen. e Hier geht es also um die oben beschriebene BVerwG-
der Amterstabilität
Entscheidung ,,OLG Präsident Koblenz", die ein rechtsmiss-
bräuchliches Fehlverhalten des Dienstherrn auf diese Weise zu Die Herleitung der Amterstabilität und damit auch die grund-
verhindern sucht. Die in der Praxis vorgekommenen Fälle, in sätzliche Wirkung dieser werden in der Literatur durchaus mit
denen Beamte trotz eines laufenden Konkurrentenrechtsstreits Freude diskutiert. Umstritten ist, ob die Amterstabilität selbst
ernannt werden, oder aber die Ernennung ohne eine vorherige einen hergebrachten Grundsatz darstellt
rr.
Ausschreibung bzw. Information anderer in Frage kommender
Beamter erfolgt ist, werden so seltener. Eventuell besteht hier Lehnt man die Herleitung eines hergebrachten Grundsatzes der
ansonsten die Aussicht auf eine erfolgreiche Drittanfechtungs- Amterstabilität ab, kann sich die Geltung des Grundsatzes der
klage. Amterstabilität aus einfachem Recht ergeben. Ein Grundsatz
der Amterstabilität lässt sich aus einfachem Recht herleiten,
Soweit es aber um die Ausgangslage (Konkurrentenrechtsstreit wenn man davon ausgeht, dass die Rücknahmevorschriften der
und Amterstabilität) geht, so sind in diesem Kontext Fall- $$ 13, 14 BBG nicht nur abschließend sind, sondern auch den
konstellationen, in denen es um die Auswahl unter mehreren allgemeinen Regelungen über die Aufhebung von Verwaltungs-
Bewerbern vor der (erstmaligen) Begründung des Beamtenver- akten vorgehen ($$ 48, 49 und 50 VwVfG)12. Nach dieser vor-
hältnisses geht, denkbar. Regelmäßig wird es bei einem Kon- zugswürdigen Ansicht, die eine Verankerung der Amterstabi-
kurrentenstreit aber um die Auswahl von Bewerbern flir fiir- lität im einfachen Recht sieht, wird die Amterstabilität als
derliche Dienstposten (Beflorderungsentscheidungen) gehen. In Bestandteil der geltenden Beamtengesetze durch das Interesse
diesem Zusammenhang sind auch die Verfahren zur Beforde- an der Funktionsfühigkeit der öffentlichen Verwaltung sowie
rung auf gebündelten Dienstposten zu sehen. Auch dort wird durch das Gebot der Rechtssicherheit maßgeblich unterstützt .
durch die Befärderung einzelner Beamter die Beforderung an-
derer unmöglich. Denn eine Befiirderung ist nur dann möglich,
wenn eine freie Planstelle zur Verfügung steht. Sind aber alle lV. Konkurrentenstreit
verfügbaren Planstellen verteilt worden, können weitere Beam-
te grundsätzlich nicht mehr im gleichen Beforderungsdurch- Als Konkurrentenstreit wird die Situation verstanden, in der ein
gang beftirdert werden. Die Verfügbarkeit dieser Planstellen im Stellenauswahlverfahren unterlegener Bewerber die Ent-
prägt das Beftirderungsgeschehen. Sind Konkurrenten beftir- scheidung des Dienstherrn nicht hinnehmen möchte und seine
dert worden, so gilt auch hier der Grundsatz der Amterstabili- eigene Auswahl erzwingen will. Wie oben dargestellt, tritt eine
tät. Die Arnahl der Planstellen ist in jedem Statusamt in der solche Situation sowohl in den Fällen ein, in denen es um die
Regel deutlich niedriger als die Anzahl der für eine Befürde- Einstellung geht, als auch injenen, in denen über eine zukünf-
rung generell in Frage kommenden Beamten. Dabei werden tige Beforderung entschieden wird. Im ersten Falle werden die
sich einzelne Beamte sehr stark benachteiligt flihlen, und zwar nicht ausgewählten Bewerber Sorge haben, dass das Einstel-
besonders dann, wenn sie bereits nach mehreren Beurteilungs- lungskontingent anderweitig erschöpft ist und sie nicht mehr
durchgängen nicht berücksichtigt wurden. Eine Vielzahl von (bzw. in absehbarer Zeit) eingestellt werden. Im zweiten Falle
wird die Sorge begründet sein, dass eine Beltirderung auf den
Dienstposten, um den sich die betroffenen Beamten beworben
7) BVerwG, Urteil vom 4. 1 1.201 0 - 2 C 16109 - BVerwGE I 38, 102- haben, nicht mehr möglich sein wird, wenn der Dienstposten
122. dem Mitbewerber übertragen bzw. dieser sogar ernannt wird.
8) BVerwG, Urteil vom 13.12.2018-2A 5/18 BVerwGE 164,84-99.
Dieser Fall soll nachfolgend die Grundlage der Ausführungen
9) BVerwG, Urteil vom 4. I 1.201 0 - 2 C 16109 - BVerwGE 138, 102-
t22.
bilden.
l0) Hier kann es etwa um Schadensersatzansprüche nicht befürderter Hierzu gilt zunächst, dass es im Beamtenrecht grundsätzlich
Beamter gehen, vgl. Bay VGH, Beschluss vom 13.9.2019 - 3 ZB
keinen Rechtsanspruch auf Ernennung und insbesondere auf
18.71 1, oder um Konkurrentenrechtsstreitigkeiten im einstweiligen
Rechtsschutz, vgl. etwa OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom Belorderung gibt. Auch in den Fällen von Bewerbern, die nach
1.6.2018-lMs7/18. Lage der Dinge als am besten geeignet im Sinne des Art. 33
11) Zum Sheitstand s. ausführlich Weclonann, Die Rolle staatlicher Abs. 2 GG erscheinen, gilt, dass ein Anspruch auf Übertragung
Auswahlentscheidungen im Rechtsschutzsystem der,,Konkurren- des begehrten Statusamtes nicht besteht (zu Fragen einer mög-
tenverdrängungsklage", S. 75 tr
lichen Ermessenreduzierung siehe sogleich unten). Im Beam-
12) BVerwGvom 1.2.1978 -6C9.77; BVerwGvom 23.02.1989-2C
25/87; Schenke, NVwZ 2011, S. 321 ff., Günther, ZBP. 1979, teffecht herrscht der Grundsatz, dass kein Rechtsanspruch auf
S. 93 tr, so wohl auch llichmann/Langer, Öffentliches Dienstrecht, eine entsprechende Entscheidung gegeben ist, auch wenn alle
Rn.31. Voraussetzungen dafür erflillt sind. Dies gilt unabhängig da-
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von, ob es sich um die Begründung des Beamtenverhältnisses Folgen eines Konkurrentenrechtsstreits, welcher bei den um die
oder um seine Umwandlung in ein solches anderer Art handelt Ernennung Streitenden durchaus Wunden hinterlässt.
oder um die Verleihung eines statusrechtlichen Amtes. 13
Die Auswahl der Bewerber muss den Kriterien des Art. 33 2. Regelfall
Abs. 2 GG gerecht werden. Die Verwaltung muss anhand der
Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung den am besten Ist die Bewerbung eines Bewerbers oder Beamten unter Verlet-
geeigneten Bewerber auswählen. Art. 33 Abs. 2 GG vermittelt zung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs erfolgt - bzw. ist
ein grundrechtsgleiches Recht auf Einbeziehung in die Aus- der unterlegene Bewerber dieser Ansicht -, hat sich für den
wahl (Bewerberverfahrensanspruch). Eine Bewerbung darf nur Regelfall eines Auswahlverfahrens eine durchaus bewährte
aus Gründen zurückgewiesen werden, die sich im Leistungs- Praxis herausgebildet: Widerspruch, Verpflichtungsklage in der
grundsatz widerspiegeln.ra Insoweit wird von einem Anspruch Hauptsache und entscheidend der einstweilige Rechtsschutz
auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl nach $ 123 VwGO. Diese Praxis weist allerdings aufgrund ak-
gesprochen. In der Literatur sind teilweise aber auch Stimmen tueller Entwicklungen nicht mehr in jedem Fall den richtigen
zu vernehmen, die in den Fällen, in denen etwa ein Bewerber Weg. Schon an dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass es mit
leistungstechnisch heraussticht - also am besten geeignet ist -, der Heranziehung des Rechtsinstituts der ,,fiktiven Fortschrei-
eine Ermessensreduzierung in Richtung auf einen Beforde- bung" von dienstlichen Beurteilungen zur ,,4uflösung von
rungsanspruch angenommen werden kann 15. Dementsprechend Stellenblockaden während eines beamtenrechtlichen Konkur-
sind also Konstellationen denkbar, in denen das Ermessen auf rentenstreitverfahrens"2r an einem Anordnungsgrund im Rah-
die Ernennung als einzige rechtlich denkbare Möglichkeit re- men des einstweiligen Rechtsschutzes fehlen soll.22 Indes hat
duziert ist. Maßgeblich für den jeweiligen Leistungsvergleich diese Entscheidung wohl nur sehr wenig zur Vereinfachung
ist dabei die dienstliche Beurteilung und deren Gesamturteil. sowohl hinsichtlich des Personalmanagements in der Praxis als
Soweit an dieser Stelle ein Leistungsunterschied nicht fest- auch zur Vereinfachung des Konkurrentemechtsstreits vor den
gestellt werden kann, wird auf andere leistungsbezogene Kdte- Verwaltungsgerichten beigetragen.
rien abzustellen sein. Wenn weder anhand der aktuellen Be-
urteilung noch nach Heranziehung der Vorbeurteilungen ein
Leistungsvorsprung zwischen den Bewerbern, der eine Ent- a) Widerspruch
scheidung trägt, angenommen werden kann, wird also zunächst
auf andere leistungsbezogene Hilfskriterien abgestellt werden In der Regel ist zum einen an einen Widerspruch zu denken (im
(Bsp. strukturierte Auswahlgespräche). Erst im Nachgang dazu Bundesrecht zwingend, vgl. $ 126 Abs. 2 BBG). Dies ist im
kann auf weitere nicht leistungsbezogene Kriterien16 zurückge- Übrigen abhängig von landesrechtlichen Grundentscheidungen
griffen werden.r7 zum Widerspruchverfahren.

b) Klage in der Hauptsache


V. Rechtsschutz im Konkurrentenrechtsstreit
Ein auf Beltirderung gerichtetes Erfüllungsbegehren ist sodann
1. Grundüberlegungen dem Grunde nach im Wege der Verpflichtungsklage geltend zu
machen (g 42 Abs. 1,2. AltVwGO). Das Begehren wird sich
Ist ein Bewerber der Ansicht, seine Nichtberücksichtigung bei
dabei im Regelfall auf Neubescheidung beschränken müssen.
der Auswahl ist unter Verletzung seines Bewerbungsverfah-
Der Kläger wird also einen Antrag auf Neubescheidung unter
rensanspruchs, efwa unter Missachtung der Grundsätze der
Beachfung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes
Bestenauslese im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG, zustande ge-
stellen (Bescheidungsurteil $ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO)23. Dies
kommen, so steht ihm gegen die Entscheidung des Dienstherrn
unmittelbarer Rechtsschutz zu. Möchte der unterlegene Bewer-
ber seine Chance auf Befiirderung wahren, so kann und muss er
rechtlich gegen die Entscheidung des Dienstherrn vorgehen.
13) St. Rspr. des BVerwG: Urteil vom 26.6.1986 - 2 C 41184; Urteil
vom 3 1.5. 1990 - 2 C 1 6/89 ; Urteil vom I L12.2014 - 2 C 5 1/13.
Von besonderer Bedeutung für den unterlegenen Bewerber ist 14) BVerfG, Beschluss vom 7.3.2013 -28vR2582/12.
dabei aufgrund der Amterstabilität, seine Ansprüche noch vor 15) Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht, $ 3, Rn.72.
der Ernennung des ausgewählten Bewerbers geltend zu ma- 1 6) BVerwG, Urteil vom 30.6.201 | - 2 C 1 9/1 0 - BVerwGE 140, 83 -92.
chen, um die Ernennung des Konkurrenten zu verhindern. 17) Vgl. ausflihrlicher zur Auswahl und den Auswahlmitteln Kawikl
Dechmann/Pflüger/Kratrse (Fn. a), $ 27, Rn. 53 tr.
Vergleichbar ist aber auch die Situation im Rahmen einer Ein- 18) Vgl. http://www.verwaltungsgerichtstag20l6.de/VWR/Hamburg/
stellung. Hier wird ein unterlegener Bewerber die Sorge haben, programm.php#AK8.
dass er zum Beispiel aufgrund von Einstellungsquoten nicht 19) Dieser und weiterer Fragen hat sich etwa Herrmann, NVwZ 2018,
S. 105 tr, angenommen und die bei der Dienstpostenkonkurrenz
mehr zum Zuge kommen wird, weswegen der unterlegene
entstehenden Probleme beschrieben.
Bewerber gegen die Ernennung eines Konkurrenten vorgehen 20) BVerwG, Urteil vom 25.4.1996 - 2 C 21 195 - BVerwGE l0 l, 1 12-
will. 1 16; Sächs. OVG, Beschluss vom 14.5.2004 - 3 BS 265103.

