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156 Beiträge Recht im Amt 4 I 2019

Die Gewichtung von Einzelmerkmalen im Beurteilungs-


wesen: Die Entwicklung der verwaltungsgerichtlichen
Rechtsprechung im Land Nordrhein Westfalen nach
dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (2. Senat)
vom 01 .03 .2018 Az.:2 A 10.17 -
von Dr.Tilllmmich und Rolf Köhlerl

l. Einleitung ll. Der Kontext der Entscheidung

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. Das BVerwG entscheidet nach $ 50 Abs. 1 Nr.4 VwGO
v.01.03.2018 -2 A10.11)'? kann zu Recht als >Fundgrube im ersten und letzten Rechtszug über Klagen, denen Vor-
für Fragen aus dem Recht der dienstlichen Beurteilung< be- gänge im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes
zeichnet werden, da sich das Gericht in seiner Entscheidung (BND) zugrunde liegen. Die Zuständigkeit dient vor allem
mit einer Vielzahl von Rechtsfragen vertieft auseinander- der besseren Geheimhaltung der Vorgänge im Bereich des
gesetzt hat.3 Dem Urteil dürfte damit eine hohe Relevanz BND und umfasst folgerichtig nicht nur die dienstrecht-
für die rechtmäßige Ausrichtung des Beurteilungswesens in lichen, sondern vielmehr sämtliche den BND betreffenden
den Behörden zukommen. Vorgänge.5 Entsprechend hatte das BVerwG im Kontext der
Entscheidung über eine angegriffene dienstliche Beurtei-
Dieser Beitrag soll sich mit der Rechtsfrage ausei- lung eines technischen Regierungsdirektors (Besoldungs-
nandersetzen, ob und unter welchen Umständen eine gruppe A 15) zu entscheiden, der beim BND als Sachge-
gleiche Gewichtung von Einzelmerkmalen im Beurtei- bietsleiter tätig ist.6
lungswesen möglich ist oder ob es rechtlich geboten
ist, unterschiedliche Einzelmerkmale mit einer grund- Zum besseren Verständnis solcher gerichtlicher Entschei-
sätzlich unterschiedlichen Gewichtung zu belegen. Im dungen ist es hilfreich, wenn nicht mitunter sogar notwen-
Urteil des BVerwG heißt es dazu: tDer dem Dienst- dig, die einschlägige Beurteilungsrichtlinie beim Studium
herrn eröffiete Wertungsspielraum bei der Gewichtung der Rechtsprechung parallel lesen zu kömen, um den vol-
der Einzelmerkmale einer dienstlichen Beurteilung len Kontext der Entscheidung erfassen zu können. Nur so
.findet allerdings dort eine Grenze, u,o eine von ihm können die oftmals abstrakten Erwägungen eines Gerichts
abstrakt vorgegebene Geu,ichtung dent Bedeutungs- im Zweifelsfall anhand der Beurteilungsrichtlinie vollum-
gehalt der Begrffi von >Eignung, Befiihigung und fünglich nachvollzogen werden. Gerade dies ist in Bezug
fachliche Leistung< i.S.v. Art. 33 Abs. 2 GG - offen- auf die Beurteilungsrichtlinie des BND und der Recht-
sichtlich - nicht mehr gerecht wird. Dies könnte etwa sprechung des BVerwG nicht ohne weiteres möglich. Die
dann der Fall sein, wenn der Dienstherr vorgeibe, dass >Beurteilungsbestimmungen<7 des BND sind für die Allge-
bei einer Vielzahl von zu bewertenden Einzelmerknta- meinheit nicht zugänglich. Dies fi.ihr-t bei der vorliegenden
len diesen seinttlich das gleiche Gev,icht zulcommen Rechtsprechung des BVerwG dazu, dass die Ausführungen
soll mit der Folge, dass selbst solche Einzelmerkmale, des Gerichts an entscheidender Stelle unbestimmt bleiben
die für eine Bewertung von >Eignung< und lfuchliche und so weitere praxisrelevante Rechtsfragen aufwerfen, die
Leistung< eines Beamten regelntci/|ig im Vorder"grund
stehen (weil sie den Kern dieser Begrrffe ausmachen)
Die Verfasser sird im Ministeilum des Innem NRW (Referat 24) tätig und dort u.a. für das
u,ie z.B. >Arbeitsgüte< und lArbeitsmenge< (Qualitrit Laufbahnrecht und Beurteilungswesen zuständig. Der Beitrag gibt die persönliche Aufiässung

und Quantitcit der Arbeitsergebnisse) - lediglich - mit der Autoren rvieder. Besonderer Dank gilt Hern MR Peter Münch füt seine konstruktive
Unterstübung. Der Aufsatz berücksichtigt die Rechlsprechung, die bis zum 26.04.2019 veF
dem gleichen Gewicht in das Gesamturteil einflie/3en öffentlicht wude.
Siehe dzu auch ZBR 20 I 8, 25 I 256 (Leitsatz und Gründe).
sollen wie andere, zwar ebenfalls bedeutsarne, aber int Von der Weiden, jurisPR-BVervG I l/201 8 Anm. 6.
Vergleich dazu doch nachrangige Einzelnterkntale wie BVerwG, Un. v 01.03.2018-2A 10.17, jüris Rn.46.
Schenke, in: Kopp/Schenke, VWCO. $ 50, Rn. 8, 24. Aufl. 2018.
etwa >Fortbildungsbereitschaft< oder >Offenheit fiir Wegen der rveiteren Einzelheiten sei aufdas Urteil lenviesen.
I nn ova ti o ns p rozes s e <. <a Zum Teminus siehe BV€rwG, Urt. r 01.03.2018 2 A I 0. I 7, juris Rn, I 6.
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- sich anhand der Entscheidung des Gerichts nicht beantwor- che Lei stung als gl eic hran gige Zugangsvoraus setzungen
ten lassen. benannt sind.

