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2019

608 Tobias Singelnstein Verhältnismäßigkeitsanforderungen für strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen JZ 12/2012


Aufsätze
der Verhältnismäßigkeit eine besondere, neue Bedeutung zu, die Begründungsanforderungen für die richterlichen Anord-
um solche Zugriffe im Umfang zu begrenzen. nungen erhöht werden, um eine eingehende Prüfung formell
Im Fall der Funkzellenabfrage könnte der Gesetzgeber abzusichern. Weiterhin ist an Konsequenzen bei Missach-
diesem Problem auf verschiedene Weise begegnen. Als erstes tung der gesetzlichen Vorgaben zu denken. Hier ließe sich
wäre an die Abschaffung der Maßnahme zu denken. 80 Alter- etwa der diesbezügliche Rechtsschutz weiter ausbauen und
nativ könnten strengere bzw. klarere Anforderungen einge- erleichtern; für das Strafverfahren ist an Verwertungsverbote
führt werden. So sollte statt der versteckten Befugnis eine als Fehlerfolge zu denken. Schließlich ist der Gesetzgeber
ausdrückliche gesetzliche Regelung erfolgen, die dem Aus- angesichts der beschriebenen steigenden Bedeutung von ge-
nahmecharakter und der Eingriffsintensität der Maßnahme speicherten Daten dringend aufgerufen, klarere Regelungen
gerecht wird. Daneben sollten einerseits eigenständige tat- für die weitere Verwendung der einmal erhobenen Daten zu
bestandliche Voraussetzungen zur Begrenzung des Erhe- schaffen. 82
bungsumfangs eingeführt werden. 81 Andererseits könnten

80 So der Gesetzentwurf der Bundestagsfraktion der Linkspartei (BT-Drs.


17/7335 vom 18. 10. 2011) sowie die Stellungnahme des DAV, Nr. 11/2012, 21. 9. 2011) nur insofern, als sie die zur Anordnung berechtigenden Taten
Februar 2012. klarer bzw. enger fassen.
81 Dies berücksichtigen die Gesetzentwürfe aus Sachsen (BR-Drs. 532/11 82 In diese Richtung der Gesetzentwurf aus Sachsen und von Bündnis 90/
vom 6. 9. 2011) und von Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 17/7033 vom Die Grünen (Fn. 81).
Besprechungsaufsatz

Titus Walek, Frankfurt a. M.*


Kein gutgläubiger Erwerb gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG
bei Veräußerungsverboten, bedingten Verfügungen,
Nacherbschaft und Testamentsvollstreckung
Zugleich Besprechung von BGH, Beschluss v. 20. 9. 2011 – II ZB 17/10 **

Der BGH (JZ 2012, 633, in diesem Heft) hat entschieden, schenverfügung gemäß § 161 Abs. 3 BGB i. V. mit § 16 Abs. 3
dass im Fall einer bedingten Verfügung über einen GmbH- GmbHG auch bei Eintritt der Bedingung wirksam bleibt.
Geschäftsanteil ein gutgläubiger Erwerb gemäß § 161 Abs. 3 Der BGH hat demgegenüber den Standpunkt eingenommen,
BGB i.V. mit § 16 Abs. 3 GmbHG nicht möglich ist. Der Beitrag die Gefahr eines gutgläubigen Erwerbs gemäß § 161 Abs. 3
zeigt auf, wieso die Begründung des BGH mit der § 161 Abs. 3 BGB i. V. mit § 16 Abs. 3 GmbHG durch eine während der
BGB und den Parallelvorschriften der §§ 135 Abs. 2, 2113 Schwebezeit von dem (Noch-)Gesellschafter vorgenommene
Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB zu Grunde liegenden gesetzlichen Verfügung bestehe auch ohne Einreichung einer die bedingte
Wertung nicht vereinbar, die Entscheidung aber im Ergebnis Verfügung ausweisenden Gesellschafterliste nicht 3 und dies
dennoch zutreffend ist. im Wesentlichen wie folgt begründet:
Ob ein gutgläubiger Erwerb nach bedingter Verfügung
möglich sei, bestimme sich „nicht allein nach § 161 Abs. 3
I. Die Entscheidung BGB, sondern vorrangig nach denjenigen Vorschriften, die
einen Gutglaubensschutz für den jeweiligen Verfügungs-
Der BGH 1 hat am 20. 9. 2011 zu der umstrittenen Frage gegenstand vorsehen“, hier also nach § 16 Abs. 3 GmbHG. 4
Stellung bezogen, ob im Falle einer aufschiebend bedingten Die Rechtsscheinwirkungen des § 16 Abs. 3 GmbHG könn-
Abtretung eines Geschäftsanteils an einer GmbH ein gut- ten jedoch nur so weit reichen, wie die Gesellschafterliste als
gläubiger Erwerb gemäß § 161 Abs. 3 BGB i. V. mit § 16 Rechtsscheinträger den für den Rechtsverkehr maßgeblichen
Abs. 3 GmbHG möglich ist. In dem der Entscheidung zu Vertrauenstatbestand begründen kann. 5 Für die Abwesenheit
Grunde liegenden Sachverhalt hatte der beurkundende No- vorgängiger bedingter Verfügungen könne sie einen solchen
tar im Anschluss an die aufschiebend bedingte Abtretung Vertrauenstatbestand nicht begründen, da sie keine Aussagen
eines Geschäftanteils eine Gesellschafterliste der betroffenen über die Freiheit von Belastungen des Geschäftsanteils mit
Gesellschaft eingereicht, in der die bedingte Abtretung ver- Anwartschaftsrechten Dritter oder den Gesellschafter tref-
merkt war. Wie sich aus den Gründen der vorinstanzlichen fenden Verfügungsbeschränkungen enthielte. 6 Aus dem Um-
Entscheidung 2 ergibt, hatte der Notar zur Begründung der stand, dass im Liegenschaftsrecht bestimmte Verfügungs-
Zulässigkeit eines solchen Vermerks vorgetragen, der Abtre- beschränkungen (einschließlich der aus § 161 BGB) dem Er-
tungsempfänger müsse davor geschützt werden, dass der werber gegenüber gemäß § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB nur dann
Gesellschafter vor Eintritt der Bedingung ein weiteres Mal wirksam wären, wenn sie im Grundbuch ersichtlich oder
über den betroffenen Geschäftsanteil verfügt und diese Zwi- dem Erwerber bekannt sind, ergebe sich keine abweichende

* Der Autor ist Rechtsanwalt in Frankfurt a. M. 3 BGH JZ 2012, 633, 635 Rn. 14.
** BGH JZ 2012, 633 ff., in diesem Heft. 4 BGH JZ 2012, 633, 635 Rn. 15.
1 BGH JZ 2012, 633 ff. 5 BGH JZ 2012, 633, 635 Rn. 16.
2 OLG Hamburg NZG 2010, 1157 f. 6 BGH JZ 2012, 633, 635 f. Rn. 16 – 19.
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JZ 12/2012 Titus Walek Kein gutgläubiger Erwerb gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG bei bedingten Verfügungen etc. 609

