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1 Privatrecht- BGB Allgemeiner Teil- Rechtsgeschäftliches Handeln 1 –Grundstudium 1

Die Privatautonomie, die Rechtsgeschäftslehre, das Trennungs- und


Abstraktionsprinzip
Der Grundsatz der Privatautonomie, die Rechtsgeschäftslehre, das Trennungs- und
Abstraktionsprinzip sind zentrale Grundsätze bzw. Prinzipien des BGB.

A. Der Grundsatz der Privatautonomie


 Das Privatrecht ist vom Grundsatz der Privatautonomie geprägt. Jeder kann
grundsätzlich frei entscheiden, wie er seine Rechtsangelegenheiten im Rahmen der
Rechtsordnung regeln möchte.

 Eine besondere Ausprägung der Privatautonomie betrifft die sog. Vertragsfreiheit, die
sich in die Abschluss- und Gestaltungsfreiheit unterteilt.

 Abschlussfreiheit („ob“ und mit „wem“)

Die Beteiligten können grundsätzlich frei darüber entscheiden, ob sie überhaupt


einen Vertrag abschließen wollen und mit wem.

Ausnahme: Kontrahierungszwang kraft spezieller gesetzlicher Regelung, z.B. Strom,


Gas, Wasser, Personentransport)- und Inhaltsfreiheit unterteilen lässt.

 Gestaltungsfreiheit („wie“)

Die Parteien können grundsätzlich frei darüber entscheiden, mit welchem Inhalt sie
einen Vertrag schließen. Ausnahme: der Vertragsinhalt verstößt gegen ein
gesetzliches Verbot nach § 134 BGB oder gegen die guten Sitten nach § 138 BGB.

B. Die Rechtsgeschäftslehre
Kernpunkt des allgemeinen bürgerlichen Rechts ist die Lehre vom Rechtsgeschäft.
Grundgedanke der Rechtsgeschäftslehre ist, dass Rechtsverhältnisse durch Rechtsgeschäfte
gestaltet werden. Dabei können die an einem Rechtsgeschäft Beteiligten den Inhalt der
Rechtsgeschäfte grundsätzlich frei gestalten. Der Grundsatz der Privatautonomie und als
deren Ausprägung die Vertragsfreiheit spiegeln sich damit in der Rechtsgeschäftslehre
wieder.
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I. Definition „Rechtsgeschäft“

 Der Begriff des „Rechtsgeschäfts“ ist gesetzlich nicht definiert.


 Unter einem Rechtsgeschäft wird ein Tatbestand verstanden, der aus mindestens
einer Willenserklärung besteht, die entweder für sich allein oder zusammen mit
weiteren Tatbestandserfordernissen die Herbeiführung eines rechtlichen Erfolges
bezweckt.

Jedoch kommen häufig noch weitere Tatbestandsmerkmale hinzu, z.B.:

- eine weitere Willenserklärung beim Vertrag


- Tathandlungen wie die Übergabe bei der Übereignung von beweglichen Sachen
(§ 929 S. 1 BGB)
- ein behördlicher Akt wie die Grundbucheintragung bei der Übertragung eines
Grundstücks nach §§ 925, 873 Abs. 1 BGB

II. Arten der Rechtsgeschäfte


 einseitige Rechtsgeschäfte
 zwei- oder mehrseitige Rechtsgeschäfte

Übersicht „Arten der Rechtsgeschäfte“:

Rechtsgeschäfte

einseitige Rechtsgeschäfte, zwei- oder mehrseitige


z.B. Kündigung, Rechtsgeschäfte,
Anfechtung, Aufrechnung z.B. Verträge

1. Einseitige Rechtsgeschäfte
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Bei einseitigen Rechtsgeschäften enthält das Rechtsgeschäft nur die Willenserklärung einer
Person. Die gewollte Rechtsfolge tritt bereits mit der Wirksamkeit einer Willenserklärung
ein.

