der schwerpunkt

Auf der Passivseite können Wertsiche- Zum Thema

rungsklauseln bei Verbindlichkeiten schla-
gend werden. Aber auch bei Rückstellungen
kann die Inflation zu einem Wertanpas-
sungsbedarf führen, dem im Rahmen der
Jahresabschlusserstellung Rechnung zu tra-
gen ist. Besonders sind dabei Ansamm-
lungsrückstellungen und im Speziellen So-
zialkapitalrückstellungen betroffen.
DJA 2022/35
Erhöhung Schwellenwerte für die Einteilung in Größenklassen
Die Schwellenwerte für die Einteilung von Gesellschaften in Größenklassen (§ 221 UGB) so-
wie die größenabhängige Befreiung von der Aufstellung eines Konzernabschlusses (§ 246
UGB) wurde zuletzt mit dem RÄG 2014 angehoben. Der Schwellenwert für den Eintritt in
die Rechnungslegungspflicht wurde zuletzt mit dem RÄG 2010 angepasst (§ 189 UGB: Anhe-
bung von € 400.000,– auf € 700.000,–). Zur Senkung der Verwaltungskosten für die Unter-
nehmen sollten die Kennzahlen Bilanzsumme und Umsatzerlöse an die inflationäre Ent-
wicklung angepasst werden.

Klemens Eiter Dominik Permanschlager

PORR EY

Auswirkungen von Inflation und

Zinserhöhungen auf die Bilanzierung
im IFRS-Abschluss
Einleitung. Der Einmarsch Russlands in der Ukraine am 24. 2. 2022 hat das gesamtwirtschaftliche
Umfeld nachhaltig beeinflusst. In der Folge entstand eine Energiekrise, welche die sich ohnehin
nach den beiden COVID-19-Jahren langsam entwickelnde Preisdynamik signifikant befeuert und
eine bereits mehrere Monate andauernde Phase mit Rekord-Inflation bewirkt hat. Die Notenban-
ken mussten auf diese Entwicklung reagieren und beendeten die jahrelange Niedrigzinspolitik mit
deutlichen Anhebungen des Zinsniveaus. Der folgende Beitrag stellt einige ausgewählte potenzielle
Auswirkungen dieser Entwicklungen auf IFRS-Abschlüsse dar.

Rückstellungen
Die aktuellen Preissteigerungen können
insb für die Bilanzierung von Drohverlust-
rückstellungen Auswirkungen haben. Dies
ist bspw bei Aufträgen zu Festpreisen der
Fall, die bereits vor längerer Zeit eingegan-
gen wurden, und die angesichts aktueller
Beschaffungspreise nicht mehr wirtschaft-
lich sind. Dabei müssen die Drohverluste
nicht erst durch die Preissteigerungen ent-
standen sein, vielmehr können die Steige-
rungen mitunter signifikante Erhöhungen
bereits erfasster Drohverlustrückstellungen
zur Folge haben.
Nach IAS 37.10 liegt ein Drohverlust
vor, wenn die zur Erfüllung einer Verpflich-
tung des Unternehmens erforderlichen un-
vermeidbaren Kosten höher sind, als die da-
raus erwarteten wirtschaftlichen Vorteile.
Bei den angesprochenen Verpflichtungen
kann es sich sowohl um Absatz-, Beschaf-
fungs- als auch um Dienstleistungsverträge
handeln. Denkbar sind etwa auch abge-
schlossene Beschaffungsverträge, die auf-
grund einer (vorübergehend) eingestellten
oder reduzierten Produktionstätigkeit nicht
mehr oder nicht mehr im vereinbarten Ver-
tragsvolumen benötigt werden und auch
nicht anderweitig verwertet werden können.
