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Aufsatz ZR
option5 die Regel. Gerade der langfristige, über mehrere parteien den Mietvertrag vorzeitig ordentlich kündigen
Jahre andauernde Bestand solcher Mietverträge ist für die können.9
Vertragsparteien häufig für die Frage, ob sie ihn abschlie- Dass es sich hierbei nicht um ein theoretisches Pro-
ßen, von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung. Auf Sei- blem handelt, sondern um eine Frage von besonderer
ten des Vermieters spielen hierbei vor allem die von ihm praktischer Bedeutung, zeigt bereits der Umstand, dass im
während der festen Vertragslaufzeit eingeplanten Mietein- Zeitraum von 2001 bis 2018 mehr als 30 Revisionsurteile
nahmen eine Rolle, die ihn nicht selten dazu bewegen, In- gefällt wurden, in denen die Einhaltung der Schriftform
vestitionen in die Mietsache zu tätigen, und die zu einer für die Entscheidung erheblich war.10 Hierbei haben sich
Wertsteigerung seiner Immobilie führen.6 Für den Mieter primär Vermieter und Mieter um die Wirksamkeit der un-
ist insbesondere neben der Sicherung des Standorts eben- ter Berufung auf einen Schriftformverstoß erklärten or-
falls eine Planungssicherung in Bezug auf von ihm ge- dentlichen Kündigung gestritten.
plante Um- und Ausbauten seines Geschäfts wichtig.7 In
vielen Fällen ist es jedoch so, dass sich eine der Mietver-
tragsparteien von dem Mietverhältnis vor Ablauf der ur- II. LÖSUNGSVERSUCHE
sprünglich vereinbarten festen Vertragslaufzeit lösen
möchte. Das kann unterschiedliche Gründe haben. So ist In der Praxis hat man auf verschiedenen Wegen zunächst
es etwa denkbar, dass sich auf Seiten des Mieters die von versucht, diesem Problem Herr zu werden. Die wichtigsten
ihm erhofften wirtschaftlichen Erfolge nicht realisieren Lösungsversuche sollen daher im Folgenden überblicksar-
lassen oder dass der Vermieter von einem anderen Miet- tig dargestellt werden, da sich zumindest ihre praktische
interessenten ein besseres Mietangebot hinsichtlich der Bedeutung weitgehend erledigt haben dürfte oder sie nur
Mietsache erhält. Dann stellt sich in solchen Fallkonstella- unter ganz engen Voraussetzungen Anwendung finden.
tionen häufig die Frage, ob trotz der zunächst von den Par-
teien vereinbarten festen Vertragslaufzeit nicht doch eine
vorherige Beendigung des Mietverhältnisses möglich ist. 1. Schriftformheilungsklauseln
Da häufig ein Aufhebungsvertrag nicht im Interesse desje-
nigen ist, der den Mietvertrag beenden möchte, weil die Es wurde versucht, Schriftformverstöße mit sog. Schrift-
Beendigung des Mietverhältnisses hierbei maßgeblich von formheilungsklauseln oder Schriftformheilungsverein-
der anderen Seite abhängt, und Gründe für eine außer- barungen zu umgehen. Diese hatten regelmäßig zum In-
ordentliche Kündigung ebenfalls nicht gegeben sind, ist halt, dass die Parteien sich gegenseitig verpflichteten, auf
dies das Einfallstor für die Frage, ob die Schriftform des jederzeitiges Verlangen einer Vertragspartei alle erforder-
§ 550 BGB eingehalten und somit eine Befristung über- lichen Erklärungen abzugeben und Handlungen vor-
haupt wirksam vereinbart wurde. Denn die Vorschrift ord- zunehmen, um dem gesetzlichen Schriftformerfordernis
net, anders als § 125 S. 1 BGB, zwar nicht die Unwirksam- der §§ 550, 578, 126, 127 BGB sowohl hinsichtlich des Ver-
keit des Mietvertrages an. Gleichwohl wird durch den Ab- tragsabschlusses als auch in Bezug auf etwaige Nachtrags-
schluss auf unbestimmte Zeit die Möglichkeit eröffnet, das , Änderungs- und Ergänzungsverträge sowie Anlagen zum
Mietverhältnis innerhalb der von § 580 a BGB bestimmten Vertrag Genüge zu tun.11 Hierdurch sollten die Vertrags-
