Sie sind auf Seite 1von 8

1722 ZInsO-Aufsätze ZInsO 36/2013

Erfordernis einer Unternehmensbewertung in der Insolvenz?*


von Rechtsanwalt/Insolvenzverwalter Cornelius Nickert, Offenburg**

I. Einführung II. Grundlegendes Problem – Preis vs. Wert


Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger bestmög- Price is what you pay, value is what you get.5 Wert ist et-
lich zu befriedigen. Als Ziele der Insolvenzrechtsreform was, was ein Dritter einem Vermögensgegenstand beizule-
1994 werden insbesondere genannt: gen pflegt. Der Preis ist das Ergebnis von Verhandlungen.
Der Preis kann von der Verhandlungsmacht einer Partei in
• Stärkung der Gläubigerautonomie erheblichem Maße geprägt sein. Die Verhandlungsmacht
wirkt sich aber auf den Wert eines Vermögensgegenstands
• Erhöhung der Verteilungsgerechtigkeit
grds. nicht aus.
• Rechtzeitige Verfahrenseröffnung
• Erweiterung der Insolvenzgründe Das Insolvenzverfahren ist ein Gesamtvollstreckungsverfah-
ren mit dem Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung.
Die Reform durch das ESUG ermöglicht darüber hinaus die Mit nicht realisierten Werten lassen sich keine Gläubiger-
Einbeziehung der Gesellschafterrechte in den Insolvenz- forderungen befriedigen. Daher müsste die insolvenzrecht-
plan der Gesellschaft, insbesondere den Debt-Equity-Swap, lich gesuchte Größe der jeweilige zu erzielende Preis, aber
§ 225a InsO. nicht ein Wert sein.6 Die InsO stellt in ihren Regelungen
aber auf den Wert ab. So sind die Fortführungs- und Zer-
Im Vorfeld bzw. in der Insolvenz sind Vermögensmassen schlagungswerte in die Verzeichnisse nach §§ 151 ff. InsO
zu bewerten. Die Praxis bewertet im Wesentlichen die aufzunehmen.
körperliche Substanz anhand empirischer Daten und auf
Basis aktueller Marktwerte.1 Dennoch ist man sich in der Für die Gläubiger interessant ist aber alleine der Preis, zu
Bewertungsliteratur2 aber auch in der insolvenzrechtlichen dem ein Vermögensgegenstand veräußert werden kann.7 Die
Literatur3 weitestgehend einig, dass Unternehmen in der Praxis zeigt nämlich, dass gerade bei Insolvenzverfahren er-
Insolvenz anhand des Ertragswertverfahrens oder anhand hebliche Differenzen zwischen Wert und realisiertem Kauf-
des Discounted Cashflow Verfahrens (DCF) zu bewerten preis bestehen können. Nur mit dem Kaufpreis können aber
sind. Allgemein anerkannt ist aber, dass die Feststellung die Forderungen zumindest teilweise befriedigt werden.
des Vermögensstatus unter der Annahme der Unterneh-
mensfortführung erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Die Der Unterschied zwischen Preis und Wert tritt in der Pra-
Bewertung ist nur unter Hilfe betriebswirtschaftlicher Me- xis dann besonders zutage, wenn ein Unternehmen schnell
thoden und Erkenntnisse lösbar, wie der Jubilar zutreffend liquidiert werden muss. In diesem Fall werden regelmäßig
ausgeführt hat.4 Denn unbestritten ist nicht die vorhande- besonders niedrige, unter Wert liegende Preise realisiert,
ne Substanz das wesentliche Element, das den Unterneh- denn die Preisaussichten sinken mit zunehmendem Verwer-
menswert prägt. Vielmehr leitet sich der Unternehmens- tungsdruck. Die InsO sieht aber gerade die unverzügliche
wert aus den voraussichtlichen zukünftigen Erträgen bzw. Verwertung als Regelfall vor, § 159 InsO. Damit ist ein gra-
Einzahlungsüberschüssen ab. Schon Eugen Schmalenbach
hat diesbezüglich festgestellt: „Für das Gewesene gibt der * Ergänzter Beitrag aus der Festschrift für Prof. Dr. Hans Haarmeyer: Hugo
Kaufmann nichts“. Grote/Manfred Obermüller/Gerhard Pape (Hrsg.), Insolvenz und Sanie-
rung – Auf der Dauerbaustelle geht es weiter, Festschrift für Hans Haar-
meyer zum 65. Geburtstag, S. 175 ff.
Die o.a. Ziele, die mit der InsO verfolgt wurden, können
** Cornelius Nickert ist Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt, Steuerberater,
aber zu einem großen Teil nur dann realisiert werden, wenn Fachanwalt für Insolvenz- und Steuerrecht, CVA, Offenburg.
der Gesamtunternehmenswert des betreffenden Unterneh- 1 Soweit vorhanden.
mens ermittelt wurde. Findet sich dieser in den Verzeichnis- 2 Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, 6. Aufl. 2009, S. 385 ff.
sen gem. §§ 151 ff. InsO nicht wieder, haben die Gläubiger 3 Blöse/Wieland-Blöse, Praxisleitfaden Insolvenzreife, S.  129; Hüttemann,
FS Karsten Schmidt, S.  761  f., 770  f.; MünchKomm-InsO/Drukarczyk,
für ihre Entscheidung im Berichtstermin eine fehlerhafte 2.  Aufl. 2007, §  19 Rn.  111; Uhlenbruck, in: K. Schmidt/Uhlenbruck,
Grundlage. Werden die Anteile des Gesamtunternehmens Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 4. Aufl. 2009, Rn. 5.145;
fehlerhaft auf die einzelnen Vermögensgegenstände all- Uhlenbruck, InsO, 13.  Aufl. 2009, §  19 Rn.  68; Spliedt, in: Runkel, An-
walts-Handbuch Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2008, § 1 Rn. 135 ff.; a.A. Münch-
okiert, wird in die Verteilungsgerechtigkeit eingegriffen,
Komm-InsO/Füchsl/Weishäupl, 2. Aufl. 2008, Bd. 2, § 151 Rn. 12.
weil z.B. die Absonderungsberechtigten im Fall der über- 4 Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, 3.  Aufl.
tragenden Sanierung fehlerhaft abgefunden werden. Zum 2001, Kap. 1, Rn. 92.
Schluss ist noch darauf hinzuweisen, dass nach Änderung 5 Warren Buffet.
des Überschuldungsbegriffs nach der InsO der Gesamt- 6 So auch Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 64 Rn. 58
speziell für das Umlaufvermögen; MünchKomm-GmbHG/H.F. Müller,
unternehmenswert für die Ermittlung des Insolvenzgrunds Bd. 3, § 64 Rn. 28 (Einzelveräußerungswert).
der Überschuldung nur noch im Zerschlagungsfall wieder 7 Frieß, DStR 2004, 654, 656: „am Markt erzielbarer Veräußerungspreis“
relevant ist. (für den Liquidationswert).
ZInsO 36/2013 ZInsO-Aufsätze 1723

