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Grundlage der Gelddiskussion

Die Erwartung, dass die geldpolitische Diskussion zu einer Klärung und Annäherung der
Standpunkte führen könnte, ist wohl naiv. Statt dem Festhalten an fest verankerten
„Standpunkten“, die Schützengräben gleich verteidigt werden, müssten alle Beteiligten beweglich
werden. Wie aber ist Bewegung möglich, wenn die Debattierenden keine gemeinsame, von allen
akzeptierte Grundlage formulieren, die sie gemeinsam nutzen wollen? Eine solche Grundlage
müsste aus einem Set von Definitionen und analytischen Werkzeugen bestehen, ohne dass in
ihnen schon wertende oder politische Festlegungen implizit enthalten wären. Diese Grundlage
müsste also ideologiefrei sein und damit die Basis bereitstellen, auf der sich politische
Fragestellungen gemeinsam traktieren ließen. Sie müsste empirische Phänomene erfassbar
machen und die Formulierung alternativer institutioneller Vorschläge ermöglichen.
Selbstverständlich müsste sie widerspruchsfrei sein.
Fragen, die bei neutraler Diskussionsgrundlage zunächst offen bleiben:
Sind Staatsschulden etwas prinzipiell anderes als die Verbindlichkeiten gewöhnlicher Wirtschafter?
Sind Staaten mit negativer Leistungsbilanz gezwungen, diese Defizite zu hinzunehmen?
Sollten alle Staatsbürger ein Konto bei der Zentralbank haben können?
Sollte die Zentralbank die emittierten Geldscheine wie die Münzen als Aktiva verbuchen?
Sollte die Zentralbank Staatsanleihen direkt kaufen dürfen?
Sollte es Helikoptergeld geben?
Müssen die Staatsschulden irgendwann getilgt werden? Oder ist eine „Streichung“ der
Staatsschulden möglich und auch sinnvoll?