Voraussetzung für das Vorliegen eines
Drohverlustes ist, dass sich das Unterneh-
men der eingegangenen Verpflichtung nicht
einseitig entziehen kann. Besteht demnach
die Möglichkeit, ein eingegangenes Geschäft
ohne Konsequenzen zu kündigen, ist ein
Drohverlust ausgeschlossen. In der Praxis
kann das mitunter juristische Beurteilun-
gen von Verträgen, insb iZm sog Force-Ma-
jeure-Klauseln, erforderlich machen.
Im Hinblick auf die Ermittlung der un-
vermeidbaren Kosten, die bei der Identifika-
tion und Bemessung eines etwaigen Droh-
verlustes als Vergleichsmaßstab zu den er-
warteten wirtschaftlichen Vorteilen aus
dem Vertrag heranzuziehen sind, ist nach
IAS 37.68 auf den niedrigeren Betrag aus
den Nettokosten bei Vertragsstornierung
(insb Pönalezahlungen oder Entschädigun-
gen) und aus der vertragsgemäßen Erfül-
lung abzustellen. Demnach sind bei der Er-
mittlung der unvermeidbaren Kosten der
Vertragserfüllung jedenfalls die aktuellen
Beschaffungspreise zu berücksichtigen.
Dies gilt analog auch für die Personalkos-
ten. Je nach Laufzeit des Vertrages sind
künftig weitere erwartete Kostensteigerun-
gen (zB aus absehbaren, aber zum Bewer-
tungszeitpunkt noch nicht beschlossenen
Lohn- und Gehaltserhöhungen) ebenfalls
einzukalkulieren, sofern diese voraussicht-
lich noch in die Vertragslaufzeit fallen wer-
den.
Bei der Ermittlung eines
Drohverlustes sind die er-
warteten wirtschaftlichen
Vorteile aus dem Vertrag
den unvermeidbaren Kos-
ten gegenüberzustellen.
Für Geschäftsjahre, die am oder nach dem
1. 1. 2022 beginnen, ist darüber hinaus noch
eine neu anzuwendende Änderung an IAS
37 zu berücksichtigen. Mit dieser Änderung

DJA 4 | 2022 111

der schwerpunkt
hat das IASB klargestellt, welche Kosten bei
der Feststellung eines Drohverlustes als un-
vermeidbare Kosten der Vertragserfüllung
in die Beurteilung miteinzubeziehen sind.
Da IAS 37 dazu bislang keine genaueren
Leitlinien vorgegeben hat, entwickelten sich
diesbezüglich in der Bilanzierungspraxis
sehr unterschiedliche Auslegungen. Nach
der nunmehr in Kraft getretenen Änderung
des IAS 37 sind bei der Feststellung eines
Drohverlustes einheitlich alle direkt zure-
chenbaren Kosten einzubeziehen. Neben
den Material- und Fertigungseinzelkosten
sind dies insb auch die direkt zurechenba-
ren Gemeinkosten, wie bspw anteilige Ab-
schreibungen von für die Vertragserfüllung
benötigten Maschinen. Unternehmen müs-
sen also ihre bisherigen Bilanzierungs- und
Bewertungsmethoden für Drohverluste
überprüfen, ob diese mit den nunmehr ge-
änderten Regelungen in IAS 37 im Einklang
stehen. Wurden bislang lediglich die inkre-
mentellen Kosten in die Betrachtung mit-
einbezogen, kann dies im Vergleich mehr
und vor allem auch höhere Drohverluste
zur Folge haben. Der Effekt aus den Kos-
tenerhöhungen aufgrund der Preissteige-
rungen verstärkt sich in diesen Fällen noch
um weitere Kosten, die zusätzlich zur bishe-
rigen Ermittlung von Drohverlusten zu be-
rücksichtigen sind.
HINWEIS
IAS 37.69 sieht unverändert vor, dass
vor der Bilanzierung einer Drohver-
lustrückstellung etwaige Wertminde-
rungen auf zur Vertragserfüllung ein-
gesetzte Vermögenswerte zu erfassen
sind. Nur in dem Umfang, in dem
nach der Vornahme entsprechender
Wertminderungen ein Drohverlust
verbleibt, ist in der Folge eine Rück-
stellung anzusetzen.