Schließlich gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Be-


urteilungsrichtlinien, die alle gemein haben, dass sie den lll. Die mit der Rechtsprechung des BVerwG ein-
laufbahn- und dienstherrnspezifischen Besonderheiten hergehenden Rechtsfragen
Rechnung tragen müssen. Mögen sich in einem zwei-
stufigen Beurteilungssystem die Verfahrensweisen vom
Erst- bis hin zum Endbeurteiler (im Sinne eines Beurtei- 1. Unbestimmter Rechtsbegriff: >Vielzahl<
lungsvorschlags und einer Endbeurteilung) noch annä-
hernd ähneln, so unterschiedlich sind mitunter die He- Wie bereits zuvor unter I. ziüert, ist nach Auffassung des
rangehensweisen zur Bildung eines Gesamtergebnisses. BVerwG die Gewichtung der Merkmale durch den Dienst-
Das Gesamtergebnis wird z.B. aus Leistungs- und Bef,i- herrn nicht mehr mit dem Leistungsprinzip i.S.d. Art. 33
higungsmerkmalen gebildet, ohne dass in der Richtlinie Abs. 2 GG zu vereinbaren, twenn der Dienstherr vorgäbe,
oder den Beurteilungsbögen eine genaue Unterscheidung dass bei einer Vielzahl von zu bewertenden Einzelmerkma-
oder Abgrenzung der Leistungs- und Befühigungsmerk- len diesen sdmtlich das gleiche Gewicht zukammen soll.<
male im Verhältnis zueinander vorgenommen wird. Mit Das BVerwG lässt hierbei im Sinne eines >unbestimmten
anderen Worten werden Leistung und Befühigung ge- Rechtsbegriffs< inhaltlich offen, was mengentechnisch unter
meinsam innerhalb eines Beurteilungsmerkmals bewer- einer >Vielzahl<< zu verstehen ist.13 DerAllgemeinheit ist es
tet.8 Andere Beurteilungssysteme nehmen hier eine klare auch nicht unter Zuhilfenahme der hier maßgeblichen BND-
Unterscheidung vor und grenzen Leistungs- und Befühi- Beurteilungsrichtlinie möglich, durch einfaches Abzählen
gungsmerkmale voneinander ab. Dies wird z.B. anhand der Einzelmerkmale zu ermitteln, ab welcher Obergrenze
der Verwendung von Zahlen zur Bewertung von Leis- an Einzelmerkmalen von einer >Vielzahl<< auszugehen ist.
tungsmerkmalen und von Buchstaben zur Bewertung der Damit wird es auch für etwaige Beurteilungsrichtlinienge-
Bef?ihigungsmerkmale deutlich.e Auch das Zusammen- ber anderer Behörden schwierig, die eigene Beurteilungs-
spiel von Leistungs- und Befähigungsmerkmalen kann richtlinie insoweit einer kritischen Prüfung zu unterziehen.
unterschiedlich sein. Nicht selten folgt das Gesamtergeb- Im Zweifel bleibt es bei einer anwenderbezogenen Interpre-
nis einer dienstlichen Beurteilung dem Ergebnis der Leis- tation des Begrifs >Vielzahl<, mit der keinerlei Rechtsver-
tungsbeurteilung. Die Beftihigungsbewertung hat in sol- bindlichkeit oder Rechtssicherheit einhergehen kann. ra

chen Fällen nur Einfluss auf das Gesamtergebnis, soweit


in besonderen Fällen Beftihigungen der Beamtin oder des
Beamten von den Anforderungen des Arbeitsplatzes deut- 2. lm Vordergrund stehende und nachrangige
lich abweichen und deshalb in der Leistungsbeurteilung Einzelmerkmale
nicht erfasst werden. Cibt die Befähigungsbeurteilung
Anlass dazu, für die Bildung des Gesamturteils über Das BVerwG negiert eine gleiche Gewichtung von Einzel-
die Gesamtnote der Leistungsbeurteilung hinauszuge- merkmalen dahingehend, als dass diese bei einer >rVielzahl<
hen oder hinter ihr zurückzubleiben, ist dies folgerichtig von Einzelmerkmalen nicht mit dem gleichen Gewicht in
eingehend zu begründen.r0 Hinzukommen kann in einer das Gesamturteil einfließen sollen, da es bei der >Bewer-
Beurteilung im Rahmen der >Gesamtbewertung< eine tung( von >Eignung< und >fachlicher Leistung<< hinsicht-
Aussage über den Grad der Zuerkennung einer Beförde-
rungseignungrr oder eine Eignungsaussage in Bezug auf
das angestrebte Amt.r2
8 Sieh€ z.B. Nr. 6 der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Beanrtinnen und Beamten
im Bereich derPolizei (BRL Pol), RdErl. des Ministerims fur Inneres und Kommunales rom
403-26.00.05 (MBl. NRV{
Die vorgenannten Unterschiede im Beurteilungswesen 9
29.02.2016
Siehe z.B.
-
Nr
S. 226).
6 und 7 der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung zurVorbereitung vou
zeigen auf, dass pauschale Richtungsvorgaben, die ftir Personalmaßnahnren, insb. Beltirdcmngsentscheidungen (BRL MIK), RdErl. d. Millisteriums
für Inneres und Komumtes (MIK) - 24 - 1.39.5 I - l/09 - tr 19. t 1.20 10.
alle Beurteilungsrichtlinien gleichermaßen verbindlich l0 Sieh€z.B.Nr8derfuchtlinienfürdiedienstlicheBeurteilungderBeamtinnenundBeamt€n
sein sollen, allein schon aus der Natur der Sache heraus (BRL MSw) im Geschäftsbercich des Ministeriums für Schule ud Weiterbildug, RdErl-
d. Ministeriums 6r Schule und Weit€rbildug. tr 06.10.2013.
kritisch zu hinterfragen sind. Schließlich ist jedes Be- II Siehe BRL MIK Nr 8. I BRL.