Fristen ordentlich zu kündigen. Zwar sollte § 550 BGB, wo- parteien daran gehindert werden, einen Mietvertrag unter
rauf an anderer Stelle noch näher eingegangen wird,8 ur- Berufung auf einen Schriftformmangel ordentlich zu kün-
sprünglich nur den nach § 566 BGB in das Mietverhältnis digen. Ob derartige Klauseln oder Vereinbarungen jedoch
eintretenden Erwerber schützen. Doch aus dem Wortlaut wirksam sind, war lange Zeit umstritten und Gegenstand
der Vorschrift ergibt sich insoweit keine Einschränkung der juristischen Diskussion. So hielten seinerzeit etwa
dahingehend, dass im Falle eines Verstoßes nicht auch die das OLG Braunschweig12 und das OLG Frankfurt/Main13
ursprünglich am Mietvertrag partizipierenden Vertrags- Schriftformheilungsklauseln, also entsprechende Hei-
lungsvereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingun-
gen, für wirksam. Zur Begründung hierzu wurde im We- Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen sein kann.18
sentlichen ausgeführt, der Schutz des Erwerbers erfordere Allerdings stellt ein Abstellen ausschließlich auf § 242
es nicht, die Schriftformheilungsklausel als unwirksam BGB keine Möglichkeit dar, eine Partei rechtssicher daran
nach Maßgabe von § 307 Abs. 2 BGB zu bewerten. Zudem zu hindern, sich auf einen Schriftformverstoß zu berufen
würden entsprechende Klauseln im Hinblick auf § 550 und aufgrund dessen ordentlich zu kündigen. Denn eine
BGB dem Bedürfnis der Mietvertragsparteien entsprechen, Vertragspartei handelt in der Regel nicht treuwidrig, wenn
die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform für den Miet- sie sich auf eine vom Gesetz vorgesehene Rechtsfolge be-
vertrag und damit die vereinbarte Laufzeit sicherzustellen. ruft, was nach dem BGH selbst dann gilt, wenn das
Ebenfalls wurde vertreten, dass entsprechende Klauseln Mietverhältnis zuvor jahrelang beanstandungslos durch-
dazu führten, dass die Geltendmachung eines Verstoßes geführt worden ist.19 Dementsprechend kommt der Aus-
gegen § 550 BGB durch eine Partei so lange treuwidrig sei, schluss einer ordentlichen Kündigung wegen eines Form-
bis sie ernsthaft versuche, die andere Partei zur Heilung verstoßes nach § 242 BGB nur dann in Betracht, wenn die
des Formmangels zu veranlassen.14 Andere bejahten hin- Nichtanerkennung des Vertrages nicht nur zu einem har-
gegen die Wirksamkeit nur, sofern eine entsprechende ten, sondern vielmehr zu einem schlechthin nicht ertrag-
Vereinbarung individualvertraglich geschlossen wurde.15 baren Ergebnis führen würde.20 Dies wird insbesondere in
Auch der BGH musste sich mit der Frage der Wirksamkeit solchen Fällen angenommen, in denen die Existenz einer
von entsprechenden Klauseln auseinandersetzen. Mit Ur- der Vertragsparteien gefährdet ist, in denen die Berufung
teil vom 27. 09. 201716 hat er entschieden, dass Schrift- auf einen Formverstoß eine schwere Verletzung der Treue-
formheilungsklauseln, unabhängig davon, ob sie formu- pflicht gegenüber der anderen Vertragspartei darstellt und
larvertraglich oder individualvertraglich vereinbart wur- in denen diejenige Partei, die aufgrund eines Formversto-
den, mit der zwingenden Vorschrift des § 550 BGB vom ßes kündigt, die andere Partei zuvor schuldhaft an der
Grundsatz her nicht vereinbar und dementsprechend un- Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form gehin-
wirksam seien. Derartige Klauseln seien nämlich mit den dert hat.21 Dass derart gravierende und gewichtige Um-
von § 550 BGB verfolgten Zwecken nicht in Einklang zu stände erfüllt sind, dürfte jedoch eher selten der Fall sein.
