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Lirim Selmani

5. Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des


Arabischen im Islam
Abstract: Der Beitrag thematisiert die Bedeutung der Sprache im Allgemeinen und
die des Arabischen im Besonderen für die Religion des Islams. In keiner anderen
Buchreligion ist die Offenbarungssprache mit der Offenbarung so eng verbunden
wie im Islam. Die Sprache des Korans ist nicht nur Medium, sondern auch konstitu-
tiver Teil der Offenbarung. Die islamische Tradition deklariert die Sprache des Ko-
rans zum Beweis seines göttlichen Ursprungs. Hieraus erwächst die theologische
Lehre der Unnachahmlichkeit des Korans. Die arabische Sprache wird von muslimi-
schen Gelehrten zu einer vollkommenen Sprache erklärt, die eine herausragende
Stellung im kollektiven Bewusstsein der Muslime einnimmt.

1 Sprache im Islam
2 Arabisch im Alltag der Muslime
3 Ausblick: Arabisch als vollkommene Sprache
4 Literatur

1 Sprache im Islam
Wol eine Zauberkraft muß seyn in dem, woran
Bezaubert eine Welt so hängt wie am Koran.
(Friedrich Rückert, 1838, zit. n. Bobzin 2001, VII)

1.1 Hinführung
Religiöse Sprache ist das Medium von Verkündigungen göttlicher Botschaften vor
dem Hintergrund einer Bindung (,re-ligio‘). Sie ist die Kommunikationsform, mittels
derer sich der Verkünder an seine Umwelt richtet, ohne die er nicht verkünden
könnte. Der Verkündigungsprozess ist ein Prozess des Wissenstransfers. Transferiert
wird ein transzendentes, nicht allgemein zugängliches, verfügbares Wissen (vgl.
zum Zusammenhang von Verkündigung und Transzendenz Lasch in diesem Band):
Der Verkünder nimmt für sich in Anspruch, der Übermittler von Inhalten übernatür-
lichen Ursprungs zu sein. Diesen Transfer realisiert Sprache. Der Wissenstransfer ist
eine essentielle Funktion der Sprache. Im Moment der Konstitution einer Religion
(und darüber hinaus) kommt Sprache eine tragende Rolle zu. Religion ohne Sprache
ist nicht denkbar.
Mit dem Islam liegt ein besonderer Fall vor: In keiner anderen Religion ist die
Offenbarung mit ihrer sprachlichen Form so eng verbunden wie im Islam. Sprache

DOI 10.1515/9783110296297-006
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ist nicht nur das Medium, durch das der Verkünder verkündet, sondern sie ist auch
ein erheblicher Teil der Offenbarung. Sie ist Authentizitätsbeweis der göttlichen
Botschaft. Der Inhalt der Botschaft ist gebunden an seine sprachliche Form. Über
die Form wird die Bedeutung der Offenbarung erschlossen.
Propheten können – neben der Verkündigung göttlicher Visionen, deren Wahr-
heit sich in der Wirklichkeit bestätigen kann – auch Wunder bewirken, die ihre
Prophetie beglaubigen. Das Wunder des Propheten Muhammad ist der Koran. So
reiht sich der Prophet in die Reihe vorangegangener Boten Gottes ein. Nicht nur der
Inhalt des Korans stellt ein Wunder dar, sondern auch seine sprachliche Form. Die-
ses Wunder gewinnt an Konturen, wenn man bedenkt, dass der Prophet der musli-
mischen Tradition zufolge ein Analphabet ist. Ein des Lesens und Schreibens Un-
kundiger könne nicht ein solches sprachliches Meisterwerk hervorbringen – so die
einhellige Meinung der muslimischen Apologeten (Abschnitt 1.3.1).
Der Koran fordert an mehreren Stellen die sprachgewandten heidnischen Ara-
ber dazu auf, etwas dem Koran Ebenbürtiges vorzubringen, wenn sie nicht Gott als
Quelle dieser Verkündigung anerkennen wollen. Der Verkünder begegnet seinen
Gegnern auf sprachlicher Augenhöhe. Aus diesem Grund wird er für einen Dichter –
von denen es damals viele gab und die vor einem Publikum mündlich ihre Gedichte
vortrugen – gehalten, was der Koran aber vehement zurückweist. Der Prophet ist
kein Dichter, die Verkündigung keine Dichtung, keine Fiktion. Muhammad ist der
Gesandte Gottes, der Koran Gottes Wort an die Menschheit (Abschnitt 1.3.3). Da die
heidnischen Meister der Rhetorik den vom Koran geforderten sprachlichen Wett-
streit nicht antreten (weil sie den Koran nicht übertreffen können), gelten sie als
widerlegt. Der Verkünder schlägt sie mit ihren ureigenen Waffen: mit Sprache.
Die muslimische Tradition berichtet von zahlreichen Bekehrungen der Zeit-
genossen Muhammads, die von der sprachlichen Schönheit des Korans überwältigt
werden und auf der Stelle zum Islam konvertieren, darunter auch berühmte Dichter.
Solche Beispiele machen deutlich, welche Sogwirkung von der damaligen Rezitati-
on des Korans ausgehen muss – ein Faszinosum. Die Ästhetik, die Form, durch die
Gott sich entäußert, erzwingt die Konversion. Hieraus erwächst später die theologi-
sche Lehre der Unnachahmlichkeit des Korans, womit auch das Prinzip seiner Un-
übersetzbarkeit einhergeht. Die Unnachahmlichkeit ist Untersuchungsgegenstand
eines selbständigen Zweigs der Koranwissenschaft. Die muslimischen Theologen
kommen zu dem Ergebnis, der Koran stelle ein unerreichtes sprachliches Meister-
werk dar. Diese Schlussfolgerung lässt allein Gott als Urheber zu (Abschnitt 1.3.1).
Der Koran referiert wie selbstverständlich auf seine Verkündigungssprache,
bleibt aber genau in dieser Hinsicht Ausnahmeerscheinung. In mehreren Suren
kommt zum Ausdruck, dass er in arabischer Sprache offenbart ist. Das Arabische
wird mit Attributen wie klar oder deutlich qualifiziert. Offenbarung und Sprache
sind hier unauflösbar miteinander verbunden (Abschnitt 1.3.4).
Führt man sich die von der muslimischen Tradition kultivierte Lehre der Un-
nachahmlichkeit und das Insistieren des Korans auf seiner Verkündigungssprache
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vor Augen, wird deutlich, welchen hohen Stellenwert die Sprache der Offenbarung,
das Arabische, im alltäglichen Leben der Muslime einnimmt. Das tägliche Gebet
wird in arabischer Sprache abgehalten. Versuche, die jeweilige Muttersprache der
Gläubigen als Gebetssprache zu etablieren, scheiterten. Das rigorose Festhalten am
Arabischen als Gebetssprache liegt in der Befürchtung begründet, die Verkündi-
gung zu deformieren, denn Form und Inhalt der Offenbarung sind unzertrennlich.
Im Gebet wird die Offenbarungssituation vergegenwärtigt, und das kann nur in der
Sprache des Verkünders erfolgen. So hat sich das Arabische als Sprache der liturgi-
schen Praxis durchgesetzt. Von Seiten der nichtarabischen Muslime wurden dage-
gen kaum Einwände formuliert. Arabischkenntnisse sind für sie Teil ihrer muslimi-
schen Identität (Abschnitt 2.2).
Das Arabische findet aber auch in anderen Bereichen des Alltags Eingang. Ara-
bische wie nichtarabische Muslime bedienen sich des koranischen Vokabulars. Am
deutlichsten ist das an der Bezeichnung für Gott zu sehen: Alle Muslime nennen
Gott Allah (der Gott). Obwohl theologisch gegen eine einzelsprachliche Bezeichnung
nichts einzuwenden ist, gilt sie unter (arabischen wie nichtarabischen) Muslimen
als verpönt (Abschnitt 2.3).
Das Arabische ist die Sprache des Korans und damit des Gebets und durch-
dringt den Alltag der Muslime. Für einige Theologen ist es die Ursprache. Andere
wiederum glauben, dass im Paradies Arabisch gesprochen wird. Muslimische Apo-
logeten attestieren dem Arabischen immer wieder eine besondere Eignung als Of-
fenbarungssprache, indem sie Vorzüge des Arabischen auflisten. Nicht wenige se-
hen im Arabischen die vollkommene Sprache realisiert (Abschnitt 3.2). Dies hat eine
bis in die Gegenwart hineinreichende folgenschwere Konsequenz: die Konservie-
rung des klassischen Hocharabisch. Diese Formkonstanz verschärft den Dualismus
zwischen Hoch- und Umgangssprache (Abschnitt 3.3).
Wird in diesem Artikel auf den Koran zugegriffen, werden überwiegend die
Übersetzungen von Bobzin, Henning, Paret und Zirker herangezogen, weil sie in der
Islamwissenschaft als philologisch zuverlässig gelten. Die Übersetzung von Rückert
wird vor allem dann zitiert, wenn die Poetizität des Korans nachempfunden werden
soll. Zu beachten ist weiter, dass die Verszählung der Übersetzungen nicht immer
dem arabischen Original folgt.