Neben den Drohverlusten können aber auch
andere Rückstellungen von den aktuellen
Preissteigerungen betroffen sein. So ist jeden-
falls zu überprüfen, ob bei Rekultivierungs-
und Rückbauverpflichtungen die bisheri-
gen Kostenannahmen noch angemessen oder
doch nach oben anzupassen sind. Nach IF-
RIC 1 sind solche Anpassungen zunächst
grds als Erhöhung der Buchwerte der entspre-
chenden Vermögenswerte zu erfassen und
werden erst in der Folge über deren planmä-
ßige Abschreibungen ergebniswirksam.
Bei langfristigen Rückstellungen ist
neben den inflationsbedingten Preissteige-
112 DJA 4 | 2022
rungen aber unter Umständen auch das ge-
stiegene Zinsniveau zu berücksichtigen.
Nach IAS 37.45 sind Rückstellungen abzu-
zinsen, wenn der Zinseffekt wesentlich ist.
Durch die bislang erfolgten und in der nähe-
ren Zukunft noch absehbaren Zinserhö-
hungen sind entsprechende Auswirkungen
auf die Bewertung langfristiger Rückstel-
lungen zu prüfen. Mögliche Effekte auf
den Buchwert betroffener Rückstellungen
sind dabei gegenläufig zu jenen aus den
Kostensteigerungen und bewirken ceteris
paribus einen geringeren Rückstellungsbe-
trag.1
Impairment-Tests nach IAS 36
Impairment-Tests sind sowohl von der In-
flation als auch von der Erhöhung des Zins-
niveaus betroffen. Grundsätzlich ist den
Impairment-Tests immer die aktuellste ver-
fügbare Planung zugrunde zu legen. In der
Praxis ist darauf zu achten, dass die Pla-
nung auch das aktuelle gesamtwirtschaftli-
che Umfeld des Unternehmens adäquat wi-
derspiegelt. Gerade, wenn sich dieses Um-
feld laufend signifikant verändert, kann es
in Abhängigkeit davon, wann die Planung
zuletzt vom jeweils zuständigen Unterneh-
mensorgan verabschiedet wurde, daher er-
forderlich sein, diese Planung für den Im-
pairment-Test zu aktualisieren, um auf zwi-
schenzeitliche Änderungen Bedacht zu neh-
men, selbst wenn dies außerhalb des
regulären Planungszyklus des Unterneh-
mens sein sollte. Bei der Bestimmung des
erzielbaren Betrages ist angesichts des ge-
genwärtigen unsicheren Umfeldes auf eine
sorgfältige Bewertung der Cashflow-Prog-
nosen zu achten:
n Entsprechende Beachtung der Teuerung
bei den geplanten Material- und vor al-
lem auch Energiekosten und sonstigen
Aufwendungen (OpEx) sowie Berück-
sichtigung der aktuellen Lohn- und Ge-
haltsabschlüsse in den geplanten Perso-
nalkosten.
n Im Zusammenhang mit Energie und
Rohstoffen sind in der Planung auch
Einschätzungen über die weitere Ver-
fügbarkeit bzw auch mögliche Kapazi-
tätsanpassungen zu berücksichtigen.
n Beachtung möglicher Auswirkungen
auf die Investitionen: In der Praxis wer-
den die Investitionen in den Planungen
als grobe Näherungslösung oftmals ver-
einfachend in Höhe der Abschreibun-
gen festgesetzt. Dabei kann angesichts
der gegenwärtig beobachtbaren Preis-
steigerungen ein größeres Missverhält-
nis entstehen, da die Investitionen das
aktuelle Preisniveau widerspiegeln, wäh-
rend die Abschreibungen sich noch auf
Anschaffungs- oder Herstellungskosten
beziehen, die bereits einige Jahre zu-
rückliegen und die jüngsten Teuerungen
somit nicht abbilden. Hier bedarf es un-
ter Umständen einer Anpassung der für
Neuinvestitionen geplanten Cashflows.
n Überlegungen, inwieweit und ggf mit
welcher zeitlichen Verzögerung die Kos-
tensteigerungen an die Kunden weiter-
gegeben werden können. Dies betrifft
die Erlösplanung und erfordert jeden-
falls eine unternehmensindividuelle Be-
urteilung.
