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Mietrecht

VORLESUNG VOM 28.11.2022


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Besprechung Fall 1 + 2

1. Örtliche Zuständigkeit

2. Sachliche/funktionelle Zuständigkeit (Verfahrensart)

3. (Weitere) Formelle und andere Voraussetzungen

4. Materielle Beurteilung (Sachverhalt/Erwägungen)

5. Entscheid/Urteilsvorschlag/Klagebewilligung/Protokoll
1. Örtliche Zuständigkeit

Mietobjekt liegt in Luzern und somit im Kanton Luzern. SBM


ist gemäss Art. 33 ZPO örtlich zuständig (vgl. Aktennotiz).

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2. Sachliche/funktionelle Zuständigkeit (Verfahrensart)

- Sachliche und funktionelle Zuständigkeit durch kantonales


Recht bestimmt (Art. 3 ZPO).

- Es handelt sich um eine Anfechtung der einseitigen


Mietvertragsänderung (Änderung Nebenkosten à
conto, Art. 269d Abs. 3 OR) sowie um ein Mietzins-
herabsetzungsbegehren gemäss Art. 270a OR. Es
kommt für beide Angelegenheiten das
Urteilsvorschlags-verfahren zur Anwendung (Art. 210
Abs. 1 lit. b ZPO).

- Einigungsversuch, bei Einigung wird Protokoll (Art. 208 ZPO)


erstellt.

- Einfaches und rasches Verfahren (analog Art. 243 Abs. 2 lit. c


ZPO).

- Eingeschränkte soziale Untersuchungsmaxime.

- Streitigkeit wird mit Einreichung des Gesuchs bei SBM


rechtshängig (Art. 62 Abs. 1 und Art. 202 Abs. 1 ZPO),
umgehende Zustellung des Gesuchs und Vorladung (Art.
202 Abs. 3 ZPO).

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3. (Weitere) Formelle und andere Voraussetzungen

- Pro memoria: Je nach Streitgegenstand ist in formeller


Hinsicht die Einhaltung von allfälligen
Verwirkungsfristen zu prüfen. Verjährung von
Ansprüchen ist materielle Frage!

- Nichteintreten wäre nur möglich bei fehlender örtlicher


Zuständigkeit. Wegen der eingeschränkten
Untersuchungs-maxime ist daher die Eintretensfrage auf
diesen Punkt zu beschränken.

- Fristenlauf prüfen: Art. 270a Abs. 2 OR (Sachverhalt).

- Prüfung der Vertretungsverhältnisse der einfachen


Gesellschaft! In casu nicht nötig, da nur ein Mieter
gegeben.

- In casu Aktiv- bzw. Passivlegitimation gegeben.

- Wieso Aufteilung in zwei Verfahren, wenn doch für beide


Verfahren Art. 210 Abs. 1 lit. b ZPO anwendbar? Es geht
einerseits um eine Senkung des Mietzinses und
andererseits um eine einseitige Vertragsänderung.
Angesichts der Gegensätzlichkeit Einigung in beiden Fällen
schwierig und damit auch Ablehnung eines einheitlichen
UV wahrscheinlich. Bei Aufteilung möglicherweise
zumindest eine Einigung möglich.

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4. Materielle Beurteilung

Beachte: Kommissionsmitglieder verfügen lediglich über


die von den Parteien aufgelegten Unterlagen. Auf Partei-
behauptungen wird nicht abgestellt, ausser sie wären
übereinstimmend oder es handelt sich um Zugaben. Die
Beurteilung anlässlich einer Schlichtungsverhandlung ist denn
auch häufig eine “Momentaufnahme“.

Sachverhalt

- Herabsetzungsbegehren Mieter vom 21. Juni 2017 an


Vermieterschaft.

- Teilweise Ablehnung des Senkungsbegehrens durch die


Vermieterschaft mit Schreiben Mietvertragsänderungs-
anzeige vom 29. Juni 2017. Begründung Erhöhung
Neben-kosten à conto vorhanden (vgl. KB 2).

- Fristgerecht eingereichtes Senkungsbegehren des


Mieters vom 31. Juli 2017, die formellen Fristen gemäss Art.
270a Abs. 2 OR sind eingehalten. Im fraglichen Begehren
wurde auch die einseitige Mietvertragsänderung
fristgerecht angefochten.

- Verhandlung fand am 17. Oktober 2017 statt.

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Sachverhalt

Mietzinssenkung
- Vermieterschaft argumentiert an Verhandlung mit
neuem Vertragsabschluss, Anfangsmietzins nicht
angefochten, daher Referenzzinssatz von 1,75 %
korrekt. Vorsorglich macht sie auch Orts- und
Quartierüblichkeit geltend. Kläger beharrt auf seinen
Ausführungen gemäss Gesuch.

Einseitige Vertragsänderung Nebenkosten


- Kläger hält an seinen Vorbringen gemäss Gesuch fest,
insbesondere betreffend TV-Gebühren und verweist
diesbezüglich auf KB 9. Vermieterschaft anerkennt,
dass die TV-Gebühren nach wie vor in Rechnung
gestellt werden trotz erfolgter Kündigung.