Eine solche überaus hilfreiche Grundlage sehe ich in der Kulturtechnik des wirtschaftlichen
Lebens, wie sie seit der Renaissance mit der Doppelten Buchführung und Bilanzierung entwickelt
wurde. Diese Buchhaltung ist neutral und präjudiziert keine politischen Urteile, was nicht heißt,
dass sie jegliche Willkür aus ihrem Gefilde verweisen kann. Buchhaltung mit ihrer Bilanzierung ist
ein Instrument, den Umfang des Vermögens eines beliebigen Wirtschafters festzustellen - und,
wenn man sie auf einen Zeitabschnitt bezieht, die Änderung dieser Vermögenslage im Zeitverlauf
zu klären.
Zu diesem Vermögen gehören zunächst alle beweglichen und unbeweglichen Dinge, bezüglich
derer man Eigentumsrechte geltend machen kann. In einer Bilanz soll zum Abschluss der Umfang
des gesamten Vermögens zu einem Geldbetrag summiert werden, der in einer bestimmten
Währung ausgedrückt wird. Das Sachvermögen (bewegliche und unbewegliche Eigentumsrechte)
muss also Stück für Stück bewertet werden. Damit ist die Eintrittspforte für Willkür ein wenig
geöffnet. Durch unrealistisch hohe oder niedrige Bewertung eigener Sachwerte kann man sich
reich oder arm rechnen. Die Grenze dieser Willkür liegt in gesetzlichen Bewertungsregeln für
Kaufleute und in dem Versuch, aus dem Sachwert durch Verkauf tatsächlich einen Geldwert zu
machen.
Hier zeigt sich, dass schon Sachvermögen in mehrerer Hinsicht etwas Soziales ist: Es handelt sich
um Eigentumsrechte, setzt also ein entwickeltes Rechtssystem in einem Staat voraus, der diese
Rechte durchsetzen lässt. Und die Bewertung der einzelnen Sachpositionen verweist auf einen
Markt mit der jeweiligen Verwertungschance, auf potentielle Käufer, Mieter oder auch Kreditgeber.
Wer allerdings ausschließlich Sachwerte besitzt und keine Verbindlichkeiten hat, ist darüberhinaus
bilanziell mit niemandem anderen verbunden.
Der zweite große Block in der Bilanzierung betrifft Vermögenspositionen, die ohne Bewertung
schon in Geldbeträgen ausgedrückt vorliegen: Bargeld, Giralgeld, offene Forderungen aus
unbezahlten Rechnungen, verliehene Geldbeträge usw. Alle diese Positionen sind ebensowenig
wie beim Sachvermögen etwas, was man für sich allein „haben“ kann. Diese in bestimmten
Geldbeträgen einer Währung ausgedrückten Positionen verweisen direkt auf andere Wirtschafter
oder Institutionen des gemeinsamen Wirtschafts- und Rechtsraumes. Ein Giralgeldbetrag
innerhalb des eigenen Vermögens ist u. a. eine Rechtsbeziehung zu einer Geschäftsbank, eine
offene Forderung aus einer unbezahlten Rechnung ist eine Rechtsbeziehung zu einem anderen
Wirtschafter. Es ist also ein Spezifikum dieser Positionen in einer Vermögensaufstellung (Bilanz),
dass es sie gar nicht geben kann, wenn sie nicht auch in den Vermögensaufstellungen anderer
Wirtschafter in gleicher Höhe zu finden sind: Die Forderungen des einen sind so in gleicher Höhe
die Verbindlichkeiten eines anderen Wirtschafters.
Alle bislang aufgeführten Positionen (Sachvermögen und Forderungen, Bar- und Giralgeld-Geld)
werden in der Buchhaltungssprache Aktiva genannt. Ihre Summe ist das Brutto-Vermögen. Damit
haben wir aber nur ein Etappenziel erreicht. Wer das Netto-Vermögen wissen will, muss
Verbindlichkeiten abziehen, die anderen Wirtschaftern gegenüber bestehen. Die Auflistung der
Vermögenspositionen sind Geldverbindlichkeiten gegenüber Dritten zu erweitern: Steuerschulden,
nicht bezahlte Abgabeverpflichtungen, Kredite aller Art, offene Rechnungen Dritter usw. Diese
Positionen werden den Aktiva gegenübergestellt und Passiva genannt. Aktiva und Passiva können
gleich groß, aber auch verschieden sein. Sind sie gleich groß, ist das Netto-Vermögen des
bilanzierenden Wirtschafters null. Die Summe des Sachvermögens und des Brutto-Geldvermögens
ist dann genauso groß wie die geldlichen Verbindlichkeiten. Sollten diese Verbindlichkeiten
dagegen größer sein als die Summe der Aktiva, spricht man von Überschuldung (oder negativem
Eigenkapital). Sollte die Summe der Passiva dagegen kleiner als die der Aktiva sein, ist positives
Eigenkapital vorhanden. Dieser Betrag ist das gesuchte Netto-Vermögen oder auch Reinvermögen
oder auch Eigenkapital. Es ist also eine Residualgröße, die sich aus der Summierung der Aktiv-
und der Passivposten ergibt. Eigenkapital ist also keine feste Größe, sondern immer nur das
Ergebnis einer Berechnung. Daraus ergibt sich sofort, dass niemand mit seinem Eigenkapital
haften kann. Für eine Haftung können selbstverständlich immer nur Aktiva herangezogen werden.
Mit der Gegenüberstellung der Aktiva und der Passiva haben wir auch schon die Bilanz. Sie findet
in jedem Fall ihren Ausgleich, indem ein positiver Differenzbetrag als Eigenkapital den Passiva
hinzugefügt wird oder ein negativer Differenzbetrag als fehlendes Eigenkapital den Aktiva. Dass
Bilanzen zur Vermögensfeststellung immer ausgeglichen sind (d. h. dass
Aktiva = Passiva) ist weder ein Geheimnis noch eine Erfahrungstatsache, sondern das Ergebnis
der Definition, was Bilanz (Vermögensaufstellung) heißen soll:

(Aktiva A1 + ... + An) - (Passiva P1 + ... + Pn) = Nettovermögen

Bis hierher dürfte auch Buchhaltungslaien leicht nachvollziehbar sein, was eine Bilanz ist,
vorausgesetzt sie haben sich schon einmal im Leben in aller Ruhe die Frage vorgelegt, wie es um
ihre gesamte Vermögenslage bestellt ist. Neu dürfte allenfalls sein, wie sie aufgeschrieben wird
und wie die einzelnen Positionen benannt werden. Im nächsten Schritt, der Benutzung von Konten
in der Bilanzierung, treten neue Begriffe - Soll und Haben - und damit eigentlich leicht zu
bewältigende Verständisherausforderungen auf. Diese Konten (sog. T-Konten) sind das alltägliche
Instrument der Dokumentation, mit der ein Wirtschafter alle seine wirtschaftlichen Vorfälle
festhalten kann. Über den Sinn dieser Namen (Soll, Haben...) sollte man sich zunächst keine
besonderen Gedanken machen. Er ergibt sich dann aus den Regeln für die buchhalterische
Dokumentation der wirtschaftlichen Transaktionen. Es gibt Konten, die der Aktiva-Seite der Bilanz
angehören, in denen alle Aktiva und ihre Veränderungen dokumentiert sind und ebenso Konten,
die der Passivseite der Bilanz angehören. Zwei einfache Regeln gelten für die Dokumentation:
1. Vermehrungen von Aktiva werden auf der Sollseite des Kontos eingetragen, von Passiva auf
der Passivseite, Verminderungen von Aktiva auf der Habenseite, von Passiva auf der Sollseite
des jeweiligen Kontos.
2. Jede einzelne Dokumentation (sog. Buchungssatz) hat die Form einer Eintragung auf der Soll-
Seite eines Kontos und zugleich auf der Haben-Seite eines anderen Kontos, das Konto mit der
Eintragung im Soll wird zuerst genannt.
Ein Beispiel soll dies veranschaulichen. Ein Wirtschafter kauft ein Gut auf Rechnung mit 90 Tagen
Zahlungsziel. An seiner Vermögenslage haben sich damit zwei Veränderungen ergeben: Sein
Brutto-Vermögen hat sich vergrößert. In gleicher Höhe haben sich seine Verbindlichkeiten
vergrößert. Er bucht einen Zugang (im Soll) auf dem für das Gut zutreffenden Aktiv-Konto.
Zugleich bucht er einen Zugang (im Haben) auf einem Passivkonto (dem Kreditorenkonto seines
Lieferanten). Seine Passiva haben sich in gleicher Höhe vermehrt wie seine Aktiva. Sein
Nettovermögen hat sich also nicht verändert.

Vorrat Gut a Lieferant a

Soll Haben Soll Haben

1.000 € Gut a Re. a 1.000 €


Es ergeben sich formal folgende Buchungsmöglichkeiten:
1. Soll auf einem Konto der Aktivseite, Haben auf einem Konto der Passivseite
2. Soll auf einem Konto der Passivseite, Haben auf einem Konto der Aktivseite
3. Soll und Haben auf der Aktivseite
4. Soll und Haben auf der Passivseite

Das obige Beispiel gehört zur Gruppe 1, es handelt sich um einen Kauf, auch Ausgabe genannt.
Die Veränderung der Bilanz nennt sich Bilanzverlängerung. (Keine Vermögensänderung)

Wenn unser Wirtschafter nach einigen Wochen die Rechnung per Überweisung bezahlt, bucht er
nach Punkt 2:

Lieferant a Bank

Soll Haben Soll Haben

1.000 € Re.a 1.000€ Gut a Re. a 1.000 €

Der Kontostand bei der Geschäftsbank ist um denselben Betrag gesunken wie die Verbindlichkeit
gegenüber dem Lieferanten. Das Kreditorenkonto des Lieferanten ist jetzt ausgeglichen. Am Netto-
Vermögen des Wirtschafters hat sich nichts geändert. Seine Liquidität ist um den gleichen Betrag
gesunken wie seine Verbindlichkeiten. Der Wirtschafter hat eine Auszahlung, keine Ausgabe
vorgenommen. Die Veränderung der Bilanz nennt sich Bilanzverkürzung.