IAS 36 verlangt, dass die im Impairment-
Test verwendeten Cashflow-Prognosen auf
vernünftigen und vertretbaren Annahmen
beruhen. Dabei ist soweit möglich auch
auf externe Marktdaten, bspw veröffent-
lichte Inflationsprognosen, Bedacht zu neh-
men. Schlussendlich erfordert eine sachge-
rechte Ableitung von Cashflow-Prognosen
gerade im gegenwärtigen unsicheren Um-
feld aber jedenfalls eine Reihe von Schät-
zungen und Ermessensentscheidungen des
Managements. Dabei können sich Szena-
rioanalysen als sinnvoll erweisen, bei denen
unterschiedliche Einschätzungen hinsicht-
lich Dauer der Krise, Haupttreiber und Ent-
wicklung wesentlicher KPIs zugrunde ge-
legt werden. Im Anhang sind die bedeu-
tendsten getroffenen Annahmen und Unsi-
cherheiten zu erläutern und ggf auch
Sensitivitätsanalysen aufzustellen, die po-
tenzielle Auswirkungen möglicher Abwei-
chungen von den getroffenen Einschätzun-
gen auf die betroffenen Abschlussposten
abbilden.
Die im Impairment-Test verwendeten
Abzinsungssätze müssen die aktuellen
Markteinschätzungen sowie die spezifi-
schen Risiken2 der auf Werthaltigkeit zu
prüfenden Vermögenswerte bzw zahlungs-
mittelgenerierenden Einheiten adäquat ab-
bilden. Dabei ist in der gegenwärtigen Situa-
tion insb das steigende Zinsniveau zu be-
achten. Die Erhöhung des Basiszinssatzes
durch die Zentralbanken wirkt sich in erster
Linie auf die Fremdkapitalkosten im
1 Bei der Abzinsung von Rückstellungen ist zu beachten,
dass Bewertungsrisiken nicht doppelt berücksichtigt wer-
den. Als Ausgangspunkt ist grds auf den aktuellen risiko-
losen Marktzins abzustellen. Dieser ist um etwaige spezi-
fische Risiken aus der konkreten Verpflichtung anzupas-
sen, sofern diese nicht bereits bei der Schätzung der künf-
tigen Auszahlungen berücksichtigt wurden. 2 Sofern
diese nicht bereits in den Cashflow-Prognosen berück-
sichtigt sind.

WACC aus, hier schlagen sich die gestiege-
nen Zinssätze unmittelbar in einer höheren
Verzinsung nieder. Demgegenüber sind die
Eigenkapitalkosten weniger betroffen, da
hier auf die Marktrendite abgestellt wird.
Der Effekt eines steigenden Basiszinssatzes
wird somit zumindest zum Teil durch die
Marktrisikoprämie kompensiert.3
Aus der hohen Inflation so-
wie dem steigenden Zins-
niveau entsteht ein negati-
ver Druck auf die Werthal-
tigkeit der Vermögenswerte
bzw der zahlungsmittelge-
nerierenden Einheiten.
Zusammengefasst ist zu erwarten, dass sich
im aktuellen Umfeld aus den Effekten der
Inflation mit einer unterstellten, (zumin-
dest unmittelbar) nicht vollständigen Über-
wälzbarkeit der gestiegenen Kosten auf die
Kunden auf die Cashflow-Prognosen einer-
seits sowie potenziell steigenden Abzin-
sungssätzen andererseits ein negativer
Druck auf die Ermittlung des erzielbaren
Betrages und damit die Werthaltigkeit der
Vermögenswerte bzw zahlungsmittelgene-
rierenden Einheiten ergibt.