1.2 Islam als Institution


Berger/Luckmann (2001) fassen den Begriff der Institution weiter als die soziologi-
sche Forschung. Essentiell für Institutionalisierung sind „Habitualisierung“ und
„Typisierung“:

Institutionalisierung findet statt, sobald habitualisierte Handlungen durch Typen von Han-
delnden reziprok typisiert werden. Jede Typisierung, die auf diese Weise vorgenommen wird,
ist eine Institution. (Berger/Luckmann 2001, 58)
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Darüber hinaus haben Institutionen eine Kontrollfunktion inne, sie kontrollieren


das menschliche Verhalten (vgl. Berger/Luckmann 2001, 58). Da solche Prozesse
auch bei der Konstitution von Religionen zu beobachten sind, stellen Religionen
Institutionen dar. Der Islam ist eine soziale, politische und wirtschaftliche (in histo-
rischen Zeiten auch eine militärische) Institution, die sich durch die Tradierung
einer prophetischen Offenbarung und Tradition konsolidiert und Ordnung, eine
gesellschaftliche Wirklichkeit, stiftet.
Gründungsurkunde und „fundamentalste Quelle“ (Arkoun 1999, 90) des Islams
ist der Koran (,das Vorzutragende, die Lesung, die Rezitation‘), der Muslimen als
Rede Gottes (kalam allah) gilt. Der Koran wird – so die muslimische Tradition – im
Laufe von 23 Jahren (zwischen 610 und 632) Muhammad sukzessive offenbart
(wahy). Es ist der Engel Gabriel (dschibril), der als Teil der transzendenten Sphäre
die himmlische Botschaft (risala) dem Propheten als Teil der menschlichen Welt
mitteilt. Gabriel richtet sich mit diesen Worten an Muhammad (dies stellt den ersten
Kontakt Muhammads mit der transzendenten Welt dar, die seine Verkündigung
autorisiert):

Lis im Namen deines Herrn der schuf, Den Menschen schuf aus zähem Blut. Lis, dein Herr ists
der dich erkohr, Der unterwies mit dem Schreiberohr; Den Menschen unterwies er In dem was
er nicht weiß zuvor. (Koran 96:1–5, übers. von Rückert)

Der Prophet ist die charismatische Mittlerfigur (vgl. Steen in diesem Band), der die
Kommunikation zwischen diesen Welten erst ermöglicht. Der Prophet hat eine
nicht-institutionalisierte Rolle (vgl. Lasch/Liebert 2015, 479, 482). Die wichtigste
Handlung, die von Propheten ausgeht, ist die Verkündigung (vgl. Ebert in diesem
Band), die ein kommunikatives Muster darstellt, das transzendentes, göttliches
Wissen durch menschliche Sprache und menschliches Handeln für das Umfeld
veranschaulicht (vgl. Lasch/Liebert 2015, 482).
Die mekkanische Obrigkeit fürchtet seine revolutionäre Verkündigung – Mu-
hammad predigt einen Eingottglauben in einer polytheistischen Welt – und zwingt
ihn und seine Anhänger zur Auswanderung (hidschra) nach Medina (622) – der
Beginn der islamischen Zeitrechnung. In Medina wird ein islamischer Staat gegrün-
det und die Position der „muslimischen Nation“ (umma) konsolidiert. Gegen 630
wird Mekka kampflos eingenommen (zu Muhammad im Detail Bobzin 2011; Paret
2008; Ibn Ishaq 2011; at-Tabari 1988).
Den Kern der koranischen Botschaft bildet die Einheit und Einzigkeit (tauhid)
Gottes – der Islam ist wie (das Judentum und Christentum auch) eine monotheisti-
sche Religion. In der 112. Sure, dem „Manifest des Monotheismus“ (Halm 2011, 62),
wird das Wesen Gottes geschildert (nach Rückert):

Sprich: Gott ist Einer; Ein ewig reiner, Hat nicht gezeugt und ihn gezeugt hat keiner, Und nicht
ihm gleich ist einer.
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Der Imperativ sprich (qul), ein im Koran häufig eingesetztes Sprachmittel, soll deut-
lich machen, dass es sich nicht um das Wort Muhammads handelt. Die Rede geht
nicht vom ihm aus, er ist Empfänger und spricht das Wort Gottes nur nach, er ist
also nur Sprachrohr. In den deutschen Übersetzungen wird zwischen den Formen
sprich und sag gewechselt, weil vermutlich hier Synonymie angenommen wird. Hier
müsste man konsequent den arabischen Imperativ qul mit sag übersetzen. Denn in
dem unterschiedlichen Valenzverhalten der deutschen Verben sagen und sprechen
wird ein Bedeutungsunterschied manifest. Mit sprechen kann auf den Sprechvor-
gang Bezug genommen werden, wobei dann kein Objekt verlangt wird. Anders ver-
hält sich das Verb sagen, das eine Fixierung des Objekts erzwingt. Sag fokussiert
das, was gesagt werden, was folgen soll. Mit dem Imperativ wird Muhammad, der
Adressat der Sprechhandlung, unmittelbar gelenkt. Die unmittelbare Lenkung im-
pliziert die Anwesenheit des Adressaten, der zu einer Handlung initiiert wird.
Für das Muslimsein ist der Glaube an die Existenz und die Einzigkeit Gottes
konstitutiv. Polytheismus (shirk) stellt die größte Sünde dar, wie man dem Koran
entnehmen kann:

Siehe, Allah vergibt nicht, daß man Ihm Götter beigesellt; doch verzeiht Er, was außer diesem
ist, wem Er will. Und wer Allah Götter beigesellt, der hat eine gewaltige Sünde ersonnen. (Ko-
ran 4:48, übers. von Henning)

Des Weiteren macht den Islam (neben dem Glauben an Gott) der Glaube an die Ge-
sandtschaft (nubuwa) Muhammads, an den Koran, an die vorangegangenen Offen-
barungen und Propheten, an die Engel und den Jüngsten Tag (das Leben nach dem
Tod) aus. Diese „institutionellen Vorschriften“ (Berger/Luckmann 2001, 67) gehen
aus dem Koran hervor und sind als göttliche Anweisungen zu sehen:

O ihr, die ihr glaubt, glaubet an Allah und Seinen Gesandten und an das Buch, das er auf Sei-
nen Gesandten herabgesandt hat, und die Schrift, die Er zuvor herabkommen ließ. Wer nicht
glaubt an Allah und Seine Engel und die Schriften und Seine Gesandten und an den Jüngsten
Tag, der ist weit abgeirrt. (Koran 4:136, übers. von Henning)

Dieser Vers verdeutlicht zudem, dass der Koran die ihm vorausgegangenen Offenba-
rungen (AT, NT) als göttlichen Ursprungs charakterisiert; sie entspringen also der-
selben Quelle wie der Koran. Der Islam ist danach keine neue Religion, „sondern er
ist genau dieselbe Botschaft, die von allen Propheten seit der Erschaffung der Welt
gepredigt wurde“ (Abu Zaid 2008, 129):

Siehe, Wir haben dir [Muhammad, L. S.] Offenbarung gegeben, wie Wir Noah Offenbarung ga-
ben und den Propheten nach ihm, und Offenbarung gaben wir Abraham und Ismael und Isaak
und Jakob, und den Stämmen (Israels) und Jesus und Hiob und Jonas und Aaron und Salomo;
und wir gaben David den Psalter. (Koran 4:163, übers. von Henning)
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Der Islam versteht sich als eine Bestätigung und Vervollständigung der vorange-
gangenen monotheistischen Religionen (vgl. dazu auch Lasch in diesem Band).
Muhammad kommt hierbei eine zentrale Rolle zu. Er schließt die Reihe der Prophe-
ten Gottes ab, er ist das „Siegel der Propheten“ (khatam an-nabiyyin) (vgl. dazu
Rubin 2014). Dass Muhammad der letzte aller von Gott entsandten Propheten ist, ist
ein zentrales islamologisches Prädikat. Im Koran heißt es:

Muhammad ist nicht der Vater von (irgend)einem eurer Männer (auch wenn dieser sein
Nennsohn ist). Er ist vielmehr der Gesandte Gottes und das Siegel der Propheten (d. h. der Be-
glaubiger der früheren Propheten, oder der letzte der Prophten). Gott weiß über alles Bescheid.
(Koran 33:40, übers. von Paret)

Das Verbalsubstantiv Islam bedeutet ,Hingabe an Gott‘, Muslim ist dann ,der sich
Gott Hingebende‘. Wer sich Gott hingibt und Gutes tut, den erwartet Lohn bei Gott:

Gewiss doch! Wer sein Gesicht Gott zuwendet und dabei das Gute tut, der bekommt seinen
Lohn bei seinem Herrn. Sie [die Muslime, L. S.] befällt nicht Furcht und sie sind nicht traurig.
(Koran 2:112, übers. von Zirker)

Der Koran wird ursprünglich mündlich vorgetragen (vor allem in der liturgischen
Praxis der Gemeinde) und memoriert – dafür spricht die sprachliche Struktur des
Korans. Kurze Zeit nach dem Tod des Propheten, unter Initiative des 3. Kalifen Uth-
man (644–656), wird der Koran schriftlich fixiert, wie von der muslimischen Traditi-
on berichtet wird (vgl. ausführlicher Neuwirth 2010a, 235ff., Bell 1977, 40ff.).
Neben dem Koran gibt es eine zweite Quelle der islamischen Religion: die
Sunna, die prophetische Tradition, die durch die Aussprüche und die Taten des
Propheten (hadithe) überliefert ist (vgl. ausführlicher Halm 2011, 40ff., Arkoun 1999,
90ff.). Der Koran empfiehlt den Muslimen, dem Beispiel des Propheten zu folgen –
das kann auch als Motivation der Hadithsammlung gesehen werden:

Ihr habt an Gottes Gesandtem ein schönes Vorbild – wer immer Gott und den Jüngsten Tag er-
wartet und Gottes viel gedenkt. (Koran 33:21, übers. von Zirker)

Die getreue Nachahmung des Propheten gilt im Islam als besonders verdienstvoll.
Die Worte und Taten des Propheten werden

von seinen Gefährten und nachfolgenden Anhängern befolgt, getreulich gesammelt und über-
liefert, wodurch im Laufe der Zeit für jede Äußerung eine Kette von Zeugen (isnad) entstand,
welche die Echtheit der berichteten Reden (matn) garantierte. Daher wurde dann nach dem
Tod des Propheten leidenschaftlich nach solchen hadithen gesucht, um sie zu sammeln und,
wie es mit dem Koran geschehen war, schriftlich niederzulegen. (Arkoun 1999, 90)

Der bekannteste Sammler ist al-Bukhari (810–870). Auch von der Sunna gehen „in-
stitutionelle Vorschriften“ aus. Im weiteren Sinne ist die Sunna die Interpretation
des Korans (ausführlicher Leaman 2008b). Das, was nicht deutlich aus dem Koran
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 115

hervorgeht, wird mit der Sunna aufgelöst, z. B. wird im Koran nicht gesagt, wie das
den Muslimen auferlegte Gebet genau zu verrichten ist. Al-Bukhari überliefert, dass
der Prophet sagt: „Betet, wie ihr mich beten gesehen habt“ (vgl. Ramadan 2001, 36,
ausführlicher zum Gebet al-Bukhari 2013, 94ff.). Auch die so genannten „fünf Säu-
len des Islams“ (arkan ad-din) werden nicht explizit als solche im Koran genannt,
obgleich sie im Koran Erwähnung finden (vgl. im Detail Halm 2011, 62ff.). So berich-
tet al-Bukhari:

Ibn Umar berichtet, der Gesandte Gottes (S [das S steht für ,Friede und Segen seien auf ihm‘;
diesen Segensspruch (Eulogie) sprechen Muslime bei der Erwähnung des Propheten, L. S.])
habe gesagt:

Der Islam basiert auf fünf grundlegenden Pflichten: Dem Glaubensbekenntnis – „Es gibt kei-
nen Gott außer Gott, und Muhammad ist der Gesandte Gottes“ –, dem Gebet, der gesetzlichen
Abgabe [Armensteuer, L. S.], der Wallfahrt [Pilgerfahrt nach Mekka, L. S.] sowie dem Fasten im
Ramadan [Fastenmonat, L. S.]. (al-Bukhari 2013, 33)