Bsp.: Kündigung, z.B. eines Arbeitsverhältnisses (§ 622 BGB), Anfechtung (§ 142 BGB),
Rücktritt, z.B. von einem Kaufvertrag (§§ 437 Nr. 2, 440 BGB), Erbeinsetzung mittels
Testaments (§ 1937 BGB), Aufrechnung (§ 388 BGB), Auslobung (§ 657 BGB)

Differenziere bei den einseitigen Rechtsgeschäften weiter zwischen:

 einseitigen, empfangsbedürftigen Rechtsgeschäften


= sind an eine andere Person, den Erklärungsempfänger, gerichtet, z.B.
Anfechtung, Kündigung, Rücktritt, Aufrechnung

 einseitigen, nicht empfangsbedürftigen Rechtsgeschäften


= nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen werden mit ihrer Abgabe
wirksam. Wenn die gesetzlich erforderlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt
sind, ist die Willenserklärung wirksam, z.B. Testament, § 2247 BGB

2. Zwei- oder mehrseitige Rechtsgeschäfte

Zwei- oder mehrseitige Rechtsgeschäfte enthalten die Willenserklärungen mehrerer


Personen, also von mindestens zwei Personen. Die gewollte Rechtsfolge tritt erst mit der
Wirksamkeit von mindestens zwei übereinstimmenden Willenserklärungen ein.

Bsp.: Verträge (Kaufvertrag, Werkvertrag, Mietvertrag etc.), ferner Beschlüsse


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Welche Arten von Rechtsgeschäften liegen in den folgenden Fällen vor?

1. Fall: Mieterin M kündigt das Mietverhältnis für ihre Wohnung.

2. Fall: A möchte sich ein Hausgrundstück zum Preis von 250.000,- € kaufen. Da er sich
bereits ein schickes Auto geleistet hat, geht er zu seiner Bank und leiht sich die Geldsumme.

3. Fall: Hausfrau H kauft bei Unternehmer U eine Eismaschine. Trotz mehrerer


Reparaturversuche stellt die Eismaschine kein Eis her. H erklärt daraufhin nach erfolgloser
Fristsetzung den Rücktritt vom Kaufvertrag.

4. Fall: Bernhard möchte eine Kaffeefahrt nach Fulda machen und bucht eine Busfahrt mit
anschließender Besichtigung des Doms und einem Kaffeebesuch im Cafe Müller.
Nichtsahnend wird er während der Busfahrt plötzlich Zuschauer einer
Verkaufsveranstaltung. Bernhard kauft von seinem Reiseleiter total überrumpelt eine
gebrauchte Heizdecke. Zu Hause angekommen, versteht er gar nicht wie er so eine alte
Heizdecke kaufen konnte und widerruft daraufhin seine Willenserklärung gegenüber dem
Reiseleiter.

5. Fall: Der Hund Bello der Witwe W ist entlaufen. Sie heftet aus Kummer und Sorge im
Umkreis ihrer Wohnung Zettel mit dem Foto von Bello und der Aufschrift „Hund entlaufen.
Wer ihn wiederbringt, erhält eine Belohnung in Höhe von 2000,- €“.

6. Fall: Supermarktinhaber S hat die Kassiererin K eingestellt. Beim Vorstellungsgespräch hat


K auf die Frage des S hin angegeben, dass sie wegen Vermögensdelikten nicht vorbestraft
sei. Daraufhin erfährt S, dass K Gelder veruntreut hat und deswegen vorbestraft ist. S erklärt
die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB).

7. Fall: Der Kühlschrank des K ist kaputt. Daraufhin bestellt er den Handwerker H, der diesen
repariert. H verlangt von dem K 65,- € und geht wieder.
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III. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte


Bei den Rechtsgeschäften ist weiter zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften zu
differenzieren.

1. Das Verpflichtungsgeschäft

Verpflichtungsgeschäfte sind Rechtsgeschäfte, durch die eine Verpflichtung zu einer Leistung


begründet wird. Eine solche Pflicht ergibt sich regelmäßig aus einem schuldrechtlichen
Vertrag, z.B.

 Kaufvertrag, § 433 BGB,


 Mietvertrag, § 535 BGB,
 Dienstvertrag, § 611 BGB,
 Werkvertrag, § 631 BGB.

In allen Vorschriften, also in §§ 433, 535, 611 und § 631 BGB findet sich der Begriff
„verpflichtet“. Diese Verträge sind allesamt Verpflichtungsgeschäfte.

Verpflichtungen beruhen vielfach auf Gegenseitigkeit wie z.B. beim Kauf-, Miet-, Dienst- oder
Werkvertrag. Immer dann, wenn die vertraglichen Leistungspflichten in einem
Gegenseitigkeits- und Austauschverhältnis stehen, ist von einem Synallagma die Rede. Die
Leistung erfolgt um der Gegenleistung willen - getreu nach dem Motto „do ut des“- „ich
gebe, damit Du gibst“. Daher nennt man diese Verträge auch gegenseitige Verträge.