Fertigungsaufträge
Kostensteigerungen verändern auch die
Grundlagen für die Bilanzierung von (lang-
fristigen) Fertigungsaufträgen (IFRS 15.35).
Gemäß IFRS 15.39 ff werden diese nach der
Percentage of Completion Methode (PoC)
bilanziert, wonach neben den Kosten auch
die erwarteten Erlöse über die Laufzeit des
Vertrages verteilt zu erfassen sind. Zu be-
rücksichtigen sind daher nicht nur die Aus-
wirkungen der Preissteigerungen auf der
Kosten-, sondern auch auf der Erlösseite.
Auf der Kostenseite sind insb gestiege-
ne Material- und Energiekosten sowie Löh-
ne und Gehälter relevant. Wie bereits oben
dargestellt sind grds auch künftig erwartete,
absehbare Kostensteigerungen anzusetzen.
In der Praxis gestaltet sich diese Abschät-
zung bei langfristigen Verträgen schwierig.
Die letzten zwölf Monate haben gerade bei
den Material- und Energiekosten eine hohe
Volatilität gezeigt. Zuletzt haben sich die
Preise aufgrund der sich abkühlenden Kon-
junktur auch wieder zum Teil deutlich redu-
ziert. Der Preis für eine Tonne Baustahl lag
bspw im Herbst 2021 und Frühjahr 2022 bei
rund € 1.400 – € 1.500,– und ist mittlerweile
auf ein Niveau von rund € 900 – € 1.000,– je
Tonne zurückgegangen. Ähnliches kann im
Energiebereich beobachtet werden. Der (im
Bausektor wesentliche) Dieselpreis ist von
rund € 600,– je metrischer Tonne (MT)
zu Jahresbeginn bis zum Sommer 2022
auf bis zu € 1.400,– je MT gestiegen und
hat sich mittlerweile wieder auf rund
€ 1.000,– je MT reduziert. Die Diesel-For-
wardpreis-Kurve zeigt eine weitere Reduk-
tion um rund € 200,– auf rund € 800,– je
MT bis Ende 2023. Weniger volatil und et-
was besser abschätzbar sind erwartete
Lohn- und Gehaltssteigerungen, wobei auch
hier eine Unsicherheit in einer gewissen
Bandbreite verbleibt.
Die Auswirkungen der zum Teil schwer
abschätzbaren Kostensteigerungen auf die
Bilanzierung der Fertigungsaufträge wird in
der Praxis jedoch durch die Erlöspreisrege-
lungen relativiert. Viele langfristige Verträge
in der Praxis sehen eine Anpassung der Erlö-
se bei gestiegenen Kosten vor. Durch diese
sog „Preisgleitungsklauseln“ besteht ein ver-
traglicher Anspruch, der gem IFRS 15.87 bei
der Ermittlung der Erlöse zu berücksichtigen
ist. Dies umfasst neben üblichen Erlösinde-
xierungen auch Ansprüche aufgrund sog
„Force-Majeure“-Klauseln. Neben COVID-
19-bedingten Mehrkosten werden in der Pra-
xis unter diesem Titel aktuell meist auch
durch den Ukraine-Krieg verursachte Kos-
tensteigerungen subsumiert. Ähnlich wie
bei den Kostensteigerungen stehen diese
nicht unmittelbar fest, sondern müssen ver-
traglich interpretiert und geschätzt werden.
Bei diesen Ansprüchen handelt es sich daher
um variable Gegenleistungen, die gem IFRS
15.53 mit dem Erwartungswert bzw dem
wahrscheinlichsten Betrag – unter Berück-
sichtigung der Verhandlungen mit dem Kun-
den – anzusetzen sind.