Wenn der Wirtschafter das gekaufte Gut a als Vorprodukt durch eigene Arbeit für die Herstellung
eines eigenen Produktes verbraucht, bucht er nach Punkt 3:

Vorrat Produkt a Vorrat Gut a

Soll Haben Soll Haben

1.000 € P a G a 1.000 € G a 1.000 €

Das Vorratskonto Gut a ist jetzt ausgeglichen, weist keinen Saldo auf, es ist kein Vorrat von Gut a
mehr vorhanden. Stattdessen haben wir einen Vorrat des Produktes a. Am Netto-Vermögen hat
sich wieder nicht geändert. Die Bilanz erfährt einen Aktivtausch. Der Zuwachs auf dem einen
Aktivkonto ist gleich der Verminderung auf dem anderen Aktivkonto.

Einen Passivtausch in der Bilanz haben wir bei einer Buchung entsprechend Punkt 4. Der Lieferant
des Wirtschafters war bereit, an die Stelle des kurzfristigen Kredits einen langfristigen treten zu
lassen. Das Passivkonto des Lieferanten a war zuvor mit 1000 € belastet, erhält jetzt eine
Sollbuchung von 1.000 €. Damit ist das Kreditorenkonto des Lieferanten ausgeglichen. Der zweite
Teil der Buchung führt zu einer Haben-Buchung auf dem Passiv-Konto für langfristige
Verbindlichkeiten gegenüber a. Auch in diesem Fall findet am Netto-Vermögen keine Änderung
statt.

Lieferant a langfr. Verbindlichkeit


gegenüber a
Soll Haben Soll Haben

1.000 € 1.000 € Langfr. Kredit


kurzfr. Kredit 1.000 €

Konten der Zahlungsreihe


Die Konten für Bank, Kasse, Ausgangsrechnungen (Debitoren) und sonstige Forderungen auf der
Aktivseite sowie die Konten auf der Passivseite für alle Verbindlichkeiten (Kreditoren, Steuern und
Abgaben) und sonstige Verbindlichkeiten nennt man Konten der Zahlungsreihe. Der Saldo dieser
Konten nennt man Netto-Geldvermögen. Es kann positiv, null oder negativ sein.

Das Netto-Geldvermögen ist den Zahlungsmitteln abzugrenzen. Die Summe der Konten Kasse
und Bank bildet die Zahlungsmittelmenge, die nur positiv oder null sein kann.

Daraus ergibt sich, dass Zahlungsfähigkeit nicht gleichbedeutend mit positiven Netto-
Geldvermögen ist.

Man bezahlt nicht mit Geldvermögen, sondern mit Zahlungsmitteln. Kann man Geldvermögen
benutzen? Man kann durch Vorzeigen des Geldvermögens versuchen, den Eindruck zu erwecken,
ein vertrauenswürdiger Kunde eines Kreditgebers zu sein. Dabei wird das Geldvermögen aber
nicht verbraucht. Geldvermögen kann man nicht verbrauchen. Man kann es vermehren,
vermindern, dafür sorgen, dass es gleich bleibt. Durch ausreichend Verminderung kann es negativ
werden oder als negativer Wert absolut größer werden. Netto-Geldvermögen ist der saldierte
Bestand aller Zahlungsmittel, Forderungen und Verbindlichkeiten, die auf eine Währung lauten.
Den Bestand verfügbarer Zahlungsmittel kann man erschöpfen. Der niedrigste Bestand ist null, ein
negativer Wert ist hier nicht definiert. Der eigene Zahlungsmittelbestand wird durch Einzahlungen
(=Zufluss von Zahlungsmittel) erhöht. Der Einzahlende tilgt mit seiner Einzahlung seine
Verbindlichkeit bei dem Zahlungsempfänger. Diese Verbindlichkeit kann dadurch entstanden sein,
dass er eine Leistung empfangen hat, oder dadurch, dass er als Kreditgeber die Zahlungsmittel im
Austausch gegen eine Kreditverbindlichkeit des Zahlungsmittelempfängers hergibt. In beiden
Fällen ändert sich das Geldvermögen des Zahlungsmittelempfängers nicht. Beide Fälle sind reine
Finanztransaktionen, der erste Fall ist ein Aktivtausch Zahlungsmittel gegen sonstige Forderung,
der zweite Fall ist eine Bilanzverlängerung Zahlungsmittel gegen Kreditverbindlichkeit. Wenn der
Kreditgeber eine Bank ist, die die Zahlungsmittel als Gutschrift zugunsten des Kreditgebers auf
seinem Konto bei dieser Bank gutschreibt, entstehen neue Zahlungsmittel. (Dies wird bildlich
gerne als „Schöpfung aus dem Nichts“ bezeichnet.) Wenn der Kreditgeber eine Nicht-Bank ist,
ändert sich am gesamten Zahlungsmittelbestand der Volkswirtschaft dagegen nichts. In diesem
Fall werden lediglich schon vorhandene Zahlungsmittel kreditweise weitergegeben.

