der schwerpunkt
Karl Stückler
BDO
Die Auswirkung der Inflation
auf den Jahresabschluss
Inflation. Während die COVID-19-Krise und die damit verbundenen wirtschaftlichen Auswir-
kungen in den Hintergrund treten, ist der Einfluss des Krieges in der Ukraine auf Lieferketten und
die Inflation umso bedeutender. Dieser Betrag beleuchtet, wie sich die aktuelle Inflationsent-
wicklung auf den Jahresabschluss auswirken kann.
1. Einleitung
Der Jahresabschluss ist gem § 193 Abs 4
UGB in Euro zu erstellen. Die Führung
der Bücher und Aufzeichnungen hat ent-
sprechend § 4 Eurogesetz1 in Euro zu erfol-
gen. Dabei hält das österreichische Bilanz-
recht am Nominalwertprinzip fest, dh „1
Euro = 1 Euro“. Eine Geldeinheit ist unab-
hängig von der Entwicklung ihrer Kaufkraft
im Zeitablauf stets mit einer Geldeinheit
gleichzusetzen.2
Das geltende Bilanzrecht knüpft idR an
nominelle Werte an, weshalb nicht die reale
Kaufkraft der Geldeinheit, sondern der no-
minelle Wert der Geldeinheit maßgebend
ist.3 Die Geldentwertung (Inflation) oder
Geldaufwertung (Deflation) bleibt damit
grds unberücksichtigt. Aktuell befindet sich
Österreich in einer Phase der Geldentwer-
tung. Aus bilanzieller Sicht besteht dabei
das Problem des Ausweises von sog Schein-
gewinnen, wenn also der (alte) Buchwert
der Vermögensgegenstände (zB als Ab-
schreibungen des Anlagevermögens, als
Einsatz der Vorräte oder als Abzugsposten
bei der Ermittlung des Veräußerungsge-
winns) einerseits und der Erlös aus deren
Realisierung andererseits zeitlich auseinan-
derfallen, werden Geldeinheiten mit unter-
schiedlicher Kaufkraft bewertet. Wenn hin-
gegen ein Unternehmer Fremdkapital auf-
nimmt, sinkt seine Schuld inflationsberei-
nigt im Zeitraum zwischen Aufnahme
und Rückzahlung real im Wert.4 Der infla-
tionsbedingten Entwertung des Vermögens
steht damit spiegelbildlich der sinkende Re-
alwert von nominellen Verbindlichkeiten
gegenüber, während letztere durch eine Er-
höhung des Fremdkapitalzinssatzes gemin-
dert bzw gestoppt werden kann.
Der vorliegende Beitrag zeigt jedoch,
dass insb bei der Bewertung des Erfül-
lungsbetrages, der für Verbindlichkeiten
und Rückstellungen maßgeblich ist, das
Nominalwertprinzip durchbrochen wird.
Darüber hinaus wird auch beleuchtet, wel-
che Konsequenzen die aktuellen Preisstei-
108 DJA 4 | 2022
gerungen für die Anwendung von Bewer-
tungsvereinfachungsverfahren haben kön-
nen.
2. Bewertungsvereinfachungs-
verfahren
2.1. Festwertverfahren
Gegenstände des Sachanlagevermögens so-
wie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe können
mit einem gleichbleibenden Wert angesetzt
werden, sofern folgende Bedingungen ku-
mulativ erfüllt sind (§ 209 Abs 1 UGB):
n Vermögenswerte werden regelmäßig er-
setzt und
n der Gesamtwert der Vermögenswerte
ist nicht wesentlich und
n der Bestand unterliegt in seiner Größe,
seiner Zusammensetzung und seinem
Wert nur geringen Veränderungen.
Wenn das Wahlrecht für den Ansatz eines
Festwerts ausgeübt wird, dann ist eine Be-
standsaufnahme grds nur alle fünf Jahre
vorzunehmen.
Aufgrund der derzeitigen Preisentwick-
lung auf den Beschaffungsmärkten ist das
Tatbestandsmerkmal der „nur geringen
Veränderungen“ des Wertes zu hinterfra-
gen. Bei bestimmten Vermögensgegenstän-
den könnte fraglich sein, ob der Festwert
beibehalten werden darf.
