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Allgemeine Geschäftsbedingungen

Themenschwerpunkte:

1. Anwaltsgutachten als Klausurform


2. AGB-Klauseln

Sachverhalt:

Theo (T) ist Veranstalter von Theater‐ und Konzertaufführungen unterschiedlichster Art. Die
Veranstaltungen finden in unregelmäßigen Abständen in verschiedenen Städten Deutsch-
lands und in dort jeweils angemieteten Hallen oder auf offenen Plätzen statt. Manchmal sind
die Veranstaltungen auf die Person eines berühmten Unterhaltungskünstlers zugeschnitten.
Manchmal aber wird mehr Wert auf die Darbietung eines Stückes gelegt; dann werden die
mitwirkenden Personen nur kleingedruckt erwähnt. T versendet die Eintrittskarten jeweils an
die Stellen, wo sie im Vorverkauf angeboten werden, bzw. an die Betreiber der Abendkassen.
Auf der Rückseite der Eintrittskarten steht: „Wegen Programmänderungen, Ausfallen von Ver-
anstaltungen und unserer Haftung gelten unsere Allgemeinen Theaterbesuchsbedingungen,
die an den Verkaufsstellen ausliegen und auf Wunsch jedermann ausgehändigt werden“. Da
seit Jahren niemand mehr nach diesen Bedingungen verlangt hat, sind sie an den Verkaufs-
stellen auch meist nicht vorrätig. In den Bedingungen heißt es:

„1.Programmänderungen und Änderungen in den angekündigten Besetzungen bleiben vorbe-


halten.

2.a) Muss eine Veranstaltung ausfallen, so erstattet der Veranstalter den Eintrittspreis zurück,
wenn dies bei dem Veranstalter binnen 14 Tagen schriftlich und unter Einreichung der Ein-
trittskarte und Angabe einer Bankverbindung, auf die der rückzuzahlende Preis überwiesen
werden soll, geltend gemacht wird. b) Kann eine begonnene Freibühnenveranstaltung witte-
rungsbedingt nicht zu Ende gebracht werden, wird der Eintrittspreis nicht zurückerstattet.

3.In manchen unserer Konzerte werden sehr lautstarke Musikaufführungen geboten. Besucher
von Konzerten müssen sich darüber vergewissern, ob ihr Gehör die gebotene Lautstärke ver-
trägt und, wenn nicht, den Konzertraum verlassen. Wir sind für keinerlei Gehörschäden ver-
antwortlich.

4. Wir haften nicht für abgelegte Garderobe.

5. Im Übrigen haften wir nur in der Weise, dass wir dem Besucher unsere Ansprüche aus
unserer Betriebshaftpflichtversicherung abtreten.

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Ein Konzertbesucher, dem unter Berufung auf Klausel 2b) der Eintrittspreis für eine Freibüh-
nenveranstaltung, die wegen Regen abgebrochen werden musste, nicht zurückerstattet
wurde, wendet sich verärgert an einen Verbraucherverband. Dieser verlangt von T die Unter-
lassung der wiedergegebenen obigen Klauseln.

T möchte nun von Rechtsanwalt Rudi (R) geprüft haben, ob die Klauseln unwirksam sind.

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Lösungsskizze:

A. Anwendbarkeit §§ 305 ff. BGB


Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformu-
lierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertrags-
partei bei Abschluss eines Vertrags stellt.

Die Klauseln werden hier durch T seinen Gästen einseitig gestellt. Die Klauseln sind
auch abstrakt geeignet, für eine Vielzahl von Verträgen verwendet zu werden. Die §§
305 ff. BGB sind anwendbar.

B. Wirksame Einbeziehung der Klauseln in den Vertrag


Fraglich ist, ob die Klauseln wirksamer Vertragsbestandteil geworden sind. Dies setzt
voraus, dass diese einbezogen worden sind. Nach § 305 II BGB werden allgemeine Ge-
schäftsbedingungen nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Ver-
tragsschluss entweder die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrück-
licher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen
Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Orte des Vertrags-
schlusses auf sie hinweist und er der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft,
von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,

Hier ist der Hinweis auf der Rückseite der Karte. Dies ist zwar ausdrücklich, aber da man
die Karte erst nach Vertragsschluss erhält, ist eine Einbeziehung ausgeschlossen, da
zum Zeitpunkt der Kartenaushändigung der Vertragsinhalt bereits feststand.

