Sie sind auf Seite 1von 88

Der Einkommensbegriff und die Einkommensteuergesetze

Author(s): Georg Schanz


Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 13. Jahrg., H. 1 (1896), pp. 1-87
Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG
Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40904651 .
Accessed: 12/06/2014 18:42

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .
http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp

.
JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of
content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms
of scholarship. For more information about JSTOR, please contact support@jstor.org.

Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to
FinanzArchiv / Public Finance Analysis.

http://www.jstor.org

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
unddieEinkommensteuergesetze.
DerEinkommensbegriff
Von

GeorgSchanz·
I.
Die privatwirtschaftlicheAnalyseund Steuergesetzgebung haben
das Bedürfnis nach einem möglichst scharf umschriebenenEin-
kommensbegriff. Leider bestehthinsichtlichdesselben in der Theorie
keineUebereinstimmung.Vielleichttragendie folgendenErörterungen
dazu bei, einige Seiten zu klären und eine Verständigunganzubahnen.
Wir gehen aus vom Ertrag. Keine Meinungsverschiedenheit
bestehtdarüber,dass es sich bei Ertrag stets um die Rückbeziehung
einer bestimmten Gütermengebezw. ihresWertes auf ihrenUrsprung
handelt, dass er, um mit Neumann zu reden, sozusagen etwas
Hervortretendes, Erzieltes oder zu Erzielendes ist. Die persönliche
Seite wird in den Hintergrundgedrängt, das Objekt, an dem die
persönlicheThätigkeit sich äussert, als Ertragsquelle angesehen,
vielfach diese Thätigkeit selbst wie ein Objekt und selbständige
Ertragsquelle behandelt. Es ist aller Welt geläufig, vom Ertrag
eines Gartens, eines Ackers, eines Hauses, vom Ertrag der Arbeit,
des Kapitals, eines landwirtschaftlichen oder gewerblichenUnter-
nehmens, der schriftstellerischen Thätigkeitzu sprechen. Man hat
hierbei stets die in bestimmterZeit aus der Produktionoder dem
Erwerbe hervorgehendeGütermengebezw. deren Wert im Auge.
Eine Schwierigkeitergibtsich, wenn es sich darum handelt zu
entscheiden,ob auch Nutzungen,geldwerteDienstleistungenDritter,
Berechtigungenund Werterhöhungeneinzurechnensind. Man wird
diese Frage im allgemeinen bejahen müssen*). Es erscheintnicht

*) Selbstverständlich
wird man hierbei Doppelrechnungenvermeiden;
man kann also nichtζ. Β. den GeldwertetwaigerFronarbeitverrechnenund
Finanzarchiv.XIII, Jahrg. x '

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
2 G. Schanz,

unnatürlich,dieNutzwirkungen, diemiteinemObjektverknüpft sind,in


Ansatzzu bringen.Die Nutzwirkung einesHauses istvorhanden, ob
mandas Haus vermietet oderselbstbewohnt.Der ErtrageinerStelle
wird höhergeschätzt,wennmitderselbenfreieWohnungund Be-
dienungverknüpft ist; fürden Ertrageines Herrschaftsgutes ist es
belangreich,in welchemGrade mit demselbenNaturallieferungen,
Weide-und sonstigeBerechtigungen verbunden sind. Wenn man es
nichtbeanstandet, denZins als ErtrageinesKapitals,die Pachtrente
als Ertrageines Grundstücks geltenzu lassen, wirdman sich auch
nichtdaranstossendürfen, wennman anderemiteinemObjektver-
knüpfte Berechtigungen ebensobehandelt.Dass schliesslich auchder
Betrag derWertsteigerungen zuzurechnen ist, wirdwieder nicht ver-
wunderlich erscheinen. Ob es gelingt, einemGewerbeeinenZu-
in
wachsvon Güternim Betragevon 10,000 M. zu erzielenoder den
Wertderin derWirtschaft bereitsvorhandenen Güterum 10,000M.
zu steigern,ergibtfürdie Höhe des ErtragsdiesesGewerbesdas-
selbe Resultat. Nur darüberwird man oftverschiedener Meinung
sein, ob lediglichwirklichrealisierteoder auch bloss geschätzte
Wertsteigerungen undWertminderungen in Ansatzzu bringenseien.
Der Ertragist Roh-(Brutto-)ertrag oderRein-(Netto-)
ertrag, je nachdem derzurErzielungdes Ertragsgemachte Aufwand
unausgeschieden oder ausgeschieden ist. Allein,was zu diesemAuf-
wandvom Standpunkt derEinzelwirtschaft - und nur diesenhaben
-
wirhierimAuge zurechnen undwas demnachals Reinertrag anzu-
sehenist, darübergehensofortwiederdie Anschauungen auseinander.
Die Mehrzahl *) rechnetzu demAufwanddie verwendeten Roh-
undHilfsstofFe,die an FremdegezahltenLöhneundGehälter, die Ver-
sicherungskosten, Reparaturkosten , die Abnützungs- und Wert-
minderungsquoten (Abschreibungen), aber auch die Kapital-,Miet-
und Pachtzinse,die an anderegezahltwerden. Dass der Aufwand
fürGeschäftserweiterung und Meliorationnicht abziehbarist, ver-
stehtsichvon selbst,ebensodass ein grosserausserordentlicher Auf-

dann nochmalsdie damit l·jrgestelltenProdukte. Das einfachsteist in diesem


die Fronarbeitausser Ansatz zu lassen.
Fall, bei den Produktionskosten
') Siehe Ad. Wagner, Grundlegung,1876, S. 93 f., 3. Aufl.,1892,
S. 219, Mangoldt,
S. 400 f.; auch Philippovich, Allg. Volkswirtschaftslehre,
Grundriss,S. 123, Röscher, Grundlagen,§§ 144, 145 stehen,ohne weiterzu
analysieren,doch auf gleichemprinzipiellenBoden, wie es oben im Text an-
gegebenist.
η

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff 3

wand zur Fortführung einesUnternehmens im bisherigenUmfang


verteiltwerdendarf, indemnur Zins und Amortisationsquote in
Abzuggebracht werden.
Anderefassen den Reinertragweiterund lassen die der Ver-
zinsungvon SchuldendienendenBeträge nicht abziehen. Diese
Auffassung wirdnamentlich von Neu mann vertreten1).
Die Anhängerder ersterenAnschauunglassen sich augen-
scheinlichvon einertheoretischen und praktischen Erwägungleiten;
in ersterHinsichtwollen sie erreichen,dass die Summe der ein-
zelnen Reinerträgedas Einkommenbilde2), in zweiterHinsicht
habensie wohldieUebungdes Geschäftsmannes imAuge, der seine
Schuldzinsen abzieht. Alleinin beiderleiHinsichtliegt eine schiefe
Betrachtungsweise vor; die Schuldensindnichtschlechtweg Schulden
derErträge,sondern der die Erträgeempfangenden oder die Erträge
erzielenden
Personen; sollendieReinerträge bei einerPersonzusammen-
gefasst bereitsdas Einkommen bilden, dann bliebenichtsübrig,als
erstsämtlicheSchuldzinsen, also auch die für Schuldenhöchstper-
sönlicherArt,ζ. Β. behufsAusstattung einerTochter,auf die vor-
handenenRoherträgeverhältnismässig zu repartieren, was aber,da
mehrere Roherträge gleichsein, aber sehr verschieden hohe Aufwen-
dungenfürLohn,Abnützung, Rohmaterialen u. s. w. in sichschliessen
können,zu ganz willkürlicher Konstruktion der Reinerträge führen
müsste. Auch würdeniemandverstehen, dass ζ. Β. der Reinertrag
einesHauses, einesAckers, je nach der zufälligenVerschuldung
des Besitzers,verschieden gross sein soll. Der Abzug der Schuld-
zinsenhat nur Sinn, wenn man entwedersie in einer Grosse
von der Gesamtheitder Erträge abziehtund dadurchdas Ein?
kommen erhält, oder wenn man nur jene Schuldzinsen, welche
mit dem Objekt oder Geschäftzusammenhängen, dem Rohertrag
aus letzteremgegenüberstellt und dadurch,dass man sie gleich

*) Neumann, GrundlagenderVolkswirtschaftslehre, 1889,S. 208. Schön-


bergs Handbuch,3. Aufl.,I, S. 169. Auch Mithoff scheintden Reinertrag
so zu fassen(ebenda S. 575, 576).
2) „Betrachtenwir die einem Wirtschaftssubjekte in einembestimmten
Zeitraum zufliessendenund für seine Wirtschaftszwecke verwendbarenRein-
erträgeoderReinertragsanteile als eine Einheit,so habenwir damiteine Güter-
summe gegeben, die wir entwederselbst oder deren Wert wir Einkommen
nennen." Philippovich, S. 219. Aehnlich
Allgem. Volkswirtschaftslehre,
andere Autoren.

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
4 G. Schanz,

den übrigen Kosten behandelt, zum Reingewinn gelangt. Diese


letztereSonderungist möglich; bei gesellschaftlichen
Unternehmungen,
wie Aktiengesellschaften,Genossenschaftenu. s. w. ist sie von
selbst gegeben, eine Vermischungvon Geschäftsschulden und andern
Schulden ist hier ausgeschlossen; sie kann auch bei Einzelunter-
nehmernvorgenommenwerden; ein Fabrikant kann eine Schuld, die
er zur Aussteuerungeiner Tochter aufgenommenhat, auf eigenem
Contoführen. Es wäre nur zu empfehlen,den AusdruckReingewinn
auch bei theoretischenErörterungenin diesem Sinn zu verwerten1)
unddanndemReinertragohneSchuldzinsenabzuggegenüberzustellen 2).
Für den Begriffdes Reinertragsin dieser letzterenUmgrenzung
besteht aber m. E. ein praktisches Bedürfnis. Es gibt- zahllose
Fälle, wo dieser Begriffbedeutsam wird. Wenn jemand ein Haus,
einenAcker, ein Hotel, eine Fabrik kauft,so will er wissen, welchen
Reinertragdas Objekt abgeworfenhat, bezw. abwerfenkann und
zwar ohne Rücksichtauf die Schulden des bisherigenBesitzers; was
dieser von seinemErtrag fürSchuldzinsenhergeben musste, hat für
ihn keine unmittelbareBedeutung; der Reinertrag ohne Rücksicht
auf die Schuldzinsen- eventuell noch nach Abzug eines Postens
für den Arbeitsverdienst des Unternehmers- bildet die Grundlage
der Kapitalisierung, die Basis bei Kauf und Verkauf, eben des-
halb auch in weitgehendemMasse bei Beleihungen, bei Gutsüber-
nahmen u. s. w. Aber auch .im Steuerwesen ist dieser Begriff
belangreich,insoferndie Ertragssteuernin Betracht kommen; zwar
operieren diese vielfach auch mit dem Rohertrag3), überwiegend

*) Wohl weiss ich, dass der Geschäftsmann oft weiter geht und unter
Reingewinnnur das versteht,was nach DeckungseinerHaushaltungskosten und
persönlichen Verbindlichkeiten, ja zuweilenselbst nach Abzug der Zinsenseiner
eigenenKapitalien, als Vermehrung des StammVermögensübrig bleibt, allein
selbstverständlich ist für eine derartigeAuffassungdes Reingewinnesein theo-
retischesBedürfnisnichtgegeben. Dagegen hat es einen gewissenWert, zu
wissen,was demUnternehmer bleibt,nachdemer alle aus dem Geschäftselbst
entsprungenen Verbindlichkeiten gedeckthat.
2) Auch die Steuergesetzerespektieren vielfachdiesenUnterschied, wenn
sie ihn auch nichtkonsequentfesthalten;vgl. Anweisungvom 5. August 1891
zur Ausführung des preuss.Einkommensteuergesetzes Art.19 und Art.24 Ziff.3;
sächs. Einkommensteuergesetz § 21.
8) So iet z. B. in Bayerndie Grundsteuer überwiegendeine Rohertrags-
steuer; sie legt den Körnerertrag zu Grunde und läset
der.Dreifelderwirtschaft
nur fürdie Aussaat einen Abzug machen, rechnetallerdings-auch nichtsfür
4

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Emkommensbegriff
uud die Einkommensteuergesetze. 5

besteht aber doch, da dieser Massstab zu unverhältnismässig wirkt,


die Tendenz,demReinertrag1),eventuelldemReingewinn2),zu folgen,
und zwar so, dass man in beiden Fällen den Arbeitsverdienst bald
einrechnet,bald abziehen lässt.
Während in all diesen Ausdrückendie unmittelbareBeziehung
zu einem Objekt oder einer Unternehmungoder einer bestimmten
Thätigkeit die hervorstechende Seite ist, ändert sich das bei dem
Begriff Einkommen. Hier tritt die Person in ihrer gesamten
wirtschaftlichenEntfaltunguns entgegen. Wir wollenwissen, welche
selbständige wirtschaftlicheKraft eine Person in einer bestimmten
Periode darstellt,wollen wissen, welche Mittel sie in dieser Zeit
zu ihrer Disposition hat, ohne dass sie ihr eigenes Vermögen
verzehrtoder fremdeMittel (Schulden) hinzunimmt.
Ein Begriffnach dieser Richtung ist unbedingt erforderlich.
Wir brauchenihn zur Erkenntnisder socialen Strukturder Gesell-
schaft, um zu sehen, wie die einzelnen Wirtschaftssubjektenach
diesemGesichtspunkte sich abstufen,welchezeitlichenVerschiebungen
in diesenAbstufungensich ergeben, wir brauchen ihn, um die Vor-
gänge in der Güterverteilungrichtig zu würdigen, brauchen ihn
aber auch für eine wichtigeöffentliche Einrichtung,für das Steuer-
wesen, insofern der Gedanke, dass der einzelne nach Massgabe

Strohund Brache; ebenso ist die bayrischeHaussteuereine Flohertragssteuer;


insoweit sie als Miethaussteuereingerichtetist, wird der wirklicheoder ge-
schätzteMietsertragohne Abzüge zur Grundlagegenommen,aber im Steuer-
satz gegenüberder Grundsteuer, welchewenigstensdie Aussaat abrechnenlässt,
etwasmilderbehandelt;ebensoist die bayrischeGewerbesteuer, insoweitäussere
Merkmalein Betrachtkommen,in der HauptsacheRohertragssteuer. Die preus-
siecheHaussteuerwar gleichfallsRohertragssteuer, hatte aber mitRücksichtdar-
auf einen um die Hälfteniedrigeren Steuersatzals die auf Reinertragaufgebaute
Grundsteuer.Die Kapitalrentensteuern sind insofernregelmässigRohertrags-
steuern,als sie nichtsfürRisiko und Verwaltungabziehen lassen.
*) So sind fast sämtlicheGrundsteuernpartielleReinertragssteuern, die
Grundrente, derZinsvomBodenkapital,ist die Grundlage;ebensosehrhäufigdie
Haussteuern, wenigstens annähernd,z. B. in Frankreich, Genfu. s. w.
Oesterreich,
Die preu88ische Gewerbesteuer vom24. Juni1891war ebenfallsReinertragssteuer
^vgl.§ 22 des Gesetzes,Finanzarchiv1891, S. 937); ebenso (unterEinrechnung
des Arbeitsverdienstes) ist es der Fall bei der württembergischen Gewerbesteuer.
2) Dieser Fall ist teilweise gegeben in Bayern bei der Gewerbesteuer,
insoweitbei derBetriebsanlageein Ertragsanschlagerfolgt,bei welchemsämt-
liche Betriebskosten (ausgenommender eigene Arbeitsverdienst) und auch die
sämtlichenmitdemGewerbezusammenhängenden Schuldzinsenabzuziehensind.
5

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
g G. Sohanz,

seiner Leistungsfähigkeit das Gemeinwesen zu unterstützen habe,


dasselbebeherrscht.
Es war Hermann vergönnt,den Einkorn mensbegriff aus den
früheren Schiefheiten und Verworrenheiten zu befreienund so zu
fassen, dass er diesemGedankenentsprach *). Er definierte Ein-
kommen 2) als die „Summeder wirtschaftlichen oder Tauschgüter,
welchein einergewissenZeit zu dem ungeschmälert fortbestehenden
Stammgut einer Person neu hinzutreten,die sie daher beliebigver-
wendenkann".
Diese Definitionund die sich daranknüpfende Einkommens-
lehre fand viel Anerkennung.Im Jahr 1863 beleuchteteund
erweitertesie auf Grund einer umfassendenDogmengeschichte
Schmoller in dem Aufsatz „lieber die Lehre vom Einkommen
in ihrem Zusammenhangmit den Grundprinzipien der Steuer-
lehre*3). Darinäusserter sichfolgendermassen : „UnterEinkommen
verstehen wir die Summevon Mitteln,welcheder einzelne,ohne in
seinemVermögenzurückzukommen, fürsich und seine Familie,für
seinegeistigenund körperlichen fürseine Genüsseund
Bedürfnisse,
Zwecke,kurzfürSteigerung4) seinerPersönlichkeitin einerWirt-
schaftsperiodeverwenden kann. Das Einkommen, wie wir es nach
Hermann auffassen, istalso keineErtragskategorie5), kein Produkt
eines beliebigenwirtschaftlichen Rechnungsexempels , sondern ein
lebendigesGanze, wie es aus dem Begriffeder Persönlichkeit in
ihremZusammenhangmit der Bedürfnisbefriedigung hervorgeht.
Dies ist die wahreGrundlageunseresEinkommensbegriffs; mit dem
Produktionsprozess steht er nur in mittelbarem Zusammenhang.
Zum Einkommen gehörtalso nichtbloss der im Tauschverkehr er-
scheinendeReinertragdieses oder jenes Gutes, dieses oder jenes

*) UeberseineVorgänger vgl.Schmoller undR. Meyer indencitierten


Arbeiten in Note3.
2) Staatswirtschaftliche
Untersuchungen, 1832,S. 299.
fürdie gesamteStaatsWissenschaft.
8) Zeitschrift 19. Jahrg.Inwieweit
Schmoller den HermannschenBegriff variierte,darübersiehe die Aus-
führungen R. Meyers, Das Wesendes Einkommens. Berlin1887,S. 15 f.
4) Wagner bemerkt mitRecht,dass es besserhiesse: „fürErhaltung
und Steigerung seinerPersönlichkeit."
5) Auch dieserAusdruck wirdvonWagner getadelt- mit Unrecht;
das Einkommen aus Erträgen
rührtvielfach her, es ist aber selbstkeineEr-
trageart,es ist wederRohertrag, nochReinertrag, sonderneine Kategorie
fürsich.
c

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegriff
und die Einkommensteuergesetze. y

Geschäfts,sondernauch jeder unmittelbare Verbrauch,der in der


Benutzungeines eigenenHauses, eigenerPferde, eines eigenen
Gartensoderauch nur in demGenüssederMöglichkeit einersolchen
Benutzung liegt. Die wenigen Fälle von Verschwendern ausgenommen,
muss jede Bedürfnisbefriedigung auf einem Einkommenruhen.
Niemandkann dauerndAusgabenfür seine Persönlichkeit machen
ohneEinkommen.Dahersehenwir in demEinkommen die Wägung
der ganzenwirtschaftlichen Schwere,die Messungder totalenwirt-
schaftlichenKraft der Persönlichkeit.- Es kommtin unserem Ein-
kommensbegriff das Mannigfaltigste undWechselvollste in Betracht,
abereinsbleibtin all demWechsel: das ist die Möglichkeit, alle die
buntenFaktorenauf einenGeneralnenner zurückzuführen, wenigstens
annähernd einenGeldausdruck zu findenfür all die verschiedenen
Bestandteileund Arten,für die mannigfaltigen Quellen und Er-
scheinungsformen dessen, was wir die Totalität des Einkommens
heissen."
Eineweitere kasuistischeAnalysedes Einkommensbegriffs findet
sich weder bei Hermann noch bei Seh mο 11er. Es ist aber
, dass man, um die Summevon Mittelnzu erhalten
zweifellos , die
man fürseineZweckeverwenden kann,ohnein seinem(bisherigen)
Vermögen zurückzukommen, nichtblossdie verschiedenen Reinerträge
in der oben angedeuteten Umgrenzung inklusiveder Nutzungen,
Wertsteigerungen, geldwerten LeistungenDritter,sondernauch alle
AnfälleundZuwendungen Dritter,wie Geschenke, Mitgift, Lotterie-
gewinne, Erbschaften u. s. w. berücksichtigen muss; denn wenn
jemand einen Lotteriegewinn oder eine Erbschaft u. dergl. erhält
und sie verbraucht, so ist er nichtärmerals er vor dem Anfall
war. Ebenso ist eine notwendigeKonsequenzdieserBegriffsauf-
stellung, dass Schuldzinsenund Vermögensverluste Abzugsposten
sind. Wenn jemand eine Darlehensforderung verliertoder Aktien
besitzt,die wertlosgewordensind,so ist er in seinem(bisherigen)
Vermögenzurückgekommen. Das Einkommen stelltsich bei konse-
quenterFesthaltungdes Begriffsals Zugang von Reinver-
mögen*) in einerWirtschaft währendeinergegebenen Periodedar.
Diese Konsequenz befriedigte nicht namentlich
allerseits; nahm
man vielfachAnstoss daran, dass auch Erbschaften, Geschenke,

*J)UnterZurechnungdes Wertesder Nutzungen,welche den Zinserträg-


nissengleichgestellt
werden,und der geldwertenLeistungenDritter.
7

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
g G. Schanz,

Lotteriegewinne , einmalige Konjunkturengewinneunter den Ein-


kommensbegriff fielen. Man bemühte sich, Abhilfe zu schaffen.
Die einen - so ζ. Β. Man gol dt und neuerdings wieder
Mithoff1) - behielten die Hermann'sche Definitionim wesent-
lichen bei , unterschieden aber ordentliches und ausserordent-
liches Einkommen. „Die regelmässig wiederkehrendenEinkünfte,
die sich bei der grossen Mehrzahl aller Wirtschaftenfinden,werden
als ordentlichesEinkommendenjenigenGüternals ausserordentlichem
Einkommen entgegengesetzt,welche jemandem einmalig zufallen,
ohne dass auf eine regelmässige Wiederholung zu rechnen wäre,
wie Glücksgewinnste, Erbschaften,Geschenkeu. s. w.tt2).
Anderesuchten nach einerDefinition,um von vornhereinErb-
schaftenu. dergl. zu eliminieren.
Röscher glaubte dies zu erreichen, indem er zunächst Ein-
nahmen und Einkommen in folgender Weise schied: „Der Be-
griffEinnahme umfasst alle Güter, die innerhalb einer gewissen
Periode neu ins Vermögen3) treten, also auch durch Geschenk,
Lotteriegewinn,Erbschaft etc., Einkommen dagegen nur solche
Einnahmen, die aus einer wirtschaftlichen Thätigkeit her-
vorgehen/ - „Das rohe Einkommen eines Jahres besteht aus
sämtlichenGütern,welche die Wirtschaftim Verlaufe desselben neu
produzierthat. Das reine Einkommen ist derjenige Teil hiervon,
der nach Abzug der Produktionskosten übrigbleibt, der also verzehrt
werden kann, ohne das Stammvermögenzu schmälern"4). Für die
u
Charakterisierung „der wirtschaftlichen
Thätigkeit verweistRöscher
auf die früherenAusführungenim § 2, wo er sagt: „Unter Wirt-
schaftverstehenwir die planmässige Thätigkeitdes Menschen, um
seinen Bedarf an äusseren Güternzu befriedigen/
Man wird zugeben können,dass Einnahmen aus Mitgift,Erb-
schaft, unerwartetemGeschenk vom Gesichtspunktdes Empfängers
aus zumeist nicht auf einer derartigenwirtschaftlichen Thätigkeit
beruhen; immerhingibt es Legate, die sich oft auf wertvolle

*) Mangoldt, Volkswirtschaftslehre, 1868,S. 800; Mithoff in Schön-


bergs Handbuch,3. Aufl.,I, S. 576.
*) Mangoldt, Volkswirtschaftelehre, S. 300. Daselbst wird die Rolle
der beiden Einkommens arten sehr schön analysiert.
8) Gemeintist augenscheinlich Bruttovermögen, da zu den Einnahmen
auch solche aus Schulden,Bruttoerlösenu. s. w. gehören.
4) Röscher, Grundlagender Nationalökonomie, §§ 144, 145.
8

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff 9

wirtschaftlicheDienste stützen, die der Bezüger dem Vermächtnis-


geber geleistet hat, gibt es Erbschaften, deren Vermögen auf
einer Erfindung,Ratschlägen und Mitwirkungdes Erben beruhen,
gibt es Geldheiraten,Erbscbleichereien , die in einer sehr plan-
mässigen Thätigkeit, sich zu versorgen, wurzeln; noch mehr wird
man dieses Charakteristicumdem gewerbsmässigenBettler zuer-
kennenmüssen; dem Börsenspielerwird es auch nicht abgesprochen
werden können, nicht einmal ganz dem Lotteriespieler. Jedenfalls
gebührt dem Bezüger einer Einnahme aus einem Versicherungs-
kapital diese Eigenschaft. Doch sehen wir davon ab. Würde
Röscher wirklichzugegebenhaben, dass eine Leibrente,die jemand
auf Grund eines Legats zugefallen ist, für den Bezüger kein Ein-
kommenist; würdeer behauptethaben,der Offizier, demderSchwieger-
vater jährlich 2000 M. zuschiesst, habe nur Einkommen in der
Grosse seiner Gage; würde er rückhaltloseingeräumthaben, dass
die Prinzen, welche Apanagen ohne wirtschaftliche Thätigkeit be-
ziehen, die adligen Fräuleins, die aus Präbenden adliger Stiftungen
ihren Unterhaltbestreiten,Studenten,die mit Stipendienstudieren,
die Bettler, die von Almosen leben, kein Einkommenkaben?
Sehr wenig befriedigtauch die Röscher sehe Definitionin
Bezug auf die Nutzungen,die er doch auch zumEinkommenrechnetl).
Wenn jemand sich aus Ersparnissen ein Haus baut oder Möbel
kauft,so kann man wohl sagen, die Nutzungen beruhtenauf wirt-
schaftlicherThätigkeit des Einkommensbezügers. Wie aber, wenn
jemand ein Haus erbt, das er dann selbst bewohnt, oder wenn er
eine Ausstattung als Mitgift erhält? Beruht etwa diese Nutzung
auch auf wirtschaftlicher Thätigkeitdes Einkommensbezügers?
Die Von Röscher gezogene Grenzlinie kann nicht genügen.
Sie ist nicht scharf und lässt Kategorien von Personen heraus-
fallen, denen wir doch auch die Eigenschaft vindizierenmüssen,
dass sie in den einzelnen Jahren über Summen für ihre Zwecke
-
disponierenkönnen, ohne ihren Vermögensstockanzugreifen das
ist es aber doch, was wir wissen wollen.
Auf einem ganz analogen Boden, wie Roö'cher, steht

J) „JedesEinkommenbesteht aus Produkten(Arbeitserfolgen oder Ver-


mögensnutzungen). Diese kann der Produzent entweder selbst verbrauchen
oderzurBefriedigung eines dringenden gegen anderevertauschen4*,
Bedürfnisses
§ 144. Vgl. ferner§ 146 C und Note 7.
9

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
IQ G. Schanz,

Vocke1),wenner auchdenBegriff etwasandersaufbaut.Nachihm


ist „Einkommen das, was dem Wirtschafter nach Ersetzungder
verwendeten und
Vermögensteile Befriedigung der sich an seine
Wirtschaftsführung knüpfenden Rechtsansprüche und nach Abzug
der Vermögensvermehrung durch blossenVermögensübergang zur
eigenenVerwendung übrigbleibt". Vocke führtdes Näherenaus,
dass das Einkommen als Ganzesnur aus Ertragbestehe,was nicht
Ertrag sei, könne nicht Einkommensein und umgekehrt.Das
Wesentlicheam ErtragundEinkommen sei immernur das Neuent-
standensein.Schenkungen, Lotteriegewinne, Erbschaften seienkein
Ertrag,folglichkönntensie auch kein Einkommen sein. Den weg-
gegebenenTeil des Einkommenslasse der Schenkerdurch den
Beschenkten verbrauchen,anstattes selbstzu thun; er höre durch
die Schenkungnicht auf, sein Einkommenzu sein, welchesder
Beschenktelediglichverbrauchen helfe,letzterer habe kein eigenes
Einkommen.Dagegen müsse man Konjunkturengewinne, Gewinne
aus demBörsenspiel, Gewinnebei Lotterieanleihen 2) als Einkommen
ansehen.
Man siehtdeutlich,dass Vocke ähnlichwie Röscher Ein-
kommen nuranerkennt,wennes auf wirtschaftlicher Thätigkeitsich
es
gründet; gelten deshalbauch die gegen Röscher bereitshervor-
gehobenen Einwände. Gewiss ist, dass der Schenker,wenner aus
seinemEinkommen Unterstützungen hergibt,sein Einkommen ver-
wendet,damitist aber nochkeineswegsentschieden, dass der Be-
schenktenun keinEinkommen habe; wennjemandaus seinemEin-
kommen Warenkauft,so verwendet er auch sein Einkommen, ver-
schafftaberdochzugleichdemVerkäufer damitEinkommen. Zwischen
beidenFällen ist nun allerdingsein Unterschied,aber darinsind
sie dochgleich,dass der Beschenkteund der Verkäufer Leistungs-
fähigkeitgewinnen, dass sie über Summen schlechtweg in ihrem
Interesseverfügenkönnen, und das scheint mir doch das Wesentliche.
Es ist gewissunnatürlich,den Bettler,dem man ein Almosengibt,

*) Die Grundzügeder FinanzWissenschaft, Leipzig 1894, S. 278 f., vgl.


dazu S. 232 f.
2) Diese deshalb, „weil hier nichtbloss der Einsatzverteiltwird,sondern
auch der Ertrag des Kapitals selbst" (sollte heissen: „weil hier nichtder Ein-
satz verteiltwird, sondern nur der Ertrag des Kapitals selbst*1).Wenn die
einzelnendie Zinserträgnissezusamtnenschiessen und als Spieleineatzbetrachten,
ist das etwas anderes,als die übrigenLotteriespiele?
10

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegriff
und die Einkommensteuergesetze. J]

anzusehen,wie das Hauskind;fürdas man aus seinemEinkommen


sorgenmuss. Und wer will unterden tausendenGeschenken eine
Grenzeziehen,inwieweit sie einenremuneratorischen Charakterbe-
sitzen? Trinkgelder tretenbald ganz, bald teilweisefürgeleistete
Diensteauf, andereGeschenkeberuhensehroftauf Gefälligkeiten
und Mühen,für die man nichtregelmässigzu zahlenpflegt. Der
Arzt bekommtoft mehr,als er beansprucht hat. Soll er diesen
Ueberschussabsondernund nichtzu seinemEinkommen rechnen?
Sind fernerGewinneaus Lotteriespiel und Börsenspielwirklichso
verschieden,dass das einekeinEinkommen, das anderedagegenEin-
kommen ist? Ist die Leistungsfähigkeitdes Gewinners,der im einen
wie im andernFall einen Einsatz gemachtund damit 1000 M.
hat, derim einenFall etwasmehr,im anderenFall etwas
realisiert
wenigerauf einengünstigenZufallgerechnet,verschieden?Wenn
fernerVocke sagt: „Das Wesentlicheam Ertragund Einkommen
ist immernur das Neuentstandensein , worinbereitsenthalten ist,
dass die Entstehungsursache Arbeitist*, will er das wirklich
die
füralle Konjunkturengewinne geltenlassen? Und dochsollennach
ihmletztereErtragund Einkommen sein. Derartigewiderspruchs-
volle Ausführungen Hessensich noch mehrbringen.Das Unsichere
des Einkommensbegriffs kommtaber auch hier zur Geltung;der
Versuch,das Einkommen lediglichaus den Erträgendes Bezügers
abzuleiten,istüberhaupt verfehlt,führtnur zu einerVerkümmerung
der Einkomm ensweit.
Ein sehr grosserTeil, ja weitausdie Mehrheitder Schrift-
steller,suchtedie Lösung des Einkommensbegriffs darin, dass er
an das Momentder Regelmässigkeit anknüpfte *). AI* Typusder

]) Man könnteversuchtsein, selbst Hermann unterdiese Gruppezu


rechnen,wenigstenshat er nichtunterlassen,auf diesen Punkt hinzuweisen,
Wert nichtbei-
für die Definitionselbsthat er aber ihm einen entscheidenden
gelegt. Seine Ausführunglautet: ΛWiewohl man im gemeinenLeben unter
Einkommendie Geldsummeversteht,welche einer in gewisserZeit fürseine
Bedürfnisseverwendendarf, so ist doch jeder leicht zu überzeugen,dass er
eigentlichnicht diese, sondern die Tauschgüterals sein wahresEinkommen
kann. Dabei wird immervor-
betrachtet,die er sich mittelsjener verschaffen
ausgesetzt,dass diese Güter mit einer gewiesenRegelmässigkeitzu dem Ver-
mögensstamm, den man schonbesitzt,hinzukommen.Güter,ζ. Β. Geldsummen,
die man empfangenhat, heissen bloss Einnahme, nichtEinkommen,solange
nicht ausgemittelt, welcher Teil derselben ohne Schmälerungdes Stammver-
mögens verzehrbarist. So wenig jede Ausgabe Verbrauchist, so wenig ist
11

