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Folgen von Inflation

… für die Funktionsfähigkeit des Geldwesens

Das Geld kann seine Funktionen dann nicht mehr in vollem Umfang ausüben, wenn die am Wirtschaftsleben Beteiligten
das Vertrauen in ihre Währung verlieren. Die Vorteile, die von der Verwendung des Geldes ausgehen, kommen dann nicht
mehr oder nicht in vollem Umfang zur Geltung. Dieser Verlust an gesamtgesellschaftlicher Effizienz führt im End-effekt zu
Beschäftigungs- und Wohlfahrtseinbußen.
Die Wirkungen der Inflation auf die einzelnen Geldfunktionen sind dabei recht unterschiedlich:

Das Geldwesen wird auch bei einer Hyperinflation weiterhin seine Aufgabe als Recheneinheit erfüllen.

Die Zahlungsmittelfunktion wird erst bei sehr hohen Inflationsraten ernsthaft gefährdet, weil die Informations- und
Transaktionskosten einer Tauschwirtschaft im Vergleich zu einer Geldwirtschaft erheblich sind, sodass ein bestimmter
Wertverlust der „Kasse“ von der Bevölkerung eher hingenommen wird, als das sie auf andere, weniger effiziente Zah-
lungsmittel umsteigt oder gar zur Tauschwirtschaft übergeht. Erst bei einer Hyperinflation geht diese Funktion im Ge-
schäftsverkehr zwischen Privaten weitgehend verloren. Geschäftsverkehr zwischen Privaten und öffentlicher Hand
(Steuerzahlungen) bleibt sie aber noch erhalten.

Weitaus früher wird allerdings die Wertaufbewahrungsfunktion durch Geldentwertung in Mitleidenschaft gezogen, und
dies erheblich. Die Kassenhaltung wird bei zunehmendem Kaufkraftverlust des Geldes auf das Notwendigste reduziert,
weil jedermann versucht, den Wertverlust des Geldes durch verzinsliche Anlageformen oder durch eine andere Verwen-
dung des Geldes zu kompensieren. Rationelle Kassenhaltung ist für sich genommen volkswirtschaftlich zwar positiv; in
Inflationszeiten geht dies jedoch über das Sinnvolle hinaus. Beispielsweise nimmt in solchen Zeiten die Zahl der Fälle zu,
in denen Zahlungen über die vereinbarten Zahlungsziele hinaus verzögert werden oder in denen Zahlungswege benutzt
werden, die die Belastung des eigenen Kontos hinauszögern. In solchen Fällen ist derjenige, der die schwächere Markt-
position hat, der Leidtragende. Zudem treten gesamtwirtschaftliche Verluste auf, weil der Informationsbedarf über zins-
tragende Finanzanlagen steigt.
Die gravierendste Beeinträchtigung der Wertaufbewahrungsfunktion tritt aber dadurch ein, dass sich die Anleger wegen
der Kaufkrafteinbußen des Geldvermögens von Geldanlagen in der heimischen Währung abwenden und stattdessen Im-
mobilien, Edelmetalle oder andere Währungen erwerben. Solche Verhaltensänderungen treten erfahrungsgemäß schon
bei einstelligen Preissteigerungen auf. So kam es etwa in den 1970er Jahren, als die Verbraucherpreise in Deutschland in
der Spitze um sieben Prozent pro Jahr anstiegen, zu einer ausgeprägten „Flucht in die Sachwerte“, speziell in Immobi-lien.

… in Form von Fehlallokation von Ressourcen

Kapital wird zunehmend nicht in die bestmögliche Verwendung gelenkt, sondern dorthin, wo - aus spekulativen Erwä-
gungen heraus – die größte Wertsteigerung erwartet wird. Das bedeutet: In bestimmten Sektoren, wie etwa der Bau-
wirtschaft, nimmt die Nachfrage über den eigentlichen Bedarf hinaus zu und heizt damit den Preisauftrieb in diesen
Wirtschaftszweigen weiter an, was wiederum die Vorstellung stärkt, dort ließen sich mit Wertsteigerungen Geldwert-
verluste vermeiden. Auf diese Weise werden in den durch die Inflation „subventionierten“ Branchen Überkapazitäten
geschaffen, die bei einem Nachlassen des Preisauftriebs zu einem umso tieferen Einbruch der Aktivitäten in diesen Be-
reichen führen. Andere Branchen müssen dagegen ihren Finanzbedarf zu höheren Zinsen decken, was die Investitions-
bereitschaft dort lähmt.

Inflation führt wegen des progressiven Einkommensteuertarifs zu einer steigenden Belastung der Einkommensteuer-
pflichtigen auch dann, wenn ihr Einkommen, real, also auch nach Abzug der Preissteigerungsrate, unverändert geblie-ben
ist. In der Inflation liegt eine Tendenz zu einer steigenden Steuer- und Staatsquote, die auf Dauer die gesamtwirt-
schaftlichen Aktivitäten lähmt. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass Investitions- und Standortentschei-
dungen von Unternehmen sehr stark von steuerlichen Gesichtspunkten geprägt sind.