bringen. Die Regelung schütze insoweit nicht ausschließ- Zudem ist § 242 BGB als Ausnahmeschrift für den Einzel-
lich den Erwerber eines Grundstücks, sondern habe darü- fall restriktiv auszulegen bzw. anzuwenden.22
ber hinaus eine Warn- und Beweisfunktion für die ur-
sprünglichen Parteien des Mietvertrages. Die Wirksamkeit
einer Schriftformheilungsklausel würde jedoch dazu füh- 3. Mieterdienstbarkeit
ren, dass die Parteien an eine nicht schriftliche Verein-
barung für die volle Vertragslaufzeit gebunden wären, Als weitere Möglichkeit für einen Lösungsversuch wird die
was insbesondere der Warnfunktion zuwiderliefe. Seine Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbar-
Rechtsauffassung hat der BGH mit weiterem Urteil vom keit (Mieterdienstbarkeit) nach § 1090 Abs. 1 BGB ins
11. 04. 2018 bestätigt.17 Die Diskussion um die Wirksam- Grundbuch diskutiert.23 Auf diese Art und Weise soll das
keit von Schriftformheilungsklauseln dürfte damit un- Mietverhältnis nicht nur durch den schuldrechtlichen Ver-
abhängig von ihrer dogmatischen Relevanz jedenfalls für trag, sondern auch dinglich durch die Eintragung der
die Praxis vorerst beendet sein. Dienstbarkeit ins Grundbuch abgesichert werden. Diese
2. Treu und Glauben 18 BGH NJW 2017, 3772, 3774 m. w. N.; Blank/Börstinghaus, in: Blank/
Börstinghaus, Miete, 6. Auflage 2020, § 550 Rn. 84 ff.; Bieber, in: Mü-
Anerkannt ist, dass eine ordentliche Kündigung unter Be- Ko-BGB, 8. Auflage 2020, § 550 Rn. 21 ff.; Emmerich, in: Staudinger
BGB, Neubearbeitung 2021, § 550 Rn. 40 ff.; Lammel, in: Schmidt-Fut-
rufung auf einen Schriftformverstoß im Einzelfall nach
terer, Mietrecht, § 550 Rn. 65 ff.; Scheuch, in: Schulze, Bürgerliches Ge-
setzbuch, § 550 Rn. 5.
19 BGH NJW 2004, 1103.
14 OLG Dresden ZfIR 2017, 321, 323 f.; KG NJOZ 2016, 1278; OLG Köln, 20 Bieber, in: MüKo-BGB, § 550 Rn. 21; Emmerich, in: Staudinger BGB,
Urt. v. 18. 09. 2015, Az. 1 U 28/15. § 550 Rn. 62.
15 OLG Düsseldorf ZMR 2017, 471, 473 f.; Schweitzer, in: Ghassemi-Ta- 21 Emmerich, in: Staudinger BGB, § 550 Rn. 62 m. w. N.; Günter, NZM
bar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaummiete, 1. Auflage 2015, § 550 2019, 561, 565.
Rn. 92. 22 Lindner-Figura/Reuter, NJW 2018, 897, 900.
16 BGH NJW 2017, 3772, 3775. 23 Günter, NZM 2019, 561, 565; Krüger, NZM 2018, 38, 42; Lindner-Figu-
17 BGH NZM 2018, 515. ra/Reuter, NJW 2018, 897, 899.
Aufsatz ZR – Andreas Alexander Himmen: Die teleologische Reduktion von § 550 BGB 875
dingliche Eintragung gewährt dem Mieter ein dingliches hestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohn-
Nutzungsrecht, indem das Grundstück dergestalt belastet raums zulässig. Die Kündigung wird unwirksam, wenn der Mieter
wird, dass der Gebrauch des Grundstücks nur dem Mieter ihr binnen zwei Wochen seit Zugang widerspricht und sich mit der
Fortsetzung des Mietverhältnisses zu den unter Wahrung der erfor-
zusteht.24 Da dieses dingliche Nutzungsrecht unabhängig
derlichen Schriftform getroffenen Vereinbarungen bereit erklärt.
