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Bürgerliches Recht Martin Böhme

Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Lehrstuhl Prof. Metzger

BGB AT – Auslegung von Willenserklärungen


• Interessen
- Erklärender soll nur an das gebunden sein, was er erklären wollte
(in diesem Sinne § 133 BGB); Argument: Privatautonomie
- Erklärungsempfänger vertraut auf das, was er verstanden hat (in
diesem Sinne § 157 BGB); Argument: Schutz des Rechtsverkehrs
• Ausgleich
- Auslegung erfolgt bei empfangsbedürftigen WE anhand des
objektiven Empfängerhorizonts nach §§ 133, 157 BGB
Argument: Privatautonomie verbietet es, dem Erklärenden jede
Fehlvorstellung des Empfängers aufzubürden. Es ist daher auf eine
fiktive, mit den Umständen vertraute, vernünftige, objektive dritte
Person abzustellen. (Ausnahme: falsa demonstratio non nocet)
- Erklärender hat ggf. Anfechtungsmöglichkeit 21
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BGB AT – Vertragsschluss
• Angebot [Abgrenzung zu invitatio ad offerendum]
- Ein Angebot (= Antrag) iSd. § 145 ist eine auf einen Vertragsschluss
gerichtete empfangsbedürftige Willenserklärung, die so gestaltet
ist, dass das Zustandekommen des Vertrages nur vom Ein-
verständnis (= Annahme) des anderen abhängt (nach Brox Rn.165f).
• Annahme [Abgrenzung zu § 150 II BGB]
- Eine Annahme ist eine grundsätzlich empfangsbedürftige Willens-
erklärung, durch die der Angebotsempfänger sein Einverständnis
mit dem Vertragsschluss zu verstehen gibt (nach Brox Rn.176f).
• Zustandekommen [wenn zeitliche Abfolge unklar/irrelevant]
- (+) beim Vorliegen von auf Vertragsschluss gerichteten
übereinstimmenden (= korrespondierenden), wirksamen
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Willenserklärungen (Angebot und Annahme)
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BGB AT – Vertragsschluss
Beachte zum Vertragsschluss:
- Willenserklärungen müssen wirksam sein
[vgl. Folie Nichtigkeit von Willenserklärungen]
- Willenserklärungen müssen (idR) zugehen
[vgl. Folien zum Zugang von Willenserklärungen]
- über essentialia negotii (wesentliche Vertragsbestandteile; zu
bestimmen je nach Vertrag) muss Einigung erzielt worden sein
[ggf. Auslegung der Willenserklärungen notwendig]
- falls keine Einigung (Konsens) über alle Vertragsbestandteile,
Anwendung der §§ 154, 155 (Dissens)
[kann nach § 155 bei fehlender Einigung über unwesentlichen Punkt ausnahmsweise
dazu führen, dass Vertrag geschlossen ist, i.Ü. aber kein Vertragsschluss bei Dissens]
- Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)
[hat grundsätzlich keine Auswirkung auf die Frage, ob überhaupt ein Vertrag
geschlossen wurde, die Wirksamkeit der Einbeziehung von AGB kann jedoch ggf.23iRd
Vertragsschlusses problematisiert werden,]
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BGB AT – falsa demonstratio non nocet


• Haakjöringsköd-Fall
- Sachverhalt
A kaufte bei B 214 Fass Haakjöringsköd aus Norwegen. Dabei gingen
beide Parteien davon aus, dass es sich bei Haakjöringsköd um
Walfleisch handele. Tatsächlich bezeichnet im Norwegischen das Wort
Haakjöringsköd jedoch Haifischfleisch. Ist zwischen A und B ein
Kaufvertrag über Walfleisch zustande gekommen?
- Lösung
Obersatz mit Normen aufstellen (eine Anspruchsgrundlage können Sie
hier nicht benennen, da nicht nach einem Anspruch gefragt ist)
Zwischen A und B könnte ein Kaufvertrag iSd. § 433 BGB zustande
gekommen sein, wenn sich beide wirksam über und die wesentlichen
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Vertragsbestandteile (essentialia negotii) des Vetrags geeinigt haben.
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BGB AT – falsa demonstratio non nocet


