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Juristische Ausbildung 2015(12): 1307–1318

Repetitorium ÖR

Hermann Pünder*

Die Folgen von Fehlern im Verwaltungsverfahren


DOI 10.1515/jura-2015-0261 richtlich geltend zu machen (§ 44 a VwGO).2 Auch beim
Satzungserlass werden formelle Fehler – worauf hier
nicht näher eingegangen werden kann – zunehmend re-
Einführung lativiert.3
Allerdings ist die Art der behördlichen Willensbildung
Verfahrensfehler sind nicht nur häufig Gegenstand von nicht nur für eine effektive und effiziente Aufgabenerfüllung,
Prüfungsarbeiten, sondern auch rechtspolitisch interes- sondern auch für den Rechtsschutz der Betroffenen und die
sant. Denn was der Staat von seinen Bürgern hält, zeigt demokratische Legitimierung der Entscheidung wichtig.4
sich auch daran, was geschieht, wenn die Verwaltung Dass Grundrechtsschutz – in den Worten des Bundesver-
die Verfahrensrechte der Bürger – insbesondere die An- fassungsgerichts – auch durch die Gestaltung von Verfah-
sprüche auf Anhörung und Begründung – nicht beach- ren zu bewirken ist und dass die Grundrechte demgemäß
tet. Im Folgenden geht es um die Heilung von Verfah- nicht nur das materielle Recht, sondern auch das Verfah-
rensfehlern, um die Fallkonstellationen der Unbeacht- rensrecht beeinflussen, ist schon recht lange anerkannt.5
lichkeit und um das Verbot, isoliert gegen behördliche Die Einsicht, dass Legitimation durch Verfahren die vom
Verfahrenshandlungen gerichtlich vorzugehen. In Grundgesetz verlangte institutionelle, personelle und sach-
rechtsvergleichender Perspektive heißt es häufig, dass liche demokratische Legitimation ergänzen kann, setzt sich
die deutsche Rechtsordnung zu sehr auf das materiel- zunehmend durch.6 Je geringer die Steuerungskraft mate-
le Ergebnis fokussiert ist und das Verwaltungsverfah- rieller Gesetzesvorgaben und entsprechend beschränkt die
ren allzu gering schätzt. Auch hierauf geht der Beitrag inhaltliche Gerichtskontrolle ist, desto wichtiger ist das
ein. Verwaltungsverfahren. Es ist nicht bloß eine lästige Forma-
lie. Vielmehr ist die Einhaltung der Verfahrensvorgaben
eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass Betroffene
die Verwaltungsentscheidung, wenn schon nicht als einzig
I. Bedeutung des richtige, so doch zumindest als richtig zustande gekommen
Verwaltungsverfahrens akzeptieren. Dies ist auch unter Effizienzgesichtspunkten
von Bedeutung.7 Ein angemessen gestaltetes Verwaltungs-
»Das Verfahrensrecht ist nicht das Recht selbst; es soll verfahren kann den Aufwand für die Durchsetzung von
nur eine Entscheidung über das materielle Recht ermög- Verwaltungsentscheidungen verringern. Im Übrigen kann
lichen, hat also bloß eine dem materiellen Recht ge- die Beteiligung der in ihren Rechten Betroffenen oder sonst
genüber dienende Funktion«.1 So hieß es vor Erlass der
Verwaltungsverfahrensgesetze. Die Geringschätzung des
Verwaltungsverfahrens hat sich aber auch in den verwal- 2 BT-Drs 7/910, 65; 13/1445, 6. Vgl zur Behandlung von Zuständig-
tungsverfahrensgesetzlichen Regelungen über die Hei- keits-, Verfahrens- und Formfehlern auch Pünder Verwaltungsverfah-
lung (§ 45 VwVfG) und Unbeachtlichkeit (§ 46 VwVfG) ren, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl 2015,
von Verfahrensfehlern sowie im verwaltungsprozessua- § 14 Rn 77 ff (mwN).
3 Zu den Ausnahmen vom »Nichtigkeitsdogma« im Kommunalrecht
len Verbot niedergeschlagen, Verfahrensfehler isoliert ge-
Brüning in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht,
Bd 3, 3. Aufl 2013, § 64 Rn 183; zur sog Planerhaltung im Baurecht
Wickel ebenda, Bd 2, § 39 Rn 97 ff.
1 Groschupf DVBl 1962, 627, 630. Näher zur »instrumentellen Funk- 4 Im Überblick zu den Grundlagen des Verwaltungsverfahrensrechts
tion« des Verwaltungsverfahrens und zur Kritik an der überkom- Pünder JuS 2011, 289 ff.
menen Konzeption Fehling VVDStRL 70 (2011), 278 ff. 5 BVerfGE 53, 30, 65 (Mülheim Kärlich, 1979). Näher Pünder (Fn 2),
§ 13 Rn 7, 15 f.
*Kontaktperson: Hermann Pünder, der Autor ist Inhaber des 6 Pünder (Fn 2), § 13 Rn 17 f (mit Nachweisen auch zur Gegenauffas-
Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Verwaltungswissenschaften und sung).
Rechtsvergleichung an der Bucerius Law School, Hamburg. 7 Vgl Pünder (Fn 2), § 13 Rn 19 f.

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Interessierten die behördlichen Kosten der Informations- nicht besuchen dürfe. Hiergegen hat S eine zulässige Fortset-
gewinnung reduzieren. zungsfeststellungsklage (§ 113 I 4 VwGO) erhoben.

Die Klage ist begründet, soweit das erledigte Betretungsverbot


Was man vom Verfahren hält, zeigt sich insbesondere dort, wo
rechtswidrig war und der Kläger dadurch in seinen Rechten
es an einer ausdrücklichen Regelung fehlt. So wurde für die
verletzt wurde. Als Ermächtigungsgrundlage kommt § 28 I 1
Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 II 1 Nr 4
Alt 1 IfSG (Sart II Nr 286) in Betracht, wonach die zuständige
VwGO eine Pflicht zur Anhörung nicht normiert. Zumeist wird
Behörde Schutzmaßnahmen treffen kann, um die Verbreitung
vertreten, dass der Betroffene deshalb auch nicht eigenständig
übertragbarer Krankheiten zu verhindern. Das Schulbetretungs-
angehört werden muss.8 Dass er sich zur Hauptregelung äußern
verbot könnte formell rechtswidrig sein, weil es ohne die gemäß
konnte, genüge. In der Tat ist § 28 I VwVfG auf die Vollzieh-
§ 28 I VwVfG erforderliche Anhörung angeordnet wurde. Von
barkeitsanordnung nicht unmittelbar anwendbar, da sie kein
der Anhörung kann allerdings nach § 28 II Nr 1 Alt 1 VwVfG
Verwaltungsakt, sondern nur eine nicht der Bestandskraft fähi-
abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzel-
ge Nebenentscheidung über den Zeitpunkt der Vollziehbarkeit
falls nicht geboten ist, weil eine sofortige Entscheidung wegen
ist. Eine Analogie scheidet aus, weil es keine planwidrige Rege-
Gefahr im Verzug notwendig erscheint. Gefahr im Verzug ist
lungslücke gibt; die Normierung zur Begründung (§ 80 II 1 Nr 4,
anzunehmen, wenn durch eine vorherige Anhörung ein Zeitver-
III VwGO) regelt die formellen Anforderungen abschließend.
lust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte,
Allerdings stellt sich die Anordnung der sofortigen Vollziehbar-
dass die behördliche Maßnahme zu spät käme, um ihren Zweck
keit als eine über die Hauptregelung hinausgehende zusätzliche
noch zu erreichen. Ob die Voraussetzungen gegeben waren, hat
Belastung dar, die oft sogar vollendete Tatsachen schafft. Des-
das Gericht aus ex-ante-Sicht zu beurteilen. Einen nur be-
wegen muss der Betroffene, wenn man »Grundrechtsschutz
schränkt kontrollierbaren Beurteilungsspielraum der Behörde
durch Verfahren« ernst nimmt, aus verfassungsrechtlichen
gibt es nicht.
Gründen zu der Frage Stellung nehmen können, warum sein
Interesse an einer aufschiebenden Wirkung seines Rechts-
behelfs (§ 80 I VwGO) ausnahmsweise zurückstehen soll.9 Ande- Das BVerwG hat zu Recht hervorgehoben, dass wegen der
res gilt, wenn die vorherige Anhörung das Vollzugsinteresse Bedeutung des Anhörungsrechts »als tragendem Prinzip des
gefährden würde (vgl § 28 II Nr 1 VwVfG). Dann bleiben nur die rechtsstaatlichen Verfahrens« ein strenger Maßstab anzulegen
Eilverfahren nach § 80 IV 1 und V 1 VwGO, die jedoch die Gefahr ist. Im Fall war nicht ersichtlich, dass die Eltern des Klägers
nicht vollends bannen, dass der Betroffene seine Rechtsposition vor Erlass des Betretungsverbots nicht zumindest mündlich
einbüßt. (telefonisch) hätten angehört werden können. Dadurch wäre
nur eine geringe zeitliche Verzögerung eingetreten. Da nur
neun Schüler der Gesamtschule »ungeschützt« waren, war der
Nicht zu verkennen ist freilich, dass die Relativierung for-
Behörde der Ermittlungsaufwand auch zuzumuten. Jedenfalls
meller Fehler auch im Interesse des Bürgers liegen kann. durfte die Beklagte nach dem Grundsatz der Verhältnismäßig-
Wenn ein Verwaltungsakt nach seiner Aufhebung in ei- keit ohne vorherige Anhörung nur eine vorläufige Entschei-
nem anschließenden Verfahren sofort erneut formell ord- dung treffen. Es hätte zunächst ausgereicht, den Kläger nach
nungsgemäß erlassen werden kann, bekommt der Kläger Hause zu schicken und ein vorläufiges Schulbetretungsverbot
für einen Tag auszusprechen. Es ist nichts dafür ersichtlich,
nur »Steine statt Brot«.
dass die Anhörung nicht im Laufe des Tages hätte nachgeholt
werden können. Damit war der Verwaltungsakt formell rechts-
Beispielsfall (nach BVerwGE 142, 205, Ehlers JK VwVfG, § 28/5):
widrig.
In einer Grundschule sind Masern aufgetreten. Um eine Ausbrei-
tung der Krankheit zu verhindern, wurden auch in der benach-
barten Gesamtschule die Impfausweise überprüft und Schutz-
impfungen angeboten. Der Schüler S war bislang weder gegen II. Heilung von Verfahrensfehlern
Masern geimpft, noch hatte er eine Masernerkrankung durch-
gemacht; die Teilnahme an der Schutzimpfung lehnten die Erzie- Gemäß § 45 VwVfG können bestimmte Fehler durch Nach-
hungsberechtigten ab. Daraufhin wurde ihm im Schulsekretariat holung geheilt werden. Dies dient der Effizienz des Ver-
auf Weisung des Gesundheitsamtes ohne Anhörung mündlich
waltungshandelns, insbesondere der Notwendigkeit einer
mitgeteilt, dass er die Schule für die Dauer von zwei Wochen
Verfahrensbeschleunigung. Da sich auch dieser Gesichts-
punkt im Grundgesetz verankern lässt und der Gesetzgeber
bei der Ausgestaltung verfahrensrechtlicher Verfassungs-
8 Vgl etwa OVG Bln NVwZ 1993, 198; VGH BW NVwZ-RR 1995, 17, 19; prinzipien über einen Spielraum verfügt, ist gegen die
OVG NRW BauR 1995, 69; OVG Nds NVwZ-RR 2002, 822; Kaltenborn Heilungsmöglichkeit verfassungsrechtlich im Grundsatz
DVBl 1999, 828, 830 f; Schwarz in: Fehling/Kastner/Störmer, VwR, nichts einzuwenden.10 Immerhin wird die Gesetzesbin-
3. Aufl 2013, § 28 VwVfG Rn 13.
9 Pünder (Fn 2), § 14 Rn 34. Siehe auch OVG Nds NVwZ-RR 1993, 585,
586; Grigoleit Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit, 1997,
122 ff. Differenzierend OVG SH NVwZ-RR 1993, 587; Schoch in: ders/ 10 AA etwa VG Arnsberg DVBl 1981, 648, 649; Niedobitek DÖV 2000,
Schneider/Bier, VwGO, § 80 Rn 258 f. 761 ff. Ohnehin ist nicht alles Verwaltungsrecht – wie es Fritz Werner