Für die Auswirkung auf die
Bilanzierung ist daher letzt-
lich entscheidend, wieweit
die vertraglichen Regelun-
gen auf der Erlösseite mit
den Kostensteigerungen
korrelieren und sie durch
diese an den Kunden „wei-
tergegeben“ werden kön-
nen.
Daraus ergibt sich der absolute Effekt auf
das erwartete Auftragsergebnis. Durch die
der schwerpunkt
Anwendung der PoC-Methode kann sich
durch Kostensteigerungen ergänzend ein
Effekt auf die Ermittlung des Leistungsfort-
schritts ergeben, vor allem wenn die input-
orientierte Methode auf Basis der Kosten
gem IFRS 15.B18 angewandt wird. Gemäß
IFRS 15.B19 ist hier allerdings Vorsicht ge-
boten und zu evaluieren, ob die entstande-
nen Kosten tatsächlich im Verhältnis zum
Leistungsfortschritt stehen, ansonsten ist
ein übertrieben kostengetriebener Fertig-
stellungsgrad anzupassen. Letztlich ist je-
doch auch bei der Ermittlung des Fertigstel-
lungsgrades wesentlich, wieweit die Kosten-
steigerungen zu entsprechenden Erlösstei-
gerungen führen. Sofern sich beide in
ähnlichen Größenordnungen bewegen, wird
der Effekt auf den Fertigstellungsgrad meist
auch überschaubar sein.
HINWEIS
Bei Fertigungsaufträgen sind die Aus-
wirkungen der Preissteigerungen
nicht nur auf die Kosten, sondern
auch auf die vertraglichen Erlöse zu
evaluieren. Die Bilanzierungseffekte
hängen entscheidend davon ab, wie
gut diese korrelieren.
Leasingverhältnisse
Das steigende Zinsniveau kann sich auch
auf die Bilanzierung von Leasingverhältnis-
sen auswirken. Unter der Annahme, dass
die Leasingverhältnisse zum überwiegen-
den Teil mit dem Grenzfremdkapitalzins-
satz diskontiert werden4, erscheint die Ver-
wendung von in früheren Jahren festgeleg-
ten Grenzfremdkapitalzinssätzen vor dem
Hintergrund der heuer doch deutlich verän-
derten Zinslandschaft nicht mehr sachge-
recht, es sind daher in vielen Fällen wohl ak-
tualisierte Zinssätze zu ermitteln. Unter
diesen Umständen werden demnach neu
abgeschlossenen Leasingverträgen deutlich
gestiegene Diskontierungszinssätze zu-
grunde zu legen sein, was tendenziell zu
3
Die aktuelle Empfehlung des Fachsenats für Betriebs-
wirtschaft der KSW sieht für die Marktrendite eine Band-
breite zwischen 7,5% und 9% vor. Im derzeitigen Umfeld
werden sich Unternehmen aber eher am oberen Ende der
Bandbreite zu orientieren haben. Eine der Ableitung des
Abzinsungssatzes zugrunde liegende Marktrendite von
deutlich unter 9% wird nur sehr schwer argumentierbar
sein. Am 18. 10. 2022 hat der Fachsenat diese Empfeh-
lung noch ergänzt und erachtet es im aktuellen wirt-
schaftlichen Umfeld auch als sachgerecht, bei der Festle-
gung der erwarteten Marktrisikoprämie von einer nomi-
nellen Marktrendite auszugehen, die über dem oberen
Ende der Bandbreite, dh über 9% liegt. 4 Nach IFRS 16
sind die Leasingzahlungen grds vorrangig mit dem impli-
ziten Zinssatz des Leasingverhältnisses abzuzinsen.
Kann ein solcher aber nicht ohne Weiteres bestimmt wer-
den, ist der Grenzfremdkapitalzinssatz (incremental borro-
wing rate) zu verwenden (IFRS 16.26).
DJA 4 | 2022 113
der schwerpunkt

niedrigeren Leasingverbindlichkeiten und
Nutzungsrechten, andererseits aber auch
zu einem erhöhten Zinsaufwand in der Fol-
ge führt.