Ob Preisänderungen im Rahmen der
Bestandsaufnahmen zu berücksichtigen
sind, ist nicht abschließend geklärt:5 In
den Perioden zwischen den Bestandsauf-
nahmen sind Preisänderungen grds nicht
für die Bewertung relevant, da diese fortlau-
fend mit dem Festwert zu bewerten sind.
Eine Wertzuschreibung aufgrund von
Preiserhöhungen würde insb auch das Rea-
lisationsprinzip sowie das Anschaffungs-
kostenprinzip verletzen. Liegen die Preisän-
derungen jedoch außerhalb einer Schwan-
kungsbreite von 10%, kann keine geringe
Veränderung des Wertes mehr angenom-
men werden.6 Dadurch ergibt sich bereits
aus dem Gesetzeswortlaut, dass das Wahl-
recht zum Ansatz eines Festwertes in die-
sem Fall womöglich nicht mehr in An-
spruch genommen werden darf.
2.2. Verbrauchsfolgeverfahren
Für die Bewertung von gleichartigen Gegen-
ständen des Finanz- und Vorratsvermögen
sowie von Wertpapieren sind grds die An-
wendung des Durchschnittswertfahrens
und die Verbrauchsfolgefiktionen LIFO
und FIFO zulässig (§ 209 Abs 2 UGB).
Insbesondere für Gegenstände des Vor-
ratsvermögens sind die Beschaffungspreise
zuletzt teilweise stark gestiegen – so können
sich bspw Schnellbauschrauben im Jahr
2022 um über 70% verteuert haben. Solche
Preisentwicklungen können je nach Wahl
des Verbrauchsfolgeverfahrens mitunter
Auswirkungen auf die Vermögenslage des
Unternehmens haben.
Besonders die Anwendung des LIFO-
Verfahrens kann zu exzessiven Steigerun-
gen der im Vorratsvermögen enthaltenen
stillen Reserven führen, da die Vermögens-
gegenstände – je nach Ausmaß des Preisans-
tieges während der Periode – stark unterbe-
wertet sein können.7
Das LIFO-Verfahren darf
steuerlich nur ausnahms-
weise angewendet werden,
wenn die tatsächliche Ver-
brauchsabfolge durch die
Art der Lagerhaltung dieser
Annahme am ehesten
entspricht.
1
Vgl BGBl I 2000/72. 2 Ausführlich zum Steuerrecht zu-
letzt Klokar, Nominalwertprinzip und Inflation im Steuer-
recht, ÖStZ 2022, 393 mwN. 3 Vgl ausführlich Bertl/Eber-
hartinger/Hirschler/Höltschl/Schiebel, Anwendung der Ef-
fektivzinsmethode im UGB-Abschluss, RwSt 2020, 13
(17). Eine Durchbrechung findet bspw in § 238 Abs 1 Z 1
UGB statt, wonach im Anhang der beizulegende Wert für
derivative Finanzinstrumente anzugeben ist. 4 Vgl Klo-
kar, ÖStZ 2022, 393. 5 Vgl Schausberger-Strobl in Jabor-
negg/Artmann (Hrsg), UGB3 (2019) § 209 Rz 6; Urnik/Urtz/
Ketter/Büger in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG3 § 209
Rz 11. 6 Vgl Christian/Hohensinner in Zib/Dellinger (Hrsg),
UGB (2013) § 209 Rz 15; Urnik/Urtz/Ketter/Büger in Strau-
be/Ratka/Rauter (Hrsg), UGB II/RLG3 § 209 Rz 7. 7 EStR
2000 Rz 2320.

Durch das Durchschnittswert- oder
FIFO-Verfahren kann es hingegen zum
Ausweis von Scheingewinnen kommen,
wenn die gestiegenen Preise in dem für die
Bewertung von Abgängen herangezogenen
Durchschnittspreis nicht ausreichend ge-
nug gewichtet werden.