Besprechungsaufsatz
Bewertung, da eine § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechende 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB enthaltenen Regelungen und
Regelung in § 16 Abs. 3 GmbHG gerade nicht übernommen der daraus folgenden, ebenfalls allgemein anerkannten
worden sei; vielmehr habe der Gesetzgeber einen vollständi- Reichweite dieser Vorschriften. Auf Grundlage der vom II.
gen Gleichlauf dieser Vorschrift mit § 892 BGB weder beab- Zivilsenat jetzt vertretenen Auffassung müsste der Anwen-
sichtigt noch für erforderlich gehalten. 7 dungsbereich der §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3,
Der BGH folgt insoweit in vollem Umfang der schon 2211 Abs. 2 BGB, auch soweit Verfügungen über andere
vorher vom OLG München 8, dem OLG Hamburg 9 und Gegenstände als Geschäftsanteile betroffen sind, erheblich
einer starken Mindermeinung 10 innerhalb der Literatur 11 eingeschränkt werden. Da aus den im Folgenden aufgeführ-
vertretenen Auffassung. Auf Grund des mit § 161 Abs. 3 ten Gründen wenig dafür spricht, dass andere Zivilsenate des
BGB identischen Wortlauts der §§ 135 Abs. 2, 2113 Abs. 3, BGH der Auffassung des II. Zivilsenats insoweit folgen wer-
2211 Abs. 2 BGB dürfte sich die Entscheidung des BGH den, ist zur Zeit schwer abzusehen, wie die Rechtsprechung
auch ohne Weiteres auf Verfügungen über Geschäftsanteile die Diskrepanz zwischen der bislang anerkannten Dogmatik
bei Bestehen eines Verfügungsverbots i. S. von §§ 135 Abs. 1, der §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB
136 BGB, durch den Vorerben (§ 2113 Abs. 2 BGB) und einerseits und der in der Entscheidung vom 20. 9. 2011 ver-
durch den Erben bei Anordnung der Testamentvollstreckung wendeten Argumentation andererseits überwinden wird.
(§ 2211 Abs. 1 BGB) übertragen lassen 12, so dass auch für Trotz der Mängel in der Begründung und der daraus
diese Fälle die Auffassung des II. Zivilsenats als bekannt folgenden Gefahr von möglicherweise unbeabsichtigten Wei-
vorausgesetzt werden kann. terungen jenseits des GmbH-Rechts ist dem BGH allerdings
Die Entscheidung des BGH scheint damit in einer wich- im Ergebnis zuzustimmen. Auch nach Inkrafttreten des
tigen, in der Vergangenheit kontrovers diskutierten Frage MoMiG 13 kommt ein gutgläubiger Erwerb gemäß §§ 135
Rechtssicherheit zu bringen, was für sich genommen aus Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB, jeweils
Sicht der Praxis grundsätzlich zu begrüßen ist. Dieser Vorteil i. V. mit § 16 Abs. 3 GmbHG, nicht in Betracht.
wird allerdings dadurch relativiert, dass die vom BGH zur
Begründung herangezogene Argumentation schon im An-
satz verfehlt ist, da sie dem aus der Entstehungsgeschichte
II. Gesetzgebungsgeschichte und Ratio
des § 161 Abs. 3 BGB klar zu entnehmenden Gesetzeszweck der §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3,
dieser Bestimmung zuwiderläuft. Darüber hinaus (und damit 2211 Abs. 2 BGB
zusammenhängend) steht die vom II. Senat vorgetragene Be-
gründung in Widerspruch zur bisher allgemein anerkannten Die Ratio der in §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211
dogmatischen Einordnung der in §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, Abs. 2 BGB vorgesehenen (auf den ersten Blick etwas kryp-
tischen) Anordnung der entsprechenden Anwendung der
7 BGH JZ 2012, 633, 636 Rn. 20. Vorschriften über den Erwerb vom Nichtberechtigten er-
8 OLG München NZG 2011, 473, 474 f. schließt sich durch die Analyse der Gesetzgebungsgeschich-
9 OLG Hamburg NZG 2010, 1157, 1158 (als Vorinstanz zu BGH JZ te.
2012, 633 ff.).
10 Preuß ZGR 2008, 676, 692; Zessel GmbHR 2009, 303, 305; Weigl
MittBayNotZ 2009, 116, 117; Weigl NZG 2009, 1173, 1175; Hueck/ 1. Gesetzgebungsgeschichte der §§ 135 Abs. 2,
Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 19. Aufl. 2010, § 16 Rn. 29; 161 Abs. 3 BGB
Link RNotZ 2009, 193, 220; D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1050; Riemenschnei-
der GmbHR 2009, 1212, 1214; Jocher BWNotZ 2009, 190, 191; Mayer/
In dem den Beratungen der ersten Kommission 14 zu Grunde
Färber GmbHR 2011, 785 ff.; (nur) für die Zeit vor Ablauf der in § 16 Abs. 3
GmbHG genannten Drei-Jahres-Frist auch Begemann/Galla GmbHR liegenden Vorentwurf des Allgemeinen Teils 15 waren sowohl
2009, 1065, 1068 und Begemann/Grunow DNotZ 2011, 403 ff. sowie Op- die aus den späteren §§ 135, 161 BGB folgenden Verfügungs-
permann ZIP 2009, 651 ff.; ders. DB 2009, 2306 ff. beschränkungen als auch der diesbezügliche Schutz des red-
11 Der überwiegende Teil der Literatur vertritt dagegen die Auffassung,
lichen Erwerbers bereits angelegt. Die zum Schutz des Red-
ein gutgläubiger Erwerb gemäß § 161 Abs. 3 BGB i. V. mit § 16 Abs. 3
GmbHG sei möglich; vgl. insbesondere Vossius DB 2007, 2299, 2301; Wi- lichen verwendeten Formulierungen wichen im Vorentwurf
cke, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung noch voneinander ab:
(GmbH), 2008, § 16 Rn. 20; Wachter GmbHR-Sonderheft Oktober 2008, § 29 Abs. 4 des Vorentwurfs 16 enthielt die folgende Re-
51, 61; ders. GmbHR 2009, 1216, 1217; Büchsenstein FD-MA 2008, 263 402;
gelung:
Wärholz MittBayNotZ 2008, 425, 436; Klöckner NZG 2008, 841, 842;
Schreinert/Berresheim DStR 2009, 1265, 1267 ff.; Altmeppen, in: Roth/Alt- „Die Vorschriften, welche zu Gunsten desjenigen bestehen, wel-
meppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 16 Rn. 69; Omlor WM 2009, 2105, 2111; cher Rechte von einem Nichtberechtigten herleitet, finden auch An-
Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG-Gesetz, 17. Aufl. 2009, § 16 wendung, wenn ein Veräußerungsverbot der in Abs. 2 bezeichneten
Rn. 63; Schneider NZG 2009, 1167 ff.; Heidinger, in: Münch- Art der Erwerbung des Rechts entgegenstand.“ 17
KommGmbHG, 2010, § 16 Rn. 283 ff.; Brandes, in: Bork/Schäfer, GmbHG,
§ 56 Abs. 2 des Vorentwurfs 18 lautete dagegen:
2010, § 16 Rn. 72; Hellfeld NJW 2010, 411, 412; Frenzel NotBZ 2010,
129 ff.; Löbbe, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Erg.-Band MoMiG, „Hat der bedingt Belastete den Gegenstand des bedingten Rechts
2010, § 16 Rn. 183 ff.; Seibt, in: Scholz, GmbHG, III. Bd., 10. Aufl. 2010, veräußert oder belastet, so werden diese Verfügungen, soweit sie ohne
Nachtrag MoMiG, § 16 Rn. 79; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschafts- Vereitelung oder Schmälerung des in Aussicht gestellten Rechts nicht
recht, 2011, § 16 Rn. 64 f.; Zinger/Urich-Erber NZG 2011, 286, 287; Maier- bestehen können, vorbehaltlich der den gutgläubigen Rechtserwerb
Reimer, in: Festschrift für Friedrich Graf von Westphalen, 2010, S. 489 ff.;
grundsätzlich sympathisierend auch Herrler BB 2009, 2272, 2273; König/ 13 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung
Bormann ZIP 2009, 1913, 1914; dementsprechend die Entscheidung des von Missbräuchen, BGBl. I 2008, 2026.
BGH kritisierend: Wicke DStR 2011, 2356, 2357; Bayer GmbHR 2011, 14 Zur ersten Kommission vgl. einführend Coing/Honsell, in: Staudinger,
1254, 1257 f. BGB, 2004, Einl. zum BGB Rn. 77 ff.
12 Auch insoweit wird von der h. L., soweit zum Zusammenspiel dieser 15 Gebhard, Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche
Vorschriften mit § 16 Abs. 3 GmbHG Stellung bezogen wird, die gegen- Reich. Allgemeiner Theil, zitiert nach Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der
teilige Meinung vertreten, vgl. z. B.: Verse, in: Henssler/Strohn (Fn. 11), § 16 Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines
Rn. 66 (zu § 2211 BGB); Altmeppen, in: Roth/Altmeppen (Fn. 11), § 16 Bürgerlichen Gesetzbuches. Allgemeiner Teil, 2. Teil, 1981.
Rn. 60 (zu §§ 135, 136, 2211 BGB); Ebbing, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl. 16 Vorläufer des § 135 Abs. 2 BGB.
2010, § 16 Rn. 250 (zu § 2211 BGB); Wicke (Fn. 11), § 16 Rn. 20 (zu § 2211 17 Gebhard (Fn. 15), S. 8 (Hervorhebung durch Verfasser).
BGB); Zinger/Ulrich-Erber NZG 2011, 286, 287 (zu § 2211 BGB). 18 Vorläufer des § 161 Abs. 3 BGB.
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610 Titus Walek Kein gutgläubiger Erwerb gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG bei bedingten Verfügungen etc. JZ 12/2012
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Dritter schützenden Vorschriften, vom Zeitpunkte der Erfüllung der Im weiteren Fortgang der Beratungen zu den Vorläufer-
Bedingung an unwirksam.“ 19 bestimmungen des § 161 Abs. 3 BGB wurde die Frage, ob
Die erste Kommission änderte zunächst die Formulie- auch hier die Wendung „bleiben unberührt“ durch „finden
rung des Verweises in § 29 Abs. 4 des Vorentwurfs auf die entsprechende Anwendung“ zu ersetzen ist, „ebenso wie in
Vorschriften über den Erwerb vom Nichtberechtigten von Ansehung des § 107 (K. E.) [Vorgängervorschrift der §§ 135,
„finden auch Anwendung“ in „finden entsprechende An- 136 BGB] . . . der Prüfung bei der Redaktion überlassen“. 26
wendung“, äußerte jedoch zugleich Zweifel, ob es überhaupt Nachdem die Kommission dann in der Tat zu dem Schluss
erforderlich wäre, eine Vorschrift diesen Inhalts aufzuneh- kam, der letzte Absatz des § 107 K.E. sei nicht „ganz kor-
men. Demzufolge wurde es „der Redaktion anheimgegeben, rekt“ 27 und müsse durch „finden entsprechende Anwen-
ob die Vorschrift nicht als selbstverständlich entbehrlich sein dung“ ersetzt werden, wurde diese Formulierung auch für
werde“. 20 Im Rahmen der Beratungen über § 56 des Vorent- § 136 des ersten Entwurfs (entspricht § 161 BGB) endgültig
wurfs behielt man dagegen zunächst den im Vorentwurf ge- übernommen. 28
wählten Vorbehalt hinsichtlich der Gutglaubensvorschriften Nachdem man sich also für die „entsprechende Anwen-
bei, änderte die Formulierung jedoch leicht ab in: dung“ entschlossen hatte, wurde in der zweiten Kommis-
„Die Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von ei- sion 29 im Rahmen der Beratungen über § 837 des ersten Ent-
nem Nichtberechtigten herleiten, bleiben unberührt.“ 21 wurfs (den späteren § 892 BGB) von einer Seite zu dieser
Diese Formulierung wurde dann im Laufe der weiteren Vorschrift beantragt, „die das Veräußerungsverbot betreffen-
Verhandlungen auch für die Vorgängervorschrift des § 135 den Bestimmungen“, also die Vorgängervorschrift zu § 892
Abs. 2 BGB an Stelle der Anordnung der „entsprechenden Abs. 1, Satz 2 BGB, „als durch die Vorschriften des §. 101
Anwendung“ der Vorschriften über den Erwerb vom Nicht- Abs. 2 des Entw. II [Vorgängervorschrift des § 135 Abs. 2
berechtigten übernommen, um zwischen beiden Vorschriften BGB] gedeckt zu streichen . . .“. 30
Übereinstimmung herzustellen. 22 Der Antrag, so wird mitgeteilt, bezwecke keine sachliche Änderung
Allerdings kamen im Rahmen der Beratung über das aus des Entwurfs, der Antragsteller halte die zu streichende Vorschrift je-
– gemeinrechtlicher Sicht neue 23 – Konzept des gutgläubigen doch für überflüssig, weil sich dessen Rechtsfolge „. . .schon aus der
Erwerbs des Eigentums an beweglichen Sachen vom Nicht- Bestimmung des §. 101 Abs. 2 [Vorgängervorschrift des § 135 Abs. 2
BGB] ergebe, derzufolge im Falle des Erwerbs durch eine gegen ein
berechtigten offenbar Zweifel auf, ob diese – ihrem Wortlaut relatives Veräußerungsverbot verstoßende Verfügung die Vorschriften
nach lediglich klarstellende – Formulierung ausreichen wür- zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten
de, um das Gewollte in hinreichender Weise zum Ausdruck herleiten, entsprechende Anwendung finden sollen“. Und weiter:
zu bringen. Es lagen daher zwei Anträge vor, die beide da- „Wenn nach §. 837 sogar derjenige, welcher von dem als Berechtigten
Eingetragenen, aber materiell Nichtberechtigten sein Recht herleite,
rauf abzielten, die Überwindung von Verfügungsverboten
durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs geschützt sei, so folge
i. S. der Vorgängervorschrift zu § 135 Abs. 2 BGB im Rah- aus der entsprechenden Anwendung des §. 837 nothwending, daß der
men des (späteren) § 936 BGB explizit anzuordnen. 24 Die gleiche Schutz auch demjenigen zu Theil werden müsse, welcher von
Kommission entschied jedoch, es solle „im Gesetze nicht dem eingetragenen wirklich Berechtigten, sein Recht, aber auf Grund
hervorgehoben werden, dass die Beschränkungen des Ver- einer Verfügung ableite, die gegen ein aus dem Grundbuche nicht er-
sichtliches relatives Veräußerungsverbot verstoße“. 31
äußerers durch ein Veräußerungsverbot der in § 107 (K.E.)
[Vorgängervorschrift der §§ 135, 136 BGB] gedachten Art Die Mehrheit der zweiten Kommission lehnte diesen An-
dem Mangel des Eigenthums in der Person des Veräußerers trag aus den folgenden Gründen ab: Die Erwähnung der
gleichzubehandeln sei.“ Dies sei entbehrlich, „weil der Ab- Veräußerungsverbote in § 837 sei erforderlich, da durch den
satz 2 des § 107 mit genügender Deutlichkeit erkennen lasse, öffentlichen Glauben des Grundbuchs die Richtigkeit des
daß vermöge des argumentum a potiori dem gänzlichen Grundbuchinhalts gewährleistet werde, die Vollständigkeit
Mangel des Rechts die bloße Beschränkung des Berechtigten dagegen nur insoweit, als für die Entstehung oder das Erlö-
durch ein relatives Veräußerungsverbot, welche immerhin schen des betreffenden Rechts dessen Eintragung im Grund-
nur als ein partieller Mangel im Rechte des Veräußerers gel- buch erforderlich sei, was auf die in § 101 (Vorgängervor-
ten könne, gleichzustellen sei. Daß bei dem Erwerbe auf schrift der §§ 135, 135 BGB) erwähnten Veräußerungsver-
Grund der publica fides des Grundbuchs . . . der Veräuße- bote jedoch nicht zuträfe. „Werde daher im §. 837 Abs. 1
rungsverbote besonders gedacht sei, habe seinen Grund da- die auf die Veräußerungsverbote bezügliche Bestimmung ge-
rin, weil das Grundbuch auch zur Kundmachung der Ver- strichen, so fehle es an einer Vorschrift im B.G.B., aus der
äußerungsverbote geeignet sei, und die objektive Nicht- sich gemäß §. 101 Abs. 2 der Inhalt jener Bestimmung des
ersichtlichkeit des Verbotes aus dem Grundbuche genügen §. 837 herleiten lasse.“ 32
solle.“ Es bleibe jedoch vorbehalten, „ob etwa eine Abände-
rung . . . des § 107 zur Beseitigung des erhobenen Bedenkens 2. § 2113 Abs. 3 BGB
sich dahin empfehle, daß statt „bleiben unberührt“ gesetzt
wird: „finden entsprechende Anwendung.“ 25 Im Zusammenhang mit der Ausformung der den Vorerben
treffenden Verfügungsbeschränkungen erörterte die erste
Kommission ausführlich die nach ihrer Auffassung bestehen-
19 Gebhard (Fn. 15), S. 12 (Hervorhebung durch Verfasser). de enge Verwandtschaft zwischen der aus auflösend beding-
20 Jakobs/Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs
in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, All- 26 Jakobs/Schubert (Fn. 20), S. 850.
gemeiner Teil, §§ 1 – 240, 1985, S. 716/717. 27 Jakobs/Schubert (Fn. 24), S. 609.
21 Jakobs/Schubert (Fn. 20), S. 848. 28 Jakobs/Schubert (Fn. 20), S. 853.
22 Jakobs/Schubert (Fn. 20), S. 718. 29 Zur zweiten Kommission vgl. einführend Coing/Honsell, in: Staudin-
23 Vgl. hierzu etwa Oechsler, in: MünchKommBGB, 5. Aufl. 2009, § 932 ger (Fn. 14), Rn. 83 f.
Rn. 1. 30 Reichs-Justizamt: Protokolle der Kommission für die zweite Lesung
24 Jakobs/Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. III. Sachenrecht, 1899,
in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, Sa- S. 75.
chenrecht I, §§ 854 – 1017, 1985, S. 600, 601. 31 Reichs-Justizamt (Fn. 30), S. 76, 77.
25 Jakobs/Schubert (Fn. 24), S. 605, 606 (Hervorhebung durch Verfasser). 32 Reichs-Justizamt (Fn. 30), S. 77.
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JZ 12/2012 Titus Walek Kein gutgläubiger Erwerb gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG bei bedingten Verfügungen etc. 611