vierender Unterschied zwischen Wert und realisierbarem 2. Angabe von Liquidations- und Fortführungs-
Preis als gesetzlich typisierter Regelfall kodifiziert. einzelwert, § 151 InsO
Der Insolvenzverwalter hat ein Verzeichnis aller Vermö-
Daher müsste eigentlich der vermutlich zu erzielende Preis
gensgegenstände aufzustellen. Im Verzeichnis sind die
Eingang in die Verzeichnisse finden, sollen diese doch Ent-
Gegenstände einzeln aufzunehmen (Mengengerüst) und zu
scheidungsgrundlage für die Gläubiger sein, das Unter-
bewerten (Wertegerüst). Hängt der Wert davon ab, ob das
nehmen fortzuführen oder zu zerschlagen. So formulieren
Unternehmen fortgeführt oder stillgelegt wird, sind beide
Füchsl/Weishäupl8 deutlich, dass der Liquidationswert die
Werte anzugeben, § 151 Abs. 2 InsO. D.h., die InsO verlangt
„mit hinreichender Sicherheit erzielbare Wertuntergrenze“
gerade die Liquidations- und Fortführungseinzelwerte aller
darstellt, mithin der Einzelveräußerungspreis unter der An-
Vermögensgegenstände.
nahme der Zerschlagung.
Auch und gerade wegen der Befriedigung der Absonderungs-
Nur in dem Sonderfall, in dem der Wert bei einer Veräuße-
gläubiger hat das Verzeichnis eine besondere Bedeutung. Es
rung bzw. im Insolvenzplanverfahren nicht realisiert wer-
zeigt zum einen, mit welchem Absonderungserlös der Gläu-
den könnte, bestünde für die Gläubiger die Möglichkeit, das
biger zu rechnen hat und darüber hinaus die voraussichtliche
Unternehmen in Eigenregie fortzuführen.9 Dies setzt aber
Befriedigungsquote der ungesicherten Gläubiger.11
voraus, dass eine solche Fortführung auch tatsächlich mög-
lich ist, was insbesondere bei inhabergeführten klein- und
Die InsO enthält keine Vorschriften, wie die Werte zu er-
mittelständischen Unternehmen (KMU), einem Großteil der
mitteln sind. Insbesondere ist nicht geregelt, ob eine Ein-
Insolvenzverfahren, oft an der Existenz und an der Kom-
zelbewertung stattfindet12 oder ob die Gesamtunterneh-
petenz der zur Verfügung stehenden Fremdgeschäftsfüh-
mung13 bewertet wird, um dann aus dem Gesamtwert die
rer scheitern dürfte. Die Altgesellschafter-Geschäftsführer
Einzelwerte abzuleiten. Generell aber gilt in der InsO, dass
dürften an einer Fortführung des schuldnerischen Unterneh-
die „tatsächlichen Werte“ anzusetzen sind.14 Damit sind zu
mens auf fremde Rechnung aber kein Interesse mehr haben.
erzielende Preise gemeint, denn nur mit erzielten Preisen
lassen sich Gläubigeransprüche befriedigen. Die Verzeich-
Daher müssten die Verzeichnisse nach den §§ 151 ff. InsO nisse werden für die Gläubiger als Entscheidungsgrundla-
drei Spalten haben: ge15 erstellt, z.B. ob ein Betrieb fortgeführt wird, ob und
zu welchen Konditionen der Betrieb im Rahmen der über-
• den Zerschlagungspreis, tragenden Sanierung veräußert wird oder ob er liquidiert
• den Gesamtveräußerungspreis und wird. Sofern von den Preisen deutlich abweichende Werte
erfasst würden, wäre der Funktion als Entscheidungsgrund-
• den Gesamtunternehmenswert. lage nicht genüge getan. Bei der Bewertung gilt daher keine
Wenn die Fortführung des Unternehmens möglich und Bindung an handelsrechtliche oder steuerliche Werte, vor
wahrscheinlich ist und der Gesamt- wie Zerschlagungspreis allem keine Wertobergrenze in Höhe der Anschaffungs-
unter dem Fortführungsunternehmenswert liegt, würde je- oder Herstellungskosten.
der Kaufmann die Fortführung in Eigenregie vorziehen.
3. Entscheidung im Berichtstermin
III. Bewertungsanlässe in der InsO Im Berichtstermin berichtet der Insolvenzverwalter über
Die InsO kennt vielfältige Bewertungsanlässe. Entspre- die Lage des Unternehmens, die Krisenursachen und die
chend dem Grundsatz, dass der Bewertungsanlass das Be- Möglichkeit einer Unternehmensfortführung. Zum Schluss
wertungsverfahren prägt, sollen diese daher kurz skizziert sollen die Befriedigungsaussichten erläutert werden, § 156
werden. Abs.  1 InsO. Eben jene Befriedigungsaussichten ergeben
sich zunächst aus den mutmaßlich erzielbaren Preisen, nicht
aber aus den Werten. Im Berichtstermin wird entschieden,
1. Überschuldungsprüfung ob das schuldnerische Unternehmen fortgeführt oder zer-
Vor Insolvenzantragsstellung muss der Schuldner im Fall
einer haftungsbeschränkten Gesellschaft10 überprüfen, ob 8 MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl (Fn. 3), Bd. 2, § 151 Rn. 9; ebenso
Möhlmann, DStR 2009, 163, 164 f.
Überschuldung eingetreten ist, §  15a InsO. Da die InsO
9 Ggf. unter Nutzung des Debt-Equity-Swaps, § 225a InsO.
grds. zwei Bewertungsmethoden vorschreibt, sind die Werte
10 Oder bei einer Bank im Sinne des KWG, § 46b KWG.
einerseits unter der Annahme der Zerschlagung und ander- 11 MünchKomm-GmbHG/H.F.Müller, Bd. 3, § 64 Rn. 35.
seits unter der Annahme der Fortführung zu ermitteln. Nach 12 So MünchKomm-InsO/Füchsel/Weishäupl (Fn. 3), Bd. 2, § 151 Rn. 12 (die
Insolvenzeröffnung sind beide Werte in die Verzeichnisse zwischen einer vorläufigen und einer endgültigen Bewertung unterschei-
aufzunehmen, §§ 151 – 153 InsO. den).
13 So z.B. IDW RH HFA 1.010, Rn. 37 unter Hinweis auf IDW FaR 1/1996,
Abschn. 4.2.; Blöse/Wieland-Blöse (Fn. 3), S. 129 ff.
Zu der Art und Weise, wie die Fortführungswerte ermittelt 14 Begr. RegE InsO, zit. nach Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze,
werden, enthält weder das Gesetz noch der RegE InsO Aus- 2. Aufl. 1999, S. 395.
führungen. 15 Mithlehner, ZlP 2000, 1825, 1826.
1724 ZInsO-Aufsätze ZInsO 36/2013