Der Islam kennt keine kirchenähnlichen, weltumspannenden Strukturen. Die Insti-


tution Moschee ist keine Organisation, die das Leben der Muslime zentralistisch
regelt, sondern Ort der Verehrung, des kollektiven Gebets. Auch gibt es kein Pries-
teramt (wie etwa im Christentum), es gibt also keinen Akt der Vermittlung im Islam.
Der Muslim „tritt im Gebet, auf der Pilgerreise (hadsch) nach Mekka [...] in eine di-
rekte Beziehung zu Gott“ (Arkoun 1999, 130). Der Imam (gemeint ist der Vorbeter),
fungiert nicht als Vermittler zwischen Gott und Mensch. Er hebt sich vom Rest der
Gläubigen lediglich dadurch ab, dass er in der Gebetsnische (mihrab) weilt, was die
Einheit der Betenden symbolisieren soll (vgl. Arkoun 1999, 130). Im Islam gibt es
also keine institutionalisierte Mittlerrolle (vgl. Lasch/Liebert 2015, 479) zwischen
transzendenter und menschlicher Welt (jeder Gläubige kann das Gebet leiten). Der
Imam besitzt keine transzendente Autorität.
Zudem fehlen im (sunnitischen) Islam eine Hierarchie und ein religiöses Ober-
haupt (wie der Papst). Der Kalif ist kein religiöses Oberhaupt, sondern „Befehlsha-
ber der Gläubigen“ (amir al-muminin) und das Kalifat demzufolge eine politische
Institution. Die religiöse Autoriät wird von einer Körperschaft von Gelehrten (ulama)
ausgeübt. Dieser Berufsstand erwächst seit dem 8. Jahrhundert aus dem Privatge-
lehrtentum (vgl. Halm 2011, 79). Die Gelehrten, die Absolventen einer religiösen
Lehranstalt (madrasa), eines stabilen Auslegungssystems, sind, haben das Deu-
tungsmonopol. Sie bestimmen, was erlaubt und was verboten, was islamisch und
was unislamisch ist, sie legen „die institutionellen Vorschriften“ fest. Sie haben
eher eine institutionalisierte Mittlerrolle, sie können auf die Gläubigen normativ
einwirken. Die Verwalter religiösen Wissens stellen das prophetische Ereignis –
aufgrund ihres Amtscharismas – auf Dauer, indem Offenbarungswissen weiterge-
geben, kommuniziert und in stabilisierenden Riten vergegenwärtigt wird (vgl.
Lasch/Liebert 2015, 482). Diese Körperschaft ist keine zentralistische Institution,
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sondern bleibt auf die einzelnen Staaten beschränkt. So haben etwa Ägypten und
Saudi-Arabien unterschiedliche Ulama, die sich auch widersprechen können. Der
Staat kontrolliert diesen Berufsstand (heute strenger als in früherer Zeit). Die Ge-
lehrten sollen den Staat vor Übergriffen schützen. Muslime können sich auch an die
Gelehrten wenden, wenn Fragen auftauchen, die nicht mithilfe des Korans oder der
Sunna beantwortet werden können (z. B. Organtransplantation, Schönheitsoperati-
onen). Diese (z. B. die Gelehrten der Azhar-Universität in Kairo) erlassen dann ein
„Gutachten“ (fatwa), das dem Muslim Orientierung bieten soll (im schiitischen Is-
lam ist das den ranghöchsten Geistlichen (Ayatollah ,Zeichen Gottes‘) vorbehalten
(ausführlicher dazu Amirpur 2015)).

1.3 Forschungsstand: zur Sprache des Korans


1.3.1 „Außergefechtsetzende“ Rhetorik

Im kollektiven Bewusstsein der Muslime stellt der Koran das Wort Gottes dar – nur
wer sich im Zustand der kultischen Reinheit befindet, darf sich ihm nähern (Koran
56:77–79). Diese Überzeugung könnte man mit den Metaphern „Inlibration“ (Neu-
wirth 2010a, 163) bzw. „Inverbation“ (Berque 1996, 118) ausdrücken. Der Koran gilt
sprachlich als unübertrefflich. Sein sprachlicher Wundercharakter wird von der
islamischen Tradition als stärkster Authentizitätsbeweis seines göttlichen Ur-
sprungs gesehen (vgl. Neuwirth 1983, 166). Der „schriftunkundige Prophet“ (al-
nabiyya al-ummiyya) könne nicht der Urheber des Korans sein. Die sprachliche Vor-
züglichkeit des Korans lasse einzig Gott als Urheber zu.
Die komplexe sprachliche Struktur des Korans führt früh zu intensiven literatur-
und sprachwissenschaftlichen Analysen. Es werden Musterbeispiele der altarabi-
schen Dichtung zusammengestellt, um diese mit dem Koran zu vergleichen. Eine
Poetik wird entwickelt und Merkmale werden erläutert, anhand derer man einen
Vers als mustergültig und wirksam bestimmen kann (vgl. Kermani 2003, 249f.). Die
inhaltliche Präzisierung dieses Wundercharakters und die Durchsetzung der theo-
logischen Lehre, dass er auf der sprachlichen Form basiere (daneben glauben ande-
re Theologen, dass der Inhalt ein Wunder darstelle) erfolgt im 10. Jahrhundert (vgl.
Grotzfeld 1969, 58). Der für diese Lehre geprägte terminus technicus ist idschaz al-
quran. Mit dem Ausdruck idschaz ist eine Qualität des Korans gemeint, die Men-
schen unfähig macht, sie außer Stande setzt, etwas ihm Gleichwertiges hervorzu-
bringen (vgl. Andrae 1918, 94). Der Koran macht jeden Versuch zunichte, „sich mit
ihm zu messen, oder ihn gar zu überbieten“ (Neuwirth 1983, 171). Neuwirth (2010a,
732ff.) spricht von einem „rhetorischen Aussergefechtsetzen“ der Herausforderer. In
erster Linie fußt die idschaz-Lehre auf der Rezeptionsgeschichte, auf der ästheti-
schen Wirkung des Korans auf die Hörer (vgl. Abschnitt 2.2). Auf diesen wesentli-
chen Faktor macht auch Neuwirth (1983, 170) aufmerksam:
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 117

Es ist also eine zentrale Erfahrung der Muslime von innerem Leben und innerem Glanz, eine
ganz reale Erfahrung von metaphysischer Schönheit der Offenbarungsschrift, die schließlich,
im 9. Jh., zur Formulierung des Dogmas von der Unnachahmlichkeit und Einzigartigkeit des
Korans führte – nicht etwa nur theologische Spekulation oder gar gelehrte Sophisterei. Es ging
um die Rationalisierung einer fundamentalen Erfahrung der ganzen Religionsgemeinschaft
[...].

Die Tradition berichtet von zahlreichen Fällen, in denen Menschen vom Koran er-
griffen und in Erstaunen versetzt werden. Von ihm geht eine Schockwirkung aus:

Der größte unter den Dichtern Arabiens war Labid ibn Rabia. Die Blätter mit seinen Gedichten
hingen, als Zeichen seines Triumphes, an den Türen der Kaaba. Keiner seiner Dichterkollegen
wagte es, die Herausforderung anzunehmen und seine Verse neben die Labids zu hängen. Ei-
nes Tages jedoch näherten sich einige Anhänger Mohammeds, der unter den heidnischen Ara-
bern jener Zeit als obskurer Zaubermann und geistesgestörter Poet verschrien war. Sie befestig-
ten ein Stück aus der zweiten Sure des Koran am Tor und forderten Labid auf, es vorzutragen.
Der Dichterkönig lachte ob dieser Anmaßung auf. Mehr aus Zeitvertreib oder vielleicht auch
aus Spott ließ er sich darauf ein, die Verse zu rezitieren. Überwältigt von ihrer Schönheit be-
kannte er sich an Ort und Stelle zum Islam. (Kermani 2003, 15)

Die Ästhetik des Korans überwältigt den Großmeister des klassischen Hocharabisch.
Dies kann nur in der Konversion münden. Viele der erbittertsten Gegner Muhamm-
ads können sich, wie Labid ibn Rabia, der Anziehungskraft des Korans nicht erweh-
ren und werden Muslime, z. B. Umar, der spätere Kalif (vgl. Ibn Ishaq 2011, 155ff.).
Der Koran berichtet, dass die Rezitation Muhammads sogar Geistwesen (Dschinn)
zur Bekehrung bewegt, da sie einen „wunderbaren Koran“ (kuranan adschaban)
hören:

Sprich: Geoffenbart ward mir, daß eine Schar der Dschinn lauschte und sprach: Siehe, wir ha-
ben einen wunderbaren Koran gehört, der zum rechten Weg leitet; und wir glauben an ihn und
stellen nimmer unserem Herrn jemand zur Seite. (Koran 72:1–2, übers. von Henning)

Die Araber versuchen, die Wirkung, die der Koran auf sie hat, mit anderen, ihnen
bekannten Texten begreiflich zu machen (vgl. Abu Zaid 2008, 41). Die koranische
Rhetorik übertrifft die der altarabischen Dichtkunst.
Als Begründung für die Lehre der sprachlichen Einzigartigkeit werden auch die
so genannten „Herausforderungsverse“ (tahaddi) herangezogen. Muslimische Exe-
geten nehmen an, dass der Koran die heidnischen Araber zum sprachlichen Wett-
streit herausfordere, da diese Gott nicht als Quelle der Offenbarung anerkennen
wollen. Diese Verse machen – folgt man der muslimischen Tradition und legt sie
tatsächlich als Herausforderung zum sprachlichen Wettstreit aus – implizit deut-
lich, dass es unter den Hörern Sprachgewandte gibt, wie ja auch aus der vorislami-
schen Dichtung hervorgeht. Eine Herausforderung anderer, die nicht über eine ver-
gleichbare sprachliche Kompetenz verfügen, ist unwahrscheinlich. Die Komplexität
der altarabischen Dichtung zeugt von einem „hochentwickelten Sprachbewußtsein“
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(Bauer 2011, 229). Dem Koran ist eine mehrstufige Herausforderung zu entnehmen.
Zunächst sollen die Leugner zehn dem Koran gleichwertige Suren vorbringen:

Oder sie sprechen: Er hat ihn ersonnen. Sprich: So bringt zehn gleiche Suren her, (von euch)
erdichtet, und rufet an, wen ihr vermögt, außer Allah, so ihr wahrhaft seid. (Koran 11:13, übers.
von Henning)