3. Verbindlichkeiten
Eine Verbindlichkeit liegt vor, „wenn ein
Gläubiger einen quantifizierbaren An-
spruch gegenüber einem Unternehmen
hat, der dieses wirtschaftlich belastet“.8
3.1. Bewertung
In der Bilanz sind Verbindlichkeiten mit
dem Erfüllungsbetrag anzusetzen (§ 211
Abs 1 UGB), worunter jener Betrag zu ver-
stehen ist, der zur Erfüllung der Verbind-
lichkeit aufgewendet werden muss. Nach
Teilen der Literatur sind bei der Ermittlung
des Erfüllungsbetrages künftige Preis- und
Kostensteigerungen bei der Bewertung
von Verbindlichkeiten – unter Einschrän-
kung des Stichtagsprinzips – zu berücksich-
tigen.9 Diese Ansicht ist insoweit vertretbar,
als das Nominalwertprinzip gesetzlich
nicht verankert ist, und demnach der Bar-
wert-Betrachtung des Erfüllungsbetrages
nicht entgegensteht. Dieser Ansicht fol-
gend, wird die Verbindlichkeit zum tatsäch-
lichen Erfüllungsbetrag erfüllt; nicht jedoch
– aus Sicht eines späteren Zeitpunktes –
zum „historischen Erfüllungsbetrag“.10 Die-
ses Verständnis des Erfüllungsbetrags ist
aber nicht unbestritten und knüpft an die
Diskussion an, ob bei der Bewertung von
Verbindlichkeiten auf die am Bewertungs-
stichtag oder zum Erfüllungszeitpunkt
herrschenden Verhältnisse abzustellen ist.11
Für die Bewertung von Vermögensge-
genständen der Aktivseite stellt sich die
Frage insoweit nicht, als § 207 erster Satz
UGB explizit auf die am Abschlussstichtag
herrschenden Wertverhältnisse abstellt. Es
erscheint nach Atak/Patloch-Kofler/Reiter
plausibel, diesen Grundsatz auch passivsei-
tig für die Bewertung von Verbindlichkei-
ten analog anzuwenden.12 Folglich sind
nicht die Wertverhältnisse zum Zeitpunkt
der Erfüllung, sondern jene am Abschluss-
stichtag maßgeblich. Dies hat allerdings
teils weitreichende Folgen auf die Bewer-
tung und daran anknüpfend den Ausweis
von Verbindlichkeiten. Denn so ist nicht
zuletzt deshalb – unabhängig etwaiger ver-
traglicher Ausgestaltungen – auch der Zeit-
wert des Geldes in Form einer Zinskompo-
nente zum Bewertungsstichtag zu berück-
sichtigen, weshalb der Erfüllungsbetrag als
Barwert zukünftiger Zahlungsströme zu se-
hen ist, was eine Abweichung vom Nomi-
nalbetrag darstellt. Für die Berücksichti-
gung von Preis- und Kostensteigerungen
müssen allerdings entsprechend dem Gebot
der Willkürfreiheit objektive Hinweise bzw
hinreichend sichere Erwartungen für deren
Eintritt vorhanden sein.13
3.2. Verbindlichkeiten mit
Wertsicherungsklauseln
Bei langfristigen Verbindlichkeiten sind
idR Wertsicherungsklauseln zum Schutz
des Gläubigers vor einer inflationären Ent-
wertung seiner Geldforderungen vereinbart.
Mittels einer solchen Vereinbarung wird
der erwarteten Geldentwertung dadurch
Rechnung getragen, dass Veränderungen ei-
nes maßgeblichen Index zu einer Anpas-
sung der wertgesicherten Forderung bzw
Verbindlichkeit führen, wodurch der öko-
nomische Wert dieses Bilanzpostens erhal-
ten wird.14 Über die Wertsicherungsklausel
sind Verbindlichkeiten an die Entwicklung
eines Preisindex (zB Verbraucherpreisin-
dex, Großhandelspreisindex, Kleinhandel-
spreisindex) oder Kostenindex (Baukosten-
index) gekoppelt. So führt eine Indexverän-
derung zur Erhöhung bzw Verminderung
des Erfüllungsbetrages. Für bilanzielle Zwe-
cke ist zu unterscheiden, ob es sich dabei
um eine Indexklausel mit oder ohne Min-
destspanne handelt.