Die These der MMT, dass der Staat für die Finanzierung seiner Ausgaben nicht die Steuern
benötigt (oder womöglich gar nicht nutzen kann), wirkt immer noch und immer wieder wie ein
Paukenschlag und trifft häufig auf Skepsis und Unverständnis. Könnte es sein, dass sich bei
konsequenter Anwendung der Unterscheidung zwischen Geldvermögen und Zahlungsmittel die
These als vollkommen richtige, gleichwohl triviale Einsicht herausstellt? Geldvermögen wird durch
Einnahmen und Ausgaben verändert, aber nicht, wie wir gesehen haben verwendet oder
aufgebraucht - nicht verzehrt. Wie alle anderen Wirtschafter auch benötigt und verwendet der
Staat Zahlungsmittel, um seine Ausgaben zu finanzieren, wenn die Lieferanten der verlangten
Leistungen keinen Kredit geben wollen. Der Saldo der staatlichen Einnahmen (hauptsächlich durch
Auferlegung von Steuern) und seinen Ausgaben ist der Veränderungsbetrag seines Nett-
Geldvermögens, das fast immer negativ ist und für die meisten Staaten meistens weiter negativ
wächst; mit anderen Worten: die Staatsverschuldung wächst. Die meisten Zuflüsse von
Zahlungsmitteln auf dem Staatskonto bei der Zentralbank erfolgen als Steuereinzahlungen. Sie
werden selbstverständlich ebenso wie jeder andere Zufluss, z. B. infolge des Verkaufs von
Staatsanleihen an Dritte (also nicht an die Zentralbank), durch Kredite von Geschäftsbanken oder
durch direkte Gutschrift der Zentralbank zugunsten des Staates (offene monetäre
Staatsfinanzierung, in der Eurozone nicht erlaubt), für Zahlungen des Staates genutzt.

Leistungstransaktionen verändern - auf welche Weise auch immer - das Netto-Geldvermögen.


Lediglich wenn der Leistungsbilanzsaldo null beträgt, bleibt das Netto-Geldvermögen unverändert.
Die Buchungen in der Kapitalbilanz - der Bilanz der Verbindlichkeiten und Forderungen - geben
darüber Auskunft, in welcher Form sich das Geldvermögen darstellt. Ein Leistungsbilanzdefizit ist
auf jeden Fall mit einer gleich großen Herabsetzung des Geldvermögens verbunden, es ist
eigentlich gar nichts anderes, eine Verringerung eines positiven Bestandes oder eine weitere
Vergrößerung eines negativen Standes. Ob sich das Defizit in der Kapitalbilanz als Abfluss von
Zahlungsmitteln, Devisen oder heimischer Zahlungsmittel, oder als Verringerung von Forderungen
gegen andere oder als Vermehrung von Kreditverbindlichkeiten gegen andere darstellt, ergibt sich
aus den Buchungen der Kapitalbilanz. Auf jeden Fall muss der Saldo der Kapitalbilanz bei
Leistungsbilanzdefizit einen gleich großen Betrag, allerdings mit positivem Kennzeichen,
aufweisen. Dass die Mehrung der Verbindlichkeiten bei Leistungsbilanzdefizit in der Kapitalbilanz
von einem positiven Saldo begleitet ist, mag mit zur Redeweise vom Kapitalimport beigetragen
haben.