Später wird von ihnen verlangt, nur eine dem Koran ebenbürtige Sure hervorzu-
bringen:

Und so ihr in Zweifel seid über das, was Wir auf unseren Diener herniedersandten, so bringt
eine gleiche Sure hervor und rufet eure Götzen zu Zeugen, so ihr wahrhaft seid. (Koran 2:23,
übers. von Henning)

Über die Reaktion der Adressaten wird im Koran nicht explizit berichtet. Die Resig-
nation, das Scheitern der Herausgeforderten kann aber leicht erschlossen werden.
In der Sure Die Nachtreise heißt es:

Sprich: Wenn Mensch und Dschinn sich darin träfen, etwas beizubringen, was dieser Lesung
[d. h. diesem Koran, L. S.] gleichkommt, sie könnten nichts beibringen, was ihr gleichkommt,
auch wenn sie einander dabei Helfer wären. (Koran 17:88, übers. von Bobzin)

An dieser Stelle wird die Überlegenheit des Korans über alle möglichen Widersa-
cher, das „völlige Scheitern der Araber“ (Abu Zaid 2008, 41) „triumphal konstatiert“
(Neuwirth 2010a, 738). Der Koran weist die Leugner in die Schranken. Mit dieser
Emphase wird die Einzigartigkeit des Korans unterstrichen: Niemand könne jemals
imstande sein, etwas ihm Gleichwertiges zu schaffen, auch dann nicht, wenn den
Menschen übernatürliche Wesen zur Hilfe kämen. Der Anspruch auf Unerreichbar-
keit konnte klarer „nicht formuliert werden“ (Neuwirth 1983, 172).
Die Sprache des Korans wird in der exegetischen Literatur als Bestätigungs-
wunder aufgefasst, Muhammad in die Reihe der vorangegangenen, Wunder bewir-
kenden Propheten eingereiht. Neuwirth (1983, 173) spricht hierbei von einer „sche-
matischen Prophetologie“, die die islamische Tradition für alle von ihr gewürdigten
Propheten (Adam, Moses, Jesus, Muhammad) konzipiert:

Jedem Propheten wurde ein Zeichen gegeben, das die Wahrheit seiner Botschaft beweist: Gott
sandte Mose zu einer Zeit, in der Pharao an die Allmacht der Zauberei glaubte, sein Zeichen
war daher die Verwandlung des Stabes in eine Schlange. Er sandte Jesus in einer Epoche, in
der die Heilkunst in höchstem Ansehen stand, Jesus mußte deshalb die Kunst der Ärzte über-
treffen – mit der Auferweckung von Toten. Muhammads Zeit konnte man mit so augenfälligen
Wundern nicht mehr beeindrucken, er trat vor eine Hörerschaft, bei denen Redekunst den
höchsten Rang behauptete, sein Zeichen war deshalb ein sprachliches: das rhetorische Wunder
des Koran. (al-Dschahiz, zit. n. Neuwirth 2010a, 723)
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 119

Der Koran hinterlässt einen tiefgreifenden Eindruck bei den zeitgenössischen, mit
Poesie wohlvertrauten Mekkanern, seine Sprache „hatte […] die Vorstellungskraft
der Araber eingenommen“ (Abu Zaid 2008, 41). Dass der Koran sich schnell durch-
setzt, hängt also auch mit seiner Sprache, mit dem virtuosen, meisterhaften Um-
gang mit der arabischen Sprache zusammen:

Und es wäre widersinnig, wollte man leugnen, daß dieser Text, der zwanzig Jahre lang in peri-
odisch unterbrochenen und ungeordneten Bruchstücken herabkam und zwanzig Jahre darauf
gesammelt wurde, sich so hätte durchsetzen können, wie er es getan hat, ohne seine – sagen
wir – wirklich einzigartigen Eigenschaften. (Berque 1996, 135)

Die heidnischen Mekkaner müssen seine sprachliche Schönheit anerkennen, wollen


sie ihre eigene Kultur, die eine Kultur der Eloquenz ist, nicht verraten. Der Koran
wird in einer Welt offenbart, in der sprachliche Kunstwerke besondere Wertschät-
zung erfahren, denn bereits die vorislamische arabische Kultur ist eine

Kultur der Sprache [...] Spätestens ab etwa 500 n. Chr. hatte die Poesie in Arabien das Niveau
einer hochartifiziellen Kunstdichtung erreicht, die an Komplexität und künstlerischer Raffines-
se die Poesie der antiken Kulturen übertraf. Die Poesie war für die arabischen Stämme das
wichtigste Medium, ihre Interessen zu kommunizieren. (Bauer 2011, 229)

Der mittelalterliche Universalgelehrte al-Dschahiz (776–869) meint, dass sich den


Sprachgewandten der idschaz am schnellsten und deutlichsten erschließe (vgl.
Kermani 2003, 276). Die Bewunderung des Korans wurde oben am Beispiel des alt-
arabischen Dichters Labid veranschaulicht. Hier ein weiteres Beispiel – der
Zeitgenosse Muhammads Walid ibn Mughira sagt (zit. n. Berque 1996, 130):

Unter euch ist keiner, der in der Dichtung gelehrter ist als ich [...] ob Menschen oder Dämonen.
Doch zu dem, was du da sprichst, finde ich nichts Vergleichbares! Was Muhammad rezitiert,
hat Anmut, Leuchtkraft, Glanz. Es trägt oben Früchte; es wird unten begossen. Es steigt in die
Höhe wie eine Palme; es zermalmt alles, was darunter ist.

Kermani (2003, 241) hält es für unwahrscheinlich, dass die Herausforderungsverse


ein Indiz für den sprachlichen Wundercharakter seien. Dass die Muslime sie aber so
begreifen, ist bemerkenswerter

als wenn die Lehre klar im Koran formuliert gewesen wäre und sich die Entstehung des Dog-
mas von der stilistischen Wunderbarkeit als Vollzug einer koranischen Anweisung erklären
ließe (Kermani 2003, 241).

Zu den ersten idschaz-Theoretikern, die die sprachliche Form des Korans in den
Vordergrund stellen, gehören z. B. ar-Rummani (gest. 994), al-Baqillani (gest. 1013),
Abd al-Dschabbar (gest. 1025) und al-Dschurdschani (gest. 1078). Diskutiert wird,
was die Sprache des Korans ausmacht und worin sich diese von anderen Meister-
werken unterscheidet (dies erinnert stark an Roman Jakobsons Überlegungen, die
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etwa in Linguistik und Poetik (1960/1979) entfaltet werden). Was die muslimischen
Theologen vorbringen, muss man als einen „ästhetischen Gottesbeweis“ (Kermani
2003, 241) begreifen.
Laut ar-Rummani (Werk: an-nukat fi idschaz al-quran) übersteige die stilistische
Einzigartigkeit alle anderen Formen der Rede, wonach im Stil also die Einzigartig-
keit zu sehen ist. Im Koran seien die rhetorischen Figuren Metapher, Hyperbel, Ver-
gleich in ihren besten Beispielen repräsentiert (vgl. Grotzfeld 1969, 65). Die Meta-
pher habe die Funktion der Verdeutlichung, nicht die Funktion, das Verbalisierte zu
schmücken (wie in der herkömmlichen Dichtung). Die so erzielte Klarheit korres-
pondiert mit dem koranischen Anspruch, ein verdeutlichender Diskurs (bayan) zu
sein (vgl. Neuwirth 1983, 177). Bayan ist „die klare Darlegung, die Fähigkeit, sich auf
verständliche Weise auszudrücken, die Ausdruckskraft, die höchste Qualität einer
Sprache“ (Berque 1996, 122). Als eine weitere koranische Besonderheit arbeitet ar-
Rummani die Abwandlung desselben Themas heraus. Im Koran gibt es – anders als
in der Dichtung – zwischen den neugestalteten Motiven nicht bloß einen formalen,
sondern auch einen logischen Zusammenhang; die einzelnen Motive haben unter-
schiedliche Funktionen (vgl. Neuwirth 1983, 178). Zudem beobachtet ar-Rummani
eine weitere Eigenheit der koranischen Rede: In einer natürlichen Redezäsur weist
der Koran eine Schlussassonanz auf. Diese wirkt nicht auf den syntaktischen oder
semantischen Redeverlauf ein, worin ein großer Vorteil gegenüber der altarabischen
Reimprosa zu sehen ist, weil dort das Reimwort den syntaktischen und semanti-
schen Verlauf der Rede beeinflusst, wodurch der Rede Grenzen gesetzt werden,
einer freien Entfaltung entgegengesteuert wird (vgl. Neuwirth 1983, 178f.).
Al-Baqillani (Werk: idschaz al-quran) sieht im Koran ein eigenes literarisches
Genre realisiert, er ist weder Dichtung noch Prosa. In dieser neuartigen Form beste-
he die Einzigartigkeit des Korans, so dass „keines der literaturwissenschaftlichen
Kriterien des Menschen [sich dazu] eigne […], ihn zu beurteilen“ (vgl. Abu Zaid
2008, 46). Konkret äußert sich das Wunder nicht etwa in den rhetorischen Figuren
(wie von ar-Rummani angenommen), denn diese finden sich auch in der Poesie und
können erlernt werden; die Unnachahmlichkeit manifestiere sich vielmehr in der
Verskomposition (nazm) (vgl. Neuwirth 1983, 180). Der koranische Langvers ist in
kleinere, syntaktisch selbständige Einheiten (Kola, kalimat) gegliedert. Vor allem
die kalimat, die mit ihren vorangehenenden kalimat nicht koordiniert sind, sind von
Interesse. Hier hat al-Baqillani die Schlussklauseln (Abschnitt 1.3.2) der koranischen
Verse im Blick, die zudem inhaltlich von den vorausgehenden Versteilen unabhän-
gig sind – ein für die koranische Sprache signifikantes Mittel (vgl. Neuwirth 1983,
182). Al-Baqillani unterscheidet ferner zwei Verstypen voneinander: Es gibt Verse,
die aus ein bis zwei kalimat bestehen, und Verse, die sich aus drei oder mehr kali-
mat zusammensetzen (vgl. Neuwirth 1983, 182). Die koranischen Langverse haben
keine quantitativen und strukturellen Entsprechungen in anderen Gattungen, sie
folgen keinem literarischen Vorbild (vgl. Neuwirth 1983, 182). Mittels dieser Lang-
verse wird die Selbständigkeit der koranischen Sprache herausgestellt. Al-Baqillani
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 121

stellt den Koran über die in vorislamischer Zeit gefeierten „Sieben Qasiden“
(muallaqat) (vgl. Walther 2004, 46f.), die – aufgrund ihrer Vorzüglichkeit – an der
Kaaba angebracht sind und von den Arabern bewundert werden. Für al-Baqillani
gewinnt das Wunder an Konturen, wenn man bedenkt, dass Muhammad ein Anal-
phabet ist: Es „ist die Natur des göttlichen Sprechers selbst […], die es unmöglich
macht, irgendeine Form der Ähnlichkeit oder Vergleichbarkeit zwischen dem Koran
und allen anderen Texten anzunehmen“ (Abu Zaid 2008, 46). Für al-Baqillani ist
das Wunder demzufolge in der literarischen Form, im poetischen Operieren, im „po-
etischen Verfahren“ (Jakobson 1960/1979, 93) des Korans zu sehen.
Abd al-Dschabbar (Werk: al-mughni) wendet sich der Sprache im engeren Sinne
zu. Er geht in erster Linie linguistisch vor. Die fasaha (,die Eloquenz‘) manifestiere
sich weder in dem Inhalt noch im Stil allein. Al-Dschabbar sieht die Einzigartigkeit
vielmehr in der sprachlichen Struktur, genauer in der Syntax und in der Position
und grammatischen Funktion der Wörter (vgl. Abu Zaid 2008, 48). Der Begriff der
„Komposition“ (nazm) wird umgedeutet, nazm ist laut Abd al-Dschabbar die syntak-
tische Komposition, in der sich der Wundercharakter äußert. Nazm ist die Zusam-
menstellung, die „Syntaktisierung“ (damm) der Lexeme. Es ist die „syntaktische
Perfektion“ (Abu Zaid 2008, 48), die die Herausforderer außer Gefecht setze.