schlagen werden soll. Für die „hold or sell“-Entscheidung seitens des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerver-
müssen Annahmen über den zu realisierenden Kaufpreis sammlung unter Wert veräußert, droht ihm die Haftung nach
einerseits und den Fortführungswert anderseits getroffen § 60 InsO.20 Gerade im Fall des Verkaufs des Unternehmens
werden. Liegt der Fortführungsgesamtwert über dem mut- im Ganzen stellt sich die Frage der Kaufpreisbemessung
maßlichen Veräußerungs- oder Zerschlagungspreis,16 wird und der Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf die einzelnen
die Gläubigerversammlung i.d.R. die Fortführung beschlie- Vermögensgegenstände. Der Insolvenzverwalter muss doku-
ßen, im anderen Fall die Zerschlagung. mentieren, dass er das Unternehmen bestmöglich verkauft
hat. Zuletzt dient also eine Unternehmensbewertung der Ent-
haftung des Insolvenzverwalters, weil er mit ihr nachweist,
4. Absonderungsgläubiger dass er das Unternehmen nicht „verschleudert“ hat.
Im Fall der Veräußerung des Unternehmens im Ganzen17
muss aus dem Gesamtveräußerungspreis der auf die ein-
IV. Vorfrage: Was wird bewertet?
zelnen Absonderungsgläubiger entfallende Preisanteil er-
mittelt werden.18 Außerdem muss der Insolvenzverwalter Bevor ein Unternehmen bewertet wird, muss die Frage be-
an die Absonderungsgläubiger Zinsen zahlen, wenn er antwortet werden, was Gegenstand der Bewertung ist und
einen Vermögensgegenstand nicht nach dem Berichtster- welchen Weg die Bewertung einschlagen soll. Da in der In-
min unverzüglich verwertet. Dies gilt nicht, soweit nach solvenz die Gläubigerforderungen bestmöglich befriedigt
dem Wert des Gegenstands nicht mit einer Befriedigung werden sollen, ist die gesuchte Größe das „Schuldende-
des Gläubigers aus dem Verwertungserlös zu rechnen ist, ckungspotenzial“. Regelmäßig werden aus der Insolvenz-
§ 169 InsO. masse nur die Aktiva verkauft und die Passiva verbleiben in
der Masse, sog. übertragende Sanierung oder assets deals.
Daher ist die gesuchte Größe der Wert des Gesamtkapitals,
5. Insolvenzplan – Obstruktionsverbot vergleichbar dem Entity-Ansatz in der Unternehmensbe-
Im Insolvenzplan kann eine abweichende Regelung insbe- wertung. Dieser Wert wird den Verbindlichkeiten, und zwar
sondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen werden. im Range der InsO, gegenübergestellt. Daraus lässt sich
Hierzu müssen nicht alle Gläubiger die Zustimmung ertei- dann die zu prognostizierende Quote nach der insolvenz-
len. Vielmehr können ablehnende Gläubiger unter gewissen rechtlichen Rangfolge ableiten.
Umständen „überstimmt“ werden. Dies gilt wiederum nicht,
wenn die widersprechenden Gläubiger durch den Insolvenz- Soweit in der Literatur21 gelegentlich eine Bewertung nach
plan voraussichtlich schlechtergestellt werden als sie ohne dem Ertragswertverfahren vorgeschlagen wird, muss darauf
einen Plan stünden, § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Dementspre- hingewiesen werden, dass mit diesem Bewertungsverfahren
chend können Wertermittlungen im Insolvenzplanverfahren die dem Unternehmen für die Eigenkapitalgeber entzugs-
erforderlich werden. Diesbezüglich führt der RegE zum fähigen Erträge diskontiert werden. In der Insolvenz aber
ESUG aus: „Werden die am Schuldner beteiligten Personen werden regelmäßig Eigenkapitalgeber mit ihren Stammka-
als eigene Gruppe am Zustandekommen des Insolvenzplans pitalansprüchen nicht mehr bedient. Es geht um das Schul-
beteiligt, so können sie mit Mehrheit entscheiden, ob der dendeckungspotenzial für die Außengläubiger, weshalb
Teil des Unternehmenswerts ausreichend ist, den ihnen der m.E. der Ertragswertansatz für eine insolvenzrechtliche Be-
Insolvenzplan zuweist.“19 wertung ungeeignet ist.22

Soweit in einem Insolvenzplan die Umwandlung von Gläu- Gesucht ist der zu erwartende Veräußerungserlös der Aktiva
bigerforderungen in Eigenkapital vorgesehen wird, muss im Ganzen, der auf die einzelnen Vermögensgegenstände
das Gesamtunternehmen bewertet werden. Zum einen ist anschließend verteilt wird. Praktisch handelt es sich beim
die Bewertung erforderlich, da es sich bei der Umwandlung Mengengerüst um die Bilanzsumme ohne ein eventuelles
um eine Sachkapitalerhöhung i.S.d. §§  55, 56 GmbHG,
§§  182  ff. AktG handelt und damit eine Werthaltigkeits- 16 Bei dieser Rechnung müsste aber auch das in der Fortführung innewohnen-
dokumentation bestehen muss. Anderseits muss beachtet de Risiko abgebildet werden, um zu einem betriebswirtschaftlich zutreffen-
den Entscheidungswert zu gelangen.
werden, dass dem Gläubiger im Insolvenzplan kein höhe-
17 In der Insolvenz praktisch ausnahmslos ein asset deal cash free.
rer Wert zugesprochen wird als ihm zivilrechtlich zusteht, 18 Daher muss entgegen Drukarczk/Schüler, DStR 1999, 646, 648 doch aus
§  245 Abs.  2 Nr.  1 InsO. Entsprechendes gilt beim Debt dem Gesamtwert der Wert der einzelnen Vermögensgegenstände ermittelt
Mezzanine Swap, bei dem Gläubigerforderungen in Mezza- werden.
ninekapital getauscht werden. 19 RegE ESUG, S. 51.
20 OLG Rostock, Urt. v. 8.4.2011, ZInsO 2011, 1511 (n. rkr. Az.: BGH  –
IX ZR 60/11).
6. Haftung Insolvenzverwalter 21 Spliedt (Fn. 3), § 1 Rn. 138 verweist u.a. auf den IDW S 1 der vorzugs-
weise auf das Ertragswertverfahren abstellt; Hüttemann (Fn. 3), S. 761 ff.,
Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines 770 f.; K. Schmidt/Bitter, in: Scholz, GmbHG, vor § 64 Rn. 31, Bewertung
Schuldners bestmöglich zu befriedigen. Dementsprechend der Gegenstände, die einen Beitrag zum Ertrag des Unternehmens leisten;
Wolf/Schlaheck, Überschuldung, S. 38 ff.
ist es die Aufgabe des Insolvenzverwalters, die Insolvenz-
22 So auch Buchta, in: Hölters u.a., Handbuch Unternehmenskauf, 7.  Aufl.
masse bestmöglich zu verwerten. Sofern der Insolvenzver- 2010, Teil XIV, Rn. 89 unter Hinweis auf Bernsau/Höpfner/Rieger/Wahl,
walter ein Unternehmen ohne legitimierenden Beschluss Handbuch der übertragenden Sanierung, 2002, S. 50 f.
ZInsO 36/2013 ZInsO-Aufsätze 1725