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
12 G· Schanz,

vielen mag Co h η gelten. Er äussert sich folgendermassen*): »Ein-


kommenist die Summe der Güter,welche in regelmässigerWieder-
kehr einemHaushalte verfügbarwird.- Verschiedenvon dem Ein-
kommen sind die unregelmässigenEinnahmen, wie Erbschaften,
Glücksgewinne:für den einzelnenwie für den Gesamthaushaltsind
sie anderszu behandeln,eben deshalb,weil auf ihre Wiederkehrnicht
zu rechnen ist.1* Die Scheidelinie ist selbstverständlichanders
gezogen, als bei Röscher und Vocke; bei diesen war entscheidend:
Einnahmen aus wirtschaftlicher Thätigkeit- Entgeltlicbkeit,jetzt
dagegen wirddie Einnahmegeprüftdarauf, ob sie regelmässigfliesst
oder nicht.
Sowie man dieser Eigenschaft den entscheidendenWert bei-
legte, musstesich unwillkürlichdas Bild der ununterbrochen Wasser
spendendenQuelle einstellen,und in der That wird von diesemBilde
reichlichGebrauch gemacht und dasselbe immer lebhafterbetont.
SchonF. Guth sagte darum 1869 2): „Einkommenist jede aus einer
Quelle, abo mit einer gewissen Regelmässigkeitwiederkehrende
Vermehrungdes Vermögens3). Der Bezieher kann es geniessen,
verzehrenoder auf irgend eine Art vernichten,ohne seinen Fonds
zu schwächen. Lotteriegewinne,prekäre Almosen und Geschenke
sind daher kein Einkommen, wohl aber sind es Almosen und Ge-
schenke, die sich auf gewisse Titel gründen/ Der letzte Zusatz

jede Einnahme Einkommen. Dieses ist vielmehrdie Summe der wirtschaft-


lichen oder Tauschgüter,welche in gewisserZeit zu dem ungeschmälert fort-
bestehendenStammguteiner Person neu hinzutreten,die sie daher beliebig
verwendenkann.* Hermann will offenbarnur sagen, dass beim Ein-
kommenes sich um eine fortlaufendeReihe von Zugängen in einem Jahr
handelt. In seinen Ausführungen über das abgeleiteteEinkommenrechneter
auch das ohneGegengabevon andernempfangene zumEinkommen : Geschenke,
Almosen,erzwungeneFrondienste,Kursgewinne,Lotteriegewinne.Erbschafts-
anfalle,Legate übergehter. Staatswirtschaftliche Untersuchungen, 1832,S. 298,
299, 313, 314; 1874, S. 582, 583, 593, 594.
*) Grundlegungder Nationalökonomie, 1885, S. 211.
2) Die Lehre vom Einkommenin dessen Gesamtzweigen, S. 62.
?) Der Verfasser bleibt sich nicht konsequent; er rechnet natürlichzu
den Einkommensarten auch den Unternehmergewinn. Auf S. 104 führter aus:
„Der Begriffder Unternehmung ist an eine bestimmteDauer derselbennicht
gebunden; es kann eine Unternehmung - auf kurzenBetrieb,ja bei Spekulations-
geschäftenselbstnur auf einmalige Operationberechnetsein, die vielleicht
nur einmal im Leben gemachtwird." Ist das eine „aus einerQuelle, also mit
einer gewissenRegelmässigkeit wiederkehrende Vermehrungdes Vermögens" ?
12

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff jg

zeigt deutlich, dass der ganze Schwerpunktauf die Quelle gelegt


wird; das Legat einer Leibrente, eine zugesicherteUnterstützung,
der durch rechtlicheingegangeneVerpflichtung gesicherteZuschuss
seitens des Schwiegervaterssind demnach für die Bezüger Ein-
kommen,dagegen das, was ein Bettler sich erbettelt,nicht.
Auf ganz analogem Boden bewegt sich in der Hauptsache
Ad. Wagner, nur dass er die Regelmässigkeitstärkerbetont,als
die Quelle, gewissermassenletzterefingiert,wenn ersteregegeben
ist, was dazu führt,dass er zu einer von Gut h etwas abweichenden
Scheideliniegelangt. Nach Ad. Wagner umfasstdas Einkommen
einerPerson zweierlei: „1. Diejenige Summe wirtschaftlicher Güter,
welche derselben in gewissen Perioden (üblicherweisenach Jahren
berechnet) regelmässig und daher mit der Fähigkeit der regel-
mässigen Wiederholung als Reinerträge einer festenErwerbsquelle
neu als Vermögenhinzuwachsen,Dieser Teil des Einkommenseiner
Person rührtdaher aus der Wirtschaftsführung überhauptund aus
einzelnenwirtschaftlichen Thätigkeiten(Arbeit, Unternehmung)oder
aus Eigentums- oder Forderungsrechteninsbesondere (Sklaven-,
Grund-,Kapitaleigentum,Forderungenaus Kreditgeschäften), endlich
aus regelmässigenunentgeltlichenEinnahmen (Almosen, Geschenk)
her. 2. Die Genüsse (Nutzungen) oder selbst nur die Genussmög-
lichkeiten,welche das Nutz»vermögen einerPerson nach Abrechnung
der dabei stattfindendenAbnutzungund Verkehrsverminderung perio-
disch fortdauerndgestattet u Dazu bemerkt Ad.
*). Wagner: „Auf
das MomentderRegelmässigkeitist wenigstensfürdie volkswirtschaft-
liche Betrachtungdes Einkommens, bei der eben dauernde oder
Durchschnittsverhältnisse das Entscheidendesind, Gewichtzu legen.
Zufallige) einzeln vorkommende Einnahmen, wie gelegentlicheGe-
schenke, Erbschaften,Legate sind danach nicht zum Einkommen
zu rechnen. Kehren solche Einnahmen, z. B. im Fall des regel-
mässigen Almosenempfangs,der eine regelmässige Unterstützung
bildendenGeschenke, auch, wie in Zeiten des altrömischenKaiser-
tums im Falle der förmlichzur regelmässigenEinnahmequelle der

*) Dass die Nutzungenden Reinerträgengegenübergestellt werden, er-


wartet man nach § 171 der 3. Auflage nicht.- Eine Erwähnungder Schuld-
zinsen fehlt,weil Wagner den Reinertragso konstruiert,dass die Schuld*
Zinsen abgezogen sind. Bei der Gegenüberstellungvon Reinerträgenund
Nutzungenmuss man annehmen , dass er alle Schuldzinsennur "beiden Rein-
erträgender festenErwerbsquellein Ansatz bringenwill.
13

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
14- G· Schanz,

Senatoren werdendenLegate periodischwieder, so gehörensie


dagegen zum Einkommen."- In der jüngsten3. Auflage hat
Wagner die Auffassungfestgehalten, aber es dahingestellt sein
lassen, ob man nicht als drittenTeil des Einkommens auch die un-
regelmässig einer Person zufliessenden Güter-und zugutekommenden
Wertbeträge,welche eine Vermögensvermehrung darstellen,ein-
rechnen soll*). Die engereBegrenzungerscheint ihmalles in allem
dochpassender;fürdie Praxis,z. B. des Steuerrechts, hinderenichts,
vieleeinzelnePosten,welchezu demdritten Teil gehörenwürden,bei
einerEinkommensteuer zu erfassen, wasauchhäufigsogargebotensei.
Die betreffende Steuer sei eben dann mehreine Einnahmesteuer2),
als eine Einkommensteuer,
Es liegtja ungeheuernahe, das MomentderWiederkehr, die
Regelmässigkeit , als wesentlichfür den Einkommensbegriff anzu-
sehen. Die fremdländischen Ausdrückerevenu, revenue,rendita,
redditoscheinendie Wiederkehr an derStirnzu tragen3). Auchdie
populäreRedeweise, A hat ein jährlichesEinkommen von so und
so viel,sein jährlichesEinkommen beträgtso und so viel, scheinen
anzudeuten,dass man es mit Grossenzu thunhat, die feste,be-
stimmte sind. Freilich,sobald man etwas näherzusieht,wirdman
sofortgewahr, dass man hierbeinur eine ganz ungefähre,durch-
schnittliche Grosseoder, wie bei Beamten,eine mehroder minder
gesicherte Summeim Auge hat. Dem Geschäftsmann ist es über-
haupt - ausser für Steuerzwecke - fremd, zu sagen, meinEin-
kommenbeträgtso und so viel, er sagt lieber,ich habe in diesem
Jahrso und soviel verdient;er ist sich bewusst,dass seineEin-
nahmeneinenschwankenden Charakter haben.
Und in der That stelltsich die Annahmeeinerregelmässigen
Wiederkehr als auf eineräusserstflüchtigen Betrachtungsweise be-
ruhenddar. Weder der Art noch der Summenach ist das Ein-

*) Grundlagender Volkswirtschaft,3. Aufl.,S. 407.


2) Doch nicht, denn Einkommenumfasstnichtalle Einnahmen,sondern
nur jene, die als Reinvermögenszugang in einer bestimmten Periode sich dar-
stellen.
8) Neumann, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre , 1889, S. 215.
Uebrigensvgl. die verschiedeneAbleitung des Wortes reddito von redeo oder
reddo und die Rolle, die diese in der italienischenSteuerpraxisgespielthat,
im Finanzarchiv,1889, S. 27 (Burkart, Die italienischenSteuern auf die
Einkünftevon beweglichemVermögen).
14

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommenebegriff
und die Einkommensteuergesetze. ιε

kommenin jedem Jahr gleich, und die regelmässigeWiederkehr


einerSummeist auch dann nichtgarantiert, wenn sie der Rein-
ertrag einer festen Erwerbsquelle ist. Die nach Konjunkturen
schwankenden Geschäftsgewinne, Löhne, Zinsen,Grundrenten sind
hinlänglicher
Beleg. Der Kaufmann in
gewinnt einemJahr20,000M.,
im andernverlierter 3000 M., im dritten verdienter 5000 M. Nicht
einmaldie Durchschnittsbeträge mehrerer Jahresind gleich. Auch
beim Beamtengibt es schwankende und wechselndeGrossen; ich
erinnerean die Alterszulagen, an die Diätenerübrigungen , Neben-
einnahmenu. s. w. In der Einkommenslehre ist stets von dem
Wechselund der BewegungderEinkommen, von denFaktoren,die
das Steigenund Fallen bewirken, die Rede - und nun soll gleich-
wohldas Einkommen die Summe derGütersein,welchein regel-
mässiger Wiederkehr einemHaushalteverfügbar wird? Dass im
GrundekeinMenschan dieseStagnation derEinkommen glaubt,zeigt
sichja deutlichauch darin, dass man in Steuergesetzen von stän-
digen und unständigen Posten spricht,dass man alle Jahre oder in
andernkurzen Zeiträumen fatierenlässt,3jährigeDurchschnitte ver-
langt,um einigermassen die grossenSchwankungen auszugleichen1).
*) Die thatsächlichenErgebnisse der Einkommensteuerstatistik zeigen
deutlich,wie unrichtigdie AnnahmenregelmässigerWiederkehrsind. Statt
vielerBeispielenur zwei:
Im Kanton Baselstadt (Schanz, Steuernder Schweiz, II, S. 46) betrug
die Einkommensteuer bei unverändertem Steuersatz:
SteuerpflichtigeErtrag
1867 4544 429,587Fr.
1868 4765 393,986 „
1869 4790 512,248 „
1870 4801 556,420 „
1871 4922 554,440 „
1872 5128 917,406 „
1873 5220 914,625 „
1874 5398 649,003 „
1875 5580 577,100 „
1876 6707 537,330 „
Man kanndaraus ermessen,wie starkdie Einkommengeschwankt habenmüssen.
In Hamburg(Statistikdes Hamb. Staates, Heft XVII, 1895, S. 2) betrug
das durchschnittliche Einkommeneines Bewohners:
1881 547,95 M. 1885 552,96 M.
1882 560,72 „ 1886 546,13 „
1883 561,83 „ 1887 561,51 „
1884 561,20 „ 1888 590,36 „
15

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
]g G.-Schanz,

Richtig ist nur, dass infolge des Selbsterhaltungstriebsjeder-


mann Jedes Jahr sich Einnahmen zu verschaffen .sucht, und dass
jedermann das Streben hat, die Wiederkehrseines Einkommenszu
sichern, ja dass die ganze Volkswirtschaft von dieser Tendenz be-
herrschtwird (man denke nur an Arbeiterversicherung);richtigist
ferner,dass infolge der Arbeitsteilungund Berufsgliederungbis zu
einem gewissen Grade eine gewisse Stetigkeitder Jahreseinnahmen
innewohnt.Aber das ist doch je nach volkswirtschaftlichen Zuständen
sehr verschieden;in Amerika wechselt man seinenBeruf wie seinen
Rock, man versuchtbald das, bald jenes. Und wie viele Personen
gibt es, denen es überhaupt gelingt, auch nur die bisherigeEin-
kommenshöhefestzuhalten, die infolgedessen auf einen niederen
standard of life herabgedrückt werden,die verarmenoder doch zeit-
weilig bittererNot ausgesetzt sind? So wenig es zulässig ist, zu
sagen: Alle Leute wünschen möglichst viel Vermögen zu besitzen,
folglichist es für den Vermögensbegriff wesentlich, dass das Ver-
mögen gross ist, ebensowenig kann man, weil die Leute die regel-
mässige Wiederkehr ihrer Einnahmen anstreben und zu sichern
suchen, sagen, die regelmässigeWiederkehr sei das entscheidende
und wesentlicheMomentfür den BegriffEinkommen.
Es hat auch noch niemand den Begriffdes Einkommens in
dieser Form festzuhaltenvermocht.Es gibt niemand,der einmalige
Funktionsbezüge (ζ. Β. eines Universitätsrektors)oder einmalige
Schriftsteller-oder Künstlerhonorarenicht zum Einkommen rech-
nete, und es gibt viele, die, obwohl sie mit der Regelmässigkeit
operieren,sich scheuen, Lotteriegewinneund Erbschaften,auch wenn
sie für den Bezüger sich öfter wiederholthaben, zum Einkommen
zu rechnen. Mit einem Merkmal, für das es an jeder festen Be-
grenzungfehlt, . kann man überhauptnicht operieren. Man kommt
damit zu gerade lächerlichenEonsequenzen. Wenn ich einer not-
leidenden Familie jede Woche 6 M. verabreiche, hätte sie Ein-
kommen, wenn ich ihr einmalig 200 M. schenke, hätte sie keines.
Wenn sich ein Bettler alle Tage 1 M. zusammenbettelt, hat er Ein-
kommen,wenn er von einem grossmütigenMann 365 M. erhält und
infolgedessenwährend des Jahres das Betteln unterlässt, hat er
1889 644,16 M. 1891 671,74 M.
1890 670,04 , 1892 648,55 ,
Wenn die Durchschnittseinkommen solche Veränderungenzeigen, wie wird es
erst sein, wenn man jedes Einzeleinkommen von Jahrzu Jahrverfolgt.
16

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegriff
und die Einkommensteuergesetze. jy

keines. Und man machtdie Sache auch nichtbesser,sonderneher


noch schlechter,wenn man, wie Rau u.a., als Erfordernis des
Einkommens die Fähigkeit einer regelmässigen Wiederkehrder
bezüglichen Einnahmenaufstellte.Damit ist unterden Einnahmen
irgendeine Gruppenichtauszuscheiden.
Mit solchenDeutungenundVersuchenverwirrt man eine ein-
facheSache. Wir wollenwissen, welchewirtschaftliche Leistungs-
fähigkeiteiner Person, ohne dass sie ihr Kapital aufzehrtoder
Schuldenmacht,in einembestimmten Zeitabschnitt zukommt, über
was sie so z. B. in einem bestimmten Jahrdisponieren kann; ob
diese Summewiederkehrt, wie sie sich zusammensetzt, ob sie der
Wiederkehr fähigist, ist für das betreffende Jahr gleichgültig.Der
Umfang der freienDisponierung ist durch diese Grossebegrenzt;
die Art, wie der einzelne wirtschaftlich am besten über diese
Grossedisponiert, hängtvon hunderterlei ErwägungenundVerhält-
nissenab und liegtausserhalbdes Begriffs.
Eine Zwischenerscheinung bildetdie Auffassung von Robert
Meyer1), der die Wiederkehr aufrechthält, aber das Einkommen
auf die Genussgüter mit Ausschlussder Nutzungeneinschränken
will. „Einkommen ist eine Mengevon Genussgütern, derennach
Massgabe des Bedarfs wiederkehrende Herbeischaffung Rücksicht
mit
auf den Wirtschafts- und Kulturzustand als gesichertbetrachtet
wird." So geistvolldie Ausführungen Robert Meyers in vieler
Hinsichtsind, so haben sie doch - wenn man vom Begriffdes
Volkseinkommens absieht- keinenAnklanggefunden.Mit Recht
hat man ihr entgegengehalten,dass bei einersolchenVerengerung
des Begriffseine wesentliche Funktiondes Einkommens in derVer-
kehrswirtschaft,nämlichMittelderVermögensbildung undVerteilung
zu sein, nichtzur Geltungkommt2). Robert Meyer vermochte
selbst nicht,strengdas Einkommenals eine SummeGenussgüter
festzuhalten
3); auch seineAusführungen überdie Nutzungenkönnen
nichtbefriedigen. Wohl ist richtig,dass man das Einkommen dazu
verwendet, sichNutzungen zu verschaffen,,
z. B. Möbel,Kleideru. s. w.
zu kaufen; allein eine unzulässigeDoppelrechnung liegt jedenfalls
nicht vor. Wenn jemand am 1. April aus seinem Einkommen

*) Das Wesen des Einkommens. Berlin 1887.


') Philipp ο vie h, Allg. Volkswirtschaftslehre,
S. 292.
3) Vgl. Neu mann, Grundlagen,S. 219.
Finanzarchiv.XIII. Jahrg. 17 2

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
ίο G. Schanz,

1000 M. ausscheidetund in Kapital anlegt, so tretendie Zinsen


vom 1. Aprilbis 31. Dezemberauch noch zu den 1000 M. hinzu.
Und ganz ebensoist es bei denNutzungen vomGebrauchsvermögen.
Die Unmöglichkeit, mit der „Quelle"und der „Regelmässig-
keit" zu einembefriedigenden Resultatzu kommen, hat Neumann
zu einem rechtbeachtenswerten Versuch veranlasst,diese beiden
Momentein etwasanderer Weise zu verwerten x). Nichtdaraufsoll
es ankommen, dass die Einnahmen selberfortdauernd, wiederkehrend
oder gar regelmässig wiederkehrend erscheinen, sondern darauf,dass
sie die regelmässige , üblicheFolge dauernderBezugsquellensind.
Er definiert Einkommenals den Inbegriff derjenigenGüter,geld-
wertenLeistungen(i. e. S.) und Nutzungenfremder Dinge, welche
als regelmässige Folge dauernder Bezugsquellen gewisserZeit
in
jemandderartzu teil werden,dass er darüberin seinemInteresse
verfügen kann- bezw.als denWert diesesInbegriffs mitEinschluss
der gleichzeitigerfolgten Wertsteigerung Vermögensdes Be-
des
treffenden. Er vindiziert seiner Auffassungzwei Vorzüge. Die
meistender bisherigen ZweifelundBedenkenwürdengelöst.Wech-
selndeGewinneζ. Β., die dem Spekulanten, Kaufmann, Architekten
oder Künstlerzufielen,würdendann ebensoEinkommen,wie un-
ständige,bald oft," bald selten,baldgar nichtwiederkehrende Neben-
bezügefestangestellter Beamten; denn alle diese Einnahmen seien
ja solche,die sich als Folge und in gewissemSinn auch als regel-
mässigeFolgeandauernde Bezugsquellen, wiedasGewerbe, dieamtliche
Stellung u. s. w. knüpften; dagegen wären Lotteriegewinne, Legate,
Erbschaften,Geschenke,Ausstattungen, Mitgift u. s. w. hiernach
ebensowenig Einkommen als ausserordentliche Holzeinschläge;denn
das seien jedenfallsnicht regelmässige Folgen dauernderBezugs-
quellen. Sodann könne dieser Einkommensbegriff mitgutemErfolg
der Gliederung der Einkommen zu Grundegelegtwerdenund ver-
möchtezugleichtreffliche Diensteder Einkommensteuer gegenüber
zu leisten,die auch auf die Quellenregelmässig zurückgehe.
Gegendiese Auffassung lässt sich mancheseinwenden.Neu-
mann fühltdies selbst,indemer sagt: „Es bleibt hierbeimanche
Unsicherheit. Insbesondere kann nichtgeleugnetwerden,dass schon
in jenen Worten, dauernde Bezugsquellen4 und ,regelmässige Folge'

*) Ihm folgt in der Hauptsache Philippovich, Allg. Volkswirtschafts-


lehre, S. 222. Schäffle, Die Steuern, 1895, S. 161.
18

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommeiisbegriff JQ

eineUnbestimmtheit liegt,die aus wissenschaftlicher


Begriffsbestim-
mung,wennthunlich,verbanntwerdensollte. Indessen,dass das
thunlichist, muss eben bestritten werden. Denn was das ,regel-
mässig1 , betrifft
, so handelt es sich hierbeium dieselbennur von
Fall zu Fall , nichtallgemeinzu lösendenSchwierigkeiten , auf die
wir in der Praxis ζ. Β. gegenübersolchenNebenbezügen wie Gra-
tifikationen und Remunerationen häufig stossen. Und die Worte
,dauernde Bezugsquellen1 etwa durch solche bestimmtere Ausdrücke,
wie ,Kapital und Arbeit1oder ,Boden, Kapital und Arbeit1zu er-
setzen,gehtebenfallsnicht;dennzu jenendauernden Bezugsquellen,
an diehierzu denkenist, gehörenauch z. B. so schwankende Dinge,
wie mancheöffentliche Stellungen, die ohneArbeitzu denkensind,
fernerStiftungsgenüsse, Zivillisten,Apanagen,Wittume,Altenteils-
bezügeu. s. w. Eine Grenzelässt sich schwerziehen."
In der That ergebensich hiergrosseBedenken. Wenn man
sich fragt, was den Nameneinerdauernden Bezugsquelleverdient,
so kommtman sofortin Verlegenheit.Sind etwaKapitalieneine
dauerndeBezugsquelle?Erlebtman nichtfortwährend infolgevon
Konkursen und Subhastationen grosseKapitalverluste? Oder haben
die Leute, welchegriechische,portugiesische, argentinische Staats-
papierebesassen, nicht wie
erfahren, wenig dauernddie Bezugsquelle
war,wie sehrsie an Zinsenund Kapital verloren?Häuser stürzen
ein, werdenweggeschwemmt, Grundstücke werdenverweht;Ma-
schinenvon heuteauf morgenwertlosund im Konkurrenzkampf un-
brauchbar.Erfindungsgabe und schöpferische Kraftversiegenoft
erstaunlich rasch; mancherhat in seinemganzenLeben nur einen |
guten Einfall gehabt. Arbeit, ganz abstraktgenommen,ist wohl!
eine dauerndeBezugsquelle , geht man aber auf die Arbeitskraft
zurück,so ist sie nichtswenigerals dauernd;aber selbstwennsie
vorhanden ist, zeigendie Erscheinungen der Arbeitslosigkeit, dass
auch diese Bezugsquellesehr problematischer Naturin Bezug auf
ungeschwächte Dauerist1). Staatsstellungenerscheinen
im allgemeinen
als sehr dauerndeBezugsquellen,in finanziellzerrütteten Staaten
aber wiederum nicht. Die Altenteilesind durchausnichtimmerauf
dauerndeBezugsquellengegründet;tagtäglichkann man erleben,
dass infolgeökonomischen Ruins des Gutsübernehmers die Elternin
bitterste Not geraten.
*) Vgl. das reiche statistischeMaterial in meinem Buch, Zur Frage
der Arbeitslosenversicherung. 1895.
19

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
2() G. Schanz,

u
Alleinauch „die regelmässige Folge ist eine höchstbedenk-
licheSeite,und es will mirscheinen,als ob mandamitzu Resultaten
komme,die Neu mann keineswegswünscht. So rechneter auch
die Wertsteigerung des VermögenseinerPerson zum Einkommen.
Er wird aber zugebenmüssen,dass diese durchausnichtregel-
mässige Folge dauernderBezugsquellenist. Warenvorräte, Ma-
schinenpflegensehrhäufigim Wertzu sinken. Ebensowenigsind
Konjunkturengewinne, die er ebenfallszum Einkommenzählt, die
regelmässige Folge dauernder Bezugsquellen;es stehenihnensehr
viele Konjunkturenverluste gegenüber. Auch mit den Lotteriege-
winnenist es eine eigeneSache. Nach Neu mann fallensie aus
dem Einkommensbegriff heraus. Man kann nun wohl sagen, die
sei objektiveine dauerndeBezugsquelle1),dennwir
Klassenlotterie
sehen,dass sie bei jeder AusspielungGewinneverteilt;dagegenist
die Einnahmeaus einemLotteriegewinn füreinenSpielerallerdings
nichtregelmässige Folge dieserdauernden Bezugsquellein demSinn,
dassjederSpielergewinnt.Alleinist es bei Professoren, die Dekane
fürein Jahrsind,anders?Der eine erlebtzehnPromotionen, der
anderekeine währendseines.Dekanatsjahres.Oder liegt, um ein
umfassenderes undwichtigeres Beispielbeizubringen, die Sache nicht
ebensobei der Arbeiterversicherung? Die Versicherungskasse bezw.
der Versicherungskreis ist gewiss eine dauerndeBezugsquelle,aber
nichtfürjeden Versicherten ergibtsich eine Einnahmedarausals
regelmässige Folge dieser dauernden Bezugsquelle. Viele Arbeiter
erleidenkeinenUnfall,die Mehrzahlwirdnicht70 Jahrealt, viele
sterben,ehe sie invalide werdenu. s. w. Ne uman η wird aber
dochnichtleugnenwollen,dass die Alters-,Invaliditäts-, Unfallver-
sicherungsrentefürdenBezügerEinkommen sind. Ausserordentliche
Holzeinschläge sollen kein Einkommen sein, weil sie nicht regel-
mässigeFolge einerdauernden Bezugsquellesind2); allein ein er-
höhterHolzeinschlaginfolgeSchneedrucksund andererUrsachen

*) Und es bestehtkein Zweifel, dass Ν eu man η die dauerndeBezugs-


quelle in objektivemSinn aufgefasstwissenwill; es soll belanglos sein, ob sie
für den Bezieher der Einnahmeneinen subjektivenCharakterhat; eben des-
lvtlbrechneter zufälligeNebenbezüge,wie die eines Universitätsrektors oder
Fakultätsdekanszum Einkommen;diese amtlichenStellungengewähren, wie
Neun, an η sagt, nach ihrer dermaligenEinrichtungEinnahmen,gleichviel
'ver gerade der glücklicheBezieherist.
2) Nach dem Hermann sehen Begriffwürdeman sagen: Sie sind kein
20

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff 21

dürftefür einenWaldbesitzersich unterUmständenmitgrösserer


Regelmässigkeit wiederholen, als füreinenUniversitätsprofessor das
Rektoratund die damitverknüpften Einnahmen.
So verwischen sich die Grenzen ; was sonstsicherund klarwar,
wirdzweifelhaft, und auf dieseWeise kommt manschliesslich immer
weitervon der Personund derBeziehungdes Einkommens auf die-
selbe weg und versinkt in dem Objekt. Nichtdas soll entscheiden,
was für den Bezüger eine dauerndeBezugsquelleist, sonderndie
zufalligeflüchtigeBerührung miteinerdauernden Bezugsquelle,nicht
das soll ausschlaggebend sein, dass jemand eine Summezufliesst,
über die er disponieren kann,sonderndie Quelle,aus dersie stammt.
Als ob die Lage jemandesim mindesteneine anderewäre, ob er
1000 M. aus der Abfassungeines Buches oder einerRektorats-
funktion, aus einerLotterieoder füreine Konsultation , aus einer
Spekulation oder einer Erbschaft bezieht.
Ebensounrichtig ist, was Neu man η als zweiten Vorzugseines
Einkommensbegriffs hervorhebt, indem derselbeder Gliederung der
Einkommen zu Grundegelegtwerdenkönne,wie es bei denSteuern
geschehe. Zutreffend ist nur, dass die neuerenSteuergesetze,um
den Deklarantenzu grössererGenauigkeitzu veranlassenund die
Kontrollezu erleichtern, ein Auseinanderhalten der verschiedenen
Einkommensquellen und der daraus herrührenden Einnahmenvor-
schreiben;unrichtigist aber, dass irgendein Steuergesetzoder
irgendeine Steuerstatistik uns das Einkommen aus Grundbesitz,
Gewerbe,Kapital,gewinnbringender Beschäftigung gibt; was viel-
mehrhier gebotenwird*), sind regelmässigteils Reinerträge (im
Ν eu manη sehenSinn), teils Reingewinne;das Einkommenergibt
sich stetsnur als eine Grosse, indemerst alle diese Posten zu-
sammengezählt und die Schuldzinsen,soweitsie nicht schonabge-
zogensind, noch abgezogenwerden. Wenn die Steuergesetze den
AusdruckEinkommenbald im Sinn von Roheinkommen, bald von
Reineinkommen, bald von Reinertrag,bald von Reingewinnge-

Einkommen, weil man nichtüber sie disponieren


kann, ohneseinenVermögens-
stammanzugreifen.
*)*Die Ausscheidungist übrigensschon äusserlicheine unvollkommene;
Grundstücke ζ. Β. , welchezu Handels-und Gewerbsgeschäften
gehören;werden
in der Regel nichtausgesondert,ihr Ertrag ist in dem von Handel und Ge-
werbe eingerechnet;vgl. Mitt. aus der Verw. der dir. Steuernim Königreich
Sachsen,III, S. 155; VI, S. 135.
21

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
22 G· Schanz,

brauchen*) und mit dieser schlotterigen , oft geradezuverwirrend


wirkenden Sprechweise den Anscheinerwecken,die von ihnenvor-
geschriebenenDeklarationen oder Schätzungenliefertendas Ein-
kommenaus Grundbesitz u. s. w. 2), so kannman diese Unklarheit
nur bedauern,aber man darf sich nichtderselbenwissenschaftlich
accommodieren oder sie gar noch als Stützefür die eigenenAus-
führungen verwerten.
Schliesslichist auchdie Auffassung Neumanns bezüglichder
Nutzungeneigentümlich. Er will nur die Nutzungenfremder
Dinge zum Einkommen rechnen, nichtdie Nutzungenan eigenen
Sachen. Die letzterenwerden aber allgemeinökonomischbe-
wertet,wiedie entgeltlicheBeschaffung derNutzungen, derNutzungs-
objekteund die Versicherung der letzteren hinlänglichbeweist; es
möchtedeshalbrichtiger sein, auch die Nutzungen an eigenenSachen
einzurechnen.
Ich kannnichtfinden,dass die zahlreichen Versuche,etwas
besseresan die Stelle des H ermann sehenBegriffes zu setzen,ge-
glückt wären. Sie bauen sich auf unrichtigen Behauptungen auf,
sie gebenstatteinerfestenGrenzlinie unsichereund ver-
vollständig
dunkelngeradedas, was man in dem Einkommenzu wissendas
Bedürfnishat. Soweites sich um das Erwerbsleben handelt,liefern
die BegriffeRohertrag,Reinertrag,Reingewinnalles, was wir
brauchen,sie lassen alle Erscheinungen hinlänglichwürdigen,die
mit dem Objekt zusammenhängen.Für die Summe der Roh-
erträge,Reinerträge, Reingewinne bedarfes keinerbesonderen Be-

*) Als MustersolchenJargonsmag das preussische Einkommensteuergesetz


dienen. § 7 sagt: „Als Einkommengelten die gesamtenJahreseinkünfte der
Steuerpflichtigen in Geld und Geldeswert aus: 1. Kapitalvermögen, 2. Grund-
vermögen"etc. § 9: „Von dem Einkommen(§ 7) sind in Abzug zu bringen:
1. die zur Erwerbung,Sicherungund Erhaltungdes Einkommensverwendeten
Ausgaben"etc. Einkommenist also hiergebrauchtim SinnvonRoheinkommen,
bezw. Rohertrag. Der § 13 behandeltdas „Einkommenaus Grundvermögen* ;
wie derInhaltdes § 13 zeigt,ist dies Einkommenaus Grundvermögen identisch
mit dem Reinertrag. § 14 behandelt das „Einkommenaus Handel und Ge-
werbe einschliesslich des Bergbaues"; wie der Inhaltzeigt, soll dies Einkommen
identisch sein mit dem Geschäfts-bezw. Reingewinn. Auch Ad. Wagner
(Finanzarchiv, 1891, S. 699) hat diesen Jargongetadelt.
2) Auch Buchenberger hat in der eben erschienenenDenkschrift
„Die Belastung der landwirtschafttreibenden Bevölkerungdurchdie Einkommen-
steuer" das klar erkanntund darum einen eigenenWeg eingeschlagen.
22

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegriff
und die Einkommensteuergesetze 23