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ter bzw. befristeter Verfügung und der aus der Nacherbschaft 3. § 2211 Abs. 2 BGB
folgenden Verfügungsbeschränkung 33 und merkte daher zu
ihrem Entwurf des Vorläufers des § 2113 BGB an, dieser Die Einfügung des heutigen § 2211 Abs. 2 BGB erfolgte erst
„wiederholt einfach den § 136 K.E. [Vorläuferbestimmung durch die zweite Kommission und wird nur vergleichsweise
des § 161 BGB]“. 34 Dementsprechend war die Vorgänger- kursorisch begründet. Die Geltung der in dieser Vorschrift
bestimmung des § 2113 BGB in der Fassung des 1. Entwurfs niedergelegten Norm scheint den Gesetzesverfassern wieder-
sehr eng an die des § 161 BGB angelehnt (mit der Maßgabe, um als selbstverständlich vorausgesetzt worden zu sein, denn
dass auf den Eintritt der Nacherbschaft anstelle des Eintritts sie überließen es der Redaktionskommission zu prüfen, ob
der Bedingung abgestellt wurde). 35 die „sachlich gebilligte Vorschrift . . . ausdrücklich auszuspre-
Die zweite Kommission legte ihren Beratungen einen chen sei.“ 43
allgemeinen Antrag zu Grunde, durch den die Bestimmun-
gen des ersten Entwurfs über den Vorerben neu gefasst wur- 4. Schlussfolgerungen hinsichtlich der Ratio der §§ 135
den. 36 Hinsichtlich der den Vorerben treffenden Verfügungs- Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB
beschränkung wich dieser insofern von dem 1. Entwurf ab,
als diese nur für Verfügungen über Grundstücksrechte gelten Zusammenfassend lässt sich den Materialien somit Folgendes
sollte. Der Schutz des Rechtsverkehrs sollte nach diesem entnehmen: Die von den Gesetzesverfassern bei der Anord-
Antrag nicht durch Anordnung der „entsprechenden An- nung der „entsprechenden Anwendung“ in jedem 44 der vier
wendung der Vorschriften“ über den Erwerb vom Nicht- hier behandelten Normenkomplexe zu Grunde liegende und
berechtigten sondern, ähnlich wie in den oben 37 erwähnten im Wege eines argumentum a majore ad minus bzw. wie es an
Zwischenfassungen der heutigen §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3 anderer Stelle heißt, argumentum a potiori gebildete Wertung
BGB, wie folgt sichergestellt werden: lautet wie folgt: Wenn das jeweilige Rechtsgeschäft zwischen
„Die Verfügung des Vorerben über ein zu der Erbschaft gehörendes dem in der Verfügungsmacht Beschränkten und dem durch
Grundstück ist im Falle des Eintritts der Nacherbfolge, unbeschadet der die Verfügung Begünstigten diejenigen Voraussetzungen er-
Vorschrift des § 810 des Entw. II [§ 810 Entw. II war die Vorläufer- füllt, bei deren Erfüllung letzterer sogar dann wirksam erwor-
bestimmung des § 892], insoweit unwirksam, als sie das Recht des ben hätte, wenn ersterer nicht der Inhaber des Rechts, über
Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde.“ 38
das verfügt wurde, gewesen wäre, dann muss dies erst recht
Als die zweite Kommission beschloss, die Verfügungs- gelten, wenn der Verfügende sogar Rechtsinhaber ist und
beschränkung auch auf unentgeltliche Verfügungen über „nur“ einer Verfügungsbeschränkung der in §§ 135 Abs. 1,
Rechte außerhalb des Grundbuchs zu erstrecken 39, kehrte 136, 161 Abs. 1, 2, 2113 Abs. 1, 2, 2211 Abs. 1 BGB normier-
sie bei der Formulierung der den Schutz des Gutgläubigen ten Art unterliegt und der durch die Verfügung Begünstigte
regelnden Bestimmung wieder zu der Anordnung der „ent- hinsichtlich der Verfügungsbeschränkung gutgläubig ist.
sprechenden Anwendung“ der einschlägigen Bestimmungen Hierbei gingen die Gesetzesverfasser offensichtlich da-
zurück, so dass die Vorschrift ihre heutige Fassung erhielt. 40 von aus, dass die Regelung der §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3,
Auch in diesem Zusammenhang wurde offenbar angezwei- 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB im Hinblick auf das Liegen-
felt, ob diese Anordnung „nicht als selbstverständlich ent- schaftsrecht eigentlich entbehrlich gewesen wäre, da der
behrt werden könne“. 41 Dem wurde allerdings entgegen- Schutz des im Hinblick auf die jeweilige Verfügungs-
gehalten, dass diese Bestimmung auch bei der Bedingung beschränkung Gutgläubigen schon durch die direkte An-
und dem Veräußerungsverbot aufgenommen worden sei. wendung des § 892 Abs. 1 BGB erreicht wird, und es daher
Und weiter: „Glaube man den Satz auch ohne besondere nur der Klarstellung bedurft hätte, dass die in §§ 135 Abs. 2,
Bestimmung durch ein argumentum a majore ad minus ge- 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB enthaltenen Ver-
winnen zu können, so müsse er, um Mißdeutungen zu ver- fügungsbeschränkungen „unbeschadet“ dieser Vorschrift
hüten, an allen Stellen gestrichen werden; richtiger und gelten sollen, bzw. dass die Vorschrift des § 892 Abs. 1 Satz 2
zweckmäßiger sei aber seine gleichmäßige Beibehaltung. BGB durch jene Vorschriften „unberührt“ bleibe. Die Ent-
Denn wenn auch, soweit Grundstücke und Rechte an solchen scheidung des Gesetzgebers, die „entsprechende Anwen-
in Frage kämen, die Bestimmungen des §. 810 des Entw. II dung“ der Vorschriften über den Erwerb vom Nichtberech-
[Vorläuferbestimmung des § 892 BGB] als ausreichend ange- tigten anzuordnen, war demnach allein dem Umstand ge-
sehen werden könnten, so gelte doch das Gleiche nicht von schuldet, dass man sich gegen eine § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB
den Vorschriften, die auf dem Grundsatze, ‚Hand muß Hand funktional entsprechende Vorschrift im Mobiliarsachenrecht
wahren‘, beruhten (§§ 846 ff. des Entw. II) [§§ 846 ff. des entschieden hatte 45, andererseits aber bezweifelt wurde, ob
Entw. II sind die Vorgängervorschriften zu §§ 932 ff. die maßgebliche, von den Gesetzgebern offensichtlich als
BGB]“. 42 selbstverständlich erachtete Wertung im Mobiliarsachenrecht
auch dann erkannt und beachtet werden würde, wenn man
auf eine Positivierung derselben gänzlich verzichtete. 46 An-
derseits wollte die zweite Kommission auf die Regelung des
§ 892 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht verzichten, da man davon
33 Jakobs/Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs
in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, Erb- ausging, dass die relativ unspezifische Anordnung der „ent-
recht, §§ 1922 – 2385, 2002, S. 1063 ff. sprechenden Anwendung“ der Vorschriften über den Erwerb
34 Jakobs/Schubert (Fn. 33), S. 1104.
35 Jakobs/Schubert (Fn. 33), S. 1103/1004. 43 Reichs-Justizamt (Fn. 41), S. 286, 287.
36 Jakobs/Schubert (Fn. 33), S. 1115 ff. 44 Hinsichtlich der Bestimmung des § 2211 Abs. 2 BGB finden sich nur
37 Siehe bei Fn. 19, 21 und 22. spärliche Erläuterungen in den Materialien. Der Umstand, dass man bei
38 Jakobs/Schubert (Fn. 33), S. 1116 (Hervorhebung durch Verfasser). Fassung des § 2211 Abs. 2 BGB ohne weitere Erörterung auf dieselbe For-
39 Vgl. Jakobs/Schubert (Fn. 33), S. 1121, 1122, 1123. mulierung wie in §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3 und 2113 Abs. 3 BGB zurück-
40 Vgl. Jakobs/Schubert (Fn. 33), S. 1121, 1122, 1123. griff, lässt wohl nur den Schluss zu, dass man auch hier dasselbe Grund-
41 Reichs-Justizamt: Protokolle der Kommission für die zweite Lesung prinzip wie im Falle der drei anderen Vorschriften als maßgeblich ansah.
des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. V. Erbrecht, 1899, S. 111. 45 Vgl. oben bei Fn. 25.
42 ebd. (Hervorhebung durch Verfasser). 46 Vgl. oben bei Fn. 25, 27.
Dies ist urheberrechtlich geschütztes Material. Bereitgestellt von: BCU Lausanne, 02.12.2019