urteilungsverfahren danach zu beurteilen, welche spezi- l2 Siehe z.B. ziff v Nr.3, Dienstliche BeurteiluDgen der Richterinnen ud Richter solvie der
Stursanwältinnen und Staatsanwälte AV d. JM vom 02.05.2005 (2000 -Z- 155) - JMBI. NRW.
fischen Vorgaben die Beurteilungsrichtlinie hier trifft und S. l2l -zuleEt geändert durch Av d. JM vom 04.07.2016.
ob diese mit Art. 33 Abs. 2 GG im Sinne des Prinzips der 13 Der Dud€n (- Das Synonymvörterbuch) versteht hierunter u.a. eine >Fülle<, >große [An]
4hl(, rrMasse( od€r >Unmenge(, 7. Aufl.
Bestenauswahl zu vereinbaren sind. Nicht näher einge- 14 MöglichenveisefindensichhieuuAusltiht!ilgenindenUrteilendesBVerrvGv09.05.2019
gangen werden soll an dieser Stelle darauf, dass inArt. 33 - 2 C l.l8 md 2 C 2.18. Diese lagen den Autoren bei Redaktionsschluss noch nicht vot Sie
beabsichtigen, das Urteil ggf. in einer dernächsten Ausgaben dieserZeitschrift als Ergänzung
Abs. 2 GG die Begriffe Eignung, Befühigung und fachli- zu diesern Aufsatz lüt die Leser aufzubereiten.
r
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lich des Leistungsprinzips >imVordergrund< stehende und haltigen Überprüfung im Sinne der >Selbstreflektion<
>nachrangige Einzelmerkmale< gäbe. zu unterziehen.
Wie ist zum Beispiel das Einzelmerkmal der >Sozialen
Exemplarisch benennt das BVerwG dabei als vorren- Kompetenz< einzuordtren? Ist es nun ein im Vorder-
gige, d.h. >im Vordergrund< stehende Einzelmerkmale grund stehendes Einzelmerkmal oder ist es stattdessen
die >Arbeitsgüte< und >Arbeitsrnenge< (Qualität und als nachrangig anzusehen? Steht es im Rahmen der
Quantität der Arbeitsergebnisse). Sie würden den Kern Gewichtung möglicherweise auch zwischen den vom
der Begriffe >Eignung< und >fachliche Leistung< aus- BVerwG exemplarisch benannten vorrangigen und
machen. Zwar ebenfalls bedeutsame, aber im Vergleich nachrangigen Merkmalen? Gibt es hierbei eine Ab-
dazu doch nachrangige Einzelmerkmale seien etwa die stufung der Merkmale untereinander hinsichtlich der
>Fortbildungsbereitschaft( oder die >Offenheit für Inno- Nähe zum Leistungsprinzip? Gibt es einen rechneri-
vationsprozesse<. Das BVerwG benennt hierbei einzelne schen Mindest- oder Maximalabstand zwischen den im
Beispiele, lässt jedoch offen, wie es zu diesen Beispie- Vordergrund stehenden und den nachrangigen F)nzel-
len kommt.
merkmalen, den es zu wahren gilt?
a. Es ist denkbar, dass die Beispiele im konkreten Einzel-
Diese Fragen stellen sich nach dem Urteil des
fall den Beurteilungsbestimmungen des BND entnom- BVerwG insbesondere vor dem Hintergrund, dass
men sind. Dann wäre aber ein Vergleich mit anderen
das Organisationsermessen eines Dienstherrn der
Beurteilungsrichtlinien nur dann möglich, wenn man
gerichtl ichen Überprüfbarkeit auf Errnessensfehler
in einer Gesamtschau die jeweiligen Einzelmerkmale
hin unterliegt. Dabei dürfte nicht auszuschließen
gegenüberstellen würde. Schließlich gibt es Beurtei-
sein, dass die Verwaltungsgerichte dabei unter-
lungsrichtlinien, in denen Einzelmerkmale solitär
schiedliche -strenge oder milde- Prüfungsmaßstäbe
ohne weitere Beschreibung oder Definition nebenein-
anlegen. Daher ist zu befürchten, dass sich innerhalb
ander stehen. Es gibt aber auch solche Richtlinien, in
der Verwaltungsgerichtsbarkeit ein >Wildwuchs< an
denen Einzelmerkmale als Oberbegriffe im Sinne eines
Rechtsprechung ergeben wird. Dass diese Befürch-
>>Sammelbeckens< von Submerkmalen dienen können.
tung nicht unbegründet ist, lässt sich anhand der
Welche Vorgaben in dieser Hinsicht die BND-Beurtei-
Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen (siehe IV)
lungsbestimmungen machen, ist jedoch aufgrund ihrer
gut nachvollziehen.
Nichtverfiigbarkeit nicht nachzuvollziehen.
b. Es ist ebenso denkbar, dass die Beispiele losgelöst vom
d. Die Rechtsprechung des BVerwG lässt offen, wie mit
Beurteilungssystemen umzugehen ist, in denen die Ein-
konkreten Einzelfall und der Beurteilungsrichtlinie
zelmerkmale sowohl die Leistung als auch die Befühi-
des BND zu betrachten sind. Das Gericht könnte die
gung erfassen. Den Ausflihrungen des BVerwG nach
Merkmale ähnlich wie in einem obiter dictum abstrakt
klassifiziert haben, um Vorgaben zur Gewichtung von machen die im Vordergrund stehenden Einzelmerkma-
Einzelmerkrnalen im Sinne des Leistungsprinzips und le den >Kern<r der Begriffe >Eignung< und >fachliche
der richterrechtlichen Rechtsfortbildung aufzustellen. Leistung< aus. Sind daher die Beftihigungsmerkmale
In diesem Fall würde diese Verfaluensweise jedoch als künftig gesondert auszuweisen oder ist es unschädlich,
wenig verallgemeinerungsftihig erscheinen. Etwaige wenn die Einzelmerkmale auch in gleicher Weise dem
Besonderheiten der Behörde, deren Aufgaben und der Begriff der Beftihigung Rechnung tragen?
dort beschäftigten Beamtinnen und Beamten würden
nicht berücksichtigt werden. Wäre es nicht denkbar,
dass in manchen Behörden gerade die >Offenheit für 3. Zwischenergebnis
Innovationsprozesse(( dort im Vordergrund steht, wo
das Kerngeschäft zum Beispiel gerade im Projekt- Das vorgenannte Urteil des BVerwG wirft mehr Folge-
management liegt und der digitale Wandel in den Be- fragen auf, als dass es dem Leser Antworten geben kann.
hörden oder der Gesellschaft vorangetrieben werden Dies ist für den Rechtsanwender verständlicherweise äu-
soll? Bleibt hier überhaupt noch ausreichender Raum ßerst unbefriedigend. Ohnehin dürfte dieser schon genug
für ein Organisationsermessen i.S.d. $ 114 VwGO, das Schwierigkeiten damit haben, die teils sehr diversifizierte
die Besonderheiten der Behörde adäquat berücksichti- Rechtsprechung zum Beurteilungswesen vollumfänglich
gen kann, um im Rahmen einer objektiven Beurteilung und zeitnah so zu erfassen, dass eine rechtssichere Auf-
überhaupt erst einen nachvollziehbaren Leistungsver- bereitung und Beratung der Beurteiler garantiert werden
gleich zu ermöglichen? kann. Das Tagesgeschäft der Personalwirtschaft wird
c. Dem Urteil des BVerwG kann nicht entnommen wer- umso mehr erschwert, als dass in der Beurteilungspraxis