21) BVerwG, Beschluss vom 10.5.2016 -2VFt2/15 - BVerwGE 155,


Dass dieser Rechtsschutz in einer Konkurrentensheitigkeit 152-t6t.
nicht einfach ist und zu komplizierten, langwierigen und unbe- 22) Telle der Verwaltungsgerichtsbarkeit haben sich einer solchen Sicht-
friedigenden Verfahren18 mit häufig für alle Beteiligten nicht weise angeschlossen, vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss
zufriedenstellenden Ergebnissen führt, liegt dabei gewisserma- vom27.7.2016 4 S 1083/16; OVG des Saarlandes, Beschluss vom
-
ßen in der Natur der Sache. Die Dauer des Verfahrens ist eine 9.9.2016 - IB 6; Sächsisches OVG, Beschluss vom 8. I 1.2016
60/1

Belastung für alle Beteiligten und darüber hinausgehend auch - 2 B 260/16; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Be-
für die betroffenen Organisationseinheiten.re Der Abbruch ei-
schluss vom 7.2.2018 -
12 B 53/17; anders (als bisher) aber OVG

nes Stellenbesetzungsverfahrens während eines laufenden


Lüneburg, Beschluss vom 3.1.2017 - 5 ME 157/16; OVG Nord-
-
rhein-Westfalen, Beschluss vom 21.6.2016 1 B 201/16.
Rechtsstreits (soweit rechtlich möglich)20 flihrt zu keinem an- 23) Vgl. Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, 6. Kap.,
deren Ergebnis. Nicht zu bestreiten sind auch die emotionalen Rn. 47.
1 48 Kawilr/Pfüger: Konkurrentenstreitigkeit: Neuere Tbndenzen und Wertungswidersprüche bei Konlurrenteklagen ZBR Heft 5/202 I

ist deswegen der Fall, weil - wie oben beschrieben - weder ein würde in vielen Fällen ausreichend Zeit fiir die handelnde Ver-
Anspruch auf Übertragung des (Beforderungs-)Dienstpostens waltung lassen, die Entscheidungen umzusetzen (insbesondere
noch aufdie Belorderung besteht. Geht man davon aus, dass in zu ernennen, also zu befärdern). Die Erledigung kann unter
einem konkreten Fall das Ermessen hinsichtlich der Auswahl anderem auch durch eine Klaglosstellung des Klägers ein-
auf Null reduziert ist, ist auch ein Vornahmeurteil denkbar treten. In diesen Fällen stellt sich aber keine Frage nach dem
(siehe dazu oben die Ausführungen zum Anspruch aufBeftir- Rechtsschutz des klaglos gestellten Bewerbers.
derung und der dort geschilderten Ansicht zu Ermessensredu-
Denkbar ist auch der Abbruch des Stellenbesetzungsverfah-
zierung).
rens. Ein solcher kann für die um die Auswahl konkurrierenden
Hinzu kommt, dass in der Hauptsache -
so insbesondere die Beamten ggf. mit Nachteilen verbunden sein. Insbesondere,
Rechtsprechung2a, soweit es um den Grundfall geht - zunächst wenn eine Entscheidung bereits getroffen wurde und der ver-
keineAnfechtungsklage als sog. Konkurrentenklage nach $ 42 meintliche Sieger doch nicht zum Zuge kommt. Ein Abbruch
Abs. 1, 1. Alt. VwGO gerichtet aufAufhebung einer Ernennung ist jedoch nur dann rechtmäßig, wenn sachliche Gründe hierfür
des erfolgreichen Bewerbers statthaft ist. Dies gilt im Grund- vorlagen. Selbstredend ist der Abbruch nur vor der Ernennung,
satz auch für die Fälle, in denen eine solche Ernennung tatsäch- aber sogar noch nach der eigentlichen Auswahl möglich.27 Dies
lich schon vorgenommen wurde, sofern nicht eine Ausnahme hat zur Folge, dass ein Bewerber, der schon davon ausging,
(Rechtsschutzverhinderung) eingetreten ist. Die Rechtspre- Auswahlsieger zu sein, beiVorliegen sachlicher Gründe für den
chung hält jedenfalls im Regelfall daran fest, auch wenn ge- Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens die Aufhebung der
wichtige Stimmen in der Literatur für die Zulässigkeit einer Stellenausschreibung hinnehmen muss. Solche sachlichen
Anfechtungsklage plädieren. 25Eine Anfechtungsklage gerich- Gründe können sowohl aus der dem Art. 33 Abs. 2 GG vorge-
tet auf die Auftrebung der Ernennung des ausgewählten Bewer- lagerten Organisationsgewalt (Bsp: Wegfall des Dienstpostens
bers ist dementsprechend im Regelfall nicht statthaft. nach einer organisatorischen Veränderung) des Dienstherrn ge-
Insbesondere früher wurde hier betont, dass kein den erfolg- rechtfertigt werden, als auch aus Gründen, die aus Art. 33
losen Mitbewerber betreffender VA vorliegt. Nach neuerer Abs. 2 GG folgen (Bsp.: keine geeigneten Bewerber), hergelei-
Rechtsprechung ist die Ernennung des in einem Stellenbeset- tet werden. Soweit ein Stellenbesetzungsverfahren abgebro-
zungsverfahren erfolgreichen Bewerbers aber ein Verwaltungs- chen wird, ist Rechtsschutz gegen Abbruch eines Auswahl-
akt mit Drittwirkung, der in die Rechte der unterlegenen Be- verfahrens im Verfahren der einstweiligen Anordnung $ 123
werber ausArt. 33 Abs. 2 GG eingreift.26 DieserVerwaltungsakt VwGO zu erreichen. Effektiver Rechtsschutz für das auf Fort-
ist aber wegen des Grundsatzes der Amterstabilität nur aus- flihrung eines abgebrochenen Auswahlverfahrens gerichtete
nahmsweise (Fälle der Rechtsschutzverhinderung) anfechtbar. Begehren ist allein der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Der Grundsatz der Amterstabilität wirkt also nicht absolut. Anordnung.2s Mit ihm kann das Fehlen eines sachlichen Grun-
des geltend gemacht und die Verwaltung verpflichtet werden,
Damit gilt, dass das Besetzungsverfahren mit der Besetzung
das abgebrochene Stellenbesetzungsverfahren fortzusetzen;
des Dienstpostens beendet ist. Mit der endgültigen anderweiti-
dabei kann den Betroffenen ein Anordnungsgrund nach $ 123
gen Besetzung einer Stelle ist ein durch Ausschreibung ein-
geleitetes Stellenbesetzungsverfahren beendet. Der Verwal-
Abs. I Satz 2 VwGO zustehen (Regelungsanordnung). Wie
oben beschrieben besteht anderenfalls noch die Möglichkeit
tungsakt, mit dem die Bewerbung eines nicht berücksichtigten
Beamten abschlägig beschieden wird, ,,erledigt" das Verfahren,
der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen
der Verletzung eines Bewerbungsverfahrensanspruchs.
da aufgrund der Amterstabilität die Rückgängigmachung einer
Ernennung nur unter den gesetzl. geregelten Voraussetzungen, Die Erledigung tritt insbesondere ein, wenn die Beftirderungs-
zu denen die Verletzung der Beörderungsgrundsätze nicht ge- planstelle mit einem anderen Bewerber besetzt wurde (Amter-
hört, möglich ist. stabilitäQ. Dabei werden die Konstellationen zunächst außer
Insoweit wird also eine Verpflichtungsklage ($ 42 Abs. 1, 2. Acht gelassen, in denen die Ernennung erfolgt ist, weil der un-
Alt. VwGO) zu erheben sein. Dabei wird ein Bescheidungs- terlegene Bewerber wegen einer,,Rechtsschutzverhinderung"
urteil durch das Verwaltungsgericht nach $ I 13 Abs. 5 Satz 2 nicht in der Lage war, rechtzeitig ein Verwaltungsgericht anzu-
VwGO begehrt. Geltend gemacht wird ein Anspruch auf er- rufen (dazu später). Mit dieser zuletzt beschriebenen Möglich-
messensfehlerfreie Entscheidung des Dienstherrn über das Be- keit der Erledigung des Stellenbesetzungsverfahrens besteht
ftirderungsverlangen. aufgrund der Amterstabilität für den unterlegenen Bewerber
keine Möglichkeit mehr, seine eigene Auswahl durchzusetzen.
Es verbleibt nur noch die Fortsetzungsfeststellungsklage ($ I I 3
c) Einstweilliger Rechtsschutz nach $ 123 Abs. I, Satz I Abs. I Satz 4 VwGO), wenn der Kläger Schadensersatz wegen
VwGO einer unterbliebenen Beftirderung geltend machen möchte.
Dies wird dem im Vordergrund stehenden Wunsch belordert zu
Problematisch ist jedoch, dass die Gefahr besteht, dass noch werden, nicht gerecht.
während eines laufenden Verfahrens Erledigung eintreten könn-
te. Die Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes in der Haupt- Aus diesem Grund muss der unterlegene Bewerber vor der Er-
sache wird eine geraume Zeit rn Anspruch nehmen. Diese nennung (Beforderung) des Konkurrenten vorläufigen Rechts-
schutz in Anspruch nehmen (Antrag nach $ 123 Abs. I Satz I
VwGO). Dem Dienstherrn soll durch eine gerichtliche Ent-
scheidung die Ernennung des ausgewählten Bewerbers unter-
24) BVerwG, Urteil vom 9.3.1989 - 2 C 418'7; BVerwG, Urteil vom
25.8.1988 -2C62/85 BVerwGE 80, 127-131. sagt werden. In diesem Rahmen überprüft das Verwaltungs-
25) YgL Battis, BBG, $ 9 Rr. 28; Wichmann/Langer (Fn. l2), Rn. 313 f. gericht die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung des
26) BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 -2 C 16/09 - BVerwGE 138, 102- Dienstherrn. Wird dabei eine Verletzung des Bewerbungs-
122; OYG NRW, Urteil vom 17.6.2019 6 A 1133/17 und dem
- verfahrensanspruchs festgestellt und erscheint die Auswahl des
nachgehend BVerwG, Beschluss vom 15.1.2020 - 2 B 38/19.
27) Antragstellers bei einer ohne Rechtsfehler durchgeführten Aus-
-
Ygl. BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 2 C 6.11; BVerwG, Be-
wahl jedenfalls möglich, wird die Ernennung bereits durch
schluss vom 10.5.2016 - 2 VR 2.15.
28) BVerwG, Urteil vom 3.12.2014 -2 A 3/13 - BVerwGE l5l,14-26. einstweilige Anordnung untersagt werden. Ggf. kann schon die
ZBR Heft 5/2021 KawildPflüger: Konkunentenstrcitigkeit: NeuereTendenzen undWertungswidersprüche bei Konkurrenteklagen 149