Schließlich nimmt das Risiko von Fehlkalkulationen zu, und zwar in zweierlei Hinsicht:
Bei Investitionsplanungen ist die Entwicklung des künftigen Preisniveaus nur schwer abzuschätzen. Das betrifft zum einen
die Erträge, die mit der Investition erzielt werden sollen, zum anderen die in die Kalkulation einzubeziehenden
Abschreibungen auf die Investition, die auf dem Wiederbeschaffungswert beruhen müssen. Dies bedeutet, dass die
Amortisationsdauer für geplante Investitionen in Inflationszeiten kürzer wird. Die Rendite für geplante Investitionen muss
einen zusätzlichen Risikoaufschlag beinhalten. Die Investitionsneigung nimmt in Inflationszeiten allmählich ab.

Im Handelsrecht gilt das Prinzip „Euro = Euro“ (Nominalwertprinzip). In der Bilanz werden Anlagegegenstände zum An-
schaffungswert bilanziert und die Abschreibungen entsprechend bemessen. Wenn bei der Ausschüttung von Gewinnen
die Differenz zwischen Anschaffungs- und Wiederbeschaffungswerten von Anlagegütern nicht berücksichtigt wird, kann
es dazu kommen, dass Unternehmen ihre Substanz angreifen und Gewinne ausschütten, die bei streng kaufmännischer
Betrachtung nicht existieren (Scheingewinne). Auf jeden Fall werden diese Scheingewinne besteuert.

Fehlallokationen können zudem durch unterschiedliche Preisentwicklungen zwischen In- und Ausland hervorgerufen
werden. Denn unterschiedliche Inflationsraten bei andauernder Geldentwertung verstärken spekulativ bedingte Kapital-
bewegungen über die Grenzen und zwischen verschiedenen Währungen, weil die Anleger bestrebt sind, den Realwert
ihres Einkommens und ihres Geldvermögens zu sichern. Solche Bewegungen führen zu starken Schwankungen von
Wechselkursen und Zinsen. Dadurch erhöht sich das Risiko von Kursverlusten bei Ein- uns Ausfuhrgeschäften. Als Folge
hiervon nehmen die Kurssicherungskosten zu.

… für die Einkommens- und Vermögensverteilung

Die Entwicklung der Kaufkraft von Lohn- und Gewinneinkommen hängt davon ab, ob Unternehmer und Arbeitnehmer die
Preisentwicklung richtig einschätzen und welche Marktposition Arbeitgeber und Gewerkschaften haben. Eine ein-deutige
Bevorzugung oder Benachteiligung der beiden Gruppen durch Inflation lässt sich nicht feststellen.

Bei den (dynamisierten) Transfereinkommen hängt die Wirkung der Inflation davon ab, wie sie gestaltet sind.

Bei nominal fixierten Transfereinkommen, also in Euro ausgedrückten festen Zuwendungen (hierzu zählt beispielsweise
das Kindergeld) treten Realeinkommensverluste in Höhe der Preissteigerungsrate auf. Inwieweit sie von Dauer sind, hängt
davon ab, wie oft und in welchem Umfang über Anpassungen politisch entschieden wird.

Transfereinkommen werden schließlich als Subsidiäreinkommen gezahlt, d.h. als Ergänzung zu anderen Einkommen
(Beispiel: Wohngeld). Ein Anstieg anderer Einkommen führt zur Kürzung der Transferzahlung. Bei Inflation kann ein - ge-
ringes - Arbeitseinkommen zwar zunehmen; die Transferzahlung wird dann aber eingeschränkt. Per saldo verliert das
Einkommen der Personen, die solche Transfers erhalten, eher an Kaufkraft als das Einkommen anderer Arbeitnehmer, die
nicht solche Zuwendungen benötigen. Dieser Fall trifft vor allem sozial schwache Gruppen, wie z. B. Arbeitslose und
kinderreiche Familien.

Da die Schuldverhältnisse in Deutschland am Nominalwertprinzip orientiert sind, können bei Kreditgebern oder Kredit-
nehmern Inflationsverluste oder -gewinne eintreten, je nachdem, ob der Zins ausreicht, um den inflationsbedingten
Wertverlust einer Forderung auszugleichen. Bei einem Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland von in-
zwischen (2009) 4,4 Billionen Euro bedeutet eine Inflationsrate von einem Prozent rein rechnerisch eine Vermögensver-
nichtung von 44 Milliarden Euro pro Jahr. Inwieweit Vermögensbesitzer den Realwert ihres Geldvermögens erhalten
können, hängt im Einzelfall von der jeweiligen Situation an den Finanzmärkten und der richtigen Einschätzung der künf-
tigen Preisentwicklung ab. Außerdem spielen hierbei die Laufzeit von Kreditverträgen und die Flexibilität der Verzinsung
eine Rolle. Tendenziell werden in Inflationszeiten die Kreditlaufzeiten kürzer, weil die Kreditgeber die Risiken aus einer
nicht überschaubaren künftigen Inflationsentwicklung nicht in vollem Umfang tragen wollen. Das läuft wiederum einer
sachgerechten Finanzierung von Investitionsvorhaben zuwider.

Generell lässt sich feststellen, dass Inflation die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen tendenziell ver-schärft.
Leidtragende einer Geldentwertung sind vorwiegend die Bezieher kleiner Einkommen und die Empfänger von
Transferzahlungen.

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Quelle: Materialien des Schulbank-Ordners, 2009

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