Auswirkungen können sich aber auch
bei bereits bestehenden Leasingverhält-
nissen ergeben. In der aktuellen wirtschaft-
lichen Situation stehen Leasingnehmer oft-
mals vor Entscheidungen, die eine Neube-
wertung von Leasingverhältnissen erforder-
lich machen. Wenn sich Unternehmen
etwa dazu entscheiden, sich früher aus be-
stimmten Mietverträgen zurückzuziehen,
weshalb die Ausübung von Verlängerungs-
optionen im Gegensatz zur bisherigen Ein-
schätzung nicht mehr als wahrscheinlich
eingestuft wird, ist eine Neubewertung
der Leasingverbindlichkeit gem IFRS
16.40 erforderlich.5 Die sich daraus erge-
benden geänderten Leasingzahlungen sind
unter diesen Umständen idR ebenfalls
mit einem aktualisierten Grenzfremdkapi-
talzinssatz abzuzinsen.
HINWEIS
Aus Sicht der Leasinggeber kann sich
vermehrt die Frage nach der Wert-
haltigkeit von Leasingobjekten stel-
len, wenn Leasingnehmer die ent-
sprechenden Leasingverträge nicht
mehr verlängern.
Bilanzierung in Hochinflations-
ländern
Das Regelwerk der IFRS sieht in IAS 29
spezielle Bilanzierungsvorschriften für Un-
ternehmen in sog Hochinflationsländern
vor. Ein Hochinflationsland liegt vor,
wenn bestimmte qualitative und quantita-
tive Kriterien erfüllt sind (IAS 29.3), wo-
bei in der Bilanzierungspraxis dem (einzi-
gen) quantitativen Kriterium die größte
Bedeutung zukommt. Demnach liegt ein
Die Umsetzung der Vor-
schriften des IAS 29 in der
Bilanzierungspraxis ist sehr
komplex und kann gerade
bei der erstmaligen Anwen-
dung des Standards einen
nicht zu unterschätzenden
Aufwand erfordern.
Im Kern zielen die Regelungen des IAS
29 darauf ab, die Abschlusszahlen von
Unternehmen in Hochinflationsländern
im Zeitablauf vergleichbar zu halten, wes-
halb die Abschlüsse bzw Abschlussposten
im jeweiligen Abschluss in der Kaufkraft
zum jeweiligen Abschlussstichtag ausge-
drückt werden sollen. Für die Einbezie-
hung von Tochterunternehmen in einem
Hochinflationsland in den Konzernab-
schluss sind die in der lokalen Währung
aufgestellten Reporting Packages bzw Ab-
schlüsse somit vor Umrechnung in die
Konzernwährung erst noch gem IAS 29
anzupassen.
In der Bilanz ist zu diesem Zweck zwi-
schen monetären und nicht-monetären Pos-
ten (zB immaterielle Vermögenswerte,
Sachanlagen, Vorräte) zu unterscheiden.
Nur Letztere werden dann vom Datum ih-
rer ursprünglichen Anschaffung bzw Her-
stellung bis zum jeweiligen Abschlussstich-
tag um die bisherige Entwicklung des Preis-
index6 angepasst.7 Ebenso sind alle Posten
in der Gesamtergebnisrechnung (GuV,
OCI) vom Zeitpunkt der erstmaligen Erfas-
sung der entsprechenden Erträge und Auf-
wendungen bis zum jeweiligen Abschluss-
stichtag um die bisherige Entwicklung des
Preisindex anzupassen. Analog ist auch in
der Geldflussrechnung vorzugehen. Der Ge-
winn oder Verlust aus den vorgenommenen
Anpassungen ist ergebniswirksam in der
GuV zu erfassen.