n Wertsicherung mit Mindestspanne
In diesem Fall ist zu jedem Bilanzstich-
tag zu prüfen, wieweit die Mindestspan-
ne bereits erfüllt ist. Die Anpassung des
Erfüllungsbetrages erfolgt erst dann,
wenn die Indexänderung in der Min-
destspanne Deckung findet (zB 5% oder
10%). Eine Indexerhöhung ohne Über-
schreitung des vereinbarten Schwellen-
wertes belässt den bisher bilanzierten
Erfüllungsbetrag unverändert; jedoch
ist eine Rückstellung für ungewisse Ver-
bindlichkeiten in Höhe der tatsächli-
chen Indexerhöhung zu dotieren. Wird
in einem Folgegeschäftsjahr die verein-
barte Mindestspanne erreicht, ist die
Verbindlichkeit zu erhöhen und mit
der zuvor dotierten Rückstellung zu
verrechnen.15 Hingegen führt ein Sinken
des Index zu einer anteiligen Auflösung
der Rückstellung.
n Wertsicherung ohne Mindestspanne
Bei einer Wertsicherung ohne verein-
der schwerpunkt
barte Mindestspanne ist der Erfüllungs-
betrag der Verbindlichkeit entspre-
chend der Entwicklung des Index anzu-
passen, und zwar unabhängig vom Aus-
maß der Indexerhöhung. Zukünftig zu
erwartende und noch nicht eingetretene
Indexerhöhungen bleiben nach hA bi-
lanziell unberücksichtigt, weil kein si-
cherer Anstieg der Verbindlichkeit des
Index vorliegt.16 Eine zum späteren Zeit-
punkt eingetretene Indexverringerung
ist zu berücksichtigen, jedoch darf auf-
grund einer Indexsenkung der fortge-
schriebene ursprüngliche Verbindlich-
keitsbetrag nicht unterschritten wer-
den.17
Eine spiegelbildliche Wertzuschreibung bei
Forderungen mit Wertsicherungsklauseln
ist aufgrund des Realisations- bzw An-
schaffungskostenprinzips nicht zulässig.
4. Rückstellungen
Rückstellungen sind wie Verbindlichkeiten
mit ihrem Erfüllungsbetrag zu bewerten,
dh, dass für ungewisse Geldverbindlichkei-
ten eine Rückstellung in Höhe des Erfül-
lungsbetrages zu bilden ist.18 Verbindlich-
keitsrückstellungen, Rückstellungen für
drohende Verluste und Aufwandsrückstel-
lungen sind mit dem bestmöglich zu schätz-
enden Erfüllungsbetrag anzusetzen. Eine
Ober- oder Untergrenze wird nicht festge-
legt; vielmehr ist dieser Erfüllungsbetrag –
eben nach bestmöglicher Schätzung – jedes
Jahr, unabhängig von einem früheren Bi-
lanzansatz, neu zu ermitteln.
Bei der bestmöglichen Schätzung des
Erfüllungsbetrages sind sämtliche verfügba-
ren Informationen im Wertaufhellungszeit-
raum über die tatsächlichen Verhältnisse
zum Abschlussstichtag zu berücksichtigen.