Übertragung eines Dienstpostens untersagt werden, die der Be- zungsverfahren soll die Vergabe von Funktionsämtern während
ltirderung vorgeht. des Laufs von beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren
möglich sein. Dazu sollte der daraus resultierende Bewährungs-
Da sich der um eine Befiirderungsauswahl geführte Rechts- vorsprung desjenigen, dem dieser Dienstposten übertragen wird,
streit - wie oben beschrieben - grundsätzlich mit der endgülti-
gen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle erledigt, wird den ,,ausgeblendef' werden, auch im Rahmen der Erstellung einer
Beurteilung (Erstellung einer fiktiven Beurteilung).
Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 33 Abs. 2
cc i. V m. Art. 19 Abs. 4 GG) im Eilverfahren nach $ 123 Dagegen regte sich sowohl in der Literatur3s als auch in der
Abs. 1 VwGO Rechnung getragen (vorläufiger Rechtschutz im obergerichtlichen Rechtsprechung36 Widerstand. Dieser An-
Konkurrentenrechtsstreit). satz, der weitere Probleme bei der Erstellung von Beurteilun-
I Satz 1 VwGO ein Antrag, gerich- gen zur Folge hat, wird zu Recht kritisch betrachtet.3T Eine
Dazu wird nach $ 123 Abs.
fiktive Fortschreibung einer Beurteilung ist injedem Falle pro-
tet auf die vorläufige Untersagung der Stellenbesetzung (: Si-
blematisch, da sie letztlich ohne tatsächliche Beobachtungen
cherungsanordnung), zu stellen sein. Es handelt sich dabei
nicht um eine Reglungsanordnung gem. $ 123 Abs. I Satz 2 erfolgt. Auch wird eine ggf. gute Beurteilung bei Konkurrenten
VwGO, da diese die Hauptsache in Bezug auf die Belorderung auf noch mehr Misstrauen stoßen. Vielfach wird das Gefühl
vorwegnehmen würde. Eine vorläufige Befürderung ist nicht entstehen, sie wäre ohnehin nur im Hinblick auf den Rechts-
denkbar, dem steht schon der Grundsatz der Amterstabilität streit entsprechend erstellt worden.
entgegen. In der Praxis hat die Rechtsprechung des BVerwG und der die-
Der hier beschriebene Weg bedeutet im Regelfall die einzige ser folgenden Verwaltungsgerichte zur Folge, dass für den Er-
Möglichkeit, die Chance zu wahren, den umstrittenen Dienst- lass einer einstweiligen Anordnung kein Anordnungsgrund,
posten, aufdem eine Beftirderung erfolgen soll, übertragen zu gerichtet auf die Untersagung einer Stellenbesetzung (Dienst-
bekommen. Mit einem entsprechenden Antrag kann unter be- postenübertragung) mit einem Konkurrenten, besteht. Eine sol-
stimmten Umständen bereits die Übertragung des umstrittenen che Anordnung ist zur Sicherung des Bewerbungsverfahrens-
Dienstpostens an den Konkurrenten verhindert werden (die anspruches nicht erforderlich. Hierüber wird in der Hauptsache
Übertragung geht der Ernennung bzw. der Beltirderung voraus). entschieden. Obsiegt ein zunächst unterlegener Bewerber in der
Zwar könnte die Stellenbesetzung im Wege der Umsetzung Hauptsache, so dürfen ihm gegenüber die vom vorläufigen
später wieder rückgängig gemacht werden. Insoweit greift der Dienstposteninhaber auf dem höherwertigen Funktionsamt er-
Grundsatz der Amterstabilität noch nicht. Jedoch soll schon die zielten Leistungen in einer erneuten Auswahlentscheidung
Möglichkeit verhindert werden, dass ein Bewerber auf dem nicht in Ansatz gebracht werden.38 Auch hiervon soll es aber
Dienstposten einen Erfahrungs- und Bewährungsvorsprung Ausnahmen geben: Eine Auswahlentscheidung, die eine quali-
erlangt, der sich ggf. bei einer späteren Auswahlentscheidung fizierte - bereits die Zugehörigkeit zum Bewerberkreis um das
auswirkt2e. Statusamt präjudizierende - Vorwirkung entfaltet, begründet
für den bei der Vergabe unterlegenen Bewerber entgegen der
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes überprüft das
Marschroute des BVerwG nach der,,Bundesnachrichtendienst
Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der Auswahlentschei-
A l'lEntscheidung ausnahmsweise doch einen Anordnungs-
dung des Dienstherrn. Das einstweilige Anordnungsverfahren grund und fi.ihrt dazu, dass das Verfahren des vorläufigen
übernimmt gewissermaßen die Funktion eines Hauptsache-
Rechtsschutzes grundsätzlich die Funktion des Hauptsachever-
verfahrens, auch im Hinblick auf den Prüfungsmaßstab.30 Das
fahrens übernimmt.3e In der Praxis wird also im Fall des Falles
Verfahren darf nach Prüfungsmaßstab, -umfang und -tiefe nicht
ein jeder Konkurrent gut beraten sein, die Dienstpostenüber-
hinter einem Hauptsacheverfahren zurückbleiben. Dies bedeu-
tragung schon im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes an-
tet, dass sich die Verwaltungsgerichte nicht auf eine, wie auch
zugreifen.
immer geartete, summarische Prüfung beschränken dürfen.
Vielmehr ist eine umfassende tatsächliche und rechtliche Über- Wie oben bereits dargestellt muss auch berücksichtigt werden,
prüfung der Bewerberauswahl verfassungsrechtlich geboten. dass nicht alle Oberverwaltungsgerichte dieser Ansicht des
Verlangt wird eine eingehende tatsächliche und rechtliche Prü- BVerwG gefolgt sind. Im Ergebnis werden also die Betroffenen
fung." Die Besetzung des Dienstpostens mit dem ausgewähl-
ten Bewerber wird dabei in den Fällen unterbleiben, in denen
die Auswahl des Antragstellers - als des den Rechtsschutz 29) BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013 - 2 VR 1/13 - BVerwGE 147,
suchenden Beamten - bei rechtsfehlerfreiem Verfahren jeden- 20-37.
falls als möglich erschien.32 30) BVerwG, Beschluss vom 25.10.2011 -2YP.4/ll; indes soll nicht
verschwiegen werden, dass diese Praxis, die Entscheidung in der
Hauptsache im Grunde entbehrlich macht, systematisch nicht voll-
ends überzeugt, s. dazu ausführlich Bamberger,ZBR20I9, S. 192 tr
3. Ende des vorläufigen Rechtsschutzes 31) BVerfG, Beschluss vom9.7.2007 2BvR206/07; BVerwG, Urteil
vom 4.1 1.2010 - 2 C 16/09 - BYerwGE 138, 102-122.
Diese bewährte und überkommene, sich in der Rechtsprechung 32) BVerwG, Beschluss vom 25. 10.20 I l - 2 YR 41 1 | ; BVerwG, Urteil
herausgebildete Praxis hat ihre Schwächen und wird zum Teil vom 4. I 1.2010 - 2 C 16/09.
als unbefriedigend empfunden.33 Hier sind neuere Entwicklun- 33) So schon -Bamberger,ZBR20I9, S. 192 ff., der aber einen anderen
gen zu beobachten, die für eine gewisse Unsicherheit zu sorgen Weg vorschlug, als es die Lösung des BVerwG tat (BVerwG, Be-
vermögen: schluss vom 10.5.2016 2 VR 2.15).
34) BVerwG, Beschluss vom 10.5.2016 - 2 VR 2.15.
In diesem Zusammenhang sorgte die schon oben beschriebene 35) Vgl. etwa Lorse (Fn. 35), Rn. 92d; Herrmann, NYwZ 2017,
Entscheidung des BVerwG,,Bundesnachrichtendienst A l " aus s. 105 tr
dem Jahr 201634 für Außehen. Danach sollte es in Fällen der 36) OVG Münster, Beschluss vom 21.6.2016- 18201/161, OVG Lüne-
burg, Beschluss vom 3.1.2017 - 5 ME 157/16.
Beörderungskonkurrenz möglich sein, den Ausgewählten auf 37) S. dant Herrmann, NVwZ 2017, S. 110 f.
den streitbefangenen Dienstposten zu setzen, bis über die 38) VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom27.7.2016- 4 S 1083/16
Rechtsstreitigkeit in der Hauptsache entschieden wurde. Zur -Rn.10.
Vermeidung von Stellenblockaden in laufenden Stellenbeset- 39) VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6.12.2016 452078116.

L
150 KawiUPfiüger: Konkurrentenstreitigkeit: Neuere Tendenzen und Wertungswidersprüche bei Konkunenteklagen ZBR Heft 5/2021

gut damit fahren, in jedem Fall den entsprechenden Eilantrag keineAnfechtungsklage als sog. Konkurrentenklage nach $ 42
zu stellen. Abs. 1, L Alt. VwGO gerichtet aufAuftrebung einer Ernennung
des erfolgreichen Bewerbers statthaft ist. Dies gilt im Grund-
Dieses System weist zudem dann eine Lücke auf, wenn sich in
satz auch für die Fälle, in denen eine solche Ernennung tatsäch-
einem länger hinziehenden Verfahren der obsiegende Beamte lich schon vorgenommen wurde, sofern nicht eine Ausnahme
auf dem entsprechenden Dienstposten befärdert wird. Dies (Rechtsschutzverhinderung) eingetreten ist. Die Rechtsprechung
würde, nach den obigen Ausführungen zur Amterstabilität, hält jedenfalls im Regelfall daran fest, auch wenn gewichtige
dazu führen, dass der unterlegene Bewerber nunmehr nur noch Stimmen in der Literatur für die Zulässigkeit einer Anfech-
Schadensersatz fordern könnte. Eine andere Lösung solcher a3
tungsklage auch im Regelfall plädieren.
Fälle liegt in derAnfechtung dieser Ernennung, die dann folge-
richtig als rechtsmissbräuchlich zu betrachten wäre' Hier wäre Problematisch können solche Fälle werden, in denen es einem
also dann Anfechtungsklage zu erheben. (potentiellen) Bewerber aufgrund Unkenntnis unmöglich waq
a0 rechtzeitig vor der Ernennung des Konkurrenten, einen Antrag
Spannend ist hier der Weg, den das OVG Sachsen Anhalt be-
nach $ 123 Abs. I Satz I VwGO zu stellen. Dies kann etwa dann
schritten hat. Dieses geht davon aus, dass in einem Konkurren-
passieren, wenn die Stellenbesetzung ohne eine Stellenaus-
tenstreit um die Besetzung eines Belorderungsdienstpostens mit
schreibung vorgenoflrmen wurde oder aber eine Information
einhergehender bzw sich anschließender Belorderung der Be-
überdenAbschluss desVerfahrens nicht erfolgt ist, wobei gleich-
werber ohne erneutes Auswahlverfahren, bezogen aufdie Befor-
wohl aber möglicherweise die Ernennung schon stattfand.
derungsplanstelle, einen Anordnungsgrund hat flir den Antrag
auf Erlass einer einstweiligenAnordnung, mit der eine angekün- Vor dem Hintergrund des Gebotes des effektiven Rechtsschut-
digte, und damit automatische Belorderung des Mitbewerbers zes ist der Dienstherr verpflichtet, die bei der Befürderungs-
verhindert werden soll. Auf diese Weise werden spätere Anfech- auswahl unterlegenen Mitbewerber über das Ergebnis der Aus-
tungsklagen vermieden. Ein Ende des vorläufigen Rechtsschut- wahlentscheidung in jedem Fall vor der Aushändigung der
zes im Konkurrentenrechtsstrsit wäre dies jedenfalls nicht. Ernennungsurkunde zu informieren. Dabei ist zu beachten,
dass der Dienstherr die Verpflichtung hat, die wesentlichen
Vor diesem Hintergrund scheint auch das Bundesverwaltungs- Gründe für seine Entscheidung schriftlich so zu fixieren, dass
gericht seinen Ansatz jedenfalls teilweise korrigiert zu haben,
sie im Rahmen einer dem unterlegenen Mitbewerber zu gewäh-
sodass es in vielen Konstellationen bei den obigen Ausführun-
renden Akteneinsicht nachvollzogen werden können.
gen zum Regelfall bleibt. Dementsprechend wird schon die
Übertragung eines streitbefangenen Dienstpostens an einen Vor der Ernennung des ausgewählten Bewerbers ist den unter-
Bewerber im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach legenen Mitbewerbern ausreichend Zeit zs geben, um abzu-
$ 123 Abs. I S. I VwGO verhindert werden können. Vor dem wägen, ob sie einenAntrag nach $ 123 Abs. I VwGO stellen.
Hintergrund der Unsicherheiten, die die Entscheidung des Auszugehen ist von ca. zwei bis drei Wochen, in denen etwa
Bundesverwaltungsgerichtes ausgelöst hat, mag dieser Antrag auch die Akteneinsicht erfolgen kann. Diese Informations-
im Einzelfall aber keinen Erfolg haben, sodass in der Haupt- verpfl ichtung gilt auch bei sog. Massenbeftirderungsverfahren
sache entschieden wird.ar Im Zweifel muss in der Praxis die im Rahmen derTopfivirtschaft wie sie etwa bei der Polizei oder
Rechtsprechung des jeweils zuständigen OVG auf die Frage hin der Feuerwehr üblich sind. a Damit sind Verfahren gemeint, in
überprüft werden, inwieweit es sich dem BVerwG angeschlos- denen die haushaltsrechtlich ausgebrachten Beforderungsplan-
sen hat. Eine befriedigende Situation ist für die streitenden Par- stellen ohne Ausschreibung und ohne das Erfordernis der Ab-
teien so jedenfalls nicht gegeben. Weder werden Rechtsstreitig- gabe einer Bewerbung an Inhaber entsprechend bewerteter oder
keiten vermieden noch verkürzt. Auch werden die Dienstherrn sog. ,,gebündelter" Dienstposten, welche zugleich die laufbahn-
in der Praxis durchaus davon absehen, streitbefangene Dienst- rechtlichen Voraussetzungen für eine Befiirderung erfüllen, im
posten zu besetzen und einige der ausgewählten Beamten wer- Wege der Bestenauslese vergeben werden.
den es sich gut überlegen, bevor sie sich aufeinen streitbefan- Interessant sind aber die Folgen einer unterbliebenen Information.
genen Dienstposten setzen lassen. Hier hat die schon oben genannte Entscheidung des BVerwGas
für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Im Leitsatz dieser Entschei-
4. Anfechtungsklage als Ausweg? dung hieß es, dass der Grundsatz der Amterstabilität der Auf-
hebung der Ernennung auf Klage eines unterlegenen Bewer-
Vor dem Hintergrund aller Umstände, die hinsichtlich des bers nicht entgegensteht, wenn dieser daran gehindert worden
Rechtsschutzes zu bedenken sind, stellt sich die Frage, in wie ist, die Rechtsschutzmöglichkeiten zur Durchsetzung seines
weit die Annahme der generellen Zulässigkeit einer Anfech- Bewerbungsverfahrensanspruchs vor der Ernennung auszu-
tungsklage zur Lösung der oben genannten Probleme beitragen schöpfen. Die Ernennung soll laut BVerwG einenVerwaltungs-
kann. Es besteht wohl Einigkeit, dass der Grundsatz der Amter- akt mit Driffwirkung darstellen, der in die Rechte der unter-
stabilität einer solchen generellen Zulässigkeit der Anfech- legenen Bewerber aus Art. 33 Abs. 2 GG eingreift.
tungsklage entgegensteht. Konsequenz aus diesem Urteil wäre zum einen die Möglichkeit
Hinzu kommt, dass in der Hauptsache - so insbesondere die einer echten,,Konkurrentenklage", also einer Anfechtungs-
Rechtsprechunga2, soweit es um den Grundfall geht - zunächst klage, die den Grundsatz der Amterstabilität durchbrechen
würde. Ein Widerspruch gegen die Auswahlentscheidung hätte
im Regelfall aufschiebende Wirkung ($ 80 Abs' 1 VwGO), so-
40) OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.10.2016 -| M 124/16. fern nicht die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist
41) S. dazu ausflihrlich Sc}n ellenbach (Fn.23), Kap. 5, Rn. 35 ff. ($ S0 Abs. 2 Nr. 4 VwGO), so im Nachgang zu der BVerwG-
42) BVerwG, Urteil vom 9.3.1989 - 2 C 4187 BVerwG, Urteil vom Entscheidung das VG Frankfurt.a6 Diese Ansicht scheint sich
25.8. I 988 - 2 C 62/85 - BVerwGE 80, 127 -131. indes nicht durchzusetzen. Insgesamt scheinen die Konsequen-
43) Y gl. Battis (Fn. 25), $ 9, Rn. 28; llichmann/Langer (Fn. l2), Rn. 3 I 3 f.
zen aus der oben genannten Entscheidung in der Praxis noch
44) OVG NRW, ZBR 2015, 1'15-177; OVG NRW, Beschluss vom
18.t2.20t4-1B883/14. etwas uneinheitlich. Der VGH Hessen hat im Nachgang der
45) BVerwG, Urteil vom 4. I 1.2010 - 2 C 16109 - BVerwGE 138, 102-12. VG-Entscheidung festgehalten: Vorläufiger Rechtsschutz im
46) VG Frankfurt, Beschluss vom I9.5.20I I - 9 L 49911 1.F. sog. Konkurrentenverfahren wird auch nach dem Urteil des
ZBR Heft 5/2021 KawiVPflüger: Konkunentenstreitigkeit: NeuereTendenzenundWertungswidersprüche bei Konkunenteklagen 151