Bei der Zusammenfügung muss jedes Wort eine bestimmte Eigenschaft haben. Diese kann
durch einen Prozess der Prägung (muwadaa) entstanden sein, der bei der Zusammenfügung
zum Tragen kommt; sie kann aus der grammatikalischen Funktion (irab) des Wortes herrüh-
ren, die sie beeinflusst; und sie kann der Stellung (mauqi) des Wortes entspringen. Über diese
drei Möglichkeiten hinaus gibt es keine vierte. (Abd al-Dschabbar, zit. n. Abu Zaid 2008, 48)

Die Komposition ist das Zusammenspiel von Bedeutung, Position und Funktion der
Lexeme. Die Position und die Funktion determinieren die Bedeutung. Diese Kompo-
sition ist im Koran musterhaft verwirklicht.
Ihren Höhepunkt erreicht die Unnachahmlichkeitslehre mit al-Dschurdschani
(Werk: dalail al-idschaz), dem wohl bedeutendsten Literatur- und Sprachwissen-
schaftler seiner Zeit. Al-Dschurdschani entwickelt in seinem voluminösen Werk die
nazm-Theorie seiner Vorgänger (insbesondere die Abd al-Dschabbars) weiter und
demonstriert an mehreren hundert Versen des Korans (stets die Dichtungs als Ver-
gleichsfolie heranziehend), worin der idschaz bestehe. Er weist die Ansicht, dass der
Inhalt (bspw. die Aussagen über das „unsichtbare Jenseits“) die Unnachahmlichkeit
ausmache, entschieden zurück, denn dieses Wissen beschränke sich nur auf einige
Stellen. Der idschaz liege vielmehr in jedem einzelnen Vers, bezieht sich also primär
auf die sprachliche Form des Korans (vgl. Abu Zaid 2008, 49). Die Beschäftigung mit
der Dichtung erhebt er zur religiösen Pflicht, weil das poetische bzw. literaturwis-
senschaftliche (damit auch das linguistische) Wissen die Durchdringung des Ko-
rans, die Erklärung des „göttlichen Lichts“ ermögliche (vgl. Abu Zaid 2008, 50f.).
Die intensive Analyse des nazm führt al-Dschurdschani zur Einsicht in die syntakti-
schen Regularitäten (qawanin an-nahw) des Arabischen. Der nazm des Korans und
122 | Lirim Selmani

der menschlicher Werke werde von denselben syntaktischen Gesetzen regiert, der
Unterschied in der Ausdrucksweise bzw. in der „Klarlegung“ (bayan) ist darin zu
sehen, im welchem Ausmaß an Vollkommenheit sie angewandt würden (vgl. Abu
Zaid 2008, 52). Der idschaz manifestiere sich nicht in den einzelnen Lexemen, nicht
in der Ästhetik der Gedanken, nicht in den Redefiguren, nicht in den ungewöhnli-
chen Wörtern, nicht in der Versstruktur oder allgemein in der Makellosigkeit der
Sprache, sondern vielmehr im nazm, in der Komposition (vgl. Kermani 2003, 255f.).
Es sei die Kombinatorik bzw. Integration sprachlicher Ausdrücke, die Syntax, die
den Koran unnachahmlich mache. In der perfekten Kombinatorik werde erst aus
den Lexemen alles ‚herausgeholt‘, die Bedeutung vollumfänglich wiedergegeben,
die Funktion optimal entfaltet. Man könnte hierbei von einer ästhetischen Gramma-
tik sprechen:

Wir sagen, daß der qualitative Überschuß (mazaya) ihnen (sc. den Mitmenschen Muhammads)
im nazm des Koran erschien, daß es die Eigenheiten waren, die sie in der Verknüpfung der
sprachlichen Ausdrücke (alfaz) vorfanden, die sie unfähig zu jeder Reaktion, jedem Wider-
stand gemacht haben; wir sagen, daß es die Wort- und Sinnfiguren (badai) in den einzelnen
Bestandteilen der Verse waren, die sie mit Schauder erfüllten, und daß jeder Ausdruck an sei-
nen Platz und im Einklang mit den anderen war, und die Verwendung einer jeden Redensart
und die Stellung jedes Prädikats und die Gestalt jeder Drohung, Ermahnung, Benachrichti-
gung, Erinnerung, Ermutigung und Warnung, und daß alles eine Begründung und einen Be-
weis, ein Attribut und eine Erläuterung hatte. Das alles hat sie verwirrt und gefesselt. Sie über-
prüften Sure für Sure, Abschnitt für Abschnitt und Vers für Vers, und sie fanden kein Wort, das
nicht an seinem richtigen Ort gewesen wäre, keinen Ausdruck, der besser an einer anderen
Stelle gestanden hätte oder durch einen anderen, ähnlichen oder besseren hätte ersetzt werden
können, einen, der angemessener oder geeigneter gewesen wäre. (al-Dschurdschani, zit. n.
Kermani 2003, 256)

Die Komposition bzw. die Kombinatorik erörtert al-Dschurdschani an zahlreichen


Belegen aus dem Koran und der Dichtung. Der idschaz basiere beispielsweise in
Sure 11:44 (wa-qila ya ardu blai maaki (…) /„Und es ward gesprochen: O Erde ver-
schlinge dein Wasser (…)“, übers. von Kermani) exklusiv auf der Kombinatorik der
Ausdrücke, auf der besonderen Art, wie sich der erste Ausdruck mit dem zweiten,
der zweite mit dem dritten, der dritte mit dem vierten zu einer vollendeten, muster-
gültigen und unauflösbaren Einheit integrierte (vgl. Kermani 2003, 260). Ein einzel-
ner Ausdruck allein (z. B. die lenkende Anredeform ya) habe nichts Unnachahmli-
ches an sich, erst in der Verknüpfung mit dem Substantiv ard (,Erde‘), die laut al-
Dschurdschani brillanter als das semantisch scheinbar synonyme ayyuhal-ard ist,
und durch die Kombinatorik der anderen Ausdrücke entstünde die Wunderhaf-
tigkeit (vgl. Kermani 2003, 260). Ein anderes Beispiel (übers. von Kermani):

wa dschaalu li-llahi shurakaa l-dschinna (Koran 6:100) ‚Und sie machten zu Gottes Teilhabern
die Dschinn‘.
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 123

Die Positionierung der einzelnen Ausdrücke ist bewusst so realisiert, wie sie reali-
siert ist. Erst durch die Nachstellung von shurakaa (,Teilhaber‘), das auch vorange-
stellt werden könnte, erhält das Gesagte seine Vollständigkeit (vgl. Kermani 2003,
261). Die Voranstellung (wa dschaalu l-dschinna shurakaa li-l-lahi / ‚Und sie mach-
ten die Dschinn zu Teilhabern Gottes‘) führe zu einer Bedeutungsveränderung;
dann könnte man nämlich das Frevelhafte der Handlung darin sehen, dass die Un-
gläubigen gerade die Dschinn zu Partnern gemacht haben (vgl. Kermani 2003, 261).
Dies aber ist nicht intendiert. Die Ungläubigen werden angeklagt, dass sie Gott
überhaupt Partner zur Seite stellen. Dies werde erzielt, indem das Substantiv shura-
ka als erster Mitspieler, als erstes Objekt zum Verb dschaala (,machen‘) platziert ist,
während allah (,Gott‘) dort erscheint, wo eher das zweite Objekt (al-dschinn) zu
erwarten wäre. Dadurch aber, dass der zweite Mitspieler des Verbs postponiert wird,
bekommt er eine erklärende Qualität, er ist nicht das Essentielle des Verbalisierten
(vgl. Kermani 2003, 262; ausführlicher 253ff.).
Die sprachliche Schönheit des Korans wird auch von der westlichen Orientalis-
tik (Rückert, Berque, Wild, Neuwirth, Bobzin) erkannt und gewürdigt. So schreibt
der französische Orientalist Jacques Berque in seiner sehr lesenswerten Abhandlung
Der Koran neu gelesen:

Man muß [...] nicht unbedingt Muslim sein, um die einzigartige Schönheit, den Reichtum und
die universale Bedeutung des Korantextes zu empfinden. (Berque 1996, 143)

In der Unnachahmlichkeit des göttlichen Wortes klingt latent auch seine eigentliche
Unsagbarkeit an (vgl. Liebert in diesem Band, „Unsagbares“). Religionen haben
anfangs die Nicht-Kommunikation zur Voraussetzung, das „Verstummen“ (Ehlich
2007, 286). Das Verstummen vor dem „Numinosen“ ist eine Folge der Berührung mit
dem Transzendenten (vgl. Lasch in diesem Band).