Aktivkapital, ggf. vermehrt um nicht aktivierbare Vermö- diese Bewertungsmethode für insolvenzrechtliche Zwecke
gensgegenstände. Hinsichtlich des Wertgerüsts sind die ausscheidet.26
wahren Werte, also die möglichen Veräußerungspreise ge-
sucht. Damit liegt es nahe, den Unternehmenswert anhand
eines DCF-Brutto-Verfahrens zu ermitteln. Dieses ermittelt 2. Substanzwert
aus den gesamten Cashflows, die den Fremd- und Eigen- Der Substanzwert kann unter der Annahme der Unterneh-
kapitalgebern zur Verfügung stehen, den Wert des Gesamt- mensfortführung oder unter der Annahme der Zerschlagung
kapitals (Entity), von dem bei einer „normalen“ Unter- ermittelt werden.
nehmensbewertung die zinstragenden Verbindlichkeiten
abgezogen werden, um damit zum Wert des Eigenkapitals Bei der Substanzbewertung unter der Annahme der Unter-
(Unternehmenswert) zu gelangen. nehmensfortführung spricht man auch vom Reproduktions-
wert. Bei dieser Methode wird fiktiv das zu bewertende
Es werden also nur die Aktiva bewertet. Die Passiva ergeben Unternehmen nachgebaut. Die zum Nachbau aufzuwen-
sich aus der Insolvenztabelle. Sie bedürfen in der Insolvenz denden Kosten sind zugleich der Wertansatz der einzelnen
keiner Bewertung. Insbesondere werden die Passiva nicht Vermögensgegenstände. Es handelt sich also um Wiederbe-
um den Zeitraum abgezinst, welcher erforderlich ist, um die schaffungswerte bzw. Zeitwerte.27 Für den Reproduktions-
Insolvenz abzuschließen. wert spricht in der Tat, dass er das Bewertungsverfahren und
das Bewertungsergebnis objektiviert und von Prognoseun-
Die InsO sieht vor, dass jeder einzelne Vermögensgegen- sicherheiten in einem gewissen Maße befreit.28 Der Repro-
stand einzeln bewertet wird, und zwar mit Zerschlagungs- duktionswert mag für körperliche Gegenstände daher noch
und Fortführungswerten. Die betriebswirtschaftliche Lite- akzeptabel sein.
ratur kennt aber keinen Fortführungseinzelwert. Hier wird
vielmehr das Unternehmen als Ganzes bewertet. Die be- Spätestens bei der Ermittlung des Werts immaterieller Wer-
triebswirtschaftliche Lehre hat aber auch nicht die Sicht der te versagt er.29 Diese immateriellen Werte sind es aber, die
InsO zum Gegenstand. Regelmäßig sucht die betriebswirt- heutzutage den wesentlichen Wert der Gesamtunternehmung
schaftliche Lehre den Wert des Eigenkapitals oder in Sa- ausmachen.30 So lag die Marktkapitalisierung der SAP AG
nierungsfällen den Wert des Gesamtkapitals, um zu ermit- zum 31.3.2012 bei 55,9 Mrd. €, während der Buchwert zum
teln, mit welchem Prozentsatz die Gläubiger noch „im Geld selben Stichtag bei rd. 13,1 Mrd. € lag.31 Deshalb halte ich
sind“. Eine Zuordnung einzelner Vermögensgegenstände, den Reproduktionswert nur in den Fällen für anwendbar, in
u.U. von verschiedenen Gläubigern mit differenzierten Inte- denen von einer Existenz von verwertbaren immateriellen
ressen, ist regelmäßig nicht Gegenstand betriebswirtschaft- Vermögensgegenständen sicher nicht ausgegangen werden
licher Untersuchungen.23 kann. Zum Schluss ist es für den Kaufmann uninteressant,
was der Nachbau seines Unternehmens kosten würde. Ent-
scheidend ist, was er mit seinem Unternehmen an Gewinn
V. Bewertungsmethoden – Einzelbewertungsver- erzielen kann.32
fahren
Bei den Einzelbewertungsverfahren werden die Vermögens- Demgegenüber ist der Zerschlagungswert bzw. Liquida-
gegenstände einzeln ermittelt und aufaddiert, woraus sich tionswert ein Einzelsubstanzwert unter der Annahme der
nach Abzug der Schulden der Gesamtwert des Unterneh- Zerschlagung des Unternehmens. Er wird ermittelt, in-
mens ergibt. dem die Einzelzerschlagungswerte ermittelt und davon die
Schulden und die Liquidationskosten abgezogen werden.
Der wesentliche Kritikpunkt an den Einzelbewertungsver- Insofern ist der Zerschlagungswert auch ein Ertragswert,
fahren ist, dass die unternehmerischen Aktivitäten nicht weil er den Ertrag aus der Liquidation misst.33
berücksichtigt werden.24 D.h. die Substanz wird „wie sie
23 So auch Haas, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2.  Aufl. 2000,
steht und liegt“ bewertet. Ferner wird das Zusammenspiel S. 1807 f.
zwischen den einzelnen Vermögensgegenständen und ins- 24 Schneider/Ernst/Thielen, Unternehmensbewertungen erstellen und verste-
besondere den immateriellen Vermögensgegenständen nicht hen, 4. Aufl. 2010, S. 5.
berücksichtigt. 25 Altmeppen, ZlP 1997, 1173.
26 Haas (Fn. 6), § 64 Rn. 48.
27 Schneider/Ernst/Thielen (Fn. 24), S. 2 f.
1. Handelsrechtliche Buchwerte 28 Sieben/Maltry, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewer-
tung, 5. Aufl. 2012, S. 676 f.
Teilweise wird angenommen, als Abbildung der Fortfüh- 29 Mandl/Rabel, in: Peemöller (Fn. 28), S. 85.
rungseinzelwerte könnten die handelsrechtlichen Buchwer- 30 Ronald J. Baker, measure what matters to customers, S. 5 ff.
te angesetzt werden.25 Die handelsrechtlichen Buchwerte 31 Bei Google betrug das Verhältnis zum selben Stichtag 121,93/46,3 Mrd. €;
sind aber vom kaufmännischen Vorsichtsprinzip geprägt, dabei ist zu berücksichtigen, dass künftig aufgrund des demografischen
Wandels die Bedeutung des Mitarbeiterstamms (assembled workforce) als
was sich z.B. in der Wertobergrenze der Anschaffungs- oder Wertbeitrag erheblich steigen wird und insbesondere in der Insolvenz zah-
Herstellungskosten zeigt. Bspw. bei langjährigem Grund- lungsrelevant werden wird.
besitz zeigen damit die historischen Anschaffungskosten 32 Hüttemann (Fn. 3), S. 761 ff., 772.
gerade nicht die aktuellen tatsächlichen Werte, weshalb 33 Blöse/Wieland-Blöse (Fn. 3), S. 126 „Barwert der erwarteten Nettoerlöse“.
1726 ZInsO-Aufsätze ZInsO 36/2013