C. Inhaltskontrolle der einzelnen Klauseln


I. Klausel Ziff. 1 – Programmänderungen bleiben vorbehalten
Möglicherweise verstößt der einseitige Vorbehalt hinsichtlich Programmänderungen
gegen § 308 Nr. 4 BGB. Danach sind Klauseln unwirksam, die die Vereinbarung eines
Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuwei-
chen zum Inhalt haben, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung
unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil
zumutbar ist. Es ist folglich unter Berücksichtigung der Interessen des Besuchers zu
fragen, ob diesem Programmänderungen und der Austausch der Besetzung zumut-
bar ist.

Eine einseitige Programmänderung verstößt gegen das Äquivalenzprinzip, da der Be-


sucher sich ja gerade für ein bestimmtes Stück entschieden hat.

Eine einseitige Änderung hinsichtlich der Besetzung des Stückes ist hingegen eine
Nebensache, da auch andere Schauspieler das Stück aufführen können. Diese Klau-
sel dürfte daher wirksam sein.
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Fraglich ist, ob die Klausel dennoch insgesamt unwirksam ist. Dies wäre nicht der
Fall, wenn es sich eigentlich um zwei Klauseln handeln würde. Denn so wäre nur der
unwirksame Teil nach § 306 II BGB zu behandeln. Nach dem blue pencil test gilt
Folgendes: Enthält eine Klausel mehrere Regelungen, von denen nur eine unwirksam
oder nicht einbezogen ist, und sind diese sprachlich und inhaltlich klar voneinander
trennbar, so ist nur die betroffene Regelung unwirksam.

Hier sind es zwei Klauseln, sodass nur der Änderungsvorbehalt hinsichtlich des Pro-
gramms unwirksam ist.

II. Klausel Ziff. 2a – Rückerstattung des Eintrittsgeldes bei Ausfall


Die Klausel könnte gegen § 309 Nr. 8 lit. a) BGB verstoßen. Demnach ist eine Be-
stimmung, die bei einer vom Verwender zu vertretenden, nicht in einem Mangel der
Kaufsache oder des Werkes bestehenden Pflichtverletzung das Recht des anderen
Vertragsteils, sich vom Vertrag zu lösen, ausschließt oder einschränkt, unwirksam.
Hier das Recht zur Lösung von Vertrag bei Pflichtverletzung ausgeschlossen. Nach
Auslegung der Klausel würden ggf. auch schuldhafte Pflichtverletzungen erfasst.

III. Klausel Ziff. 2b – Witterungsbedingter Abbruch


Das Versagen der Rückzahlung des Eintrittsgeldes für den Fall einer witterungsbe-
dingten nicht beendeten Veranstaltung verstößt gegen einen wesentlichen Grundge-
danken der gesetzlichen Regelung i.S.d. § 307 II Nr. 1 BGB. Theater- und Konzer-
taufführungen sind rechtlich als Werkvertrag einzuordnen. Nach § 644 I 1 BGB trägt
der Unternehmer jedoch die Gefahr der Leistungserbringung bis zur Abnahme der
Leistung. Eine Leistungsabnahme erfolgt allerdings erst nach der Aufführung. Die
Klausel ist jedoch mit der gesetzlichen Regelung zu vereinbaren, da der Veranstalter
hohe Investitionskosten für Freilichtveranstaltungen und gleichzeitig ein unbeherrsch-
bares Risiko. Letzteres ist den Besuchern auch bewusst. Die Klausel dürfte daher
wirksam sein.

IV. Klausel Ziff. 3 – Haftung für Gehörschäden


Der Haftungsausschluss für Gehörschäden der Besucher verstößt gegen § 309 Nr. 7
lit. b) BGB, da auch die Haftung für grob fahrlässiges und vorsätzliches Handeln aus-
geschlossen ist.

V. Klausel Ziff. 4 – Haftung für Garderobe


Auch der pauschale Haftungsausschluss für die Garderobe verstößt gegen § 309 Nr.
7 lit. b) BGB.

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VI. Klausel Ziff. 5 – Ausschluss der Ansprüche unter Abtretung der Ansprüche gg
den Haftpflichtversicherer
Der Ausschluss der Haftung durch Abtritt der Ansprüche gegen den Versicherer
weicht von den gesetzlichen Regelungen ab, wonach man sich stets an denjenigen
halten soll, der auch der Schädiger ist. Die Klausel scheitert auch daran, dass der
Versicherer nach § 103 VVG nicht leisten muss, wenn der Versicherte vorsätzlich und
widerrechtlich handelte. Folglich liegt ein Haftungsausschluss i.S.d. § 309 Nr. 7 lit. a),
b) BGB vor und damit eine unwirksame Klausel.

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