Religion bearbeitet dieses Verstummen in einer spezifischen Weise. Am Anfang jeder religiösen
Kommunikation steht eine solche Bearbeitung in der göttlichen Zusage des „Fürchte Dich
nicht!“. Dieser Anruf [...] ist eine zentrale Umwandlungsform des Verstummens und der damit
einhergehenden kommunikativen Verstörung in einer Begegnung mit etwas Inkommensurab-
lem, das, als von außen kommend, in jede mögliche Kommunikation einbricht. (Ehlich 2007,
286)

Das Berufungserlebnis Muhammads, sein erster Kontakt mit der transzendenten


Sphäre, ist ebenfalls durch eine solche Stagnation ausgezeichnet, wie die islami-
sche Tradition berichtet. Der Koran spielt auf die Überwältigung Muhammads an,
die mit Zittern bzw. Verstummen einhergeht, nachdem ihm der Erzengel Gabriel
erscheint: „O du (im Mantel) Verhüllter“ (73:1) und „O du (mit deinem Mantel) Be-
deckter“ (74:1) (übers. von Henning). Bemerkenswerterweise thematisiert der Koran
selbst die Unsagbarkeit des Gotteswortes – in überwältigenden Naturbildern (vgl.
Abschnitt 3.4):
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Wenn auf Erden aus Bäumen Schreibrohre würden und wenn für das Meer, wenn es erschöpft
ist, sieben Meere Nachschub brächten, so wären Gottes Worte unerschöpflich. Siehe, Gott ist
mächtig, weise. (Koran 31:27, übers. von Bobzin)

Lasch/Liebert (2015, 485) machen darauf aufmerksam, dass das Sprechen über das
Unaussprechliche eine basale Paradoxie religiöser Kommunikation konstituiert,
denn das Unaussprechliche zeichnet sich ja dadurch aus, dass es eben nicht ver-
sprachlicht werden kann. Im Fall der Versprachlichung, der Exothese, ist das Un-
aussprechliche dann nicht mehr unaussprechlich. Die unnachahmliche, unerreich-
bare Sprache des Korans neutralisiert diese Paradoxie. Das eigentlich Unsagbare
wird mit dem Koran sagbar gemacht.

1.3.2 Der Koran und die altarabische Dichtung

Die Bewunderung des Korans fußt auch auf der „rhetorischen Innovation“ (Neu-
wirth 2010a, 753). Die heidnischen Araber werden mit „Techniken“ konfrontiert, die
sie aus der altarabischen Dichtung (ausführlicher Jacobi 1987; Walther 2003, 38ff.)
nicht kennen, obwohl diese als weit fortgeschritten gilt. In der koranischen Sprache
wird die Sprache der altarabischen Dichter „veredelt“ (Berque 1996, 142). Auch
wenn die Sprache des Korans nicht grundsätzlich von der Sprache der vorislami-
schen Dichtung differiert, gibt es erhebliche formale Unterschiede zu ihr (vgl. Bob-
zin 2014, 96ff.). Vergleich und Gleichnis spielen im Koran stilistisch eine bedeuten-
de Rolle, die Metonymie, die in der vorislamischen Poesie (neben dem „Ersatzwort“,
vgl. Bauer 2011, 254) häufig zum Einsatz kommt, hingegen nicht. Interessant ist,
dass der Koran das Gleichnis explizit als solches benennt, was dafür spricht, dass
Gleichnisse planvoll eingesetzt werden. Das Gleichnis ist eine indirekte Kommuni-
kationsform, der transzendenten Sphäre haftet etwas Unbeschreibliches, Unsagba-
res an (vgl. Lasch/Liebert 2015, 485f.):

Hätten Wir diesen Koran auf einen Berg herabgesandt, du hättest ihn sich erniedrigen und aus
Furcht vor Allah sich spalten sehen. Diese Gleichnisse stellen Wir für die Menschen auf, auf
daß sie nachdenklich werden. (Koran 59:21, übers. von Henning)

Allah ist das Licht der Himmel und der Erde. Sein Licht ist gleich einer Nische, in der sich eine
Lampe befindet; die Lampe ist in einem Glas, und das Glas gleich einem flimmernden Stern. Es
wird angezündet von einem gesegneten Baum, einem Ölbaum, weder vom Osten noch vom
Westen, dessen Öl fast leuchtete, auch wenn es kein Feuer berührte – Licht über Licht. Allah
leitet zu Seinem Licht, wen Er will, und Allah macht Gleichnisse für die Menschen, und Allah
kennt alle Dinge. (Koran 24:35, übers. von Henning)

Das wichtigste Merkmal des koranischen Verses ist der Reim. Im Unterschied zur
altarabischen Dichtung sind die Verse des Korans aber nicht metrisch strukturiert.
Der Koran ist in „Reimprosa“ realisiert. Die Unterschiede zum Reim in der Dichtung
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 125

sind nicht als Nachlässigkeiten „im Vergleich zu den strengeren Konventionen der
Dichtung zu verstehen, sondern hier handelt es sich um eine von der Dichtung deut-
lich unterschiedene neue Redeweise“ (Bobzin 2014, 97). Das Durchbrechen sprach-
licher Erwartungshaltungen und Konventionen, die die Grundlage dessen bilden,
was man die Ressourcen des Wissens über den Einsatz sprachlicher Mittel nennen
könnte, lässt erst eine außergewöhnliche ästhetische Wirkung entstehen (vgl. Ker-
mani 2003, 262) – der Koran durchbricht als einzelne Erscheinung die lange Reihe
der Tradition (vgl. auch das Kozept der „longue duree“). Die rhetorische Innovation
manifestiert sich am nachdrücklichsten in der „Schlussklausel“, die semantisch
nicht in den Hauptstrang des zuvor Verbalisierten integriert ist und anstelle des
Reimverses tritt. Sie verweist metatextuell auf die transzendente Welt:

Wenn nun die weitgehend stereotyp gebaute Schlußklausel an die Stelle des reimenden Vers-
ausklangs getreten ist, so kommt das nicht nur einem stilistisch und mnemotechnisch relevan-
ten Formwandel gleich, sondern auch einem Wandel der mit den Korantexten intendierten
Funktionen. Mit der neuen Form einer mit eingestreuten Gotteserinnerungen, Wertungen oder
Handlungsanweisungen durchsetzten Prosa-Rede ist ein wirkmächtiges stilistisches Medium
sakraler Kodierung der Rede und zugleich ein theologisch einzigartig flexibles Mittel der Rück-
bindung innerweltlicher Zusammenhänge an den transzendenten Gott geschaffen. Die Vers-
schlußklauseln sind ja nicht einfach Schlußmarkierer einer komplexen semantisch-
syntaktischen Sprecheinheit, sie sind in ihrer Mehrzahl zugleich und vor allem paränetische
Aussagen über das im Hauptstrang Dargelegte, also metatextuelle Erinnerungen an die Quelle
der Rede, an Gott selbst, oder zumindest an seine Weisungen und Wertsetzungen. (Neuwirth
2010a, 367f.)

Ein Beispiel zur Veranschaulichung:

Die, in deren Hause er [Josef] war, begehrte ihn für sich, sie verschloß die Türen und rief: Her-
bei mit dir. Er sprach: Gott behüte, er ist mein Herr, der mir meine Bleibe schön gemacht hat.
Frevler gedeihen nicht. (Koran 12:23, übers. von Neuwirth 2010a, 368)

Mit der versschließenden Klausel Frevler gedeihen nicht, die semantisch von dem
zuvor Gesagten abgekoppelt ist und einen Bruch in der Kontinuität des Gesagten
markiert, wird eine transzendente Bezugnahme eingeführt. Sie „wendet die Rede
Josefs aus dem innerweltlichen Zusammenhang – ein Betrug seines Herrn wäre ein
Akt der Undankbarkeit – zum Transzendenten“ (Neuwirth 2010a, 368, vgl. Neuwirth
2010a, 753ff. und 758ff.).

1.3.3 Exkurs: Poetizität und Unübersetzbarkeit des Korans

Führt man sich die Lehre der rhetorischen Vollkommenheit vor Augen, leuchtet ein,
weshalb der Koran Muslimen als unübersetzbar gilt. Hinzu kommt noch der arabi-
sche Sprachcharakter des Korans: Der Koran insistiert darauf, ein „arabischer Ko-
ran“ zu sein, ein nicht-arabischer Koran ist der koranischen Vorstellungswelt fremd
126 | Lirim Selmani

(Abschnitt 1.3.4). Die Unübersetzbarkeitsdebatte ist auch vor dem Hintergrund einer
theologischen Debatte über das Wesen des Korans zu sehen, in der sich die Ansicht
der Unerschaffenheit des Korans durchsetzt. Die Lehren von der Unerschaffenheit,
Unnachahmlichkeit und Unübersetzbarkeit entwickeln sich parallel: Unerschaffe-
nes ist in einer anderen Form nicht rekonstruierbar, Unnachahmliches in eine ande-
re Sprache nicht projizierbar (vgl. Özsoy 2010, 111f.).
Von einem Übersetzungsverbot kann man dennoch nicht sprechen. Die poeti-
sche Form der Offenbarung ist sinntragend und -stiftend, nicht bloß äußeres Ge-
wand. Nicht nur was verkündigt wird, ist von zentraler Wichtigkeit, sondern auch,
wie es verkündigt wird. Der Sinn wird von seiner lautlichen Gestaltung mitdetermi-
niert, wie Jakobson in Poesie der Grammatik und Grammatik der Poesie (1961/1979)
ausführt. Sprachmittel haben nicht nur eine kommunikativ-praktische Funktion, in
der die Absicht des Sprechers auf das Bezeichnete ausgerichtet ist, sondern diese
kann auch durch die „poetische Funktion“ überlagert werden, in der das Zeichen
selbst fokussiert wird, die auf die Ästhetik des sprachlichen Ausdrucks abzielt. Die
poetische ist stets eine ästhetische Funktion:

Die Einstellung auf die BOTSCHAFT als solche, die Ausrichtung auf die Botschaft um ihrer
selbst willen, stellt die POETISCHE Funktion der Sprache dar. (Jakobson 1960/1979, 92)

Wie wichtig die sprachliche Form des Korans ist, zeigt ein Vergleich zweier unter-
schiedlicher Übersetzungen der 112. Sure, in der vom Wesen Gottes die Rede ist:

Sprich: Gott ist Einer, Ein ewig reiner, Hat nicht gezeugt und ihn gezeugt hat keiner, Und nicht
ihm gleich ist einer. (übers. von Rückert)

Sag: Er ist Gott, ein Einziger, Gott, durch und durch (er selbst)(?) (w. der Kompakte) (oder: der
Nothelfer (?), w. der, an den man sich (mit seinen Nöten und Sorgen) wendet, genauer: den
man angeht?) Er hat weder gezeugt, noch ist er gezeugt worden. Und keiner ist ihm ebenbürtig.
(übers. von Paret)

Kermani (2003, 151) meint dazu:

Für den Koran gilt, was Jakobson für die Poesie festgestellt hat: Er ist „unübersetzbar“; mög-
lich ist allenfalls eine ,,schöpferische Übertragung“. Eine Sure wie die al-Iẖlāṣ [Sure 112, L. S.]
läßt sich nicht in gewöhnlicher Rede wiedergeben, ohne daß man ihre Struktur zerstört.
Dadurch aber wird nicht nur die Eleganz der Verse, der ästhetische Reiz vernichtet, wie man
ohne weiteres zugeben wird, sondern auch die Botschaft oder, wie Lotman es nennt, die ,,Idee“
verändert.