Gleichwohl wird die Zeit, die der Insolvenzverwalter be- 3. Steuerlicher Teilwert
nötigt, um die Aktiva zu verwerten und den Erlös an die
Das Steuerrecht definiert in § 6 Abs. 1 Satz 3 den Teilwert
Gläubiger zu verteilen, nicht abgezinst, obwohl es unter
wie folgt: „Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des
betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geboten wäre, den
ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das
Ertrag bzw. die Zahlungsüberschüsse abzuzinsen.34 Die
einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon
Gläubiger verzichten nämlich während der Dauer des
auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt“. Das
Insolvenzverfahrens insoweit auf „Konsum“. Auch wer-
Steuerrecht unterstellt also einen hypothetischen Käufer,
den in der insolvenzrechtlichen Zerschlagungsbewertung
der einen hypothetischen Kaufpreis für ein Unternehmen
steuerliche Folgen aus der Realisierung von stillen Re-
bezahlt und diesen Kaufpreis auf die einzelnen gekauften
serven üblicherweise nicht berücksichtigt,35 während die
Wirtschaftsgüter verteilt. Ganz davon zu schweigen, dass
Steuer in der betriebswirtschaftlichen Bewertungspraxis
diese Fiktion nicht realitätsgerecht ist,46 ist mittlerweile an-
erfasst wird.36
erkannt, dass der steuerliche Teilwertbegriff mangels Prakti-
kabilität gescheitert ist.47 Insbesondere bietet das Steuerrecht
Gelegentlich wird – unter betriebswirtschaftlich zutreffen-
keine Lösungsansätze, wie der hypothetische Kaufpreis des
den Grundsätzen  – darauf hingewiesen, dass der Liquida-
fiktiven Käufers zu ermitteln und dieser auf die einzelnen
tionswert von der Zerschlagungsintensität und der Zerschla-
Wirtschaftsgüter zu verteilen ist. Daher wird der Teilwert
gungsgeschwindigkeit abhängt.37 Dies ist bei der Ermittlung
auch als derjenige Wert bezeichnet, „auf den sich Steuer-
der Insolvenzgründe sicherlich so lange zu berücksichtigen
pflichtiger und Finanzverwaltung einigen“.48
wie die vorhandene bzw. entstehende Liquidität noch aus-
reicht, um das Liquidationskonzept durchzusetzen.38 Bei
der Erstellung der Verzeichnisse darf dies entgegen der VI. Bewertungsmethoden – Gesamtbewertungs-
h.M.39 aber nicht berücksichtigt werden. Die Verzeichnisse verfahren
sind spätestens eine Woche vor dem Berichtstermin beim
Insolvenzgericht niederzulegen, § 154 InsO. Die Entschei- Bei den Gesamtbewertungsverfahren wird nicht die Subs-
dung aber, wie weiter verfahren wird, wird in eben diesem tanz, wie sie steht und liegt, sondern die zukünftige Ertrags-
Berichtstermin, also nach Niederlegung der Verzeichnis- kraft eines Unternehmens bewertet. Das Unternehmen wird
se getroffen. Anderenfalls wären die Verzeichnisse für die also als Einheit bewertet. Von dieser Einheitsbewertung des
Gläubiger keine taugliche Entscheidungsgrundlage. Der
Zerschlagungswert ist m.E. das Worst-Case-Szenario der 34 Frieß, DStR 2004, 654, 656; Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert,
Insolvenzabwicklung, als derjenige Betrag, den die Gläu- 2. Aufl. 2010, S. 223; IDW S 1 Rn. 141.
biger mit hinreichender Sicherheit erwarten dürfen. Dem- 35 Bußhardt, in: Braun, InsO, 5. Aufl. 2012, § 19 Rn. 21 f. m.w.N.; teilweise
wird auch die Berücksichtigung der Steuern gefordert, wenngleich diese
entsprechend ist bei der Erstellung des Verzeichnisses vom
noch nicht zum Stichtag entstanden sind, MünchKomm-InsO/Drukarczyk
kodifizierten Regelfall der unverzüglichen Zerschlagung (Fn. 3), Bd. 1, § 19 Rn. 91, 94; auch werden Sozialplankosten für den Per-
auszugehen.40 Die Ausgestaltung der Verzeichnisse als sonalabbau üblicherweise berücksichtigt, vgl. HK-InsO/Schröder/Schmidt,
Worst-Case-Szenario machen es aber erforderlich, bereits 3. Aufl. 2009, § 19 Rn. 39 m.w.N.; teilweise wird vertreten, dass die üb-
lichen Kosten der Abwicklung zu passivieren seien, HK-InsO/Kirchhof,
aufzuzeigen, inwieweit bei Zerschlagung mit Kosten (Droh- 6. Aufl. 2011, § 19 Rn. 24.
verlustrückstellungen) oder Vermögenszuwächsen zu rech- 36 Wollny (Fn. 34), S. 223; IDW S 1 Rn. 141.
nen ist.41 Daher halte ich es für erforderlich, die entstehen- 37 Frieß, DStR 2004, 654, 656; Helbing, Unternehmensbewertung und Steu-
den Steuern auf die stillen Reserven zu passivieren42 und die ern, 9. Aufl. 1998, S. 218; Steffan, ZInsO 2003, 106, 107.
darüber hinaus bestehenden43 Verlustvorträge als „Tax As- 38 Nickert, in: Nickert/Lamberti, Überschuldungs- und Zahlungsunfähigkeits-
prüfung im Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2011, Rn. 249.
sets“ zu erfassen und ebenfalls zu bewerten. Auch die Dar-
39 MünchKomm-InsO/Drukarczyk (Fn. 3), Bd. 1, § 19 Rn. 91 m.w.N.; HK-
stellung der Verlustvorträge ist sowohl im Mengen- wie im InsO/Kirchhof, 6. Aufl. 2011, § 19 Rn. 15.
Wertgerüst erforderlich, da gerade bei Einzelunternehmen 40 Argumentum ex § 159 InsO: soweit die Beschlüsse der Gläubigerversamm-
oder Personengesellschaften diese von den Kapitalkonten lung nicht entgegenstehen; a.A. Naumann, in: Braun (Fn. 35), § 151 Rn. 6.
erheblich abweichen können und evtl. steuerliche Verlust- 41 Damit einher geht das Problem, dass die statische Bilanz um dynamische
künftige Zeitraumbetrachtungen angereichert wird, vgl. auch Heni, ZInsO
nutzungsbeschränkungen bestehen. Indem diese Verlustvor-
1999, 609, 611; Mithlehner, ZlP 2000, 1825, 1827. Anders lässt sich aber
träge aufgezeigt werden, wird den Gläubigern das Potenzial die Funktion als Entscheidungsgrundlage in den Verzeichnissen nach den
dargestellt, welches grds. realisiert werden könnte. Eine §§ 151 ff. InsO nicht herstellen.
Bewertung dieser Tax Assets erfolgt aber nur insoweit, als 42 MünchKomm-InsO/Drukarczyk (Fn.  3), Bd. 1, §  19 Rn.  91, 94; Haas
mit der Realisierung dieser Vermögensgegenstände im In- (Fn. 6), § 64 Rn. 56.
43 Anderenfalls erfolgt eine Doppelberücksichtigung über das Anheben der
solvenzverfahren gerechnet werden kann.44 Eine Bindung Bewertung der Vermögensgegenstände und die gleichzeitige Aktivierung
an die fünfjährige handelsrechtliche Frist des § 274 Abs. 1 der Verlustvorträge, Nickert (Fn. 38), Rn. 394.
Satz  4 HGB besteht nicht. Die Vorerfassung der Abwick- 44 Was eher selten der Fall sein wird.
lungskosten einschließlich Steuern ist auch systemgerecht, 45 Bußhardt (Fn. 35), § 19 Rn. 21.
denn auf der Aktivseite werden die stillen Reserven eben- 46 Welcher Käufer eines Pkw handelt den Kaufpreis aus und verteilt ihn ge-
danklich auf die Bestandteile des Pkw?
falls gehoben, obgleich diese am Stichtag noch nicht reali-
47 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9.  Aufl. 1993,
siert waren. Sofern man die Passivposten wegen des Stich- S. 175 f.; Hüttemann (Fn. 3), S. 761 ff., 772.
tagsprinzips nicht berücksichtigt,45 müsste dies anderenfalls 48 Maaßen, Der Teilwert im Steuerrecht, S. Vl, zit. nach Hüttemann (Fn. 3),
auf der Aktivseite des Status genau so gehandhabt werden. S. 761, 772.
ZInsO 36/2013 ZInsO-Aufsätze 1727