*), wohlaberbrauchen
griffe wirnocheinenBegriff, derersehenlässt,
was in einemZeitabschnitt einerPersonderartzugeflossen ist, dass
dieselbedarüberdisponieren kann, ohne ihr bisherigesVermögen
selbstzu mindern - und dieserBegriff ist das Einkommen.Er zeigt
uns, welche Leistungsfähigkeit dieserPerson in einembestimmten
Zeitmoment zugeführt wordenist. Der Begriff erweistsich als Rein-
vermögenszugang eines bestimmten Zeitabschnitts inkl.der
und
Nutzungen geldwerten Leistungen Dritter.Das, was derGeschäfts-
mannmitgeordneter Buchführung heuteschonthut,dass er seinen
ganzenJahresverdienst - natürlich wirdhierbeivorausgesetzt, dass
die Haushaltungskosten nichtabgezogensind- unterdemGesichts-
punktdes Vermögenszugangs ansieht,das ist hiergeneralisiert; man
kommtauf diesemWeg zu einereinheitlichen Auffassung. Praktiker,
die gezwungensind,den Einkommensbegriff kasuistischund gesetz-
geberischzu verwerten, haben das IdentischederVermögenszugänge
undEinkommen auch herausgefühlt. Ein Ausspruch des preussischen
Generalsteuerdirektors Burghart in der des
Sitzung Abgeordneten-
hauses vom 14. Februar1891 2) ist in dieserHinsichthöchstbe-
zeichnend:„Ein durchgreif ender Unterschied, meinter, mit
dem die HandhabungderEinkommensteuer zu rechnenhat und der
nichtgerade am leichtesten zu erledigenist, der zwischen Ein-
kommen und Vermögen, ist unterUmständen sehr schwer
aufrecht zu erhalten." Alles, was wir beziehen,lässt sich,
wennman die entsprechenden Abzügemacht,als Vermögenspartikel
ansehen, das Gehalt,derReingewinn desGeschäfts, dieErbschaftu.s.w.
Diese Zugänge von Reinvermögen sind nichtzu verwechseln mit
st
Vermögens and, der alle in einem Moment vorhandenen Reinver-
mögensteile zusammenfasst, sie sindauchnichtZugängezumStamm-
vermögen; ob sie zu einem selbstwiederGewinnoder Nutzungab-
werfenden Vermögen werden, hängterstvon ihrerVerwendung ab,
sie werdenerstsolches,wennman sie nichtverbraucht.
*) Man gebrauchtallerdingszuweilenden Begriff
Roheinkommen.Soll er
einen Sinn haben, so kann man sagen: wir wollen damit alle Roherträge,die
bei einer Person zusammenfliessen
, zusammenfassen.Dafür bestehtaber kein
Bedürfnis;ich wüsstenicht,wozu das nötigwäre; vom Roheinkommen werden
die Kostennichtin Bausch und Bogen abgezogen,sondernvon dem einzelnen
Rohertrag. Rohertragdes einzelnenObjektsoder der einzelnenUnternehmung
aber mit Roheinkommen trägtnur dazu bei, an sich bereits
zu identifizieren,
klare Verhältnisseunklarzu machen.
2) Verhandlungendes preuss.Abgeordnetenhauses S. 843.
2.'i

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
24 G- Schanz,

Wir rechnenalso zum Einkommenalle Reinerträgeund


Nutzungen, geldwerte Leistungen Dritter, alle Geschenke,Erbschaften,
Legate,Lotteriegewinne, Versicherungskapitalien, Versicherungsrenten,
Konjunkturengewinne jeder Art, wir rechnenab alle Schuldzinsen
und Vermögensverluste. Was erübrigt,stehtneu zur Disposition
des Empfangers,gehörtnichtzu dem bereitsvorhandenen Stamm-
vermögen, tritterst zu dem bisherigen Vermögen - das natürlich
auch fastNull sein kann - hinzu.
Wennman Erbschaften, Geschenkeund dergl.so ungernmit
den anderenVermögenszugängen wie den aus Reinerträgen stam-
mendenauf eine Linie stellt, so beruhtdies eben vielfachwieder
auf flüchtigen, unzutreffenden Betrachtungen.Sie anders zu be-
handeln, weil sie bisher in der Hand des Vorbesitzers Vermögen
waren, ist gewiss hinfällig;denn einmalist das auch bei anderen
Einkommenzutreffend; wenn jemand sein Vermögenverzehrt,so
wirdes bei denen,welchener es zu verdienen gibt,zu Einkommen;
wenneinArbeitgeber einenPostenWertpapiere veräussert, umLöhne
damitzu zahlen,so wirddas, was in derHanddes Vorbesitzers Ver-
mögen, oder Kapital war,beimBezügerzu Einkommen;sodannist
es aber nichteinmalwahr,dass in denFällen vonErbschaften, Ge-
schenken,Lotteriegewinnen u. s. w. immer Stammvermögen derin
HanddesVorbesitzers vorgelegen sei; in der Erbschaftssumme stecken
z. B. derGehaltdes Sterbemonats, noch einzukassierende Lohn-und
Zinsforderungen und dergl.; die Geschenkesind ebenfallszu einem
grossen Teil Einkommen in derHand des Gebers,man denkenur an
die
Almosen;· Lotteriegewinne sind überwiegend aus Einkommens-
der
partikelchen Spielerzusammengeflossen, waren nichtVermögen
in der Hand derVorbesitzer, die Versicherungskapitalien habensich
zumeistaus Einkommengebildet. Ebensowenigkanngeltendge-
machtwerden,sie seien als „Mehrungen des Reinvermögens" für
die Bezüger zu behandeln,weil sie „nach wirtschaftlichen Grund-
sätzennichtzumZweck der laufenden Bedürfnisse verwendet werden
dürfen"1).Sicherist,dass ein sehrgrosserTeil dieser„als Mehrungen
des ReinVermögens" angesehenenTeile nicht zu Stammvermögen
seitensder Bezügergemacht,sondernfürlaufendeBedürfnisse ver-
wendetwerden.Von Almosenund vielenGeschenken ist es zweifel-
los: man denke an die Neujahrsgeschenke, z. B. das Neujahrs-

von1891; siehe untenS. 78.


*) Motivezumpreuss.Einkommensteuergesetz
24

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegriff
und die Einkommensteuergesetze. 25

geschenkan die Postboten,an die sonstigen Trinkgelder; Stipendien


sindgeradezudazu bestimmt, verzehrt zu werden; ebenso liegt es
bei den Lotteriegewinnen. In der HamburgerLotterieenthältdie
1. Klasse 2,000 Gewinne,davon 1,950 zu 20 M.
2. * 2,000 „ „ 1,950 „ 42 „
3. , 3,000 „ „ 2,950 , 69 „
4. „ 3,000 „ „ 2,950 „ 98 „
5. „ 4,000 „ „ 3,950 , 134 „
6. „ 4,000 „ „ 3,950 „ 155 „
7. „ 37,400 , „ 34,995 „ 155 ,
Es gehörtein grosserGlaube dazu, wenn man annimmt,
diese Beträge würdenzu Stammvermögen gemacht,zumalwenn
man noch bedenkt,dass die Lotteriegewinne infolgeder Teillose
(V2, x/i,V10)sich nochausserordentlich verkleinern. Nichtandersist
es bei Erbschaften;auch da wirdein grosserTeil der Legate und
kleinenErbschaftsanfälle einfachfürlaufendeBedürfnisse verwendet,
ja Legate in Form von Leibrenten und Nutzungen(Nutzungeines
Hauses) habengeradezuden Zweck,so verwendet zu werden.Man
kannauchgar nichtsagen,es sei schlechtweg unwirtschaftlich,so zu
handeln, derartige Anfälle dürften nach wirtschaftlichen
Grundsätzen
nichtfürlaufende Bedürfnisse verwendet werden.Wenn einRekon-
valescenteine Erbschaftvon 500 M. zur Bezahlungdes Arztesund
besserenErnährung u. s. w. benutzt,wirdniemanddas tadeln;wenn
jemand aus einem Lotteriegewinn seine etwasschadhafte Garderobe
aufbessert - das ist zwar Vermögen , aber eines
, das sich auch
-
raschaufzehrt oder wennjemand eine Erbschaftvon 1000 M.
benutzt,um sich und seinerFamilie einen Sommeraufenthalt zu
gönnen oder einer Reihe gesellschaftlicher denen
Verpflichtungen, er
bishernichtgerechtwerdenkonnte,durchEinladungenund dergl.
nachzukommen, sq ist sehrschwerzu sagen, ob das wirtschaftlich
verwerflich ist. Wenn ein 60jähriger,alleinstehender Mann,der in
dürftigen Verhältnissen lebte, von einem Verwandten 40,000 M. erbt,
wer will sagen,dass er wirtschaftlich verpflichtetsei, diese etwa in
3°/oiger Reichsanleihe anzulegen und lediglichnur den Zins von
zu
1200 M. verzehren? wer kann es ihmverargen oderzumVorwurf
machen,wenner auch seinKapital angreift, wenner also etwa für
die 40,000 M. eine Leibrentesich kauftund so sein Kapital auf-
braucht?WenneinSchwiegervater seinemSchwiegersohn jedes Jahr
1000 M. zu seinemnichtausreichenden Einkommenzuschiesst,so
25

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
2g G. Schanz,

zweifeltniemand,dass dies auch verbraucht werdendarf; ebenso


wenner diesem,weil er stellenlosgewordenund erstin 3 Monaten
wiederAussichtauf Unterkommen hat, einmalig900 M. schenkt.
Wenn ein Jungverheirateter Arztdie MitgiftseinerFrau im Betrag
von20,000M. aufzehrt, um nochseineAusbildungzu vervollkomm-
nen, wird man das billigenkönnen ; manwirdfreilicheinwenden,
das Beispiel passe nicht, weil er seine künftige Einnahmemög-
licherweisedadurchsteigert;wer will aber sagen, dass ein reicher
Mann,der 20,000 M. geerbthat, diese nichtbenutzendürfe,um
durcheine Reise um die Welt seinenHorizontzu erweitern?
Mit derVerwendungsart lässt sicheineGrenzlinienichtfinden,
denn von der Grossedes bereitsvorhandenen Vermögensund des
Anfalls,der Grosse der Familie, den wechselnden Bedürfnissenund
hunderttausend Verhältnissen hängtes ab, ob es wirtschaftlich ge-
rechtfertigtist, eine Erbschaft, ein Geschenk zu konsumieren oder
zur Vermögensanlage zu machen.
Soll die wirtschaftlich zulässigeVerwendungsart entscheiden,
dann müssteman konsequenterweise auchbei dem „Einkommen" so
verfahren; oder soll es zulässigsein,dass derDirektor einerAktien-
gesellschaftoder ein Bankbeamter 30,000 M. Gehalt und Tantiemen-
bezüge, selbst wenn ihre Wiederkehr wahrscheinlichist, Saus und
in
Braus verbraucht, während ein armer Schlucker, hungertund
der
friert,50 M., die er geerbtoder geschenkterhaltenhat, zu Stamm-
vermögenmachen, d. h. anlegen soll? In Preussenzählte man
1894/951527 Censiten(physische Personen),von denenjeder über
100,000 M. Einkommen hat. Es wird nichtbehauptet werdenkönnen,
dass bei allen es wirtschaftlichen Grundsätzen entspräche,nichts
davonanzulegenundzu Stammvermögen zu machen.Ein festbesol-
deterGelehrter,der jahrelangan einemWerk gearbeitetund vom
Verlegernun 5000 M. dafürerhält,wirdje nach Verhältnissen sie
verbrauchen oder zu Stamm vermögen machen. Er verfährtmit diesem
Einkommen ebenso,wie wennihm5000 M. durcheineErbschaft an-
gefallenwären. Alle Welt hält es fürrichtig,dass der Arbeiterin
gutenZeitenetwasvon seinemEinkommen spart,um in schlechten
eine Reservezu haben.
Die Wahrheitist eben die: unsereBedürfnisse verlaufennicht
wie eine geradeLinie, sondernim Zickzack, und unser Einkommen
ebenso;letzteressetztsich aus mehroderminderständigen undun-
ständigen Posten zusammen, und der Wirtschafter
einzelne musssehen,
26

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegriff
und die Einkommensteuergesetze. 27

wie er diese beidenoftnichtswenigerals parallellaufenden Linien


in Einklangbringt,meistist es die Bedürfnislinie, die der anderen,
derEinkommenslinie, sichfügenmuss. Der Wirtschafter mussprüfen,
wie er seineVersorgungin Gegenwartund Zukunftsicherstellt;
er kanngezwungen sein,Rücklagenzu machen,eventuellaber auch
seinStammvermögen aufzuzehren, dannhater ebenin letzterem Fall,
in demMass als dies geschieht, kein Einkommen.
So wenig es zulässig und zweckmässigist, bei Zins, Lohn,
Grundrente, Unternehmergewinn den Begriff etwa nach der zu bil-
ligenden Höhe zu bemessen,so wenigkannes Aufgabedes Ein-
kommensbegriffs sein, die ganz individuelle,wirtschaftlich zu-
lässige Verwendungsart in sich aufzunehmen.
Diese Erörterung führtzu einerandern. Als einenwichtigen
Teil der Einkommenslehre hat man es stetsangesehen,die Frage
der Einkommensverteilung oder Einkommensbildung zu untersuchen
und zu beleuchten.Bis jetzt hat man diesenProzessnur in ver-
kümmerter Weise dargelegt,man hat immerso gethan,als ob alle
Einkommen in Lohn,Zins, Grundrente undUnternehmergewinn sich
erschöpften , und als ob es eine Vermögensbildung auch ohneEin-
kommengäbe. Man sagt etwa: „Die Wege der Vermögensbildung
sind die folgenden:1. Besitzergreifung (Occupation);2. gewaltsame
Aneignung;3. geschenk weiseZuwendung;4. zufälligeErwerbung;
5. Vererbung;6. Erwirtschaftung. In dichtbesiedelten Ländernbei
einemrechtlich geordneten, staatlichgeschütztenVerkehr spielendie
beidenerstenMomenteder Vermögensentstehung keineRolle mehr.
ZufalligeErwerbung beruhtentweder auf Glücksgewinnen, ein Fall
ohnehervorragende Bedeutung,oderaufWerterhöhungen vonbereits
besessenen Gütern,ohnedass dieseWerterhöhung auf wirtschaftliche
Thätigkeitdes Besitzendenzurückzuführen wäre. Vererbung führt
in der Regel nichtzur Neuentstehung vonVermögenin der Volks-
wirtschaft,abermeistzurEntstehung neuerVermögensgestaltungen.
Erwirtschaftung von VermögenheisstBildungvon Vermögenauf
Grund wirtschaftlicher Thätigkeit;diese ist in der verkehrswirt-
schaftlichenOrganisation derVolkswirtschaft entweder Produktion und
daransich anschliessender ErwerboderErwerbohneProduktion" *).
Auf diese Weise erzeugtman leichtschiefeVorstellungen. Es sind
das für den Bezüger lauter Reinvermögenszugänge, sie sind

S. 81.
*)Philippovich, Allg.Volkswirtsehaftslehre,
27

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
28 G. Schanz,

Einkommen , aber noch keineswegsStammvermögen. Ob das Er-


erbte,Geschenkte, das zufalligErworbene(Lotteriegewinne, Wert-
erhöhungen), dás Erwirtschaftete dazu wird, hängt immer noch erst
von der Dispositiondes Bezügersab; vieles davon wird in seiner
Hand ebennichtdazu. Ich meine,wirverführen dochrichtiger, wenn
wir erst alles in einem Bassin sammeln,das ist das Einkommen,
und erst von diesemaus es in zwei Kanäle leiten, von denender
untereder des Verbrauchsist, der obere zum Stammvermögen
führt;die zugeflossenen Güterlaufenüberwiegend durchdie untere
Röhre,durchdie oberenur, wennsie reichlichgenugsind, um im
Bassin die obereAbflussöffnung zu erreichen,wie meist bei sehr
hohen Geschäftsgewinnen, hohen Besoldungen,hohen Löhnen,
ausserordentlichem Arbeitseinkommen , ausserordentlichem Verdienst
aus Gutachten,Provisionenu. s. w. , bei ausserordentlichen Zu-
flüssenaus Lotteriegewinnen, Schenkungen, Erbschaften, Konjunk-
turengewinnen. Gerade durch Einbeziehen aller dieser Zugänge
wird die Welt der Einkommensverteilung und Einkommensver-
wendungersterschlossen und einereinheitlichen Betrachtung unter-
worfen;wichtige Vorgängeder Einkommens- undVermögensbildung
werden der Kritik unterstellt;ich erinnerean die Spiel- und
Konjunkturengewinne, die Erbschaften in entfernten Verwandtschafts-
graden u. s. w.
In welcheSchwierigkeiten kommtman dagegen, wenn man
zwischenden Vermögenszugängen Unterschiedemachen und die
einenals ZuwachszumStammvermögen, die anderenals Einkommen
gelten lassen will? Nehmen wir den Fall der Werterhöhungen.
Philippovich1) ζ. Β. scheint sie, weil er das Wesentlichedes
Einkommens in demGüterzuwachs sieht,welcherdauernden Bezugs-
quellen entspringt, nicht zu dem Einkommen zu rechnen. Wenn
ein KaufmanneinenPostenWaren gekaufthat, die infolgeirgend
welcherganz zufälligerUmständeauf das Doppelte im Werte
steigen,so rechneter das als einenGewinn. Wenn ein Privat-
mannAktienhat, die infolgeeines unerwarteten Ereignisses,ζ. Β.
weil Konkurrenzunternehmungen zu Grundgegangensind, auf das
Doppelte ihres Nominalwerts steigen,und er veräussert sie, warum
soll dieser Gewinn,der ebenso zufällig ist, als der oben beim
Kaufmannerwähnte,auf einmalVermögensein? Ein Bauplatz-

S. 220.
') Allg. Volkswirtschaftslehre,
23

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze
Der Einkommensbegriff 29

Spekulantstützt unter Umständensein ganzes Einkommenauf


Werterhöhungen. Er kauft einen Platz und verkauftihn nach
einer Reihe von Jahrenteurer. In dem Mass, als sein Objekt
im Wert steigt, kann er durch Schuldaufnahme den Mehrwert
bereits vor dem Verkauf seihen Konsumtionsbedürfnissen dienst-
bar machen;er lebt davon. Nicht die wachsendeGrundrente an
sich, nicht der Zins vom Grundkapital ist sein Einkommen,son-
dern der kapitalisierteMehrwerth; der tot daliegendeBauplatzist
vielleichtgar nichtgenutzt.Ebenso ziehtder Börsenspekulant sein
Einkommenaus Wertdifferenzen, der Kaufmann,der Geschäfts-
mann. Es kreuzensich fortwährend solche,die auf Thätigkeitund
Berechnung beruhen, mit solchen, die ganz zufalligerNatursind.
Wer will da praktische Grenzlinien ziehen?
AehnlicheSchwierigkeiten ergeben sich in anderenFällen.
Ich erinnerenur an das umfassende Gebietder Lebensversicherung
im weitestenSinn1). Wennjemandvon einerUnfallversicherungs-
gesellschaftein Kapital als Entschädigungerhält,soll es fürden
BezügerVermögensein; wenner dagegenstattdesseneine lebens-
länglicheUnfallrente erhält,dann soll es Einkommen sein, das er
vollständig verzehrendarf. Als ob da ein Unterschied wäre; oder
will man etwa den Satz aufstellen , das Kapital, das in einer Leib-
rentemitsteckt,dürfeverzehrtwerden,das anderedagegennicht,
oder eineLeibrente dürfenichtganz verzehrt werden?Gewiss,man
kannwissenschaftlichsolcheKapitalsaufzehrungen losgetrennt denken,
für das gewöhnliche praktische Leben führt es zu den grössten
Unzuträglichkeiten,wennman bei den mannigfachen Versicherungs-
rentenimmererst untersuchen soll, ob und inwieweitsie ζ. Β. auf
Kapitaldeckungs- oderUmlageverfahren beruhen, inwieweitVer-
mögensaufbrauch vorliegt oder nicht. Dass vollendsje jemandauf
den Gedankengekommen zu
wäre, behaupten,die deutscheAlters-
und Invaliditätsrente
eines Arbeiterssei nur zum Teil Einkommen,
oderer dürfesie, trotzdem sie so schmalbemessen,nichtganz auf-
zehren,weildie BildungdieserRentezumTeil aufKapitaldeckungs-

*) Bei Sachversicherungist dies nichtder Fall. Die Prämie ist Kosten-


aufwand; die Entschädigungist nach unsererAnsichtbei der Berechnungdes
Einkommensanzusetzen,der Schaden dagegen als Verlustan bisherigemVer-
mögenabzuziehen,um das Einkommenzu erhalten. Der Schadenkanngrosser
sein als die Entschädigung.Diejenigen,die denVorgangals Vermögensbewegung
ansehen,kommenzu ähnlichemErgebnis.
29

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
30 G. Schanz,

verfahren beruhe,glaube ich nicht. Man stössteben immerund


immerwiederauf unlösbareWidersprüche, wenn man sich nicht
entschliesstzu sagen: alle Reinvermögensbezüge einer Person in
einerbestimmten Periodegehörenzum Einkommen.
Der Einkommensbegriff hat nicht bloss eine Bedeutung,um
ein klares und einheitlichesBild über die Art der Einkommens-
und Vermögensbildung zu bekommen,sonderner dient auch als
Unterlage,um die soziale Strukturder Gesellschaft zu übersehen
und ihre Veränderungen zu verfolgen. Die Einkommensstatistik
bildetso einenwichtigen BehelffürunseresozialeErkenntnis.Man
wirdnun einwenden, durchEinbeziehungderErbschaften, Lotterie-
gewinne, Geschenke u. s. w. erhalteman falsche Bilder; in einem
Jahretretejemandin derStatistikauf mit1 Mill.M., die er geerbt
oderin derLotteriegewonnen, im anderenJahrenur mit40,000M.;
dieBerechnung derDurchschnittseinkommen werdetrügerisch. Allein
ein derartigerEinwandkannnur bei jenen verfangen,welchesich
vondemAberglauben nichtfreizu machenvermögen, dass das Ein-
kommenschlechtwegeine regelmässig wiederkehrende Grosse sein
müsse,die deshalbin derStatistikeineAufteilung derEinkommen in
demSinnsuchen,dass diese regelmässig wiederkehren, die sichnicht
entschliessenkönnen,die kolossalenSchwankungen der Einkommen
aus BörsenspieloderHandel und Industriemit einemkleinenoder
grossenLotterieanfall, Geschenkauf eine Stufezu
Erbschaftsanfall,
stellen. Uebrigensist die Verschiebung, die im Durchschnittsein-
kommensich ergibt, wenn man Erbschaftenu. s. w. einrechnet,
gar nichteinmal so bedeutend1). Zudem beruhtfaktischunsere
ganze Einkommensstatistik esslichauf der Steuer-
beinahe ausschli
statistikund ist mit allen Unvollkommenheiten behaftet,die dem
Steuerwesen ankleben.Nichtnurspielenbedeutende Hinterziehungen,
falscheSchätzungen,irrtümliche Auffassungen eine grosse Rolle,
x) Nach Soetbeer hatte die preussischeBevölkerung1886 ein Ein-
kommenvon 8884,1 Mill. M., pro Kopf der Bevölkerung314 M. (Jahrb.f.
Nationalök.,N. F. 18, S. 414 (1889). In den Jahren1888-91 betrug das in
Preussen durchschnittlich vererbteVermögen270 Mill. M. (Finanzarchiv1893,
S. 773). Rechnet man die 270 Mill. M. als Einkommen,so erhöht sich der
Einkommenskopfbetrag das als Gewinn
von 314 auf 325. Das Lotteriekapital,
in ganz Deutschlandverteiltwird,mag jetzt 150 Mill.M. betragen. Bezüglich
der Geschenkeist natürlicheine Angabe unmöglich. Das Reinvermögender
Wohlthätigkeitsstiftungen, dessen Erträgnissezu Unterstützungendienen, be-
trug 1892 in Bayern217 Mill. M.
30

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegrift"
und die Einkommensteuergesetze. g]^

sondernder Gesetzgeberhat mancherlei Gründe,die Steuerpflicht


bald enger, bald weiterzu fassen. Den Grossenkommtdeshalb
nur ein sehr bedingterWert zu, sie sind nur fürdie relativeBe-
wegungderEinkommen vonJahrzu Jahrbrauchbar.DiesemZweck
würdedie Statistikdienen,auch wenn alle ausserordentliche Ein-
kommenszugänge, sei es aus Spekulation u. s. w., sei es aus Erbschaft
oderLotteriegewinn u. s. w., stets eingerechnet würdenoder wenn
es, wie jetzt, nichtgeschieht, nur würde sie im ersten Fall richtiger
und zutreffender funktionieren als im zweiten.
Auch der Begriff Volkseinkommen bietetm. E. kein Hinder-
nis, das Einzeleinkommen so aufzufassen,wie wir es thun; der-
selbe hat nichtviel mehr Bedeutungals die einer Abstraktion.
Entwederverstehtman darunterdie Summeder Einzeleinkommen,
die man namentlichbildet, um das Durchschnittseinkommen zu
erhalten;dannist, sofernman wirklichwissenwill, wievieldurch-
schnittlich jemand zugeflossen ist, worüberer disponieren kannte,
ohne seinen bisherigenVermögensstand zu verschlechtern, so zu
verfahren , wie wir es thun , oder man abstrahiert beim'rolksein-
kommen vonden durchblosseRechts-undHandelsverhältnisse, frei-
willige Zuwendungen, Spiel und Versicherungbedingten Ueber-
tragungen, dannwirddas Volkseinkommen ein Begriff fürsich und
wird identischmit dem Konsumtionsfonds der Volkswirtschaft; es
liegt auf der Hand, dass das Volkseinkommen in diesemSinn eine
kleinereGrosse darstellt,als die Summe der Einzeleinkommen.
Schliesslichist auch vom Gesichtspunkt des Steuerwesens der
von uns festgehaltene Begriff des Einkommens der geeignetste.Im
Gegensatz zu andern Definitionen schaffter eine möglichst scharfe
Grenzlinie,er stecktdieselbeauch möglichstweit, stetsaber so,
dassnurdas hineinfallt, was als effektiverneuerZugang vonGütern,
als wirklicheBereicherungdes Bezügersangesehenwerdendarf.
Eben deshalbkannman sehrgut von diesemBegriffausgehenund
ihn zu Grundelegen. Der folgendeAbschnitt wirddie Richtigkeit
dieserBehauptungzeigen.

II.
Wie hat sich der Gesetzgebermit dem Einkommensbegriff
bisherabgefunden?Selbstverständlich
mussteer Stellungnehmen:
er konntesich nicht,wie etwa die Theorie,mit einerungefähren
vagenDefinition
begnügen,die Steuerpflicht
verlangteinekasuistische
31

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
22 G. Schanz,

Scheidungund definitive Abgrenzung.Hierzu war und ist nicht


gerade nötig, dass im Gesetz selbst eine förmliche Definitiondes
Einkommensbegriffs vorgenommen wurde, obwohlauch das manchmal
geschah,wie ζ. Β. in Sachsen,Anhalt,Hamburg,Oesterreich, wohl
aber mussteund muss der Gesetzgebereinen Einkommensbegriff
für sich zu Grundelegen, die Konsequenzendaraus ableitenund
fürdas grossePublikummöglichstdetailliert wie es zu
feststellen,
rechnenund zu verfahren hat, um das diesemBegriffentsprechende
Einkommen zu erhaltenx).
Naturgemäss stütztesich hierbeiderGesetzgeber auf das, was
ihm die Theoriebot. Die Unsicherheit, welche diese beherrschte,
machtesich auch bei ihm geltend,und es ist nichtselten, dass er
sogar gleichzeitigbald diese,bald jene Begriffsvariantebenützt;er
fühltoft,dass das oderjenes zum Einkommen gehöre,obwohldie
üblicheneinschränkenden Begriffedas nicht wahr haben wollen.
Auchwirder sich nichtimmerganz klar,welcheSteuerbefreiungen
aus dem Wesen des Begriffs folgenund fürwelchedie Begründung
ganz anderswo wurzelt oder für die es wenigstensnichtnötigist,

*) Dabei bleiben immer Lücken und schliesslichsieht man sich doch


wiedergezwungen,auf einen allgemeinenBegriffzu rekurrieren.Man kann
dies deutlichverfolgenam bayrischenEinkommensteuergesetz, das allerdings
kein allgemeinesist. Da heisstes Art.1: Wer ein Einkommenbezieht, das
nicht bereits mit Grund-,Haus-, Gewerbe-oder Kapitalrentensteuer angelegt
ist, unterliegthierfürder Einkommensteuer, gleichviel ob dieses Einkommen
ständigoder unständigist, ob es in Geld, Geldeswertoder geldwertemNutz-
genusse steht. Art.3. Jedes nach gegenwärtigemGesetze steuerbareEin-
kommenist in eine dervorbezeichneten 3 Abteilungeneinzureihen.Einkommens-
gattungen,welche unterden allgemeinenBegriffdieser Steuer fallen, in dem
Art.2 jedoch nicht besondersaufgeführt sind, werden nach der Analogie in
die betreffende Abteilungeingereiht." Hier läuft die Entscheidung, was unter
dieses Gesetz fallt, doch darauf hinaus, was man unterEinkommenveráteht.
Es ist z. B. strittig,ob Lotterie-oder Spekulationsgewinnedarunterfallen
(Sei ss er, Kommentar,I, S. 153). Auch das bayr. allgemeine Einkommen-
steuergesetzvom4. Juni1848 setzt den Einkommensbegriff voraus; siehe unten
S. 81, Note 3 - Das Reichsgerichthat in einem Urteil vom 29. Mai 1889
(Entscheid,in Zivils.,Bd. 23, S. 232) sichveranlasstgesehen,den wirtschaftlichen
Begriffdes Reineinkommens, der demfrüheren Einkommensteuer- undKommunal-
steuernotgesetzzu Grundegelegensein soll (? vgl.untenS. 82 f.),herauszuschälen;
danach wäre Einkommendie „Summe derjenigenEinnahmen(Zuflüsaeau dem
Vermögensstamme) einerPerson,welcheeinerregelmässigen Wiederholung fähig
sind und - nach Abzug der auf ihrenErwerbzu verwendenden Ausgaben-
ohne Verminderung des Vermögensstamtnes verwendetwerdenkönnen."
32

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff gg

auf einenverstümmelten oder schiefenEinkommensbegriff sich zu


berufen.
Wenn der Gesetzgeberein Existenzminimum steuerfrei lässt
oderwenner dieZahl deraufdas Einkommen angewiesenen Familien-
mitgliederberücksichtigt, indemer ζ. Β. für unmündigeKinder
einenAbzuggestattet, so hatdas mit demEinkommensbegriff nichts
zu schaffen. Die Leistungsfähigkeit wird-eben nichtlediglichdurch
die Grosse des Einkommens bestimmt.Wenn er die Lebensver-
sicherungsprämien teilweise freilässt,so kann er die Absichthaben,
das Lebensversicherungswesen überhauptzu fördernoder die Für-
sorge,die beimunfundierten Einkorn mensich als notwendig erweist,
besonders zu schützen;auchfürdieseFreilassungbrauchtman nicht
auf den Einkommensbegriff zu rekurrieren; ob sie eine gut oder
wenigbegründete ist, kann hier ausser acht gelassenwerdenl). Er
kannauch fürdie Besteuerung mancheTeile des Einkommens fallen
lassen,weilsie ihmals irrelevant erscheinen oder ihreEinbeziehung
rechnerischschwierig ist und zu unangenehmen Kontrollenführt;ich
erinnerean mancheNutzungen.Er kanngrossePostenausscheiden,
wennsie bereitsdurchandereSteuernhinlänglich getroffensind. So
wirder sichdieseFragegegenwärtig zu haltenhabenbei Erbschaften,
Legaten und Geschenken u. s. w., wenn er hohe Erbschafts- und
besitzt
Schenkungssteuern ; auch die Rücksicht auf Verkehrs-
sonstige
steuernkann in manchenFällen in Frage stehen. Gerade diesen
Punkthat der Gesetzgeber so gut wie gar nichtberücksichtigt; er
greiftmerkwürdigerweise lieberzu dengewagtesten Behauptungen und
Einkommenskonstruktionen, um Erbschaften u. s. w. zu eliminieren.
Es istnichtdie Absicht,im folgenden eine vollständige Ueber-
sichtüberdas ganze kasuistische Detail zu geben,sondernes sollen
nur einigePunkteherausgehoben werden,und zwar solche,welche
für das Grenzgebiet von besondererBedeutungsind und um die
Streitbesteht. Selbstverständlich lege ich vorwiegend die neueren
Gesetzezu Grunde2).