[korrespondierende Willenserklärungen von A und B?]
Problematisch ist hier die Einigung über den Vertragsgegenstand. Eine
Auslegung der Willenserklärungen von A und B nach § 133 BGB
(subjektiv Gewolltes) ergibt, dass beide eine Vertrag über Walfleisch
abschließen wollten. Die bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen
maßgebliche Betrachtung nach §§ 133, 157 BGB (nach objektivem
Empfängerhorizont) ergibt hingegen, dass sich A und B auf einen
Vertrag über Haifischfleisch geeinigt haben, denn ein vernünftiger
objektiver Dritter kennt die Bedeutung des Wortes Haakjöringsköd,
wenn er sie verwendet. Daher müsste hier eigentlich ein Vertrag über
Haifischfleisch zustande gekommen sein. Allerdings ist das Argument
des Verkehrsschutzes vorliegend verfehlt, denn beide Parteien wollten
dasselbe, bezeichnet es lediglich falsch. Nach dem Grundsatz falsa
demonstratio non nocet („Falschbezeichnung schadet nicht“) einigten
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sich A und B hier auf einen Kaufvertrag über Walfleisch.
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BGB AT – Geschäftsfähigkeit
• unbeschränkte Geschäftsfähigkeit
- gesetzlich nicht geregelt
- (grds.) unbeschränkte Teilnahme am Rechtsverkehr möglich
• beschränkte Geschäftsfähigkeit
- Minderjährige ab 7 Jahre, § 106 BGB
- Rechtsfolge gem. §§ 107ff BGB:
WE ist (idR nach § 108 I ) schwebend unwirksam und von der
Zustimmung [vorherige = Einwilligung, vgl. § 183; nachträgliche =
Genehmigung, vgl. § 184] des Vertreters (= der Eltern) abhängig
• Geschäftsunfähigkeit
- Kinder unter 7 Jahren (§ 104 Nr.1) und Geisteskranke (§ 104 Nr.2)
- Rechtsfolge gem. § 105 Abs.1 : WE ist nichtig 26
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BGB AT – Form von Willenserklärungen


Grundsatz - Formfreiheit
- Formerfordernis kann aber kraft gesetzlicher
Anordnung oder kraft Parteivereinbarung bestehen
Arten von Formerfordernissen
- Schriftform, §§ 126, 127 - öffentliche Beglaubigung, § 129
- Elektronische Form, § 126a - notarielle Beurkundung, § 128
- Textform, §126b
Zweck der Formerfordernisse
- Warnfunktion - Klarstellungs- und Beweisfunktion
- Beratungsfunktion - Identitäts- und Abschlussfunktion

bei Verstoß - Nichtigkeit gemäß § 125 S.1 bzw. S.2


- ggf. Heilung (bspw. bewirkte Schenkung § 518 II)27
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BGB AT – Nichtigkeit von Willenserklärungen


• fehlende Geschäftsfähigkeit, § 105
• Geheimer Vorbehalt, § 116
• Scheingeschäft, § 117
• Scherz, § 118
• Formverstoß, §125
• Verstoß gegen gesetzliches Verbot, § 134
• Sittenwidrigkeit, §138
• Anfechtung, § 142
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BGB AT – Unterverbriefung-Fall
• Unterverbriefung-Fall
- Sachverhalt
A möchte von B ein Grundstück für 1.000.000 € erwerben. Um
Grunderwerbssteuern und Notarkosten zu sparen, beschließen beide
dem Notar einen Vertrag vorzulegen, bei dem der Kaufpreis nur
100.000 € beträgt. Wie ist die Rechtslage, wenn die Auflassung und die
Eintragung des A ins Grundbuch erfolgt sind?
- Lösung
[Erkennen, worauf die Fallfrage abzielt und Obersätze bilden.]
1. Zwischen A und B könnte ein Kaufvertrag über das Grundstück zum
Preis von 100.000 € zustande gekommen sein.
2. Zwischen A und B könnte ein Kaufvertrag über das Grundstück zum
Preis von 1.000.000 € zustande gekommen sein. 29
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BGB AT – Unterverbriefung-Fall
Zu 1.:
A und B haben sich vor dem Notar auf einen Vertrag über das
Grundstück mit einem Kaufpreis von 100.000 € geeinigt.
Dieser Vertrag ist formwirksam (= nicht nach § 125 S.1 nichtig), denn er
wurde notariell beurkundet, §§ 311b I 1, 128 BGB
Allerdings ist der Vertrag gemäß § 117 I BGB nichtig, denn A und B
haben die Erklärungen einverständlich nur zum Schein abgegeben.
Zu 2.:
A und B haben sich auf einen Vertrag über das Grundstück mit einem
Kaufpreis von 1.000.000 € geeinigt.
Dieser Vertrag wurde jedoch nicht notariell beurkundet und ist daher
grundsätzlich nichtig gemäß §§ 125 S.1, § 311b I 1, 128 BGB.
Allerdings wurde dieser Formmangel gemäß § 311b I 2 BGB geheilt, da
Auflassung und Eintragung ins Grundbuch bereits erfolgt sind. 30
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BGB AT – Anfechtung
• Prüfung der Anfechtung
- Anfechtungsgrund, §§ 119 I 1. & 2. Alt., II, 120, 123
- § 119 I 1. Alt. – Inhaltsirrtum
- § 119 I 2. Alt. - Erklärungsirrtum
- § 119 II - Eigenschaftsirrtum
- § 120 - Übermittlungsirrtum
- § 123 I - Täuschung oder Drohung
- Anfechtungserklärung, § 143 I
- gegenüber dem Anfechtungsgegner, § 143 II, III, IV
- innerhalb der Anfechtungsfrist, § 121 oder § 124
• Rechtsfolgen der Anfechtung
- § 142 I = Rechtsgeschäft gilt als von Anfang an nichtig
- § 122 I = Anfechtender haftet ggf. auf Vertrauensschaden 31

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