Die Übersetzungsproblematik kann man auch an Sprachmitteln demonstrieren, die


dem Arabischen inhärent sind. So kennt das Arabische – mit Jakobson (1961/1979,
237) gesprochen – bestimmte „grammatische Figuren“, die aber dem Deutschen als
Zielsprache der Übertragung fremd sind. So etwa die und-Iteration (arab. wa), die
typisch für die koranische Sprache ist, im Deutschen aber eine Redundanz, eine
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 127

Gleichförmigkeit erzeugt (vgl. Selmani 2012, 243ff.). In vielen deutschen Überset-


zungen wird der häufige und-Gebrauch, der charakteristisch für einen mündlichen
Stil ist, umgangen, auch bei Rückert, dessen Übersetzung poetisch nah am arabi-
schen Original ist:

idha asch-schamsi kuwirat / Wann die Sonne sich wird ballen, / wa-idha an-nudschumu n-
kadarat / Die Sterne zu Boden fallen, / wa-idha al-dschibalu suyirat / Und die Gebirge wallen, /
wa-idha al-ischaru ut-tilat / Der Meere fluten schwallen (...). (Koran 81:1–4)

Der häufige und-Gebrauch hängt mit dem Nominalsatz zusammen, der dem Deut-
schen auch fremd ist. Nominalsätze enthalten kein Kopulaverb (sein, werden, blei-
ben), die Prädikation wird nicht durch ein verbales Element mitgetragen, sondern
exklusiv von nicht-verbalen Einheiten, vorzugsweise von nominalen (Substantive,
Adjektive). Prädikative Strukturen werden im Arabischen direkt auf das Substantiv
bezogen, ohne Unterstützung des Kopulaverbs. Der Adressat muss weniger Ausdrü-
cke verarbeiten – etwas, was seinen Verarbeitungsprozess beschleunigt. Die Über-
setzung von Karimi (2009), die eine poetische Übertragung ist, verzichtet an vielen
Stellen auf Kopulasätze und übersetzt den arabischen Nominalsatz mit einem deut-
schen ,Nominalsatz‘, um es dem Leser zu ermöglichen, die syntaktische Struktur
des Arabischen nachzuempfinden:

Das Lob Gott, dem Herrn der Welten (...) (Koran 1:1), Dies die Schrift, darin kein Zweifel (...)
(Koran 2:2), Dies die Zeichen der Schrift (...) (Koran 12:1)

Eine andere „grammatische Figur“ des Arabischen ist das nachgestellte attributive
Adjektiv, das im Deutschen nur in älteren Sprachstufen produktiv war. Die Reihen-
folge ist im Arabischen zentripetal, im Deutschen zentrifugal. Das postponierte
Adjektiv operiert retrospektiv auf das links stehende Kopfsubstantiv, die Verarbei-
tung erfolgt in einer „Nachschau“. Vorangestellte Adjektive dagegen operieren
prospektiv auf den Bezugsausdruck, die Voranstellung ermöglicht es dem Adressa-
ten, in einer „Vorschau“ etwas Abstraktes vor seiner Perzeption zu konkretisieren.
Die Einengung des mit dem Nomen Gemeinten wird also unterschiedlich im Wissen
prozessiert. In Karimis Übersetzung wird die Nachstellung des Adjektivs konsequent
beibehalten:

Dies die Zeichen der Schrift, der offenkundigen. (Koran 12:1), Wahrlich, das ist die Wahrheit,
die sichere. So preise den Namen deines Herrn, des gewaltigen! (Koran 56:95–96), Sag: Was
meint ihr, wenn versiegt euer Wasser, wer bringt euch dann Wasser, hervorquellendes? (Koran
67:30)

Diese „grammatischen Eigenarten“ bzw. diese „individuellen Ausdrücke“ (Jakobson


1961/1979, 251) der arabischen Sprache ließen sich beliebig fortführen. Kermani
(2003, 154) bezeichnet eine Übertragung des Korans, die seine sprachliche Schön-
heit nicht berücksichtigt, als eine Entstellung. Er hat dabei die Übersetzung von
128 | Lirim Selmani

Paret im Blick, die in der Orientalistik als philologisch zuverlässigste gilt, die aber
„von der Ästhetik des Korans rein gar nichts vermittelt“ (Wild 1997, 106). Im
deutschsprachigen Raum bewahrt insbesondere die Übersetzung von Rückert (2001)
die Poetizität des Korans, die eine „geniale Anverwandlung“ des arabischen Origi-
nals ist: „Wer einen Schatten der Schönheit des Korans erhaschen will, greife also
als deutscher Leser zu Rückert“ (Wild 1997, 106). Die Übertragung von Rückert ist
bisher unerreicht. Hier ein Beispiel (Sure 81: ,Die Ballung‘):

Wann die Sonne sich wird ballen, Die Sterne zu Boden fallen, Und die Gebirge wallen, Der
Meere Fluten schwallen; Wann Zuchtkamele sind unverwahrt, Und die wilden Tiere geschaart,
Und die Seelen wieder gepaart; Man das lebendige begrabene wird fragen, Um welche Schuld
es sei erschlagen; Und die Bücher sind aufgeschlagen; Wann der Himmel wird abgedach’t, Und
die Hölle wird angefacht, Und der Garten herangebracht; Wird eine Seele wissen was sie dar-
gebracht. Soll ich schwören bei den Planeten, Den wandelnden, den unsteten? Und bei der
Nacht der öden? Und der athmenden Morgenröthe? Das Wort ists eines Boten werth, Eines Bo-
ten stark, der steht beim Herrn des Throns geehrt, Eines Gebieters treu bewährt. Nicht euer
Landsmanm irrt noch thört. Er sah ihn in der Höh verklärt, Und will mit dem nicht geizen was
er sah und hört’. Das Wort nicht ist es dessen der sich hat empört. Wo rennt ihr hin verstört? Es
ist nur eine Mahnung an die Welten, Dem wer von euch will lassen die Wahrheit gelten, Ihr
aber wollet nicht, wenn nicht will Gott, der Herr der Welten.

Anders als Paret versucht Bobzin in seiner neuen Koranübersetzung (ausführlicher


zu Koranübersetzungen Bobzin 2006) der Sprache des Korans gerecht zu werden,
„eine gehobene, stark literalisierte Sprachebene zu finden“, zu einer „‚würdigen‘
Sprache gehört vor allem die äußere Sprachform“ (Bobzin 2013, 134f.).
Trotz seiner sprachlichen Schönheit und obwohl seine Form eine poetische ist
und er ästhetisch rezipiert wird, versteht sich der Koran nicht als Dichtung:

Wir haben ihn (Mohammed) nicht das Dichten gelehrt und es kommt ihm nicht zu. Das ist nur
erinnernde Mahnung und ein deutlicher Koran. (Koran 36:69, übers. von Zirker)

Der Koran bezeichnet sich selbst als „schönste Kunde“ (ahsan al-hadith). Von ihm
geht eine kathartische Wirkung aus. Die Hörer sollen zur Einkehr, zur Einsicht be-
wegt werden:

Allah hat die schönste Geschichte hinabgesandt, ein Buch in Einklang mit sich, eine Wiederho-
lung. Vor ihm schrumpft die Haut derer zusammen, die ihren Herrn fürchten. Alsdann glättet
sich ihre Haut und ihr Herz bei dem Gedenken Allahs. Das ist Allahs Leitung, mit welcher Er
leitet, wen Er will, und wen Allah irreführt, der hat keinen, der ihn leitet. (Koran 39:23, übers.
von Henning)

Koran und Poesie überschneiden sich in der Form (Sprache als Medium), nicht in
der Funktion (im weiteren Sinne). Die im Koran verbalisierte Intention des Senders
ist die „einer wirklichen, auf eine außertextuelle Instanz verweisenden Mittteilung“,
der Koran ist nicht autonom (wie für die Poesie häufig reklamiert); die Inhalte des
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 129

Korans sollen nicht als ästhetisch, sondern in erster Linie als wahr identifiziert wer-
den (vgl. Kermani 2003, 166). Insofern verbietet es sich, von einer „poetischen Pro-
phetie“ (Neuwirth 2011, 15ff.) zu sprechen.
Wichtig ist festzuhalten, dass der Koran Dichtung nicht verwirft. Diese Verse
sind vor einem bestimmten Hintergrund zu lesen. Wenn der Koran betont, keine
Dichtung zu sein, obgleich die Aussage eine generelle Gültigkeit hat, so ist das im
Kontext der Kultur zu sehen, in die er gestellt ist. Das Wort richtet sich an die Ara-
ber, die dem Propheten unterstellen, dass er ein Dichter, dem ein Kontakt zur über-
menschlichen Welt nachgesagt wird, der Koran bloß Dichtung sei. Das wird u. a.
dann deutlich, wenn man ihn für einen Wahrsager und Besessenen hält (Koran
52:29). Ohne einen solchen Hintergrund ist diese explizite Zurückweisung schwer
denkbar. Dass der Koran Dichtung nicht abqualifiziert, zeigt sich zudem daran, dass
sie auch in nachislamischer Zeit prosperiert, z. B. während der umayyadischen Ära
(660–750). Noch in der heutigen Zeit nimmt Dichtung in der arabischen Welt eine
zentrale Rolle ein, sie ist identitätsstiftend und damit ein Teil ihrer Selbstwahrneh-
mung. Der Koran hat also die arabische poetische Tradition nicht tangiert.
Die Annahme, dass der Koran nicht übersetzbar ist, fußt nicht nur auf seiner äs-
thetischen Form. Bauer (2011, 140ff.) begründet die Unübersetzbarkeit vielmehr mit
der Ambiguität des heiligen Textes. Eine Übersetzung stellt eine Reduktion dar, der
übersetzte Offenbarungstext ist disambiguierend. Der Ambiguitätsverlust schränkt
das Bedeutungspotenzial ein:

Wenn nun die Ambiguität des Textes als dessen wesenhafter Bestandteil betrachtet wird, bleibt
in der Übersetzung in der Tat nur ein Text übrig, der um wichtige Dimensionen reduziert wird.
(Bauer 2011, 140)