*) Siehe unten meinen Aufsatz: Soll man Lebensversicherungsprämien


vom steuerpflichtigenEinkommenabziehen lassen?
2) Wenn lediglichim folgendendas Land erwähntist. so sind nach-
stehendeGesetzegemeint:
Anhalt. Einkommensteuergesetz v. 18. April1886(Finanzarchiv1887S. 1035f.).
Baden. Einkommensteuergesetz v. 20. Juni 1884; Novelle v. 6. Mai 1891 u.
26. Juni 1894 (Finanzarchiv1886 S. 815; 1892 S. 484 ; 1895 S. 173).
Finanzarchiv.XIII. Jahrg. 3;J 3

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
34 G· Schanz,

1. Naturaleinkommen inklusive Nutzungen.


Ueberallgilt es als selbstverständlich,
dass der Naturalgenuss
derselbsterzeugten
Produkteseitensdes Steuerpflichtigenund seiner
Familie bei Berechnungdes Einkommensberücksichtigt werden
müsse. Eine Ausnahmeist mirnur bezüglichderselbstverbrauchten
landwirtschaftlichen
Erzeugnissebekanntbei dem KantonBasel-
stadt1)und den Vereinigten Staaten von Amerika2).Im Kanton

Bremen. Einkommensteuergesetz v. 17. Dezember1874 mit Novellen(Finanz-


archiv1890 S. 595).
Hamburg. Einkommensteuergesetz v. 7. März 1881 (Finanzarchiv1890 S. 603).
Hessen. Einkommensteuergesetz v. 25. Juni 1895 (Finanzarchiv1896, I. Bd.).
Lippe-Detmold. Einkommensteuergesetz v. 28. August 1894 (Finanzarchiv
1895 S. 784 f.).
Lübeck. Einkommensteuergesetz v. 27. Mai 1889 (Finanzarchiv1890 S. 611).
Oldenburg. Einkorn mensteuergesetz v. 6. April1864 nebstNovellen(Finanz-
archiv1891 S. 287).
Ρ reu ss en. Einkommensteuergesetz v. 24. Juni 1891 nebst Anweisungzur
Ausführung desselbenv. 5. August 1891 (Finanzarchiv1891 S. 811 f.).
Reuse ä. L. Einkommensteuergesetz v. 4. Januar1893; Ausführungsverordn.
v. 11. Januar1893 (Finanzarchiv1893 S. 841 f.).
Reu ss j. L. Einkommensteuergesetz v. 16. Juni 1890; Ausführungsbest. v.
7. Juli 1890 (Finanzarchiv189Ò S. 559).
Sachsen. Einkommensteuergesetz v. 2. Juli1878 mit Novellev. 10. März 1894
(Finanzarchiv1895 S. 763).
Sachsen-Meiningen. Einkommensteuergesetz v. 18. März 1890 nebstAus-
führungsverordn. v. 18. März 1890 (Finanzarchiv1890 S. 524).
Sachsen- Weimar. Einkommensteuergesetz v. 10. September1883 (Finanz-
archiv1885 S. 933 f.).
Schwarzburg-Rudolstadt. Einkommensteuergesetz v. 25. März 1893;
Ausführungsverordn. v. 26. März 1893 (Finanzarchiv1894 S. 242 f.).
Schwarzburg-Sondershausen. Einkommensteuergesetz v. 1. Februar
1894 (Finanzarchiv1895 S. 255).
Italien. Gesetz über die Einkommensteuer von beweglichemVermögenv.
24. August 1877, nebst Vollzugsvorschr. v. 24. August 1877 (Finanzarchiv
1889 S. 116 f.).
Luxemburg. Einkommensteuergesetz v. 9. Febr.1891(Finanzarchiv 1892S. 553).
Niederlande. Einkommensteuergesetz v. 2. Oktober1893 (Finanzarchiv1894
S. 717).
Vereinigte Staaten von Amerika. Einkommensteuergesetz v. 24. August
1894 (Finanzarchiv1895 S. 452).
*) Nach dem Gesetz vom 31. Mai 1880/21.März 1887, § 4, kommtfür
die Steuer nur der Erlös von landwirtschaftlichen Erzeugnissenin Betracht.
Schanz, Steuernder Schweiz,IT, S. 22, 35, 46; V, S. 42.
2) Finanzarchiv,XII, S. 451, Gesetz Sektion28.
34

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff gg

Baselstadt findetsie sich bereitsin dem Einkommensteuergesetz


vom 6. April 1840 und hängt mit der früheren völligenFreiheit
der Landwirtezusammen1).In den Vereinigten Staaten von
Amerika hat sie ihrenGrundin dem agrarischen Charakter des
Gesetzes,dessen Tendenzdahin geht, die Landwirtemöglichstin
der Steuerzu schonen 2).
Was die Nutzungen vomeigenenGebrauchsvermögen anlangt,
so wird ganz allgemeinvon den Steuergesetzen der Mietswert der
im
Wohnung eigenen Haus in Ansatz gebracht, wobei Hofräume,
Hausgärten,Parks mitberücksichtigt werden. Es ist mir nur ein
einzigerStaat bekannt,der noch auf dem antiquierten Standpunkt
steht, einen Hausertrag nur zu rechnen, wenn das Haus vermietet
ist, nicht aber, wenn man sein Haus selbst bewohnt. Es ist das
Mecklenburg3). Früherwar es imKantonBaselstadt nach dem
erstenEinkommensteuergesetz vom 6. April 1840 der Fall4); seit
dem Gesetz vom 1. Oktober1866 wurdedieseUngeheuerlichkeit in
der Weise zu kompensieren gesucht, dass man auch den in Miete
Wohnenden gestattete,denMietzinsvon ihremsteuerpflichtigen Ein-
kommenabzuziehen5), und seit dem Gesetzvom 31. Mai 1880 wird
der Wohnungsgenuss generell,gleichgültigob es sich um Miete
oder um Nutzungim eigenenHaus handelt,zum Einkommen ge-
rechnet6).Zweifelbestehen,ob das neue amerikanische Ein-
kommensteuergesetz vom 24. August 1894 die Benutzungeigener
Wohnung zum gesetzlichenEinkommenrechnet;der Wortlautdes
Gesetzes, das sich über diesen speziellenFall ausschweigt, gestattet
jedoch zweifellos die Einbeziehung7).
Die Nutzungen von anderem Gebrauchsvermögen, das unmittel-
barenBedürfnissen dient, wie Kleider,Hausmobiliar,sind im all-
gemeinen steuerfreigelassen. Die Einkommensteuergesetze erwähnen

*) Schanz, Steuernder Schweiz a. a. 0.


2) Finanzarchiv1895 S. 451 f.
3) Mecklenburghat Ertrages teuersystem, das aus 7 Faktoren besteht:
eine landwirtschaftlicheSteuer,eine Mietssteuervon vermieteten Wohnhäusern,
eine Gewerbesteuer,eine Besoldungssteuer,eine Erwerbsteuer vom Erwerbe
aus KunstoderWissenschaft, sowieaus höherenPrivatdienstverhältnissen,Lohn-
steuer,Zinsensteuer.RevidiertesKontributionsedikt v. 18. Juni 1874.
4) Schanz, Steuernder Schweiz,IJ,S. 34.
5) Siehe näheresebenda S. 44, 45.
fi)Ebenda S. 56.
7) Finanzarchiv1895 S. 451 f.
35

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
gg G. Schanz,

diese Eigennutzungen meistgar nichtund brauchenes auch nicht,


weil die ganze Konstruktion derselbensie von selbst herausfallen
lässt. Wenn sie ζ. Β. nur als Einkommengeltenlassen und be-
handelndie gesamtenJahreseinkünfte in Geld und Geldeswertaus
Kapitalvermögen, Grundvermögen, Pachtungenund Mieten ein-
schliesslichdes Mietswerts der Wohnungim eigenenHaus, Handel
und Gewerbeeinschliesslich des Bergbaus, gewinnbringender Be-
schäftigung, sowie aus Rechten auf periodische
Hebungen und Vor-
teile irgendwelcher Art,so ist fürNutzungenim obigenSinn kein
Raum; auch der Ausdruck„Kapitalvermögen44 gestattetkeineEin-
beziehung,da dieserAusdruck nichteinenwissenschaftlichenKapital-
begriff,sondern den des im
populären Leihkapitals Auge hat. Trotz-
dem halten mancheGesetze die Steuerfreiheit nicht für so ganz
selbstverständlichund hebensie besondershervor. So heisstes im
Bremer Gesetz AnweisungNr. 4, „der Mietwertder häuslichen
Einrichtung des Steuerpflichtigenwird nicht zum steuerpflichtigen
Einkommen gerechnet". Luxemburger Gesetzüber die Mo-
Im
biliar-und Personalsteuerist die ausdrücklicheBefreiungdurchdie
Konstruktion des Gesetzesbedingt1).
Auf eineAusnahme vonderRegel derSteuerfreiheit deutetder
Wortlautdes badischen Einkommensteuergesetzes vom28. Juli1848
und das bayrischeEinkommensteuergesetz vom 28. Juli1848 hin2).

*) Art.1. Der Mobiliarsteuerunterliegtjedwedes Einkommen,welches


weder der Grund-noch der Minensteuerunterworfenist und namentlich
1. das Einkommenaus dem beweglichenKapitalvermögensowie aus allen
Mobiliarwerten. - Art.5. Von der Mobiliarsteuersind befreit6. die Haus-
möbel und die zum Betriebe der Landwirtschaftdienenden Gerätschaften,
sowie die Haushaltungsvorräte oder andere Mobiliargegenstände, welche zum
eigenen Gebrauche des Steuerpflichtigensowie seiner mit ihm wohnenden
Familie dienen.
2) So heisst es in Art.1 des bayrischenGesetzes vom 4. Juni 1848:
„JedesreineEinkommenohneUnterschied, ob es von einer der übrigenSteuer-
gattungenschon getroffen ist oder nicht, ob es in Geld, Geldeswertoder in
Selbstbenützung besteht, ständigoder unständigist, auf Rechtsverbind-
lichkeitenoder freiemWillen andererberuht, unterliegtder allgemeinenEin-
kommensteuer."In einer Erklärung der Regierung von Unterfranken vom
20. Juli1848 heisstes: „Zu den Fällen, in welchenein in Selbstbenützung be-
stehendesreines Einkommenzu besteuernist, gehörtnamentlich, wenn
jemand sein Haus selbst bewohnt, seinen. Garten etc. selbst benützt." Man
wird annehmendürfen, dass thatsachlichvon der Nutzung des Gebrauchs-
vermögensan Mobilien abgesehenwurde. Sicher ist dies anzunehmennach
36

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegriff
und die Einkommensteuergesetze. Q7

Nähergelegenals bei derEinkommensteuer istdie Besteuerurig


des Mobiliarsbei derVermögenssteuer;
die allgemeineRegel ist aber
auchhierdie Freiheit,mancheGesetzederSchweizlassenjedoch nur
eine begrenzteWertmengefrei. Interessantist der Vorgang
Waadt's, welches die Nutzungenvom Mobiliaräusserlichden
Rentengleichstellt und zu 4°/o vom Verkaufswert in Rechnung
setzta).
Selbstverständlich die Einkommensteuergesetze
berücksichtigen
die Nutzungen,sobald es sich um solchehandelt,die von Dritten

dem bayrischenEinkommensteuergesetze vom 11. Juli 1850, wo bestimmtist:


„Bei der Berechnungdes reinenEinkommensist alles dasjenigein Ansatz zu
bringen,was der Steuerpflichtige aus der Anlegung seines Vermögens,dann
als Resultat seiner persönlichenArbeit (aus Dienstleistungenoder anderen
Produktivgeschäften),endlichaus Rechtsverbindlichkeiten oderdemfreienWillen
Dritterbezieht,gleichvielob der Bezug in Geld oderGeldeswertoderin Selbst-
benützungbesteht,ständigoder unständigist, nach Abzugjedoch der auf die
Produktionverwendeten Kosten,dann der öffentlichen Lasten oder der zu ent-
richtendenSchuldzinsen.**- Ein
Antragdes AbgeordnetenKolb, zuzufügen:
„Ebenso unterliegtdieserSteuer alles nichtschonauf andereWeise versteuerte
nichtzinsbringend angelegteVermögen,möge dasselbe in nichtzinstragenden
Schuldscheinen, Staatspapieren,Luxus- oder sonstigen Mobiliärgegen-
ständen irgendwelcher Art bestehen. Es ist von diesem inproduktivver-
wendetenVermögender Geldwertzu ermittelnund dessen Ertrag nach Mass-
gabe des gegenwärtigen Zinsfusseseinzusetzen",wurde mit allen gegen eine
Stimmeim Ausschussabgelehnt. Thatsächlichwurde bei der Fatierung auch
nur der Anschlag der Selbstbenützungbei Hausbesitz verlangt. Vgl. Beil.
Bd. III der Kammerverhandl. 1849/50,S. 437.
J)Das Gesetzyom 21. August 1886 lautet: „Art.13. Cet impôt (impôt
sur les renteset usufruits)est basé sur le montant des rentes et pensions,
viagèresou temporaires, dues annuellementau contribuable,ainsi que sur le
produitannuel de. l'usufruitdes biens meubles ou valeurs mobilièresdont il
jouit. Art.14. Les meubleset valeursmobilièresimproductifs soumisà usufruit
sont estimésà leur valeur vénale et. la renteà 4°/ode cette valeur est comptée
commeproduitde l'usufruit. u Der Wert dieser
Bestimmungist freilichin der
Mehrzahlder Fälle enormabgeschwächtdurchden Art.21: „Sont déduitspour
l'évaluationde la fortunemobilièresoumiseà l'impôt- la valeur du mobilier
par nature, des vêtementset du couchernécessairesà la famille, des usten-
siles de cuisine, des outils et instruments,si elle n'atteintpas 500 Fr. ou ce
montant,si elle le dépasse." (Schanz, Steuernder Schweiz,V, S. 387.) Dazu
kommt,dass die Berechnungnach demVerkaufs wertefürden Steuerpflichtigen
eine zu günstigeist. Wenn jemand einen Schreibtischim Wert von 200 M.
hat und er rechnet10 M. Abnützungjährlich, so sind nach 2 Jahren180 M.
vorhandenund der Zins hiervon als Einkommenzu rechnen; beim Verkauf
würdeder Schreibtischals gebrauchtesMöbel vielleichtnur 90 M. kosten.
37

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
3g O. Schanz,

gewährtwerden,wie dies ζ. Β. bei Besoldungenhäufigder Fall ist.


Dass eineDienstwohnung, wennsie vomStaat möbliert wird,höher
angeschlagen wird, als eine leere, kann als sichergelten. Ebenso
kommt vor, dass man die Nutzung derfreienDienstkleidungindasEin-
kommen einrechnen lässt. So mussζ.Β. nachderVerfügung des würt-
tembergischen Steuerkollegiums vom10. Juli 1853 zum Gesetzvom
19. September1852 der „Nutzungswert" der freienDienstkleidung
der Beamtenin Anschlaggebrachtwerden,und zwar werdenbei
Zugmeistern, Kondukteuren, Landpostboten u. s. w. 20 M. ange-
setzt. Das Häufigereist aber, dass man die Gewährung derDienst-
kleiderselbstals Einkommensbestandteil rechnet,was im Effektauf
dasselbehinauskommt, wenn die Gewährungdem wirklichen Ver-
brauchangepasstist. So sagt das sächsische Einkommensteuer-
gesetz(§ 20 Zifi'.1) : „ZumGehalteoderLohnegehörigeNaturalbezüge,
einschliesslichderfreienWohnung,Kost undDienstkleidung sind
nach ortsüblichen oder,wenndiese keinenAnhaltbieten,nach den
in derUmgegend üblichenPreisenzu berechnen/EbensoSchwarz-
burg-Sondershausen § 16,ähnlichAnhalt § 20 Ziff.1, Sachsen-
Meiningen Art. 16 u. s. w. Anderebegnügensich mit allge-
meineren Wendungen,unterdie derartige Nutzungensicherfallen.
So heisstes in denAusführungsbestimmungen vonReuss j. L. § 28:
„Ueberdies ist zu berücksichtigen, dass neben dem in baremGelde
bedungenenLohne oder Verdiensteauch die in Naturalbezügen
(z. B. freierWohnung,freierKost) oder in sonstigenVermögens-
vorteilenbestehenden Vergütungen zu demJahreseinkommen gehören
und nach den ortsüblichen Preisenmit zu veranschlagen sind."
AehnlichBremen, Hamburg, Lübeck u. s. w. *).
Man wirdkaumannehmen dürfen,dass die Gesetzgeber allge-
mein der Ansichtsind, dass die Nutzungennichtzum Einkommen
gehören;die überwiegende Freilassungder Nutzungenan Mobiliar-
vermögen wurzelt wohl hauptsächlich darin, dass, soweitnichtdie
Berücksichtigung einessteuerfrei zu lassendenExistenzminimums eine
Rolle spielt,man einesteilsdie praktischen Schwierigkeitenscheut,
die ihreAnrechnung verursacht, andernteilsglaubt,dass dieserEin-
kommensbetrag in festerProportionzum sonstigenEinkommen
steht2). Diese Annahme einerProportionalität zum sonstigenEin-
l) Die Dienstkleidung,
Dienstbotenwohnung u. dergl.lassenzumTeil-frei
Sachsen-Weimar(§§ 22, 51, 52) und Reuss ä. L. (§§ 11, 16).
2) Diese Ansichthatte auch Koscher. Er sagt m semen Grundlagen
38

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegriff
und die Einkommensteuergesetze. go

kommenist aberjedenfallseine irrtümliche; die Durchführung der


Besteuerung wäre wohl auch nicht so schwierig, als man sich vor-
stellt,wofern manetwasdurchschnittlich verführe; man müssteζ. Β.
sagen: zu Grund zu legen ist der Wert,den man bei derMobiliar-
brandversicherung anse'tzenwürde;hiervonsind 3°/o zu rechnen1).
Das Naturaleinkommen verdientnochnach eineranderenSeite
eineErörterung. Es gibtGüterbestände, die aus derProduktion des
Steuerjahres herrühren und noch nichtverwendetsind. Es fragt
sich, wie diese steuerlichzu behandelnsind. Das Nächstliegende
ist wohl,zu sagen: Bei Feststellung des Reinertrags sind zumRoh-
ertrag alle im Steuerjahrgewonnenen Produkte zu rechnen,gleich-
gültig,ob sie verkauft oderimHaushaltkonsumiert oderals Reserve
(um sie erst später zu konsumieren oder zu verkaufen)auf das
nächsteJahrübertragen werden. Sie sind in derEinkommensteuer
des Jahresberücksichtigt, aus dem sie stammen.Im nächsten Jahre
erscheinen diese Beständeals Stammvermögen, und werdensie im
Haushaltkonsumiert, so erscheinensie als Vermögensverzehrung ;
derBesitzerkannhierfür nichtnochmalssteuerpflichtig werden.Zu
ähnlichenErgebnissenkommtman auch bei ausgebildeter Buch-
führung ; denn als Gewinn führt diese uns auf,was. neu zu dem am
Anfang des Jahres vorhandenen Vermögen - wozu auch diese Be-
ständegehören- imLauf derSteuerperiode hinzutritt.Die Steuer-
gesetzefolgenauch teilweisediesemStandpunkt; mancheverfahren
aber andersund lassen in den Rohertrageinstellennur den Erlös
der verkauften und den Wert der im eigenenHaushalt ver-
zehrten Produkte;vielfachmachensie es aber so, dass sie bei
manchenEinkommen dem einten, bei manchendem anderenGrund·
satzfolgen.Preussen hatin Bezugauflandwirtschaftliche Produkte
den erstenGrundsatzfestgehalten.Es lässt deshalb (Anweisung
Art.11) in die Einnahmestellenden Geldwertdes am Schlüsse
der Periodevorhandenen Bestandesan Wirtschaftserzeugnissen., so-

der NO. § 146: „Für Steuerzwecke,wo es mehrauf verhältnismässige als auf


absoluteSchätzungankommt,würdedie Annahmehinreichen, dass jede Privat-
wirtschaftnach Massgabe ihres ÜbrigenEinkommensGerät und Kleider ge-
brauche. Man könntediesen Posten also unbedenklichweglassen."
*) In Bayernwaren189358 °/oderHaushaltungen
versichert
mit4553Mill.M.
Wenn hiervonauch das Meiste auf WarenvorräteundProduktionsmittel treffen
mag,so siehtman doch, dass grosseEinkommendurchdie Nichtberücksichtigung
der Nutzungender Steuer entgehenkönnen.
39

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
AQ Gr.Schanz,

weit dieselbenzur Verwertung durchVerkaufoder zum Verbrauch


imHaushaltbestimmt sind,und abziehenden Geldwertder aus der
vorangegangenen in die gegenwärtige Wirtschaftsperiode übernom-
menenBeständean Vorrätender bezeichneten Art. Bei denjenigen
Betrieben,in welchendie Vorräteam Schlussder einzelnenWirt-
schaftsjahre wesentlichen Schwankungen nichtzu unterliegen pflegt,
kann der Geldwertderselbensowohlbei der Einnahmeals auch
bei der Ausgabe unberücksichtigt bleiben. In Bezug auf Gewerbe
und Handel steht es auf dem zweitenStandpunkt(Anweisung
Art.18), wo dagegenkaufmännische Buchführung für die Gewinn-
berechnungmassgebendist, naturgemässauf dem ersten (An-
weisungArt. 19). Aehnlichwie in Preussenliegt die Sache in
Hamburg (Anhangzu § 4, Ziff.4, 5, 6). In Schwarzburg-
Rudolstadt wirdder ersteStandpunkt nur fürden Fall der kauf-
männischen Buchführung festgehalten (Ausf.-Verordn. Art.4, 9, 10).
Lübeck ist nach dem VorgangBremens wiederganz zu dem
erstenVerfahren zurückgekehrt l) und lässt in die Einnahmenstellen
„den Wert aller in dem Haushalt und in derWirtschaft verbrauchten
und der am Jahresschluss vorrätiggebliebenen Erzeugnisse",fügt
aber richtig- imGegensatz zu Bremen- hinzu: „soweitdieselben
nichtbereitsfrüher versteuert sind." Baden hat wiederum füralle
ArtenvonEinkommen, ohneAusnahme,fürden zweitenStandpunkt
sich entschieden (Vollzugsverordn. § 3, Ziff.4).
Im grossenGanzen führenbeide Verfahrenin der Mehrzahl
der Fälle zu den gleichenErgebnissen.Der Unterschied ist zumeist
nur,dass bei dem einenVerfahren das ersteJahreingrösseres,das
nächsteJahrein geringeres Einkommen gibt,im anderenFall um-
gekehrt.Theoretisch ist jedochdas erstere Verfahren das korrektere,
und man sollteum so mehrdaranfesthalten, als man dadurchmit
der Buchführung in Konkordanzbleibt und der Vorstellungent-
gegentritt, als ob Naturaleinkommen kein Einkommensei2). Die
zweiteBetrachtungsweise hat auch sonstihrMissliches.So entsteht
die Notwendigkeit, die Betriebskosten auf die verkauften und kon-
sumierten Produkte auszusondern, was nichtimmerleichtist unddie

l) Finanzarchiv1890 S. 639.
2) Lewald (Finanzarchiv1880 S. 344) meint, die zweite Betrachtungs-
weise entsprechemehrden Anschauungendes Geschäftslebens; das dürfteaber
nur zutreffenfürdas wenigerfortgeschrittene.
40

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegriff
und die Einkommensteuergesetze. ^.J

Gefahrerzeugt,dass sämtlicheBetriebskosten, auch die der nicht


verkauften und nichtkonsumierten Produkte,den verkauften und
konsumierten Produkten zugerechnetwerden. Das liegtum so näher,
wenn die Vollzugsvorschriften nicht ausdrücklich - die badischen
habenes jedochgethan- die Aussonderung derBetriebskosten be-
tonen. Zu einemgeradezufalschenErgebniskannder zweiteWeg
führen, wennman dasVerfahren auf die Waldungenanwendet, wie
dies z. B. seitensPreussen (AnweisungArt.13), Baden (Voll-
zugsverordn. § 3, Ziff.4), Schwarzburg-Rudolstadt (Ausfüh-
rungsverordn. Art.3, 4) geschieht.Die preussische Anweisung lautet:
„Bei Berechnungdes steuerpflichtigen Einkommensaus Forsten
(Holzungen)sind 1. in Einnahmezu stellender Erlös für die in
dem massgebenden Zeitraumaus dem regelmässigen Abtriebe,den
Zwischen-und Nebennutzungen erzieltenProdukte;2. in Ausgabe
die Aufwendungen für Aufsichtund Verwaltung,Schlagen, Auf-
bereitung, Kückenund Flössender Hölzer, sowie fürUnterhaltung
derBaulichkeiten (Forsthäuser,Brücken, Wege u. s.w.); 3. aussèrAn-
rechnung bleibendie Ergebnisseaussergewöhnlicher, nichtinnerhalb
der regelmässigen Nutzungliegenden Abtriebe,welcheals eineVer-
minderungdes Holzbestandkapitals anzusehensind. Kosten für
Aufforstungen dürften nur insoweitin Abzug gebrachtwerden,als
es sich um die Erhaltungdes Forstbestandes handelt,nicht aber
insoweitNeubeforstungen unbewaldeter FlächenbehufsErweiterung
des Forstbestandes in Frage stehen." Dies führtzu einer eigen-
tümlichen Konsequenz: Wenn jemand seine Einschlägeunterlässt,
z. B. um sich für später höhereEinnahmenzu reservieren oder
um zum Hochwaldbetrieb überzuleiten, so würde er kein steuer-
pflichtiges Einkommenhaben; und wenn er dann den Hochwald
verkauft,so kommtder Staat, fallskeineKonjunkturengewinnbe-
steuerungbesteht,überhauptum seine Steuer. Wenn der Wald-
besitzerdagegendie gewöhnlichen Einschlägemachtund den Rein-
erlöszu erweiterten Aufforstungen verwendet, dann ist Einkommen
vorhanden.Das eine wie das andereist aber nichtswie eine Er-
weiterung des Geschäftsbetriebs,in einemFall nach der intensiven,
imanderennach derextensiven Seite hin; es ist genauso, wiewenn
ein Industriellereine bessereoder grössereMaschineanschafft.
Den richtigenStandpunktvertretenReuss j. L. (§ 11),
Sachsen-Weimar (§ 45), Oldenburg (Art.7). So heisst es bei
letzterem:„Das steuerbare Einkommen aus den Holzungenbesteht
41

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
£2 G- Schanz,

in der fürdas Veranlagungsjahr nach Abzug der an Dritteveraus-


gabten Kulturkosten verbleibenden Vermehrung des Kapitalwerts,
demJahreszuwachs.*Früher galt auch in Preussendiese Regel,
wie § 7 der Instruktion vom3. Januar1877 beweist. Man begreift
schwer,weshalb man dieselbe aufgegebenhat und wie man diese
Berechnung mitdem § 9 II Z. 1 in Einklangbringenkann.
2. Wertmehrungen und Wertminderungen, Kon-
junkturengewijine, Vermögensverluste.
VomGesichtspunkt der H ermannsehenDefinition sindbei der
Einkommensfeststellung Wertmehrungen und Wertminderungen zu
berücksichtigen. Es ist auchdieMöglichkeit gegeben,überdieWert-
mehrungen in ähnlicher,wennauchnichtin ganz gleicherWeise, wie
über anderesEinkommen zu disponieren.Wennjemandein Grund-
stückhat, das jährlichdurchschnittlich um3000 M. im Wertsteigt,
so kann er durchSchuldaufnahme diese 3000 M. verzehren, ohne
in seinembisherigen Vermögen zurückzukommen; hat jemand Aktien,
die in einemJahrsehrgestiegensind,so vermager durchLombard-
darlehendie Mehrungzum Teil absorbieren.Natürlichkann er
auch durchVerkaufden Mehrwert definitivrealisieren.
Thatsächlichwerdendie Wertmehrungen undWertminderungen
auch als Elementeder Einkommensfeststellung im Steuerwesen in
weitgehendem Masse anerkannt, insoweitnämlich die kaufmännische
Buchführung üblich und als Grundlagefür die Eruierungdes
Reingewinneszugelassen ist. Denn derselbeergibt sich nach
kaufmännischen Grundsätzen durcheine Bewertungdes Vermögens
in zwei verschiedenen Zeitpunkten und Feststellungder Differenz.
Die Heranziehungder Inventur und Bilanz ist für Handels- und
Gewerbebetriebe in den Steuergesetzen bereitssehr häufig,wenn
auch mit Abweichungen *). Namentlichscheint in
untereinander
manchenGesetzender AusdruckAbnutzungauch im Sinn der

*) Vgl. Sachsen (§ 21, Instrukt.§ 04); Anhalt (§ 21); Schwarzburg-


Rudolstadt (§ 13, Ausführungsanweis. Art. 10); Schwarzburg-Sondershausen
(§ 17); Sachsen-Meiningen (Art. 17);* Preussen (§ 14, Anw. Art. 19); Lippe-
Detmold(§ 10); Reuss ä. L. (§ 13); Württemberger Entwurf(§ 12); Hamburg
(AnhangZiff.5 letzterAbs.,Ziff.6) ; Bremen(AnhangZiff.6 letzterAbs., Ziff.7) ;
Lübeck (§ 8 Ziff.2). Nur andeutungsweiseist darauf Bezug genommenbei
Reuss j. L. (§ 27 der Ausfuhrungsbest.) ; Schaumburg-Lippe(§ 16). Ausge-
schlossenscheint die kaufmännische Betrachtungin Baden (vgl. Art.3 letzter
Abs. und Vollzugsvorschriften).
42

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff 43

Wertminderung gebrauchtzu werden,währendandere zwischen


beidenunterscheiden.
Nun wäre es freilichein Irrtumzu glauben, die Mehr-und
Minderwerte kämenbei allen Objektenzur Geltung. Der Bilan-
zierendeist nichtgeneigt,alle Objektein die Bilanz zumVerkehrs-
wert einzustellen,und es ist auch unrichtig,dass der sehr vag
gehalteneArtikel31 des Handelsgesetzbuchs dies schlechtweg ver-
lange1), obwohl dies vielfach angenommen wird2). Der Geschäfts-
mannunterscheidet Betriebs-undVeräusserungsgegenstände. Erstere
setzter zum Anschaffungspreis an, unterBerücksichtigung der Ab-
nutzungund Entwertung;ζ» Β. wennjemandein Hotel kauft,so
legt er den Kaufpreisin seinerBuchungzu Grunde,um gerade
dadurchzu ersehen,wie hoch bei Berechnungseines Geschäfts-
gewinnesseineKapitalanlagesich verzinst;er ändertden Buchwert
nicht,auch wennder Wert des Hotels inzwischen,ζ. Β. lediglich
infolgeseinerLage, sich verdoppelthat8). Veräusserungsgegen-
stände setzt der Geschäftsmann zum Verkehrswert an, zumeist
jedoch nichtzum Verkaufs-, sondernAnschaffungswert zur Zeit der
Bilanzaufstellung, weil der solide Geschäftsmann eine Abneigung
hat, einen noch nichtrealisiertenGewinnals einen bereitsfest-
erlangtenanzusehen4).Wird eine Ware oder ein Gegenstand ver-
kauft, so kommtdie Differenzdes Veräusserungswerts des und
Werts zu dem sie in der letztenBilanz figurierte (bezw. im Lauf
des Jahreshergestellt wurde), infolge des Buchungssystems zur
Geltung*). Es hat z. B. ein Bankier100,000 M. Aktien; er hat
sie zu 100°/oerworben;bei dernächsten Bilanzierung stehensie 8O°/o
und er nimmtsie zu diesemWert in die Bilanz; Wertminderung
20,000; sein Einkommen wirdum diesenBetraggeringer;imLauf

*) VgL Simon, Bilanzen der Aktiengesellschaften und Kommandit-


gesellschaften auf Aktien. Berlin 1886.
2) So auch von der Steuerpraxis. Siehe die Anschauungdes sächsischen
Finanzministeriums in den Mitteil.aus derVerwaltungder direktenSteuernim
KönigreichSachsen,Bd. III, S. 157, 245 ; Bd. IV, S. 500.
3) Doch gibt es Ausnahmen,ζ. Β. wenn es sich um Objekte handelt,
deren Buchwert massgebendsein soll für Auseinandersetzung beim Aus-
scheideneines Gesellschafters.
4) Bekanntlichbewegensich die speziellerenVorschriften für die Bilanz
bei Aktiengesellschaften auch in dieser Richtung.
δ) Vgl. hierzu auch Mitteil,aus der Verw. der dir. Steuernim Konig-
reich Sachsen,III, S. 306 f.
43

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
44 G· Schanz,

des nächstenJahressteigensie wiederauf 100°,ο ; Wertmehrung


20,000 M., sein Einkommenist um 20,000 M. höher geworden;
im drittenJahreverkaufter sie zu HO°/o; Gewinn10,000; Ein-
kommenserhöhimg 10,000.
Wirkönnensagen,dass im Bereichder kaufmännischen Buch-
führungdie Wertmehrungen und Wertminderungen zum grossen
Teil, stets aber die realisiertenGewinneund Verlustezur Gel-
tung kommen. Wenn eine Aktiengesellschaft oder ein privates
industrielles
Unternehmen gelegentlichGrundstückeoderWertpapiere
verkauft, so werdendie darangemachten GewinneoderVerlusteim
Reingewinndes Jahressich geltendmachen. In welchemMasse,
hängt davon ab, inwieweitdurchfrühereBuchungendie Wert-
steigerungen oderWertminderungen schonkonsumiert sind. Ausser-
halb des Bereichsder kaufmännischen Buchführung ist diese ganze
Prozedurnichtüblichl). Man stellt bei Feststellungseines Ein-
kommens nichtfest,ob derKurseinerObligationhöheroderniederer
steht, sondernhält sich an den Zins, den man von ihr hat. Man
kann auch da, wo es sich um Anlagen handelt,von den momen-
tanenWertenabsehen, ebenso wie derjenige,der ein Hotel oder
Haus gekaufthat, es thut,selbstwenner Buchführung hat. Nicht
absehenkann man aber von der Thatsache,dass beim Realisieren
Gewinnoder Verlustgemachtwird. Denn ein erheblicher Unter-
schiedin der Besteuerung darfdoch nichtlediglichdurchdie Form
der Gewinnfeststellung begründetwerden,kann doch nicht davon
abhängen,ob man kaufmännische Buchführung hat oder nicht. In
dem Momentder Realisierungmüssensich die Steuerpflichtigen
gleichstehen,und das geschieht,indemman die bis zum Moment
der Realisierungsich ergebendenWertmehrungen und Wertmin-
derungenim Einkommenberücksichtigt.Das ist nichtsanderes
als die Frage, ob die Konjunkturengewinne und -Verlustezum
Einkommen gehören.
Infolgefalscher
Einkommensbegriffe war man bisherbezüglich