612 Titus Walek Kein gutgläubiger Erwerb gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG bei bedingten Verfügungen etc. JZ 12/2012
Besprechungsaufsatz
vom Nichtberechtigten im Liegenschaftsrecht ohne Beibe- gentlich ergibt sich der Schutz des Gutgläubigen bereits aus
haltung des § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht operabel wäre. 47 der unmittelbaren Anwendung des § 892 Abs. 1 BGB, die
Im Ergebnis führten diese Erwägungen des Gesetzgebers Vorschriften der §§ 135 Abs. 2, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2
im Hinblick auf die aus §§ 135 Abs. 1, 136, 161 Abs. 1, 2, BGB 51 bestätigen daher nur, „was sich ohnehin schon aus
2113 Abs. 1, 2, 2211 Abs. 1 BGB folgenden Verfügungs- § 891 Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt“. 52 Insbesondere sind die in
beschränkungen zu einem zweigleisigen System des Vertrau- §§ 135 Abs. 1, 136, 2113 Abs. 1, 2, 2211 Abs. 1 BGB genann-
ensschutzes: ten Verfügungsbeschränkungen solche, die „zu Gunsten ei-
Soweit der maßgebliche Rechtsscheinträger zur Publika- ner bestimmten Person“ bestehen und im Grundbuch ein-
tion der Verfügungsbeschränkung geeignet ist (Grundbuch), zutragen sind. 53 Der Weg zur Rechtsfolge des § 892 Abs. 1
basiert der Vertrauensschutz auf dem Prinzip, das jetzt vom BGB wäre daher, dessen war sich der Gesetzgeber bewusst 54,
II. Zivilsenat 48 und den Unterstützern 49 der von ihm vertre- auch dann eröffnet gewesen, wenn man auf die Einfügung
tenen Auffassung als das allein maßgebliche angesehen wird: der §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB
die genannten Verfügungsbeschränkungen sind zu publizie- überhaupt verzichtet hätte, oder wenn diese Vorschriften
ren, deshalb darf der Rechtsverkehr auf das Schweigen des lediglich anordneten, dass die Vorschrift des § 892 Abs. 1
Rechtsscheinträgers vertrauen; umgekehrt ergibt sich der BGB „unberührt“ bleibt. 55 Diese – eigentlich redundante –
Schutz des durch die Verfügungsbeschränkung Begünstigten Anordnung der „entsprechenden Anwendung“ des § 892
daraus, dass er die Publikation der Verfügungsbeschränkung Abs. 1 BGB ist für die Rechtsanwendung unschädlich; nur
durchsetzen und die Gefahr des gutgläubigen Erwerbs aus- muss man sich darüber im Klaren sein, dass hier zwei Prin-
schließen kann. zipien des Vertrauensschutzes aufeinandertreffen, die an un-
Soweit der jeweilige Rechtsscheinträger zur Publikation terschiedliche Rechtsscheintatbestände anknüpfen.
der Verfügungsbeschränkung nicht geeignet ist (Besitz), ba-
siert der Vertrauensschutz nach dem gesetzgeberischen Kon-
zept jedoch auf einem gänzlich anderen Prinzip: Maßgebend III. Zur mangelnden Berücksichtigung des
ist in diesem Fall der von dem Gesetzgeber offenbar als gesetzgeberischen Konzepts durch den BGH
selbstverständlich angesehene Gedanke, dass, wer sogar
vom Nichteigentümer gutgläubig erworben hätte, erst recht Der BGH vernachlässigt im Rahmen seiner Argumentation
vom in der Verfügungsmacht beschränkten Eigentümer er- die oben beschriebene „Zweigleisigkeit“ des Vertrauens-
werben können muss. Konsequenterweise ist im Rahmen der schutzes gegenüber den aus §§ 135 Abs. 1, 136, 161 Abs. 1,
„entsprechenden Anwendung“ der Vorschriften über den 2 56, 2113 Abs. 1, 2, 2211 Abs. 1 BGB folgenden Verfügungs-
Erwerb vom Nichtberechtigten zu prüfen, ob der Verfügen- beschränkungen und gelangt daher zu der unzutreffenden
de, wäre er Nichtberechtigter gewesen, dem Erwerber auf Auffassung, der jeweils einschlägige Rechtsscheinträger müs-
Grund der konkret vorgenommenen Verfügung das Eigen- se geeignet sein, einen Rechtsschein für die Abwesenheit der
tum hätte verschaffen können. Hieraus folgt, dass der gut- jeweiligen Verfügungsbeschränkung zu setzen.
gläubige Erwerb nicht an einem das Nichtvorhandensein von
Verfügungsbeschränkungen indizierenden äußeren Tat-
bestand anknüpft, sondern an demjenigen äußeren Tat- 51 Im Falle des § 161 Abs. 3 BGB ergibt sich das dort Geregelte für den
bestand, der den Erwerb vom Nichtberechtigten ermöglicht Fall der Verfügung über Liegenschaftsrechte bereits aus der direkten An-
hätte, das heißt an dem den Verfügenden als Vollrechtsinha- wendung des § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. Fn. 47 und Fn. 56.
52 Paulus, in: Festschrift für Nipperdey, Bd. 1, 1965, S. 909, 913, 914 für
ber ausweisenden Tatbestand.
§ 135 Abs. 2 BGB. Aus dem älteren Schriftum vgl. etwa Planck’s Kommen-
Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche beider Prin- tar zum BGB, 4. Aufl. 1913, § 135 Rz. II.3e): „Für die §§ 892, 893, 1138,
zipien ist dem Gesetzgeber nicht vollständig gelungen: Auf 1155 führt schon die Vorschrift des § 892 Abs. 1 Satz 2 zu demselben
Grund der allgemeinen Verweisung in §§ 135 Abs. 2, 161 Ergebnis wie die Vorschrift des § 135 Abs. 2“.
53 Vgl. §§ 938, 941 ZPO, 51, 52 GBO.
Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB kommt es im Bereich
54 Vgl. oben bei Fn. 42.
des Liegenschaftsrechts zu einer „Doppelregelung“. 50 Ei- 55 Wie im Abschnitt II.2. insbesondere für die Entwicklung der Vorschrift
des § 2113 BGB gezeigt wurde, hat der Gesetzgeber diese Formulierung
47 Vgl. oben bei Fn. 32 und J. Kohler, Das Verfügungsverbot gemäß § 938 dann benutzt, wenn er davon ausging, dass sich die zu überwindende Ver-
Abs. 2 ZPO im Liegenschaftsrecht, 1984, S. 148 Fn. 436. Die bei Fn. 30, 31 fügungsbeschränkung ausschließlich auf Liegenschaftsrechte bezieht; vgl.
und 32 wiedergegebenen Erwägungen der Gesetzesverfasser beziehen sich heute noch § 81 InsO und dazu im Text bei Fn. 59.
nur auf das Verhältnis zwischen den Vorgängervorschriften der §§ 135, 136 56 Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die von der hier kritisierten
BGB einerseits und der des § 892 Abs. 1 Satz 2 andererseits (ohne §§ 161 Auffassung verwendete Argumentation mit § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl.
Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB zu erwähnen). Dies ist leicht erklär- nur D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1050; Mayer/Färber GmbHR 2011, 785, 791)
lich, wenn man die Entstehungsgeschichte des § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB soweit sie sich auf § 161 Abs. 3 BGB bezieht, schon deshalb unrichtig ist,
berücksichtigt. Dessen Vorgängervorschriften bezogen sich während nahe- weil sich der Gutglaubensschutz insoweit nach zutreffender h. M. aus Satz 1
zu der gesamten Beratungen der ersten und zweiten Kommission aus- des § 892 Abs. 1 BGB ergibt; vgl. Gursky, in: Staudinger, BGB, 2008, § 892
schließlich auf die Vorgängervorschrift der §§ 135, 136 BGB. Erst im Rah- Rn. 263 m. w. N.; Maier-Reimer (Fn. 11), S. 489, 495. Die in diesem Zusam-
men der Schlussredaktion erhielt die Vorschrift ihren heutigen, nicht auf die menhang von der Gegenauffassung zitierten Urteile – z. B. BayObLG NJW-
Verfügungsbeschränkungen i. S. von §§ 135, 136 BGB beschränkten Wort- RR 1986, 697, 698 (zitiert von Mayer/Färber GmbHR 2011, 785, 792) oder
laut (vgl. Jakobs/Schubert [Fn. 24], S. 387). Welche weiteren Verfügungs- BayObLG Rpfleger 1994, 343 (zitiert von D. Mayer ZIP 1037, 1050) – sind
beschränkungen durch die abstrakte Formulierung des Tatbestandes erfasst nicht einschlägig, da in diesen Fällen nicht über ein Grundstücksrecht,
werden sollten, lässt sich den Materialien unmittelbar entnehmen: „Die sondern über einen durch eine Vormerkung gesicherten Anspruch (-
erweiterte Fassung will auch diejenigen Beschränkungen treffen, die sich BayObLG NJW-RR 1986, 697, 698) bzw. einen Anteil an einer Erben-
für den eingetragenen Berechtigten aus dem Rechte eines Testamentsvoll- gemeinschaft (BayObLG Rpfleger 1994, 343) verfügt wurde und zur Erb-
streckers und eines Nacherben ergiebt“ (Reichs-Justizamt: Protokolle der masse Grundeigentum gehörte; vgl. zu diesen Fällen Gursky, in: Staudinger,
Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetz- a. a. O. Wird dagegen über das Grundstücksrecht selbst bedingt verfügt,
buchs, Bd. VI, 1899, S. 386). Sehr zu Recht und gewiss nicht zufällig bleiben setzt die Entstehung der Bedingung ihre Eintragung im Grundbuch voraus
die Rechte des aus bedingter Verfügung Begünstigten in diesem Zusammen- (§ 873 BGB; vgl. Gursky, in: Staudinger, BGB, 2007, § 873 Rn. 267; für die
hang unerwähnt, vgl. hierzu noch unten in Fn. 56. bedingte Abtretung einer Hypothekenforderung oder einer Buchgrund-
48 BGH JZ 2012, 633, 635 Rn. 15, 16. schuld vgl. z. B. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 13. Aufl. 2004, Rn. 2394a,
49 Nachweise in Fn. 10. 2406a), weshalb sich der Schutz des Gutgläubigen nach der Vorschrift des
50 J. Kohler (Fn. 47), S. 148 Fn. 436. § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB richtet.
Dies ist urheberrechtlich geschütztes Material. Bereitgestellt von: BCU Lausanne, 02.12.2019

JZ 12/2012 Titus Walek Kein gutgläubiger Erwerb gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG bei bedingten Verfügungen etc. 613

Besprechungsaufsatz
Aus dem Umstand, dass die Verfügungsbeschränkungen Im Übrigen wird das in §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113
in der Gesellschafterliste – anders als im Grundbuch – nicht Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB niedergelegte, auf dem genannten
eintragungspflichtig oder -fähig sind, folgt jedoch entgegen Schluss a majore ad minus beruhende Konzept (nur) unter
der Auffassung des BGH nur, dass es ein § 892 Abs. 1 BGB rechtspolitischen Gesichtspunkten seit langem mit den glei-
entsprechendes Vertrauensschutzkonzept im Recht der chen Argumenten kritisiert, mit denen der BGH jetzt die
GmbH für Verfügungsbeschränkungen nicht gibt. Aus der Anwendung des § 16 Abs. 3 GmbHG auf § 161 Abs. 3 BGB
mangelnden Publikationsmöglichkeit der Verfügungs- de lega lata verneint. Besonders pointiert wurde diese Kritik
beschränkung auf die Unanwendbarkeit der „Vorschriften von Paulus 63 (für den Fall des § 135 Abs. 2 BGB) vorgetra-
über den Erwerb vom Nichtberechtigten“ zu schließen, hie- gen:
ße dagegen, das den §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, „Der Verlegenheit, der man bei einer Erläuterung nach Maßgabe
2211 Abs. 2 BGB zu Grunde liegende gesetzgeberische An- der im Hinblick auf die §§ 892 f. BGB verwendeten Kriterien ausgesetzt
wäre, pflegen wir mit Hilfe einer Floskel auszuweichen . . .: Wenn schon
liegen vollständig zu verfehlen: Die Anordnung der „ent-
der Zuwendungsempfänger dank seines guten Glaubens . . . auf Grund
sprechenden Anwendung“ erfolgte gerade deshalb, weil der einer Verfügung des Nichteigentümers Rechtsinhaber geworden ist,
Gesetzgeber die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs auch muss dasselbe erst recht gelten, wenn der Veräußerer Eigentümer war
für den Fall des Erwerbs von beweglichen Sachen eröffnen und lediglich durch ein bloß relatives Verfügungsverbot behindert war.
wollte, obwohl der Besitz – anders als, wie der Gesetzgeber Wer sich aber bei der Interpretation von Rechtssätzen an ihren Sinn-
und Funktionszusammenhängen orientiert und deshalb die dogmati-
ausdrücklich hervorhebt 57, das Grundbuch 58 – die Möglich- sche Bemühung nicht nur als ein mit den Mitteln beliebig auswechsel-
keit der Publikation der Verfügungsbeschränkung nicht er- barer topoi arrangiertes Scheinmanöver verstehen will, kann sich mit
möglicht. Hätte der Gesetzgeber die Möglichkeit des gut- einer solchen Floskel nicht zufrieden geben. . . . Der Rechtsschein kann
gläubigen Erwerbs auf die Fälle beschränken wollen, in de- . . . kraft des ihm zuerkannten öffentlichen Glaubens oder als Vertrau-
ensstütze eine Erwerbsbasis nur im Hinblick auf die Rechte oder
nen das Veräußerungsverbot publizierbar ist, dann hätte er
Rechtslagen bilden, die durch ihn als bestehend oder nichtbestehend
es, dies hat die Analyse des Entstehungsgeschichte der maß- vorgetäuscht werden; er zeugt nur für das Recht, dessen Anschein er
geblichen Vorschriften hinlänglich gezeigt, bei der Anord- ist . . .. Von einem den uneingeschränkten Erwerb des redlichen A be-
nung belassen, dass die Vorschriften über den Erwerb vom gründenden Rechtsschein kann nun aber keine Rede sein, wenn ihm der
Nichtberechtigten „unberührt“ bleiben. Dies wird durch besitzende Eigentümer S eine Sache, deren Veräußerung durch einst-
weilige Verfügung untersagt wurde, verbotswidrig mittels Einigung und
§ 81 Abs. 1 Satz 2 InsO bzw. dessen Vorgängervorschrift Besitzübergabe veräußert. Denn hinsichtlich der Frage, ob ein Veräuße-
§ 7 KO bestätigt. Diese Vorschriften ordnen nicht etwa die rungsverbot vorliegt, kann die Besitzlage nichts offenbaren; sie ist keine
„entsprechende Anwendung“ des § 892 BGB an, sondern Indikation der Verbotsfreiheit und wird durch einen Verbotserlaß in
bestimmen lediglich, dass diese Vorschrift „unberührt“ keiner Weise modifiziert.“
bleibt. Dies ist konsequent, denn anders als §§ 135 Abs. 2, Ungeachtet der Frage, ob diese Kritik unter rechtspoliti-
161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB soll § 81 Abs. 1 schen Gesichtspunkten als gerechtfertigt anzusehen ist oder
Satz 2 InsO die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs im nicht, wurde bislang nicht bestritten, dass die von Paulus so
Falle von Verfügungen über bewegliche Sachen nicht eröff- genannte „Floskel“ eine verbindliche Wertung des Gesetz-
nen. Der Gesetzgeber konnte es daher bei der klarstellenden gebers enthält und als solche zu respektieren ist. 64 Wenn aber
Formulierung belassen. Dass diese Wortwahl nicht zufällig das geltende Recht zweifelsfrei die Möglichkeit eröffnet, die
getroffen wurde, ergibt sich aus den Materialien zu § 7 KO, aus §§ 135 Abs. 1, 136 BGB folgenden Verfügungsbeschrän-
in denen ausdrücklich auf die Unterschiede zwischen § 7 KO kungen im Wege des gutgläubigen Erwerbs zu überwinden,
und § 135 BGB eingegangen wird. 59 ohne dass notwendigerweise ein die Abwesenheit der Ver-
Die Vorschriften der §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 fügungsbeschränkung indizierender Rechtsschein vorliegen
Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB verdanken ihre Existenz also über- muss 65, erscheint es kaum begründbar, die Anwendung des
haupt nur dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Schutz
des Gutgläubigen vor Verfügungsbeschränkungen auch auf nicht mit dem gleichen Argument die gutgläubige Überwindung der aus
§ 161 Abs 1, 2 BGB folgenden Verfügungsbeschränkung auszuschließen
den (damals 60) einzigen Fall erstrecken wollte, in dem zwar
habe. Dieses Argument überzeugt nicht: Der Gesetzgeber hat in § 161
Vorschriften über den Erwerb vom Nichtberechtigten exis- Abs. 3 BGB die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs trotz fehlender
tieren (§§ 932 ff. BGB), Verfügungsbeschränkungen aber Publikationsmöglichkeit der hierdurch gefährdeten Position, wie oben ge-
nicht publizierbar sind und deshalb keinem für sie „maß- zeigt, bewusst angeordnet. Wenn man nun hierin eine wertungswider-
sprüchliche Ungleichbehandlung gegenüber sonstigen Verfügungsbeschrän-
geschneiderten“ Gutglaubensschutzregime unterstehen. Mit
kungen oder gegenüber dinglichen Belastungen sieht, kann die methodisch
diesem Gesetzeszweck ist es unvereinbar, die Anwendung korrekte Antwort hierauf nicht in der Negation dieser gesetzlichen Wer-
des § 161 Abs. 3 BGB i. V. mit § 16 Abs. 3 GmbHG mit tung, sondern allenfalls in ihrer Erstreckung auf die vom Gesetz nicht
dem Argument auszuschließen, dass die bedingte Verfügung erfassten Fälle liegen. Ob eine solche Analogiebildung tatsächlich geboten
ist, ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung.
über Geschäftsanteile (bzw. die daraus folgende Verfügungs-
62 I.E. wie hier Maier-Reimer (Fn. 11), S. 489, 495 f.
beschränkung) nicht publik gemacht werden kann. 61, 62 63 Paulus (Fn. 52), S. 909, 914 f. Kritisch auch J. Kohler, in: Staudinger,
BGB, 2011, § 135 Rn. 80; und J. Kohler (Fn. 47), S. 148 f.; sowie Berger,
57 Vgl. oben bei Fn. 25 und 42. Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, 1998, S. 35.
58 Aber eben genauso wie die Gesellschafterliste. 64 Vgl z. B. J. Kohler, in: Staudinger (Fn. 63), § 135 Rn. 80: „. . . de lege lata
59 Vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes betr. Aenderungen der nicht zu vermeiden, aber sachlich unangemessen“. Dementsprechend wird
Konkursordnung v. 26. 1. 1898, abgedruckt bei Hahn/Mugdan (Hrsg.), Die die Anwendung der §§ 932 ff. BGB auf § 135 Abs. 2 BGB (genauso wie auf
gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 7, 1898, S. 234 f. §§ 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB) allgemein bejaht; vgl. nur:
60 Der Umstand, dass § 16 Abs. 3 GmbHG in seiner heutigen Fassung Ellenberger: in Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, §§ 135, 136 Rn. 9, § 161 Rn. 3;
zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BGB noch nicht existierte, steht der und Weidlich, ebd., § 2113 Rn. 16, § 2211 Rn. 4.
„entsprechenden Anwendung“ dieser Vorschrift nicht entgegen; vgl. hierzu 65 Nach manchen Unterstützern der Auffassung des BGH scheitert die
im Einzelnen Reymann GmbHR 2009, 343, 344. „entsprechende Anwendung“ des § 16 Abs. 3 GmbHG schon an Art. 14
61 Mayer/Färber (GmbHR 2011, 785, 791 ff.; ähnlich offenbar jetzt BGH Abs. 1 Satz 2 GG, da die Gesellschafterliste den diesbezüglichen strukturel-
JZ 2012, 633, 635 f. Rn. 19) halten dem entgegen, es sei allgemein anerkannt, len Anforderungen an die mit dem Verlust der Rechtsinhaberschaft verbun-
dass die Überwindung von Vinkulierungsklauseln im Wege des gutgläubi- dene Vertrauenshaftung nicht genüge; Mayer/Färber GmbHR 2011, 785,
gen Erwerbs und der gutgläubig lastenfreie Erwerb im GmbH-Recht wegen 790; Riemenschneider GmbHR 2009, 1212, 1214. Wieso der Gesetzgeber
der mangelnden Publizierbarkeit der Vinkulierung bzw. dinglichen Belas- durch sein auf den Schluss a majore ad minus gestütztes Konzept die durch
tung nicht in Betracht komme; es sei aber nicht einzusehen, warum man Art. 14 GG gezogenen Grenzen überschritten haben soll, bedürfte aller-
Dies ist urheberrechtlich geschütztes Material. Bereitgestellt von: BCU Lausanne, 02.12.2019