Bundesverwaltungsgerichts vom 04.11.2010 (2 C 16.09) nicht Vl. Gleichgewicht zwischen Bestandsschutz der
durch Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Ernennung und Abschreckung von Rechtsmiss-
Wirkung eines Rechtsbehelfs, sondern durch Erlass einer einst- brauch
47
weiligen Anordnung, gewährt.
Doch scheint das BVerwGa8 davon auszugehen, dass zumin- Die gegenwärtige Rechtsprechung (so die oben beschriebenen
dest in den Fällen, in denen eine Rechtsschutzmöglichkeit im Entscheidungen zur Durchbrechung der Amterstabilität) tariert
Wege des einsfweiligen Rechtsschutzes vereitelt wurde, die die widerstreitenden Interessen dadurch aus, dass sie Er-
Anfechtung der Entscheidung möglich sein wird. Das gilt etwa nennungen grundsätzlich Bestandschutz zuspricht, diesen aber
für die Fälle der Unkenntnis über eine bevorstehende bzw. dann versagt, wenn die ernennende Behörde durch die Ernen-
vorgenommene Auswahl. Allerdings unterliegen das Wider- nung rechtsmissbräuchlich die Rechtsschutzmöglichkeiten des
spruchsrecht (Widerspruchsbefugnis) gegen eine vollzogene übergangenen Bewerbers vereitelt hat. Das hierdurch gewonne-
Ernennung und die entsprechenden Klagemöglichkeiten (Kla- ne Gleichgewicht zwischen dem Bestandschutz der Ernennung
gebefugnis) aufAnfechtung der Ernennung und Verpflichtung und der Vorbeugung von rechtsmissbräuchlich vorgenomme-
zur eigenen Auswahl bzw. entsprechenden Neubescheidung der nen Ernennungen entspricht dem Gefüge des Statusschutzes,
Verwirkung nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu wie er im BBG vorgesehen ist.
und Glauben der Verwirkung i. S. d. $ 58 Abs. 2 VwGO. Das Aus $$ 13, 14 BBG ergibt sich, dass bestimmte Fehler den
BVerwG hat entschieden, dass der unterlegene Bewerber eines Bestand der Ernennung unberührt lassen, wie etwa die Nicht-
Belorderungsverfahrens sein Recht auf Anfechtung der Ent- beteiligung von Personalrat oder Gleichstellungsbeauftragter,
scheidung verwirkt hat, wenn er über Jahre hinweg untätig Verletzung haushaltsrechtlicher Bestimmungen, ein Nichtbe-
bleibt, obwohl ihm regelmäßige Belorderungen seiner Kenkur- achten der Ausschreibungspflicht oder aber eine Befürderung
renten bekannt gewesen sind. unter Missachtung des Leistungsgrundsatzes. Da diese Fälle
Im Moment ist in der Praxis im Regelfall nach wie vor der weder ausdrücklich als Fälle von Nichtigkeit noch als Fälle ge-
Antrag nach $ 123 Abs. I VwGO zu stellen. Auf diese Weise nannt sind, die zu einer Rücknahme der Ernennung führen, las-
soll die Ernennung von Mitbewerbern verhindert werden. sen sie den Bestand der Ernennung grundsätzlich unberührt.
Zwangsläufig ist dies dann anders, wenn etwa aufgrund derUn- Neben den kodifizierten Ernennungsfehlern in Fällen der Nich-
kenntnis über eine erfolgte Belärderung der Antrag gar nicht tigkeit gem. $ 13 BBG und der Rücknahme gem. S 14 BBG
gestellt werden konnte. gibt es noch diejenigen Ernennungsfehler, die so schwerwie-
Sollte in geradezu rechtsmissbräuchlicher Weise der Rechts- gend sind, dass sie zu einer Nichternennung führen. Dabei han-
schutz des unterlegenen Bewerbers verhindert worden sein, sei delt es sich um Fälle, in denen eine grundlegende Wirksam-
es, weil die Information über die getroffene Entscheidung zu keitsvoraussetzung für eine Ernennung von Anfang an nicht
spät erfolgte oder aber eine Auswahl und Ernennung ohne vorlag, wenn also die Ernennungsurkunde von einer Stelle
jegliche Stellenausschreibung und damit auch ohne die Mög- stammt, die nicht gem. $ 2 BBG dienstherrenfähig ist, eine
lichkeit am Verfahren teilzunehmen stattfand, mag die Ent- Urkunde nicht oder fehlerhaft ausgehändigt worden ist, der
scheidung des BVerwG vom 21.08.2003 eine Hilfe seinae. Aus Ernannte seine Zustimmung nicht erteilt hat, die Urkunde eine
dieser Entscheidung folgt, dass in dem Fall, dassjemand entge- Bedingung oder Auflage enthält oder das zu verleihende Amt
gen einer einstweiligen Anordnung beftirdert wird, der im vor- nicht bzw. nicht mehr vorhanden ist.52
läufigen Rechtsschutz obsiegende Beamte seinen Bewerbungs- In diesen Kanon der Ernennungsfehler fügen sich die Fälle
verfahrensanspruch im Hauptsacheverfahren weiterverfolgen rechtsmissbräuchlicher Ernennung durch die Behörde ohne
kann. Dies hat ntr Folge, dass der unterlegene Bewerber nicht Wertungswiderspruch ein. Anders als in den genannten Fällen
nur Schadensersatz verlangen kann, sondern Anspruch auf Be- der Nichternennung ist die Ernennung nach der Rechtspre-
fiirderung auf eine weitere Stelle hat. chung zunächst einmal wirksam.
Dann erscheint es aber auch sinnvoll, im Hauptsacheverfahren Folgt man der Rechtsprechung, wonach Ernennungen, die der
einen entsprechenden Anfechtungsantrag mit dem Ziel, die Aus- Dienstherr rechtsmissbräuchlich vorgenommen hat, nicht dem
wahlentscheidungen und Ernennungen/Beforderungen aufzu- Grundsatz der Amterstabilität unterfallen, ließe sich gar argu-
heben, verbunden mit einem Verpflichtungsantrag, gerichtet mentieren, die ernennende Behörde stelle im Fall des Rechts-
auf Ernennung und entsprechende Planstelleneinweisung, zu missbrauchs die Ernennung unter die Bedingung, dass sie nicht
verfolgen. von einem zu Unrecht übergangenen Konkurrenten angegriffen
werde. Ahnlich den Fällen einer Ernennung unter einer Bedin-
5. Anfechtung von Auswahlentscheidungen gung oder Auflage entsteht ein unerwünschter Schwebezu-
stand, der durch das Urkundsprinzip des Ernennungsrechts ge-
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Vorschlag, schon rade verhindert werden soll. Betrachtet man das Beamtenrecht
die Auswahlentscheidung anzufechten,so auch wenn dieser als eigenständig und im Hinblick auf die Regelung von Rück-
Ansatz in der Praxis keine Umsetzung gefunden hat. Der Re- nahme- und Nichtigkeitsgründen grundsätzlich als abschlie-
gelungsgehalt der Ernennung stimmt inhaltlich mit der Aus- ßend, bedarf es einer klaren Verlaufslinie, welche Ernennungs-
wahlentscheidung überein. Die Ernennung folgt der Auswahl- fehler gem. $$ 13, 14 BBG als unbeachtlich anzusehen sind.
entscheidung, setzt diese rechtsverbindlich um und beendet das
Auswahlverfahren. Sie ist an keine weiteren Voraussetzungen
als an die Auswahlentscheidung gebunden, sondern bestätigt 47) Vgl. HessVGH, Beschluss vom. 23.8.2011 - 1B 1284/11.
diese nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG getroffene Ent- 48) Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.8.2018 -2C 10/17.
scheidung des Dienstherrn auch im Hinblick auf die Bewer- 49) BVerwG, Urteil vom 21.8.2003 - 2 C 14102 - BVerwGE 1 18, 370-
3'19.
bungsverfahrensansprüchesl. Ein möglicher Vorteil wäre also 50) S. dazu Bamberger,ZBP.20|9, S. 192 ff.
dann gegeben, wenn die angefochtene Auswahlentscheidung 51) BVerwG, Urteil vom 4.11 .2010 -2 C 16/09 - BVerwGE 138, 102-
bis zur Entscheidung über den Anfechtungsantrag nicht umge- 122,Fut.26.
setzt werden würde. 52) Leppek, Beamtenrecht, $ 1 l, Rr. 96.
152 KawiUPfäger:Konhtnentenstreitigkeit. Neuere Tbndenzen und Wertungswidersprüche bei KonhmenteHagen ZBR Heft 5/202 I