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dung (Art 20 III GG) gestärkt, wenn Verfahrensfehler nach- werden, da sie eng mit dem Anhörungsrecht verbunden
träglich beseitigt werden. Allerdings ist bei der Auslegung ist.15 Schließlich ist an § 45 I Nr. 3 VwVfG zu denken, wenn
der Heilungsvorschrift zu beachten, dass das Verwaltungs- der Betroffene – was nach hier vertretener Auffassung
verfahren für einen effektiven Grundrechtsschutz von Be- erforderlich ist – zur Anordnung der sofortigen Vollzieh-
deutung ist. Der Betroffene darf durch die Nachholung barkeit (§ 80 II 1 Nr 4 VwGO) nicht Stellung nehmen konn-
keine Nachteile erleiden. Er muss so gestellt werden, wie te. Dass das Anhörungsgebot auf dem Rechtsstaatsprinzip
er ohne den Verfahrensfehler gestanden hätte. Es muss zu beruht, steht dem nicht grundsätzlich entgegen;16 denn
einer »realen Fehlerheilung« kommen.11 auch das allgemeine Anhörungsrecht nach § 28 I VwVfG
ist dort verankert.
Viele meinen, dass auch das Fehlen der nach § 80 III
1. Möglichkeiten der Fehlerheilung VwGO erforderlichen Begründung für die Anordnung der
sofortigen Vollziehbarkeit geheilt werden kann.17 Dem ist
Eine Heilung erfolgt gemäß § 45 I Nr 1–5 VwVfG, wenn ein nicht zu folgen. Eine direkte Anwendung des §§ 39, 45 I
für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlicher Antrag Nr 2, II VwVfG scheidet aus, da die Vollziehbarkeitsanord-
(vgl § 22 S 2 Nr 2 VwVfG) nachträglich gestellt, die Begrün- nung wie erwähnt kein Verwaltungsakt ist. Gegen eine
dung (§ 39 VwVfG) später gegeben, die Anhörung (§ 28 Analogie spricht, dass § 80 III VwGO eine abschließende
VwVfG, § 71 VwGO) nachgeholt, der Beschluss eines mit- Spezialregelung ist. Vor allem aber wäre eine Heilung mit
wirkungsberechtigten Ausschusses im Nachhinein gefasst dem Zweck des Begründungserfordernisses nicht verein-
oder die erforderliche Mitwirkungshandlung einer anderen bar, der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehbar-
Behörde nachgeholt wird.12 Vergleichbare Regelungen fin- keitsanordnung (vgl § 80 I VwGO) bewusst zu machen.18
den sich im Abgaben- und im Sozialrecht (§ 126 AO u § 41 Im Übrigen ist eine »reale Fehlerheilung« etwa dann
SGB X). Heilbar ist gemäß § 4 I UmwRG auch die Nicht- nicht möglich, wenn ein Umweltschutzverband nicht ge-
durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung.13 mäß § 73 IV 5 und 6 VwVfG am Planfeststellungsverfahren
Auf andere, den geregelten Fehlern ähnliche Form- mitwirken konnte, da die Funktion der Verbandsbetei-
und Verfahrensmängel kann die gesetzgeberische Wer- ligung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht adä-
tung analog angewandt werden, wenn der Betroffene nicht quat kompensiert werden kann.19
in der Wahrnehmung seiner Rechte beeinträchtigt und der
Zweck der Regelung nicht vereitelt wird. So kann auch die
fehlerhaft unterlassene Hinzuziehung (§ 13 I Nr 4 i. V. m. II 2. Heilung im Widerspruchsverfahren
VwVfG) nachträglich entsprechend § 45 I Nr 3 VwVfG ge-
heilt werden; denn wenn schon die unterbliebene Anhö- Verfahrensfehler können gemäß § 45 II VwVfG bis zum
rung nachgeholt werden kann, dann muss dies auch für Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwal-
die Beteiligung gelten, die für die Anhörung Vorausset- tungsgerichtlichen Verfahrens geheilt werden. Dass Ver-
zung ist (§ 28 I VwVfG).14 Zudem kann die Akteneinsicht fahrenshandlungen im Widerspruchsverfahren nachgeholt
(§ 29 VwVfG) mit heilender Wirkung später ermöglicht werden können, liegt nahe; denn nach § 79 I Nr 1 VwGO ist
Gegenstand der Anfechtungsklage der ursprüngliche Ver-

formuliert hat (DVBl 1959, 527 ff.) − »konkretisiertes Verfassungs-


recht«. Vgl Pünder (Fn 2), § 13 Rn 12 ff. 15 Näher Hufen/Siegel Fehler im Verwaltungsverfahren, 5. Aufl 2013,
11 Vgl z. B. BVerwGE 137, 199, 201; VGH Hessen NVwZ-RR 2012, 163, Rn 399 f.
164 (Schoch JK VwVfG § 45 I Nr 3/1). 16 AA Schoch (Fn 9), § 80 Rn 261.
12 Vgl Pünder (Fn 2), § 14 Rn 19 ff (zu Antragsverfahren), Rn 69 ff (zur 17 Vgl etwa OVG Berlin-Brandenburg NVwZ-RR 2008, 727 f (Ehlers JK
Begründung, auf zum Begründungserfordernis nach § 80 III VwGO), VwGO § 80 III/4); OVG Rh-Pf BauR 2012, 1362; NdsOVG NdsVBl 2014,
Rn 32 ff (zur Anhörung, auch zur Anhörungspflicht vor Erlass einer 286.
Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 II 1 Nr 4 VwGO), 18 Pünder (Fn 2), § 14 Rn 72. Ebenso z. B. VGH BW VBlBW 2012, 151 f
Rn 3 (zur Mitwirkung von Ausschüssen) und Rn 54 ff (zur Mitwirkung (Schoch JK VwGO § 80 III/6); OVG LSA Beschl v 03. 04. 2013, Az: 1 M
anderer Behörden). 19/13, juris Rn 11; sowie Schoch (Fn 9), § 80 Rn 249. Allerdings kann
13 Näher Pünder (Fn 2), § 15 Rn 58. in der nachträglichen Begründung eine erneute Anordnung einer
14 Pünder (Fn 2), § 14 Rn 13 f. AA etwa Ule/Laubinger Verwaltungs- sofortigen Vollziehung zu sehen sein, die aber nur ex nunc wirkt und
verfahrensrecht, 4. Aufl 1995 (aktualisierter Nachdruck 1998), § 15 damit die gerichtliche Entscheidung nicht beeinflusst.
Rn 22. Im Verwaltungsprozess wird eine unterbliebene Beiladung 19 BVerwG DVBl 2004, 1546, 1549. Näher zur Mitwirkung von Um-
geheilt, wenn der Nichtbeigeladene die Prozessführung nachträglich weltschutzverbänden an der Planfeststellung und ihren Rechts-
genehmigt. Vgl Kopp/Schenke VwGO, 21. Aufl 2015, § 65 Rn 44. schutzmöglichkeiten Pünder (Fn 2), § 15 Rn 10, 34 ff.