gesamten Unternehmens können dann Einzelwerte abgelei- zum abschließenden Wert des Gesamtkapitals zu gelan-
tet werden.49 gen. Der Vorteil dieses Verfahrens ist es, dass die steuerli-
chen Vorteile als separate Bestandteile des Unternehmens
Dem Grundsatz der Einzelbewertung in den §§  151, 152 ausgewiesen werden, denn diese unterliegen in der Insol-
InsO steht der Gesamtbewertungsansatz nicht entgegen. venz einer größeren Unsicherheit hinsichtlich deren Rea-
Die Frage, ob zunächst ein Gesamtwert ermittelt wird, der lisierungsmöglichkeit.
anschließend auf die einzelnen Vermögensgegenstände ver-
teilt wird50 oder ob die einzelnen Vermögensgegenstände Das Zukunftserfolgsverfahren spiegelt die Situation der
bewertet werden und durch Aufsummieren zu einem Ge- Gläubiger als Investoren wieder: Sie haben eine Forderung
samtunternehmenswert zusammengestellt werden, ist eine gegen das schuldnerische Unternehmen, welches zum Zeit-
Frage der Technik.51 Entscheidend ist aber alleine, ob der punkt der Insolvenzeröffnung mit der zu erwartenden In-
zutreffende Wert ermittelt wird. solvenzquote unter der Annahme der unverzüglichen Zer-
schlagung zu bewerten ist. Diese Forderungen können die
Schwierig und sehr zeitaufwendig ist allerdings, den so ge- Gläubiger in die Fortführung des Unternehmens „investie-
wonnenen Wert des Gesamtkapitals auf die einzelnen kör- ren“. Eine solche Investition werden die Gläubiger dann tä-
perlichen und nicht-körperlichen Vermögensgegenstände zu tigen, wenn der Barwert der künftigen Zahlungsströme aus
verteilen. der Investition unter Berücksichtigung des dieser Investition
innewohnenden Risikos größer ist, als der Barwert der For-
derung unter der Annahme der Zerschlagung.
1. Zukunftserfolgswert52
Wenn man davon ausgeht, dass die Zerschlagungswerte Die Kritik, die den Zukunftserfolgsverfahren entgegenge-
das Worst-Case-Szenario abbilden, müsste in den Fortfüh- halten wird, vermag hingegen nicht zu überzeugen. Die Kri-
rungswerten als Entscheidungsgrundlage aufgezeigt wer- tiker führen im Wesentlichen aus, das Bewertungsverfahren
den, „was möglich ist“. Als solche Werte werden von der sei durch die hohe Unsicherheit der künftigen Entwicklung
betriebswirtschaftlichen Literatur aber auch von der insol- geprägt und darüber hinaus wäre das Verfahren nicht trans-
venzrechtlichen Literatur53 das Ertragswertverfahren und parent und das Ergebnis darüber hinaus manipulierbar.58
das Discounted Cashflow Verfahren angeboten.54 Dem ist entgegenzuhalten, dass auch dem Zerschlagungs-
wert Prognosen innewohnen wie z.B. die Wert- bzw. Preis-
Beim Ertragswertverfahren werden für die Gesellschafter entwicklung.59 I.Ü. gilt dies auch für die Ermittlung der In-
entnahmefähige Erträge diskontiert. Es bewertet also das solvenzgründe der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit und
Unternehmen aus Sicht der Anteilseigner. Das Verfahren die Fortbestehensprognose, die ebenfalls die Prognose der
passt von seiner Grundausrichtung daher in der Insolvenz künftigen Zahlungsfähigkeit auf Basis des Unternehmens-
nicht auf die Bewertung des Gesamtvermögens55 der Gesell- konzepts darstellt.60 I.Ü. gilt auch hier, dass nur solche
schaft. Wollte man das Verfahren für die Bewertung eines Werte anzusetzen sind, die voraussichtlich realisiert wer-
insolventen Unternehmens verwenden, müsste zuvor die Bi- den können. Werte sind aber nur dann von Belang, wenn
lanzstruktur verändert und die Insolvenzgläubiger mit ihren ein potenzieller Käufer eine zumindest gleichwertige Wert-
Forderungen als Anteilseigner erfasst werden. Aber auch einschätzung trifft bzw. wenn sein subjektiver Wert bzgl.
eine solche Umbuchung würde nicht zur uneingeschränkten des Kaufgegenstands höher als der verlangte Kaufpreis ist.
Anwendung des Ertragswertverfahrens kommen, da in der
49 Umgekehrte purchase price allocation analog IFRS 3; umgekehrt deshalb,
Insolvenz verschiedene Verteilungsreihenfolgen bestehen.
weil sie vom schuldnerischen Unternehmen als fiktivem Verkäufer erstellt
Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die einfachen In- wird; vgl. insoweit auch Blöse/Wieland-Blöse (Fn. 3), S. 130.
solvenzgläubiger grds. Zinsen für die Zeit nach Insolvenz- 50 Wie z.B. bei dem steuerlichen Teilwert gem. § 6 Abs. 1 Satz 3 EStG und der
eröffnung nur nachrangig geltend machen können, §  39 purchase price allocation nach IFRS 3.
Abs. 1 Nr. 1 InsO, während die Absonderungsgläubiger zur 51 A.A. Möhlmann, DStR 1998, 1846, 1847 „schlicht undurchführbar“. Dies
steht aber schon im Widerspruch zu IFRS 3.
Befriedigung der Zinsansprüche auf ihre Absonderungs-
52 Vgl. zur Bewertung insolventer Unternehmen – insbesondere zum techni-
rechte zugreifen können.56 schen Vorgehen Nickert, BewP 2012, 82 ff.
53 Möhlmann, DStR 1998, 1843, 1847; Hüttemann (Fn. 3), S. 761 ff., 770 ff.;
Ich würde daher bei der Ermittlung der Fortführungswer- Förster, ZInsO 1999, 555 und ZInsO 2000, 21 (der Fortführungswert als
te das Discounted Cashflow Verfahren in der Ausprägung Ertragswert sei aber nicht zu kriegen); Zabel, in: Kübler, HRI, § 27 Rn. 60;
BFH v. 31.3.2004, BStBl. II 2005, S. 664.
des Adjusted Present Value Ansatzes (APV) wählen. Bei
54 Zu ergänzen wären noch die Multiplikatorenverfahren und der Realoptions-
diesem Verfahren werden auf Basis der Unternehmens- ansatz. Beide finden bislang in der insolvenzrechtlichen Praxis aber keine
planung Cashflows vor Zins- und Tilgungszahlungen besondere Bedeutung.
ermittelt und mit den Kapitalkosten eines hypothetisch 55 Gesamtkapital = Bilanzsumme abzgl. Aktivkapital.
unverschuldeten Unternehmens zu einem Entitywert57 ab- 56 BGH v. 17.2.2011, NJW-RR 2011, 688.
gezinst. Da die Fremdkapitalzinsen steuerlich abzugsfä- 57 Wert des Gesamtkapitals abzgl. Aktivkapital (= Bilanzsumme abzgl. Aktiv-
kapital).
hig sind, wird der Barwert dieses Vorteils dem Entitywert 58 Müller/Haas, Kölner Schrift Insolvenzordnung, S. 1799 ff., 1807 f.
zugeschlagen. In einer insolvenzspezifischen Anpassung 59 Hüttemann (Fn. 3), S. 761 ff., 774.
des APV Ansatzes wäre dann noch der Barwert eines evtl. 60 Zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit Nickert (Fn. 38), Rn. 162 ff.; zur
bestehenden Verlustvortrags hinzuzurechnen um damit Fortbestehensprognose Rn. 256 ff.
1728 ZInsO-Aufsätze ZInsO 36/2013