Leistungsbilanzdefizit=Kapitalbilanzüberschuss
Wer mehr Leistungen bezieht als abzugeben (als einzelner Wirtschafter oder als irgendwelche
Zusammenfassung von Wirtschaftern) hat in gleicher Höhe mehr „Kapital“ bezogen als
abgegeben. Bei Volkswirtschaften spricht man von Netto-Kapitalimport. Diese Größe ist der Saldo
der in der betrachteten Periode hinzugekommenen Forderungen und Verbindlichkeiten. In der
doppelten Buchführung ist eine neue Verbindlichkeit sogenanntes Fremdkapital, gebucht auf
einem Passivkonto im Haben. Wer neue „Schulden macht“, wie umgangssprachlich gesagt wird,
vergrößert in der Sprache der doppelten Buchführung sein Fremdkapital oder vermindert seine
Forderungen gegenüber der Komplementärgruppe, die dann ihrerseits ihr Fremdkapital mindert.

Das „aus dem Nichts“ verleitet zur falschen Annahmen, dass das Geld früher nicht aus dem Nichts
geschöpft wurde und dass wir jetzt, durch welches Wunder auch immer, dazu in der Lage sind.
Richtig ist aber, dass auch zu Zeiten einer Monetisierung von Edelmetall Zahlungsmittel vorhanden
sein konnten, die durch Bankkredit in die Welt kamen. Monetisiertes Gold wurde vorzugsweise
zum Saldenausgleich im internationalen Zahlungsverkehr genutzt. Zahlungsmittel kommen heute
nur noch mittels Bankkredit in die Welt. Das sollte uns aber nicht verleiten, Kredit und Geld
gleichzusetzen. Die Gleichung Geld=Kredit ist nicht richtig. Richtig ist vielmehr, dass die Summe
der bei den Nichtbanken verfügbaren Zahlungsmittel gleich der Summe der Netto-Bankkredite ist,
also aller Bankkredite abzüglich derer, die Banken untereinander gewährt haben. Kredite zwischen
Nichtbanken verändern den Zahlungsmittelbestand aller Nichtbanken nicht. Deshalb ist die
Gleichung Geld=Kredit in dieser Allgemeinheit falsch.

Heute müssen sich alle Formen von Geldvermögen, die ein Wirtschafter sein Eigen nennt, als
positive wie auch als negativere Betrag, nicht nur in der eigenen Bilanz finden, sondern in Summe
in gleicher Höhe mit umgekehrtem Vorzeichen auch in fremden Bilanzen. Positives Geldvermögen
bei einem Wirtschafter kann immer nur im völlig gleichen Schritt mit negativem Geldvermögen bei
anderen Wirtschaftern entstanden sein. Dies ist lediglich eine Umformulierung der Trivialität, dass
die Ausgaben-Überschüsse der einen Seite immer gleich den Einnahmeüberschüssen der
anderen Seite sind. Die Buchführung von Geldvermögen ist ein Netz, das alle Wirtschafter
miteinander verbindet. Jede Buchung bei dem einen ist von einer Buchung bei einem anderen
Wirtschafter begleitet. Sonst wäre die die Gesamtgröße des Geldvermögens gleich Null nur zufällig
erfüllt. Forderungen, gebucht auf Konten der Zahlungsreihe, sind von ebendort gebuchten
Verbindlichkeiten bei anderen Wirtschaftern begleitet. Die Höhe des jeweiligen individuellen
Geldvermögens eines Einzel-Wirtschafters, und sei es auch der Staat, ist nicht einseitig willkürlich
zu verändern. Sie kann nur verändert werden bei gleicher Veränderung derselben Größe in der
Komplementärgruppe mit umgekehrtem Vorzeichen und ohne Zeitverzug. Die Bilanzierung von
Sachvermögen ist von fremden Bilanzen völlig unabhängig und damit ein Feld der Willkür.

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