*) So hat auch Holland in seinemnach schweizerischer


Art konstruierten
Einkommensteuergesetz - wegen der daneben bestehendenVermögenssteuer
werden4% für das Geschäftskapital abgezogen - ausdrücklichdiesen Stand-
punkteingenommen.Art.3 § 1 sagt: Les profitsou pertesresultantde place-
mentsde capitaux en fonds, marchandises,meublesou immeublesautresque
ceux exigés par l'exercicede l'industrie,du commerce,du métier ou de la
professionn'entreront pas en ligne de compte.
44

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegriíf
und die Einkommensteuergesetze. ^g

undwurdeeinegerechte
dieserinVerlegenheit Gleichstellung
gehindert.
Weder mit dem Momentder Regelmässigkeit noch mit dem der
dauerndenQuellevermochte manstrenggenommen die Konjunkturen-
gewinne dem Einkommen einzuverleiben; galtenals „Vermögen"
sie
im Gegensatzzu Einkommen, es war „Vermögensbildung*, nichtEin-
Die
kommensbildung. Steuergesetzgeber liessen sich dadurch zu-
rückschrecken*), und erst die harteWirklichkeit musste sie über-

!) Auf diesem Boden scheint unter anderen Baden zu stehen. Wie


MinisterialratLew aid in einem „Vortragüber das neue Einkommensteuer-
gesetz,gehaltenin der Monatsversammlung des KarlsruherGewerbevereins am
22. April 18S5", ausführt,liegt dem Gesetz folgendewissenschaftliche Begriffs-
bestimmung- es ist augenscheinlich die Wagner sehe - zu Grunde: „Ein-
kommeneinerPersonist die Summeder wirtschaftlichen" Güter,welcheihr in ge-
wissenPeriodenregelmässigund daher mit der Fähigkeitregelmässiger Wieder-
holungals ReinerträgefesterErwerbsquellenneu als Vermögenhinzuwachsen,
und weiterdie periodischfortdauernden Nutzungenihres der unmittelbaren Be-
dürfnisbefriedigung gewidmeten Vermögens."L e w a 1d bemerkthierzu: „Dieser
wissenschaftlichen Begriffsbestimmung entsprichtauch die Auffassungdes Ge-
setzes, wie sich aus dessen Einzelbestimmungen ergibt. Die Nachhaltigkeit,
Regelmässigkeit, Periodicitätder Bezüge ist also ein Merkmaldes
wesentliches
Einkommensbegriffes, und es sind darumErwerbungen, welchender Charakter
des rein Zufälligen, des Einmaligen(!) anhaftet - wie Geschenke, Spiel-
gewinsteu. dgl. - zum Einkommennicht zu rechnen. Dagegen ist, damit
ein Bezug als Einkommengelte, nichtunbedingterforderlich,dass dem Em-
pfänger ein Rechtsanspruchauf denselben zustehe; es sind z. B. gewöhnlich
wiederkehrende Belohnungen,Remunerationen, welche der Staat oder sonstige
Geschäftsherren ihrenAngestellten zu gewährenpflegenund welchedie letzteren
zu fordernkeineswegsberechtigtsind, dessen ungeachtetals Einkommenzu
betrachten."Danach scheintfürKonjunkturengewinne kein Raum zu sein, wie
ja auch Baden die Feststellungdes Einkommensauf Grundder kaufmännischen
Buchführung ablehnt. Es ist nur eine Konsequenz,wenn das Gesetz im Art.3,
letzterAbsatz, dann auch „die Verlusteam Vermögensstämme1* nichtabziehen
lässt. Nicht ohne Interesseist, was die Kommissionder ErstenKammer in
ihrem BerichtS. 15 hierzubemerkt. „Von einer Minderheitder Kommission
wurde diese Bestimmungbekämpft. Dieselbe war der Meinung, dass eine
solche Bestimmungden Anforderungen der Billigkeit insofernnicht ganz ent-
spreche, als Verluste am Vermögensstamme nur bei den Gewerbetreibenden,
bezw. Kaufleuten mit einer gewissenRegelmässigkeitvorkommen,dergestalt,
dass von dem fraglichenVerbot überwiegendnur die genanntenBerufsklassen
betroffen würden. Diese Verlusteseien als ein im Gewerbebetrieb regelmässig
wirkender,den Reinertragmindernder Faktor anzusehen,der bei der Steuer-
veranlagungnichtunberücksichtigt bleiben könne,wennder Gewerbetreibende
niciitungünstiger gestelltwerdensolle, als die übrigenSteuerpflichtigen. Das
Verbotdes Abzuges dieserVerlustekönne die Folge haben, dass ein Gewerbe
45

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
46 G. Schanz,

zeugen, dass man hier nur -mit Phantomen operiere. Mehr und
mehr brichtsich der Gedanke Bahn, dass alle Konjunkturengewinne
und alle Vermögensverlustebei Feststellung des Einkommens in
Anrechnunggebracht werden müssen. Das entsprichtaber auch
dem von uns festgehaltenenBegriff. Der Konjunkturengewinn ist
ein Reinvermögenszugangwie jeder andere auch; und wenn Ein-
kommen das ist, worüber ich disponierenkann, ohne in meinem
bisherigenVermögensstockzurückzugehen, so ist klar, dass der
Vermögensverlusterst abgezogen werden muss, ehe ich von einem
Einkommen reden kann; es ist hier nicht anders, wie mit Ab-
nutzung, Abschreibung auch. Lässt man eine volle Berücksich-
tigungnur zu bei denen, welche kaufmännische Buchführunghaben,
begehtman eine flagranteUngerechtigkeit.Warum soll der Beamte,
der Landwirt nicht auch das Recht haben, bei einer Aktie, die er
um den halben Ankaufspreisverkaufthat, diesen Verlust bei Fest-
stellung seines Einkommenszur Geltung zu bringen?
Die bis jetzt bei der EinkommensteuergemachtenVersuche,
die Konjunkturengewinneauch bei Nichtkaufleutenund Nicht-
gewerbetreibenden(ohne kaufmännischeBuchführung)dem steuer-
pflichtigenEinkommen zuzurechnen, lassen sich in drei Gruppen
bringen.

treibender,der in einer kritischenZeit Verlugtebis zur halben Höhe seines


Vermögenserleide,gleichwohlaus der verbleibenden Hälfte noch einenGewinn
versteuernmüsse, lediglichweil der den Ertrag mehrals aufzehrendeVerlust
bei der Steuerberechnung unberücksichtigt bleibe. Gegen dieses Verbot sei
noch weitereinzuwenden,dass in einzelnen Fällen meist gar nicht
festzustellen sei, ob ein Verlust am Vermögensstamme oder
am Einkommen vorliege. Man könne die Frage aufwerfen, ob die Ein-
bueee des Gewerbetreibenden an schlechtenAusständenoder infolgedes Falli-
mentsseines Bankiersals Verlustin ersteremoder letzteremSinne anzusehen,
und wennsich herausstellensollte, dass es seinerNatur nach zum Teil der
einen,zumTeil derandernGattungangehöre,so bleibe immernochdie weitere
Frage offen,wie die Quote berechnetwerden solle, welche von dem zu de-
klarierendenEinkommenin Abzug gebrachtwerdendürfe? Für den Redlichen
eine Quelle der Verlegenheit,der minderGewissen-
bilden solche Vorschriften
haftesetze sich darüberhinweg. Die Mehrheitder Kommissionvermochtesich
indes dieserAnschauungnichtanzuscbliessen. Sie war der Meinung,dass der
Abzug vonVerlustenam Vermögensstamm sich für die Vermögenssteuer eigne,
nicht aber für die Einkommensteuer.Ueberdies könne die Zulassung eines
solchenAbzugs störendeFolgen nach sich ziehen, deren Tragweite sich nur
schwerübersehenliesse."
46

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegriff
und die Einkommensteuergesetze. 4.η

a) Man nimmtvielfach,wenn ein wiederholtes spekulations-


mässigesKaufenundVerkaufen sichgegenübersteht, einenGewerbe-
betrieban; derGewinnistdannkein„Vermögen", sondern Gewerbs-
verdienst, auch wenn der Spekulant sonst kein Gewerbetreibender ist.
So wurdeschonvor demEinkommensteuergesetze von1891 in
Preussen in dieserRichtung vorzugehen gesucht. „Die bittereNot",
sagte der in der
Regierungsvertreter Sitzung vom 12. Februar 1891,
„hat uns die der
gezwungen, Besteuerung spekulativen Geschäfte im
Wege derPraxisdurchzuführen. Es istdas gar nichtsNeues,ichwill
nur ein Beispielhieranführen, was, glaube ich, schonin derKom-
missionangedeutet war. Wir haben, und nichtvereinzelt, Steuer-
pflichtige, deren ganzesVermögen in Grundbesitz festliegt.Darin
liegen sehr bedeutende Summen; ich will ein Mass nichtangeben.
Es handeltsich um billigangekaufte Baustellenin dernächsten Um-
gegend der Stadt. Die ganze Familie lebt einfach von dem Verkauf
dieserauf Spekulationangekauften Baustellen;sie treibtsonstkein
Geschäft, sie hat keine Einnahmen. Wenn sie nichtaugenblicklich
ein solchesGrundstück verkauft, lebt sie auf Kredit. Sie lebt aber
sehrgut und gibt ein sehrBedeutendesaus und kann das, weil sie
vielleichtMillionenbei der gelungenenSpekulationgewinnt. Ja,
meineHerren,wollenSie denndieseFamilienin die unterste Klassen-
steuerstufe veranlagenoder ganz freilassen?Wenn Sie das nicht
wollen,da bleibtIhnennichtsübrig,als zu sagen: die Gewinne,die
aus der Grundstücksspekulation hervorgehen, sind Einkommenund
als solcheszu besteuern tt
*).
In ähnlicherWeise scheintman sich auch anderwärts zu be-
helfen.In Sachsen sagt das Gesetzim § 15: „AlsEinkommen gilt
die Summealler in Geld oder Geldeswertbestehenden Einnahmen
der einzelnenBeitragspflichtigen mitEinschlussdes Mietwertes der
im
Wohnung eigenen Hause oder sonstiger freierWohnung, sowie
des Wertesder zumHaushalteverbrauchten Erzeugnisseder eigenen
Wirtschaft und des eigenenGewerbebetriebs abzüglichder auf Er-
langung, Sicherung und Erhaltung dieser Einnahmen verwandten Aus-
gaben, sowie etwaigerSchuldzinsen, auch sofern dieselben nicht zu
den soebenbezeichneten Ausgabengehören/ Dieser Definitionwürde.
es unstreitig entsprechen, realisierteKonjunkturengewinne einzube-

l) Verhandlungendes Hauses der Abgeordneten, 17. Legisl., III. Session,


1890/91,S. 817. Vgl. auch den Kommissionsbericht
S. 22.
47

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
48 G-Schanz,

ziehen, dagegen würdenVerlustenur gezwungendarunterzu sub-


sumierensein. Die ganze kaufmännische Betrachtungsweise mit
ihrenVermögensmehrungen und -minderungen passt nicht recht zu
der Definition,die mitEinnahmenund Ausgabenoperiert. Es ist
nun aber nochfolgender Absatzbeigefügt:„Ausserordentliche Ein-
nahmendurchErbschaftenund ähnliche Erwerbungen gelten
jedoch nicht als steuerpflichtiges Einkommen,sondernals Ver-
des
mehrungen Stammvermögens, kommen sie daherebensowie Ver-
minderungen des letzteren- vorbehaltlich
der Bestimmung in § 21
1
Punkt x) - nur insoferninBerücksichtigung,als dieErträgnissedes
Vermögensdadurchvermehrt oder vermindert werden." Während
also bei kaufmännischer Buchführung Konjunkturengewinne undVer-
lustebei derEinkommensfeststellung zurGeltungkommenkönnen ?),
ist nach dem Gesetz anzunehmen,dass ausserord entlicheGewinne
beim Grundstücksverkauf oder bei Veräusserung von Wertpapieren
bei allen nichtdem Handel-und Gewerbebetriebe Angehörigen aus
dem steuerpflichtigen Einkommen entfallen.Alleindie Steuerpraxis
hat sich nichtauf diesenBoden gestellt,vielmehr,wie die unten
mitgeteilten sehr lehrreichen Entscheidungen zeigen, soweit nur
möglich eine gewerbsmässigeThätigkeitkonstruiert, um diese
Gewinne aus der„Vermögens Vermehrung" herausin das „Einkommen"
zu führen.Dies gilt vor allemvon denGrundstücksspekulationen ό).

l) „Beim Handels- und Gewerbebetriebe ist der Reingewinnnach den


Grundsätzenzu berechnen,wie solche für die Inventurund Bilanz durchdas
Handelsgesetzbuch vorgeschrieben ist und sonst dem Gebraucheeines ordent-
lichenKaufmannsentsprechen ; insbesonderegilt dies vomZuwachsund ander-
seits von der Abnutzung des Anlagekapitals, sowie von Forderungenund
Schuldenund derenZinsen. Im übrigen leiden die in § 15 aufgestelltenall-
gemeinenGrundsätzeauch hier Anwendung."
2) Die Steuerpraxishat hier einen sehr diffizilenUnterschiedgemacht;
nur das Geschäftsvermögen (das zu geschäftlichen Zweckenbenutzte)unterliegt
den Grundsätzender Bilanzaufstellung so, dass das steuerlichrespektiert
wird,
das übrigenicht, selbst wenn es thatsächlichmit in die Bilanz aufgenommen
wird; vgl. ζ. Β. Mitteilungenaus der Verw. der dir. Steuern im Königreich
Sachsen. V, S. 245, 246.
3) Aus der Entscheidungvom 11. Juni1887. Die Ansichtdes Beschwerde-
führers,dass der von ihm aus der Spekulation mit Bauareal erzielteGewinn
nur als eine aussergewöhnliche Vermögensmehrung und nicht als ein Ein-
kommenaus Gewerbebetrieb zu behandelnsei, ist irrig. Wie in der angefoch-
tenenEntscheidung in UetTereinstimmungmitdemAktieninhalte und den eigenen
Angaben des Beschwerdeführers in der anderweitenReklamationthatsächlich
48

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff ^Q

Das Gleiche ist aber auch der Fall bei Spekulationen


in Wert-
hatdas sächsische
papieren;wenigstens Ministerium
dies für„Börsen-
festgestelltist, betreibtderselbedie SpekulationmitBauareal gewerbs massig
und hat aus diesemGeschäfteim Durchschnittder Jahre1882 bis mit 1884
aus derVeräusserung vonBauareal nach Abzug der auf die veräusserten Flächen
anteilig entfallendenUnkosteneinen Gewinn von 29,032 M. jährlich erzielt.
Dieser Gewinn ist nichts anderes als das Ergebnis seinerSpekulationsunter-
nehmung,also seinerauf Erwerbgerichtetendurchdie erforderlichen Betriebs-
mittel unterstützten Thätigkeit. Dass dieser Gewinn für ihn selbst zugleich
die WirkungeinerVermögensvermehrung hat, ist einflusslos
auf dessensteuer-
liche Beurteilungund kann jedenfallsnicht dazu führen,denselbenwie die in
§ 15 unter2 des Einkommensteuergesetzes bezeichnetenausserordentlichen Ein-
nahmen,welche ihremUrsprüngenach von einem Geschäftsgewinne der hier
fraglichenArt wesentlichverschiedensind, mit seinemStammbetrage bei der
Feststellung des steuerpflichtigenEinkommens des Beschwerdeführers ausser
Betrachtzu lassen. Der von ihm erzielteGewinnbildet vielmehrzunächstein
Einkommen aus Gewerbebetrieb und später, sobald er kapitalisiert
und als Kapital werbend angelegtwird, eine neue Einkommensquelle, deren
Erträgnisseebenfallswiederumals Einkommenbei derBesteuerung in Anschlag
zu bringensind. (Mitteil,aus der Verw.der dir.Steuernim KönigreichSachsen,
Bd. Ill, S. 384.)
Aus der Entscheidungvom 17. Februar1894. Die bei der Entscheidung
erfolgte,den alleinigenStreitpunkt bildendeAnrechnung gewerblichen Ein-
kommenserscheintnach demAkteninhalt gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer
hat zwei währendder Jahre1886 und 1887 für seineRechnungerbauteHäuser
im Jahre1889 beziehentlich1891 veräussert,weiter im Jahre1889 von dem
ApothekerA. Areal erworben,um dasselbe alsdann währendder Jahre1890
und 1891 mitzwei neuenHäusern zu bebauen, fernerzu Beginndes Jahres1893
das eine dieserHäuserzum Verkaufgebrachtund bald daraufdemDr. med.P.
Grundund Boden abgekauft,auf dem wiederumein Haus von*ihm errichtet
wordenist. Hieraus und da überdiesdas von ihm beigebrachte Zeugnisder
BaumeisterK. und R. erkennenlässt, dass die Genanntenim November1893
von ihm abermals mit der Errichtungeines Wohnhausesbeauftragtworden
sind, ergibtsich hinlänglichdie Richtigkeitder Annahme, dass er durchden
Erwerbvon Baustellen und die Veräusserungder darauf errichtetenHäuser
eine Spekulationsthätigkeit ausübt und insbesondereauch zur Zeit der vor-
jährigen Einschätzungausgeübt hat. Wenn hierbeidie einzelnenAusübungs-
akte durchlängere Zwischenräume getrenntgewesensind, so erklärtsich dies
aus der Art des fraglichenGeschäfts,das seinerNatur nach in nichtununter-
brochenerFolge sich vollziehenkann. Die Behauptungdes Beschwerdeführers,
dass Gewerbetreibende gleicherArt bisher unbesteuertgeblieben seien, bietet
nurVeranlassung,die nachträgliche HeranziehungderBetreffenden zu erwägen,
nichtaber dazu, die Veranlagungdes Beschwerdeführers aufzuheben. (Mitteil.
aus der Verw. der dir. Steuernim KönigreichSachsen,Bd. V, S. 220.)
Aus der Entscheidungvom 18. Mai 1894. Allerdingsstimmtdie Fest-
stellung der Vorinstanz,dass der Beschwerdeführer, abgesehenvon der im
Finanzarchiv. XIII. Jahrg. 49 4

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
5Q O. Schanz,

es wird wohl bei einemPrivaten,der


geschäfte"ausgesprochen;
Wertpapierekauft, um sie bei günstigerKonjunkturwieder zu
Jahre1890 erfolgtenErwerbungvon Feldgrundstücken in den letzten Jahren
zu wiederhol tenmalen Areal aufgekauftund mit Gewinn wieder ver-
äussert habe, nicht mit dem Akteninhalteüberein,insofernaus diesemnur
hervorgeht, dass vor dem Jahre1890 bloss in den Jahren1878 und 1884 Areal
erworben worden ist, das noch in den Händen des Erwerberssich be-
findet. Auch ist dem Beschwerdeführer darin beizupflichten,dass ihm die
Abtrennung und VeräusserungeinzelnerBaustellenvon seinervieleJahrefrüher
erkauftenStammbesitzungnicht als Ausflusseiner Spekulationsthätigkeit an-
gerechnetwerdenkann, da zu den Begriffserfordernissen einer solchengehört,
daes schon beim Ankaufedie Absicht gewinnbringender Weiterveräusserung
vorgelegenhat. Gleichwohlaber erscheintdie Annahme der Reklamations-
kommission, dass von demBeschwerdeführer steuerpflichtigesEinkommendurch
gewerbsmässigen Grundstückshandel erzieltwerde, gerechtfertigt;
denn der Beginn einer derartigenErwerbsthätigkeit ist ohne Rechtsirrtum aus
dem im Jahre1890 bewirktenAnkaufe eines grösserenKomplexes und dem
fortgesetztenVerkaufe einzelnerTeile desselben in Verbindungmit dem Zu-
geständnissedes Beschwerdeführers gefolgertworden,dass er jenen Ankaufin
der Hoffnungauf allmähliche gewinnbringende Veräusserungbewirkthabe.
Zur Beseitigungdieses Zugeständnissessind die in der Beschwerdeschrift ent-
haltenenAngabennichtausreichend,zumal da die gegenwärtigeInstanz für
eine nochmaligeErörterungdes Sachverhaltsin thatsächlicher Beziehungun-
zuständigist. (Mitteil,aus derVerw. der dir. Steuernim KönigreichSachsen,
Bd. V, S. 222.)
Aus der Entscheidungvom 4. Mai 1894. Von dem Beschwerdeführer
wird mit Recht geltendgemacht, dass ihm, da der Geschäftsverkehr mit Im-
mobiliennicht unter das Handelsgesetzbuch falle, auf Grund dieses Gesetzes
die Aufstellung von Inventurennichtangesonnenwerdendürfe. Zu einersolchen
erscheinter aber auch nach dem Einkommensteuergesetze nicht verbunden.
Die Grundstücke,die ein Güterspekulantzum Verkaufebereit hält, können
ihrergeringenAnzahl halber und bei den grossenZwischenräumen, in denen
ihr Umsatz sich vollzieht,schon an und fürsich nichtwie ein kaufmännisches
Warenlager beurteilt werden. Es kann vorkommen,dass innerhalb eines
3jährigenZeitraumeskeines dieser Grundstückezum Verkaufegelangt,und es
würde nicht gerechtfertigt sein, in einem solchenFalle trotzdemein Ein-
kommen aus Gewerbebetrieb lediglichwegen einer inzwischenetwa
eingetretenen Wertssteigerung des einen oder anderen Besitztumsin Ansatz
zu bringen,dies um so weniger,als der Grundstücksspekulant bei der Eigen-
tümlichkeit seines Geschäftsnichtin der Lage ist, seine Grundstücke wie der
Kaufmannseine Ware bei dem Eintritteeiner günstigenKonjunktursofortzu
veräussern. Seine Beiziehungzur Einkommensteuer hängt mithinnur davon
ab, ob und in wie weit er währenddes seinerjeweiligenEinschätzungvoraus-
gegangenen3jährigen Zeitraumesdurch Verkäufe,deren Ergebnis den Ein-
kaufspreiszuzüglich etwaiger auf die Sache bewirkterVerwendungenüber-
steigt, einen Gewinnerzielthat, und es muss fürgenügenderachtetwerden,
50

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommeusbegriff g|

verkaufen,auch wenn es im Kassengeschäft geschieht,analogur-


teilen*).
b) Eine Reihe neuererSteuergesetze hat die Interpretations-
kunstbeiseitegeschoben und durchAufnahme einerentsprechenden
Bestimmungungefährdas Nämlichezu erreichengesucht. Der
Accent ist aber nichtmehrsowohldaraufgelegt, dass ein wieder-
holtesKauf-undVerkaufsgeschäft vorzuliegenbraucht,sondernauch
ein einzigesKauf- und Verkaufsgeschäft genügen,wofernnur
kann
die beidendurcheinespekulative Absichtmiteinander verbundensind.
Den Reigen hat Preussen in dem Einkommensteuergesetz vom
24. Juni1891 eröffnet.
Das preussischeGesetzbestimmt:㤠7. Als Einkommen gelten
die gesamtenJahreseinkünfte der Steuerpflichtigen in Geld Und
Geldeswert aus 1. Kapitalvermögen, 2. Grundvermögen, Pachtungen
undMieten,einschliesslichdes Mietswertes der Wohnungim eigenen
Hause, 3. Handel und Gewerbe einschliesslich des Bergbaues,
4. Gewinnbringender Beschäftigung, sowie aus Rechtenauf perio-
discheHebungenundVorteileirgendwelcherArt,soweitdieseEin-
künftenichtschonunterNr. 1 bis 3 begriffen sind. § 8. Ausser-
ordentliche Einnahmenaus Erbschaften,Schenkungen, Lebensver-
sicherungen, aus dem nichtgewerbsmässig oder zu Spekulations-
zweckenunternommenen Verkaufvon Grundstücken und ähnliche
Erwerbungen geltennicht als Einkommen,
steuerpflichtiges sondern

wenn er hierüber(bei Parzellierungenund Teilverkäufenzugleich auch über


das Grössenverhältnis des veräussertenGrundstückszu dem ursprünglicher-
worbenenGesamtkomplex) durchbeweiskräftige Aufzeichnungen Aufschlussgibt.
(Mitteil,aus der Verw. der dir. Steuernim KönigreichSachsen,Bd. V, S. 223;)
vgl. fernerebenda Bd. V, S. 210.
*) Aus der Entscheidung vom24. Dezember1883: „WennderBeschwerde-
führerglaubt, dass er wegen des Betriebsvon Börsengeschäften für eigene
Rechnungüberhaupt nicht mit einem Gewerbseinkommen eingeschätztwerden
könne, da die Ergebnisse dieses seines Geschäftsbetriebs lediglichin den Er-
trägnissender von ihm erworbenen Papiere zur Erscheinungkommen,so kann
ihm hierinnichtbeigepflichtet werden. Denn der BetriebvonBörsengeschäften
ist an sich wohl geeignet,einen in den Zinsen-und Dividendenerträgnissen der
Papiere, welche den Gegenstanddieser Geschäftebilden, nicht mit zum Aus-
druckgelangendenKursgewinn abzuwerfen,welcherauch dann als gewerbliches
Einkommensich darstellt,wenn die fraglichenGeschäftezwar nur füreigene
Rechnung,aber untersolchenUmständenbetriebenwerden,dass in derenBe-
triebe eine auf Erzielung derartigerGewinne gerichteteErwerbsthätigkeit zu
findenist.- (Mitteil.Bd. I, S. 134.)
51

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
52 G-Schanz,

als '7ermehrung des Stammvermögens und kommenebensowieVer-


minderungen des Stammvermögens nur insofernin Betracht,als die
Erträge des letzteren dadurch vermehrt oder vermindert werden/
§ 9 bestimmt das Nähere über die abzuziehenden Ausgaben,Schuld-
zinsen,Lasten u. s. w.
Die Motivedes Gesetzentwurfes bemerkten hierzu: „Aus den
des
Eingangsworten § 7, wonach die ,gesamten Jahreseinkünfte...
in Geld oderGeldeswert1 als Einkommen gelten,in Verbindung mit
den Bestimmungen des § 8 ergibtsich*), dass alle gemäss§ 8 nicht
denCharakter desunmittelbaren Vermögenszuwachses ansichtragenden
als
Erwerbungen steuerpflichtiges Einkommen geltensollen. Nament-
lichbeziehtsich dies auf denGewinn,welchenSteuerpflichtige, auch
wenn sie nichtdem Stande der Handels- und Gewerbetreibenden
angehören, imLaufe der fürdie Berechnung des Einkommens mass-
gebenden Periode durch spekulative Unternehmungen irgend welcher
Art oder durchdie Beteiligungan solchenUnternehmungen erzielt
haben,vorausgesetzt, dass der Gewinnauch wirklichrealisiertoder
geschäftsmässig vereinnahmt ist. Dass solche Gewinne,wenn sie
von den Steuerpflichtigen zur Bestreitungihrer Bedürfnisse ver-
wandtwerden,trotzihrerUnbestimmtheit und Unregelmässig-
keit Einkommen in steuerlichem Sinn darstellen,kann nichtwohl
bezweifeltwerden. Aber auch wenn derartigeGewinnevon den

*) Das ist unrichtig; denn als (Roh-)Einkommen gelten nach § 7 nicht


die gesamten Jahreseinkünfte der Steuerpflichtigen in Geld- und Geldeswert
schlechtweg,sondern nur die aus Kapitalvermögenetc.; diese Aufzählung
decktnun gar nichtrechtden vorliegendenFall; man hat sich so geholfen,
dass man, soweitGrundstücke in Betrachtkommen,diese Gewinne zum Ein-
kommenaus Kapitalvermögengezählt hat; dabei ergibt sich aber nun das
Merkwürdige, dass man im § 7 das Einkommenaus Kapitalvermögen und Grund-
vermögen einander gegenüberstellt, währendjetzt auf einmal der Gewinnaus
spekulativerkauften Grundstücken Einkommen aus Kapitalvermögen wird! Durch
diese gewaltsameKonstruktion hat man erreicht,dass, auch wenn die Grund-
stücke in einemnichtpreussischen Staat liegen, der Gewinnvon Preussenbe-
steuertwerdenkann, während, wenn man den Gewinnals Einkommenaus
Grundvermögen erklärthätte,das Doppelbesteuerungsgesetz das verbotenhätte.
Auch der § 8 ist wenig glücklich abgefasst. Es sollte, wie in den Kammer-
verhandlungen mitRechthervorgehoben wurde,heissen: nichtrzu Spekulations-
zwecken",sondern„aus Spekulationszwecken u. Besser wäre es auch gewesen,
wenn man statt „zu Spekulationszwecken unternommener Verkaufvon Grund-
stückenu unternommener Verkaufvon
gesagt hätte, „aus Spekulationszwecken
Wertobjekten u.
f>2

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff gg

Steuerpflichtigen nichtzu diesemZweck verbraucht, sondernnach


der Absichtder letzterenunmittelbar dem Vermögenzugeschlagen
werden,müssensie als Einkommenin steuerlichem Sinne gelten.
Denn alle diejenigenGüter,welche durchauf Gewinngerichtete
ThätigkeiteinerPersonoder durchNutzungihresVermögenserzielt
werden,und über welche sie ohne Verminderung ihresStammver-
mögensverfügen kann, bilden Einkommen. Hieran ist um so mehr
festzuhalten, als sonst gerade den reichstenSteuerpflichtigen die
Möglichkeit eröffnetsein würde,erheblicheTeile ihrerEinkünfte
durchdie denselbengegebeneBestimmung zur unmittelbaren Ver-
mehrung des der
Vermögens Besteuerunggänzlich zu entziehen.
SteuerpflichtigeGewinnedieser Art könnenbei allen im § 7 be-
zeichneten Einkommensquellen vorkommen und sind im § 12 d, so-
wie § 14 Nr. 3 besonderserwähnt."
Sowohlim Ausschussals imPlenumdes preussischen Abgeord-
netenhauseswurde der § 8 beanstandet *). Man war vielfachder
Meinung,das, was man treffen wolle, werde in der Hauptsache
genügendgedeckt durch den Ausdruck „gewerbsmässig" ; der.Aus-
druck„Spekulation" sei unklarund könneden Deklarantenin eine
peinlicheSituationbringen,wenn der Steuerausschuss seine Auf-
fassungnicht teile. Manche meintenauch, dass man mit dieser
Besteuerung der Spekulationsgewinne über den RahmeneinesEin-
kommensteuergesetzes hinausgehe und in das GebietderVermögens-
steuereintrete.Von keinerSeite wurdedie Konsequenzgezogen,
alle Konjunkturengewinne, auchdie nichtspekulationsmässig, sondern
zufälligerzielten,einzubeziehen.Die geltendgemachten Bedenken
wurdenzerstreut undvomFinanzminister entschieden dass
bestritten,
man mit dem Ausdruck„gewerbsmässig" auskomme. „Es kann,
führter aus, „jemandeine einzigegrosseSpekulationmachen,mit
demAnkaufeineseinzigengrossenGrundstückes, welcheser zerlegt
und wiederverteilt,jahrelangsich damitbeschäftigen, ohne dass
man sagen kann: das ist ein Gewerbebetrieb; wohl aber kann man
sagen, das ist Spekulationsgewinn." Diese AnsichtMi quels wird
augenscheinlich von seinemsächsischen Kollegennichtgeteilt;denn
nach der oben S. 50 mitgeteilten Entscheidung vom 4. Mai 1894
würdedieserzweifellosauch in dem von Mi quel angeführten Bei-
spiel den gewerbsmässigen Charakterangenommen haben.
*) AusschussberichtS. 21 f. Verhandl.des Abgeordnetenh.
(Sitzungvom
13. Februar 1891) S. 814 f.
53

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
54 Ct.Schanz,

Was man sich untereinemGewinnaus Spekulationsgeschäften


vorzustellenhat, dasistdurchdieVerhandlungen klargeworden,und
derkonziseste Niederschlag hiervon ist in der Ausführungsanweisung
vom 5. August1891 zu finden. Dieselbe äussertsich folgender-
massen: „Zum Einkommenaus Kapitalvermögen gehörenferner:
vereinnahmte Gewinneaus der zu Spekulationszwecken unternomme-
nen Veräusserung von Grundstücken , Wertpapieren , Forderungen,
Rentenu. s. w., abzüglichetwaigerVerlustebei derartigenGe-
schäften. Ob einer VeräusserungSpekulationszwecke zu Grunde
liegen, ist nach den begleitenden Umständen des einzelnen Falles
zu beurteilen. Die Beschaffenheit des veräussertenWertgegen-
standes,die Verhältnisse, unterwelchenErwerbund Veräusserung
stattfanden, die Dauer des Besitzesund die Art derBewirtschaftung
währenddesselben,werdenAnhaltspunkte dafürgeben, ob beim
Erwerbedie Absicht vornehmlich auf die mit dem Besitzever-
bundenelaufendeNutzung,mithinauf die dauerndeAnlage eines
Vermögensteiles gerichtetwar oder vielmehrauf den durch die
erwartete Erhöhungdes Kapitalwertes zu erzielenden Gewinn. Nur
in dem letzteren Fall kann die spätereWiederveräusserung als die
Verwirklichung eines Spekulationszweckes gelten. Ein solcher ist
beispielsweise nichtschon deshalbanzunehmen, weil ein Landwirt
seinenlangjährigselbstbewirtschafteten Grundbesitz unterBenützung
einergünstigenKonjunkturvorteilhaft verkauft,wohl aber ζ. Β.
dann, wenn jemand das in derNähe einer grossenStadt im Hinblick
aufderenAusdehnung erworbene, ertraglos oder einstweilen in land-
wirtschaftlicher BenützungliegendeGrundstück wiederveräussert,
nachdemdasselbeals Bauplatzverwertbar gewordenist. Eine fort-
gesetzte oder gewerbsmässige Thätigkeitist zur Feststellungdes
nicht
Spekulationszweckes erforderlich; liegt eine solchevor, so ist
der darauserzielteGewinnals Einkommen aus HandelundGewerbe
(Art. 17. Nr. 3) anzusehen. Der fürdas einzelneGeschäftzu be-
rechnende Gewinnergibtsich aus der Gegenüberstellung einerseits
des Anschaffungspreises unterHinzurechnung der auf die Erhöhung
des Kapitalwertes , die Erhaltungund Bewirtschaftung etwa ver-
wendeten -
Kosten mitAusschluss derZinsendes eigenenKapitals-
andererseits des erzieltenErlöses; von dem Gewinnesind die bei
anderenderartigen Geschäften erlittenenVerlusteabzurechnen. Hier-
bei kommen nurvereinnahmteGewinneund ebensonurwirkliche
Verlustein Betracht,nichtaber die durchdas Steigenund Fallen
54