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waltungsakt »in der Gestalt, die er durch den Wider- das Anhörungsrecht im Ausgangsverfahren ausgehöhlt,
spruchsbescheid gefunden hat«. Wenn der Widerspruch da der Widerspruchsführer stets das Recht hat, seine Sicht
nur deswegen erfolglos bleibt, weil die Behörde ihren Feh- der Dinge darzulegen. Der Behörde würde es nicht scha-
ler geheilt hat, entsteht dem Widerspruchsführer kein den, die Anhörung zu unterlassen: Legt der Betroffene
Schaden, da ihm vom Rechtsträger der Behörde, die den Widerspruch ein, würde der Fehler automatisch geheilt.
Verwaltungsakt erlassen hat, die Aufwendungen für das Verzichtet der Betroffene auf den Widerspruch, wird der
Vorverfahren zu erstatten sind (§ 80 I 2 VwVfG).20 Verwaltungsakt trotz des Verfahrensmangels nach Ablauf
Die erforderliche Begründung kann nicht nur von der der Widerspruchsfrist bestandskräftig. Die fehlende Anhö-
Ausgangsbehörde, sondern auch von der Widerspruchs- rung wäre danach nur dann erheblich, wenn es – was
behörde nachgeholt werden; denn das Begründungserfor- zunehmend der Fall ist25 – kein Widerspruchsverfahren
dernis soll zwar nicht nur, aber vor allem die getroffene gibt (§ 68 I 2 VwGO).
Sachentscheidung erklären.21 Anderes gilt für die Anhö- Wenn sich der Verwaltungsakt erledigt hat, scheidet
rung. Sie muss zeitversetzt so vorgenommen werden, wie die Heilung von Anhörungsfehlern aus, da der Anhö-
sie in § 28 I VwVfG geregelt ist. Die Vorschrift bestimmt, rungszweck, die Belange des Betroffenen in der Verwal-
dass der Betroffene vor Erlass des Verwaltungsakts anzuhö- tungsentscheidung zu berücksichtigen, nach der Erledi-
ren ist. geregelt ist. Deswegen kann grundsätzlich nur die gung des Verwaltungsaktes nicht mehr erreicht werden
Ausgangsbehörde die Anhörung nachholen und dann da- kann.26
rüber befinden, ob sie dem Widerspruch gemäß § 72 VwGO
abhilft. Entgegen einer vielfach vertretenen Auffassung gilt
dies auch dann, wenn die Widerspruchsbehörde – wie 3. Heilung in Gerichtsverfahren
im Regelfall (§ 68 VwGO) – zu einer umfassenden Zweck-
mäßigkeitskontrolle befugt ist.22 Denn es ist nicht aus- Bis 1996 war die Heilung nur bis zum Abschluss eines
zuschließen, dass die Ausgangsbehörde eine für den Vorverfahrens oder, falls ein Vorverfahren nicht stattfin-
Betroffenen günstigere Entscheidung trifft. Die Wider- det, bis zur Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage
spruchsbehörde kann die Anhörung nur nachholen, wenn möglich.27 Nachdem zunächst sogar eine Heilung im Revi-
es sich um eine gebundene Entscheidung handelt. Denn sionsverfahren vorgesehen war (»bis zum Abschluss eines
dann könnte auch die Ausgangsbehörde nicht anders ent- verwaltungsgerichtlichen Verfahrens«), wurde die Nach-
scheiden. holung der Handlungen nach heftiger Kritik 2003 auf den
Soll der Verfahrensfehler im Widerspruchsverfahren »Abschluss der letzten Tatsacheninstanz« (also regel-
geheilt werden, muss die Behörde den Betroffenen aus- mäßig das Berufungsverfahren) beschränkt. Entsprechen-
drücklich darauf hinweisen, dass »die erforderliche Anhö- de Regelungen enthalten § 126 II AO und § 41 II SGB X.
rung nachgeholt wird« (§ 45 I Nr 3 VwVfG) und er nun Die Normen sind Ausdruck des gesetzgeberischen Bemü-
Gelegenheit hat, »sich zu den für die Entscheidung erheb- hens, das Verwaltungsverfahren zusätzlich zu beschleuni-
lichen Tatsachen zu äußern« (§ 28 I VwVfG). Dass er über gen.28
die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen, belehrt wurde Die Heilungsmöglichkeit im gerichtlichen Verfah-
(§ 37 VI VwVfG, § 58 VwGO)23 und mit der Einlegung des ren ist bedenklich. Es ist – was die sozialgerichtliche
Widerspruchs Gelegenheit zur Stellungnahme hat, reicht – Rechtsprechung zu einer ablehnenden Haltung veran-
anders als viele meinen − nicht aus.24 Andernfalls würde lasst29 – kaum denkbar, den Betroffenen im Klageverfah-
ren so zu stellen, wie er ohne den Fehler gestanden hätte.
Schon die Gesetzesbegründung von 1973 hatte betont, dass
20 Pünder (Fn 2), § 14 Rn 68. das rechtliche Gehör aus rechtsstaatlichen Gründen vor
21 AA Kischel Folgen von Begründungsfehlern, 2004, 177 ff. Klageerhebung zu gewähren ist. Es gehe nicht an, dass der
22 AA etwa BVerwGE 66, 111, 114 f (v Mutius JK VwVfG § 45/2);
BVerwG NVwZ 1984, 578, 579 (jew 1. Senat); Ehlers JURA 1996, 617,
621 f. Wie hier BVerwGE 66, 184, 187 ff (3. Senat) (v Mutius JK VwVfG
§ 28/2). 25 Zur Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in einigen Bundes-
23 Zur Rechtsbehelfsbelehrung Pünder (Fn 2), § 14 Rn 75. ländern Pünder (Fn 2), § 13 Rn 11.
24 AA z. B. BVerwGE 66, 111, 114 f (v Mutius JK VwVfG § 45/2); 66, 184, 26 Vgl BVerwGE 142, 205, 210 (Ehlers JK VwVfG § 28/5).
189 f (v Mutius JK VwVfG § 28/2). Anderes soll gelten, wenn Ausgangs- 27 § 45 II VwVfG aF.
behörde u Widerspruchsführer nach Auffassung der Widerspruchs- 28 In den Bundesländern ist die Rechtslage uneinheitlich. Vgl nur
behörde entscheidungserhebliche Tatsachen übersehen haben. Ähn- Martin Heilung von Verfahrensfehlern im Verwaltungsverfahren,
lich wie hier OVG NRW DVBl 1981, 689 (v Mutius JK VwVfG § 45/1); 2004, 26 f, 40 f.
Hufen/Siegel (Fn 15), Rn 955. 29 Nachweise bei Martin (Fn 28), 62 ff, 289 f.