Folglich sind auch bei der Bewertung von
Rückstellungen künftige Preis- und Kosten-
steigerungen einzubeziehen, für die jedoch
objektive Hinweise bzw hinreichend sichere
Erwartungen für deren Eintritt vorhanden
sein müssen (s unter 3.1).19
8
Atak/Patloch-Kofler/Reiter in Aschauer/Bertl/Fröhlich/
Mandl, HB der Rechnungslegung (2022) § 211 Rz 9. 9 Vgl
ErläutRV 367 BlgNR 25. GP 1; Konezny in U. Torggler, UGB3
(2019) § 211 Rz 3. 10 Mayr, Verbindlichkeiten und Rück-
stellungen nach dem RÄG 2014, RdW 2015, 189. 11 Aus-
führlich Atak/Patloch-Kofler/Reiter in Aschauer/Bertl/Fröh-
lich/Mandl, HB der Rechnungslegung § 211 Rz 18. 12 Vgl
Atak/Patloch-Kofler/Reiter in Aschauer/Bertl/Fröhlich/Mandl,
HB der Rechnungslegung § 211 Rz 18. 13 Vgl Christian/Ho-
hensinner in Zib/Dellinger, UGB § 211 Rz 117. 14 Vgl Bertl/
Hirschler, Die Bilanzierung von Wertsicherungsklauseln,
RWZ 2004, 455. 15 Vgl Bertl/Hirschler, RWZ 2004, 456.
16 Vgl Bertl/Hirschler, RWZ 2004, 456. 17 Vgl Christian/Ho-
hensinner in Zib/Dellinger, UGB § 211 Rz 6; Bertl/Hirschler,
RWZ 2004, 456. 18 Vgl Konzeny in Hirschler (Hrsg), Bilanz-
recht I2 (2019) § 211 Rz 13. 19 Vgl Christian/Hohensinner in
Zib/Dellinger, UGB § 211 Rz 117.
DJA 4 | 2022 109
der schwerpunkt
4.1. Aufwandsrückstellungen
Aufwandsrückstellungen stellen Rückstel-
lungen für künftige, mit ausreichender Si-
cherheit absehbare Aufwendungen dar. Es
besteht jedoch keine direkte Verpflichtung
gegenüber Dritten.
Im Allgemeinen ist davon auszugehen,
dass die Preissteigerungen zumindest mit-
telfristig auf ihrem derzeitigen Niveau ver-
harren werden. Somit sind auch höhere
Kosten für die den Rückstellungen zugrun-
de liegenden künftigen Aufwendungen ab-
sehbar. Entsprechend sind betroffene Rück-
stellungen bei der Ermittlung des Erfül-
lungsbetrags zu berücksichtigen.
4.2. Verbindlichkeitsrückstellungen
Die Bewertung von Rückstellungen für un-
gewisse Verbindlichkeiten erfolgt mit ihrem
Erfüllungsbetrag. Bei ungewissen Geldver-
bindlichkeiten entspricht der Erfüllungsbe-
trag der Höhe des voraussichtlichen Rück-
zahlungsbetrages und bei ungewissen Sach-
oder Dienstleistungsverbindlichkeiten der
Höhe des Geldwertes der zur Bewirkung
der Sach- oder Dienstleistung notwendigen
Aufwendungen.
Von der mittel- bis langfristigen Infla-
tionsentwicklung besonders betroffen sind
Ansammlungsrückstellungen als Sonder-
form von Verbindlichkeitsrückstellungen.
Bei diesen wird der Erfüllungsbetrag ratier-
lich angesammelt und nicht als Einmalbe-
trag rückgestellt.20
In der Literatur wird zwischen zwei Ar-
ten von Ansammlungsrückstellungen un-
terschieden:21
n Unechte Ansammlungsrückstellung
Bei der unechten Ansammlungsrück-
stellung wächst die der Verbindlich-
keitsrückstellung zugrunde liegende
Verpflichtung sowohl rechtlich als
auch wirtschaftlich sukzessive an (zB
Deponie-Rekultivierung nach der tat-
sächlichen Inanspruchnahme).
n Echte Ansammlungsrückstellung
Der Grund und das erforderliche Volu-
men der Verpflichtung sind am Bilanz-
stichtag bereits bekannt. Die Erfüllung
der Verpflichtung wird erst zu einem –
ggf in der Zukunft liegenden Zeitpunkt
– erfolgen.