614 Titus Walek Kein gutgläubiger Erwerb gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG bei bedingten Verfügungen etc. JZ 12/2012
Besprechungsaufsatz
§ 16 Abs. 3 GmbHG auf § 161 Abs. 3 BGB mit dem Argu- bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung zu §§ 135,
ment abzuweisen, in der Gesellschafterliste ließen sich die 136, 161, 2113, 2211 BGB vor diesem Hintergrund ent-
aus § 161 Abs. 1, 2 BGB folgenden Verfügungsbeschränkun- wickeln wird. Angesichts der Nicht-Berücksichtigung der
gen nicht verlautbaren. 66 Ratio des § 161 Abs. 3 BGB in der Entscheidung vom
Anders gewendet bedeutet dies: Auf Grundlage der Ar- 20. 9. 2011 erscheint es allerdings eher zweifelhaft, dass an-
gumentation des BGH zu § 16 Abs. 3 GmbHG i. V. mit § 161 dere Zivilsenate des BGH der von seinem II. Senat vorgetra-
Abs. 3 BGB müsste man, um Wertungswidersprüche zu ver- genen Argumentation folgen werden.
meiden, die entsprechende Anwendung der §§ 932 ff. BGB
jedenfalls 67 auf §§ 135 Abs. 2, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB
entgegen der bislang unbestrittenen Auffassung verneinen,
IV. Folgerungen für die Auslegung der
denn der Besitz ist, wie von Paulus für den Fall der §§ 135, §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3,
136 BGB eindringlich beschrieben, ebenfalls nicht geeignet, 2211 Abs. 2 BGB, § 16 Abs. 3 GmbHG
„als Rechtsscheinträger den für den Rechtsverkehr maßgeb-
lichen Vertrauenstatbestand“ 68 für die Abwesenheit von Ver- Aus dem Vorstehenden folgt, dass es schon im Ansatz ver-
fügungsbeschränkungen der in §§ 135 Abs. 1, 136, 2113 fehlt ist, im Rahmen der Untersuchung der §§ 135 Abs. 2,
Abs. 2, 2211 Abs. 1 BGB gedachten Art zu begründen. 69 Es 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB, jeweils i. V. mit
§ 16 Abs. 3 GmbHG, danach zu fragen, ob das Verfügungs-
dings noch näherer Untersuchung. In keinem Fall ist es angängig, diese verbot, die bedingte Verfügung oder die Anordnung der
Frage allein im Hinblick auf die entsprechende Anwendung des § 16 Abs. 3
Nacherbschaft oder der Testamentsvollstreckung in der Ge-
GmbHG zu diskutieren, vielmehr müsste sich eine auf Art. 14 GG gestützte
Argumentation gegen §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 sellschafterliste publiziert werden kann oder muss. Nach der
BGB insgesamt richten, deren vorrangiges Anwendungsgebiet ja, wie oben Ratio dieser Vorschriften ist vielmehr allein entscheidend, ob
gezeigt, gerade diejenigen Fälle sind, in denen die fragliche Verfügungs- der (Zweit-)Erwerber auf Grund der bestehenden „Rechts-
beschränkung nicht publizierbar ist.
scheinlage“ auch dann vom Veräußerer hätte erwerben kön-
66 Insofern ist die von der h. L. (vgl. z. B. Schreinert/Berresheim DStR
2009, 1265, 1267; Heidinger, in: MünchKommGmbHG [Fn. 11], § 16 nen, wenn dieser (sogar) Nichtberechtigter gewesen wäre.
Rn. 285; Oppermann DB 2009, 2306) vorgetragene Kritik an der jetzt auch Soweit hierfür auf den Rechtsschein (genauer: auf den äuße-
vom BGH vertretenen Auffassung also i. E. berechtigt. Das in diesem Zu- ren Tatbestand) abzustellen ist, kommt es also auf den
sammenhang häufig verwendete Beispiel der bedingten Verfügung über eine
Rechtsschein der Gesellschafterstellung an.
bewegliche Sache gemäß §§ 929, 158, 930 BGB (vgl. die Nachweise wie vor)
ist aber eher unglücklich gewählt. Es ließe sich immerhin einwenden, dass Folglich ist die jeweils vorgenommene Verfügung darauf-
der bedingte Erwerber durch die Vereinbarung eines Übergabesurrogats, hin zu untersuchen, ob sie diejenigen Vorraussetzungen er-
das heißt das Belassen des unmittelbaren Besitzes beim Veräußerer, in füllt, die gegeben sein müssten, damit der (Zweit-)Erwerber
zurechenbarer Weise den Rechtsschein der Abwesenheit vorgängiger be-
gutgläubig das Eigentum an dem Geschäftsanteil hätte erwer-
dingter Übereignungen setzt (vgl. Maier-Reimer [Fn. 11], S. 489, 494); dem-
entsprechend ließe sich die von der Gegenauffassung als essentiell angese- ben können, wenn der Verfügende Nicht-Gesellschafter und
hene Interventionsmöglichkeit des wahren Berechtigten im Falle der der durch die Verfügungsbeschränkung Begünstigte Gesell-
bedingten Übereignung einer beweglichen Sache in der Möglichkeit finden, schafter gewesen wäre. Sind diese Voraussetzungen erfüllt,
zwischen einer Übereignung nach §§ 929, 158 einerseits und §§ 929, 158,
dann, so die gesetzgeberische Idee, muss die Verfügung erst
930 BGB andererseits zu wählen.
67 Zu § 161 Abs. 3 BGB vgl. Fn. 66. recht dazu geeignet sein, dem vom Berechtigten (wenn auch
68 BGH JZ 2012, 633, 635 Rn. 16. Dasselbe Argument gegen die Sicht- in der Verfügungsmacht Beschränkten) Erwerbenden das
weise des BGH lässt sich auch aus § 936 BGB gewinnen. Auch im Rahmen Vollrecht (bestandskräftig) zu verschaffen, sofern nur der
dieser Vorschrift spielt die Frage der Publizierbarkeit der Position der
Erwerbende im Hinblick auf die jeweilige Verfügungs-
potentiell verlierenden Partei (des Inhabers des beschränkt dinglichen
Rechts) für die Frage des gutgläubigen „Wegerwerbs“ dieser Position nach beschränkung gutgläubig ist. Dies ist jedoch, wie im Folgen-
dem gesetzgeberischen Konzept keine Rolle, was man insbesondere daran den gezeigt werden soll, auf Grund der besonderen Struktur
erkennt, dass auch besitzlose Pfandrechte gutgläubig „wegerworben“ wer- des Tatbestandes des § 16 Abs. 3 GmbHG nicht möglich.
den können; vgl. hierzu nur Wiegand, in: Staudinger, BGB, 2004, § 936
Der Entscheidung des BGH ist daher (ausschließlich) im
Rn. 2. Wer also §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB
(rechtspolitisch) kritisiert, darf zu § 936 BGB nicht schweigen. Ergebnis zuzustimmen.
69 Nicht gefolgt werden kann der Auffassung von Mayer/Färber
(GmbHR 2011, 785, 792 f.), der Gesetzgeber habe dem Besitz (anders als 1. Eintragung des Verfügenden
der Gesellschafterliste) „umfangreiche Rechtsscheinwirkungen“ zuerkannt,
einschließlich, so muss man ihre Argumentation verstehen, hinsichtlich der
Abwesenheiten von Verfügungsbeschränkungen. Dass auf Grundlage des Der Verfügende ist in den fraglichen Fällen als Inhaber des
Besitzes die Überwindung dieser Verfügungsbeschränkungen im Wege des Geschäftsanteils eingetragen, so dass diese Voraussetzung
gutgläubigen Erwerbs möglich ist, ergab sich für den Gesetzgeber nicht aus unproblematisch erfüllt ist.
der (eher fernliegenden, vgl. hierzu bei Fn. 63) Vorstellung, der Besitz
indiziere die Abwesenheit etwa eines Veräußerungsverbots, sondern aus
dem oben beschriebenen argumentum a majore ad minus. Dieser Erst- 2. (Hypothetische) Unrichtigkeit der
Recht-Schluss knüpft nicht an die Beschaffenheit des Rechtscheinträgers Gesellschafterliste
„Besitz“ an, sondern beruht allein auf dem Gedanken, dass, wenn der
verfügende Nichteigentümer bei Erfüllung des Tatbestandes der einschlägi-
Der Erwerb vom Nichtberechtigten gemäß § 16 Abs. 3
gen Vorschriften über den Erwerb vom Nichtberechtigten in der Lage ist,
dem Erwerber das Eigentum zu verschaffen, er in diesem Fall erst recht in GmbHG setzt des Weiteren voraus, dass die Gesellschafter-
der Lage sein muss, die Verfügungsbeschränkung zu überwinden. Es ist liste unrichtig ist. Dies kann man nicht mit dem Hinweis
nicht ersichtlich, wieso dieser vom Gesetzgeber als maßgeblich angesehene darauf verneinen, dass der Verfügende, eben weil er nur in
Gedanke im Recht der GmbH nicht in gleichem Maße wie im Fahrnisrecht
der Verfügungsmacht beschränkt aber nicht Nichtberechtig-
Platz greifen können sollte. Der Umstand, dass § 936 BGB den lastenfreien
Erwerb zulässt, ohne dass die Belastung notwendigerweise publizierbar sein
muss (vgl. Fn. 68), legt entgegen Mayer/Färber (a. a. O.) eher den Schluss woraus in vollkommener Übereinstimmung mit dem Regelungsmechanis-
nahe, dass auch diese Vorschrift nach der Vorstellung des Gesetzgebers mus der §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB (vgl.
rechtspolitisch auf dem genannten argumentum a majore ad minus beruht. hierzu im Text unter IV.) die Schlussfolgerung gezogen wird, die Rechts-
In diese Richtung weist etwa die Bemerkung Oechslers (in: Münch- folgen der Norm könnten nur dann eintreten, „wenn . . . ein gutgläubiger
KommBGB [Fn. 23], § 936 Rd. 1), der gutgläubig lastenfreien Erwerb nach Erwerb [des Vollrechts] . . . bei hypothetischer Betrachtung möglich gewe-
§ 936 sei ein „Minus gegenüber dem gutgläubigen Erwerb des Vollrechts“, sen wäre“ (Oechsler, a. a. O.).
Dies ist urheberrechtlich geschütztes Material. Bereitgestellt von: BCU Lausanne, 02.12.2019