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Betroffene die Gründe erst nach Einleitung des Gerichts- gen tatsächlich einbezieht.35 Verweist sie auf die Stellung-
verfahrens erfahre.30 Hinzu kommt, dass die formellen nahme lediglich formelhaft, um ihren ursprünglichen Ver-
Vorgaben funktionslos zu werden drohen, wenn Verstöße waltungsakt vor Gericht »zu retten«, wird der Verfahrens-
keine gerichtliche Sanktion nach sich ziehen. Auch wird fehler nicht geheilt.
die Behörde im Prozess regelmäßig auf ihrer Entscheidung
beharren, weil es ansonsten ja nicht zu einer gerichtlichen
Auseinandersetzung gekommen wäre. Es erstaunt nicht, 4. Rechtsfolgen der Heilung
dass beim direkten Vollzug von europäischem Unionsrecht
durch Organe der EU die Heilung von Verfahrensfehlern Holt die Behörde die versäumte oder fehlerhafte Verfah-
zwar im Verwaltungsverfahren, nicht aber im gerichtlichen renshandlung ordnungsgemäß nach, ist die Rechtsver-
Verfahren möglich ist.31 Besonders strikt ist der EuGH bei letzung – wie es in § 45 I VwVfG heißt − »unbeachtlich«.
Begründungs- und Anhörungsmängeln. Weil die Vor- Der Verwaltungsakt ist ab diesem Zeitpunkt (ex nunc) als
gaben für den direkten Vollzug im Interesse der Einheit rechtmäßig anzusehen; der Anspruch auf gerichtliche Auf-
und Widerspruchsfreiheit des Unionsrechts auch im indi- hebung gemäß § 113 I 1 VwGO entfällt. Allerdings kann der
rekten Vollzug durch die Mitgliedstaaten zu beachten sind, Betroffene durch eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach
muss § 45 II VwVfG beim Vollzug von EU-Recht unions- § 113 I 4 VwGO feststellen lassen, dass der Verwaltungsakt
rechtskonform so ausgelegt werden, dass die Fehlerhei- bis zur Heilung rechtswidrig war, und ggf Schadensersatz-
lung nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens ansprüche wegen Amtspflichtverletzung (Art 34 GG, § 839
möglich und im gerichtlichen Verfahren ausgeschlossen BGB) geltend machen.36 Die Auffassung, nach der die Hei-
ist.32 lung ex tunc eintritt,37 überzeugt nicht, da sie keine Kon-
Wegen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums sequenzen aus der ursprünglichen Rechtswidrigkeit des
bei der Verwirklichung verfahrensbezogener Verfassungs- Verwaltungsaktes zieht. Im Unionsrecht hat eine nach-
werte ist die – auch schon in der Rechtsprechung des geholte Verfahrenshandlung zumindest dann keine rück-
Preußischen Oberverwaltungsgerichts anerkannte33 – Hei- wirkende Kraft, wenn dadurch – wie im Fall der beihilfe-
lung von Anhörungs- und Begründungsmängeln im Pro- rechtlichen Notifizierungspflicht nach Art 108 III AEUV –
zess (auch in Eilverfahren nach § 80 V bzw § 123 VwGO) die praktische Wirksamkeit der Verfahrensvorschrift be-
aber nicht verfassungswidrig.34 Vor finanziellen Nach- einträchtigt wird.38
teilen wird der Kläger dadurch bewahrt, dass der Behör- Versäumt ein Beteiligter die rechtzeitige Anfechtung
de die Kosten aufzuerlegen sind, wenn die Klage nach der eines Verwaltungsakts (§§ 70 und 74 VwGO), weil die-
Heilung im Prozess zurückgenommen oder der Rechts- ser nicht die nach § 39 VwVfG erforderliche Begründung
streit für erledigt erklärt wird (§ 92 II bzw § 161 II i. V. m. enthält oder eine nach § 28 VwVfG notwendige Anhörung
§ 155 IV VwGO). Allerdings muss eine verfassungskon- nicht oder fehlerhaft stattgefunden hat, gilt die Versäu-
forme Auslegung sicherstellen, dass der Fehler so früh wie mung der Rechtsbehelfsfrist gemäß § 45 III 1 VwVfG als
möglich geheilt wird, also regelmäßig noch im Wider- nicht verschuldet. Die Heilung schränkt damit den Betrof-
spruchsverfahren und nicht erst vor Gericht. Im Pro- fenen in seiner Rechtsverteidigung nicht ein. Er kann die
zess muss die nachgeholte Anhörung ihre Funktion noch »Wiedereinsetzung in den vorigen Stand« beanspruchen,
erfüllen; zu einer Heilung kommt es nur, wenn die Behör- wenn der Verfahrensfehler für die Versäumung der Rechts-
de die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgehol- behelfsfrist kausal war. Diese Voraussetzung darf nicht
te Stellungnahme des Betroffenen in ihre Erwägun- allzu streng gehandhabt werden. Kausalität ist gege-
ben, wenn nicht auszuschließen ist, dass der Betroffene
bei ordnungsgemäßer Begründung oder Anhörung den

30 BT-Drs 7/910, 66.


31 Näher zur Heilung beim Vollzug von Unionsrecht Pünder (Fn 2),
§ 14 Rn 83. 35 Vgl BVerwGE 66, 111, 114 f (v Mutius JK VwVfG § 45/2); 137, 199,
32 Vgl Fehling VVDStRL 70 (2011), 278, 324 ff.; Gurlit VVDStRL 70 211 f; 142, 205, 210 (Ehlers JK VwVfG § 28/5); VGH Hessen NVwZ 1987,
(2011), 227, 259 ff.; Pünder (Fn 2), § 13 Rn 24, 83. Zu den Reforman- 510 (v Mutius JK VwVfG § 45 II/4); NVwZ-RR 2012, 163, 164 (Schoch JK
stößen aus europarechtlichen Gründen Burgi/Durner Modernisierung VwVfG § 45 I Nr 3/1); OVG Bln-Bbg Urt v 09. 07. 2013, Az: OVG 7
des Verwaltungsverfahrensrechts durch Stärkung des VwVfG, 2012, N 113.13, juris Rn 9.
36 ff. 36 Vgl Fehling VVDStRL 70 (2011), 278, 328.
33 Siehe Durner VerwArch 97 (2006), 345, 351. 37 Vgl etwa Maurer Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl 2011,
34 AA Bredemeier Kommunikative Verfahrenshandlungen im deut- § 10 Rn 39.
schen und europäischen Verwaltungsrecht, 2007, 359 ff. 38 Pünder (Fn 2), § 14 Rn 83.

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1312 Repetitorium ÖR – Hermann Pünder: Die Folgen von Fehlern im Verwaltungsverfahren

Rechtsbehelf ergriffen hätte.39 Mit der Nachholung der Ver- Vergleichsweise unproblematisch ist das Nachschie-
fahrenshandlung beginnt die Wiedereinsetzungsfrist (§ 45 ben von Gründen bei gebundenen Entscheidungen. Da das
III 2 VwVfG). Maßgeblich ist – anders als es § 45 III 2 Gericht ohnehin verpflichtet ist, den Sachverhalt selbst zu
VwVfG nahe legt – nicht die verwaltungsverfahrensge- erforschen (§ 86 I VwGO), darf es auch Tatsachen berück-
setzliche Regelung in § 32 VwVfG, sondern das Verwal- sichtigen, die in der ursprünglichen Begründung des Ver-
tungsprozessrecht (§ 60 VwGO).40 Dies gilt nicht nur für waltungsaktes nicht enthalten sind. An die Rechtsauffas-
die Klagefrist (§ 74 I VwGO), sondern auch für die Wider- sung der Behörde ist es nicht gebunden.
spruchsfrist (§ 70 VwGO), da § 32 VwVfG – wie dem § 79 Bei Entscheidungen mit Ermessens- oder Beurteilungs-
VwVfG zu entnehmen ist – insoweit verdrängt wird. spielraum darf das Gericht nur die Erwägungen der Behör-
de kontrollieren, aber selbst kein Ermessen ausüben. Die
Im Beispielsfall ist der Verstoß gegen § 28 VwVfG nicht gemäß nachgeschobenen Erwägungen müssen daher stets von
§ 45 I Nr 3, II VwVfG geheilt worden. Eine Heilung setzt voraus, der Behörde selbst stammen und – weil es bei Anfech-
dass die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt
tungsklagen grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten
und ihre Funktion für die Entscheidungsfindung der Behörde
uneingeschränkt erfüllt. Zu Recht weist das BVerwG darauf hin,
Verwaltungsentscheidung ankommt43 − schon bei Erlass
dass die Äußerungen und Stellungnahmen von Behörden im des Verwaltungsaktes vorgelegen haben.44 Allgemein gilt,
gerichtlichen Verfahren diese Voraussetzungen nicht erfüllen. dass – wie bereits das Preußische Oberverwaltungsgericht
Darüber hinaus wird zutreffend betont, dass der Zweck der An- feststellte45 – das Nachschieben von Gründen den Kläger
hörung nicht mehr erreicht werden konnte, nachdem sich das in seiner Rechtsverteidigung nicht beeinträchtigen und
Schulbetretungsverbot infolge Zeitablaufs erledigt hatte (vgl § 43
den Verwaltungsakt nicht »in seinem Wesen« verändern
II VwVfG).
darf.46 Die Rechtsverteidigung des Klägers wird z. B. beein-
trächtigt, wenn das Gericht seine Entscheidung auf nach-
5. Abgrenzung zum Nachschieben von geschobene Gründe stützt, die dem Kläger vorher weder
Gründen im Verwaltungsprozess durch die Verwaltung noch durch das Gericht mitgeteilt
worden sind. Eine Wesensänderung des Verwaltungsaktes
Wenn die Begründung zwar den formellen Anforderungen liegt vor, wenn die neuen Gründe den entscheidungs-
des § 39 I VwVfG genügt, aber inhaltlich fehlerhaft ist, stellt erheblichen Sachverhalt austauschen oder bisher gar kei-
sich die Frage, ob die Behörde andere Gründe im Verwal- ne Ermessenserwägungen vorgelegen haben, so dass der
tungsprozess nachschieben kann. Die verwaltungsverfah- Verwaltungsakt der Sache nach aufgehoben und durch
rensrechtliche Heilungsvorschrift (§ 45 I Nr 2, II VwVfG) ist einen neuen ersetzt wird.47 Dass defizitäre Ermessens-
auf diesen Fall nicht anwendbar; denn sie betrifft nur die erwägungen im Prozess nur »ergänzt« werden können,
formelle, nicht die materielle Rechtmäßigkeit des Verwal- ein Ermessensnichtgebrauch mithin nicht geheilt werden
tungsaktes. Nach § 114 S 2 VwGO kann die Behörde ihre kann, stellt mittlerweile § 114 S 2 VwGO ausdrücklich
Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes klar.48 Auch die Korrektur einer Ermessensüberschreitung
auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren er-
gänzen. Die – auch für den einstweiligen Rechtsschutz
geltende41 – Regelung macht allerdings nur deutlich, dass 43 Ausführlich Schenke Verwaltungsprozessrecht, 14. Aufl 2014,
Rn 782 ff.
das Nachschieben von Gründen nicht zu einer Änderung
44 Anderes gilt bei einer Ausweisungsverfügung, da dann auf den
des Streitgegenstandes führt.42 Für eine Regelung der mate- Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht abzustel-
riell-rechtlichen Wirkungen im Hinblick auf die Recht- len ist. Vgl BVerwGE 130, 20 Rn 14 und 20. Anders noch BVerwGE 121,
mäßigkeit des Verwaltungsaktes hat der Bund keine Ge- 297, 308. Zum Nachschieben von Gründen BVerwGE 141, 252, 258 f
setzgebungskompetenz (vgl Art 74 I Nr 1 GG). (Schoch JK VwGO § 114/4).
45 Siehe Rupp Nachschieben von Gründen im verwaltungsgericht-
lichen Verfahren, 1987, 24 ff.
46 Vgl etwa BVerwGE 105, 55, 59; OVG Nds NVwZ-RR 2008, 776
(Schoch, JK VwGO § 114/3).
39 Strenger BGHZ 144, 210, 218 ff, allerdings aufgehoben durch 47 BVerwGE 141, 252, 261 (Schoch JK VwGO § 114/4), verlangt eine
BVerfG NVwZ 2001, 1392 f. S deswegen dann BGH NVwZ 2002, 509, zusammenfassende Darstellung der aufrechterhaltenen Begrün-
510. dungselemente und ihrer Ergänzung durch die Behörde.
40 Bei dem Hinweis in S 2 auf § 32 II VwVfG handelt es sich um einen 48 Siehe BVerwG NVwZ 2007, 470, 471; OVG Nds NVwZ-RR 2008, 776
Redaktionsfehler. Vgl Allesch NVwZ 2003, 444 (»Gesetzgebungs- (Schoch JK VwGO § 114/3). Anders BVerwGE 141, 252, 258 f (Schoch JK
schrott«). VwGO § 114/4), sofern ein Dauerverwaltungsakt (hier: Ausweisung
41 Vgl OVG Nds NVwZ-RR 2008, 776 (Schoch JK VwGO § 114/3). eines Ausländers) erst im gerichtlichen Verfahren von einer gebunde-
42 Vgl BVerwGE 141, 253, 256 f (Schoch JK VwGO § 114/4). nen Entscheidung zu einer Ermessensentscheidung wird.