vom Mietvertrag besteht, bestünde auf Seiten des Mieters Die Kündigung kann nicht auf solche Verstöße gegen die Schrift-
auch bei einer auf einem Schriftformverstoß begründeten form gestützt werden, die erst nach dem Erwerb erfolgt sind.«31
ordentlichen Kündigung ein gewisser Schutz. Allerdings
bietet dieses Instrument keinen Schutz des Vermieters vor Begründet wird der Gesetzentwurf u. a. damit, dass das
entsprechenden Kündigungen. Auch wird es regelmäßig Schriftformerfordernis des § 550 BGB ursprünglich nur
nur besonders verhandlungsstarken Mietern möglich sein, den Erwerber habe schützen sollen, was sich aus den Ge-
eine solche Mieterdienstbarkeit gegenüber dem Vermieter setzesmaterialien ergebe. Die strenge Rechtsprechung des
durchzusetzen. Insoweit wird auch sie in aller Regel den BGH habe letztlich zu einer »Zweckentfremdung« des
Interessen der Parteien nicht vollends gerecht.25 Schriftformerfordernisses im Mietrecht geführt und führe
nicht zuletzt zu erheblichen Rechts- und Planungsunsi-
cherheiten sowohl auf Vermieter- als auch auf Mieter-
III. Alternative Regelungen seite.32
ein schuldrechtliches Verhältnis ein, obwohl es sich bei Problem konfrontiert, dass für einen potentiellen Erwerber
dem Mietverhältnis an sich nicht um eine dingliche Belas- ein zwischen dem Eigentümer und dem Mieter bestehen-
tung des Grundstücks handelt.33 Insoweit nimmt § 566 des Mietverhältnis aus den ihm zur Verfügung stehenden
BGB eine »Verdinglichung« des Mietvertrages vor.34 Quellen, namentlich vor allem dem Grundbuch, nicht er-
b) Der erste Entwurf des BGB sah eine Kodifizierung sichtlich wird. Zur Lösung dieses Dilemmas wurde daher
des Grundsatzes »Kauft bricht nicht Miete« nicht vor. von der Kommission vorgesehen, dass Mietverträge über
Stattdessen entschied man sich seinerzeit dazu, den Weg ein Jahr schriftlich abzuschließen sind. Hierzu führt die
»Kauf bricht Miete« mit gewissen Modifikationen ein- Kommission aus:
zuschlagen.35 Zur Begründung wurde insbesondere ange-
führt, die Anerkennung des Grundsatzes »Kauf bricht »[…] Der Grundsatz »Kauf bricht nicht Miethe« enthalte einen Ein-
griff in das im Entw. streng durchgeführte Grundbuchsystem, in-
nicht Miete« sei mit den Prinzipien des Grundbuchrechts
dem er die Verpflichtung des Vermiethers aus dem Mietvertrage
nicht vereinbar. Denn so würde der Mieter ein dingliches
zu einer Belastung des Grundstückes mache, ohne daß diese zur
Recht erlangen, ohne dass dieses jedoch ins Grundbuch Wirksamkeit gegen den dritten Erwerber des Grundstückes der
eingetragen wird, und der Vermieter wäre, obschon das Eintragung bedürfe. Sei für die Annahme jenes Grundsatzes das
Mietrecht des Mieters gegen ihn gelten würde, nicht in der Interesse des Miethers maßgebend, so fordere das Interesse des
Lage, sich aus dem Grundbuch über dieses Recht zu infor- Erwerbers, ihm für die fehlende Möglichkeit, sich über den Umfang
seiner Verpflichtungen aus dem Grundbuch zu unterrichten, so-
mieren.36 Gleichwohl, so die Motive zum ersten Entwurf,
weit wie möglich, einen Ersatz zu schaffen. Ein solcher sei für Miet-
sei ein Mittelweg einzuschlagen, der sowohl dem Grund- verhältnisse mindestens ebenso unentbehrlich wie die Eintragung
buchsystem als auch dem Interesse des Mieters gerecht für die sonstigen Grundstücksbelastungen, da es sich bei der Miet-
werde. Dies sollte vor allem dadurch erreicht werden, dass he nicht selten um ein ungleich verwickelteres Rechtsverhältniß
der Erwerber vom Mieter die Räumung nur innerhalb der handle als bei jenen Belastungen. Die vorgeschriebene Ueberlas-
sung des Grundstückes an den Miether und Pächter biete diesen
gesetzlichen Kündigungsfrist fordern kann.37
nothwendigen Ersatz keineswegs; sie könne sich bei der Pacht der
c) Von diesem Entwurf sah man später jedoch ab. Wahrnehmung des Erwerbers ganz entziehen und gewähre ihm bei
Stattdessen entschied man sich dazu, den Grundsatz der Miethe keine Kenntniß von den näheren Bedingungen des
»Kauf bricht nicht Miete« zum Schutz des Mieters ins Ge- Miethvertrages, eine Kenntniß, die er sich auch durch Erkundung
setz aufzunehmen.38 Damit sah man sich jedoch mit dem bei dem Miether oder dem Vermiether nicht zuverlässig verschaf-
fen könne. Der einzige mögliche Ersatz bestehe in der Schriftlich-
keit des Miethvertrages. Auch dieser Ersatz versage allerdings,
wenn der Vermiether die Urkunde dem Erwerber, sei es böswillig,
33 Anders noch im Preußischen Allgemeinen Landrecht. Dort handel- sei es aus anderen Gründen, nicht vorlege; für die regelmäßigen
te es sich beim Mietrecht um ein dingliches Recht, das gegen jeden Fälle biete aber die Schriftform dem Erwerber Schutz. […]«39
Dritten Rechtswirkungen entfaltete, vgl. nur Mot. II, S. 381.