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Erwägungen

Mietzinssenkung
- Gemäss erstelltem Sachverhalt wurde mit dem Kläger
ein neuer Mietvertrag abgeschlossen (vgl. KB 1, KB 3
und KB 9). Damit hätte Anfangsmietzins angefochten
werden müssen, wenn nicht damit einverstanden
(Art. 270 OR). Das ist erstelltermassen nicht passiert
innert 30 Tagen (Verwirkungsfrist) seit
Vertragsabschluss und damit gilt der Nettomietzins
gemäss KB 1.

- Unbehelflich ist die Behauptung des Klägers, man habe


ihm zugesichert, dass der Mietvertrag identisch sei mit
dem früheren. Er konnte den neuen Vertrag einsehen,
bevor er ihn unterzeichnet hat und es hätte ihm auffallen
müssen, dass der Nettomietzins zwar gleich, der
Referenz-zinssatz aber tiefer war (zumal der Kläger Jurist
ist!). Insofern greift der Einwand der Täuschung kaum.
Die Vermieterschaft hat also beim Abschluss des neuen
Mietvertrags den Nettomietzins erhöht.

- Insofern ist die freiwillig weiter gegebene Senkung von


½ % bzw. CHF 52.75 durch die Mieterschaft korrekt
und die Klage ist abzuweisen bzw. ein entsprechender
UV zu erlassen. Ein Anspruch auf eine Senkung über
CHF 154.04 (vgl. KB 6) besteht nicht.

- Da der Kläger an der Verhandlung ankündigte, dass er


einen solchen UV nicht akzeptieren und ablehnen
würde, wurde ihm direkt die Klagebewilligung erteilt.

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5. Entscheid/Urteilsvorschlag/Klagebewilligung/
Protokoll

vgl. nachfolgende Seiten

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Schlichtungsbehörde Miete und Pacht

SBM61

PROTOKOLL DER SCHLICHTUNGSVERHANDLUNG

Fallnummer
In Sachen Kläger
gegen Beklagte
betreffend Anfechtung Mietvertragsänderung vom 29.06.2017 per 01.10.2017

Datum der Gesuchseinreichung:


28. Juli 2017

Datum und Zeit der Schlichtungsverhandlung:


17. Oktober 2017; von 09:00 bis 9:35 Uhr

Mietobjekt:
6005 Luzern, 5 1/2-Zimmerwohnung im 2. OG rechts

Teilnehmer:
- Präsident
- paritätische Vertreterin (HEV) -
paritätische Vertreterin (MV)

Parteien:

Kläger und Mieter


Kläger

Beklagte und Vermieterin


Beklagte
vertreten durch Verwaltung

Rechtsbegehren des Klägers:


(vgl. Gesuch vom 28.07.2017)
1. Es sei die mit Mietvertragsänderung vom 29. Juni 2017 vorgenommene Erhöhung der
Akontozahlung der Nebenkosten als missbräuchlich festzustellen.
2. Die Gesuchsgegnerin sei anzuweisen, vorbehältlich dem konkreten Nachweis einer
effektiven Kostenerhöhung auf eine Erhöhung der Akontozahlungen der Nebenkos-ten zu
verzichten bzw. sei diese bei Fr. 200.00 zu belassen.
3. Unter Kosten und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Gesuchsgegnerin.

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Ergebnis der Vermittlungsverhandlung:

1. Die Beklagte zieht ihre einseitige Mietvertragsänderung vom 29. Juni 2017 betref-fend
Erhöhung der Akonto-Zahlungen für Heiz- und Nebenkosten vorbehaltlos zu-rück.

2. Die Parteien nehmen davon Kenntnis, dass damit das Verfahren infolge Rückzug der
einseitige Mietvertragsänderung als erledigt abgeschrieben wird.

Der Kläger: Für die Beklagte:

……………………………….. ………………………………..
Kläger Verwaltung

Der Präsident

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Schlichtungsbehörde Miete und Pacht

Fall-Nr. SBM72

Klagebewilligung

Kläger und Mieter


Kläger

Beklagte und Vermieterin


Beklagte
vertreten durch Verwaltung

betreffend Herabsetzung Mietzins nach Art. 270a OR

Schlichtungsgesuch vom 28. Juli 2017

Mietobjekt: 6005 Luzern, 5 1/2-Zimmerwohnung im 2. OG rechts

Rechtsbegehren des Klägers


(vgl. Gesuch vom 28.07.2017)
1. Die Gesuchsgegnerin sei zu verpflichten, den aktuellen monatlichen Mietzins der Liegen-schaft
6005 Luzern, 5 ½-Zimmerwohnung, 2. OG, rechts, per 1. Oktober 2017 um 8,5 % bzw. um Fr.
154.04 zu reduzieren.
2. Unter Kosten und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Gesuchsgegnerin.

Datum und Zeit der Schlichtungsverhandlung


17. Oktober 2017; von 9:00 bis 9:30 Uhr

Rechtsspruch
1. Es konnte keine Einigung erzielt werden.
2. Dem Kläger wird die Klagebewilligung erteilt.
3. Nach Eröffnung berechtigt die Klagebewilligung während 30 Tagen zur Einreichung der
Klage beim zuständigen Bezirksgericht Luzern, Grabenstrasse 2, Postfach 2266, 6002
Luzern (Art. 209 Abs. 4 ZPO).
4. Es werden keine Kosten gesprochen (Art. 113 Abs. 2 lit. c ZPO).
5. Diese Klagebewilligung wird dem Kläger ausgehändigt und der Beklagten eine Orien-
tierungskopie abgegeben.

Luzern, 17. Oktober 2017

Präsident

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