JZ 12/2012 Titus Walek Kein gutgläubiger Erwerb gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG bei bedingten Verfügungen etc. 615

Besprechungsaufsatz
ter ist, zu Recht in der Gesellschafterliste eingetragen ist. um auf die Korrektur der fehlerhaften Liste durch Eintra-
Denn der vom Gesetzgeber als maßgeblich angesehene gung seiner selbst hinzuwirken. 75
„Test“ erfordert der Natur der Sache nach eine hypothe- Keines dieser Kriterien kann in den hier zu untersuchen-
tische Betrachtung, bei der unterstellt wird, dass der Ver- den Fällen der „entsprechenden Anwendung“ des § 16
fügende Nichtberechtigter und derjenige, zu dessen Gunsten Abs. 3 GmbHG erfüllt sein: Zunächst ist evident, dass dem
die Verfügungsbeschränkung besteht, der Berechtigte ist. 70 Berechtigten in den relevanten Konstellationen nicht zuge-
Unterstellt man dies, wäre die den Verfügenden als Gesell- rechnet werden kann, dass der Verfügende ursprünglich als
schafter ausweisende Gesellschafterliste unrichtig, so dass Gesellschafter eingetragen wurde. Aber auch die fortbeste-
der Tatbestand des § 16 Abs. 3 GmbHG im Rahmen der in hende Eintragung des Gesellschafters nach Eintritt des den
dieser Hinsicht gebotenen hypothetischen Betrachtungswei- Schutz der §§ 135 Abs. 1, 136, 161 Abs. 1, 2, 2113 Abs. 2,
se insoweit erfüllt wäre. Die „entsprechende Anwendung“ 2211 Abs. 1 BGB auslösenden Ereignisses kann dem Berech-
des § 16 Abs. 3 GmbHG scheitert in den hier zu unter- tigten nicht zugerechnet werden. Denn über die dem nicht
suchenden Fällen also nicht an dem Merkmal „Unrichtigkeit eingetragenen Gesellschafter zu Gebote stehenden Möglich-
der Gesellschafterliste“. keiten, seine Eintragung als Gesellschafter herbeizuführen
oder jedenfalls den für den Listengesellschafter sprechenden
3. Keine Zurechenbarkeit der (hypothetischen) äußeren Tatbestand zu zerstören, verfügt jener nicht. Ein
Unrichtigkeit Hinwirken auf Einreichen einer den Berechtigten als Gesell-
schafter ausweisenden Gesellschafterliste durch den Notar
Auch im Rahmen einer solchen hypothetischen Betrach- oder Geschäftsführer kommt, anders als im unmittelbaren
tungsweise ist weiterhin zu prüfen, ob die so (hypothetisch) Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3 GmbHG, von vorn-
konstatierte Unrichtigkeit der Gesellschafterliste, das heißt herein nicht in Betracht. Für die Fälle des Verfügungsver-
die Eintragung des Verfügenden als Gesellschafter 71, dem bots, der Vorerbschaft und der Testamentsvollstreckung ver-
Begünstigten zugerechnet werden kann. 72 Welche Anforde- steht sich dies von selbst, für den Fall der bedingten Über-
rungen im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 16 tragung ist es im Gesetz explizit angeordnet, § 40 Abs. 2
Abs. 3 GmbHG an die Zurechenbarkeit zu stellen sind, wird Satz 1 GmbHG.
vom Gesetz nicht weiter konkretisiert. In der Literatur wird In der Literatur wird allerdings behauptet, die „Zure-
teilweise darauf abgestellt, ob der Berechtigte die Unrichtig- chenbarkeit“ sei gegeben, wenn es der Ersterwerber unter-
keit veranlasst oder sonstwie zu verantworten hat 73, andere 74 lasse, die Bewilligung des Veräußerers hinsichtlich der Zu-
halten für maßgeblich, ob die Unrichtigkeit in dessen Risiko- ordnung eines Widerspruchs gegen dessen Gesellschafter-
bereich fällt. Allen Auffassungen ist gemeinsam, dass der position einzuholen 76 bzw. sich um eine solche Bewilligung
Berechtigte entweder an der (fehlerhaften) Eintragung des zu bemühen. 77 Diese Auffassung ist allerdings verfehlt, denn
anderen in irgendeiner Form mitgewirkt haben muss oder damit würde man dem durch die Verfügungsbeschränkung
er es trotz Kenntnis von der Unrichtigkeit der Liste unter- Begünstigten Obliegenheiten auferlegen, die im unmittel-
lassen hat, die ihm zu Gebote stehenden Mittel zu ergreifen, baren Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3 GmbHG nicht
existieren. Im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 16
70 Unzutreffend ist dagegen die Prämisse Oppermanns (ZIP 2009, 651, Abs. 3 GmbHG trifft den Erwerber im Falle eines rechts-
653; ähnlich D. Mayer ZIP 2009, 1037, 1050, re. Spalte), es sei im Rahmen geschäftlichen Erwerbs keine Obliegenheit, die Abtretung
der „Übersetzung“ des Tatbestandes des § 16 Abs. 3 GmbH im Falle der von der Bewilligung eines Widerspruchs abhängig zu ma-
bedingten Verfügung zu untersuchen, ob die Zweitveräußerung wirksam
chen oder sich in anderer Weise um eine solche Bewilligung
gewesen wäre, wenn die Erstveräußerung unbedingt erfolgt wäre. Hierbei
wird übersehen, dass das gesetzgeberische Konzept der „entsprechenden zu bemühen oder darauf hinzuwirken. 78 Nach dem gesetz-
Anwendung“ der Vorschriften über den Erwerb vom Nichtberechtigten geberischen Konzept kann er vielmehr getrost das der Ab-
nicht für den Spezialfall des § 161 BGB geschaffen wurde, sondern für alle tretung zu Grunde liegende Geschäft abschließen, ohne zur
hier behandelten Normenkomplexe in gleichem Maße; in den Fällen der
Absicherung der Publikation seines Erwerbs irgendwelche
§§ 135 Abs. 2, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB gibt es aber überhaupt keine
Erstverfügung, deren (sofortige) Wirksamkeit man im Rahmen der Prüfung Maßnahmen ergreifen zu müssen; erst wenn der Notar seiner
der Verfügung des Vollrechtsinhabers unterstellen könnte. Maßgebend war ihn gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG treffenden Pflicht nicht
für den Gesetzgeber allein das Ergebnis der Prüfung des hypothetischen nachkommt, trifft den Erwerber die Obliegenheit, die ent-
Falls, dass der Verfügende Nichtberechtigter (und der durch das Ver-
sprechenden Schritte einzuleiten; anders als der bedingte Er-
fügungsverbot Begünstige der Berechtigte) ist. Hypothesen darüber, wieso
der Verfügende in dem hypothetischen Fall Nichtberechtigter ist, sind nicht werber bedarf er hierzu nicht des Einverständnisses des Ver-
anzustellen.
71 Darauf, ob dem Begünstigten die Nichtersichtlichkeit der Verfügungs-
beschränkung oder der dieser zu Grunde liegenden Rechtsgeschäfte zure-
chenbar ist, kommt es aus den oben genannten Gründen nicht an. 75 Nachweise in Fn. 73, 74.
72 Genauso erfolgt die Prüfung des gutgläubigen Erwerbs im Fahrnis- 76 Löbbe, in: Ulmer/Habersack/Winter (Fn. 11), § 16 Rn. 186; Seibt, in:
recht: Auch dort ist anerkanntermaßen zu prüfen, ob die den verfügenden Scholz (Fn. 11), § 16 Rn. 79; Maier-Reimer (Fn. 11), S. 489, 501.
Vollrechtsinhaber als Eigentümer ausweisende Besitzverschaffungsmacht 77 Frenzel NotBZ 2010, 129, 135 f. ähnlich jetzt Bayer GmbHR 2011,
dem durch die Verfügungsbeschränkung Begünstigten nach Maßgabe des 1254, 1257, der offenbar darauf abstellt, ob es der Ersterwerber unterlassen
§ 935 BGB zuzurechnen ist (d. h. ob dem durch die Verfügungsbeschrän- hat, auf die Eintragung eines Widerspruchs „hinzuwirken“.
kung Begünstigten der Besitz an der Sache abhanden gekommen ist): Zur 78 Neben den dargestellten dogmatischen Bedenken gegen die Konstitu-
entsprechenden Anwendung des § 935 BGB im Rahmen des § 161 Abs. 3 ierung derartiger Obliegenheiten spricht hiergegen, dass man Kriterien wie
BGB vgl. nur H. P. Westermann, in: MünchKommBGB, 6. Aufl. 2012, § 161 „sich Bemühen um“ oder „Hinwirken auf“ die Bewilligung eines Wider-
Rn. 20. Für die Fälle der §§ 135, 2113 und 2211 BGB wird die entsprechende spruchs kaum in halbwegs objektivierbarer Weise mit Leben wird füllen
Anwendung des § 935 BGB (wohl mangels praktischer Relevanz) seltener können. Wollte man es insoweit bei der einmaligen, abschlägig beschiedenen
besonders hervorgehoben; vgl. aber immerhin Kipp/Coing, Erbrecht, 14. Bitte um Abgabe der Bewilligungserklärung bewenden lassen, würde dieses
Bearb. 1990, § 70 II.1; und Damrau, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2003, § 2211 Kriterium in der Praxis schnell zu einer sinnentleerten Förmelei verküm-
Rn. 8, zur Geltung des § 935 BGB für den Fall, dass dem Testamentvollstre- mern. Würde man die Bereitschaft des Erwerbers verlangen, die Bewilligung
cker eine seiner Verwaltung unterliegende bewegliche Sache abhanden des Veräußerers durch das Nachgeben in Bezug auf andere Punkte, die
kommt. Gegenstand der Verhandlung über das der bedingten Verfügung zu Grunde
73 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff (Fn. 11), § 16 Rn. 80 m. w. N. liegende Geschäft sein mögen, zu „erkaufen“, wäre vollkommen unklar, in
74 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck (Fn. 10), § 16 Rn. 33 m. w. N. welchem Umfang dem Ersterwerber die Aufopferung derartiger Punkte
Dies ist urheberrechtlich geschütztes Material. Bereitgestellt von: BCU Lausanne, 02.12.2019