34 Häublein, in: MüKo-BGB, § 566 Rn. 2; Teichmann, in: Jauernig, Bür-
Die Schriftform stellte mithin ausweislich der Erwägungen
gerliches Gesetzbuch, § 566 Rn. 1 spricht von einer »quasi-dinglichen«
Stellung des Mieters. in den Protokollen einen Ausgleich für den Erwerber im
35 Mot. II, S. 383: »[…]. Der Entwurf hat sich für den Grundsatz: »Kauf Hinblick auf die Kodifizierung des Grundsatzes »Kauf
bricht Miethe« entschieden, jedoch mit der Modifikation, daß bei der bricht nicht Miete« dar; dies vor dem Hintergrund, dass
Vermiethung einer unbeweglichen Sache der Miether nur nach einer von das Grundbuch keine Angaben über Art und Umfang eines
dem Erwerber an ihn gerichteten Aufforderung und nach Ablauf einer
etwaigen Mietverhältnisses enthält. Damit sollte der
von dieser Aufforderung an laufenden, näher bezeichneten Frist zur Räu-
mung verpflichtet, bis dahin aber der Erwerber verbunden ist, den ver-
Schriftform von Mietverträgen ausschließlich eine für den
tragsgemäßen Gebrauch der Sache durch den Miether, sowie die Vor- Erwerber dem Grundbuch ähnliche Funktion im Hinblick
nahme der gegenüber dem Miether dem Vermiether obliegenden auf die Unterrichtungsmöglichkeiten darstellen und ihm
Handlungen zu gestatten. Daneben hat der Entwurf die Eintragung der auf diese Art und Weise einen gewissen Schutz gewähren.
Miethe oder des Pachtrechts in das Grundbuch, um denselben in wei-
terem Umfang Wirksamkeit gegen den Erwerber zu verschaffen, nicht
zugelassen.« Bevölkerung und den maßgebenden Interessenkreisen als ein so schwe-
36 Mot. II, S. 384. rer Eingriff in das herrschende Rechtsbewußtsein empfunden worden
37 Mot. II, S. 385. sei, daß es nicht räthlich erscheine, ihn aufrecht zu erhalten. Es sei auch
38 Vgl. Protokolle bei Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bür- nicht zu verkennen, daß namentlich bei der Miethe von Geschäftsräumen
gerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II, 1899, S. 815 f.: »[…]. für ein Erwerbsgeschäft und bei der Pacht von Landgütern und gewerb-
Wenn die Kom. sich trotzdem entschlossen habe, den Grundsatz »Kauf lichen Unternehmungen für den Miether und Pächter ein großes Interes-
bricht nicht Miethe« aufzunehmen, so sei hierfür in erster Linie die Erwä- se bestehe, für die Dauer der vereinbarten Mieth- oder Pachtzeit gegen
gung maßgebend gewesen, daß in den Rechtsgebieten, in denen dieser Austreibung thunlichst gesichert zu sein.«
Rechtssatz bestehendes Recht sei, besonders in Gebieten des ALR. und 39 Protokolle bei Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerli-
des franz. Rechtes der entgegengesetzte Grundsatz des Entw. von der chen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II, S. 825.