Anderenfalls unterbleibt der Kauf. Aber diese Entscheidung kann der Insolvenzverwalter oder ein Sachverständiger auf
ist – unbeschadet eines potenziellen Bewertungsverfahrens Kosten der Masse69 mit der Bewertung beauftragt werden.
ebenfalls eine Prognoseentscheidung, die einer gewissen
Unsicherheit unterliegt. Die geforderte Transparenz lässt
sich dadurch herstellen, dass die die Bewertung tragen- 2. Multiplikatorenverfahren
den Prämissen und Annahmen entsprechend dokumentiert In der insolvenzrechtlichen Literatur70 wird bislang spärlich
werden. Damit schwindet zugleich die Möglichkeit, das mit dem Multiplikatorenverfahren umgegangen. Beim Mul-
Bewertungsergebnis zu manipulieren. Wegen des sowohl tiplikatorenverfahren wird eine Kennzahl, z.B. Umsatz oder
der Fortbestehensprognose und dem Unternehmenswert earnings before interests and taxes (EBIT) mit einem Multi-
innewohnenden Prognoseproblems61 und des damit ein- plikator71 vervielfacht, um damit entweder – je nach Multi-
hergehenden Beurteilungsspielraums62 sei ferner auf die plikator – zum Entity72 – oder Equitywert73 zu gelangen.
Verwendung einer erwartungswertgetreuen Planung63 zu-
lasten eines Modalwerts64 hingewiesen. Anderenfalls wer- Generell wird das Problem bestehen, dass die entsprechen-
den Scheingenauigkeiten über die Zukunft suggeriert, wie den Transaktionen und damit die Multiplikatoren nicht oder
schon Adolf Moxter zutreffend feststellte: „Je weniger befä- nur begrenzt auf insolvente Unternehmen übertragbar sind.
higt ein Unternehmensbewerter ist, umso ausgeprägter wird Soweit aber eine Unternehmensplanungsrechnung für die
sein Ehrgeiz sein, einwertige Ertragsprognosen abzugeben: Zukunft vorliegt, wäre es m.E. zumindest denkbar, die so
Er wird sich nicht damit begnügen, Bandbreiten möglicher gewonnenen Werte als vorläufige Werte in das vorläufige
künftiger Ertragsprognosen zu benennen; er wird vielmehr Verzeichnis aufzunehmen, s.o.
Wissen über die Zukunft fingieren und so, Wahrsagern nicht
unähnlich, zu einwertigen Ertragsprognosen kommen.“65
VII. Fazit
Zu beachten ist auch, dass jeder potenzielle Käufer eines 1. Die Erstellung der Vermögensstati folgt sowohl bei der
insolventen Unternehmens wiederum selbst eine Unter- Annahme von Zerschlagungs- wie Fortführungswerten
nehmensbewertung anstellt. Dabei bewertet der Käufer alle den Grundsätzen einer Unternehmensbewertung.
Erfolgspotenziale des Unternehmens, die körperlichen und
2. Im Hinblick auf die kurzfristige Erstellung der Verzeich-
die unkörperlichen Potenziale. Würde diese Betrachtung
nisse darf in einer ersten Erstellung auf sachgerechte
zulasten einer rein an der physischen Substanz orientierten Schätzungen zurückgegriffen werden, soweit diese als
Bewertung unberücksichtigt bleiben, würde zugleich in die solche gekennzeichnet sind.
Verteilungsgerechtigkeit der InsO eingegriffen. In der Pra-
xis sind nämlich die immateriellen Vermögensgegenstände
regelmäßig frei von Rechten Dritter, während die körperli- 61 Spliedt (Fn. 3), § 1 Rn. 139.
chen Vermögensgegenstände mit Aus- oder Absonderungs- 62 BGH v. 6.6.1994, BGHZ 126, 181 zur Insolvenzreifeprüfung: „gewisser
Beurteilungsspielraum“; BGH v. 21.4.1997, DB 1997, 1068  ff. „ARAG/
rechten belastet sind. Wird der Unternehmenswert aber feh- Garmenbeck“ „weiter Beurteilungsspielraum, der erst dann verletzt ist,
lerhaft ermittelt bzw. der Gesamtwert falsch allokiert, indem wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein ge-
bei der übertragenden Sanierung zu viel Kaufpreis auf die tragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfäl-
tiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmeri-
Absonderungsgüter zugewiesen wird, erhalten die Abson- sches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft,
derungsgläubiger zulasten der Insolvenzgläubiger eine zu unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise über-
hohe Quote und der Insolvenzverwalter schädigt sich selbst spannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen
durch eine zu geringe vergütungsrelevante Teilungsmasse. als pflichtwidrig gelten muss.“
63 Gleißner/Presber, Kredit & Rating Praxis 2010, S. 27 ff., 28 f.; Gleißner,
Zuletzt spricht für die Bewertung nach Zukunftserfolgsver-
Controlling 2008, 81, 82 f.; Ballwieser, BFuP 1981, 97 ff.; Druckarczyk/
fahren auch, dass üblicherweise Beteiligungen mit dem Er- Schüler, Wpg 2003, 56 ff.; Blöse/Wieland-Blöse (Fn. 3), S. 120; zur Soft-
folgswert bewertet werden. Es wäre aber widersprüchlich, wareunterstützung Martin Klein, Ad-In basierte Softwaretools zur stochas-
wenn man bei der Mutter aus Unsicherheit und Komplexität tischen Unternehmensbewertung? http://www.econstor.eu/dspace/bitstre-
am/! 0419/36702/1/631127364.pdf.
das Erfolgsverfahren versagt, in deren Status die Beteiligun-
64 So wohl Groß/Amen, Wpg 2002, 225 ff. und 433 ff.
gen aber nach dem Verfahren bewerten würde. 65 Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, 2.  Aufl.
1983, S. 116.
Zutreffend ist allerdings die Kritik, eine Unternehmensbe- 66 Hüttemann (Fn. 3), S. 761 ff., 774; Spliedt (Fn. 3), § 1 Rn. 137 („Mit dem
wertung wäre kostenintensiv und in der Kürze der gebote- Hinweis auf die Bewertungssicherheit gewinnt die h.M. nur sichere Bewer-
tungsfehler“).
nen Zeit (§ 154 InsO) nicht zu leisten. Dies alleine ist aber
67 MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl (Fn.  3), Bd. 2, vor §§  151  – 155,
keine Rechtfertigung, aufgrund eines fehlerhaft gewählten Rn. 23 ff.; § 151 Rn. 12 f.
Bewertungsverfahrens einen falschen Wert auszuweisen.66 68 Zabel (Fn. 52), § 27 Rn. 62; FK-InsO/Wegener, 6. Aufl. 2010, § 151 Rn. 18.
Diesem Einwand ist mit dem Vorschlag von Füchsl/Weis- 69 § 151 Abs. 2 Satz 3 InsO.
häupl67 zu entgegnen, dass im Verzeichnis bis zum Be- 70 Steffan, ZInsO 2003, 106, 109; zur Sanierungsprüfung haben Gleißner/
richtstermin mit sachgerechten Schätzungen68 (vorläufigen Knecht/Egretzberger/Kamaras, KSl 2010 217, 222 darauf Bezug genom-
men.
Werten) gearbeitet wird. Entscheidet sich die Gläubigerver-
71 Z.B. bei http://www.finance-research.de/multiples/index.php.
sammlung auf Basis dieser als vorläufig gekennzeichneten 72 Wert des Gesamtkapitals = Bilanzsumme abzgl. eines evtl. bestehenden
Werte zugunsten einer Fortführung oder Zerschlagung, ist Aktivkapitals.
dies Ausprägung der Gläubigerautonomie. Anderenfalls 73 Wert des Eigenkapitals.
ZInsO 36/2013 ZInsO-Aufsätze 1729