den, wie andere Einzelmerkmale einzuordnen sind. Fragestellungen und Konstellationen antizipiert werden
Auch dies erschwert es, langjährig bestehende und bis- müssen, zu dq es zeitnah keine gerichtlichen Antworten
lang gerichtsfeste Beurteilungsrichtlinien einer nach- geben wird.
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lV. Die Entwicklung der Folgerechtsprechung Einzelmerkmale im Einzelnen erfolgt,fiillt qus Sicht des VG
in NRW Düsseldorf lledoch wieder] in das Organisationsermessen
des Dienstherrn.nre Das VG Düsseldorf greift somit weit in
das Organisationsermessen des Dienstherrn ein, in dem es
Der sechste Senat des OVG NRW hat die Frage der Zulässig- ihm vorgibt, unterschiedlich zu gewichten. Dass es dabei
keit einer gleichen Gewichtung der Einzelmerkmale in einer wie eingangs erwähnt bereits bei sieben Einzelmerkmalen
Entscheidung im Juni des Jahres 2018 zunächst offen gelassen. eine >Vielzahl<< an Merkmalen bejaht ist schwer nach-
Es verwundert daher nicht, dass sich die Rechtsprechung des zuvollziehen. Das VG Düsseldorf hält bislang an seiner
Verwaltungsgerichts Düsseldorf erstinstanzlich zunächst stark Rechtsauffassung fest.2o
am BVerwG orientierl hat. Eine chronologische Betrachtung
der Rechtsprechung zeigtjedoch, dass sich die imAugust 2018 Das VG Münster hat sich in zwei Einzelrichterentscheidun-
präzisierende Rechtsprechmg des OVG Münster und die darin gen im Frühjahr des Jahres 2019 der Rechtsprechung des
ausgeführte Rechtsauffassung erstinstanzlich in NRW bislang BVerwG und der (Auslegung) des VG Düsseldorf inhaltlich
nicht durchgesekt hat und es zu divergierender Rechtsprechung nahezu gleichlautend angeschlossen.2r Das VG Minden hat
gekommen ist. Im Anwendungsbereich von landesweit geltenden die Sichtweise des VG Düsseldorf inhaltlich übernommen.22
Beurteilungsrichtlinien wie z.B. im Polizeibereich ist derAusgang
eines gerichtlichen Verfahrens erstinstanzlich davon abhängig,
welches Gericht öftlich zuständig ist. In solchen Fällen könnte 2. VG Köln
eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht werden.
Daher verwundert es, dass entsprechende Rechtsstreitigkeiten
Das VG Köln fiihrt in seiner Entscheidung vom 28.01.2019
nach $ 6Abs. 1 VwGO dem Einzelrichterübertragenwerden und
ohne Nennung der Rechtsprechung des BVerwG oder des
es zu keiner Rückübertragung auf die Kammer kommt.r5
OVG NRW aus, [dass] >die Kammer von dem Grundsatz
[ausgeht], dass alle Einzelmerkmale der Beurteilung gleich
zu gewichten sind. Dieser Grundsatz liegt nach Aufassung
1. VG Düsseldorf, VG Münster und VG Minden der Kammer der Regelung in Nr 8.1 BRL Pol zugrunde
und entspricht der Herangehensweise sämtlicher Polizei-
In einem im Mai des Jahres 2018 ergangenen Beschluss prdsidien im Zustrindigkeitsbereich der Kammer. [...] Der
ließ das VG Düsseldorf die neue Rechtsprechung des Endbeurteiler musste auch nicht ausdrücklich begründen,
BVerwG außen vor.r6 Das VG führte lediglich aus, dass warum der den Antragsteller mit der Gesamtnote 4 Punkte
es >>allein dem Dienstherrz [obliegt], die für angemessen beurteilt hat. Die Gesamtnote tton 4 Punkten ergibt sich
gehaltene Gewichtung der Einzelfeststellungen vorzu- bei gleicher Gauichtung aller Einzelmerhnale, von der wie
nehnten.<<Gute eineinhalb Monate später änderte das VG dargelegt auszugehen ist, zwangslciufg durch Bildung des
Düsseldorf seine Rechtsprechung und folgte in einem Be- arithmetischen Mittelwertes der Einzelwertungen und An-
schluss dem BVerwG.rT Bereits bei sieben zu beurteilen- wendung der allgemeinen Rundungsreglungen. <i21
den Einzelmerkmalen (Arbeitsorganisation, Arbeitseinsatz,
Arbeitsweise, Leistungsgüte, Leistungsumfang, Verände- Ohne aufdie Entscheidung des VG Köln näher einzugehen
rungskompetenz und soziale Kompetenz) scheint aus Sicht sei angemerkt, dass hier ebenso wie in den Verfahren vor den
des VG Düsseldorf eine Vielzahl an Leistungsmerkmalen Verwaltungsgerichten Düsseldorf und Münster die Beurtei-
vorzuliegen. >Angesichts fdieser] Vielzahl der dadurch ab- lungen anhand der gleichen Beurteilungsrichtlinie (BR Pol)
gebildeten E ignungs-, B eJ?ihi gungs - u nd Leis tungs ges ichts- erstellt worden sind.
punkte ist es ... [aus Sicht des VG] rechtlich geboten, die
Einzelmerkmale mit einer nach ihrer jeweiligen ffinitcit zur l5 Z.B.VGMiinster,EinzelrichterUrt.v22.02.2019-4K6785/l'1,v.19.03.2019-4K6199ll'7
Kriterientrias in Art. 33 Abs. 2 GG dffirenzierenden Ge- wd v 01.04.2019 - 4 K 66821 17.
l6 VG Düsseldorf, B€schl. v.30.05.2018 - 13 L 867/18,juris Rn.40 f. mit Verrveis aufOVG
wichtung in das Gesantturteil einflie/3en zu lassen.( Dies NRW, Beschl. v. 25. I 1.2010 - 6 B 7491 10, tur. 16, juris Rn. 16.
17 VG Düsseldorf, Beschl. v 09.07.2018 -2 L 1058/18,juris Rn.5. In diesem Beschluss über
ergebe sich auch aus der Beurteilungsrichtlinie selbst, einen Altrag auf einst\reilige Anordnung gegen eine Stellenbesetang hatte der Antrag inr
Dwonach die Gesamtnote aus der Bewertung der Leis- Juli des Jahres 2018 i.S.d. $ 123 Abs. I Satz I vwGO kein€n Erfolg. Dzu fehlte es an einem
Anordnugsanspruch. Gleichrvohl hat sich das VG in dem Beschluss in Beag aufdie An-
tungs- und Befrihigungsmerkmqle ,unter Würdigung ihrer forderogen an eine ordlrungsgemäße Aus*ahlentscheidung geäußert.
Gewichtung< und der Gesamtpersönlichkeit der Beamtin l8 VG Düsseldorf, Beschl. v.09.07.2018 2 L 1058/l8,juris Rn. 12.
l9 vC Düsseldod Beschl. v 09.07.2018 - 2 L 1058/l8,juris Rn. 14.
oder des Beamten zu bilden ist. Eine Gewichtung mit der 20 VcDüsseldorf,U(t.!.21.02.2019-2K18541/l7,jtrisRn.26undv.22.02.2019-2K
Ma/|gabe, alle Merkmale gleich zu gewichten, bedeutet eine 18445/l7,jwis Rn. 26 I
2l VGMünst€r,EinzelrichterUrl.!.22.02.2019-4K6785/17S. lludv19.03.2019 4K
dem Leistungsprinzip zuw iderlaufende Negation der unter- 6199/17 S. 13 unterjeF€iliger Bezugrahme aufVG Düsseldorf, Urt. v 12.12.2018 - 2 K
schiedlichen Bedeutung der Einzelleistungen.< Außerdem l7925lt'|.
22 VGMinden,Beschlussvl5.05.20l9 4L75ll9unt€rBeagnahD€aufvcDüss€ldoreUfteil
konterkariere t eine glei chmci/3 i ge Geu, i chtung a I ler M erk- e. 12.12.2018 2 Kl79l l'1.