Diese wird durch die neuere Rechtsprechung nicht vetwässert, sagt wird, in denen der Dienstherr in der Vergangenheit die
denn der erhöhte Bestandsschutz wird der Ernennung nicht we- Ernennung ohne vorherige Ausschreibung bzw. Information
gen des Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 2 GG versagt, indem der anderer in Frage kommender Bewerber vorgenommen hat.
Leistungsgrundsatz missachtet wurde, sondern weil der Dienst- Spontane Günstlingsbeörderungen werden auf diese Weise
herr den Rechtsschutz des unterlegenen Bewerbers nach Art. l9 jedenfalls vermieden. von Roettecken bezeichnet die von der
Abs. 4 GG vereitelt hat. Es bleibt daher bei dem Grundsatz, neuen Rechtsprechung erfassten Fälle manipulierter Entschei-
dass Verstöße gegen den Leistungsgrundsatz den Bestand der dungen zynisch, aber nicht unzutreffend, als durch Missge-
s3
Ernennung grundsätzlich unberührt lassen. schick oder Übereifer verursachte ,,Unfülle".
Einem rechtsmissbräuchlichen Eingriff des Dienstherrn in die Ohne Zweifel müssen Nepotismus und parteipolitisch motivierte
Rechte des unterlegenen Bewerbers durch Ernennung einen ge- Patronage bei Beamtenbeflorderungen bekämpft werden.54 An
steigerten Bestandsschutz at veßagen, wirft aber auch keine dieser Stelle stellt sich gleichwohl die Frage, ob das Misstrauen
Abgrenzungsschwierigkeiten auf im Hinblick auf die Frage, gegenüber der behördlichen Auswahlentscheidung in dem vor-
inwieweit das Beamtenrecht vorrangig und abschließend sein getragenenAusmaß gerechtfertigt erscheint. Leider fehlt es an
muss, da auch das Beamtenrecht von Art. 19 Abs. 4 GG über- Zahlen, die belegen könnten, inwieweit Misstrauen angebracht
s5
lagert werden muss. ist.

Verglichen mit den übrigen Fällen nichtkodiflzierter Emen- Fraglich erscheint, an welchem Punkt es zu einem tatsächlichen
nungsfehler führt es in nachvollziehbarer Weise zumindest zur Mehr an materieller Gerechtigkeit flihren kann, wenn formal-
Rücknehmbarkeit der Ernefftung, wenn der Dienstherr in rechts- inhaltliche Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit der Er-
missbräuchlicher Weise eine Ernennung vornimmt und dadurch nennung erhöht werden, etwa indem eine genaue Auswertung
den Rechtsschutz des übergangenen Bewerbers vereitelt. Zwar von Beurteilungen verlangt und die zur Auswahlentscheidung
fehlt es trotz des naheliegenden Vergleichs mit der Bedingtheit führenden Gründe ausführlicher dargelegt werden müssen.
der Ernennung nicht an einer Wirksamkeitsvoraussetzung von Nicht zu Unrecht wird darauf hingewiesen, dass die Anforde-
Anfang an, anders als in den Fällen derNichternennung. Gleich- rungen an die Rechtsprechung dazu führen, dass in der Praxis
wohl darf eine Ernennung, die in rechtsmissbräuchlicher Weise Beurteiler zunehmend schriftstellerisch tätig werden. 56
durch die Ernennungsbehörde erfolgle, gegenüber einem über-
Ungeachtet dessen, wo man eine Einschätzungsprärogative des
gangenen Bewerber, der seine Rechte aus Art. 19 Abs. 4 wahr-
Dienstherrn als nichtjustiziabel rechtlich verortet,5T kann der
nimmt, keine Bestandskraft entfalten können.
Dienstherr aber nicht gehindert werden, einen von ihm favori-
Dieser Fall liegt damit ausbalanciert zwischen den Konstella- sierten Beamten dauerhaft zu fürdern, auch wenn dies in einem
tionen, die durch das Wertungsgefüge von $$ 13, 14 BBG aus- objektiven Licht nicht in allen Fällen nachvollziehbar scheint.
drücklich ausgenommen sind und denjenigen Ernennungsfeh- Will der Dienstherr einen Beamten protegieren, so ist er nach
lern, die gar zu einer Nichternennung führen. neuerer Rechtsprechung gut beraten, dies rechtzeitig vor der
Erstellung einer Beurteilung ins Auge zu fassen. Umgekehrt
bleibt dem Dienstherrn noch als letzte Möglichkeit, durch den
Vll. Materieller Gerechtigkeitsgewinn durch Abbruch des Stellenbesetzungsverfafuens die Vollziehung un-
Ausweitung der Anforderungen an die Bewerber- bequemer Ergebnisse von Auswahlverfahren abzuwenden.
58

auswahl? Werden die auf ein hohes Dokumentationsniveau ausgerichteten


Anforderungen an die Erstellung von Beurteilungen in der Pra-
Bereits eingangs wurde ausgeführt, dass nach der erwähnten -
xis umgesetzt, führt dies vor allen Dingen zu gerichtsfesteren
einem ,,Paukenschlag" gleichkommenden - ,,OLG Präsident
Beurteilungen, ohne dass diese den Leistungsstand des Beurteil-
Koblenz'lEntscheidung des BVerwG rechtsmissbräuchlichen
ten dadurch adäquater einfingen bzw sachgerechter abbildeten.
Ernennungen zumindest in den Fällen die Bestandskraft ver-
Wird eine Auswahlentscheidung auf Grundlage einer solcher-
maßen erstellten Beurteilung getroffen, rückt dies den Ent-
53) v. Roetteken,ZBR2017, S. 145, (160). scheider in die Nähe eines ,,Subsumtionsautomaten", folgt sie
54) Vgl. Lorse,ZBR20|7, S. 11 (14) m. w. N., Fn. 30. doch offenbar einer algorithmengesteuerten Entscheidungslo-
55) Konkurrentenklagen von Bundesbeamten - Entwicklung der Zahl gik. Lediglich dann, wenn sich nicht allein aufgrund der Beur-
im Zeitraum 2007-2011, Wissenschaftliche Dienste, WD 3-3000-
teilungslage ein Vorsprung des später ausgewählten Bewerbers
088/13, S. 3; hiernach lässt die Erfassungsmethodik des Statisti-
schen Bundesamtes eine präzisere Spezifizierung der mit den Sach-
ergibt - was zumindest nach der Ausschärfung der Beurteilung
gebietsschlüsseln,,Bundesbeamte" und,,Befürderung" erfassten nur in einer Minderheit der Auswahlentscheidungen der Fall
Daten nicht zu. Daher ist es nicht möglich, Konkurrentenklagen von sein dürfte -, hat der Personalentscheider überhaupt noch eine
anderen verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit dem Verfahrensge- wertende Entscheidung zu treffen.
genstand Beliirderung, die mit demselben Sachgebietsschlüssel er-
fasst werden, zu unterscheiden. Nachdem die Idee von ,,Subsumtionsautomaten" von Anfang
56) v.Roeneken,ZBR20l'7, S. 145, (159). an Kritik ausgesetzt und lange überwunden geglaubt war, wird
57) Weckmann,ZBF'2020, S. 58 ff.; Hetmann, NVWZ 2017, S. 105 durch eine immer überspitztere formal-inhaltliche,,Ausgefeilr
(107) weist darauf hin, dass dem von Art. 33 Abs. 2 GG geprägten heit" der Begründungen möglicherweise vorgestanzten Routine-
Auswahlermessen des Dienstherrn ein der verwaltungsgerichtlichen
entscheidungen Vorschub geleistet. Hier ist es nicht mehr weit,
Überprüfung entzogenes Organisationsermessen vorgelagert ist, ob
und wann er welche Statusämter bereithält. Auswahl- und Ernennungsbegründungen womöglich zukünftig
58) Herrmann, NVWZ 2017, S. 105 (107); zu den Voraussetzungen als Anwendungsfall von ,,LegalTech" (Digitalisierungen in der
ZBR20I6, 5. 217 (222);
eines rechtmäßigen Abbruchs vgl. Eckstein, Rechtspraxis) zu sehen.5e Das Treffen von mehr oder weniger
die Gründe sind schriftlich zu dokumentieren und den Bewerbern komplexen Entscheidungen im Einzelfall, die - gegründet auf
mitzuteilen vgl. BVerwG, Urteil vom26.1.2012 - 2 A 7 .09 - Rn. 29; eine die geschichtlichen, soziologischen, philosophischen, wirt-
BVerwG vom 29.11.2012 - 2 C 6.ll - Rn. 19.
59) Gless/Wohlers, Subsumptionsautomat 2.0 - Künstliche Intelligenz schaftlichen Bezüge einbeziehenden Normanwendung - sollte
statt menschlicher Richter, FS fiir Kindhäuser,2019, S. 147 (152). dagegen wie die richterliche Entscheidung ein ,,Reservat"
60) Buchholtz, JuS 2017, S. 955 (956 f.). menschlicher Intelligenz bleiben.60 Dieses,,Reservat" droht
ZBR Heft 5/2021 Kawik/Pflüger: Konkurcentenstreitigkeit: NeuereTbndenzen undWertungswidersprüche bei Konkunenteklagen 153