Aufsatz ZR – Andreas Alexander Himmen: Die teleologische Reduktion von § 550 BGB 877
Damit liegt die ratio des mietrechtlichen Schriftformerfor- Warnfunktion des mietrechtlichen Schriftformerfordernis-
dernisses im Erwerberschutz. ses letztlich auf einer Verwechslung von Zweck und Wir-
kung beruht.46 Auch die Gesetzesmaterialien sind, wie
aufgezeigt,47 von einer solchen Schutzrichtung nicht aus-
2. Beweis- und Warnfunktion? gegangen, wenn sie dem schriftlichen Mietvertrag eine
solche Funktion wie dem Grundbuch beigemessen haben.
a) Der BGH und Teile des Schrifttums sehen in § 550 Insoweit erschließt sich auch die Argumentation des BGH,
BGB indes über den reinen Erwerberschutz hinausgehen- der Gesetzgeber habe im Zuge der Mietrechtsreform § 566
de Funktionen, namentlich eine Beweis- und Warnfunk- BGB a. F. in Kenntnis seiner Rechtsprechung nur redaktio-
tion für die unmittelbar am Mietvertrag partizipierenden nell geändert, sodass das mietrechtliche Schriftformerfor-
Vertragsparteien.40 Der Gesetzgeber habe in Kenntnis dernis neben dem Erwerberschutz als weitere Schutzzwe-
dieser Rechtsprechung die frühere Vorschrift des § 566 cke nach dem Willen des Gesetzgebers die Beweis- und
BGB a. F. im Rahmen des Mietrechtsreformgesetzes vom Warnfunktion verfolgt, nicht ohne Weiteres. Denn den Ge-
19. 06. 200141 nur redaktionell geändert, nicht aber die setzesmaterialien ist überhaupt nicht zu entnehmen, dass
Möglichkeit der ordentlichen Kündigung auf den Erwer- der Gesetzgeber sich diesem Problem bei der Änderung
ber beschränkt.42 bewusst war und dass er im Hinblick auf die Rechtspre-
b) In der Tat ist zunächst nicht von der Hand zu wei- chung des BGH diesbezüglich einen Handlungsbedarf
sen, dass die Schriftform nach § 126 BGB maßgeblich dem sah.48 Dies geben auch weder seine Ausführungen zur
Schutz vor Übereilung und dem Beweissicherungsinteres- Zielsetzung noch zur Lösung her.49 Gegenteiliges ist der
se der Parteien bzw. Dritter dient.43 Vor dem Hintergrund Fall. Wollte der Gesetzgeber mit der Mietrechtsreform auf
des mit der Schriftform verbundenen Schutzes geht das die Rechtsprechung des BGH reagieren, so hat er dies in
Gesetz davon aus, dass der Zweck der vorgeschriebenen den Gesetzesmaterialien ausdrücklich ausgeführt.50
Form nur dann vollumfänglich verwirklicht wird, wenn Folglich kommt § 550 BGB keine über den Erwerber-
das Rechtsgeschäft den Formanforderungen gerecht schutz hinausgehende Funktion zu.51
wird.44 Andernfalls nämlich ordnet § 125 S. 1 BGB als zwin-
gende Rechtsfolge an, dass das Rechtsgeschäft nichtig
ist.45 Demgegenüber sieht § 550 BGB bei einem Formver- 3. Teleologische Reduktion
stoß im Gegensatz zu § 125 BGB nicht die Nichtigkeit, son-
dern vielmehr die Wirksamkeit des Mietvertrages auf un- a) Der Wortlaut von § 550 BGB enthält allerdings keine Be-
bestimmte Zeit vor. Damit bestehen in Bezug auf die schränkung dahingehend, dass nur der Erwerber eines
Rechtsfolge gravierende strukturelle Unterschiede zwi- Grundstücks berechtigt sein soll, das Mietverhältnis auf-
schen der vom Gesetz für die Gültigkeit von Rechts- grund eines Schriftformverstoßes vorzeitig ordentlich zu
geschäften vorgeschriebenen Schriftform sowie der in kündigen. Dies hat im Laufe der Zeit dazu geführt, dass
§ 550 BGB statuierten Schriftform. Zutreffend weist daher häufig einer der ursprünglichen Vertragspartner den Ab-
Bieber darauf hin, dass die Annahme einer Beweis- und schluss des langfristigen Mietvertrages reut und sich da-
her des »Notankers« eines solchen Formverstoßes bedient
und das Mietverhältnis ordentlich kündigt.52 Nach dem
40 BGH NJW 2017, 3772, 3775 f. m. w. N.; Blank/Börstinghaus, in:
Blank/Börstinghaus, Miete, § 550 Rn. 2; Herrmann, in: BeckOK BGB,
57. Edition, Stand: 01.02.2021, § 550 Rn. 1; Leo, in: BeckOK Mietrecht, 46 Bieber, in: MüKo-BGB, § 550 Rn. 2.
23. Edition, Stand: 01.02.2021, § 550 BGB Rn. 9; Schweitzer, in: Guh- 47 Vgl. IV. 1.
ling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Auflage 2019, § 550 Rn. 2. 48 Vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 47.