male das Arithmetisierungsverbot.<t8 vWie die sonach dent 23 VG Köln, Beschl. u 28.01.2019 - I 9 L I 860/1 8, jüris Rn. l7 und I 8. Auf eine Vertietung der
Rechtsftagen hirrsichrlich der >Bildung des arithmetischen Mittelwerts< wird von den Autoren
Grunde nach gebotene differenzierende Gewichtung der v€zicht€t. Das VG Köln dürfte hiezu eine überholte Rechtsansicht vertreten haben.
7
T
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3. VG Gelsenkirchen 4. OVG Münster

Das VG Gelsenkirchen folgt in seiner Rechtsprechung den Der erste Senat ist laut Geschäftsverteilungsplan in Rechts-
noch dazustellenden Aus{ührungen des sechsten Senates sachen grundsätzlich für das Recht der unmittelbaren und
des OVG Münster (siehe unter IV 4.). lDie beschlie/3en- mittelbaren Bundesbeamten der zuständige Spruchkörper.
de Kammer [hält es] zuncichst ftir rechtlich bedenkenfrei, Hingegen ist der sechste Senat zuständig für das Recht der
dass im Rahmen der dienstlichen Beurteilungen scimtliche unmittelbaren und nittelbaren Landesbeamten.2s Ob sich
Leistungs- und Befrihigungsnterkmale gleich gewichtet die Rechtsauffassungen der Senate unterscheiden oder glei-
[werden]. Hierin ist insbesondere kein Versto/3 gegen die chen ist gegenwärtig wohl noch offen.
1...1 Vorgaben des Bundesverv,altungsgerichts zu sehen.
Denn dieses sieht eine Gleichgewichtung scimtlicher Ein-
zelmerkmale nur dann als rechtlichfehlerhaft an, wenn es
a. Rechtsprechung des 1. Senats
In einem Urteil im August des Jahres 2018 äußerte sich der
sich hierbei wn eineVielzahlvon Merkmalen handelt, v,obei
auch nachrungige Einzelnterkmale die gleiche Bedeutung
erste Senat wie folgt: Im Sinne des Leistungspinzips nwg
es sogar geboten sein, solche Einzelmerkntale, diefür die
wie Hauptmerkmale haben. Eine solche Konstellation ist bei
Leistungsbeurteilung int Vordergrund stehen (weil sie den
den Leistungs- ttnd Befthigungsnterkmalen nach der [hier
Kern dieser Begrifib ausmachen), inr Vergleich ru insoweit
einschlägi gen B eurtei lungsrichtliniel ab er nicht gegeben.
wen.iger wichtigen Merkmqlen nüt einem bestimmten höhe-
Denn dort ist lediglich die Bev,erhtng von sieben bzu,. - bei
ren Gewicht auszustqtten. (6
höheren Besoldungsgr"uppen mit Führungsverantwortltng -
acht Merkntalen vorgesehen, die scimtlich relevante Aspekte
Die Ausführungen des ersten Senats hierzu waren im streit-
fär die Beurteilung der Eignung, Leistung und Beftihigung gegenständlichen Zusammenhang jedoch nicht relevant und
des betroffenen Beanüen derstellen, ohne dass.für das er-
wurden deshalb von den Richtern möglicherweise bewusst
kennende Gericht erkennbar wäre, dass einzelne Merkmale
>offen< gehalten.2T
gegenäber anderen mit Blick auf die durch das Bundesver-
u,altungsgericht angesprochenen Kriterien >tEignung< und
Der Passus Dnlag es sogar geboten sein<< ist aus Sicht der
tfuchliche Leistung< heruusgehobenwären. Dies gilt zumal
Autoren so zu verstehen, als dass eine unterschiedliche Ge-
desv,egen, da es sich auch bei den nicht unmittelbar atf die
wichtung nicht per se erforderlich ist. Damit wäre auch eine
Leistung des betrffinen Beamten bezogenen Merkmalen
gleiche Gewichtung nicht kategorisch ausgeschlossen. Ent-
w ie >Verci.n deru ngs kompeten z< und > Sozial e Kont petenz <
scheidend dürfte hierbei sein, dass es keine >Vielzahl< von zu
nicht wie ffinbar in dem Urteil des Bundesverwahungs- bewertenden Einzelmerkmalen gibt. Der erste Senat scheint
gerichls zugrundeliegenden Sachverhalt mit Blick auf die
nachvollziehbar ein besonderes Augenmerk auf die jeweilige
do rt zitierten Merkmale > Fortbi ld ungs bereits cha.fk< o d er
Beurleilungsrichtlinie legen zu wollen. Nur solche >Mtihen<
> Ofe n h ei t frir I nn ov a t i on sp ro z e s s e< d e r Fa I I * u m auf e in e n
können eine gerichtliche Einzelfallgerechtigkeit garantieren.
einzelnen spezifischen Aspekt bezogene Bewertungen, son-
dern Bündelungsmerkmale handelt, die gemd/3 Zifer 6.1
Es verwundert daher auch nicht, dassjuris das vorgenannte
BRL Pol eine Vielzahl verschieclener Subnrcrhnale er"fassen.
Urteil trotz des unbestimmten Wortlauts als >Anschluss< an
Erst recht ist insoweit nicht erkennbar dass eine gleichnrä/3i-
die Rechtsprechung des BVerwG anfiihrt.28
ge Gev,ichtung dieser Merkntale dent Bedeuttutgsgehalt der
Bngrrffn von Eignung, Befthigung und fachlicher Leistung
>ofensichtlich< nicht mehr gerecht wird.<24 b. Rechtsprechung des 6. Senats
Der 6. Senat des OVG NRW hat in seinem Beschluss vom
Da auch die Entscheidung des VG Gelsenkirchen zu einer Be-
02.08.2018 ausgeführt, dass es rechtlich nicht zu beanstanden
urteilung nach Maßgabe der BR Pol erging, obliegt es nun-
sei, wenn der Dienstherr bei der inhaltlichen Ausschöpfung
mehr der örtlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte,
der dienstlichen Beurteilungen alle Leistungsmerkmale gleich
ob Kläger oder Beklagte in NRW obsiegen. Polizeivollzugs- gewichte. Zu gewichten waren dabei im streitgegenständ-
beamtinnen und -beamte haben vor dem VG Münster, dem
lichen Verfahren sieben Leistungsrnerkmale (Arbeitsweise,
VG Düsseldorf und dem VG Minden gute Erfolgsaussichten,
die gleiche Gewichtung erfolgreich zu beklagen. Vor dem VG
24 VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 18.09.2018 | L l169ll8.juris Rn.3l.
Köln und dern VG Gelsenkirchen wil'd dies nicht der Fall sein. 25 Geschäfisverteilungsplan in Rechtsachen des OVC h\RW nebst Archi\', siehe
Die Verwaltungsgerichte Arnsberg und Aachen haben sich http://rvrvrv.ovg.nrs,.de/aufgaben/geschaeftsverteilurg/ovg/index.php, zuletzt besucht am
09.04.2019, l9:25 LJhr.
nach Kemrtnis der Verfasser diesbezüglich noch nicht posi- 26 OVGNR\V,Urt.v 17.08.2018 I A379,i lT,jurisRn. lll.
tioniert. Betroffenen Beamtirrnen und Bearnten, die in ihre 27 OVC NRW, Ud. v 17.08.2018 - l A379/17. juristu. ll5.
28 BeirnAbrufdesBvenvc,Urt.r.0l.03.20l8-2Al0.lT,judsunterderrrausklappbarenBe-
Beurteilung vertrauen, ist die Unterschiedlichkeit der Recht- reich nlit demTitel )Diese Entscheidung $,ird zitiert.(. Dort wird auch die Entscheidung des