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Repetitorium ÖR – Hermann Pünder: Die Folgen von Fehlern im Verwaltungsverfahren 1313

führt zu einer unzulässigen Wesensänderung des Verwal- verfassungswidrig.51 Jedoch muss auch diese Regelung
tungsaktes, da sie nicht ohne Veränderung der Entschei- verfassungskonform ausgelegt werden. Der Heilung, die
dungsformel möglich ist. Zwar ist es der Behörde nicht die Gesetzesbindung (Art 20 III GG) bestärkt, gebührt
verboten, einen Verwaltungsakt während des Prozesses Vorrang. Solange Verfahrensfehler noch heilbar sind,
aufzuheben. Sie beseitigt damit jedoch den ursprüng- darf § 46 VwVfG grundsätzlich nicht angewendet wer-
lichen Streitgegenstand. Der Kläger kann die Klage nach den.52
Änderung fortführen (§ 91 VwGO) oder, wo dies nicht
möglich ist (etwa weil zunächst ein Vorverfahren durch-
geführt werden muss), den Rechtsstreit für erledigt erklä- 1. Voraussetzungen für den Ausschluss des
ren. Auch dann sind der Behörde die Kosten aufzuerlegen Aufhebungsanspruchs
(§§ 161 II, 155 IV VwGO).
Weil § 46 VwVfG davon spricht, dass die Aufhebung »nicht
allein« wegen eines formellen Fehlers beansprucht wer-
den kann, entfaltet die Regelung nur dann Wirkung, wenn
III. Kein Aufhebungsanspruch der Verwaltungsakt nicht auch materiell rechtswidrig ist
trotz Verfahrens-, Form- und den Kläger schon dadurch in seinen Rechten verletzt.
Nachdem in der Fallbearbeitung im Rahmen der Begrün-
und (örtlichen) detheitsprüfung die formelle Rechtswidrigkeit festgestellt
Zuständigkeitsfehlern wurde, ist also zunächst zu prüfen, ob der Verwaltungsakt
auch materiell rechtswidrig ist; denn in diesem Fall kommt
Werden Verfahrens- und Formfehler nicht geheilt oder ist es auf § 46 VwVfG nicht an.53 Die Unbeachtlichkeitsregel
eine Heilung nicht möglich, so hat der Betroffene gemäß gilt für die Verletzung von »Vorschriften über das Verfah-
§ 113 I 1 VwGO grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass ren, die Form und die örtliche Zuständigkeit«. Nicht erfasst
der Verwaltungsakt gerichtlich aufgehoben wird. Dies gilt sind Verstöße gegen die sachliche, instanzielle oder Ver-
gemäß § 46 VwVfG ausnahmsweise dann nicht, wenn of- bandszuständigkeit. Gegen die Verbands-, nicht bloß die
fensichtlich ist, dass die Verletzung von Vorschriften über örtliche Zuständigkeit wird verstoßen, wenn die Behörde
das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit die eines anderen Verwaltungsträgers an Stelle der an sich
Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Entspre- zuständigen Behörde handelt.54 Dem Schutz der formellen
chende Regelungen finden sich für das Widerspruchsver- Vorgaben dient, dass der Aufhebungsanspruch nur aus-
fahren (§ 79 II 2 VwGO) sowie im Abgaben- und Sozialrecht geschlossen ist, wenn die Rechtsverletzung die Entschei-
(§ 127 AO, § 42 SGB X). Auch das Unionsrecht verlangt dung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst hat. Ver-
nicht, dass Verfahrensfehler unabhängig von ihren Aus- gleichbares gilt nach dem »harmless error principle« des
wirkungen in der Sache zur Aufhebung der Entscheidung Unionsrechts. Wesentlich ist eine Form- oder Verfahrens-
führen.49 So berechtigt im direkten Vollzug durch EU-Or- vorschrift danach nur, wenn ihre Verletzung geeignet ist,
gane nur die Verletzung »wesentlicher« Verfahrensvor- den Inhalt der Rechtshandlung zu beeinflussen.55
schriften zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage (Art 263 II Bei gebundenen Entscheidungen ist der Aufhebungs-
AEUV). Dies kann auch für den indirekten Vollzug durch anspruch grundsätzlich ausgeschlossen. Denn die Behör-
die Mitgliedstaaten gelten. de hätte die Sachentscheidung mit gleichem Inhalt auch
Der Ausschluss des Aufhebungsanspruchs relativiert dann treffen müssen, wenn sie die formellen Rechtmäßig-
die Verfahrens-, Form- und Zuständigkeitsanforderungen keitsvoraussetzungen beachtet hätte. Dasselbe gilt, wenn
über die Heilungsregelung des § 45 VwVfG hinaus. Zu
befürchten ist, dass die Behörden Verstöße gegen formel-
51 So aber Niedobitek DÖV 2000, 761 ff.
les Recht als »lässliche Sünden« ansehen. Freilich dient
52 Anderes mag gelten, wenn von Anfang an feststeht, dass der Ver-
die Unbeachtlichkeitsregel der verfassungsrechtlich ver- fahrensfehler ohne Einfluss auf das Ergebnis war. Ebenso Hufen/
wurzelten Verfahrensökonomie.50 Da bei der Umsetzung Siegel (Fn 15), Rn 963 f. Für eine parallele Anwendbarkeit etwa Sachs
verfahrensbezogener Verfassungswerte ein gesetzgeberi- in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 45 Rn. 18; Schwarz
scher Gestaltungsspielraum besteht, ist § 46 VwVfG nicht (Fn 8), § 46 Rn 7.
53 Ebenso Stumpf JURA 2012, 543, 552 f (Fallbearbeitung).
54 Vgl OVG NRW NJW 1979, 105 (v Mutius JK VwVfG § 3 III/1), für
einen Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit OVG Rh-Pf DVBl 1985,
49 Pünder (Fn 2), § 14 Rn 89. 1076 (v Mutius JK VwVfG § 3/1).
50 Pünder (Fn 2), § 13 Rn 19. 55 Siehe für Nachweise Pünder (Fn 2), § 14 Rn 89.