Eine Rückstellung für eine Rückbauver-
pflichtung ist in Höhe der Abbruchkosten
(des künftig aufzubringenden Betrags) un-
ter Berücksichtigung der erwarteten Preis-
und Kostensteigerungen, sofern diese aus-
reichend objektiviert werden können,22 zeit-
110 DJA 4 | 2022
anteilig in gleichen Raten23 zu bilden bzw
„anzusammeln“.24 Diese Kosten sind best-
möglich zu schätzen.25 Moser26 nimmt dies-
bezüglich auf Kostenvoranschläge als
Orientierungsmaßstab Bezug, Mayr27 re-
kurriert auf objektivierte Vergangenheits-
daten und Indices (zB Baukostenindex). Ei-
ne solche Schätzung gestaltet sich durch
den zuletzt sprunghaften Anstieg der Bau-
kosten jedoch durchaus schwierig. Es wird
davon auszugehen sein, dass die aktuellen
Steigerungsraten nicht nachhaltig sind
und sich das Preisniveau langfristig wieder
stabilisieren wird. Daher erscheint eine un-
eingeschränkte Fortschreibung der derzeiti-
gen Preisentwicklung bis zum voraussicht-
lichen Anfall der Aufwendungen bei lang-
fristigen Verpflichtungen als nicht sachge-
mäß.
4.3. Drohverlustrückstellungen
Rückstellungen für drohende Verluste aus
schwebenden Geschäften sind mit dem Er-
füllungsbetrag anzusetzen, wobei sich die
Höhe der Rückstellung aus dem Verpflich-
tungsüberhang aus gegenseitigen Verträ-
gen ergibt, dh, wenn die eigene Verpflich-
tung die zu erwartende Gegenleistung
übersteigt.
Die Auswirkungen größerer Preissteige-
rungen auf den Rückstellungbetrag sollen
anhand eines Beispiels veranschaulicht wer-
den:
Beispiel:
A verpflichtet sich am 1. 2. 2020, B am
5. 10. 2022 Stahlträger zum Fixpreis
von € 100.000,– zu liefern. Der Bilanz-
stichtag von A ist der 30. 9. Eine Wert-
sicherungsklausel wurde nicht verein-
bart. Der Preisindex für Stahlträger lag
am 1. 2. 2020 bei 100, am 30. 9. 2022 bei
200.
Für schwebende Absatzgeschäfte ergibt
sich die Höhe der Rückstellung durch die
Gegenüberstellung des eigenen Anspruchs
mit dem Wert der eigenen Liefer- oder
Leistungsverpflichtung. Im vorliegenden
Fall beträgt der Unterschiedsbetrag
€ 100.000,– (=200.000 – 100.000). A hat
am Bilanzstichtag 30. 9. 2022 eine Droh-
verlustrückstellung iHv € 100.000,– zu
bilden.
4.4. Sozialkapitalrückstellungen
Veränderungen bei Sozialkapitalrückstel-
lungen ergeben sich insb durch eine Ände-
rung des Valorisierungssatzes bzw des
Rechnungszinssatzes. Hierbei gehen Doka-
lik und Steiner in ihrem Beitrag (DJA
2022/42, 134 ff) davon aus, dass die aktuelle
Inflationsentwicklung nur temporärer Na-
tur ist und somit keine Änderung des Valo-
risierungssatzes indiziert ist. Bei der Wahl
des Rechnungszinssatzes könne hingegen
aufgrund des erwarteten nachhaltig höheren
Zinsumfeldes von einem bisher verwende-
ten Durchschnitts- auf einen Stichtagszins-
satz gewechselt werden.28 Dabei gehen die
Autoren davon aus, dass die aktuelle Krisen-
situation ua aufgrund der kriegerischen
Auseinandersetzungen in der Ukraine und
der damit eingetretenen Rohstoffkrise und
Inflationsdynamik ein Abgehen vom Stetig-
keitsgrundsatz rechtfertigt. Demnach stellen
die aktuellen Entwicklungen nach Dokalik/
Steiner einen besonderen Umstand dar, der
eine Abkehr von der Anwendung eines
marktüblichen Zinssatzes hin zu einem
marktüblichen Stichtagszinssatzes zulässig
erscheinen lässt.
5. Zusammenfassung
Durch die aktuelle Inflationsentwicklung
ergeben sich – je nach Geschäftsmodell des
Unternehmens – mitunter Auswirkungen
auf den Jahresabschluss.