sprechur.rg angesichts denkbarer Konkurrentenstreitverfahren VCCottbus(Beschl.vl9.07.20l8 4179ll8,jurisRr.l9)aufgeführt.lml-eitsatzheißtes


unter 2: Es spriclrt einiges dafür, dass eine völlige Gleichgewichtuug aller Befühigungs- und
schwer zu vermitteln. Leistungsmerknrirle unzulässig ist.
Recht im Amt 4 | 2019 Beiträge 161

Arbeitsorganisation, Arbeitseinsatz, Arbeitsgüte, Arbeitser- Letztlich sind Zweckmäßigkeitserwägungen vom Gericht


folg, Soziale Kompetenz, Führungsverhalten). Diese stellen selbst dann hinzunehmen, wenn es der Überzeugung ist,
für das OVG keine >Vielzahk< dar. Es führte dazu aus: >Die dass in der Sache eine andere Lösung zweckmäßiger ge-
vom Antragsteller gerügte Prqxis der Antragsgegnerin, bei wesen wäre.33 Vor diesem Hintergrund überzeugt allein die
der inhaltlichen Auss chöpfung der d ienstlichen B eurteilun- Rechtsprechung des sechsten Senats des OVG NRW.
gen alle Leishtngsmerlcrnale gleich zu gewichten, ist rechtlich
nicht zu beanstanden. Die Entscheidung des Dienstherrn,
welches Gewicht er den einzelnen Gesichtspunkten fir die V. Ein Appell!
Auswahl zwischen nach den Gesamturteilen imWesentlichen
gleich geeigneten Bewerbern beimisst, ist gerichtlich nur ein-
geschninkt überprüJbar.2e [...J Im Übrigen bedeutet das Ver- Beurteilungen sind und bleiben wohl die wesentliche
bot der arithmetischen Ermittlung der Gesamtnote nicht, dass Grundlage von Befürderungsentscheidungen;34 Die öffent-
eine gleiche Gewichtung von Einzelmerkmalen per se unzu- liche Verwaltung muss daher aufgrund ihrer Beurteilungs-
lcissigwrire. [. ..1 Der Wertungsspielraum bei der Gauichtung richtlinien und der Rechtsprechung in der Lage sein -oder
der. Einzelmerkmale findet erst dort eine Grenze, wo diese sich in die Lage versetzen können- Beurteilungen so zu
dem Bedeutungsgehalt der Begrffi ttEignung, Befrihigung erstellen, dass sie gerichtsfest sind.Zurzeit istjedoch frag-
und fachliche Leistung< i.S.d. Art. 33 Abs. 2 GG offensicht- lich, ob eine Verwaltung dies über einen gesamten Beurtei-
lich nicht mehr gerecht wird. Mit einer gleichen Gauichtung lungszeitraum hinweg überhaupt noch leisten kann. Eine
der Einzelmerlvnale bei der inhaltlichen Ausschöpfung der Unsicherheit birgt auch die Rechtsfrage, ob das Beurtei-
dienstlichen Beurteilungen verstöfit [die beurteilende Behör- lungswesen im Sinne derWesentlichkeitstheorie3s vom Ge-
del auch nicht gegen die Vorgaben der limYerfabren zu be- setzgeber zu regeln ist und falls ja, von welchem.36 Müsste
rücksichtigend enl B eurteilungs r ichtlinien.30 < auch hier eine Gewichtung der Einzelmerkmale durch den
Gesetzgeber erfolgen und falls ja, für welche? Werden diese
Die Rechtsprechung des OVG NRW setzt sich bei seiner Ent- Rechtsfragen durch die (Verfassungs-) Gerichte dahinge-
scheidungsfindung inhaltlich mit der im Verfahren maßgeb- hend beantwortet werden, dass ein mündiges Parlament der
lichen Beurteilungsrichtlinie auseinander. Dabei vermeidet Expertise der exekutiven Gewalt willentlich ihr Vertrauen
es gänzlich pauschale Aussagen, die weitere Rechtsfragen aussprechen darfund ihr dazu eine weitgehende inhaltliche
aufwerfen würden. Gleichwohl bieten dieAusführungen des Kompetenz über das Beurteilungswesen zuspricht?
OVG wegen der Begründungstiefe und der exakten Benen-
nung der entscheidenden Regelungsnummern der Beurtei- Dieser Beitrag soll nicht dazu dienen, die Verantwortung
lungsrichtlinie eine gute Orientierung. Insoweit ist die Recht- der Verwaltung für ihre Beamtinnen und Beamten im Sin-
sprechung des OVG NRW für den Rechtsanwenderergiebiger ne des Fürsorgeprinzips und eines funktionierenden, fairen