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1314 Repetitorium ÖR – Hermann Pünder: Die Folgen von Fehlern im Verwaltungsverfahren

ein Ermessen »auf Null reduziert« ist.56 Soweit es zur ge- Kausalität des Verfahrensfehlers für die getroffene Sach-
troffenen Entscheidung rechtlich keine Alternative gibt, entscheidung »offensichtlich«, d. h. in Anlehnung an § 44 I
fehlt dem Verlangen des Betroffenen, den Verwaltungs- VwVfG unschwer und eindeutig erkennbar sein. Aufwändi-
akt allein wegen des formellen Mangels aufzuheben, das ge Ermittlungen oder Beweisaufnahmen, um den hypothe-
Rechtsschutzbedürfnis. Anderes gilt, wenn bei der Konkre- tischen Willen der Behörde festzustellen, scheiden aus.62
tisierung unbestimmter Rechtsbegriffe nicht auszuschlie- Auch im Unionsrecht werden Verfahrensverstöße nicht
ßen ist, dass die behördliche Anhörung zu einer anderen nur bei rechtlicher Alternativlosigkeit der Sachentschei-
Tatsachenermittlung geführt hätte, und das Gericht den dung als unbeachtlich angesehen, sondern auch dann,
Verwaltungsakt ohne Entscheidung in der Sache aufheben wenn der Behörde zwar ein Entscheidungsspielraum zu-
kann (§ 113 III VwGO).57 stand, die getroffene Entscheidung aber aus tatsächlichen
Hat die Behörde einen Ermessens-, Beurteilungs- oder Gründen nicht anders hätte ausfallen können. Allerdings
Planungsspielraum, kann § 46 VwVfG den Aufhebungs- geht der EuGH bei Anhörungs- und Begründungsmängeln
anspruch grundsätzlich nicht ausschließen.58 In diesen regelmäßig von der Wesentlichkeit eines Verstoßes aus.63
Fällen sind die Verfahrensrechte gerade dazu da, die Sach- Deshalb bedarf auch § 46 VwVfG – wie § 45 VwVfG − beim
entscheidung zu beeinflussen. Das Gericht kann den Ver- indirekten Vollzug von EU-Recht insofern einer unions-
fahrensfehler wegen seiner begrenzten materiellen Kon- rechtskonformen Auslegung.64 Das Kriterium der Offen-
trollkompetenz nicht ausgleichen. Demgemäß konnte die sichtlichkeit muss streng gehandhabt werden. Ein Verfah-
Aufhebung des Verwaltungsaktes ursprünglich nur dann rensfehler kann nur dann unbeachtlich sein, wenn die
nicht beansprucht werden, »wenn keine andere Entschei- Behörde tatsächlich keine andere Entscheidung hätte tref-
dung in der Sache hätte getroffen werden können«. Aller- fen können oder dürfen. Die von den deutschen Gerichten
dings wollte der Gesetzgeber 1996 den Anwendungsbereich praktizierte Kausalitätsprüfung, ob eine andere Entschei-
des § 46 VwVfG mit der Neufassung (»wenn offensichtlich dung konkret möglich gewesen wäre, ist unionsrechtlich
ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht zu eng.65 Sofern nicht jeglicher Zweifel ausgeschlossen ist,
beeinflusst hat«) gerade auch auf Ermessensentscheidun- dass die Behörde ohne den Verfahrensfehler genauso ent-
gen erstrecken.59 Dem folgend stellt die Rechtsprechung schieden hätte, ist ein Verfahrensfehler unionsrechtlich
eine hypothetische Betrachtung an und verlangt für den beachtlich.66 Dem Rechtsbehelfsführer darf ferner nicht
Aufhebungsanspruch die konkrete Möglichkeit, dass die die Beweislast dafür aufgebürdet werden, dass der Ver-
Behörde ohne den Fehler anders entschieden hätte.60 Dem fahrensverstoß entscheidungserheblich gewesen sein
ist entgegenzuhalten, dass bei einem Entscheidungsspiel- könnte.67 Dass Zweifel zu Lasten der Behörde gehen, gilt
raum stets die tatsächliche Möglichkeit besteht, dass die allerdings – wie gesehen – ohnehin allgemein.
Behörde bei Beachtung der Verfahrensvorgaben zu einer Weit verbreitet ist die Auffassung, dass § 46 VwVfG
anderen Entscheidung in der Sache gekommen wäre. Le- auch im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage
diglich bei einem Verstoß gegen Formvorschriften kann im nach § 113 I 4 VwGO anzuwenden ist, weil eine wegen § 46
Einzelfall ausgeschlossen sein, dass sich die Verletzung VwVfG aussichtslose Anfechtungs- oder Verpflichtungs-
auf die Sachentscheidung ausgewirkt hat. Jedenfalls trägt, klage konsequenterweise nicht als Fortsetzungsfeststel-
weil § 46 VwVfG negativ formuliert ist, die Behörde die lungsklage Erfolg haben könne.68 Dem ist nicht zu folgen,
Darlegungs- und Beweislast.61 Zudem muss die fehlende

62 OVG NRW ZfPR online 2014, 13 f.


56 BVerwG NVwZ 1988, 525, 526 (v Mutius JK VwVfG § 46/3). AA – 63 Vgl Pünder (Fn 2), § 14 Rn 89.
wegen Art 19 IV GG – VG Hamburg ZBR 1983, 71, 72 (v Mutius JK 64 Zur Frage, inwieweit die für das »Eigenverwaltungsrecht« der
VwVfG § 46/2). Union geltenden Grundsätze trotz der Verfahrensautonomie der Mit-
57 Vgl OVG NRW DÖV 1983, 986 (v Mutius JK VwVfG § 28/3); VGH gliedstaaten auch für den indirekten Vollzug des Unionsrechts maß-
BW NVwZ 1995, 1220 (Erichsen JK VwVfG § 28 I/1). geblich sind, Pünder (Fn 2), § 13 Rn 24, § 14 Rn 89 (m N auch zur
58 Ebenso die Gesetzesbegründung v 1973 zur Altfassung (!), BT-Drs Gegenmeinung).
7/910, 66; sowie VGH BW NVwZ 1995, 1220 (Erichsen JK VwVfG § 28 I/ 65 EU-Kommission, Vertragsverletzungsverfahren Nr 2007/4267, C
1); VGH Hessen NVwZ-RR 2012, 163 (Schoch JK 7/12, VwVfG § 45 I Nr 3/ (2013) 2173 final, 13.
1). 66 Emmenegger in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2014, § 46
59 BT-Drs 13/3995, 8. Rn 27.
60 Vgl BVerwGE 137, 199, 212 f; BVerwG DVBl 2014, 303, 306. Kri- 67 EuGH NVwZ 2014, 49 Rn 52 ff – Altrip.
tisch Hufen/Siegel (Fn 15), Rn 983 ff. 68 VG Meiningen ThürVBl 2011, 259; Kopp/Ramsauer VwVfG,
61 OVG NRW, ZBR 2010, 316, 318; Fehling VVDStRL 70 (2011), 278, 15. Aufl 2014, § 46 Rn 43. In diese Richtung auch BVerwGE 142, 205,
326. 210 f (Ehlers JK VwVfG § 28/5); BVerwG NVwZ 2014, 730 Rn 31.

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weil der Bestand eines erledigten Verwaltungsaktes nicht wird (§ 2 VI UVPG).73 Überhaupt sollte die Öffentlich-
gesichert werden muss.69 § 46 VwVfG ist als Ausnahme- keitsbeteiligung bei raum- und umweltrelevanten Groß-
vorschrift eng auszulegen. Nur die »Aufhebung« eines Ver- vorhaben vom Anwendungsbereich des § 46 VwVfG aus-
waltungsaktes kann nicht begehrt werden. Wie bei einer genommen werden, da die Einbeziehung der Öffentlich-
Heilung nach § 45 VwVfG kann der Betroffene gerichtlich keit besondere demokratische Legitimation vermittelt und
feststellen lassen, dass der Verwaltungsakt gegen Verfah- damit einen vom inhaltlichen Verfahrensergebnis un-
rensvorschriften verstoßen hat und bis zur Erledigung abhängigen Eigenwert aufweist.74 Das Mitwirkungsrecht
rechtswidrig war. der Naturschutzverbände nach § 63 BNatSchG ist hingegen
(mittlerweile) grundsätzlich als relatives Verfahrensrecht
einzuordnen, da der Verband mit der altruistischen Ver-
2. Aufhebung von absoluten bandsklage die Möglichkeit hat, eine Klage zu erheben,
Verfahrensfehlern die inzwischen eine materiell-rechtliche Prüfung ein-
schließt.75
Die Unbeachtlichkeitsregel gilt nicht für sogenannte abso-
lute Verfahrensfehler. Sie begründen unabhängig von ih-
rem Einfluss auf die Sachentscheidung auch dann einen 3. Rechtsfolgen
Aufhebungsanspruch, wenn die Sachentscheidung die
materiell einzig richtige ist. Zum Teil gibt es ausdrückliche Liegen die Voraussetzungen des § 46 VwVfG vor, ist die
Regelungen. So ist nach § 42 S 2 SGB X ein Verwaltungsakt Klage als unbegründet zurückzuweisen. Bei Offensichtlich-
zwingend aufzuheben, wenn die erforderliche Anhörung keit fehlt es bereits an der Klagebefugnis nach § 42 II VwGO.
unterblieben oder nicht wirksam nachgeholt ist. Auch Allerdings wird durch § 46 VwVfG nur der in § 113 I 1 VwGO
folgt im Umkehrschluss aus § 46 VwVfG, dass die Verlet- verankerte prozessuale Anspruch darauf ausgeschlossen,
zung der sachlichen, funktionellen und instanziellen Zu- dass das Gericht den Verwaltungsakt aufhebt. An der for-
ständigkeit ein absoluter Verfahrensfehler ist. Schließlich mellen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ändert sich
macht § 4 I UmwRG von der allgemeinen Regel im Hinblick nichts (was sich auch aus § 59 II Nr 3 VwVfG ergibt). Deswe-
auf die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Ausnahme.70 gen hat der Betroffene – wie erwähnt − die Möglichkeit, die
Unabhängig vom Einfluss auf die Sachentscheidung be- Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts im Wege einer Fort-
steht ein Aufhebungsanspruch, wenn die Umweltverträg- setzungsfeststellungsklage feststellen zu lassen. Zudem kön-
lichkeitsprüfung nicht durchgeführt wurde und es nicht zu nen ggf Schadensersatzansprüche aus § 839 BGB i. V. m.
einer Fehlerheilung gekommen ist. Art 34 GG wegen der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts
Sonst muss durch Auslegung der verletzten Vorschrift geltend gemacht werden.76
ermittelt werden, ob die Regelung allein der Ordnung des Der auch in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht,
Verfahrensablaufs dient oder von der Sachentscheidung dass es in den Fällen des § 46 VwVfG schon an einer
unabhängige Zwecke im Verfahren verwirklicht, so dass Verletzung subjektiven Rechts mangelt, ist entgegen-
dem Betroffenen eine selbständig durchsetzbare verfah- zuhalten, dass dem Wortlaut nach nur die Aufhebung
rensrechtliche Rechtsposition gewährt wird. Zu den abso- »nicht beansprucht« werden kann und § 113 I 1 VwGO
luten Verfahrensfehlern zählt z. B. ein Verstoß gegen das keine subjektiven Rechte begründet, sondern diese vo-
Recht der Gemeinde auf Herstellung des Einvernehmens raussetzt.77 Im Übrigen ist es der Behörde nicht verwehrt,
aus § 36 BauGB.71 Ebenso können fehlende Beschlüsse von den rechtswidrigen Verwaltungsakt gemäß § 48 VwVfG
Gremien, denen die materielle Entscheidung gesetzlich
zugewiesen ist, absolute Verfahrensfehler begründen.72
Dasselbe gilt, wenn es bei der Umweltverträglichkeitsprü- 73 Vgl Pünder (Fn 2), § 15 Rn 58. So auch die EU-Kommission (Fn 65),
13. Das BVerwG geht demgegenüber davon aus, dass Fehler im Anhö-
fung zu schweren Fehlern kommt, etwa weil die Öffentlich-
rungsverfahren keinen solchen Schweregrad aufweisen (NVwZ 2014,
keit einschließlich der Umweltverbände nicht beteiligt 730 Rn 19, 34).
74 Vgl etwa Burgi/Durner (Fn 32), 181 f; Pünder (Fn 2), § 15 Rn 29.
75 Näher – auch zu Einschränkungen – Pünder (Fn 2), § 15 Rn 35.
69 Siehe auch Guckelberger JuS 2011, 577, 582. 76 AA Kopp/Ramsauer (Fn 68), § 46 Rn 47 (mit der Begründung,
70 Vgl BVerwGE 141, 171 Rn 17; 141, 282 Rn 34, BVerwG NVwZ 2014, dass der Ausschluss des Primärrechtsschutzes den Ausschluss des
669 Rn 41. Zu Verfahrensfehlern bei der UVP EuGH NVwZ 2014, 49 ff – Sekundärrechtschutzes nach sich ziehen müsse).
Altrip, sowie Pünder (Fn 2), § 15 Rn 58. 77 AA BVerwGE 65, 287, 289 f (v Mutius JK VwVfG § 46/1); DVBl 1981,
71 Vgl BayVGH NVwZ-RR 1991, 523. 683, 685; Ehlers Die Verwaltung 37 (2004) 255, 265. Wie hier Kopp/
72 VG Bln Urt v 19. 06. 2012, Az: 27 A 70.08, juris Rn 25. Schenke (Fn 14), § 113 Rn 55.