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff ^J

der Kurse oder Preise bedingtenWertveränderungen. Im übrigen


findetdie VorschriftArt.5 Nr. 2 Anwendung*"
Was der Gesetzgeberalso will, ist klar. Wenn ζ. Β. je-
mandeine Apothekeund eine AnzahlAktienerbt,und die erstere
wurde zu 100,000 M. und letzterezu 20,000 M. übernommen,
und er verkauftersterenach einigerZeit zu 200,000 Μ., letztere
Gewinn: wennein
zu 80,000 Μ., so ist das kein steuerpflichtiger
Professoreinen Ruf erhält und er verkauftsein Wohnhausmit
10,000 M. Gewinnoder mit6000 M. Verlust,so tangiertdas sein
Einkommen
steuerpflichtiges nicht;wennjemandeineWiese besitzt,
die er vor 10 Jahrenzu 2000 M. gekaufthat, und sie wirdnun
expropriiertfüreine Bahn, die vor 10 Jahrennochnichtin Frage
stand, und er erhält 10,000 M. , so sind die 8000 M. kein Ein-
kommenu. s. w. Wohl aber wäre ein steuerpflichtiges Einkommen
gegeben, wenn ein sog. Apothekenhändler Apothekekauft,um
eine
nach kurzerZeit sie teurerzu verkaufen,wennjemandGrundstücke
an sich bringtin Voraussichteiner demnächstdarüberführenden
Bahn und spätermitgrossemGewinnverkauft u. s. w.
Allein wenn auch klar ist, was der Gesetzgeberwollte, so
kannman doch seinVorgehennichtbilligen.Vor allem ist es eine
Ungeheuerlichkeit, in einem Steuergesetzmit der „Absicht"zu
operieren. Man kann hier den preussischenFinanzminister mit
seineneigenenWortenschlagen. Bei BeratungdesselbenGesetzes
spracher 3 Tage späteraus: „InnereMotivekann unmöglich die
Steuerveranlagungzu Grundelegen"*). Sodannist die Aussonderung
der Spekulationsgeschäfteüberhauptverkehrt.

l) Der AbgeordneteFritzen hatte wegen der Freilassungder Amorti-


sation folgendenFall angeführt:„Es kauft jemand im Jahr 1890 New Yorker
Stadtanleihezu 120, die im Jahr1910 al pari zurückgezahltwird. Der Käufer
verliertalso in 20 Jahren20% Kapital, aber er nimmtdie Anleihedoch, weil
er sich sagt, in den 6% steckt1 °/oAmortisation,also in den 20 Jahrener-
halte ich jedes Jahr5 % Zins und 1 % Amortisation.Darf er als Einkommen
5°/° statt 6% rechnen?" DarauferwidertederFinanzminister : „Unmöglich,da
ist ja nur ein einseitigesMotiv für die Erwerbungeines Vermögensobjektes
des Steuerpflichtigen,da ist eine fassbarerechtlicheGrundlageüberhauptnicht
vorhanden.- Wie soll nun im einzelnenFalle ermitteltwerden,ob nichtder
Mann die betreifendeamerikanischeAnleihe zum Kurse von 120 gekaufthat
in dem Glauben, dass sie zunächst auf 130 steigenwerde und er sie dann
wiederzu 130 veräussernwerde? DerartigeinnereMotivekann unmöglichdie
Steuerveranlagung zu Grundelegen."
55

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
5g Gr.Schanz,

Im Grundegenommen will niemand,dass Wertobjekte,die


er erwirbt,nichtim Werte steigen;jeder, auch derjenige,der
eine Anlage zunächstnicht zum Verkaufmacht, will, dass sein
Objekt im Werte steigt, und benimmtsich dementsprechend bei
der Anlage; jeder will haben,dass sein Haus, seine Grundstücke,
seineWertpapiere, sein Geschäftstetsgut verkäuflich seien. Eine
Spekulationsabsichtliegt bei unsererheutigen Geldwirtschaftund
Gewinnsucht mehr oder wenigerim Keime stets vor. Es baut
jemandeinHaus, zunächstin derAbsicht,es zu bewohnen;infolge
irgendeines Umstandestritteine erhebliche Wertsteigerung ein
oder es kommtein speziellerLiebhaber,und der Hausbesitzerver-
kauft, weil er nun einenGewinnmachenkann. Nichtseltenhat
jemand beide Absichtenzugleich,er gedenktein Objekt zu be-
halten,eventuelles auchzu verkaufen.Zahlreiche Rittergutsbesitzer
dürftenhierherzählen. In wieder anderenFällen wird mancher
selbstnichtmehrrechtwissen,was er vor 15 Jahrenfüreine Ab-
sichtgehabthat. Man siehtaber auch gar nichtein, weshalbdas
klar vorliegendeSpekulationsgeschäft so ganz anders beurteilt
werdensoll, wie dasjenige,welchesanfangsschlummerte und erst
nach und nach lebendigwurde. Die Gewinnabsicht - und auf die
legt der Verfasserder Motivedoch so grosses Gewicht- ist in
beidenFällen gegeben; denn wenn ich mich von einem ererbten
oder gekauften Objekttrenne , so thueich es doch nur auf Grund
Erwägungen, derRegelnur,weil ich dabei einen
wirtschaftlicher in
Gewinnrealisiere.
Man begreift fernergar nicht,was füreinenUnterschied es
für den Bezüger und seine Lage machen soll, ob er an einem
ererbtenoder einemspekulativgekauften Haus oder an einemex-
Garten
propriierten 50,000 M. gewinnt;man verstehtnicht,warum
im 1. und 3. Fall die 50,000 M. Stammvermögen, 2. Fall da-
im
gegenEinkommen sein sollen. Es nimmtsich nahezukomischaus,
dass ein Gewinnvon 10,000 M. aus einem spekulativen Verkauf
von AktienEinkommenist, dagegen20 M., die ein Privatierbei
eines Papierserzielt,als „Stammvermögen u
Veräusserung
zufälliger
gelten.
Wer mit kleinemNutzen etwas verkauft,wird den Nutzen
meistverbrauchen, und wer mit grossemNutzenverkauft, den Ge-
winnüberwiegend wiederanlegen,was auch immerdie Absichtim
einenoder anderenFall gewesensein mag.

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff 57

Es heisst doch Haare spalten, wenn man in dieser Weise


Stamm Vermögenszuwachs undEinkommen trennenzu könnenglaubt-
Stammvermögenszuwachs und Einkommen lassen sich eben nicht
trennen, sind und bleiben trotzaller Künsteleien,die man dagegen
versucht, identisch.
Es muss aber auch als eine Ungeheuerlichkeit gelten, dass
nichtnur derKonjunkturengewinn je nach derAbsicht,bald steuer-
bar, bald steuerfrei, und bald Einkommen,bald Stammvermögen
sein soll, sonderneine noch grössereist es, dass man den sog.
nicht beabsichtigten Konjunkturengewinn auch noch einmal ver-
schiedenbehandelt, je nachdemer voneinernichtphysischen Person
realisiertwirdoder nicht. Wenn ζ. Β. eine Aktiengesellschaft zu-
fallig einen Posten Wertpapiere mit Gewinn verkauft,oder von
ihremGrundbesitz einen Teil abtrennt,oder wenn sie, weil mit
dem Fortschreiten der Stadt ihr ursprünglich in der Peripheriege-
legenes Etablissement von Wohnhäusern ganz umgarntwordenund
die Grundrente kolossal gestiegenist, ihrenSitz verlegtund das
bisherige Arealverkauft, so sind das lauternichtspekulationsmässig
verdiente Gewinneim Sinne des Gesetzes,sind aber hier gleichwohl
steuerpflichtig. Es stehtdas ausser allem Zweifel*). Wenn also
eine sog. Familiengründung , sei es in Form der Aktien-
vorliegt
gesellschaftoder in Form derGesellschaftmitbeschränkter Haftung,
so trittunter Umständeneine Steuerpflicht auf, die nicht auf-
getretenwäre, wenn eine einzelnePerson das Geschäftgemacht
hätte2).
NachdemPreussenvorangegangen war, fandsein Beispielbald
Nachahmung 3).

*) Vgl. H. V. Simon, Die Staatseinkommensteuer der A.G. etc., 1892,


S. 93, 73 und Urteildes preuss.Oberverwaltungsgerichtsvom6. Dezember1895,
V.A. 2304.
2) Alle Geschäftsleute,
die kaufmännischeBilanz haben, werdenzwar die
nichtspekulationsmässigen Gewinneauch in ihrerBilanz haben, aber sie können
dieselben im Hinblickauf § 14 wieder ausscheiden; denn wenn auch hier die
Bilanz zu Grundegelegt werden soll für Feststellungdes Gewinnes,so sind
doch die §§ 6- 11 des Gesetzes im Vorrecht. Was für eine Aufgabe mutet
man aber da dem Geschäftsmannzu? Soll er bei jedem Posten prüfen,ob
der Gewinnbezw. Verlust „spekulationsmässig u war oder nicht?
3) Nichtgefolgtsindin dieserHinsichtReussä. L., Schwarzburg-Sonders-
hausen, 'Schwarzburg-Rudolstadt, Hessen, deren Gesetze später erschienen;
wenigstensfehlteine deutlicheHervorhebung.
57

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
gg G. Schanz,

Das Lippe-Detmolder Einkommensteuergesetz vom28. Au-


gust1894 übernahm einfachdie Vorschrift des preussischenGesetzes,
in der Interpretation weichtes bereitsetwas ab. Die Ausführungs-
verordnung vom 24. Oktober1894 sagt1): „Ein Spekulationszweck
liegt vor,wennjemandeinenGegenstanderwirbt, nichtum ihn zu
behaltenund zu nutzen,sondernumihnmitVorteilzu veräussern."
Nach der preussischenAnweisungsoll dagegen entscheiden,ob
vornehmlich die Absichtbeim Erwerb auf die mit dem Besitz
verbundene laufendeNutzung,mithinauf die dauerndeAnlage eines
Vermögensteils gerichtetwar odernicht.
Der österreichische Gesetzentwurf2) hatdieLiniewiederetwas
verschoben μηα zugleich eine bessere Textierungversucht.In dem-
selbenheisstes: „Gewinne aus Veräusserung vonVermögensobjekten
sind nur dann demEinkommen zuzurechnen, wenndie Veräusserung
im BetriebeeinerErwerbsunternehmung oder in Ausführung eines
Spekulationsgeschäftes erfolgt ist."
Es ist also hier wenigstensbei gewerblichenBetriebenim
weitestenSinne des Worts schlechtwegdie Unterscheidung der
Spekulationsabsicht oder Spekulationsnichtabsicht fallengelassen.
Der neue Württemberger Einkommensteuerentwurf3) hat
ebenfallseine kleineVerbesserung versucht.Im Art. 8 heisst es :
„Ausserordentliche Einnahmen- aus dem nicht gewerbsmässig
oder nicht zu Spekulationszwecken unternommenen Verkaufevon
Grundstücken und anderen Vermögenswerten, sowie ähnliche
Erwerbungen geltennichtals steuerbares, Einkommen, sondernals
des
Vermehrung Stammvermögens." Im Art. 12 wird dann ganz
allgemeinder spekulationsmässige Gewinnals gewerblicher erklärt:
„Der Gewinnaus den zu Spekulationszwecken abgeschlossenenGe-
schäften,abzüglichetwaiger Verluste, und aus der Beteiligungan
solchenGeschäften gilt als Einkommen aus Handel und Gewerbe
und ist auch bei solchen ,
Steuerpflichtigen welche nicht zu den

') Gesetzsamml.1894 S. 409.


2) Regierungsvorlage eines Gesetzentwurfs, betr. die direktenPersonal-
steuern(380 der Beil. zu dem stenogr.Protok.des Abgeordnetenh., XL Session,
1892, S. 73, § 195); Motive (ebenda S. 85); Bericht des permanentenSteuer-
ausschussesüber die Regierungsvorlage einesGesetzentwurfs, betr. die direkten
Steuern(1041 der Beil. zu dem stenogr.Prot.des Abgeordnetenh., XL Session,
1895, S. 199).
3) Beil. 34, ausgeg. den 24. Mai 1895, S. 320, 321, 341, 342, 345.
i>8

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegriff
und die Einkommensteuergesetze. r}Ç)

Gewerbetreibenden gehören,nach den fürdas Einkommen aus dem


Betriebeines Gewerbesmassgebenden Grundsätzen u
zu berechnen.
Die MotivegebenhierzufolgendeAusführungen: „Nach dem
letztenAbsatzdesArt.12 sollenGewinneaus zu Spekulationszwecken
abgeschlossenen Geschäften als Einkommen aus Gewerben gelten.
Da Spekulationsgewinne sowohl bei der '7eräusserung von Grund-
stückenundGebäuden,als auch bei demVerkaufvonWertpapieren,
Forderungen, Rentenunddergl.vorkommen könnenund die Speku-
teilsgewerbsmässiger
lationsthätigkeit Art,teilsnichtgewerbsmässig
ist, so könntees sichfragen,ob die Spekulationsgewinne nichtbesser
abgesondert von den in Ziff.1- 4 des Art. 6 aufgeführtenEin-
kommensquellen in einer besonderen Ziff.5 für sichbehandelt würden.
Da jedoch einebesondere Ausscheidung dergewerbsmässigen Speku-
lationsgewinne von dem übrigenErtrag des betreffendengewerb-
lichenUnternehmens kaummöglichwäre,so hat derEntwurf davon
die
abgesehen, Spekulationsgewinne als besondere Einkommensquelle
für sich zu behandeln. Ebenso wurde von der Einreihungder
Spekulationsgewinne unterdas Einkommen aus Kapitalvermögen, wie
dies in PreussenderFall ist, Umganggenommen, da Spekulations-
gewinneaus derVeräusserung vonGrundstücken undGebäudenden
in Ziff.3 des Art.6 genannten Einkünften aus Kapitaliennichtwohl
zugerechnet werden können.Es erscheint vielmehr am zweckmässigsten,
alle Spekulationsgewinne ohneRücksichtauf die Quelle,vonder sie
herrühren, undohneRücksicht darauf,ob siegewerbsmässiger Artsind
odernicht,als gewerbliches Einkommen zu behandeln,zumalda an-
genommenwerden darf,dassdiemeisten Spekulationsgewinne gewerbs-
mässiger Art sind und überdies in Art. 12 Abs. 3 vorgeschrieben
ist, dass Gewinneaus den zu Spekulationszwecken abgeschlossenen
Geschäften auch bei solchenSteuerpflichtigen, welchenichtzu den
Gewerbetreibenden gehören,nach den fürdas Einkommen aus dem
Betriebe eines GewerbesmassgebendenGrundsätzenzu berech-
nen sind."
c) Eine dritteGruppebilden die drei Hansestädte1)Lübeck,
Bremenund Hamburg,vielleichtist auch Schwarzburg-Rudolstadt

*) In den preussischenVerhandlungenüber das Einkommensteuergesetz


1891 wurde auch auf „Lübeck und Bremen" verwiesen,dabei aber immer
fälschlichangenommen,dass diese dieselbe enge Begrenzungder Steuerpflicht
auf die spekulationsmässigenGewinnehätten,wie das preussischeGesetz.
5Í)

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
gO G- Schanz,

ihnenbeizugesellenl) ; ausserdemzähltBasel hierher ; zumTeil auch


die VereinigtenStaatenvonAmerika.Diese sehengrundsätzlich von
einerso spinösenundsachlichweniggerechtfertigten Unterscheidung,
ob eine Vefäusserungvon Vermögensobjekten aus Spekulations-
zweckenunternommen wurdeodernicht,ab und lassen,ähnlichwie
beim Gewerbeund Handel, lediglichdie Thatsachedes Gewinns
entscheiden.
Im Hamburger Einkommensteuergesetz ist unterden Ein-
nahmen,die beimEinkommen einzurechnen sind, auch aufgeführt:
„Der Ertrag von irgend welchen einzelnen gewinnbringen-
den Geschäften, wozu auch Lotteriegewinne gehören, wogegen
Erbschaften,Legate,Schenkungen unddieMitgift bei Verheiratungen
nichtzu dem Einkommen,sondernzu dem Kapitalvermögen des
Empfangers, von dessenRevenuener die Steuernzu entrichten hat,
zu rechnensind."
Diese Bestimmung findetsichbereitsin demEinkommensteuer-
gesetzvom 26. März 1866 und ist seitdemin allen folgenden,so
auch in dem vom 7. März 18812), unverändert beibehaltenworden.
In Bremen war die ersteEinkommensteuer durchGesetzvom
3. Januar1848 ins Leben getreten.Schonin diesemGesetzist der
Einkommensbegriff weit gefasst. „Dem Einkommenist jegliche
jährlicheEinnahmeunterworfen, die ein Staatsbürgervon seinem

*) Das Schwarzburg-Rudolstadter Gesetz sagt 㤠4: Als steuerpflichtiges


Einkommengilt die Summe aller in Geld oder GeldeswertbestehendenEin-
künfte des einzelnenSteuerpflichtigen aus: 1. Kapitalvermögen;2. Grund-
vermögen ; 3. Gehalt,Pension,Wartegeld,Auszugsleistungen und sonstigenBe-
rechtigungenauf dauernde Leistung; 4. Handel, Gewerbe, Pachtungen und
anderer gewinnbringender Beschäftigung. § 7. Ausserordentliche Einnahmen
aus Erbschaften,Schenkungen,Lebensversicherungen gelten nicht als steuer-
Einkommen,sondernals Vermehrung des Stammvermögens. tf Würde
pflichtiges
der § 7 auch nichtda stehen,so würdenach dem § 4 und seinen späterenEr-
läuterungen (§ 10 f.) dochniemandauf den Einfallkommen,Erbschaften u. s. w.
in die Einkommensteuer zu ziehen; man würde auch nichtder Meinungsein
können,dass nichtspekulationsmässige Gewinnedarunterfallen. Nachdemaber
ausdrücklichnur ausserordentliche Einnahmenaus Erbschaften, Schenkungen,
Lebensversicherungen im § 7 ausgenommensind, so ist die Interpretationmög-
lich, dass auch nichtspekulationsmässige Gewinne in Schwarzburg-Rudolstadt
steuerpflichtig sein sollen. Unter welche der vier Kategoriendes § 4 derartige
Gewinnegebrachtwerdensollen, ist freilichschwerzu sagen. Die Sache ist
unklar. Die Motiveund Verhandlungenzum Gesetz geben keinenAufschluss.
2) Finanzarchiv1890 S. 210.
60

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff gJ

Eigentumeoder von seinerArbeitim ausgedehntesten Sinne


des Wortes, somitvonseinemGeschäfte, GewerbeoderAmteoder
endlichin irgendeinersonstigenWeise bezieht,es mag sein Ein-
kommen von einerdieserverschiedenen Einnahmequellen allein oder
aus mehreren derselbenzusammenherrühren.Es wird aber unter
Einkommen nur die reineRenteoder Einnahmeverstanden, welche
nachAbzugderGewerbskosten im allgemeinsten Sinne,alles dessen,
was auf die Erzeugungderselbenhat verwandtwerdenmüssen,
übrigbleibt. Was nachAbzug dieserKostenfürdenHaushaltoder
sonstigebeliebigeVerwendung übrigbleibt,istderSteuerunterworfen.
Bei derErmittelung des reinenEinkommens ist jedesmalderErtrag
des letztenKalenderjahres, welchesdemTermineder Erhebungder
Steuervorhergeht, zu Grundezu legen. Somitmuss bei dieserBe-
rechnung jedes Jahrlediglichnach der darinvorgekommenen Ein-
nahmefürsichabgeschlossen werdenunddürfen dahervorhergehende
oder später zu besorgendeVerlusteoder Gewinnedabei nicht in
Anschlaggebrachtwerden. Erbschaften, Legate, Schenkungen auf
den Todesfalloder unterLebendigen,sowie die Mitgiftoder Aus-
steuernbei Verheiratungen sind nichtihremKapitalbetragenach,
sondernnur die davon bezogeneRente, sobald dieselbezur Ein-
nahme gekommenist, der Steuer unterworfen." Der Senat und
mit ihm die Bürgerschaft haben die Ausnahmeausdrücklichauf
diese Fälle im Gegensatzzum Vorschlagder Finanzdeputation l)
beschränkt 2).
Dieser prinzipielleStandpunktwurde auch fernerhinfest-
gehalten;es wurdederselbespäternur schärfer zum Ausdruckge-
bracht.So lauteteim Gesetzvom17. Dezember1874 derbezügliche
Passus: „Einzurechnen ist der Ertrag einzelnergewinnbringender
Geschäfte, namentlich der Kapitalgewinnaus verkauftenGrund-
stücken,Wertpapieren u. s. w. und aus Lotterien,sowie alle vor-
stehendnicht besondersnamhaftgemachtenEinnahmenmit den
analogenAbzügen. Erbschaften, Legate, Schenkungen und Mitgifte

') Derselbelautete: „Erbschaften


und ähnlicher ausserordentlich
ernicht
aus dem Geschäfteherrührender Kapitalzuwachssind nicht ihrem Kapital-
betragenach, sondernnur die davon bezogeneRente,sobald dieselbe zur Ein-
nahme gekommenist, der Steuer unterworfen."Nach diesemVorschlagwäre
z. B. Lotteriegewinn freigewesen.
2) BerichtderFinanzdeputation vom12. November1847; Bürgerkonvents-
verhandlungen vom 3. Dezember1847.
61

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
(J2 G. Schanz,

sind nur hinsichtlich der daraus fliessendenEinkünfteder Ein-


kommensteuer unterworfen."
DurchGesetzesnovelle vom13. April1880wurdederPassusnoch
deutlicherunddetailliertergegeben;er lautetseitdem:„Einzurechnen
ist derErtrageinzelnergewinnbringender Geschäfte, auch wenndie-
selbennichtgewerbsmässig oderzu Spekulationszwecken abgeschlossen
sind,namentlich derKapitalgewinn ausverkauften Grundstücken, Wert-
papieren u. s. w. und aus Lotterien, sowie überhaupt alle vorstehend
nichtbesondersnamhaftgemachten Einnahmen,mit den analogen
Abzügen. Als Kapitalgewinn ist mithinauch derjenigeGewinnin
zu
Anschlag bringen, welcher ohne eine besondereThätigkeitdes
Steuerpflichtigen lediglichinfolgeeiner seit dem Erwerbeeinge-
tretenenWerterhöhung des verkauften Gegenstandeserzieltwird.
Der Kapitalgewinn aus verkauften Grundstücken und aus verkauften
AktienderErwerbsgesellschaften istauch in demFall zu versteuern,
wenn die Grundstücke in einem anderendeutschenStaate belegen
sind und die Erwerbsgesellschaften in einem anderendeutschen
Staate ihrenSitz haben. Erbschaften,Legate, Schenkungen und
Mitgifte sind rücksichtlich des Kapital wertes, welchen sie zur Zeit
des Erwerbeshaben,der Einkommensteuer nichtunterworfen/
AuchLübeck hat sich auf denprinzipiellen Boden der beiden
Schwesterstädte gestellt.Im Einkommensteuergesetz vom18.Oktober
1869 und in dem vom 31. Mai 1872 findetsich als einzurech-
nendeKategorie:„Der Ertrageinzelner gewinnbringender Geschäfte,
wozu auch Lotteriegewinne gehören,wogegenLegate, Schenkungen
und die Mitgiftbei Verheiratungen nichtzu dem Einkommen, son-
dernzu demKapitalvermögen des Empfangers, vondessenRevenuen
er die Steuerzu entrichten hat, hinzugerechnet werden."
Auf GrunddieserBestimmung hat die Steuerbehörde - und
die Senatsentscheidungen tratenihr stets zur Seite - Gewinneaus
demVerkaufvon Grundstücken u. s. w. fürsteuerpflichtig erachtet.
Als nun aber die Gerichte(Landgericht und Oberlandesgericht) aus
Anlass eines Straffallesim Sommer1885 anders entschieden und
den Grundsatzaussprachen,der aus einemnichtim Betriebedes
Handelsgewerbes geschehenenHausverkaufeerzielteGewinnstelle
sich nichtals zu versteuernde Einnahme,sondernals bereitsvor-
handeneund nur in Geld umgesetzte Vermehrung des Kapitalver-
mögensdar, von dessen Revenuen die Steuer zu entrichten sei, war
die Frage, ob der beimVerkaufvon Grundstücken erzielteGewinn
«2

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der EinkommensbegriflT gg

zurEinkommensteuer heranzuziehen sei, strittig


geworden undwurde
bei Gelegenheit derRevisiondes Einkommensteuergesetzes zumAus-
trag gebracht. Mit grosser Sachkenntnis wurde das Für und Wider
erörtert. In dem Kommissionsbericht vom 10. Dezember 1885
wurdedie Frage in folgender Weise erörtert:
„Für die Heranziehungdes fraglichenGewinneszur Ein-
kommensteuer wurdegeltendgemacht,dass auch, wer nichtmit
Grundstücken Handel treibe, doch wohl in einemeinzelnenFalle
einmalein Grundstück mit der Absichtkaufenkönne,dasselbebei
der nächstengünstigenGelegenheitmit entsprechendem Vorteil
wiederzu verkaufen, ja, dass es bisweilen geschehe, dass derKäufer
eines Grundstücks dasselbe noch am selben Tage und noch ehe es
ihm zugeschrieben wordensei, mitGewinnwiederverkaufe.Solche
Verkäufeseien Spekulationsgeschäfte. Auf sie könnedie Deduktion
derGerichte, dass beimVerkaufnur die Substituierung einesbereits
im Vermögen vorhanden gewesenenWertgegenstandes durch einen
gleichwertigen erfolgtsei, nichtAnwendung finden,vielmehr sei der
durcheinen solchenVerkauferzielteUeberschussnur als Ertrag
eines gewinnbringenden Geschäftszu betrachten.Aber auch ab-
gesehen von solchenFällen ziehedievondenGerichten ausgesprochene
Auffassung die Konsequenznach sich, dass ein jeder Hausbesitzer
die sich allmählichvollziehende Wertsteigerung seinesGrundstücks
auch jährlich bei seiner Steuereinschätzung in Rechnungbringe.
Geschähedies,so liegeallerdings keinGrundvor,ihnbei geschehenem
Verkaufeden höherenVerkaufswert, den er bereitsbei der jähr-
lichenAbschätzungseines Einkommensgebührendberücksichtigt,
nocheinmalals Gewinnversteuern zu lassen. Alleinvon derMehr-
zahl der Grundstückbesitzer werde man nicht verlangenkönnen,
dass sie in diesertheoretisch sicherrichtigen Weise bei ihrenEin-
schätzungen verfahre;Es sei sehr schwer und häufiggeradezu
unmöglich,jährlich den jeweiligengenauenWert eines Grund-
stücksrichtigzu schätzen. Für alle aber, welche beimVerkauf
ihres Grundstücks einen höherenPreis erhielten,als den Wert,
den sie bei ihrerSteuereinschätzung zu Grundegelegt, stelle sich
dieserUeberschussals derErtrageinesgewinnbringenden Geschäftes
dar und sei dementsprechend zu versteuern.So schreibeauch das
BremerGesetz,die Einkommensteuer betreifend, vom 17. Dezember
1874 in seinerAnweisungfür die Abschätzungdes reinenEin-
kommensausdrücklich vor, dass zum steuerpflichtigen Einkommen
63

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
g^. GkSchanz,

zu rechnen sei: ,9. derErtrageinzelner gewinnbringender Geschäfte,


namentlich der Kapitalgewinn aus verkauften Grund-
stücken u. s. w.; und in einemNachtragzu diesemBremerGe-
setzevomJahre1880 sei dem nochhinzugefügt wordendie Klausel:
,auch wenn dieselbennichtgewerbsmässig oder zu Spekulations-
zweckenabgeschlossensind4,und der Zusatz: ,Als Kapitalgewinn
ist mithinauch derjenigeGewinnin Anschlagzu bringen,welcher
ohne eine besondere Thätigkeitdes Steuerpflichtigenlediglichinfolge
einerseit dem Erwerbeeingetretenen Werterhöhung des verkauften
Gegenstandes erzieltwird.1
„Trotz dieser Bedenken,derenGewichtsie nichtverkannte,
glaubte die Majoritätder Kommissiondie Freilassungdes beim
Verkaufeines Grundstücks erzieltenGewinnesvon der Steuer und
seine Behandlungals Kapitalvermögen empfehlen zu müssen.Mehr
Rücksichtals auf das finanzielle Interessedes Fiskus, dem ja bei
demVerkaufvonGrundstücken auchschondurchdie Verkaufsabgabe
Rechnunggetragenist, muss ihrer Ansichtnach einerseits auf die
prinzipielleBedeutungder Entscheidung,anderseitsauf die Ver-
meidungvon Härten für die Steuerzahlerund die Gewähr einer
möglichst einfachen Gestaltung und leichten Handhabung des Steuer-
gesetzesgenommen werden. Wenn nun auch zuzugebenist, dass
an und fürsichkeinGrundvorliegt,ein gelegentliches Spekulations-
geschäftmit einem Grundstück hinsichtlichdes daraus erzielten
Gewinnesanderszu behandelnals einenHausverkauf,den ein ge-
werbsmässiger Händler mit Grundstücken abgeschlossenhat, so
kommt hierbei doch in Betracht, dass bei dem Händlerdie Natur
desSpekulationsgeschäftes ohneweiteresklar ist, bei demvoneinem
Privatmanngeschehenen Verkaufaber sich nur in sehr seltenen
Fällen wirdfeststellen lassen,ob der Verkäufer schonbeimAnkauf
des Grundstücks die Absichthatte, dasselbe demnächst wiederzu
verkaufen, ob mithinein Spekulationsgeschäft vorliegt.Wegendieser
Schwierigkeit empfiehlt es sich nicht,die von Privatengelegentlich
geschehenen Spekulationsverkäufe den Verkäufender Grundstücks-
händlergleichzustellen, wennman hinsichtlich derübrigenvonPri-
vatenabgeschlossenen Grundstückverkäufe nach einemabweichenden
Grundsatz verfahren will. Hierfüraber sprechendie folgenden Er-
wägungen.
„Es ist ungemeinschwierig, den bei einemGrundstückverkauf
erzieltenKapitalgewinnrichtigzu berechnen, wenn der Verkäufer
64

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff g^

lange Zeit hindurchim Besitz des Grundstücks gewesenist. Soll


etwa bei einemHause, das Generationen hindurch im Besitzeeiner
Familiegebliebenist, der verkaufende Enkel alles das als Gewinn
berechnen, was er über den Kaufpreiserhält,den einstder Gross-
vaterfürdas Haus bezahlthat? Oftwirdsich dieserursprüngliche
Kaufpreisauch gar nichtmehrermitteln lassen. So gehennament-
lich ländlicheGrundstücke vielfachauf die Anerbenüber,ohnedass
bei solchemUebergangeineFeststellung ihresWerteserfolgt.Wenn
nun einesolcheLandstelleverkauft wird,wiesoll derzu versteuernde
Kapitalgewinnfestgestellt werden? Das Gesetz enthälthierüber
keineVorschrift, und alle Berechnungen, die man in einemder-
artigenFalle vornimmt, werdenvon mehr oder wenigerwillkür-
lichen und fingierten Voraussetzungen ausgehenmüssen. Gewiss
haben die Verfechter der von der Steuerbehörde vertretenen Auf-
fassung Recht mit der Behauptung, dass der Besitzereines Grund-
stücksoftnichtim ständesei, denjeweiligenWertdesselbenrichtig
zu schätzen,aber eben deshalbwirder auch nichtangebenkönnen,
welchenGewinn er beimVerkaufeerzielthat. Auch ist mit der
durchden Grundstück verkauferreichten Vermehrung des Kapital-
vermögenskeineswegsimmereine Vermehrung des Einkommens
des Steuerpflichtigen verbunden. Häufig findetvielmehrgerade
das Gegenteilstatt. Das von dem Antragsteller Schachtin der
Bürgerschaftssitzung vom 2. November d. J. angeführte Beispiel
zeigt die Härte,zu welcherdie Auffassung derSteuerbehörde unter
Umständenführenkann. In jenem Beispiel verkauftein Steuer-
pflichtigereinHaus, welcheser für40,000M. gekaufthat, das mit
20,000 M. beschwertist und ihm einen jährlichenReinertragan
Mietein Höhe von 2000 M. gebrachthat, für60,000 M. Er hat
mithinsein Vermögenum 20,000 M. vermehrt.Sein Einkommen
aus dem an die Stelle des Hauses getretenen Kapital beträgtaber
künftig nichtmehr 2000 M., sondern, bei Annahme einerVerzinsung
von 4 °/o,nur 1600 Μ., hat sich also nicht unerheblichver-
ringeH. Dennochsoll er fürdenGewinnvon20,000M. eineSteuer
von 600 M. zahlen.
„Bei Anerkennung des Umstandes,dass das Gesetznichteine
des
Besteuerung Kapitalvermögens, sonderndes Einkommens des
Steuerpflichtigenbeabsichtigt, wird man sich zu einerVorschrift,
die zu solchenKonsequenzen führt,nichtentschliessen wollen,selbst
wenn- wie nichtgeleugnet werdenkann - das fiskalische Inter-
Finanzarchiv. XIII. Jahrg. 65 5