als die des BVerwG und ermöglicht es, die eigene Beurtei- und rechtmäßigen Beurteilungswesens auf die Gerichte
lungsrichtlinie hinsichtlich der Gewichtung einer kritischen zu verlagern.3T Gesehen werden muss aber, dass bei den
I
Überprüfung zu unterziehen.3
29 OVc NrRW, Beschl. v 02.08.2018 - 6 B 864/18, Rn. 10 C
30 OVG NRW, Beschl. u 02.08.2018 - 6 B 864/18, Rn. 16 f.
3l IndiesemSinnesieheOVGNRWBeschl.v2S.06.20l8-6Bll80/l7,jurisRn. l6,wonach
5. Zwischenergebnis sich bei einer unterschiedlichen Gervichtung eine >höhere Gervichhug des Merkmals Ver-
änderugskompet€nz überdies kaum vertreten li€ße(.
32 Hofünann, B. in: Schüt/Maiwal4 Beamtenrecht- Komm€ntat 13. UPD 2/2019, $92
Es obliegt allein dem Dienstherrn, im Rahmen des ihm zu- Rn. l0l m.vN.
stehenden Organisationserrnessens festzulegen, welches Ge- 33 Schenke/Ruthig, in: Kopp/Schenke, VwCO, $ I 14, Rn. la; Posser/Wolff in: BeckOK VwGO,
$ I l4 Rn. 26 nr.rv.N.,48. Edilion.
wicht er den einzelnen Merkmalen gibt. Die Verwaltungs- 34 Siehe z.B. $ 2 Laufbahnverordnung NRW: Zu Frage nach der Geschlechtergerechtigk€it der
Beurteilung siehe Michaelis, NWVBI 2018, 177 l, Kathke, RiA 2019,86 f.; Eiie dahiF
gerichtsbarkeit kann dieses Ermessen nach Maßgabe des
gehende Evaluation der Beurteilungsrichtlinien in der Landesverwalnng in NRW kam zu
$ 114 VwGO nur darauflrin überprüfen, ob die Grenzen des dem Elgebnis, dass die ut€rsucht€nBeurteilugsrichdinien sh ukturell keine diskiminierende
Wirkungentfalten, MMVIT-1387, S. 22.
Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer
35 BVerfG, Beschl. v 2 1.04.201 5 - 2 BvR 1322/ 12, BYerfGE I 39, I 9 tu. 57.
dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechender Weise 36 Dics müsste womöglich der Bund tegeln uod nicht die Latrd€sgesetzgeber ln NRw lvar
in Bezug anf $ 19 Abs. 6 LBC NRW i.d.F. d€s DienstrechtsmodenlisierugsgeseEes NRW
Gebraucht gemacht worden ist. Der Dienstherr ist weder ver- v 27.06.20I 6 (GVNRW. 20 I 6 S. 3 I 0) zur dort verofr€ten Ftauenldrderung ein Streit entbrannt,

pflichtet, alle Einzelmerkmale gleich, noch einzelne Merkma- welche Gesetzgebungs-/RegelungskompeteDz der Landesgesetzgeber aufgrund der Vorgaben
des $ 9 BeamtStG hat. Das OvG hat diese Fmge otlen gelassen. Siehe atn Verfahrensgang
le besonders zu gewichten.32 die Anmerkung von Trieryeiler/Baumanns, NVwZ2017,807 <814> Die damalige Landes-
regierulg hatte ein Nomrbestätigungsverfahrcn vor dem Verfassungsgerichtshofdes Landes
NRW (Art. ?5 Nr 3 NRWVerl i.Vm. $ 47 Buchst. b) NWVedGHC) angeslrcngt. Aufgrund
Die Regelung des $ 114 VwGO setzt der Verwaltungsge- des Regierungswechsels ist von ded vorhaben jedoch Abstald genommen wotden, bevor es
richtsbarkeit nicht ohne Grund eine Grenze. Es ist fraglich, zu eioer gerichdichen Klärung konrmen konnte. Die Regelung des $ 19 Abs. 6 LBC wurde
durch das Gesetz zur.furderung des LBG NRw und weiterer landesrechtlicher Votschrifter
ob diese Grenze nicht bereits durch die Rechtsprechung vom 19.09.201? (GVNRW. 2017 S. 764) geändert. Die Frage nach der Regelmgskontpetenz
zur Gewichtung der Leistungsmerkmale hier -wie oben be- des LardesgeseEgebeN bleibt damit weiterhin offen, s.a. Kathke.
37 Zum DBlick der Verrvaltung aufdie Verwalhrngsgerichtsbark€it( uud zur >Verlagerung von
reits aufgezeigt- in einigen Fällen überschritten worden ist. Vemntrrcrtung aufdas Gericht( siehe Schmiu, in: DVBI 20 t9, 265-268, <266>.
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gegenwärtigen Entwicklungen im Beurteilungswesen de von Beurteilungsmerkrnalen zu verstehen ist, wr.irde dies