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auch dann zurückzunehmen, wenn der Anspruch auf Auf- IV. Keine selbständige gerichtliche
hebung nach § 46 VwVfG ausgeschlossen ist. Dies folgt
schon daraus, dass sich die Vorschrift allein gegen den
Geltendmachung von
Betroffenen, nicht aber gegen die Behörde wendet. Frei- Verfahrensfehlern
lich ist im Rahmen des Rücknahmeermessens zu berück-
sichtigen, ob die Behörde nicht wegen rechtlicher Alterna- Begeht die Behörde einen Verfahrensfehler, kann der Be-
tivlosigkeit gezwungen ist, den Verwaltungsakt erneut zu troffene hiergegen regelmäßig nicht unmittelbar vor-
erlassen. gehen. Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshand-
lungen können gemäß § 44 a S 1 VwGO nur gleichzeitig mit
Im Beispielsfall geht das BVerwG unmittelbar auf § 46 VwVfG den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehel-
ein, nachdem es festgestellt hat, dass der Anhörungsmangel fen geltend gemacht werden. Dagegen ist verfassungs-
nicht gemäß § 45 I Nr 3, II VwVfG geheilt worden ist. Dieses rechtlich nichts einzuwenden. Die Regelung verhindert,
Vorgehen empfiehlt sich bei studentischen Fallbearbeitungen
dass Verwaltungsverfahren durch einen isolierten Rechts-
nicht. Vielmehr ist der Ausschluss des Aufhebungsanspruchs –
wie oben gezeigt − erst dann zu erörtern, wenn festgestellt wur- streit über Verfahrensfehler verzögert werden.78 Dies ist
de, dass der Verwaltungsakt materiell rechtmäßig ist (was beim ein Gedanke, den auch das Unionsrecht kennt.79 Der Effek-
Schulbetretungsverbot in der Gerichtsentscheidung nicht der tivität der Verwaltung wird Vorrang vor der Sicherung
Fall war). Dabei kann § 46 VwVfG nach hier vertretener Auffas- eines korrekten Verfahrensablaufs eingeräumt. Allerdings
sung nichts an der formellen Rechtsverletzung des Klägers än-
wird gleichzeitig die Bestandskraft verfahrensgestaltender
dern. Deswegen sollte die Anwendung der Vorschrift unter der
Überschrift »Ausschluss des Aufhebungsanspruchs wegen allein
Verwaltungsakte hinausgeschoben.80 Dies kann für die
formeller Rechtswidrigkeit?« geprüft werden, nachdem fest- Behörde oder Entscheidungsbegünstigte durchaus nach-
gestellt wurde, dass der Verwaltungsakt zwar materiell recht- teilig sein.
mäßig, aber formell rechtswidrig war und den Kläger dadurch in
seinen Rechten verletzt hat.

1. Grundsätzliche Inzidentkontrolle von


Richtig hat das BVerwG allerdings erkannt, dass kein Anwen-
dungsfall des § 46 VwVfG vorliegt. Dafür hätte es offensichtlich Verfahrensfehlern
gewesen sein müssen, dass die Verletzung des § 28 I VwVfG
die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Wie ge- Der Gesetzgeber will sicherstellen, dass die Fehlerhaftig-
zeigt, kann § 46 VwVfG hier schon deshalb nicht angewandt keit eine Verfahrenshandlung nur in einem Verfahren
werden, weil § 28 I 1 Alt 1 IfSG der Behörde hinsichtlich der geltend gemacht werden kann, in dem zugleich gegen die
Schutzmaßnahme ein Ermessen einräumt und keine »Ermes-
abschließende Sachentscheidung vorgegangen wird. Ver-
sensreduzierung auf Null« vorlag. Das Gericht stellt eine »hy-
pothetische Betrachtung« an. Der Kläger hatte vor Gericht fahrensfehler sollen regelmäßig nur inzident gerichtlich
geltend gemacht, dass er weder das Gelände der Grundschule kontrolliert werden. Wenn die Behörde in der Sache noch
betreten habe noch auf seinem Schulweg an der Grundschule nicht entschieden hat, sind Widersprüche und Klagen un-
vorbei gehe oder den Bus nutze; es bestünden auch keine zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.81 Das gilt auch
privaten Kontakte zu erkrankten Grundschülern. Es liegt nahe,
für vorläufige Rechtsbehelfe.82 Zwar sind die damit verbun-
dass er bzw seine Erziehungsberechtigten dies im Rahmen
einer Anhörung gleichermaßen vorgetragen hätten. Die Äuße-
denen Verfahrensverzögerungen gering, jedoch darf vor-
rung wäre auch objektiv geeignet gewesen, die Entscheidung läufig nichts gewährt werden, was nicht auch im Klage-
der Beklagten über das Verbot zur Betretung der Gesamtschule verfahren zugesprochen werden könnte. Zudem spricht
zu beeinflussen. die systematische Einordnung der Regelung als allgemei-
ne Sachentscheidungsvoraussetzung für einen Aus-
Ob § 46 VwVfG außer bei Anfechtungsklagen auch Anwendung
schluss von Anträgen nach §§ 80 V, 123 VwGO. Darüber
findet, wenn wie hier die Feststellung der Rechtswidrigkeit
hinaus ist zu beachten, dass der Wortlaut der Vorschrift
eines erledigten Verwaltungsaktes nach § 113 I 4 VwGO begehrt
wird, hat das Gericht ausdrücklich offen gelassen, aber betont, kein anhängiges Verwaltungsverfahren voraussetzt. Da
dass hierfür »einiges spricht«. Nach hier vertretener Auffassung
ist dies nicht der Fall. Im Ergebnis hat das Gericht der Klage
stattgegeben, da der Kläger durch das formell und materiell 78 Vgl BT-Drs 7/910, 97.
rechtswidrige Betretungsverbot in seinen Rechten verletzt wur- 79 Vgl Terhechte in: Fehling/Kastner/Störmer, VwR, 3. Aufl 2013,
de. § 44 a Rn 9 f.
80 Siehe Ehlers Die Verwaltung 37 (2004) 255, 266.
81 Vgl Hufen/Siegel (Fn 15), Rn 993.
82 Vgl OVG NRW DVBl 1980, 964 (v Mutius JK VwGO § 44a/3); VGH
Bay NVwZ 1988, 1054 (Erichsen JK VwGO § 44a/5).