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
gg G. Schanz,

esse bei einerderartigen Bestimmung bessergewahrtist. Hiernach


beantragt die Kommission: In Nr. 9 der Grundsätze1 einzuschalten
hinterVerheiratungen1 : ,sowie Kapitalgewinnaus Grundstücks-
verkäufen,falls der Verkäufernicht mit Grundstücken Handel
treibt'/
Dem gegenüberäussertesichdie Steuerbehörde am 17. Februar
1886 in ihremGutachten, dem der Senat beitrat,folgendermassen :
„Die Steuerbehörde kann auch nach erneuterErwägungnicht
umhin,zu empfehlen, dass die Frage in Uebereinstimmung mit der
bisherigen,durchSenatsentscheidungen wiederholt gebilligtenUebung
im entgegengesetzten Sinne ausdrücklich durchdas neueGesetzge-
regeltwerde.
„Es ist davonauszugehen,dass derGewinnaus demVerkaufe
von Grundstücken seinerNatur nach keinenanderenCharakteran
sich trägt, wie andere gelegentliche Geschäfts-oder sonstigeGe-
winne, welche nach dem bisherigen Gesetze ebensowie nach dem
bürgerschaftlichenEntwürfederEinkommensteuer unterliegen. Bis-
her ist es nichtbezweifelt worden,dass der Ertrageinzelnerge-
winnbringender Geschäfte,also z. B. der Gewinnbeim Verkaufe
von Wertpapieren, Obligationenund Aktien,auch wenn er nicht
von einemberufsmässig mit solchenWertobjekten Handeltreiben-
den erzieltwird, bei der Feststellungdes steuerpflichtigen Ein-
kommensunmittelbarzu berücksichtigen sei. Warum Gewinne
bei VeräusserungeinzelnerGrundstücke anders behandeltwerden
sollen, dafür fehlt es an einem ausreichenden Grunde. Es ist
zwar geltend gemacht, dass die Wertsteigerung eines Grund-
stückeswährendder Besitzzeitdes Verkäufersin der Regel all-
mählicheingetretensei und erst bei der Veräusserungzur Er-
scheinung gelange; dabei handlees sich um eine bereitsvorhanden
geweseneund nur in Geld umgesetzteVermehrung des Kapitals,
nichtaber um eine Einnahme. Diese Anschauungkann zunächst
offenbar keineAnwendungfindenauf Gewinnbeim Wiederverkauf
eines erstin demselben Jahreerworbenen Grundstückes.JeneBe-
trachtung würde aber vom der
Standpunkte Einkommensteuergesetz-
gebungnur unterderVoraussetzung Beachtungverdienen, wenndie
Grundstückseigentümer die Wertsteigerung in ihrenEinkommens-
erklärungen durch entsprechende Erhöhung des jährlichenNutzungs-
wertesihrerGrundstücke zur Erscheinungund steuerlichen Ver-
wertung brächten. Nun ist aber bereits von der Minorität der
66

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegriff
und die Einkommensteuergesetze. gn

Bürgerschaftskommission mit Recht (vgl. auch Lüb. Blätter1885,


Nr. 95) hervorgehoben, dass erfahrungsmässig eine solcheBerück-
sichtigung steigernder Grundstücks werte seitens der Besitzerbei den
Deklarationen nichtstattfinde, noch auch in Ermangelung sicherer
Anhaltspunkte von ihnenverlangtwerdenkönne.
„Ebensowenig wie eine allmählicheWerterhöhung von Wert-
papiereninfolgesteigendenKurses, solange sie im Besitze der
Steuerpflichtigen bleiben, ausser für berufsmässig damitHandel-
treibende, fürwelcheder Bilanzgewinn zu Grundegelegtwird,bei
Berechnung des Einkommens Berücksichtigung findet,ebensowenig
darfdie allmähliche Werterhöhung vonGrundstücken bei derSteuer-
einschätzung herbeigezogen werden.Umsomehr ist es geboten,den
bei Grundstückveräusserung wirklicherzieltenGewinnnichtsteuer-
freizu lassen.
„Selbstdie MajoritätderKommission hat nichtverkannt, dass
an und fürsichkeinGrundvorliege,eingelegentliches Spekulations-
geschäftmitGrundstücken hinsichtlich des darauserzielten Gewinnes
anderszu behandeln,als den Gewinngewerbsmässiger Grundstücks-
händler,und ebenso, dass bei einemPrivatmanne sich seltenfest-
stellenlasse, ob er denGrundstücksankauf zumZweckdemnächstigen
Wiederverkaufs, also als Spekulation, abgeschlossen habe.
„Die von derBürgerschaftskommission durchBezugnahmeauf
eine beispielsweise Berechnungerläuterte Erwägung,dass mit der
durchden Grundstückverkauf erreichten Vermehrung des Kapital-
vermögenskeineswegsimmereine Vermehrungdes Einkommens
spätererJahrefür den Steuerpflichtigen verbundensei, übersieht
das sehrwichtige Moment, dass in Fällen der gedachten Art an die
Stelle einer mit grösserenGewinn-und Verlustchancen, wie mit
unangenehmen Weiterungen verbundenen Kapitalausnutzung durch
Anlagein Grundstücken der mühe-und gefahrlose Zinsgenusseines
sicher angelegtenKapitals getretenist. Wer letzterenvorzieht,
darfsich überdie damitverbundenen Mindererträge nichtbeklagen.
Jedenfallskann die in der Erwägungvorausgesetzte Möglichkeit
einer künftigen Einkommensverminderung dem Gewinneaus dem
Verkaufsgeschäfte den Charakterdes Einkommensnichtentziehen;
sonst müssteer folgerichtig jedem Erwerb aus Kapitalumsatz je
nach der demnächstigen Verwendungdes Kapitale abgesprochen
werden.
„Die fernerbetontenSchwierigkeiten der Gewinnermittelung
67

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
ßg G. Schanz,

bei Grundstückveräusserungen sindthatsächlich bei derSteuerbehörde


bishernichtbemerklich geworden. Noch immerist es gelungen,
unterbilligerBerücksichtigung aller denGewinnschmälernden Um-
stände den Reingewinn festzustellen, über dessen Berechnung noch
niemalsBeschwerden an die höhereInstanzgelangtsind. Fälle, in
welchendie beim letzten,dem neuestenVerkaufevorangehenden
Eigentumsübergange gezahltenPreise oder verrechneten .Wertesich
nichtmehr ermitteln lassen, sind der Behördenichtbekanntge-
wordenund dürftenthatsächlichum so seltenervorkommen,als
selbst bei erblicherUebernahmedie Grundstücke sowohl in der
Stadtwie auf dem Lande neuerdingsin der Regel zu bestimmten
Wertsummen eingesetztwerden. Liegt somit zu einer ausnahms-
weisenBefreiungder Gewinneaus Grundstücksveräusserungen eine
Veranlassungnichtvor, so entsprichtes gerade einer gesunden
Steuerpolitik, in Uebereinstimmung mit der hiesigenUebung,Ge-
winneaus dem Verkaufevon Grundstücken ebensowie den Ertrag
anderergewinnbringender Geschäftemit der Einkommensteuer un-
mittelbarzu erfassen. Dieser Auffassung sind auch das bremische
Einkommensteuergesetz von 1874 und der Nachtrag von 1880
gefolgt.
„WennunterNr. 8 derErtragaucheinzelner gewinnbringender
Geschäfteals zum steuerpflichtigen Einkommengehöriggerechnet
wird,so erschienes der Steuerbehörde als eine Forderungder Ge-
anderseits
rechtigkeit, auch Kapitalverluste,welchederSteuerpflichtige
innerhalbdes massgebenden Jahreserlittenhat, fürabzugsfähigzu
erklären,und ist deshalbein entsprechender Zusatz nach den ersten
beidenAbsätzender Nr. 8 eingefügt."
Die Bürgerschaft hat sich überzeugenlassen, und das Gesetz
vom27. Mai 1889 erklärt,dass in das Einkommen einzurechnensei:
„9. Der Ertrag einzelnergewinnbringender Geschäfte,auch
wenn dieselbennichtgewerbsmässig oder zu Spekulationszwecken
abgeschlossen sind,namentlich der Kapitalgewinn bei Veräusserung
vonGrundstücken, und
Wertpapieren dergl.,Lotteriegewinne, Prämien-
gewinne,sowie überhaupt alle vorstehend nicht namhaft gemachten
EinnahmenunterAbzug etwaigerGeschäftsunkosten. Als Kapital-
gewinnim Sinne der vorstehenden Bestimmung ist auch derjenige
Gewinnin Anschlag zu bringen, welcher ohne eine besondere
Thätigkeitdes Steuerpflichtigen infolgeeinerseit demErwerbeein-
getretenenWerterhöhung des veräusserten Gegenstandeserzieltist.
63

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegriff
und die Einkommensteuergesetze. gg

Der Steuerpflichtige ist berechtigt, etwaigeKapitalverluste, welche


er innerhalbdes für die Berechnungdes Einkommenszu Grunde
liegendenJahres erlittenhat, von den Einnahmenin Abzug zu
bringen.Einnahmen aus Erbschaften, Vermächtnissen, Schenkungen,
Lebens- und Unfallversicherungen und aus Mitgiftenbei Ver-
heiratungen werdenbezüglichdes Kapitalwertes , welchensie zur
Zeit des Erwerbeshaben,nichtzu dem Einkommen gerechnet."
Der KantonBaselstadt hat seit seinemberühmtgewordenen
Einkommensteuergesetz vom6. April1840, abgesehenvon denoben
S. 33, 35 , erwähnten Ausnahmen, den Grundsatzfestgehalten, dass
jede Art von Gewinn uiid Verlust im Einkommen berücksichtigt
werdenmüsse. Zwar stiessder Abzug derVerlusteim GrossenRat
auf Widerstand, allein man entgegnete, es entsprechederselbedem
Einkommensgedanken, man könne auch rechtlichnichtunterscheiden,
ob der Verlustvom Kapital oder von Zinsenherrühre;allerdings
sei möglich,dass derKapitalverlust die Zinseneinnahme in einzelnen
Jahrenübersteigeund der Betreffende dadurchsteuerfrei werde,
allein er habe in diesemJahreauch nichtserworben.Wolle man
das vermeiden,dannmüsseman eine Vermögenssteuer hinzufügen.
Der Verlustmüsse ebenso berücksichtigt werden,wie der Kurs-
gewinnbeim Verkaufzum Einkommenzu schlagensei. Einen
Unterschied zwischen. Kapital-und Handelsertrag zu machen,gehe
nichtan, das hiesse wiederdie alte Ungleichheitnur nach der
anderenSeite einführen *). Auch der Mehrerlösverkaufter Liegen-
schaften· wurde der Einkommensteuer unterzogen,und in dem
BernoullischenSteuerstreit 18C2 vomGrossratdas als richtigan-
erkannt2). So ist es bis heute gebliebenund das letzteGesetzvorn
31. Mai 1880/21.März 1887 sagt deshalb:
㤠4. Als steuerbares Einkommenoder Erwerb ist zu be-
rechnender Gesamtbetrag jeder Gattungvon Gewinnoder Ver-
es
dienst, möge solcher erworben werdendurchHandelsgeschäfte,
Unternehmungen, Gewerbe, Handwerke oderBerufirgendeinerArt,
oder durchErlös von landwirtschaftlichen Erzeugnissen,oder durch
Zinse und Gewinnab Kapitalienoder Liegenschaften, bezw. durch
Mehrerlösbeim Verkaufederselben,wobei kein Unterschiedzu
machenist, ob diese KapitalienoderLiegenschaften im Kantonge-

') Schanz, Steuernder Schweiz,II, S. 33, 34.


2) Siehe Näheresebenda S. 35 Note 1.
69

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
70 G. Schanz,

legen sind oder nicht,oder endlichdurchBesoldungen,Pensionen,


NaturalVerpflegungen , Rentent Emolumenteoder Gratifikationen,
gleichvielob sie von BehördenoderAnstaltenodervonPartikularen
herrühren. Bei Ausmittelung des Gesamteinkommens könnenjedoch
die Handlungs-,Gewerbs-oderBerufskosten, schuldigeKapitalzinse,
Unterhaltund Lohn der Gesellenund der Arbeiter,sowie die im
Laufe des Jahreserlittenen Kapitalverlustean derEinnahmein Ab-
zug gebrachtwerden"etc.*).
Die Bundeseinkommensteuer der Vereinigten Staaten von
Amerika vom24. August18942) rechnet ein die GewinnevonWert-
papierenjeder Art3), die Gewinne vom Verkauf von Grundstücken,
wenndieseinnerhalbzweierJahrevor dem Jahr,welchesder Ein-
kommenfeststellung zu Grunde gelegtist,gekauft wurden 4); dafürlässt
es auch alle Verlusteabziehen,die im Lauf des Jahresim Geschäft
oder infolgevon Feuer, Sturmoder Schiffbruch, insoweitsie nicht
durchVersicherung oder sonstwieentschädigt wurden,entstanden
sind, ebenso wertlosgewordeneForderungen,dagegen nicht ge-
schätzteEntwertungen von Wertobjekten und Verlustebei Grund-
stücksverkäufen, wenn dieseVerkäufe in den oben charakterisierten
2 Jahrenerfolgten.
So sehenwirdenn,dass die Einkommensteuergesetze hinsicht-
lichderKonjunkturengewinne immermehrdemvonunsfestgehaltenen
Einkommensbegriff sich nähern;diejenigenGesetzgeber,die noch
einem Teil der Konjunkturengewinne eine Schonungangedeihen
lassen,werdenbald derWidersprüche und Finessen,in die sie sich
hineinbegeben haben, überdrüssigwerdenund eine klare und in
sich konsequente Situationschaffen.
*) Schanz, Steuernder Schweiz,V, S. 42.
2) Finanzarchiv1895 S. 451 f.
3) The amountof all premiumon bonds,notes or coupons; es ist aller-
dings diese Stelle dunkelund den Amerikanern selbst unklar; das Gesetz vom
Jahr1867 hatte den Ausdruckamountof all premiumon gold and couponsetc.,
darunterwar damals das Agio gemeint; siehe The QuarterlyJournalof Eco-
nomics,Vol. IX, S. 208.
4) Nach dem Gesetz von 1862, welcheskeine besondereBemerkungüber
die Grundstücksverkäufe enthielt,wurdeangenommen, dass Gewinneaus Grund-
stücksverkäufen Einkommenseien ohne Rücksichtauf die Zeit des Kaufs; das
Gesetzvon 1864 zog den Gewinnnur ein, wenn das verkaufteGrundstück im
gleichenJahre gekauftwar; das Gesetz von 1867 hatte die nämlicheBestim-
mungwie das Gesetz von 1894, d. h. 2 Jahre.'Sei ig man, The incometax.
Political Science Quarterly,Vol. IX, S. 625.
70

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommeiisbegriff 71

Das Problemder Besteuerung derKonjunkturengewinne steht


heuteimVordergrund ; manhat neuestens mancherlei vorgeschlagen l)
und auch versucht2),bis jetzt ohne erheblichen Erfolg; um so
wichtigererscheintes, dass die Einkommensteuer bei Zugrunde-
legung eines richtigen Einkommensbegriffs einen unterallen Um-
ständengangbarenund durchausgerechtenWeg zeigt.
Dabei ist allerdingsnoch eine Frage zu prüfen,ob diese Ge-
winnenichtschondurchandereSteuern,namentlich durchdie Ver-
kehrssteuern entsprechend getroffen sind. Man wird diese Frage
bei uns in Deutschlandin Bezug auf letzterewenigstens verneinen
müssen.Es mag dies am wichtigsten Fall, an dem des Immobiliar-
verkaufs, gezeigtwerden.Wennjemand ein Haus oder ein Grund-
stückkauft,so zahlt der Käufermeisteine hohe Steuer (1- 2 °/o
des Verkaufswerts). Der Verkäufer des Objektswird- Notverkäufe
undExekutionsverkäufe ausgeschlossen - im allgemeinen einenGe-
winnmachen;dennsonstwürdeer nichtverkaufen ; auch derKäufer
erwartet sich Gewinn,sei es in höheremRentenbezug,sei es im
Verkauf,aber ob sich das realisiert,zeigt erstdie Zukunft,und
Sache der Steuerist es, diesen spätemGewinnin dem Mass. als
späterzu treffen.
er sich realisiert, Vorerstist aber beimerfolgten
Verkaufdie Verkehrssteuer zu bezahlen, und zwar ist es zumeist
der Käufer,der sie zu entrichten hat; man könntenun sagen,der
Käufer.würdeum so viel mehrgegebenhaben, als die Steuerbe-
trägt,derVerkäufer sei durchdiesenAbzug genuggetroffen ; allein
man kann der
einwenden, jetzige Verkäufer hat seinerZeit beim
Kauf analoggehandelt,also damalsdas Objektumdie Steuerbilliger
erworben;die sämtlichen Güterwerte sind um denBetragderSteuer
gedrückt;jedenfalls ist der Gewinn des Verkäufers durchdie viel-
fach auch für den Rechtsschutz u. s. w. bezahlte Verkehrssteuer
nichtproportional getroffen; ein Objektvon 100,000M. zahlt ζ. Β.
2000 M. Verkehrssteuer, ob der Verkäuferdaran 5000 M. oder
*) Vgl. A d i c k e s , Ueber die weitereEntwicklungdes Gemeindesteuer-
wesens auf Grund des preuss.Kominunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893,
Tüb. Ztschr.f. d. gesamte Staatsw., 1894, 50. Jahrg.,bes. S. 614 f., 627 f.;
Ν eu mann, Zur Gemeindesteuerreform in Deutschlandmit bes. Beziehungauf
sächs. Verhältnisse.Tüb. 1895 S. 41 f
2) Vgl. neuestensdie BerlinerBauplatzsteuerund die Schwierigkeiten,
die dieselbe hervorgerufen.Verhandl.der Stadtverordnetenversammlung vom
30, Januar1896; Berl.Tageblatt Nr. 55 vom31. Januar1896. Ueberden Ertrag
derselbensiehe ebenda Nr. 97 vom 22. Februar 1896.
71

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
72 G. Schanz,

30,000 M. gewinnt ; es ist nichtwie bei der Erbschaftssteuer,


dass
man denBereicherten entsprechend und solangemandie Ver-
trifft,
kehrssteuer selbst nicht zu einerGewinnsteuer umgestaltet,wäre
die Freilassungder Konjunkturengewinne von derEinkommensteuer
ganz ungerechtfertigt*).
3. Erbschaften, Legate, Schenkungen, Lebens-
versicherungskapitalien, Lotteriegewinne.
Wir haben oben erwähnt,dass sie nach dem von uns fest-
gehaltenenEinkommensbegriff Einkommensind. Sie sind Rein-
vermögenszugänge, über die man beimAnfallverfügen kann; wenn
man sie verbraucht, ist man in seinembisherigen Vermögennicht
ärmergeworden.
Inwieweitsie derEinkommensteuer zu unterwerfensind,hängt
auch hier davon ab, ob diese Anfälle nichtbereitsvon anderen
Steuerngenügendgetroffen sind. Die Entscheidung lautetzumTeil
anders,als bei den Konjunkturengewinnen.
Was zunächstdie Erbschaften und Legate anlangt,so
ist bekannt,dass die Erbschaftssteuer überall gut ausgebildetist
und diese Vermögenszugänge zumeistsehrkräftigtrifft;sie nimmt
Rücksichtauf den Verwandtschaftsgrad und macht sich um so
wuchtiger der
geltend,je grosser Glücksfall, je mehrdas Gefühlder
Verwandtschaft erloschenist,je mehrdie Pflichten der fernenVer-
wandtendurchdie derGemeinschaft abgelöstwordensind. Insoweit
diese Steuereingreift und nichtdie Aufgabehaben soll2), das fun-
dierteEinkommennochmalszu treffen,ist für eine nochmalige

1) Die gleichzeitigeAnwendung der Einkommen-und Verkehrssteuer


zeigt sich auch in andernFällen als notwendig. Wenn jemand beim Bankier
ein Papier kauft,zahlt der Käuferden Stempel,d. h. er wird ihm verrechnet,
der Bankier hat beim Verkaufverdientund zahlt dafür Einkommensteuer;
an eine effektive Abwälzung des Stempels auf den Preis des Papiers glaubt
kein Mensch und eben deshalb ist auch keine Rede davon, den Bankierent-
sprechendin der Einkommensteuer zu entlasten,obwohler sogar rechtlichdie
Steuerzahlt. Wenn jemand ein Lombarddarlehen macht,so zahltder Schuldner
häufig eine Steuer, d. h. der Stempelwird vom Bankier dem Schuldnerver-
rechnet; der BankierverdientZins und zahlt dafür Einkommensteuer.Kein
Menschdenktdaran, den Bankierdafürzu entlasten,dass dem Schuldnerhier
eine ungerechteSteuer aufgelegtwird; ähnlichbei Hypothekenaufnahmen, wo
die Steuerfreilichzugleichein StückGebührist wegenMitwirkung derBehörde.
2) Vgl. preues.Gesetzentwurfvom Jahr1890 und Motive dazu (Finanz-
archiv1890 S. 669).
72

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff 73

Besteuerungdes Anfalls kein Bedürfnis *). Die Erbschaftssteuer


funktionierthier als eineSpezialeinkommensteuer füreinebesondere
Art von Reinvermögenszugängen.
Allein nichtalle Erbschaften und Legate sind besteuert.In
Deutschlandsind die Descendenten und Eheleute frei, die Ascen-
dentenmeist sehr geschont. Eine Ausnahmemachtnur Elsass-
Lothringen, wo auch nach dem neuenGesetz vom 12. Juni1889
diese Kategoriender Steuer unterworfen sind2). Man kann die
Frage erwägen,ob man nichtdie noch nichtgetroffenen Anfalle
derEinkommensteuer unterwerfen solle. Erbschaften, die an Descen-
dentenetc. fallen, erscheinen uns zunächstals Einkommen;denn
erst in dem Momentdes Anfallskönnendie Erben darüberdis-
ponierenähnlichwie bei anderem Einkommen auch. Alleines sind
immerhin eigenartigeAnfalle,sie stellenje nach demErbrechtviel-
fach latenteForderungsrechte dar (man denke nur an die Pflicht-
teilsrechte),und insofernkann man sagen, es seien keineneuen
Reinvermögenszugänge. Es hat deshalbeinenSinn, zu sagen, wir
acceptierenfür das Einkommensteuergesetz auch die Befreiungen,
wie sie das Erbschaftssteuergesetz jeweils aufstellt.Nur mussman
dann auch sonstkonsequent sein und darfζ. Β. nichtnochmalsein
Legat, das zufalligeineLeibrenteenthält,mitderEinkommensteuer
treffen,nachdemman den ganzenKapitalwertderselbender Erb-
schaftssteuer unterworfen hat.
Schon etwas genauermuss man sich die Schenkungen an-
sehen. Von unseremBegriffaus ist kein Unterschied unterden
Schenkungen zu machen, ob sie einmal oder wiederholtgewährt
werden,ob sie rechtlichsichergestelltsind odernicht,ob sie einen
remuneratorischen Charakter haben odernicht,sie sindunterschieds-
los so, wie sie anfallen,Einkommen.Alleinauch hiermüssenwir

*) Man könntein dieserHinsichtallerdingsnoch eine andereErwägung


hereinziehen.Der Erbe steuertdie ErbschaftssteuernichtimmerseinemWohn-
sitzstaat,sondernsehr oft einem andern,nämlichdem Staat, in dem der Erb-
lasser seinenWohnsitzoder seine Heimat hatte,oder bei Immobiliarvermögen
dem Staat, in welchemdasselbe liegt (vgl. Schanz, Zur Frage der Steuer-
pflicht,Finanzarchiv1892 S. 420 f.); durch Einbeziehungder Erbschaftenin
die Einkommensteuer könnteman so zu einer Steuer kommen,die man bisher
nichthatte. InnerhalbeinesBundesstaateswäre eine solcheDoppelbesteuerung
lege ferendazu verbieten.
2) Finanzarchiv1893 S. 269.
73

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
74 G. Schanz,

uns gegenwärtighalten, dass sie zum Teil schonvon einer be-


sonderenSteuergetroffen sind. Bekanntlichist aber die Materie
derSchenkungssteuer ausserordentlichverschieden x) in dendeutschen
Staatenbehandelt 2). Die eine Staatengruppe, welche aus Sachsen-
Weimar, Schwarzburg-Rudolstadt , Waldeck, Mecklenburg-Strelitz,
Hamburg,Reuss ä. L. und Sachsen-Meiningen sich zusammensetzt,
besteuertSchenkungen unterLebendenüberhaupt nicht; die zweite
Gruppe, zu welcher die Staaten Preussen,Sachsen,Bayern,Elsass-
Lothringen,Lübeck, Sachsen-Coburg-Gotha, Reuss j. L., Anhalt,
Braunschweig , Lippe-Schaumburg , Mecklenburg-Schwerin , Lauen-
die der
burggehören,knüpft Besteuerung Schenkungen unter Leben-
den an derenBeurkundung und kleidetdieselbein die Formeiner
Stempelabgabe, bezw. einerGebühr;die dritte,aus Württemberg,
Schwarzburg-Sondershausen und BremengebildeteGruppebesteuert
den Rechtsaktder Schenkungunabhängigvon derenBeurkundung,
unddievierteGruppe,zu welcherBaden,Hessen,Sachsen- Altenburg,
Oldenburg undLippe-Detmold zählen,hatein gemischtes Systemaus-
gebildet.Danebenbestehendie grössten Verschiedenheiten über die
Höhe der Steuer; namentlich ist hier wichtig,ob die Schenkungs-
steuerauch nach Verwandtschaftsgraden sich abstuft,ähnlichder
Erbschaftssteuer,wie es in Preussen,Württemberg, Hessen,Olden-
burg,Bremen,Sachsen- Altenburg, Reuss j. L., Lippe-Detmold, An-
halt-Dessau, Schwarzburg- Sondershausenund Lippe-Schaumburg
geschieht.Je nach derAusbildungderSchenkungssteuer wirdsich
für das einzelneLand entscheiden,ob es bei seinerEinkommen-
steuersagen kann undwill: Schenkungen bleibenfrei,weil ich die,
welche ich besteuertwissenwill, schon genügendgetroffen habe,
oder ob es davonwiederAusnahmenzu machenfür nötigfindet.
Wenn Bayern Immobiliarschenkungen mit 2 °/o trifft,Mobiliar-
schenkungen dagegennur,insoweit darüber notarielleVerträgeab-
geschlossenwerdenund auch die nurmit3 °/ooundbei Verwandten
nurmit 1 '/*°/oo,so wirdman gewisssagen können,die Mobiliar-
schenkungen sind ungenügend besteuert.Es hätte da einenSinn,
in einemEinkommensteuergesetz zu sagen: Immobiliarschenkungen
sind frei,Mobiliarschenkungen sind einkommensteuerpflichtig, doch

J)Abgesehenvon der Schenkungauf den Todesfall,die regelmässigder


Erbschaftgleichgestelltwird.
2) Siehe das Nähere bei 0. Bacher, Die deutschenErbschafts-und
Schenkungssteuern.Leipzig, 1886, S. 150 f.
74

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegriff
und die Einkommensteuergesetze. 75

kann die Schenkungssteuer in Anrechnung gebrachtwerden(falls


man letzteresüberhauptfürnötighält).
Bei den Lotteriegew innen liegt die Sache folgender-
massen:
In Deutschlandbestehteine Reichslotteriesteuer von 10 °/o;
allein diese trifftbekanntlich nichtdenGewinner, sondernsämtliche
Spieler; die Stempelabgabe mussvon der Lotterieanstaltim voraus
von dergesamten planmässigen Anzahl der Lose entrichtet
werden*),
und die Lotterieanstalt repartiertdie Steuerauf jedes Los. Der
Gewinner ist so zwar auch beigezogen,aber nichtnach Massgabe
des Gewinns,sondernnach MassgabeseinesEinsatzes; er ist nur
getroffen als Spieler; die Steuerist eine Spielsteuer. Danebener-
hebenaber die Staatenauch vomGewinnereineAbgabe,sie ziehen
ihm 10 - 18 °/oab; darinstecktzwar eineQuotefürdie Kostenund
Unternehm erthätigkeit, es bleibtaber noch eine hohe Gewinnsteuer
übrig, und es ist eine Befreiungder Lotteriegewinne von der Ein-
kommensteuer am Platz. Nichtso fürden Staat, der keineeigene
Lotteriehat; die GewinnerseinesTerritoriums werdenzurZeitvom
fremden Staat besteuert,er hat keinenGrund,diese Gewinnevon
seinemStandpunktnicht auch fürsteuerpflichtig zu erklärenund
in die Einkommensteuer zu ziehen.
Ebenso ist absolut kein Grund, die Gewinnerbei Kirchen-,
Pferde-,Ausstellungs- u. s. w. Lotterienzu befreien. Es würde
also als allgemeine Normaufzustellen sein: Lotteriegewinnesindfür
den Bezüger steuerpflichtig, sofernder Gewinnnicht aus einer
Staatslotterie seinesDomizilstaats herrührt.
Bei den Lebensversicherungen - die Sach- und Ertrags-
versicherungen scheidenaus - liegt die Sache etwaskompliziert.
Die Versicherungsprämien wirdman als eine Verwendung aus dem
Einkommen ansehenmüssen2); man kann sie deshalbin Parallele
stellenmitdenErsparnissen, die manaufZinslegt; beideerscheinen
als Kapitalanlagen.Die Versicherung ist aber eine Kapitalanlage,

*) § 22 des Reichsstempelgesetzes vom 27. April 1894. Finanzarchiv


1894 S. 112.
2) Man könntedaran denken, die Prämie als einen Kostenpostenanzu-
sehen, um damit eine Summezu gewinnen;allein da es sich hierbeium rein
persönlicheAngelegenheiten handelt, ist dies unzulässig; in ähnlicherWeise
darf der Lotterieeinsatznicht als ein Kostenpostenangesehen werden,weil
die Befriedigungdes Spielbedürfnisseseine persönlicheSache ist.
75

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
yg G. Schanz,

bei der man gewinnenund verlierenkann; man erhältmehroder


weniger,als den Prämienzahlungen und ihremZinsanwuchsent-
spricht,ja unter Umständen sogar nichts, ζ. Β. wenn man bei
Erlebensversicherungen den Termin nicht erlebt,bei Krankenver-
sicherungen nichtkrankwirdu. s. w. Eine derartigeErscheinung
ist auchbei anderenErsparnissen nichtgeradeausgeschlossen ; wenn
jemand aus solchen ein Haus baut, so kann er daran gewinnenund
verlieren; wenn jemand ein Papier kauft, so kann es hoch steigen,
aber auch wertloswerden.Allein es ist doch bei derVersicherung
insofern ein Unterschied,als hier diese Gestaltungim Wesen der
Einrichtung liegt. Sodanndürfteauch folgender Punktin die Wag-
schalefallen.
Wenn jemand einen Teil seinesEinkommensanlegt, sei es
dass er denselbenauf die Sparkassebringt,sei es dass er einHaus
kauftoder ein Papier, also ein Forderungsrecht erwirbt,so kann
er stets über sein Kapital vollständig verfügen. Das ist nicht so
bei der Versicherung.Bei Unfall-,Kranken-,Alters-,Invaliditäts-
versicherung ist derAnfallan ein Ereignisgeknüpft, das ungewiss
ist, man hat das Eigentuman seinenEinzahlungen verlorenund
einbedingtes Forderungsrecht erworben. Bei der Erlebensversicherung
ist die Sache ebenso; bei derTodesfallversicherung ist das Ereignis
gewiss,aber derVersicherte kannnichtüber das versicherte Kapital
verfügen, höchstens über Teilstücke1). Wenn man all das im
Auge behält, dann muss es wohl als das Einfachste erscheinen,
wennman alle Anfalleaus einerVersicherung, seien sie Kapital,
seien sie Rente, als Einkommenbetrachtet.Diejenigen, die mit
einemanderenEinkommensbegriff als wir operieren,sind in die
peinlicheLage versetzt, das Entschädigungskapital einer Unfall-
einer
versicherungsgesellschaft,Lebensversicherungsgesellschaft u. s. w.
als Vermögen,sobald aber dieselbe in
Leistung Form einerfort-
laufendenRentegewährtwird(Unfallrente, Leibrente u. s. w.), diese
als Einkommen anzusehen.
Was nun die Besteuerunganlangt, so liegt eine solche
vor in der Verkehrssteuer von den Policen. Diese Abgabe ist

*) Vgl. die Zusammenstellungvon Sttissi über die Bestimmungen betr.


Rückkaufvon Versicherungspolicen, Umwandlung etc. im Finanzarchiv1891,
S. 239. Bei der TodesfallVersicherung
darf man auch nichtübersehen,dass
der Kapitalanfallnichtan den Versicherten,sondernan einen Anderngeht.