616 Titus Walek Kein gutgläubiger Erwerb gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG bei bedingten Verfügungen etc. JZ 12/2012
Besprechungsaufsatz
äußerers. 79 Eine Veränderung dieses Konzepts zu Lasten des „rechtslogisch“ voraus, dass der Tatbestand, an den die jewei-
bedingten Ersterwerbers, wie von der h. L. vorgeschlagen, lige Rechtsfolge anknüpft, in beiden Fällen identisch ist (mit
würde demnach dazu führen, dass der gutgläubige Erwerb Ausnahme des Bezugspunktes der Gutgläubigkeit), andern-
gemäß §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 falls würde man „Äpfel mit Birnen vergleichen“. An der Iden-
BGB unter – verglichen mit den für den gutgläubigen Er- tität des Tatbestandes fehlt es aber, wenn man im Rahmen der
werb des Vollrechts geltenden Regeln – erleichterten Voraus- „entsprechenden Anwendung“ des § 16 Abs. 3 GmbHG Zu-
setzungen möglich wäre. Dieses Ergebnis wäre jedoch von rechenbarkeitskriterien zu Lasten des Erst-Erwerbers konsti-
dem in diesen Vorschriften positivierten argumentum a ma- tuiert, die den Erwerber des Vollrechts im unmittelbaren An-
jore ad minus nicht mehr gedeckt. Denn dieses besagt eben wendungsbereich dieser Vorschrift nicht treffen. 82
nur, dass der gutgläubig bedingungsfreie Erwerb unter den- Sonstige Gründe, warum dem durch das Verfügungsver-
selben Voraussetzungen möglich sein muss wie der gutgläu- bot Begünstigten die Eintragung des Verfügenden als Gesell-
bige Erwerb vom Nichtberechtigten. 80 schafter jemals zuzurechnen sein soll, sind kaum vorstell-
Mit anderen Worten: Nach Auffassung des historischen bar. 83 Eine Zurechnung i. S. von § 16 Abs. 3 GmbHG schei-
Gesetzgebers ist es ohne weiteres einleuchtend, dass diejeni- det daher aus.
gen Umstände, die schon die schärfere Rechtsfolge (Erwerb
vom Nichtberechtigten) rechtfertigen, auch die weniger schar- 4. Kein Ablauf der in § 16 Abs. 3 GmbHG genanten
fe (Erwerb vom in der Verfügungsmacht Beschränkten) zu Drei-Jahres-Frist
legitimieren in der Lage sein müssen. 81 Eine solche Schluss-
folgerung der schärferen zur milderen Rechtsfolge setzt aber Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass auch die Drei-Jahres-
Frist i. S. des § 16 Abs. 3 GmbHG unter Beachtung des vom
obliegen würde, um die Gefahr des gutgläubigen Zwischenerwerbs zu ban- Gesetzgeber als maßgeblich angesehenen argumentum a ma-
nen. jore ad minus nicht „entsprechend“ zur Anwendung ge-
79 Soweit ersichtlich, geht die h. L. ganz überwiegend davon aus, dass der
bracht werden kann. Der Sinn dieser Vorschrift besteht nach
Widerspruch auf Grund einer Bewilligung des Veräußerers einzuholen ist
(vgl. z. B. Schneider NZG 2009, 1167, 1169; Löbbe, in: Ulmer/Habersack/ Auffassung der Gesetzesverfasser darin, dass dem Berechtig-
Winter (Fn. 11), § 16 Rn. 186; Frenzel NotBZ 2010, 129, 135 f.; Desch BB ten nach Eintritt der Unrichtigkeit drei Jahre Zeit gegeben
2010, 3104, 3109; Bayer GmbHR 2011, 1254, 1257), wohingegen offenbar werden soll, „die Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesell-
die Möglichkeit (und damit, aus Sicht der h. L., Obliegenheit) des Erst-
schafterliste zu veranlassen oder auf Korrektur der Liste
erwerbers, den Widerspruch im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zu
erwirken, nicht befürwortet wird. Anders aber Maier-Reimer (Fn. 11), hinzuwirken und auf diese Weise einen gutgläubigen Erwerb
S. 489, 501, der die Zuordnung eines Widerspruchs im Wege der einstweili- des ihm zustehenden Anteils auszuschließen.“ 84 Durch diese
gen Verfügung gegen den Veräußerer auch im Falle der bedingten Veräuße-
rung für möglich (und zumutbar) hält. Diese Auffassung ist jedoch (selbst
wenn man die Zuordnung eines Widerspruchs auf Grund einer Bewilligung 82 Ergänzend sei noch auf die mangelnde Lösungskapazität dieses Zu-
in den hier zu untersuchenden Fällen registerrechtlich für zulässig hielte) in rechnungsmodells verwiesen: Dieses soll sich darauf gründen, dass der Erst-
jedem Fall abzulehnen (so auch Schneider NZG 2009, 1167, 1169 und erwerber es im Rahmen der Verhandlung des der bedingten Abtretung zu
Frenzel NotBZ 2010, 129, 135), da der Erlass einer entsprechenden Ver- Grunde liegenden Geschäfts verabsäumt hat, sich von dem Veräußerer einen
fügung voraussetzen würde, dass der bedingte Erwerber einen Anspruch auf Widerspruch bewilligen zu lassen. Eine Übertragung dieses Ansatzes auf die
Einreichung einer korrigierten Liste glaubhaft machen kann; vgl. hierzu Parallelfälle der §§ 135 Abs. 2, 2113 Abs. 3 oder 2211 Abs. 2 BGB ist un-
allgemein Löbbe, in: Ulmer/Habersack/Winter (Fn. 11), § 16 Rn. 178. Die- möglich, weil diesen Verfügungsbeschränkungen kein Rechtsgeschäft zwi-
sen Anspruch gibt es aber ausweislich des § 40 Abs. 2 GmbHG erst nach schen Gesellschafter und Begünstigtem zu Grunde liegt, im Rahmen dessen
Eintritt der Bedingung. Die Zulässigkeit eines im Wege des einstweiligen der Begünstigte die Bewilligung des Widerspruchs hätte erwirken können.
Rechtsschutzes erwirkten Widerspruchs jenseits der lex lata allein mit dem Konsequenterweise müsste damit die Zurechenbarkeit auf Basis der h. L. in
Hinweis auf den anderenfalls drohenden gutgläubigen Erwerb des Zweit- diesen Fällen verneint werden. Mit dieser Position würde die h. L. allerdings
erwerbers zu begründen, ist nicht möglich, da man sonst das zu Beweisende in Konflikt zu der von ihr im Zusammenhang mit § 161 Abs. 3 BGB vor-
(die Möglichkeit des gutgläubigen bedingungsfreien Erwerbs) bei der Be- getragenen teleologischen Argumentation (vgl. oben Fn. 80) geraten, da ja
weisführung (der Begründung der Zurechenbarkeit mit der Möglichkeit, auch in den Fällen der §§ 135, 2113 und 2211 BGB der Erwerber das Recht
den für den Veräußerer sprechenden Rechtsschein im Wege eines durch eine kraft guten Glaubens von einem Nichtberechtigten hätte erwerben können,
einstweilige Verfügung erwirkten Widerspruchs zu zerstören) voraussetzen so dass nicht erkennbar wäre, wieso er auf Basis der von der h. L. vertrete-
würde; vgl. zu diesem zirkulären Element der Argumentation der h. L. nen Position in diesen Fällen nicht ebenso „schutzwürdig“ sein soll wie im
bereits Weigl NZG 2009, 1173, 1176; a. A. aber Maier-Reimer (Fn. 11), Fall des § 161 Abs. 3 BGB.
S. 489, 495. Erst recht fernliegend ist die Vorstellung, der Nacherbe könne 83 Der These von Schreinert/Berresheim DStR 2009, 1265, 1268, der
im Wege der einstweiligen Verfügung einen Widerspruch gegen die Position Rechtsverlust des bedingten Erwerbers eines Geschäftsanteils sei ebenso
des Vorerben erwirken. Die Beschränkungen des § 2113 Abs. 2 BGB gelten wie der Rechtsverlust desjenigen, der eine bewegliche Sache aus seinem
überhaupt nur für unentgeltliche Verfügungen des Vorerben über den Ge- Herrschaftsbereich entlasse, unter dem Gesichtpunkt der Risikohaftung
schäftsanteil. Ein Widerspruch gegen die Position des Vorerben würde gerechtfertigt, beruht auf einer ungenauen Analyse der für §§ 932 ff. BGB
dagegen auch entgeltliche Verfügungen des Vorerben erschweren oder gar maßgeblichen Zurechnungskriterien. Die für das Eingreifen der § 932 ff.
unmöglich machen – ein mit dem Zweck des § 2113 BGB offensichtlich BGB erforderliche Zurechenbarkeit folgt nicht daraus, dass der Berechtigte
nicht zu vereinbarendes Ergebnis. Ähnlich widersinnig wäre es, dem Testa- durch die Weggabe der Sache „das Risiko für einen gutgläubigen Erwerb
mentsvollstrecker die Obliegenheit aufzuerlegen, einen Widerspruch gegen bewusst eingeht“ (so aber Schreinert/Berresheim a. a. O.), sondern daraus,
die Position des Erben zu erwirken. Ein solcher Widerspruch würde die dass der den gutgläubigen Erwerb rechtfertigende äußere Tatbestand (die
Zugehörigkeit des Geschäftsanteils zur Erbmasse und damit die Ver- Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers) dem Berechtigten nach Maß-
fügungsmacht des Testamentsvollstreckers selbst in Frage stellen. gabe des § 935 BGB zurechenbar ist (vgl. Oechsler [Fn. 23], § 932 Rn. 7).
80 Soweit auf das oben beschriebene argumentum a majore ad minus Die Auffassung von Schreinert/Berresheim (a. a. O.) stellt dagegen eine pe-
durch Vertreter der h. L. eingegangen wird, wird vertreten, die Ratio des titio principi dar: Das Risiko einer Zwischenverfügung kann der Ersterwer-
§ 161 Abs. 3 BGB bestehe darin, dass, wenn der gutgläubige Erwerber schon ber nur dann auf sich nehmen, wenn der gutgläubige Zwischenerwerb über-
vom Nichtberechtigten erwerben könne, er erst recht schutzwürdig sein haupt möglich ist. Dann kann man unter Meidung eines Zirkelschlusses die
müsse, wenn er vom in der Verfügung beschränkten Berechtigten erwerbe; für den Zwischenerwerb erforderliche „Zurechenbarkeit“ nicht damit be-
vgl. Löbbe, in: Ulmer/Habersack/Winter (Fn. 11), § 16 Rn. 184; Frenzel gründen, dass der Ersterwerber das Risiko eines Zwischenerwerbs auf sich
NotBZ 2010, 129, 130. Bei der Behandlung der Frage, unter welchen kon- nehme. Zusätzlich sei darauf hingewiesen, dass auch dieses Zurechnungs-
kreten Vorrausetzungen der gutgläubige Erwerber denn geschützt werden modell im Falle der §§ 135, 136, 2113, 2211 BGB schlicht nicht „funk-
muss, werden dann aber Obliegenheiten des durch die Verfügungsbeschrän- tioniert“, da es dort keine Erstverfügung gibt, in deren Rahmen der durch
kung Begünstigten postuliert, die den unbedingten Erwerber nicht treffen die Verfügungsbeschränkung Begünstigte irgendein Risiko auf sich nehmen
und damit der Boden des eigentlich als maßgeblich angesehenen argumen- könnte; vgl. hierzu bereits Fn. 82.
tum a majore ad minus verlassen, vgl. hierzu im Text. 84 Begründung Regierungsentwurf v. 25. 6. 2007, BT-Drs. 16/6140, abge-
81 Vgl. oben bei Fn. 25, 31, 42. druckt in Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, 2008, S.238.
Dies ist urheberrechtlich geschütztes Material. Bereitgestellt von: BCU Lausanne, 02.12.2019

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Besprechungsaufsatz
Regelung werden, so die Gesetzesbegründung, „die schutz- Eigentum erworben, übertragen, freiwillig aufgegeben oder
würdigen Interessen des wahren Berechtigten“ 85 berücksich- unfreiwillig verloren werden kann. Aus diesem Grund kann
tigt. Auf den im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sei- der aus einem Verfügungsverbot Begünstigte oder der Inha-
tens des Bundesrates vorgebrachten Einwand hin, es müsse ber eines beschränkt dinglichen Rechts genauso wie ein Ei-
„ein Tatbestand geschaffen werden, der es rechtfertigt, gentümer durch die freiwillige Weggabe der Sache das Risiko
erhebliche Rechtsverluste zu Lasten des Berechtigten hin- setzen, dass der Rechtsscheinträger einen Anderen (sei es –
zunehmen“ 86, bekräftigte die Bundesregierung nochmals ih- im Falle von §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211
ren Standpunkt, ein solcher Tatbestand sei insbesondere des- Abs. 2 BGB oder des § 936 BGB – den verfügenden Eigen-
halb in dem Regierungsentwurf bereits enthalten, weil „. . . tümer oder Nicht-Eigentümer, oder – in den Fällen, in denen
der wahre Rechtsinhaber . . . drei Jahre Zeit [hat], eine Kor- ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums im Raum steht – den
rektur der . . . Liste zu veranlassen.“ 87 Es dürfte daher ein- verfügenden Nicht-Eigentümer) als Eigentümer ausweist.
deutig sein, dass die in § 16 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 GmbHG Deshalb kann die den Verfügenden als Eigentümer auswei-
manifestierte Wertentscheidung jedenfalls auch 88 darin be- sende Rechtsscheinlage dem Eigentümer (unmittelbare An-
steht, dass der Berechtigte davor geschützt werden soll, sei- wendung des § 935 BGB) genauso wie dem durch eine Ver-
ner Rechte verlustig zu gehen, ohne ausreichend, nämlich fügungsbeschränkung Begünstigten (entsprechende Anwen-
drei Jahre lang, Gelegenheit zu haben, zu ihrem Schutze zu dung des § 935 BGB i. V. mit §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113
intervenieren. 89 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB 92) oder dem Inhaber eines be-
Dieses Schutzes würde der Berechtigte im Falle der „ent- schränkt dinglichen Rechts (entsprechende Anwendung des
sprechenden Anwendung“ des § 16 Abs. 3 GmbHG beraubt, § 935 BGB i. V. m. § 936 BGB 93) zurechenbar sein.
wenn man den gutgläubigen Erwerb nach bedingter Ver- Auf das Analogon des Besitzes im GmbH-Recht, die
fügung mit einer innerhalb der h. L. verbreiteten Auffas- Position als Listengesellschafter, trifft dies nicht zu. Diese
sung 90 schon dann zulassen würde, wenn zwischen Erst- ist als zu dem durch sie publizierten Recht (der Mitglied-
und Zweitverfügung drei Jahre vergangen sind. Denn wäh- schaft in der GmbH) gleichsam akzessorische Position aus-
rend dieser drei Jahre hätte der aus der Erstverfügung Be- gestaltet, indem sie ausweislich des § 40 GmbHG stets und
günstigte (anders als der Erwerber des Vollrechts) keine nur den wahren Gesellschafter auszuweisen bestimmt ist.
Möglichkeit, seine Eintragung als Gesellschafter durchzuset- Anders als der Besitz kann sie daher vom Nicht-Rechtsinha-
zen. 91 Eine solche Erleichterung des gutgläubigen Erwerbs ber nur „erworben“ und vom Rechtsinhaber nur „verloren“
gegenüber dem gutgläubigen Erwerb des Vollrechts vom werden, wenn dem Notar oder dem Geschäftsführer ein
Nichtberechtigten wäre, wie gesagt, von der den §§ 135 Fehler bei der Führung der Liste unterläuft. Auf den Eintritt
Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 BGB zu Grunde oder Nicht-Eintritt solcher Umstände hat der Nicht-Gesell-
liegenden Ratio nicht mehr gedeckt. schafter naturgemäß keine Möglichkeit, durch eine „Ver-
anlassung“, Verletzung einer Obliegenheit, Übernahme eines
5. Kein Wertungswiderspruch zu §§ 932 ff. BGB Risikos 94 oder in sonstiger Weise einzuwirken; anders als der
besitzende Nicht-Eigentümer einer beweglichen Sache kann
Es erscheint allerdings auf den ersten Blick überraschend, er also weder die das Eigentum indizierende Position in
dass das, was im Mobiliarsachenrecht so unproblematisch zurechenbarer Weise aufgeben noch kann er es in zurechen-
möglich ist, im Regelungsbereich des § 16 Abs. 3 GmbHG barer Weise unterlassen, die Position als Listengesellschafter
von vornherein zum Scheitern verurteilt sein soll. Dieser zu erwerben. Aus diesem Grund kann es ihm, anders als dem
Unterschied lässt sich jedoch leicht aus der unterschiedlichen Nicht-Eigentümer einer beweglichen Sache, niemals zuge-
rechtlichen Qualität der jeweils verwendeten Rechtsschein- rechnet werden, dass in einem der von §§ 135 Abs. 1, 136,
träger und, daraus folgend, dem unterschiedlichen Anknüp- 161 Abs. 1, 2, 2113 Abs. 2, 2211 Abs. 1 BGB erfassten Fälle
fungspunkt der „Zurechenbarkeit“ heraus erklären. der Rechtsscheinträger (nach wie vor) den tatsächlichen In-
Im Falle des Fahrnisrechts handelt es sich bei dem maß- haber des Rechts als solchen ausweist.
geblichen Rechtsscheinträger in Gestalt des Besitzes um eine
eigenständige, von dem durch ihn indizierten Recht, dem 6. Kein Wertungswiderspruch zur Rechtslage nach
Eigentum, abstrakte Rechtsposition, die unabhängig vom Bedingungseintritt