aber durch eine ausufernde Formalisierung der Erstellung und richtliche Entscheidung, beziehungsweise für einvernehmliche
Bewertung von Beurteilungen zunehmend begrenzt zu werden Lösungen, überzeugt jedoch wenig. Denn der Parteivortrag
- zunächst für den Personalentscheider und im zweiten Schritt dürfte nur in seltenen Fällen über die ohnehin schon schriftlich
für den diese Entscheidung überprüfenden Richter. Hinzu- vorgelegten Beurteilungen hinausgehen. Darüber hinaus darf
kommt, dass nach der Rechtsprechung die Inzidentkontrolle nicht verkannt werden, dass sich im Beamtenstreitverfahren
von dienstlichen Beurteilungen im Konkurrentenstreitverfah- Dienstherr und Beamter gegenüberstehen, die immerhin durch
ren auf offensichtliche Beurteilungsfehler beschränkt ist. 6r
das besondere Dienst- undTreueverhältnis verbunden sind. Auf
letzteres würde es ein denkbar schlechtes Licht werfen, würde
Die zunehmende Abstraktion der Bewerberauswahl wird durch
tatsächlich das Gericht erstmalig in der Verhandlung dem Be-
die Orientierung am statusrechtlichen Amt noch befordert, wo-
amten in nachvollziehbarer Weise erläutern, wie es zu seiner
nach die Beforderung sich nicht an dem konkret zu vergebenen
Auswahl beziehungsweise Nichtauswahl gekommen ist. Einen
Dienstposten, sondern daran orientieren soll, dass der Ernannte
erhellenden Effekt dürfte man sich von der Verhandlung allen-
grundsätzlich für jedes Amt seiner neuen Besoldungsstufe in
falls dann versprechen, wenn das Gericht seine Rechtsauffas-
seiner Laufbahn geeignet sein müsse.62 Dies lässt sich damit
sung darlegt und diese von derjenigen der entscheidenden Be-
rechtfertigen, dass er ohne weiteres versetzt und umgesetzt
hörde abweicht.
werden könne.
Eine Vermittlerrolle zwischen den Streiparteien kann dem Ge-
Je abstrakter die Entscheidung, desto unangreifbarer wird sie
richt nur dann zukommen, wenn tatsächlich Raum fürVermitt-
somit auch. Gegen den Einsatz künstlicher Intelligenz wird bei
lung ist. Dies ist nicht der Fall, wenn eine Flexibilität der Par-
richterlichen Entscheidungsfindungen vorgebracht, Richter wür-
den vor allem durch die Fähigkeit ausgezeichnet, ein bei for-
teien wegen der starren Rechtslage gar nicht gegeben ist.
Überdies gibt es wenig zu ,,verhandeln", wenn die Bewerber-
maler Regelanwendung zunächst richtig erscheinendes Ergeb-
auswahl bei hoher Formalisierung und Dokumentation des Be-
nis wieder in Frage zu stellen, um auch in atypischen Fällen
gerecht entscheiden zu können63. Zu Recht wird daraufhinge- urteilungswesens quasi-mathematischen Entscheidungsregeln
wiesen, dass die von einem Richter (und - wie zu ergänzen ist
folgt. Dann fragt man sich aber, welcher Teil der Bewerberaus-
wahl sich gegen eine nachvollziehbare Verschriftlichung sper-
- gleichermaßen hier vorgelagert von einem die Bewerber- ren sollte.
auswahl vornehmenden Personalisten) erwartete holistische
Sichtweisee einem Subsumtionsautomaten nicht zur Verfi.i-
gung steht6s. Ein Richter subsumiere zwar auch richtig, könne
lX. Grundsätzlicher Vorrang des Vollziehungs-
aber inhaltlich unrichtige Entscheidungen erkennen. Er könne
subjektive Einschätzungen mit einfließen lassen, die sich nur interesses des Dienstherrn als Besonderheit
aus der individuellen Biographie eines menschlichen Richters des Beamtenrechts
oder eines informellen Entscheidungsprogramms erklären lie-
ßen,66 was es erforderlich mache, auf das Korrektiv der inter- Laut Bamberger soll die Übertragung eines öffentlichen Amtes
subjektiven Plausibilität zu vertrauen. 67 regelmäßig von keinem besonderen öffentlichen Interesse sein,
das der Vollziehung ohne weiteres Vorrang verleihe. Bestehen-
Diese Argumente lassen sich auch gegen eine zu formalisierte de Vakanzen auf dem Dienstposten ließen sich im Wege der
Bewerberauswahl fruchtbar machen. Durch die Betonung des Umsetzung ausgleichen. Das bisherige System prozessualen
statusrechtlichenAmtes bei der Beforderung bleibt die vielfach Rechtschutzes kehre das vorgesehene Regel-/Ausnahmever-
beobachtete,,Flucht in das konstitutive Anforderungsprofil"68 hältnis, wie es in $ 80 Abs. 1 Satz I VwGO seinen Ausdruck
zunehmend versperrt. finde, um.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob sich das Rechtschutz-
Vlll. Auswirkungen der zunehmenden Formalisie- system des öffentlichen Dienstrechts nicht aus gutem Grund
rung der Bewerberauswahl auf die Anforderungen von den verwaltungsprozessualen Regeln in anderen Rechts-
bereichen des öffentlichen Rechts entfernt hat. Fraglich ist
an die Verfahrensgestaltung
mithin, ob eine Orientierung an anderen Rechtsbereichen des
Treibt die Rechtsprechung die Anforderungen an die Formali- öffentlichen Rechts nicht die Besonderheiten des Beamten-
sierung der Bewerberauswahl weiter voran, hat dies auch Aus- rechts übergeht. Dem Beamtenrecht lässt sich sehr wohl ein
wirkungen auf die Anforderungen, die sinnvollerweise an die
Verfahrensgestaltung zu stellen sind. Nach gegenwärtiger
Rechtslage findet der Rechtsschutz in Konkurrentenstreitver- 6l) In Konkurrentenstreiwerfahren wird regelmäßig inzident auch über
die Frage gestritten, ob die eigene dienstliche Beurteilung als
fahren regelmäßig im einstweiligen Rechtsschutz ohne münd- Grundlage der personellen Auswahlentscheidung rechtsmangelbe-
liche Verhandlung im Hauptsacheverfahren statt. haftet oder ob die Beurteilung des Konkurrenten rechtsfehlerfrei ist;
hierzrt, Lorse, Aktuelle Rechtsfragen dienstlicher Beurteilungen im
Im Fehlen des Verhandlungstermins und der stattdessen im Rahmen personellerAuswahlprozesse, S. 328 (338) mit Hinweis auf
einsfweiligen Rechtsschutzverfahren erfolgenden Überprüfung OVG Sachsen, Beschluss vom 1.2.2010 2A475/08- jüs, Rn. 12.
der Bewerberauswahl wird teilweise ein Manko gesehen.6e Das 62) Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013 - 2 VR l/13.
Stattfinden einer mündlichen Verhandlung habe einen Rechts- 63) Gless/Wohlers (Fn.59), S. 147, (160).
wert an sich, weil zwischen den Streitparteien und dem Gericht 64) Kahnemann, Thinking, Fast and slow, New York 201 1.
im persönlichen Kontakt der Streitstoff in unmittelbarer Rede 65) Gless/Wohlers (Fn.59), S. 147 (160).
66) Baer, Rechtssoziologie, $ 8, Rn.3l.
und Gegenrede erörtert werden könnte. Deshalb könnten Aus- 67) Gärditz, Strafprozess und Prävention, Entwurf einer verfassungs-
wahl und Abbruchentscheidungen durch die Behörde begrün- rechtlichen Zuständigkeits- und Funktionenordnung, Tübingen
det und - bei ggfs. unzureichender Begründung - erläutert wer- 2003, s. 56 f.
den 70. 68) Lorse,ZBR2020, S.181 (187).
69) Bamberger,ZBR2019, S. 192 (195).
Die Vorstellung, die mündliche Verhandlung gebe noch mal 7 0) B a mberger, ZBR 2019, S. I 92 (I 96) unter Hinweis auf v on d er Wei-
Gelegenheit zur Plausibilisierung oder Akzeptanz für die ge- den, ThürVBl. 2017, 5. l8 l (1 81).

i-.
154 KawiUPflüger: Konkunentensfieitigkeit: Neuerc kndenzen und Wertungswiderspriiche bei Konhnrenteklagen ZBR Heft 5/2021

grundsätzlicher Vorrang des Vollzugsinteresses des Dienst- wählten Bewerbers regelmäßig unzureichend beleuchtet. Dies
herrn entnehmen. Dies findetAusdruck in $ 126 Abs. 4 BBG, ergibt sich daraus, dass die Betrachtung stets aus Sicht des
dessen Grundsatz a maiore ad minus auf die Umsetzung An- vermeintlich zu Unrecht übergangenen Bewerbers geführt
wendung findet, die keinen Verwaltungsakt darstellt. wird. Eine Verzögerung der Beförderung geht zu Lasten des
zu Recht ausgewählten Bewerbers, ohne dass der - immerhin
Die Daseinsberechtigung des Berufsbeamtentums wurzelt in in aller Regel - rechtmäßig ausgewählte Bewerber bei unbe-
dessen Fähigkeit, staatliche Aufgaben lückenlos erfüllen zu gründeten Rechtsbehelfen Schadensersatz geltend machen
können. Das Streikverbot für Beamte wurde vor diesem Hinter- kann 75. Die Verzögerung der Ernennung des vom Dienstherrn
grund kürzlich gestärkt und seine Bedeutung als Sympathie- rechtmäßig ausgewählten Bewerbers durch einen unberech-
anker in der Bevölkerung für die Daseinsberechtigung des tigt durchgeführten Konkurrentenstreit, kann nicht kompen-
Berufsbeamtentums betont.Tr Dass ein Beamter dem Vollzie- siert werden, da das Beamtenrecht rückwirkende Ernennun-
hungsinteresse des Dienstherrn an der Deckung eines von ihm gen nicht kennt76.
priorisierten Personalbedarfs zunächst unverzüglich nachkom-
men muss, liegt in der Natur des Dienst- und Treueverhält-
nisses. Ebenso darf der Dienstherr seinen Personalbedarf Xl. Unterschiede zwischen Fällen der Massen-
grundsätzlich gegenüber eigenen Verwendungswünschen des
beförderungen im Rahmen derTopfwirtschaft
Beamten priorisieren.
zu einzelnen streitbefangenen Dienstposten

Die Rechtsprechung, wonach die Besetzung des Dienstpostens


X. Fehlende Sachdienlichkeit der fiktiven
mit dern ausgewählten Bewerber verhindert werden kann und
Fortschreibung auch die Ausblendungsrechtsprechungl7 ist zu Recht Kritik
ausgesetzt. Es ist aber anzuerkennen, dass die Gefahr, einen
Das Instrument der fiktiven Fortschreibung ist nicht geeignet, Dienstposten nicht mit dem ausgewählten Bewerber besetzen
Konkurrentenstreitverfahren gerechter zu gestalten. Zu Recht zu dürfen oder zumindest dessen Bewährungsvorsprung aus-
wird kritisiert, dass das Instrument der fiktiven Fortschreibung blenden zu müssen, dem Verfahren aus Sicht des Dienstherrn
dazu flihrt, dass einem Beamten die Berufung auf eine indivi- Dringlichkeit verleiht. Ausdrücklich bestand das Bestreben des
duelle Qualifikationsentwicklung aufgrund einer ihrer Art nach Bundesverwaltungsgerichts darin, durch die Rechtsprechung
beurteilungsf?ihigen Tätigkeit nur deshalb versagt bleibt, weil zur fiktiven Fortschreibung und ein Ausblenden der höherwer-
er rechtsfehlerhaft für die entsprechende Tätigkeit ausgewählt tigen Aufgabenwahrnehmung einen Anordnungsgrund über-
wurdei2. Dies, ohne dass der zu beurteilenden Person insoweit gangener Bewerber auszuschließen,?8 um Stellenblockaden zu
ein missbräuchliches Verhalten vorzuwerfen wäre. Das Instru- vermeiden und dem Interesse an einer funktionierenden Recht-
ment der flktiven Nachzeichnung diene nicht als Ersatz fi.ir eine sprechung nachzukommen ?e.

sonst unmögliche Qualifikationsfeststellung, sondern zur Recht-


fertigung eines Eingriffs in die Sphäre der Person, die angeblich In den Fällen, in denen ein konkreter Dienstposten in Streit
trotz der dort gezeigten Leistungen keine entsprechende Quali- steht und der Dienstherr dringend aufdie Stellenbesetzung an-
fikationsfeststellung erhalten dürfe 73. gewiesen ist und ihm diese durch eine einstweilige Verfügung
untersagt wurde, oder er dies zumindest befürchten muss, wird
Diese Kritik wirft ein Schlaglicht auf die ungleich hohe der Dienstherr den Prozess entsprechend engagiert und eilig
Gewichtung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des unter- betreiben.
legenen Bewerbers auch gegenüber dem ebenfalls mit Verfas-
sungsrang ausgestatteten Bewerbungsverfahrensanspruchs des Im Einzelfall kann sich der Dienstherr - dessen Bedürfnis
ausgewählten Bewerbers, was auch vor dem Hintergrund von nach einer zügigen Stellenbesetzung gegenüber der Prüfung
Arl 33 Abs. 2 GG und Art. 19 Abs. 4 GG Teilen der Literatur eines konkurrierenden Bewerbers auf gleichen Ztgang zu
durchaus nicht zwingend erscheint 74. dem ausgeschriebenen öffentlichen Amt gemäß der Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.07.2002 nach-
Tatsächlich werden bei der Betrachtung des Konkurrenz- rangig sein soll80 - gar gedrängt sehen, den aus seiner Sicht
schutzes im Beamtenrecht die Rechte des zu Recht ausge- zu Recht untellegenen Bewerber klaglos zu stellen, um eine
dauernde Yakanz auf dem streitigen Dienstposten zu verhin-
dern. sl
71) BVerfG, Urteil vom 12.6.2018 - 2 BvR 1'138112 - BVerfGE 148,
Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass es Fälle gibt, in denen
296-390.
72) v. Roetteken,ZBR20lT, S. 145 (160). der Dienstherr von der Einlegung von Rechtsmitteln dadurch
73) v. Roetteken,a. a.O. zurückgehalten werden könnte, dass er eine weitere Verzöge-
7 4) lliegand, Beamtenrechtlicher Konkurrentenstreit, Rn. I I 5. rung der Dienstpostenbesetzung fürchtet82. Zwar mag man
75) Vgl. Weclonann (Fn. 1 l), 5.254 f.; so auch Zorse, ZBR 2017, S. I I argumentieren, dass der Dienstherr schon aus Fürsorgegründen
(14).
gehalten ist, den Prozess eilig und priorisiert zu betreiben. In
7 6) Kenntner, ZBR 20 1 6, S. I 8 1 (1 90) mit Hinweis darauf, dass es auch
zwischenzeitlich durch Zeitablauf zu Ernennungshindernissen z. B. der Praxis wird allerdings dadurch, dass der gebündelte Dienst-
durch Überschreitung von Höchstaltersgrenzen kommen kann. posten besetzt ist und die Funktionsfähigkeit der Verwaltung in
77) Ztm eingeschränkten Anwendungsbereich der Ausblendungsrecht- diesen Fällen nicht in Rede steht, erheblicher Druck aus dem
sprechung, vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.12.2017 - 2 V R 2/ 1 6. Verfahren genommen.
78) Vgl. von der Weiden, Anm. zu BVerwG vom 21.12.2016 2 VR -
l/l 6,.jurisPR - BVerwG 6/2017 Anm. l. Die Rechtsprechung, wonach ein einzelner konkreter Dienst-
79) BVerwG vom 10.05.2016 -2VR2115 - BVerwGE 155 (16l); vgl. posten in Streit steht, dessen Übertragung ggf. verhindert wer-
Weckmann,3. Kap. III 1. B. 0 bb. 2) (3) Fn. 1084 rn. w N. den kann, führt zu erheblichen Wertungswidersprüchen zu
80) BVerfG, Kammerbeschluss vom. 19.9.1989 - 2 BvR 1576/88.
denjenigen Beflorderungen, die als Massenbeforderungen im
8l) Dies kann in der Praxis dadurch geschehen, dass der übergangene
Bewerber sich auf einen weiteren ausgeschriebenen Dienstposten Rahmen der Topfwirtschaft erfolgen. Während der Dienstherr
bewirbt und auf diesem Ausschreibungssieger wird. in den Fällen, in denen ein einzelner Dienstposten in Streit
82) Brucher, ZBR 1989, S. 139 (143). steht, sich in der Praxis davon abschrecken lassen wird, den
ZBR Heft 5/202 I KawiUPflüger: Konkutentenstreitigkeit: Neuere Tbndenzen und Wertungswidersprüche bei Konkurrenteklagen I 55