41 BGBl. I 2001, 1149. 49 BT-Drucks. 14/4553, S. 1 ff.
42 BGH NJW 2017, 3772, 3775. 50 Vgl. etwa BT-Drucks. 14/4553, S. 45 hinsichtlich der Kodifizierung
43 Vgl. Einsele, in: MüKo-BGB, 8. Auflage 2018, § 126 Rn. 1; Mansel, von § 546 a BGB.
in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, § 126 Rn. 2; Noack/Kremer, in: 51 So ebenfalls Bieber, in: MüKo-BGB, § 550 Rn. 2; Fritz, NJW 2010,
Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, Bürgerliches Gesetzbuch: Allgemei- 1050, 1053, der die Annahme einer Beweis- und Warnfunktion als »we-
ner Teil – EGBGB, 4. Auflage 2021, § 126 Rn. 1; vgl. auch Mot. I, S. 178 ff. nig überzeugend« bezeichnet; vgl. ferner Lammel, in: Schmidt-Futte-
44 S. Mot. I, S. 181: »[…]. Die Vorschrift trägt aber zugleich weiter, in- rer, Mietrecht, § 550 Rn. 4 f., 68; zweifelnd auch Günter, NZM 2019, 561,
dem sie auch für alle späteren Gesetze privatrechtlichen Inhaltes die 567 f. Folgerichtig spricht der Bundesrat in seinem Gesetzesvorschlag
Auslegungsregel in sich schließt, daß eine schlechthin vorgeschriebene daher von einer »Zweckentfremdung« der Regelung, s. BR-Drucks.
Form eine wesentliche, die Gültigkeit bedingende ist.« 469/19 (Beschluss), S. 1.
45 Wendtland, in: BeckOK BGB, § 125 Rn. 16. 52 Lammel, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, § 550 Rn. 68.
878 Aufsatz ZR – Andreas Alexander Himmen: Die teleologische Reduktion von § 550 BGB
Sinn und Zweck des Gesetzes sind indes, wie dargestellt,53 sprüchlich verhalten, falls er zu einem späteren Zeitpunkt
solche Fälle hiervon gerade nicht umfasst. Daher sind die- doch aufgrund eines Schriftformverstoßes vorzeitig or-
se entgegen dem Wortlaut aufgrund einer teleologischen dentlich kündigt. Auch ein nach Erwerb unter Mitwirkung
Reduktion der Vorschrift von ihrem Anwendungsbereich des Erwerbers erfolgter Verstoß gegen die Schriftform hat
ausgenommen.54 mit dem Erwerberschutz nichts mehr zu tun und kann
b) Kann sich nach alledem nur der Erwerber des dementsprechend ebenfalls nicht zu einer vorzeitigen or-
Grundstücks gegenüber dem Mieter auf die fehlende dentlichen Kündigung führen.
Schriftform des ursprünglich zwischen ihm und dem vor-
herigen Vermieter geschlossenen Mietvertrages berufen
und diesen Formverstoß zum Anlass nehmen, das Miet- V. Fazit
verhältnis vorzeitig ordentlich zu kündigen, so stellt sich
abschließend die Frage nach den zeitlichen Grenzen die- Das Schriftformerfordernis im Mietrecht beschäftigt seit
ser Möglichkeit. Aus § 550 S. 2 BGB ergibt sich, dass der geraumer Zeit Literatur und Rechtsprechung. Dies be-
frühestmögliche Zeitpunkt zur Beendigung des hiernach ruht vor allem darauf, dass im Rahmen von Gewerbe-
unbefristeten Mietverhältnisses der Ablauf des Jahres raummietverhältnissen, die ursprünglich für einen be-
nach Überlassung des Grundstücks bzw. der Räume ist. stimmten Zeitraum geschlossen wurden, eine der Ver-
Hierbei wird der Erwerber vor allem die in § 580 a BGB be- tragsparteien sich vorzeitig vom Vertrag lösen möchte
stimmten Fristen für die ordentliche Kündigung eines und sich auf einen Schriftformverstoß beruft. Ein solcher
Grundstücks- bzw. eines Gewerberaummietverhältnisses führt nach § 550 BGB dazu, dass der Mietvertrag, der für
zu berücksichtigen haben. Die zeitliche Höchstgrenze längere Zeit als ein Jahr geschlossen wird, nicht befris-
stellt der Wegfall der Schutzbedürftigkeit des Erwerbers tet, sondern als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt.