HINWEIS
Für den Abschluss zum 31. 12. 2022
eines Unternehmens in einem Hoch-
inflationsland bedeutet dies bspw,
dass der Buchwert für eine Ende Juni
2019 angeschaffte Maschine um die
entsprechende Preisindexentwick-
lung im Zeitraum Ende Juni 2019 bis
31. 12. 2022 anzupassen, dh „auf-
zuinflationieren“ ist. Dasselbe gilt et-
wa im gleichen Abschluss für im Feb-
ruar erfasste Umsatzerlöse; hier er-
folgt eine Anpassung um die Preisin-
dexentwicklung im Zeitraum Februar
2022 bis 31. 12. 2022.
Insgesamt ist die konkrete Umsetzung der
Vorschriften des IAS 29 in der Bilanzie-
rungspraxis sehr komplex und kann gerade
bei der erstmaligen Anwendung des Stan-
dards einen nicht zu unterschätzenden Auf-
wand erfordern. Sind Tochterunternehmen
in einem Hochinflationsland erstmals unter
Beachtung von IAS 29 in den Konzernab-
schluss einzubeziehen, ist aber keine An-
passung der Vorjahreszahlen vorzuneh-
men.8 Die Anpassungseffekte der Bilanz-
posten zum Beginn der Periode der erstma-
ligen Anwendung von IAS 29 werden direkt
im Eigenkapital erfasst.
DJA 2022/36
5 Zu den weiteren Voraussetzungen s IFRS 16.20 f. 6 IAS
29 gibt keinen konkret zu verwendenden Preisindex vor.
In IAS 29.37 wird lediglich verlangt, dass ein allgemeiner
Preisindex heranzuziehen ist, der die Veränderungen in
der allgemeinen Kaufkraft widerspiegelt. Ergänzend dazu
verweist IAS 29.10 auf die Notwendigkeit der konsisten-
ten Anwendung der Verfahren. 7 Eine Ausnahme besteht
für solche nicht-monetären Posten, die zum Fair Value
bilanziert werden, da dieser ja bereits die Kaufkraft zum
jeweiligen Stichtag berücksichtigt. 8 Eine Anpassung der
Vorjahreszahlen ist nur erforderlich, wenn ein Unterneh-
men in einem Hochinflationsland selbst einen vollständi-
gen IFRS-Abschluss aufstellt.

Hochinflationsland vor, wenn die kumula-

tive Preissteigerungsrate innerhalb von
drei Jahren in etwa 100% oder höher be-
trägt. IAS 29 sieht hier keinen exakten
Grenzwert vor.
Wenngleich in der Vergangenheit bis-
lang für Österreich weniger relevante Län-
der nach diesen Kriterien als Hochinfla-
tionsländer einzustufen waren, ist spätes-
tens seit dem zweiten Quartal 2022 die Tür-
kei erstmals als Hochinflationsland zu
betrachten, was für österreichische Konzer-
ne mit türkischen Tochterunternehmen die
Anwendung der speziellen Bilanzierungs-
vorschriften des IAS 29 auslöst.
Zum Thema
Zusammenfassung
Im Beitrag wurden mögliche Auswirkungen des aktuellen makroökonomischen Umfeldes,
insb Inflation und Zinsniveau, auf ausgewählte Bilanzierungsthemen vorgestellt. Dabei er-
scheint wichtig, dass die Unternehmen frühzeitig mögliche Effekte auf ihren Abschluss iden-
tifizieren und diese bei der Abschlusserstellung sachgerecht berücksichtigen, da die Betrof-
fenheit sehr unternehmensindividuell sein wird.
Die aktuell zu beobachtende dynamische Entwicklung des wirtschaftlichen Umfeldes sowie
die bestehende Unsicherheit der weiteren Entwicklung führt dabei mitunter zu teils erhebli-
chen Herausforderungen bei der Abschlusserstellung. Vor diesem Hintergrund ist es von
kritischer Bedeutung, im Abschluss auf die wesentlichen Unsicherheiten und die Berücksich-
tigung dieser einzugehen.

114 DJA 4 | 2022