Auf der Aktivseite sind insb Bilanzpos-
ten betroffen, bei deren Bewertung bisher
von den Bewertungsvereinfachungsverfah-
ren des § 209 UGB Gebrauch gemacht wur-
de. Bei diesen ist aufgrund der teils starken
Preisvolatilität die Anwendung des Fest-
wertverfahrens uU nicht mehr zulässig. Da-
rüber hinaus kann es bei der Anwendung
des Durchschnittswert- bzw FIFO-Verfah-
rens zum Ausweis von Scheingewinnen
kommen, die Anwendung des LIFO-Ver-
fahrens führt zu einem Anstieg der im Un-
ternehmen enthaltenen stillen Reserven.
20
Vgl Fritz-Schmied/Zaminer, Änderungen des Erfüllungs-
betrags und der Laufzeit im Kontext von Ansammlungs-
rückstellungen, taxlex 2014, 337. 21 Vgl IDW, RS HFA 34
Rz 18. 22 Dies trifft bei Indexanpassungen bzw verlässli-
chen statistischen Erfahrungswerten zu; s entsprechend
Laudacher in Jakom EStG14 § 9 Rz 20; EStR 2000 Rz 3309 a.
23
Vgl entsprechend BFH 5. 5. 2011, IV R 32/07 (anders bei
Rückstellungen für Deponie-Rekultivierung: nach der tat-
sächlichen Inanspruchnahme). Siehe auch Laudacher in
Jakom EStG14 § 9 Rz 41. 24 Vgl Mayr, Rückstellung für Re-
kultivierung von Skigebieten, RdW 2015, 800; Moser,
VwGH anerkennt Rückstellung für Abbruch- und
Rekultivierungskosten, SWK 2015, 1338; Laudacher in Ja-
kom EStG14 § 9 Rz 12 f; EStR 2000 Rz 3447. 25 Vgl Lauda-
cher in Jakom EStG14 § 9 Rz 7; Mayr, RdW 2015, 800.
26 Moser, SWK 2015, 1338. 27 Mayr, Abzinsung von Rück-
stellungen und Verbindlichkeiten, RdW 2014, 156; Mayr,
RdW 2015, 800. 28 Vgl Dokalik/Steiner, DJA 2022, 134 ff.
 der schwerpunkt

Auf der Passivseite können Wertsiche- Zum Thema

rungsklauseln bei Verbindlichkeiten schla-
gend werden. Aber auch bei Rückstellungen
kann die Inflation zu einem Wertanpas-
sungsbedarf führen, dem im Rahmen der
Jahresabschlusserstellung Rechnung zu tra-
gen ist. Besonders sind dabei Ansamm-
lungsrückstellungen und im Speziellen So-
zialkapitalrückstellungen betroffen.
DJA 2022/35
Erhöhung Schwellenwerte für die Einteilung in Größenklassen
Die Schwellenwerte für die Einteilung von Gesellschaften in Größenklassen (§ 221 UGB) so-
wie die größenabhängige Befreiung von der Aufstellung eines Konzernabschlusses (§ 246
UGB) wurde zuletzt mit dem RÄG 2014 angehoben. Der Schwellenwert für den Eintritt in
die Rechnungslegungspflicht wurde zuletzt mit dem RÄG 2010 angepasst (§ 189 UGB: Anhe-
bung von € 400.000,– auf € 700.000,–). Zur Senkung der Verwaltungskosten für die Unter-
nehmen sollten die Kennzahlen Bilanzsumme und Umsatzerlöse an die inflationäre Ent-
wicklung angepasst werden.

Klemens Eiter Dominik Permanschlager

PORR EY

Auswirkungen von Inflation und

Zinserhöhungen auf die Bilanzierung
im IFRS-Abschluss
Einleitung. Der Einmarsch Russlands in der Ukraine am 24. 2. 2022 hat das gesamtwirtschaftliche
Umfeld nachhaltig beeinflusst. In der Folge entstand eine Energiekrise, welche die sich ohnehin
nach den beiden COVID-19-Jahren langsam entwickelnde Preisdynamik signifikant befeuert und
eine bereits mehrere Monate andauernde Phase mit Rekord-Inflation bewirkt hat. Die Notenban-
ken mussten auf diese Entwicklung reagieren und beendeten die jahrelange Niedrigzinspolitik mit
deutlichen Anhebungen des Zinsniveaus. Der folgende Beitrag stellt einige ausgewählte potenzielle
Auswirkungen dieser Entwicklungen auf IFRS-Abschlüsse dar.