dar. Dies ergibt sich bereits aus der Natur einer Vorschrift, Nach dem in der Rechtsprechung und in weiten Teilen
die den Schutz bestimmter Personen bezweckt. Wann der der Literatur vorherrschenden Verständnis der Vorschrift
Erwerber nicht mehr schutzbedürftig ist, lässt sich hierbei dient das mietrechtliche Schriftformerfordernis nicht nur
nicht pauschal beantworten, sondern ist abhängig vom dem Erwerberschutz, sondern soll auch für die unmittel-
Einzelfall. So wird man dies etwa dann annehmen kön- bar am Mietvertrag partizipierenden Parteien eine Be-
nen, wenn der Erwerber nach dem Erwerb und Eintritt in weis- und Warnfunktion vermitteln. Hiernach sind auch
das Mietverhältnis von der ohne Wahrung der erforderli- sie berechtigt, das Mietverhältnis ordentlich unter Beru-
chen Schriftform getroffenen Vereinbarung Kenntnis er- fung auf einen Schriftformverstoß zu kündigen. Aller-
langt und gleichwohl innerhalb einer angemessenen dings sind Personen außerhalb des Erwerbers – der Mie-
Überlegungsfrist das Mietverhältnis im Hinblick auf die- ter noch hinsichtlich § 550 S. 1 BGB im Verhältnis zum
sen Verstoß nicht kündigt. Ist dem Erwerber ein solcher Grundstückserwerber – vom Anwendungsbereich des
Verstoß bereits vor der Veräußerung des Grundstücks be- § 550 BGB unter teleologischen Gesichtspunkten nicht
kannt und entschließt er sich gleichwohl dazu, es zu er- umfasst. Unter Zugrundelegung und Anwendung der in
werben, so kann er sich auf diesen Verstoß ebenfalls nicht der Methodenlehre anerkannten Instrumente, insbeson-
berufen. Verzichtet der Erwerber auf den ihm durch § 550 dere einer teleologischen Reduktion, bedarf es daher an
BGB vermittelten Schutz im Vorfeld, würde er sich wider- sich keines Gesetzes zur Neuregelung des Schriftform-
erfordernisses im Mietrecht, um der »Zweckentfrem-
dung« der Vorschrift Einhalt zu gebieten. Solange aller-
53 Vgl. IV. 2. dings vor allem die Rechtsprechung an einem solchen
54 S. zur teleologischen Reduktion Wank, Die Auslegung von Geset- Verständnis festhält, erscheint ein Tätigwerden des
zen, 6. Auflage 2015, S. 92. Vgl. ferner auch Lammel, in: Schmidt-Fut- Gesetzgebers unumgänglich, um dem mietrechtlichen
terer, Mietrecht, § 550 Rn. 68, der sich dafür ausspricht, den Anwen-
Schriftformerfordernis seine eigentliche Bedeutung, die
dungsbereich der Vorschrift hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen auf den
Grundstückserwerber zu beschränken. Nach der hier vertretenen Auf- ausschließlich im Erwerberschutz liegt, wieder zukom-
fassung sind indes andere Personen als der Grundstückserwerber – men zu lassen.
der Mieter noch hinsichtlich § 550 S. 1 BGB im Verhältnis zum Grund-
stückserwerber – unter teleologischen Gesichtspunkten bereits von
vornherein nicht vom Anwendungsbereich der Vorschrift umfasst, so-
dass es einer Beschränkung insoweit nicht bedarf. S. zur teleologi-
schen Einschränkung von § 566 S. 2 BGB a. F. auf das Verhältnis zum
Erwerber schon Grüttemeier, Das Formerfordernis des § 566 BGB,
S. 162 ff.