facto zwei Kräfte in Form der exekutiven und judikativen die Verwaltung dauerhaft destabiIisieren. Im schlinrmsten
Gewalt mitwirken. Auf dieses Dsystem( hat bislang auch Fall kärne es dort zu einem nicht allein statusbezogenen
die legislative Gewalt vertraut. Sie hat der Exekutiven be- Stillstand, bei dem keine gerichtsfesten Beförderungsent-
wus st einen wei ten Vertrauensspiel raum eröffnet. Zugl eiclt scheidungen rnehr möglich sind. Nur die übertragung von
hat es aufdie Judikative als korrektiv im Einzelfall gesetzt. Funktionsämtern und Statusärntern kann das Berufsbearn-
tentum als Institution auch in Zukunft dauerhaft sichern
Vielleicht trägt dieser Beitrag ein wenig dazu bei, für und seine Attraktivität bewahren.3e In gerichtlichen Verfah-
gegenseitiges Verständnis zu werben. E,r soll in gleicher ren darf es letztlich ))nur( um eine >sachgerechte Kontrolle
Weise einen Appell an die Exekutive und an die Judikative der Verwaltung, aber [urn] keine ungefragte Fehlersuche<
richten. Der Grundgesetzgeber hat allen drei Gewalten in gehen.ao Vergessen werden darf aber eben so wenig, dass
unserem demokratischen Rechtsstaat mit der Regelung des der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung un-
Art. 33 Abs. 2 GG und dem darin verankerten Leistungs- antastbares Herzstück unserer rechtsstaatlichen Ordnung
prinzip gleichermaßen einen klaren >gemeinsamen< Auf- i.S.d. Art. 20 Abs. 3 CG, Art. 79 Abs. 3 CG ist und ftr die
trag erteilt. Das Leistungsprinzip ist nicht ohne Crund einer öffentliche Verwaltung in einer funktionierenden Demokra-
der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums tie stets >Sextant und Kompass<< sein muss.ar Nur gemein-
i.S.d. Art. 33 Abs. 5 GC: Das dazugehörige >Berufsbeant- sam kann hier der drol.rende Schifibruch des Beamtentums
tentum [istJ eine Institution..., die, gegriindet auf Sach- im Beurteilungswesen verhindert werden.
w i s s en, .fa ch li ch e Le i s tu rtg u nd I oy e I s Pfl ic ht et.fti I lu ng, e i ne

stabile Verwaltung sichern und clarnit einen ausgleichenden


38 BVertG.Bes.hl.v 17.10.1957 I BvL l,'57,jurisRn.3l.
Falctor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politi- 39 Kanlpfun die kliigsten Köple, siehe tmmich/Köhler. RiA 6i20lg.
Zunr sich verschärt'enden
schen K'äften darstellen soll.(A3 Sollte das Beurteilungs- s. 249 ff
40 Schmirz,in:DVBI2019,265 268.<267>nritVenveisaufBVerwG.Urt.v. l?.04.2002 9
wesen von behördlicher Seite aus jedoch nicht mehr rechts- CN l.0l.juris Rr.43.
sicher organisiert und durchgeführt werden können, weil .11 Ilcidegen.in:MaunzDiirig,Grundgeserz-Koilnnentat,Art.79,Rn.l52.l5.l.Werkstandig5.
Erg.Lfg. Novenrber 20 I 8: Jarass, in: Jarass/Pierorh, Crundgeserz-Kontrrentar, Art_ 20, Rn. 4 l.
z.B. unklar ist und unklar bleibt, was Llnter einer Vielzahl 15. Aufl.2018.

Auswirku ngen des GKV-Versicheru ngsentlastu ngsge-


setzes auf Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes
von Horst Marburger, Geislingen

Das Gesetz zur Beitragsentlastung der Versicherter.r in der Zur Vorschrift des $ 8 SGB V sind mehrer.e Entschei-
gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versicherten- dungen des Bundessozialgerichts (BSG) ergangen. Zur
entlastungsgesetz - GKV-VEG) vom 11.12.2018,t das am Klarstellung wird nunmehr in $ 8 Abs. I SGB V vor-
15.12.2018, zum Teil am 01 .01 .2019 in Kraft getreten ist.
-qeschrieben, dass das Recht auf Befreiung nicht vor-
hat zahlreiche Vorschriften des Krankenversicherungs- aussetzt, dass der Antragsteller erstmals versicherungs-
rechts, also des Sozialgesetzbuch-Fünftes Buch (SGB V) pflichtig wircl. Das BSG hatte hier eine andere Auffas-
geändert. Die wesentlichen dieser Anderungen werden sung vertreten.
nachfolgend dargestellt.

2. Ruhen des Leistungsanspruchs


1. Befreiung von der Versicherungspflicht
$ 1 6 SGB V sieht das Ruhen des Anspruchs auf Lei stungen
$ 8 Abs. I
SGB V sieht zahlreiche Tatbestände vor, die die aus der gesetzlichen Krankenversicherung in verschiede-
Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspfl icl-rt auf nen Fällen vor. Eine im GKV-VEG vorgesehene Anderung
Antrag enthalten. Bspw. wird auf Antrag von der Versiche- bezieht sich auf das Ruhen der Leistungen wegen eines
rungspflicht befreit, wer wegen Anderung der Jahresarbeits- Beitragsrückstandes. Betroffbn sind hier insbesondere frei-
entgeltgrenze versicherungspflichtig wird. Versicherungs- willige Mitglieder.
pflicht tritt nänrlich dann ein, wenn durch eine (1ährlich
erfolgende) Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAE-
Grer.rze) der Versicherte mit seinem Entgelt nicht rnehr die I Gcsetz zur Beitagselthstung der Versicherten iD der gesetzlichcn Krankenversrcherung
(GKV-VeNicherteneDdastüngsgesetz - GKV-VEC) vonr I L12.2018 = Bu0desgesetzblrtt
JA E,-Grenze unterschreitet. r. s. 2t37.

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