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff 77

aber so klein, dass man sie als eine effektive Besteuerungder in


Frage stehenden Einkommen nicht ansehen kann *). Sie hat mehr
den CharaktereinerKontrollegebühr.Man wirddeshalb ohne er-
heblicheBedenkendie aus dem Einkommenfliessenden Prämien2)
und ebensodie anfallenden RentenundKapitalienversteuern lassen
können3). Es führtdies jedenfallszu einer im allgemeinenbe-
friedigenderen und richtigeren Lösung,als sie jetzt üblichist.-
"Wasdie Behandlungder Erbschaften, Legate, Schenkungen,
Lebensversicherungskapitalien, Lotteriegewinne seitens der Gesetz-
geberbetrifft, so können wir zunächst zwei grosseGruppenunter-
scheiden :
Die Gesetze,die derersteren Gruppeangehören, suchenmög-
lichstalle derartigen Anfällesteuerfrei zu lassen. Dahin gehören
die Einkommensteuergesetze von Baden, Hessen, Oldenburg,Reuss
j. undä. L., Sachsen-Weimar; die schweizerischen Gesetze,und zwar
sowohldie allgemeinen Einkommensteuergesetze der KantoneStadt-
Basel und Solothurn(1895), als die Partialeinkommensteuergesetze
der übrigenKantone; fernerdas niederländische, italienischeund
luxemburgische Einkommensteuergesetz. Alle dieseGesetzeschweigen
zwar über diesenPunktsichvölligaus, aberihreFassungundganze
Konstruktion istso, dass manannehmen muss,die Steuerfreiheit der-
artigerAnfälle sei Es
gewollt. gehört aberauch dahin eineReihe von
Gesetzen, die auf demselben Boden
prinzipiellen steht, sich aberaus-
drücklichäussert:Anhalt(§ 16) und Sachsen(§ 15) lassen nichtals
steuerpflichtiges Einkommengelten: „ausserordentliche Einnahmen
durchErbschaften und ähnlicheErwerbungen", Sachsen-Meiningen
(Art.11) undSchwarzburg-Sondershausen (§ 11): „ausserordentliche
Einnahmen aus Erbschaften, Schenkungen, Lebensversicherungen und
ähnlichenErwerbungen", Preussen(§ 8), Lippe-Detmold (§ 4), der
württembergische Steuerentwurf vom14. Mai 1895 (Art.8): ^ausser-
ordentliche Einnahmenaus Erbschaften,Schenkungen, Lebensver-
sicherungen - und ähnlicheErwerbungen".Nach diesenGesetzen

*) In Preussen V20°/°>in Bayern2%o der versichertenSumme.


2) Die Frage, ob man Prämienzahlungen teilweiseoder ganz freilassen
soll, ist untennäher erörtertin dem Aufsatz: „Soll man Lebensversicherungs-
prämienvom steuerpflichtigen Einkommenabziehen lassen?"
8) Ein grosser Teil der letzterengeht ebenso wie vermachteLegate
an Fremde, sie entfallendann eventuellhier und unterstehen der Erbschafts-
steuer.
77

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
7g G. Schanz,

gelten diese Einnahmennicht als Einkommen,„sondernals Ver-


mehrungen des Stammvermögens % jedoch wiedervielfachmit der
Ausnahme, wie in Preussen, dass bei Aktiengesellschaften,Gesell-
schaftenmitbeschränkter Haftung,Genossenschaften und ähnlichen
juristischenPersonendiese Anfallesteuerpflichtig sind.
Ueberdie Auffassung des Gesetzgebers mögendie preussischen
Motivezu demGesetzentwurf vom3. November1890 als Typegelten.
„Von besondererWichtigkeitist die Unterscheidung des Stamm-
vermögensvon dem steuerpflichtigen Einkommen(§ 8). Diese
Unterscheidung kann selbstverständlich nichtnach den subjektiven
Anschauungen und Absichtender einzelnen sondern
Steuerpflichtigen,
nur nach allgemeingültigenwirtschaftlichen Grundsätzen getroffen
werden.Zunächst kannes nichtzweifelhaft sein,dassausserordentliche
Zuwendungen, welcheeinerPersonohneAufwendungen aus eigenem
Vermögen oder Einkommen von Seiten eines Drittenzufliessen und
welchezugleichnachwirtschaftlichen Grundsätzen nichtzumZwecke
der Befriedigung laufenderBedürfnisse erfolgen,als Zuwachszum
Stammvermögen anzusehen sind ]).
„Das Gleichegilt hinsichtlich derdurchVeräusserung vonVer-
mögensbestandteilen erzielten
Gewinne, soferndie Veräusserung selbst
nichtals einreinesSpekulationsgeschäft erscheint,sonderndurch ander-
weite,rechtliche oder wirtschaftliche Rücksichten bedingtwurde.
„Die im § 8 angeführten Einnahmenbildennur Beispielefür
die Fälle des Vermögenszuwachses im steuerlichen Sinne2), denen
sich weitere, den vorstehenden Voraussetzungen entspre-
chende Fälle anreihenlassen. Eine festeBegriffsbestimmung ist
in dieserBeziehungebensowenig möglich,als eine erschöpfende
Aufzählungaller einzelnenFälle; ein Versuch der letzterenArt
würdenichtüber die Bedeutungeinerstetsunvollständig bleibenden
Kasuistikhinausgelangen; den Ausführungsbestimmungen und der

*)·Ueber diese Auffassung vgl. meine Kritikoben S. 24.


2) Unterden ausserordentlichen Einnahmen,die nichtals steuerpflichtiges
Einkommen,sondernals „Vermehrungdes Stammvermögens14 gelten sollen,
sind nichtbloss solche aus Erbschaftenund Schenkungen, sondernauch solche
aus Lebensversicherungen aufgeführt.Ich frage: Wie kann der Gesetzgeber
-
behaupten,dass Einnahmenaus Lebensversicherungen man hat offenbaran
die Lebensversicherungskapitalien -
gedacht Zuwendungenseien, welche einer
Person ohne Aufwendungen aus eigenem Vermögen oder Einkommenvon
selteneines Drittenzufliessen?
78

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff ηg

Praxismuss es vorbehalten bleiben,die durchdie Beispieledes § 8


angedeuteten Grundsätze sinngemäss weiterzu entwickeln/
Einer zweiten Gruppegehörenjene Staatenan, welcheden
Einkommensbegriff in Bezug auf die oben erwähnten „ausserordent-
lichenEinnahmen"ausdehnenund demzufolgedie Steuerpflicht zu
erweitern suchen; sie verhalten sichnamentlich ablehnend bezüglich
der Befreiungder L'otteriegewinne.
Der österreichische Gesetzentwurf hat nachdenBeschlüssen
des Abgeordnetenhauses in § 159 als nicht steuerpflichtiges Ein-
kommenerklärt: „ausserordentliche Einnahmenaus Erbschaften,
Lebenskapitalsversicherungen, Schenkungen und ähnlichenunent-
geltlichen Zuwendungen".
Der sonstüblicheAusdruck„ähnlicheErwerbungen" ist hier
bestimmter charakterisiertund - und zwar im Gegensatzzu dem
Regierungsentwurf1) - ausdrücklich aufunentgeltliche Zuwendungen
eingeschränkt. Zu diesenunentgeltlichen Zuwendungen gehörennach
jenseitigerAuffassung augenscheinlich die Lotteriegewinne nicht,
sie sind auch nichterwähnt,währenddies noch in der ursprüng-
lichenRegierungsvorlage derFall war. Dagegen fallendarunter und
sindsteuerfreidieMitgifte, sie sinddenSchenkungen ähnlicheunent-
geltlicheZuwendungen.Ebenso fallenLegate unterdieseKategorie.
Zweifelhaft scheintes, ob die Unfallversicherungskapitalien, welche
die privatenAnstaltenauszahlen,steuerfrei sind; es hängt davon
weit
ab, ob der Begriffder Lebenskapitalsversicherung oder eng
gefasstsein will2).
Auf ähnlichemBoden, wie der österreichische Entwurf,steht
die Gesetzgebung Schwarzburg-Rudolstadts (?) und Lübecks.
Schwarzburg-Rudolstadt (§ 7) lässt als nichtsteuerpflich-
tiges Einkommengelten bloss „ausserordentliche Einnahmenaus

Los-und Lotteriegewinne,
lautete: „Erbschaften,
*) Die Regierungsvorlage
und ähnlicheausserordentliche
Lebenskapitalsversicherungen Einnahmengelten
nichtals steuerpflichtiges
Einkommen."
2) Auf den generellenAusdruck „und ähnliche unentgeltliche. Zuwen-
dungen*kann man sich für die Einbeziehungnatürlichnicht stützen,denn
der Anfalleines Versicherungskapitalsist keine Zuwendungund noch weniger
nichtselten zahlt man mehr,als man erhält; der Ausdruck
eine unentgeltliche,
Zuwendungen"bezieht sich deshalb auch nicht
„und. ähnliche unentgeltliche
auf die Erbschaftenund Lebensversicherungskapitalien,sondern nur auf die
„Schenkungen".
79

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
gQ G. Schanz,

Erbschaften, Schenkungen, Lebensversicherungen"; es fehlenalso


auch hier die „ähnlichen ;
Erwerbungen"Lotteriegewinne sind hier
also wahrscheinlich *) ebenfalls nicht Vermehrung des Stammver-
niögens,sondern steuerpflichtiges Einkommen.Mitgifte werdenunter
den Begriff„Schenkungen"subsumiert werdenmüssen; bezüglich
der von privatenUnfallversicherungsanstalten ausgezahltenEnt-
schädigungskapitalien gilt das oben Gesagte.
Diesen Zweifel beseitigtdie Lübecker Gesetzgebung.In
Nr. 9 der zumEinkommensteuergesetz vom27. Mai 18892) gehören-
den Vorschriften für die Berechnungdes zu versteuernden reinen
Einkommens heisstes : „Einnahmen aus Erbschaften, Vermächtnissen,
Schenkungen, Lebens-und Unfallversicherungen und aus Mitgiften
bei Verheiratungen werdenbezüglichdes Kapitalwerts, welchensie
zur Zeit des Erwerbshaben,nichtzu dem Einkommen gerechnet."
Dass Lotteriegewinne hier nichtzu dem steuerfreien Einkommen
gehören,ist zweifellos, sie werdensogarals steuerpflichtiger Ertrag
einzelner gewinnbringender Geschäfte besonders hervorgehoben
(Nr. 9 Abs. 1).
Noch enger begrenztBremen das steuerfreie Einkommen;
es scheidetaus dem steuerpflichtigen Einkommennur aus die
unentgeltlichen Anfalle. „Erbschaften, Legate, Schenkungenund
Mitgifte sind rücksichtlich des Kapitalwerts, welchensie zur Zeit
des Erwerbeshaben, der Einkommensteuer nichtunterworfen3)."
Anfalle aus Lotterien 4), Versicherungskapitalien gehören so-

*) lieber^die unklare Situation des Schwarzburg-Rudolstadter Gesetzes


vgl. oben S. 60 Note 1.
2) Früher engte man die Steuerfreiheit noch mehrein; nach dem Ein-
kommensteuergesetz vom 18. Oktober1869 und 31. Mai 1872 hiess es: In das
steuerpflichtige Einkommenist einzurechnen„der Ertrag einzelner gewinn-
bringender Geschäfte,wozu auch Lotteriegewinne gehören,wogegenErbschaften,
Legate, Schenkungenund die Mitgiftbei Verheiratungennicht zu dem Ein-
kommen,sondernzu demKapitalvermögen des Empfängers, von dessenRevenuen
er die Steuer zu entrichtenhat, hinzugerechnet werden." Es fehlenalso die
Vereicherungskapital anfälle,die damalszumsteuerpflichtigen Einkommen zählten.
3) Ad. Wagner ist im Irrtum, wenn er, wie es scheint, in der Grund-
legung der politischenOekonomie, 3. Aufl.,1. Halbb., 1892, S. 406, annimmt,
dass in BremenErbschaftenins Einkommeneingerechnet werden.
4) Auch hier werden sie als steuerpflichtiger Ertrag einzelnergewinn-
bringenderGeschäfteangesehenand ausdrücklichhervorgehoben (Nr.9 Abs. 1
der Anweisung).
80

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff gj

nach zum steuerpflichtigen Einkommen.Auf diesemBoden steht


der BremerGesetzgeberseit dem erstenEinkommensteuergesetz
vom 3. Januar1848. Ausdrücklich wurdenvonSenat undBürger-
schaft damals die weitergehenden Anträgeder Finanzdeputation l)
abgelehnt2).
Dem BremerVorganghat sich schlechtwegHamburg an-
geschlossen.Das Einkommensteuergesetz vom 26. März1866, sowie
alle folgenden,so auch das geltendevom 7. März 1881, habendie
Lotteriegewinne die Versicherungskapitalien
ausdrücklich, stillschwei-
gendin das steuerpflichtige
Einkommen eingerechnet,
dagegenledig-
lich „Erbschaften, Legate, Schenkungenund die Mitgiftbei Ver-
heiratungen" ausgeschlossen.
WiederandereGesetzelassenauchLegate undSchenkungen
teilweiseunterdie Einkommensteuer fallen. So mussangenommen
werden,dass nach dem bayrischen Einkommensteuergesetze vom
4. Juni 1848 und nach dem badischen Einkommensteuergesetze
vom28. Juli1848 wenigstens alle regelmässigenBezüge aus Schen-
kungen,Vermögensübergaben und letztenWillensverordnungen bei
der Feststellung zu berücksichtigenwaren3).

l) Der Vorschlagder Finanzdeputation(Berichtvom 12. November1847)


lautete: „Erbschaftenund ähnlicherausserordentlicher nichtaus dem Geschäfte
herrührender Kapitalzuwachssind nicht ihremKapitalbetragenach, sondern
nur die davon bezogeneRente, sobald dieselbe zur Einnahme gekommenist,
der Steuer unterworfen".Lotteriegewinne wären hiernachfreigeblieben.
2) Bürgerkonventsverhandlungen vom 3. Dezember 1847. Das Gesetz
lautete: „Erbschaften,Legate, Schenkungenauf den Todesfall oder unter
Lebendigen,sowie die Mitgiftoder Aussteuerbei Verheiratungensind nicht
ihremKapitalbetragenach, sondernnur die davon bezogeneRente,sobald die-
selbe zur Einnahmegekommenist, der Steuer unterworfen."
8j Wie schon oben erwähnt,lautet der Art.1 des bayrischenGesetzes:
„JedesreineEinkommen ohneUnterschied, ob es von einer der übrigenSteuer-
gattungenschongetroffen ist oder nicht, ob es in Geld, Geldeswertoder in
Selbstbenutzung besteht,ständigoder unständigist, auf Rechtsverbindlichkeit
oder freiem Willen Anderer beruht, unterliegtder allgemeinenEin-
kommensteuer."Da ist natürlichentscheidend,was man unter reinemEin-
kommenversteht. In einer offiziellenSchrift: „Ueber die Einführungeiner
Kapital- und einer Einkommensteuer in Bayern, München1848, Druck und
Verlag von Georg Franz," wirdS. 22 gesagt: „Was man zu seinemund seiner
Familie Lebensbedarf verwendenkann, ohne sein Vermögenanzugreifen,
auf dessenregelmässige Wiederkehrman zu zählen und danachseinHaus-
wesen einzurichtenpflegt, das heisst man das Einkommeneiner einzelnen
Familie oder eines einzelnen Menschen." Man muss also annehmen,dass
Finanzarchiv.XIII. Jahrg. 81 Q

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
g2 G. Schanz,

Schliesslichmag auch noch ein Gesetzangezogenwerden,das


Schenkungen und Erbschaftenin das steuerpflichtige Einkommen
einrechnet, auch wenn es sich nicht um regelmässigwiederkehrende
Bezüge hierbeihandelt; es ist dies das amerikanische Bundes-
gesetzvom 24. August1894. Danach sind steuerpflichtig Geld und
Wertdes beweglichen Vermögens, das durch Geschenk oder Erb-
schafterworben wird*). Dass das Grundeigentum hier ausgenommen
ist, hat seinenGrundnichtdarin, dass man Geschenkeoder Erb-
schaften dieserGattungnichtals Einkommen sonderndarin,
erachtete,
dass das Gesetzeinenspezifisch agrarischen Charakter hat.
So sehenwir,dass, so gerneauch ein Gesetzgeber demanderen
in solchenDingen blindlingszu folgen pflegt,keineswegsvolle
prinzipielleUebereinstimmung bezüglichdieser„Vermehrungen von
Stamm vermögen" besteht, vielmehr schon recht viele Ansätze da
sind, dieselbendem Einkommen zuzurechnen. Instinktivhat man
eben herausgefühlt, dass man auf einem unrichtigen Boden sich
bewegt, bezw. mit einer falschenBegründungoperiert. Anstatt
einfachund schlichtzu sagen: Wir lassen das oderjenes frei,weil
hierfür eine Steuerbereitsbesteht,hat man immeraus einemun-
klarenEinkommensbegriff herauseinigesauszusondern gesucht.
Allein auch die Gesetze, welche prinzipielldie Schenkungen
und Legate nicht unterdas steuerpflichtige Einkommenrechnen,
habenden Grundsatz nichtganz durchzuführen gewagt.
vom3. Januar1877 zu dem früheren
Die Instruktion preussi-
schen Einkommensteuergesetz lässt keineswegsalle Geschenkefrei.
Daselbstheisstes (§ 29): Es „könnenζ. B. Rentenoder sonstige
geldwerteVorteile,welchejemandemvon einemanderengewährt
werden,nur insoweitzumselbständigen Einkommen des Empfangers

regelmässige Bezüge aus Schenkungen , Vermögensübergaben , Legaten


steuerpflichtigwaren. Dass man aber trotz dieser Definitionauch unregel-
mässig fliessendePosten, wie Verdienstaus einem Gutachtenu. s. w., in das
Einkommenrechnete,ist zweifellos.Das badischeEinkommensteuergesetz vom
28. Juli 1848 lautet im Art.1 analog wie das bayrische. Im Art.10 ist aus-
gesprochen fatierensoll; unterZiff.4 ist aufgeführt
, was der Steuerpflichtige
sein sonstigesEinkommen aus Leibgedingen,Stammgutsrechten, Nutzungs-
rechtenund Dienstbarkeiten aus Verträgen,Schenkungen unterLebenden,
Verniögensübergaben und letzten Willensverordnungen nach
der darauf haftenden und Passivrenten."
Abzug Lasten, Bezugskosten
*) Money and value of all personal propertyacquired by gift or in-
heritance.
82

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff gg

gerechnetwerden,als ihm gegenüberder Geber durcheinenbe-


sonderenRechtstitel(Vertrag,Verschreibung, Erkenntnis etc.) zu
einem durch diesen bestimmten Betrage der Leistungverpflichtet
ist*), währendalle solcheLeistungen, derenEntrichtung überhaupt
oder derenBetragvon dem gutenWillen des Gebersabhängt,zur
Anrechnung nichtgeeignetsind,auchwennsich dieselbenthatsäch-
lich wiederholenoder dabei auch persönliche Verpflichtungen des
Gebersgegen den Β. und
Empfanger(ζ. Versorgung Unterstützung
der Kinderund dergl.)obwalten , ohne dass durcheine bestimmte
rechtsverbindlicheFestsetzung ArtundUmfangderLeistunggeregelt
wäre". Man versteht nun schwer,warumes einenUnterschied be-
gründensoll, ob ich das Geschenk einmaliggebe oder ob ich meine
Geschenksabsicht so bethätige,dass ich dasselbein eine Reihe von
Einzelleistungen zerlegeund michdazurechtsverbindlich verpflichte.
Es ist doch materielldas Gleiche,wennjemand einemandernein
Kapital schenkt,das denWert einer10jährigenRentevon2000M.
repräsentiert, oderwenner sichrechtsgültig verbindlich macht,dem
anderen,bezw. dessenErben, 10 Jahrelang eine jährlicheRente
von 2000 M. zu geben. Man kann auch nichtsagen, das letztere
bietein allen Fällen eine grössereSicherheit, als das erstere. Für
einenverschwenderischen Bezüger mag es vielleichtzutreffen, für
einen anderenbedeutetder sofortigeEmpfang des Kapitals die
Möglichkeit,es denkbarsicheranzulegen,wogegendie jährliche
versprochene Rente hinfälligwerdenkann, wennder Leistendein
Konkursgerätu. s. w.
Alleinauch der in der preussischen Instruktion betonteStand-
punkt konntenicht festgehalten werden. So machteman ζ. Β.
wiedereinenUnterschied bei Trinkgeldern.In derVerfügung vom
19. Oktober1888 wurdeausgesprochen:„Die Trinkgeldersind an
und fürsich freiwillig geleisteteGeschenke,welchederBesteuerung
nichtunterliegen.Insofern(aber) Kellner, Hotelportiers u. s. w.
nach den thatsächlich bestehenden Verhältnissenaufdie Trinkgelder,
welcheihnenvondenGästenu. s. w. herkömmlich gezahltzu werden
pflegen, als einesichereEinkommensquelle neben demverabredeten
Lohn oder statt desselbenangewiesensind,istdie Anrechnung der
*) Analog wurden„die an Offizierefür die Dauer ihrer Bedürftigkeit
gewährtenfortlaufenden Allerhöchsten
Gnadenunterstützungen als steuerpflich-
tiges Einkommen"angesprochen.Verfügungvom 27. April 1889. Mitt. aus
der Verw. der dir. Steuernim preuss.Staat, Nr. 23, S. 10.
83

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
34 G. Schanz,

Trinkgelderals steuerpflichtiges Einkommengerechtfertigt. Diese


Voraussetzungen treffenaber (ζ.Β.) beidenPferdebahnschafihern nicht
zu. Namentlichdürftebei nähererErmittelung sich herausstellen,
dass die Verabreichung eines Trinkgeldesan den Schaffner doch
nur seitenseinerMinderzahlder Fahrgästeund auch von diesen
keineswegsin etwa gleichemUmfangeauf denverschiedenen Linien
der Pferdebahnen stattfindet,dass vielmehrzwischenden verschie-
denen Linien bedeutende Unterschiedebestehen,welche auch die
Schätzungderanzurechnenden Einnahmen nochunsicherer machen1).*
Es mag ja gernezugegebenwerden,dass durch„Schätzung"solche
Einnahmenschwerfestzustellen sind; aber das ist bei Hotelbedien-
stetennichtanders; die grossenUnterschiede,die bei Schaffnern
angenommen werden,geltenauch von Hotel zu Hotel. Jedenfalls
verstehtniemanddie ratio,weshalbein Kellner,der sich seinEin-
kommenganz oder teilweisedurchTrinkgelder verdienenmuss,für
die Trinkgelder steuernsoll, der Schaffner, der neben seinemGe-
halt 100 M. an Trinkgeldern einnimmt, der Briefbote, der zu Neu-
jahr, je nach Bezirken,Hundertevon Mark erhält,hierfürfreiist.
Die Geschenkesind zudemmeistAequivalentefürDienstleistungen
im weitestenSinn, auch auf der Pferdebahn;viele gewährtman
für freundliche Bedienung,kleine Leistungen,sympathische Hin-
neigungu. s. w. Es ist gar nichtauseinander zu halten,inwieweit
in einemGeschenksolcheGegenleistungen enthaltensind, und es
ist eben verkehrt, hier Unterschiede zu machen.
Das neue preussischeEinkommensteuergesetz steht auf ana-
logemStandpunkt wie das frühere.Fortlaufende Unterstützungen -
die nichtimmer,wierechtlich erzwungene Alimentationen, abersehr
häufig als Geschenke sich darstellen - lässt es in der Hand des
nur
Empfängers steuerpflichtig werden, wenn der Geber zu deren
Verabreichung sichrechtsgültig verbindlich gemachthat oderrechts-
kräftigverurteiltist. Dagegen sind Unterstützungen und andere
Zuwendungen, derenEntrichtung überhauptoder derenBetragvon
dem freienWillen des Gebersabhängt,auch wenn sie sich that-
sächlichwiederholen,, nichtsteuerfähig2).Wie früherwirdin dem
Fall der Rechtsverbindlichkeit der Geber nach Massgabe der von
ihm gewährtenUnterstützung befreit. Man sieht das ganze Ver-

*) Mitt. aus der Verw. der dir. Steuernim preuss.Staat, Nr.23, S. 8.


2) § 9 I Ziff.3 des Ges. und Art.23 Ziff.2 der Anw.

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
und die Einkommensteuergesetze.
Der Einkommensbegriff gr^

hältnisnach Analogie einerZinsleistungan , wo der Zahler auch


die Schuldzinsenabzieht,der EmpfängerseinemEinkommenzu-
rechnet l).
Bezüglichder Geschenkestösst man noch auf andereUnter-
schiede. Gratifikationen vonAngestellten im Privat-undöffentlichen
Diensthabenofteinengemischten Charakter, es steckenremunera-
torischeund donatorischeMomente darin. Hamburg, Lübeck,Bremen
erklärendie Gratifikationen schlechtweg fürsteuerpflichtig,
Sachsen
nur die fortlaufend gewährtenGratifikationen, ferneraber auch
die Vergütungen, die zu gewissenZeiten unterdem Namen von
Geschenken gewährtwerden,sofern sie durchVertragoder Her-
kommendem Betrage nach bestimmt sind2).
So martert man sichab, um Grenzlinien zu finden,
wo eigent-
lich keinesind, und vergisstschliesslichganz, dass jeder steuern
soll nach Massgabe der in der Steuerperiode gehabtenLeistungs-
fähigkeit, und dass dazu im Leben in sehr reichemMasse auch die
verschiedenen Geschenkzuflüsse gehören. Oder ist es etwa recht,
dass man zwei Postbotenmit gleichemGehalt,von denender eine
noch 400 M. Trinkgelder,der anderekeine 50 M. erhalt,gleich
behandelt ?
Eine Durchbrechung des Prinzips,dass GeschenkeundLegate
kein steuerpflichtigesEinkommen bilden,liegt in denSteuergesetzen
auch vor bei Leibrenten.
Es ist kein seltenerFall, dass einemErben ein Legat auf-
erlegtwirdin der Weise, dass er an Dritte eine Leibrenteoder
Pensionauszahle,oder dass jemandgeschenk weisefüreinenDritten
eine Leibrentekauft. Dieses Legat oder Geschenkhat bei einiger-
massenausgebildeten Erbschafts-und Schenkungssteuern der Be-
dachte nach dem kapitalisierten Wert, den die Leibrenteunter
Berücksichtigung des Lebensaltersdes Beschenktenhat, zu ver-
') AehnlichSachsen § 19 Ziff.3 ; § 15 Ziff.4 c; minister.Entsch. v.
81. Jan. 1884 in den Mitt.aus der Verw. der dir. Steuernim Königr.Sachsen,
I, S. 19; Anhalt§ 16 Ziff.3 c; § 19 Ziff.3; Sachsen-MeiningenArt.10 Ziff.3;
Art. 16 Abs. 5; Schwarzburg-Rudolstadt § 6 Ziff.3 ; § 12 c; Schwarzburg-
Sondershausen§ 10 Ziff.3; § 16 Abs. 3; Lippe-Detmold§ 5 Ziff.3; § 11.
Steuerlichwird man es billigen können,wenn man so verfährt;denn wenn
auch das GewährteEinkommendes Schenkersist, so schmälerter doch effektiv
seine eigene Leistungsfähigkeitund stärktdie des Beschenkten. Man könnte
den Grundsatzüberhauptauf alle Schenkungenausdehnen.
2) SächsischeAusführungsverordnung § 8.
85

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
gß G Schanz,

steuern;gleichwohlist es eine allgemeineRegel, die Leibrenten, in


denenein Zins und Kapital steckt,ohne Rücksichtauf ihre Ent-
stehung,also nicht bloss, wenn sie der Bezüger durch eigene
Kapitaleinzahlung sich erworbenhat, sondernauch wenn sie ihm
durchLegat oder Schenkungzugefallenist, der Einkommensteuer
zu unterwerfen. Wird also dem Erben auferlegt,ein Legat von
20,000 M. an einen Drittenzu zahlen, so ist der Empfangernach
der üblichenTheorieund Praxis fürdenAnfallder 20,000M. ein-
kommensteuerfrei, wirddas Legat in Form einerLeibrente gewährt,
die denKapitalwert von 20,000M. hat, so muss derEmpfangerdie
20,000M. nach und nach mitversteuern.
Einige wenigeGesetzgeber habengefühlt,dass hier ein Ver-
stoss vorliegt; aber auch sie konntensich nicht entschliessen,
schlechthinkonsequentzu sein. Die dreiHansestädtehaben Leib-
renten,Rentenund ähnlichewiederkehrende Zahlungensteuerfrei
gelassen,wenn sie auf dem freienWillen eines in der betreffenden
Hansestadtwohnendenoder befindlichen Steuerpflichtigen beruhen,
wogegennatürlichder Schenkerfür den Schenkungsbetrag steuer-
bleibt. Man hält hier an demGrundsatzder Steuerfreiheit
pflichtig
vonSchenkungen nurfest,wennmandafürdenSchenker als Steuer-
hat
pflichtigen *). Wenn also ein Berliner seinem Verwandten in
*) Bremen,AnweisungNr. 10 : „Zum reinenEinkommensind zu rechnen
Leibrentenund sonstigeRentenund ähnlichewiederkehrende Zahlungen,wenn
sie nichtauf dem freienWillen eines hiesigenSteuerpflichtigen beruhen. In
letzterem Falle kann der hiesigeGeber den BetragderRentennichtvon seinem
steuerpflichtigen Einkommenabziehen."
Hamburg,Anhangzu § 4 Nr. 11 : „Steuerpflichtig sindLeibrenten,sowie
sonstigeJahreseinkünfte von Kapitalien, die auf schwindenden Fonds angelegt
sind, Annuitäten,Pensionen oder andere wiederkehrendeZahlungen,solche
Einnahmenmögen zufolge Testamentsoder Vertrags oder sonstigerRechts-
verbindlichkeiten oder aus dem freienWillen Dritter, halbjährlichoder in
kürzerenoder längeren Terminen empfangenwerden. Entspringtdie Ein-
nahme aus dem freienWillen Dritter,so unterliegtdieselbe der Einkommen-
steuernur,wennnichtschon der hiesige Geber dafürbesteuertist.*
Lübeck, Vorschriften für die Berechnungdes zu versteuerndenEin-
kommens, Nr. 10. sind Leibrenten,Pensionenoder andere ähn-
„Steuerpflichtig
liche wiederkehrende Zahlungen; solche Einnahmenmögen zufolgeTestaments
oder Vertragsoder auf Grund sonstigerVerpflichtungen oder aus dem freien
Willen Dritterempfangenwerden. Entspringtdie Einnahme aus dem freien
Willen eines hiesigenSteuerpflichtigen, so ist sie der Einkommensteuer nicht
unterworfen;dagegen kann der hiesige Geber ihrenBetrag nichtvon seinem
steuerpflichtigen Einkommenabziehen/
86

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions
Der Einkommensbegriff
und die Einkommensteuergesetze. gy

Bremen20,000M. schenktoder legiert,bleibtdieserAnfallfürden


BremerEmpfangersteuerfrei ; wenner dagegendemselbendieselbe
Leistung in Form einerLeibrentegewährt,so hat diesersie zu ver-
steuern. Sind Geber und Beschenkter in Bremen, so bleibt der
Anfallund die Leibrentein BremenfürdenBeschenkten frei. Der
Empfänger ist wirtschaftlich
aber in gleicherLage, ob er das Ge-
schenktevon einemBremeroder einemBerlinererhält.
Man sieht, wie man den Grundsatz,dass Schenkungen und
Legate keinsteuerpflichtigesEinkommen seien, nichtstrengeauf-
rechterhält.
Bezüglichder SteuerfreiheitderVersicherungskapitalien ist es
nicht anders. Wenn sich jemand auf Zeit versichert (Erlebens-
versicherung),um mit dem 60. Lebensjahrein Kapital zu erhalten,
so unterliegt dieserKapitalanfallder Einkommensteuer in vielen
Staatennicht; versichertsichjemandderart,dass er eine einmalige
Einzahlungmachtoder jahrelangPrämienzahlt, um von einem
bestimmten Zeitmoment an eineLeibrenteoderPensionzu erhalten,
so musser fürdiese Bezüge, die zugleichKapital enthalten,Ein-
kommensteuer bezahlen. In Sachsenwurdees ausdrücklich imAn-
schlussan den Wortlautdes Gesetzesabgelehnt,für das Kapital,
das in einergekauften Leibrentesteckt,einenAbzug zuzulassen*).

Habe ich im erstenTeil zu zeigenversucht,


dass der Begriff,
der in demEinkommen denReinvermögenszugang einerbestimmten
Periodesieht,alleinzu einerbefriedigenden
Abgrenzung führt,die
kaufmännische und nichtkaufmännische einander
Betrachtungsweise
nähert,sowie den theoretischen
Bedürfnissen
einerEinkommenslehre
am bestensich anpasst,so dürfteauch der zweiteTeil dargethan
haben,dass der Begriffeine vorzügliche
Grundlagefürdas Steuer-
wesen gibt, eine MengeWidersprüche und Unklarheitendaselbst
beseitigtund den der
Gesichtspunkt Leistungsfähigkeiterstvoll und
ganz in den Vordergrund schiebt2).
l) Entscheid,vom 29. September1892. Mitt.Bd. IV, S. 482.
2) Die vorstehendeArbeitwar schon gedruckt,als das sehrverdienstliche
Werk Kleinwächters „Das Einkommenund seine Verteilung,Leipzig 1896"
erschien.Ich verweiseauf die untenin derFinanzlitteratur
gegebeneBesprechung,
wo ich auf die Differenzpunkte näher eingegangenbin.

87

This content downloaded from 195.78.108.41 on Thu, 12 Jun 2014 18:42:09 PM


All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Das könnte Ihnen auch gefallen