Ferner gibt es unvollkommen zweiseitig verpflichtende Verträge, z.B.:

 Auftrag, § 662
 Leihe, § 598 BGB.

Bei diesen Verträgen entstehen für beide Vertragspartner Pflichten. Diese Pflichten stehen
jedoch nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Beim Leihvertrag nach § 598 BGB ist bspw.
die Pflicht zur Herausgabe nach § 604 BGB keine echte Gegenleistung. Beim Auftrag nach
§662 BGB sind die Pflichten nach § 667 BGB oder nach § 670 BGB keine echten
Gegenleistungen.

Verpflichtungen können aber auch einseitig sein, sog. einseitig verpflichtende Verträge, z.B.:

 Schenkungsvertrag, vgl. § 518 BGB


 Bürgschaftsvertrag, § 765 BGB.
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2. Das Verfügungsgeschäft

Verfügungsgeschäfte sind Rechtsgeschäfte, durch die ein Recht unmittelbar übertragen,


belastet, geändert oder aufgehoben wird. Viele Verfügungsgeschäfte sind im Sachenrecht
geregelt. Deshalb spricht man auch von dinglichen Geschäften, z.B. Eigentumsübertragung
(§§ 929 ff. BGB für bewegliche Sachen; §§ 873, 925 BGB für Grundstücke). Aber auch im
Schuldrecht sind Verfügungen geregelt, wie z.B. die Abtretung einer Forderung nach § 398
BGB.

C. Das Trennungs- und Abstraktionsprinzip


Das Trennungsprinzip ist neben dem Grundsatz der Privatautonomie und der
Rechtsgeschäftslehre ein weiteres fundamentales Prinzip des BGB. Danach sind sowohl
Verpflichtungs- als auch Verfügungsgeschäft losgelöst und getrennt voneinander zu
betrachten.

Das Abstraktionsprinzip zählt ebenfalls zu den Grundlagen des Privatrechts. Danach ist das
Verpflichtungsgeschäft nicht nur getrennt vom Verfügungsgeschäft zu behandeln, sondern
beide Geschäfte sind darüber hinaus in ihrer Wirksamkeit voneinander rechtlich losgelöst zu
sehen. Sie bestehen unabhängig voneinander. Das bedeutet, dass sollte das
Verpflichtungsgeschäft (z.B. der Kaufvertrag) aus irgendwelchen Gründen unwirksam sein,
dies nicht zwangsläufig zur Unwirksamkeit des Verfügungsgeschäfts führt. Beide Geschäfte
sind vielmehr unabhängig voneinander zu beurteilen.

Fallbeispiel: Frau Müller (M) geht in die Bäckerei und verlangt eine Brezel. Sie legt 1,- € auf
die Ladentheke, steckt die Brezel in ihre Tasche und verlässt die Bäckerei wieder. Was hat
sich juristisch ereignet? Liegt nur ein Kaufvertrag vor und sonst nichts?
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Lsg.: Tatsächlichen liegen drei Verträge (ein Verpflichtungs- und zwei


Verfügungsgeschäfte) vor. Aber wieso?

Der Gesetzgeber versteht unter dem Kaufvertrag über die Brezel nur die reine Verpflichtung
für beide Seiten, das Eigentum an der Brezel und am Geld zu übertragen.

Der Kaufvertrag ist das bloße Verpflichtungsgeschäft. Hierbei wird der Verkäufer der
Bäckerei nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet, M die Sache, also die Brezel, zu übergeben
und Eigentum daran zu verschaffen. M verpflichtet sich seinerseits nach § 433 Abs. 2 BGB,
den Kaufpreis für die Brezel zu zahlen und diese abzunehmen.

Doch warum liegen im Fallbeispiel zwei weitere Verträge, zwei sog. Verfügungsgeschäfte,
neben dem Kaufvertrag als Verpflichtungsgeschäft vor?

Nach § 929 S. 1 BGB ist zur Eigentumsübertragung ein eigener Eigentumsübertragungs-


(Übereignungs-)Vertrag und darüber hinaus die Übergabe der Sache nötig.

Beim Brezel-Kauf liegt also neben dem Kaufvertrag als Verpflichtungsgeschäft ein
Eigentumsübertragungs-(Übereignungs-)Vertrag hinsichtlich der Brezel und ein
Eigentumsübertragungs(Übereignungs-)Vertrag hinsichtlich des Geldes vor.

Insgesamt handelt es sich also beim Brezel-Kauf um drei Verträge.

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