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Repetitorium ÖR – Hermann Pünder: Die Folgen von Fehlern im Verwaltungsverfahren 1317

gesonderte Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen 2. Ausnahmsweise zulässige Rechtsbehelfe


vermieden werden sollen, gilt § 44 a VwGO auch, wenn gegen Verfahrenshandlungen
der Rechtsbehelf nach einem abgeschlossenen und im
Rahmen eines zukünftigen Verwaltungsverfahrens er- Ein isolierter Rechtsbehelf ist gemäß § 44 a S 2 VwGO aller-
hoben wird.83 dings möglich, wenn die Verfahrenshandlung gegen den
Problematisch ist das Zusammenspiel von § 44 a Willen des Betroffenen »vollstreckt« werden kann90 oder
VwGO mit § 46 VwVfG: Ein Verfahrensfehler bleibt ohne gegen einen »Nichtbeteiligten« (vgl § 13 I VwVfG) ergeht.91
Sanktion, wenn ein selbständiger gerichtlicher Rechts- Insbesondere ist gegen die Ablehnung einer Hinzuziehung
behelf unzulässig ist und auch die Aufhebung des gemäß § 13 I Nr 4, II VwVfG unmittelbar die Verpflichtungs-
Verwaltungsaktes nicht beansprucht werden kann. Wenn- klage statthaft, da der Betroffene ohne Hinzuziehungsent-
gleich diese Rechtsfolge verfassungsrechtlich hinzuneh- scheidung der Behörde am Verfahren nicht »beteiligt« ist.92
men ist,84 zeigt sich doch, dass das Verbot der selbststän- Darüber hinaus verlangt eine verfassungskonforme Aus-
digen Geltendmachung von Verfahrensfehlern restriktiv legung, dass der Betroffene gegen eine Verfahrenshand-
zu handhaben ist, wenn die Verfahrensvorgaben verfas- lung auch dann unmittelbar vorgehen kann, wenn die Rüge
sungsrechtlich verwurzelt sind. Auch deswegen ist der im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die Sachentscheidung
Rechtsgedanke des § 44 a VwGO nicht auf finanz- oder zu spät käme und dadurch ein Recht des Betroffenen ver-
sozialgerichtliche Verfahren anwendbar, in denen es an eitelt oder wesentlich erschwert werden würde.93 Von vorn-
einer entsprechenden Regelung fehlt.85 Sonst bezieht sich herein ausgeschlossen ist die Anwendung des § 44 a VwGO
§ 44 a VwGO aber auf alle Verwaltungsverfahren iSv § 9 bei Verfahrenshandlungen, die unabhängig von einem
VwVfG, formlose (§ 10 VwVfG) oder förmliche Verwal- Verwaltungsverfahren vorgenommen werden. Das gilt z. B.
tungsverfahren (§ 63 ff VwVfG), Planfeststellungsverfah- für die neueren Informationsansprüche.94
ren (§§ 72 ff VwVfG) und Widerspruchsverfahren (§§ 79 f
VwVfG i. V. m. § 68 ff VwGO).86 Allerdings sind nur Verfah- Im Beispielsfall stellt sich das Problem der Anwendung von § 44 a
ren zum Erlass eines Verwaltungsaktes gemeint.87 Aus- VwGO nicht, da der Kläger gegen das Schulbetretungsverbot
genommen sind öffentlich-rechtliche Verträge, aber auch vorgegangen ist. Dass er vorher nicht gemäß § 28 I VwVfG ange-
hört wurde, hätte er vor Gericht nicht isoliert geltend machen
Realakte, Rechtsverordnungen und Satzungen. Eine ana-
können.
loge Anwendung der Ausnahmebestimmung, die Art 19 IV
GG berühren würde, scheidet aus. Zu den Verfahrenshand-
lungen, die nicht isoliert angegriffen werden können, zäh- V. Rechtsvergleichende Hinweise
len alle im Laufe eines Verwaltungsverfahrens von der
Behörde ergriffenen Maßnahmen, soweit sie das Verfahren Die Frage, was mit Verwaltungsakten geschehen soll, die
nicht abschließen.88 Vor allem ist an mögliche Verstöße »bloß« formell rechtswidrig sind, weil sie an einem Ver-
gegen Befangenheitsvorschriften (§§ 20 f VwVfG), den Un- fahrensfehler leiden, stellt sich in jeder Rechtsordnung.
tersuchungsgrundsatz (§ 24 VwVfG), Beratungs- und Aus- Auf das europäische Unionsrecht wurde bereits en passant
kunftspflichten (§ 25 VwVfG), die Anhörungspflicht (§ 28 eingegangen. Das deutsche Recht beruht auf der Über-
VwVfG) und das Akteneinsichtsrecht (§ 29 VwVfG) zu den- legung, dass es vornehmlich auf die materiell »richtige«
ken.89 Entscheidung ankommt. Der Weg dorthin und die Form der
Entscheidung werden als nachrangig angesehen. Diese
rechtspolitische Einschätzung steht insbesondere dem
amerikanischen Rechtsverständnis diametral entgegen.95 Es

83 Vgl OVG NRW DVBl 2000, 572, 573; Schenke (Fn 43), Rn 566; aA
VG Berlin NVwZ 1982, 576, 577. 90 Vgl BVerwGE 115, 373, 378 ff.
84 Vgl BVerwG NJW 1982, 120 (v Mutius JK VwGO § 44a/4). 91 Zu den Beteiligten kraft Gesetzes und den »Hinzugezogenen«
85 Wie hier Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl 2014, § 44 a Pünder (Fn 2), § 14 Rn 10 ff. Zur Frage, ob auch Einwender im atom-
Rn 7. AA Stelkens in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 44 a Rn 7; rechtlichen Genehmigungsverfahren erfasst werden, BayVGH NVwZ
Kopp/Schenke (Fn 14), § 44 a Rn 3. 1988, 1054 (Erichsen JK VwGO § 44a/5).
86 Vgl BVerwG NJW 1982, 120 (v Mutius JK VwGO § 44a/4). 92 Pünder (Fn 2), § 14 Rn 13.
87 Vgl Stelkens (Fn 85), § 44 a Rn 9 ff (mit Nachweise auch zur Gegen- 93 Vgl BVerwG NVwZ-RR 1993, 252 f.
auffassung). 94 Dazu etwa Pünder (Fn 2), § 14 Rn 49.
88 Beispiele bei Kopp/Schenke (Fn 14), § 44 a Rn 5. 95 Pünder (Fn 2), § 13 Rn 31 f. Zur exekutiven Normsetzung ders Exe-
89 Vgl Pünder (Fn 2), § 14 Rn 9 (zur Befangenheit), Rn 39 (Anhö- kutive Normsetzung in den Vereinigten Staaten von Amerika und der
rung), Rn 46 (Akteneinsicht), Rn 52 (Beratung und Auskunft). Bundesrepublik Deutschland, 1995. Im Vergleich zu England im Hin-

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ist ein Charakteristikum des amerikanischen Rechts, dass se muss man bei einem genaueren Blick auf andere
es Gerechtigkeit vor allem im Verfahren sucht. Rechts- Rechtsordnungen relativeren.97 Einerseits können sich un-
schutz wird weniger durch materiell-rechtliche, sondern sere Verfahrensvorgaben – selbst im Rechtsvergleich zu
mehr durch prozedurale Anforderungen an die Ausübung den USA, aber auch etwa zu England und Frankreich98 –
der exekutiven Entscheidungsbefugnisse verwirklicht. Die durchaus sehen lassen. Andererseits finden sich auch
Unterschiede setzen sich in der gerichtlichen Kontrolle fort. in den anderen Rechtsordnungen funktionale Äquivalen-
Während deutsche Gerichte in erster Linie prüfen, ob sich te zu unseren Fehlerfolgeregelungen. Im Übrigen gilt für
die Behörde inhaltlich im Rahmen von Verfassung und das Verhältnis der formellen zur materiellen Recht-
Ermächtigungsnorm gehalten haben, ist in den USA die mäßigkeit das, was Rainer Wahl auf den Punkt gebracht
Kontrolle der inhaltlichen Rechtmäßigkeit vergleichsweise hat: »Man kann die Kontrolle nicht auf beiden Seiten
unergiebig. Weil es in den Ermächtigungsnormen vielfach maximieren, sowohl beim Verfahren wie beim materiel-
kaum materielle Anforderungen gibt, müssen sich die Ge- len Recht, jedenfalls tut dies keine Rechtsordnung der
richte auf die strikte Kontrolle des Verfahrens beschränken. Welt.«99
In rechtsvergleichender Perspektive wird die deut-
sche Rechtsordnung häufig – vor allem mit Blick auf die
USA – kritisiert. Vorgebracht wird, dass wir das Verwal-
tungsverfahren allzu gering schätzen.96 Diese Sichtwei- of Public Law in Germany and the United States, 1995. Für weitere
siehe Nachweise Pünder International Journal of Constitutional Law
2013, 940, 941 Fn 5.
blick auf das Demokratieprinzip ders International and Comparative 97 Vgl etwa Fehling VVDStRL 70 (2011), 278 ff.; Pünder International
Law Quarterly 58 (2009), 353 ff. Journal of Constitutional Law 2013, 940, 949 ff.
96 Vgl vor allem Scharpf Die politischen Kosten des Rechtsstaats, 98 Pünder (Fn 2), § 13 Rn 27 f.
1970; Rose-Ackermann Controlling Environmental Policy: The Limits 99 Wahl DVBl 2003, 1285, 1291.

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