85 ebd. Für die „entsprechende Anwendung“ der Vorschriften über


86 Stellungnahme des Bundesrats vom 6. 7. 2007, BR-Drs. 354/07, abge- den Erwerb vom Nichtberechtigten auf § 16 Abs. 3 GmbHG
druckt in Goette (Fn. 83), S. 239. wird von der h. L. das Argument ins Feld geführt, es sei
87 Gegenäußerung der Bundesregierung, Anlage 3 zur BT-Drs. 16/6140,
wertungswidersprüchlich, wenn nur das durch die unbeding-
abgedruckt in Goette (Fn. 83), S. 240.
88 Angesichts dieser recht eindeutigen Erläuterungen des Gesetzgebers te Verfügung erworbene Vollrecht, nicht aber das aus der
dürfte die These Oppermanns (ZIP 2009, 651, 653), hinter § 16 Abs. 3 Satz 2 bedingten Verfügung entstehende („schwächere“) Anwart-
Alt. 1 GmbHG stehe die Wertentscheidung des Gesetzgebers, dass von dem schaftsrecht des Erst-Erwerbers dem Risiko des gutgläubi-
Listengesellschafter gutgläubig erworben werden kann, wenn drei Jahre
gen Erwerbs eines Dritten ausgesetzt wäre, bzw. aus Sicht
keine Verfügung über den Anteil stattgefunden hat, wohingegen die Zure-
chenbarkeit für diese Alternative des § 16 Abs. 3 Satz 2 GmbH keine Rolle des Zweiterwerbers formuliert, der Schutz des Erwerbers
spiele, nicht zu halten sein. Zutreffend dagegen Maier-Reimer (Fn. 11), vom bedingt Berechtigten geringer sei als desjenigen, der
S. 489, 494, wonach der Rechtsschein dem Berechtigten nach Ablauf von
drei Jahren „abstrakt zuzurechnen“ ist.
89 So auch Oppermann (ZIP 2009, 651, 653, Fn. 12), freilich ohne den 92 Zur entsprechenden Anwendung des § 935 BGB in den Fällen der
Widerspruch zwischen diesem zutreffenden Befund und seiner oben §§ 135, 136, 161, 2113 und 2211 BGB vgl. oben Fn. 72.
(Fn. 88) beschriebenen These aufzuklären. 93 Zur entsprechenden Anwendung des § 935 BGB im Rahmen des § 936
90 Vgl. insbesondere Oppermann ZIP 2009, 651, 653 und DB 2009, 2306, BGB, falls die Sache dem Inhaber des beschränkt dinglichen Rechts abhan-
2307; sowie Begemann/Galla GmbHR 2009, 1065, 1068; Begemann/Gru- den gekommen ist vgl. nur Oechsler, in: MünchKommBGB (Fn. 23), § 936
now DNotZ 2011, 403, 412; Heidinger, in: MünchKommGmbHG (Fn. 11), Rn. 13 m. w. N.
§ 16 Rn. 286; i. E. auch Maier-Reimer (Fn. 11), S. 489, 498. 94 Zu der (hier abgelehnten) These von Schreinert/Berresheim (DStR
91 Weigl MittBayNotZ 2009, 116, 117. 2009, 1265, 1268) vgl. oben in Fn. 83.
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618 Titus Walek Kein gutgläubiger Erwerb gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG bei bedingten Verfügungen etc. JZ 12/2012
Besprechungsaufsatz
vom (sogar) Nichtberechtigten erwerbe. 95 Dieses Argument Verfügung Beschränkten an Hand desselben normativen
überzeugt nicht. Maßes entschieden werden und daher der Rechtsverlust in
Richtig ist nur, dass die Ablehnung der h. L. zu unter- beiden Fällen von identischen Voraussetzungen abhängen
schiedlichen Ergebnissen führt, je nachdem ob der Erwerb soll, diese normativen Vorgaben aber auf Grund der beson-
vom Nichtberechtigten oder der vom in der Verfügungs- deren Struktur des in § 16 Abs. 3 GmbHG verankerten Gut-
macht Beschränkten in Frage steht: In einem Fall ist der glaubensregimes nur im Falle der Verfügung durch den
Rechtsverlust durch gutgläubigen Erwerb möglich, im ande- Nicht-Berechtigten, nicht aber im Falle von Verfügungen
ren nicht. Diese Diskrepanz ist aber entgegen der Befürch- des in der Verfügungsmacht Beschränkten erfüllt werden
tung der h. L. nicht Ausdruck einer widersprüchlichen Wer- können.
tung, etwa in dem Sinne, dass der Inhaber des Vollrechts als Anders gewendet: Unter den Voraussetzungen, unter de-
weniger schutzwürdig angesehen wird als der aus §§ 135 nen nach der h. L. der Erst-Erwerber im Falle einer beding-
Abs. 1, 136, 161 Abs. 1, 2, 2113 Abs. 2, 2211 Abs. 1 BGB ten Verfügung über einen Geschäftsanteil seiner Position ver-
Begünstigte. Im Gegenteil: Wie oben 96 gezeigt wurde, rührt lustig gehen würde, käme der Verlust des Vollrechts aner-
der Unterschied in den Ergebnissen gerade daher, dass nach kanntermaßen nicht Betracht. Wenn man nun entgegen der
dem den §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3, 2113 Abs. 3, 2211 Abs. 2 h. L. diese Voraussetzungen auch im Falle der bedingten Ver-
BGB zu Grunde liegenden Konzept über den Rechtsverlust fügung nicht für einen Rechtsverlust ausreichen ließe, worin
des wahren Berechtigten im Falle von Verfügungen des soll dann die wertungswidersprüchliche Schlechterstellung
Nichtberechtigten wie im Falle von Verfügungen des in der des Vollrechtsinhabers bestehen? Seine Position hätte unter
diesen Voraussetzungen ja auch nicht verloren gehen können
95 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff (Fn. 11), § 16 Rn. 63; ders. GmbHR – von einer Benachteiligung des Vollrechtsinhabers kann da-
2011, 1254, 1257 f.; Seibt, in: Scholz (Fn. 11), § 16 Rn. 79; Verse, in: Henss- her in Wahrheit keine Rede sein.
ler/Strohn (Fn. 11), § 16 Rn. 64; Maier-Reimer (Fn. 11), S. 489, 497; Wicke
DStR 2011, 2356, 2358.
96 Unter Ziffer IV.3.
Umschau

Tagungsbericht
Professor Dr. Ute Gerhard (Frankfurt a. M.) erinnerte in
Family Law in Early Women’s Rights ihrem Eröffnungsvortrag an die grundlegenden Frauen-
rechtserklärungen von Olympe de Gouges (Frankreich,
Debates 1791), Mary Wollstonecraft (England, 1792), Elizabeth Cady
Internationale Tagung vom 30. 9. bis 1. 10. 2011 an der Leibniz Stanton (USA, 1848) und Louise Otto (Deutschland, 1849).
Universität Hannover Belegten diese die Universalität frauenrechtlichen Denkens,
so zeige die Analyse der sich anschließenden frauenrechts-
Mit den zwischen 1830 und 1914 im internationalen Rahmen politischen Publikationen, dass zahlreiche Debatten und
geführten Frauenrechtsdebatten, ihrem Einfluss auf die Ent- Konfrontationslinien über Ländergrenzen hinweg verlaufen
wicklung des familienrechtlichen Denkens und mit ihrer Be- seien. Mit Blick auf das Familienrecht sei festzustellen, dass es
deutung für eine kritische Analyse des Rechts befasste sich in allen betrachteten Ländern Rollenzuweisungen zu Lasten
die Tagung „Family Law in Early Women’s Rights Debates“ der Frauen transportiert habe. Daher sei eine interdisziplinäre
im Leibnizhaus in Hannover. Sie war im Rahmen des DFG- Analyse von Gesetzgebungsentscheidungen erforderlich,
Forschungsprojekts „Internationale Reformforderungen zum welche die einwirkenden Interessen und die tatsächlich aus-
Familienrecht und Rechtskämpfe des Frauenweltbundes gelösten Effekte freilege. Die Geschichtsschreibung des Fa-
1830 – 1914“ von Professor Dr. Stephan Meder (Projektleiter) milienrechts beziehe aus der Berücksichtigung sozialwissen-
und von Dr. Christoph-Eric Mecke (Projekt-Geschäftsführer) schaftlicher Fragestellungen ihr kritisches Potential und kön-
organisiert worden. ne zeigen, welche Ziele bei der Verwirklichung der als Men-
Wie Stephan Meder in seinen Begrüßungsworten hervor- schenrechte zu begründenden Frauenrechte bereits erreicht
hob, stehen mit den zwischen 1830 und 1914 ausgetragenen worden seien, und welche Hindernisse noch bestünden.
Frauenrechtsdebatten eminent wichtige Quellen der Rechts- Professor Dr. Bonnie S. Anderson (New York, USA) be-
entwicklung zur Verfügung. Obwohl die beteiligten Frauen richtete von ihren Forschungen über die Frauenrechtlerin
zu ihrer Zeit vom Universitätsstudium ausgeschlossen gewe- Ernestine Rose (1810 – 92), die bereits durch ihren Lebensweg
sen seien, hätten sie maßgebliche Beiträge zur Rechtswissen- die Internationalität der Frauenrechtsbewegung veranschau-
schaft geleistet. Dieser bemerkenswerte Befund habe sich be- licht. Geboren im preußisch verwalteten Teil von Polen als
reits bei der Erschließung und Bewertung des deutschen Ernestine Louise Polowsky konnte sie sich einer zwangswei-
Quellenbestandes gezeigt. In der jetzigen Arbeitsphase neh- sen Verheiratung letztlich erst durch einen Zivilprozess ent-
me das Projekt die internationalen Frauenrechtsdiskussionen ziehen. Rechtlich und ökonomisch eigenständig lebte sie in
als Motor familienrechtlicher Entwicklungen in den Blick. verschiedenen europäischen Staaten, bevor sie sich mit ihrem
Ziel der Tagung sei es, die im internationalen Kontext geführ- Mann in den USA ansiedelte. Dort engagierte sie sich in
ten Debatten mit Fragestellungen sowohl der historischen vielfältiger Weise gegen Sklaverei, religiöse Zwänge und ge-
Rechtswissenschaft als auch der internationalen und verglei- gen die rechtliche Benachteiligung der Frau. Ihre Forderung
chenden Frauenrechts- und Genderforschung zu konfrontie- nach einer Verbesserung der vermögensrechtlichen Stellung
ren und insoweit einen interdisziplinären Austausch zu er- der Ehefrau wurde im Staat New York bereits im Jahr 1848
möglichen. aufgegriffen, ihr Ruf nach einem schuldunabhängigen Ehe-
scheidungsrecht dagegen erst im Jahr 2010.
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