Dienstposten zu besetzen, wenn dies zumindest möglich er- bräuchlichen Verhaltens der handelnden Behörde. Nichtsdesto-
scheint, stellt sich dieses Problem im Rahmen der Topfwirt- trotz wird dies mit einer gewissen Unsicherheit ausgewählter
schaft aus Sicht des Dienstherrn nicht. Bewerber verbunden sein, die regelmäßig keinen Einfluss auf
den korrekten Ablauf von Auswahlprozessen haben. Insoweit
In den Fällen der Massenbefiirderungen im Rahmen der Topf-
wird man gut beraten sein, hält man am bisherigen System fest,
wirtschaft sollen gerade die Dienstposteninhaber, die auf ge-
die Durchbrechung der Amterstabilität im oben beschriebenen
bündelten Dienstposten sitzen, befordert werden. In diesen
Sinne aufeindeutige Fälle zu beschränken. Angemerkt sei aber
Fällen wird durch die Be{tirderung gerade nicht zugleich ein
auch, dass es einer gut organisierten Personalverwalfung, die
Dienstpostenwechsel angestrebt. Der Dienstherr muss sich in
bestimmte Entscheidungen durchzusetzen beabsichtigt, mög-
diesen Fällen um die Kontinuität der Aufgabenwahrnehmung
in keiner Weise sorgen. Die Gefahq der Dienstherr könnte Be-
lich sein wird, solche Personalentscheidungen über entspre-
chende Beurteilungen vorzubereiten. Passende Beurteilungen,
amte, die gebündelte Dienstposten besetzen, in rechtsmiss-
die auch im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht
bräuchlicher Form ernennen, stellt sich im Rahmen der Topf-
zu beanstanden sind, zu verfassen, ist in der Regel keine beson-
wirtschaft nicht. Insofern dürfte bereits das Betreiben der
Topfivirtschaft an sich dem Dienstherrn das Interesse daran ders schwierige Aufgabe.
nehmen, Ernennungen vorzunehmen, die die Rechtsprechung In für Juristen typischer Art und Weise wird die Lösung des
aufgrund ihrer Rechtsmissbräuchlichkeit vom Grundsatz der Problems der Konkurrentenstreitigkeiten in
dogmatischen
Amterstabilität ausnehmen müsste. Da die Aufgabenwahrneh- Abwägungen gesucht. Schon im ersten Semester wird Juris-
mung nicht gefährdet ist, kann der Dienstherr den Konkurren- ten beigebracht, nichts in Sachverhalte hinein zu interpretie-
tenstreit ohne eigenen Nachteil abwarten. Überspitzt könnte ren, was nicht darin angelegt ist. Diese stete Übung wird für
man gar sagen, dass die Verzögerung sich zu Gunsten des Juristen schließlich zu einem Rückenmarksreflex, der für die
Dienstherrn auswirkt, der den Differenzbetrag der Besoldung Lösung von Klausursachverhalten seine volle Berechtigung
gegenüber dem Befürderungsamt spart. Diesen Nachteil trägt hat.
allein derjenige Bewerber, zu dessen Lasten die Verzögerung
der Ernemung geht. Dieser Nachteil kann im Rahmen der Im Hinblick auf die Lösung realer Schwierigkeiten im Umgang
Topfivirtschaft noch dadurch potenziert werden, dass ein ein- mit Verwalfung und Rechtsprechungsproblematik entsteht hier-
zelner übergangener Bewerber ggf. eine Vielzahl von Ernen- durchjedoch ein blinder Fleck, indem Lösungen im Ringen um
nungen blockieren kann.83 Auch dürfte eine Klaglosstellung maximale Gerechtigkeit mit juristischen Mitteln gesucht und
des übergangenen Bewerbers in Fällen der Massenbeltirderung die Tatsachengrundlage der Problematik nie mehr angezweifelt
im Rahmen der Topfivirtschaft nicht möglich sein. sa wird.

In den Fällen, in denen durch eine Vermeidung derVorwirkung Es ist typisch für die aktuelle Diskussion um Konkurrente-
der Stellenbesetzung durch Ausblenden eines Bewährungsvor- streitverfahren, die das vielleicht umstrittenste und praktisch
sprungs die Besetzung des streitigen Dienstpostens mit dem eines der bedeutsamsten Probleme für das Fortkommen von
ausgewählten Bewerber möglich bleibt,85 wird durch das offen- Beamten betriffi, dass es an einer statistischen Erfassung der
kundige Auseinanderfallen von dem wahrgenommenen Funk- Fallzahlen, insbesondere der erfolgreichen Konkurrentenstreit-
tionsamt und dem statusrechtlichen Amt des ausgewählten Be- verfahren in Prozent fehlt. Daher lässt sich die tatsächliche Di-
werbers, dessen Befürderung nicht vollzogen werden kann, die mension der Problematik kaum ausmachen. Da die Diskussion
Dringlichkeit der Entscheidung durch denAnspruch des ausge- stets von den vermeintlich übergangenen Bewerbern angesto-
wählten Bewerbers auf eine amtsangemessene Beschäftigung ßen wird, die einstweiligen Rechtschutz suchen, kann dabei aus
verbürgt, wenn auch ein dauerhaftes Auseinanderfallen von dem Blick geraten, dass mutmaßlich die überwältigende An-
Statusamt und Dienstposten keinen Befürderungsanspruch be- zahl der zu Recht ausgewählten Bewerber von jedem einzelnen
gründet. 86 Dieser Anspruch soll grundsätzlich verhindern, dass Konkurrenten Streitverfahren einen Nachteil erleiden. Wüsste
der tatsächlich wahrgenommene Dienstposten auf Dauer von man etwa, dass dies zum Beispiel 99%o der Fälle betrift (was
dem statusrechtlichen Amt abweicht, da im Interesse einer un- eben bedauerlicherweise nicht bekannt ist) wäre eine fast zwin-
abhängigen Amtsführung die Einheit von Statusamt und Funk- gende Schlussfolgerung, einige wenige Vorbehaltstellen für die
tionsamt anzustreben ist.87 Auch diese Problematik zeigt sich wenigen zu Unrecht entschiedenen Fälle vorzuhalten, anstatt
im Zusammenhang mit der Topfuirtschaft wesentlich subtiler die Verwaltung durch untersagte Stellenbesetzungen zu belas-
und weniger augenfällig. 88 ten, von Seiten der Rechtsprechung in die Exekutive mehr und
mehr einzudringen und zu Recht ausgewählte Bewerber in
ihrem Fortkommen zu behindern. Wenn auch das gegenseitige
Xll. Ausblick Dienst- und Treueverhältnis, sowie das Fürsorgeprinzip große
unumstößliche Werte im Beamtenrecht darstellen, darf nicht
Es entsteht der Eindruck, dass imHinblick auf die Auseinander- verkannt werden, dass es im Rahmen von Befürderung und per-
setzungen um Personalauswahlentscheidungen an vielen Stell- sönlichem Fortkommen vor allen Dingen auch ums Geld geht.
schrauben mit den besten Absichten gedreht wird. In der Kon-
sequenz wird ggf. im Einzelfall eine Ungerechtigkeit beseitigt.
Das Gesamtsystem hingegen wird immer komplexer. Dies wird 83) Vgl. Kenntner,ZBR20I6, S. 182 (192); Kenntner leitet hieraus ein
etwa an der vorläufigen Besetzung von streitbefangenen Dienst- ,,überschießendes Druckpotential" des übergangenen Bewerbers ab.
posten und der daraus resultierenden fiktiven Beurteilung be- Dies erscheint nach hier vertretener Auffassung fiaglich.
85) Zur Möglichkeit des Dienstherrn, die Vorwirkung der vorläufigen
sonders deutlich.
Dienstpostenbesetzung zu vermeiden, vgl. BVerwG, Beschluss vom
Auch die Schaffirng einer Ausnahme zur Wirkung des Grund- t0.5.20t6 -2vP.2lt5.
satzes der Amterstabilität, ist mit einer Verkomplizierung des
86) BVerfG, Beschluss vom 7 .3.2013 - 2 BvR 2582/ 12.
87) von der Weiden (Fn.78), Anm. 5.
Gesamtsystems verbunden. Dies tritt - was wohl eine Binsen- 88) Ohnehin ist es schwierig zu begründen, warum der Anspruch auf
wahrheit ist - immer dann, wennAusnahmen von Grundsätzen amtsangemessene Beschäftigung auch auf Bündelungsdienstposten
gemacht werden zu. Gerechtfertigt wird dies mit einer Schlie- erfüllbar sein soll, vgl. Ziekow, Die dienstrechtliche Topfivirtschaft,
ßung von Gerechtigkeitslücken in Fällen eines rechtsmiss- YM 6319, 3'7 (39).
r56 Ante: Die (passive) Beteiligmg an Unternehmen durch Bundesbeamte ZBR Heft 5/2021

Bevor also auf juristischer Ebene eine Lösung gefunden wer- Die Berechnung, wie viel Vorbehaltsstellen kosten (bezie-
den kann, die das bisher erreichte Maß an Gerechtigkeit Ilungsweise sparen würden) muss das Fundament weiterer
übertrifft, wäre es erforderlich, einen klaren Überblick über die Uberlegung sein. Ohne ein solches lässt sich zwar die juristi-
Entscheidungsgrundlagen zu gewinnen und die Beamtenstrei- sche Anmut von Lösungen, nicht aber der tatsächliche Gerech-
tigkeiten auch einer ökonomischen Analyse zu unterziehen. tigkeitsgewinn flir die Betroffenen steigern.

Die (passive) Beteiligung an Unternehmen durch


Bundesbeamte als genehmigungs- oder anzeige-
pfl ichtige Nebentätigkeit
JohannAnte