3. Eine Erstellung einer Bewertung fördert die Gläubiger- kann üblicherweise auf eine Abzinsung der Zahlungs-
autonomie und führt zu mehr Verteilungsgerechtigkeit. ströme verzichtet werden.
4. Die Bewertung erfolgt auf Basis eines an die insolvenz- 5. Das Vermögensverzeichnis zeigt den Gläubigern im
spezifischen Anforderungen angepassten Zukunftser- Zerschlagungswert auf, mit welcher Quote sie rechnen
folgsverfahrens unter der Annahme entweder der Zer- können. Der Fortführungswert zeigt auf, welches Befrie-
schlagung oder der Fortführung. Im Zerschlagungsfall digungspotenzial darüber hinaus besteht.

Anwendbarkeit des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen des Beklagten zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit der
Klage?
von Rechtsanwalt Dr. Michael Pießkalla, LL.M.Eur., München*

Mitunter tritt in der anwaltlichen Praxis die für Klageparteien unerfreuliche Fallkonstellation ein, dass über das Beklag-
tenvermögen nach Einreichung, aber vor Zustellung der Zivilklage das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Der nachfolgende
Beitrag befasst sich mit der Frage, ob dem Kläger in solchen Situationen die Möglichkeit einer Klagerücknahme mit der
Folge der Kostentragungspflicht des beklagten Insolvenzschuldners nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO eröffnet sein sollte.

I. Ausgangsproblem: Keine Unterbrechung nach und Literatur, die Rechtshängigkeit der Klage, d.h. deren
§ 240 ZPO Zustellung an den Beklagten vor Erlass des Eröffnungsbe-
schlusses bzw. des Verfügungsverbots im Eröffnungsverfah-
Gem. § 80 Abs. 1 InsO geht nach Eröffnung des Insolvenz- ren voraus.5 Die Klageeinreichung, d.h. Anhängigkeit des
verfahrens über das Vermögen des Schuldners (§ 27 InsO) Rechtsstreits, genügt nicht: Eine Unterbrechung findet hier
die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein zur In- nicht statt.6 Dieser Umstand wird nicht selten von Gerichten
solvenzmasse gehörendes Vermögen auf den Insolvenzver- und Insolvenzverwaltern übersehen.
walter über. § 240 Satz 1 ZPO regelt für diesen Fall, dass
ein gerichtliches Verfahren unterbrochen wird, wenn der
Ausgang des Prozesses die Masse, d.h. das pfändbare Ver- II. Folge: Unzulässigkeit der Klage
mögen des Schuldners, unmittelbar oder mittelbar betrifft.1 In Anbetracht der fehlenden Einschlägigkeit des § 240 ZPO
Der Verwalter wird Partei kraft Amtes. Die Unterbrechung, muss der Kläger prüfen, wie er auf die Eröffnung des Insol-
die von Gesetzes wegen eintritt und von Amts wegen zu be- venzverfahrens zwischen Anhängigkeit und Rechtshängig-
rücksichtigen ist,2 soll dem Verwalter Zeit zur Prüfung der keit reagiert. Die Aufrechterhaltung seiner Anträge wäre die
klageweise geltend gemachten Forderung gewähren. Sie falsche Entscheidung: Der Beklagte hat mit Eröffnung des In-
dauert an, bis er das Verfahren aufnimmt (§§ 85 ff. InsO), solvenzverfahrens die Prozessführungsbefugnis verloren, sie
der Eröffnungsbeschluss rechtskräftig aufgehoben oder das liegt zwischenzeitlich beim Insolvenzverwalter (§ 80 InsO).
Verfahren beendet wird (Aufhebung oder Einstellung). Die Die daraus folgende Unzulässigkeit der Klage hätte ihre kos-
Unterbrechung tritt auch ein, wenn Eigenverwaltung ange- tenpflichtige Abweisung durch Prozessurteil zur Folge.
ordnet wird (§ 270 ZPO).3
Die einseitige Erledigterklärung durch den Kläger scheidet
Nach § 240 Satz 2 InsO gilt das Gesagte entsprechend, wenn ebenfalls aus. Es fehlt bereits an einem erledigenden Ereig-
und soweit das Gericht im Eröffnungsverfahren einen „star- nis nach Rechtshängigkeit. Darüber hinaus wäre – für die
ken“ vorläufigen Verwalter bestellt und dem Schuldner ein sich anschließende Feststellungsklage – das Pr­oblem feh-
allgemeines Verfügungs- und Verwaltungsverbot auferlegt
(§§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt., 22 Abs. 1 Satz 1 InsO). Maßge-
blich für die Rechtsfolgen ist der Beschlussinhalt. Bei Bestel- * Der Autor ist Partner der Rechtsanwaltskanzlei Bendler Leitgeb Pießkalla,
lung eines „schwachen“ Verwalters gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. München (www.muc-legal.de).
1 Vgl. Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 240 Rn. 8 (m.w.N.).
Alt. InsO oder nur isolierten Verfügungsverboten (§ 22 Abs.
2 Auf die Rechtmäßigkeit des Eröffnungsbeschlusses kommt es nicht an.
2 InsO) kommt es in der Regel zu keiner Unterbrechung. Et-
3 BGH, ZInsO 2007, 100.
was anderes gilt aber dann, wenn die vom Gericht auferlegte 4 Vgl. BGH, ZInsO 2013, 1516.
Verfügungsbefugnis die Aktiv- und Passivprozesse des In- 5 Vgl. MünchKomm-InsO/Schumacher, Vorbem. vor §§  85  – 87 Rn.  42;
solvenzschuldners betrifft und der vorläufige Verwalter er- Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 34. Aufl., § 240 Rn. 3; Zöller (Fn. 1), § 240
mächtigt wird, Aktiv- und Passivprozesse zu führen.4 Rn. 5.
6 Vgl. BGH, ZInsO 2009, 202 (m.w.N.); a.A. OLG Brandenburg, NJW-
RR 1999, 1428  f. Für eine Vorwirkung des §  240 ZPO ab Anhängigkeit
Der in §  240 ZPO verwendete Begriff des „Verfahrens“ K. Schmidt, NJW 1995, 911  ff.; hiergegen OLG München, Beschl. v.
setzt, nach fast einhelliger Meinung in Rechtsprechung 20.7.2007 – 20 W 1976/07.

Das könnte Ihnen auch gefallen