Rückstellungen
Die aktuellen Preissteigerungen können
insb für die Bilanzierung von Drohverlust-
rückstellungen Auswirkungen haben. Dies
ist bspw bei Aufträgen zu Festpreisen der
Fall, die bereits vor längerer Zeit eingegan-
gen wurden, und die angesichts aktueller
Beschaffungspreise nicht mehr wirtschaft-
lich sind. Dabei müssen die Drohverluste
nicht erst durch die Preissteigerungen ent-
standen sein, vielmehr können die Steige-
rungen mitunter signifikante Erhöhungen
bereits erfasster Drohverlustrückstellungen
zur Folge haben.
Nach IAS 37.10 liegt ein Drohverlust
vor, wenn die zur Erfüllung einer Verpflich-
tung des Unternehmens erforderlichen un-
vermeidbaren Kosten höher sind, als die da-
raus erwarteten wirtschaftlichen Vorteile.
Bei den angesprochenen Verpflichtungen
kann es sich sowohl um Absatz-, Beschaf-
fungs- als auch um Dienstleistungsverträge
handeln. Denkbar sind etwa auch abge-
schlossene Beschaffungsverträge, die auf-
grund einer (vorübergehend) eingestellten
oder reduzierten Produktionstätigkeit nicht
mehr oder nicht mehr im vereinbarten Ver-
tragsvolumen benötigt werden und auch
nicht anderweitig verwertet werden können.
Voraussetzung für das Vorliegen eines
Drohverlustes ist, dass sich das Unterneh-
men der eingegangenen Verpflichtung nicht
einseitig entziehen kann. Besteht demnach
die Möglichkeit, ein eingegangenes Geschäft
ohne Konsequenzen zu kündigen, ist ein
Drohverlust ausgeschlossen. In der Praxis
kann das mitunter juristische Beurteilun-
gen von Verträgen, insb iZm sog Force-Ma-
jeure-Klauseln, erforderlich machen.
Im Hinblick auf die Ermittlung der un-
vermeidbaren Kosten, die bei der Identifika-
tion und Bemessung eines etwaigen Droh-
verlustes als Vergleichsmaßstab zu den er-
warteten wirtschaftlichen Vorteilen aus
dem Vertrag heranzuziehen sind, ist nach
IAS 37.68 auf den niedrigeren Betrag aus
den Nettokosten bei Vertragsstornierung
(insb Pönalezahlungen oder Entschädigun-
gen) und aus der vertragsgemäßen Erfül-
lung abzustellen. Demnach sind bei der Er-
mittlung der unvermeidbaren Kosten der
Vertragserfüllung jedenfalls die aktuellen
Beschaffungspreise zu berücksichtigen.
Dies gilt analog auch für die Personalkos-
ten. Je nach Laufzeit des Vertrages sind
künftig weitere erwartete Kostensteigerun-
gen (zB aus absehbaren, aber zum Bewer-
tungszeitpunkt noch nicht beschlossenen
Lohn- und Gehaltserhöhungen) ebenfalls
einzukalkulieren, sofern diese voraussicht-
lich noch in die Vertragslaufzeit fallen wer-
den.
Bei der Ermittlung eines
Drohverlustes sind die er-
warteten wirtschaftlichen
Vorteile aus dem Vertrag
den unvermeidbaren Kos-
ten gegenüberzustellen.
Für Geschäftsjahre, die am oder nach dem
1. 1. 2022 beginnen, ist darüber hinaus noch
eine neu anzuwendende Änderung an IAS
37 zu berücksichtigen. Mit dieser Änderung

DJA 4 | 2022 111