bes timmte unentge ltliche Tdtigkeiten, darun-


Entgelt lic he und fasst, in denen der Beamte an einem im Familienbesitz befind-
ter gewerbliche Tdtigkeiten und der Eintritt in Unternehmen- lichen Unternehmen beteiligt ist oder werden soll.
sorgane, sind nach dem BBG genehmigungspfichtig. Unter-
Im Folgenden wird untersucht, ob eine passive - allein mit auf
liegt damit die aktive Tritigkeit eines Beamten in gewerblich
die Wahrnehmung der Gesellschafterinteressen beschränkten
tdtigen Unternehmen in aller Regel der Genehmigungspflicht,
Tätigkeiten verbundene - Beteiligung3 eines Beamten an einem
kann das Ergebnis zweifelhaft sein, wenn der Beamte an einem
Unternehmen nach den bundesbeamtenrechtlichen Vorschrif-
solchen Unternehmen nur.finanziell beteiligt ist, sich aber nicht
tena eine genehmigungs- oder zumindest anzeigepflichtige Ne-
aktiv am Geschdftsbetrieb beteiligt. Der Beitrag geht der Frage
bentätigkeit darstellt.
nach, tmter welchen Voraussetzungen eine solche - rein passive
- Beteiligung eines Beamten an einem gewerblich tdtigen Un-
ternehmen nach den Bestimmungen des BBG eine genehmi-
ll. Genehmigungspflichtigkeit der Beteiligung
gungs- oder zumindest anzeigepfichtige Nebentcitigkeit dar-
stellen kann.
1. Voraussetzungen einer Genehmigungspf licht
Gemäß $ 99 Abs. I S. I BBG bedürfen Beamtinnen und Beam-
l. Einleitung te zur Ausübung jeder entgeltlichen Nebentätigkeit, mit Aus-
nahme der in $ 100 Abs. I BBG abschließend aufgeführten, der
Nach den Bestimmungen des BBG sind entgeltliche Neben- vorherigen Genehmigung, soweit sie nicht nach $ 98 BBG zu
tätigkeiten grundsätzlich genehmigungspflichtig. I Gleiches gilt ihrer Ausübung verpflichtet sind. Nach g 99 Abs. I S. 2 BBG
für bestimmte unentgeltliche Nebentätigkeiten, darunter ge- gilt Gleiches für folgende unentgeltliche Nebentätigkeiten: die
werbliche Tätigkeiten, die Mitarbeit an solchen und der Eintritt Wahrnehmung eines Nebenamtes (Nr. l), gewerbliche oder
in das Organ eines Unternehmens.2 Während damit im Falle freiberufliche Tätigkeiten oder die Mitarbeit bei einer dieser
einer aktiven Mitarbeit in einem gewerblich tätigen Unterneh- Tätigkeiten (Nr. 2) und den Eintritt in ein Organ eines Unter-
men - erwa als Geschäftsführer einer GmbH oder persönlich nehmens mit Ausnahme einer Genossenschaft (Nr. 3).
haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft - eine
genehmigungspflichtige Nebentätigkeit in aller Regel bejaht Für das Vorliegen einer genehmigungspflichtigen Tätigkeit müss-
werden kann, kann dies zweifelhaft sein, wenn ein Beamter an te die Beteiligung an einem Unternehmen damit eine grundsätz-
einem solchen Unternehmen zwar beteiligt ist, seine Tätigkeit lich genehmigungspflichtige Tätigkeit darstellen. Ferner dürfte
sich aber allein auf die Wahrnehmung seiner Beteiligungs- diese Tätigkeit nicht unter einen Ausnahmetatbestand des $ 100
interessen beschränkt. Rechtsprechung zu dieser Fragestellung Abs. I BBG fallen.
liegt - soweit ersichtlich - nur vereinzelt vor. Dabei kommt der
Frage eine nicht zu unterschätzende praktische Relevanz zu.
2. Vorliegen einer grundsätzlich genehmigungs-
Denn zum einen stellt auch bereits der Erwerb von Aktien oder
pf lichtigen Nebentätigkeit
Kommanditanteilen im Rahmen des Vermögensaufbaus eine
Unternehmensbeteiligung dar. Ztm anderen sind etwa Fälle er- a) Einleitung

Für eine grundsätzlich genehmigungspflichtige Nebentätigkeit


müsste zunächst überhaupt eine Nebentätigkeit im Sinne der
1) Vgl. $ 99Abs. 1 S. 1 BBG. S$ 97 tr BBG vorliegen. Daneben müsste diese Tätigkeit ent-
2) Vgl. $ 99 Abs. 1 S. 2 BBG. geltlich erfolgen oder eine solche im Sinne des g 99 Abs. I S. 2
3) Im Folgenden wird von der Beteiligung eines Beamter an einem
BBG darstellen.
Unternehmen, in dem dieser nicht selbst aktiv (etwa in der Ge-
schäftsfi.ihrung) tätig wird, sondern lediglich die ihm aufgrund der
Beteiligung zustehenden Gesellschafter- bzw. Aktionär'srechte wahr-
nimmt, als passive Beteiligung gesprochen. b) Vorliegen einer Nebentätigkeit
4) Die Beamtengesetze der Länder enthalten ähnliche Vorschriften. Im
Detail gibt es jedoch Abweichungen im Wortlaut und auch im Auf- Eine Nebentätigkeit ist nach $ 97 Abs. I BBG die Wahrneh-
bau der Prüfung. Die nachfolgenden Ausführungen können daher mung eines Nebenamtes oder die Ausübung einer Nebenbe-
nicht ohne Weiteres auf Landesbeamte übertragen werden. schäftigung. Ein Nebenamt wiederum ist gemäß g 97 Abs. 2
ZBR Heft 5/2021 Ante: Die (passive) Beteiligung an Unternehmen durch Bundesbeamte 157

BBG ein nicht zu einem Hauptamt gehörender Kreis von Auf- zeitliche Umfang dieserTätigkeit nicht entscheidend dafür sein
gaben, der aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Dienst- oder kann, ob diese Tätigkeiten als Nebenbeschäftigung im Sinne
Amtsverhältnisses wahrgenomnen wird. Die Voraussetzungen des $ 97 Abs. 3 BBG einzustufen sind.
eines Nebenamtes liegen bei einer privat gehaltenen Beteili- Werden Unternehmensanteile hingegen nicht (nur) gehalten,
gung an einem Unternehmen mangels öffentlich-rechtlichen sondern mit solchen auch nicht nur gelegentlich gehandelt
Dienst- oderAmtsverhältnisses im Hinblick auf die Beteiligun- (etwa durch Kauf und Verkauf von Aktien), wird unabhängig
gen nicht vor. Damit verbleibt die Möglichkeit einer Nebentä-
von den vorstehenden Erwägungen ein für das Nebentätig-
tigkeit in der Variante der Ausübung einer Nebenbeschäftigung.
keitsrecht relevanter zeitlicher Umfang regelmäßig erreicht
g 97 Abs. 3 BBG definiert eine Nebenbeschäftigung als jede
werden.
sonstige, nicht zu einem Hauptamt gehörende Tätigkeit inner-
halb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes. Zusammenfassend wird sich somit in bestimmten Fällen von
Unternehmensbeteiligungen aufgrund eines sehr geringen da-
g 97 Abs. 3 BBG knüpft für das Vorliegen einer Nebenbeschäf-
mit verbundenet Zeitaufwandes bereits vertreten lassen, dass
tigung damit an eine konkrete Tdtigkeit an. Allein das Halten
der Beteiligung und somit die Gesellschafter- bzw. Aktionärs-
keine Nebenbeschäftigung im Sinne des $ 97 Abs. 3 BBG -
und damit auch keine Nebentätigkeit im Sinne des $ 97 Abs. I
stellung als solche dürfte nach dem Wortlaut der Norm daher
BBG - vorliegt. Ausgehend von Sinn und Zweck des Neben-
keine Nebenbeschäftigung darstellen. Jedoch sind mit der
tätigkeitsrechts, wodurch u. a. Neutralität und Unparteilich-
Gesellschafter bzw. Aktionärsstellung bestimmte Tätigkeiten
(etwa die Teilnahme an Gesellschafter- bzw. Hauptversamm-
keit des Beamten gewährleistet werden sollen, wird man bei
der Beurteilung einer konkreten Unternehmensbeteiligung al-
lungen und das Fassen von Gesellschafterbeschlüssen) verbun-
lerdings zumindest vorsorglich davon ausgehen müssen, dass
den. Jedenfalls solange diese Tätigkeiten von dem Beamten
persönlich wahrgenommen werden (und nicht etwa Dritte mit die Beteiligung eine Nebentätigkeit im Sinne des $ 97 Abs. I
BBG darstellt. Unabhängig davon wird eine Nebentätigkeit
der Vertretung beauftragt sind), liegt damit im Grundsatz auch
im Sinne des $ 97 Abs. 1 BBG in aller Regel vorliegen, wenn
eine Tätigkeit im Sinne des $ 97 Abs. 3 BBG vor.5
mit Unternehmensanteilen nicht nur gelegentlich Handel be-
Zu denken istjedoch an eine teleologische Reduktion der Vor- trieben wird.
schrift des $ 97 Abs. 3 BBG, wonach Tätigkeiten aus seinem
Anwendungsbereich herausfallen, die einen so geringen Um-
fang haben, dass eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen c) Entgeltlichkeit der Tätigkeit oder Fall des $ 99 Abs. I
von ihnen in keinem Fall ausgehen kann.6 Die mit einer passi- S.2 BBG
ven Beteiligung einhergehenden Tätigkeiten können sich dabei
sehr in Grenzen halten und sich efwa auf dieTeilnahme an einer aa) Einleitung
Gesellschafter- oder Haupfversammlung - und damit eine ein-
Geht man vom Vorliegen einer Nebentätigkeit im Sinne des
stellige Stundenzahl - pro Jahr beschränken oder sogar - efwa
bei Verzicht auf die Teilnahme an den jeweiligen Versammlun- $ 97 Abs. I BBG aus, müsste es sich weiter entweder um eine
gen - gänzlich entfallen. In solchen Fällen dürfte eine Be-
entgeltliche Nebentätigkeit oder eine der in $ 99 Abs. I S. 2
BBG genannten Tätigkeiten handeln.
einträchtigung dienstlicher Interessen in zeitlicher Hinsicht in
aller Regel ausgeschlossen sein. Damit ließe sich auch das Vor-
liegen einer Nebenbeschäftigung - und damit einer Nebentätig- bb) Entgeltlichkeit der Tdtigkeit
keit - bereits ablehnen.
Ein Entgelt wird der Beamte für seine Tätigkeit im Zusammen-
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass sich der mit der Betei-
hang mit der Unternehmensbeteiligung bzw. für seine Teilnah-
ligung verbundene zeitliche Aufwand ändern kann. Ausschlie-
me an Gesellschafter- oder Hauptversammlung in aller Regel
ßen lässt sich efwa nicht, dass es infolge einer zukünftigen
nicht erhalten. Dabei würde selbst die Zahlung eines (angemes-
Enfwicklung - z. B. einer wirtschaftlichen Schieflage eines Un-
senen) Sitzungstagegeldes noch nicht zu einer Entgeltlichkeit
ternehmens - abhängig von der Größe des Unternehmens und
der Tätigkeit führen.8 Eine Entgeltlichkeit folgt auch nicht
der Anzahl der Beteiligten zu einem erhöhten Beratungs- und
daraus, dass der Beamte als Gesellschafter oder Aktionär ggf.
Entscheidungsbedarf auch auf Gesellsch after- bzw. Aktionärs-
Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung hat. Denn dieser An-
ebene kommen kann, der zumindest in einem begrenztenZeit-
spruch knüpft an die Beteiligung am jeweiligen Unternehmen
raum wiederum zu einem erhöhten Zeitarfwand führen kann.
an. Als Nebentätigkeit im Sinne des $ 97 Abs. 1 BBG ist aber
Ahnliches kann gelten, wenn sich der Beamte aus eigenen
Stücken entschließt, die mit der Beteiligung einhergehenden - wie oben ausgeführt - allenfalls die konkrete Betritigung als
Gesellschafter oder Aktionär (etwa in der Gesellschafter- oder
Rechte intensiver als bisher wahrzunehmen.
Hauptversammlung oder bei einer Beschlussfassung im Um-
Zudem besteht Sinn und Zweck des Nebentätigkeitsrechts laufverfahren) zu qualifizieren. An diese Tätigkeit knüpft die
nicht allein darin, sicherzustellen, dass der Beamte nicht in etwaige Gewinnausschüttung nicht an. Insoweit handelt es sich
seiner Arbeitskraft zulasten des Amtes eingeschränkt wird, son- bei der Tätigkeit im Zusammenhang mit der Unternehmens-
dern auch, dass Neutralität und Unparteilichkeit des Beamten beteiligung um eine unentgeltliche Tätigkeit.
gewährleistet sind.7 Eine Beeinträchtigung der Neutralität und
Unparteilichkeit - etwa durch besondere Verbindung zu einem
Unternehmen - erscheint aber auch bei einem nur sehr gerin- 5) Vgl. VG Hamburg, ZBRZOI2,423.
gen zeitlichen Umfang einer Tätigkeit im Zusammenhang mit 6) Vgl. Geis, in: Fürst/Franke/Weiß, GKÖD I, Erglfg. 10/20,2020,
diesem Unternehmen grundsätzlich möglich. Dies gilt insbe- $ 97 BBG 2009, Rn.4; vgl. auch ders.,eberda, $ 100 BBG 2009,
sondere dann, wenn finanzielle Interessen (etwa gerade wegen Rn. 10, wonach ein Nebentätigkeitsumfang erst dann vorliegen soll,
wenn sich die Tätigkeit nicht problemlos in der Freizeit erledigen
einer Beteiligung an dem Unternehmen) bestehen. Ausgehend
lässt
von Sinn und Zweck des Nebentätigkeitsrechts wird man daher 7) Vgl. Geis,in: GKÖD I (Fn. 6), $ 99 BBG 2009, Rn. 51.
davon ausgehen müssen, dass im Hinblick auf Tätigkeiten in 8) Vgl. in Bezug auf das Sitzungstagegeld für Aufsichtsratssitzungen
Verbindung mit einer Unternehmensbeteiligung der tatsächlich BVerwGE 40, 1l (12 f.).

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