Eine Übersetzung ist damit stets eine Vereindeutigung des Mehrdeutigen und damit
eine Exegese, die dem Deutungspielraum entgegenarbeitet und enge Grenzen zieht.
Übersetzungen sind also Ausdeutungen. In diesem Kontext ist die von Muslimen oft
vorgetragene Übersetzungsscheu zu verstehen. Übersetzungen sind in zweierlei
Hinsicht Deformationen des Originals: formal-ästhetisch und inhaltlich. Dies sind
die Gründe, warum der Koran von Muslimen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein
nicht in eine andere Sprache übersetzt wurde – „ein einmaliges Faktum“ in der
Religionsgeschichte (vgl. Bobzin 2013, 129).
Özsoy (2010, 117ff.) macht mit Blick auf die Übersetzungsproblematik auf einen
Aspekt aufmerksam, der in der Diskussion kaum Beachtung findet. Der Übersetzung
muss vorausgehen, wie man sich hinsichtlich der Form des Korans positioniert, was
ein hermeneutisches Problem darstellt: Es ist der Frage nachzugehen, ob der Koran
ein Text oder ein Diskurs ist (Abschnitt 2.2). Konstitutive Merkmale des Textes (Ab-
geschlossenheit, Anordnung der Suren, die einer inneren Logik folgen, keine Wi-
derholungen usw.) lassen sich am Koran nicht festmachen. Also ist der Koran kein
Text (vgl. Özsoy 2010, 119). Der Koran ist als mündlicher Text zu verstehen. Diese
130 | Lirim Selmani

Einsicht muss in den Übersetzungsvorgang einfließen. Anders als beim Text gibt der
Diskurs, der eine Ansammlung von Sprechakten ist, seinen außertextuellen Kontext
nicht wieder:

Wenn wir uns dies bewusst machen und diesen außertextuellen Kontexten zu erschließen su-
chen, agieren wir nicht mehr als Übersetzer, sondern als Dolmetscher. Der Übersetzer handelt
mit Texten, die ihm vorliegen, der Dolmetscher aber mit Sprechakten, die er zu rekonstruieren
und nachzufühlen versucht. (Özsoy 2010, 120).

Die bisherigen Übersetzungen transformieren den Diskurs in einen Text und berau-
ben ihn seines ursprünglichen Charakters. Für den Diskurs ist die Kopräsenz des
Hörers, der nicht bloß Empfänger ist, sondern ein mitdenkendes und mithandeln-
des Wesen, konstitutiv, die im Text aufgelöst wird. So sind Missverständnisse vor-
programmiert. Um diesen entgegenzuarbeiten, sollte man „schauen, was der Koran
im damaligen geschichtlichen Kontext gesagt hat und wie sich dieses im Arabischen
Gesagte in eine andere Sprach- und Kulturwelt übertragen lässt“ (Özsoy 2010, 120).
Die Rekonstruktion des offenbarungsgeschichtlichen Umfeldes ist der erste Schritt
zum Dolmetschen.

1.3.4 Die Arabizität des Korans

Der Koran etabliert einen selbstreferentiellen Diskurs (vgl. dazu Wild 2006), er „ist
sich selbst ein zentraler Gegenstand seiner Aussagen“ (Wild 1997, 99). Er ist „prob-
ably the most self-reflexive and self-referential foundational text of any world reli-
gion“ (Wild 2006a, 3). Diese Selbstreflexivität zeigt, „that it seems to be a text in
dialogue with itself“ (Wild 2006a, 5). Der heilige Text qualifiziert sich selbst mit
Attributen wie Leitung (Koran 2:2), Weisheit (Koran 10:1) oder Wohlgeordnetheit:

Ein Buch, dessen Verse wohlgefügt sind, dann ausgelegt von Seiten eines Weisen, Kundigen
[…]. (Koran 11:1, übers. von Bobzin)

Der Koran ist Text und Metatext zugleich (vgl. Wild 1997, 101):

Der Koran erzählt in wesentlichen Partien seine eigene Offenbarung, er schwört bei sich selbst,
findet immer neue Selbstbezeichnungen, teil mit, zu welcher Zeit er offenbart wird, kurz: Er
kreist immer wieder um sich selbst. (Wild 1997, 100)

Metasprachliche Verfahren sind im Koran häufig zu beobachten. So werden viele


Suren mit Fragen eingeleitet, auf die im Laufe des Diskurses geantwortet wird:

Wonach befragen sie einander? Nach einer gewaltigen Kunde, über die sie uneins sind. (Koran
78:1–3, übers. von Henning)
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 131

Die Unvermeidliche (Stunde), was ist die Umvermeidliche? Und was lehrt dich wissen, was die
Unvermeidliche ist? (Koran 69:1–3)

Auch der gezielte Einsatz von Gleichnissen, die explizit als solche benannt werden,
weist auf das metasprachliche Operieren hin (Abschnitt 1.3.2). Jakobson (1960/1979,
92, 94) nimmt in seinem Funktionsschema des Sprechereignisses eine „metasprach-
liche Funktion“ an, die eine erläuternde ist.
Eines seiner gewichtigen Themen ist seine eigene Kanonizität; der Koran „treibt
selbst Exegese“ (Wild 1997, 101). In Sure 3 heißt es:

Er ist es, der auf dich das Buch herabgesandt hat. Einige seiner Verse sind klar zu deuten – sie
sind der Kern des Buches, andere sind mehrfach deutbar. Doch die, in deren Herzen Verirrung
ist, die folgen dem, was darin mehrfach deutbar ist, um Zweifel zu erwecken und um es auszu-
deuten. Doch nur Gott kennt dessen Deutung […]. (Koran 3:7, übers. von Bobzin)

Dieser Koranvers, der die Exegeten von jeher besonders anregt, spielt auf den Aus-
legungsstreit unter den ersten Hörern zur Zeit des Propheten an; der Koran fungiert
hier als schlichtende Instanz (vgl. Wild 1997, 101). Bemerkenswert ist, dass der Ko-
ran sich selbst eine partielle Mehrdeutigkeit bescheinigt. In ihm sind eindeutige
(mukhamat) und mehrdeutige (mutashabihat, in deutschen Übersetzung oft auch
mit dem weniger treffenden Adjektiv dunkel wiedergegeben) Verse. Da nur Gott, die
Quelle des Korans, die wahre Auslegung dieser undurchdringlichen Verse kennt,
bleibt die menschliche Exegese nur Versuch. Die Mehrdeutigkeit, die Ambiguität ist
eine Gott gewollte.
Bauer (2011) attestiert in seiner vielbeachteten Monographie dem Islam eine Kul-
tur der Ambiguität, die im Laufe des Moderniesierungsprozesses der islamischen
Kulturen destruiert wird. Die ursprüngliche Ambiguität mündet in Ambiguitätsinto-
leranz, die als ein dem Islam früherer Zeiten zuwiderlaufendes Phänomen heraus-
gearbeitet wird.
Einen besonderen Fall der Selbstreferenz stellt die metasprachliche Insistenz
auf seiner Arabizität dar (vgl. Wild 2006b, Kassis 2006). Der Koran betont mehrfach,
ein Buch „in klarer arabischer Sprache“ (bi-lisanin arabiyyin mubin) zu sein (26:195).

Dies sind die Verse (w. Zeichen) der deutlichen Schrift. Wir haben sie (d. h. die Schrift) als ei-
nen arabischen Koran hinabgesandt. Vielleicht würdet ihr verständig sein. (Koran 12:1–2,
übers. von Paret)

Arabisch ist für den Koran und die Muslime „more important than Hebrew was for
the self-view of the Bible and the Jews – or Greek for the New Testament and Chris-
tians“ (Wild 2006b, 136).
Asad (2013, 717, Fn. 86) ist der Meinung, dass sich die Araber zunächst weigern,
die Gesandtschaft Muhammads anzuerkennen, weil sie nicht glauben, dass Gott
einen aus ihrem Volk mit einer solchen Aufgabe betraut haben könnte. Die mehrma-
lige Insistenz auf seinem arabischen Sprachcharakter macht deutlich, dass die Kon-
132 | Lirim Selmani

trahenten an ihn nicht glauben, obwohl die göttliche Botschaft klar (mubin) in ihrer
Muttersprache, in der Sprache, die sie so hoch schätzen, versprachlicht ist.

Wenn Wir gewollt hätten, daß diese (göttliche Schrift) ein Diskurs in einer nichtarabischen
Sprache sei, sie (die sie nun verwerfen) hätten sicherlich gesagt: Warum sind diese Botschaften
nicht klar auseinandergesetzt worden. Wie – (eine Botschaft in) einer nichtarabischen Sprache
und (ihr Überbringer) ein Araber? (Koran 41:44, übers. von Asad)

Laut Wild (2006b, 140) attestiert das Arabische dem Koran aufgrund seines manti-
schen Charakters göttliche Autorität:

Muhammed’s recitation used the rhymed language of pre-Islamic poets and seers. This lan-
guage was marked as mantic, i. e., it was used when what a person spoke was in reality not his
or her word, but emanated from a demonic, divine, or otherwise supernatural other. Muham-
mad claimed and some of his listeners believed that this recitation was of angelic or divine
provenance.

Dass das Arabische die Sprache der Offenbarung ist, bedeutet nicht, dass sie aus-
schließlich Araber anspricht. Boten Gottes verkünden stets in ihrer Muttersprache:

Wir sandten keinen Gesandten außer in der Sprache seines Volkes, damit er ihnen Klarheit
schaffe. (Koran 14:4, übers. von Zirker).

Da Muhammad Araber ist, muss die Offenbarung in arabischer Sprache verbalisiert


werden, damit die ersten Adressaten sie verstehen können (vgl. auch Abu Zaid
2008, 129). Das Arabische ist demnach nicht die Sprache Gottes (damit auch keine
„heilige Sprache“, vgl. Bauer 2011, 231), sondern die Sprache, mittels derer Gott zu
den Arabern spricht (vgl. Zirker 2012, 53). Bauer (2011, 139) zieht zur Erklärung des
(Schein)Paradoxons, dass einerseits der Koran auf Arabisch herabgesandt und an-
dererseits an die ganze Menschheit addresiert ist, die klassische Koranexegese az-
Zamakhsharis (gest. 1144) heran:

Hätte Gott seine Botschaft nicht nur in einer Sprache offenbart, hätte er sie zwangsläufig in
sämtlichen anderen Sprachen offenbaren müssen (weil ja eine „repräsentative Auswahl“ nicht
in Frage gekommen wäre). Dies hätte aber zu einem Übermaß an Verschiedenheit geführt. Die
Offenbarung in nur einer Sprache ist also, um unsere Terminlogie zu verwenden, eine Art gött-
licher Ambiguitätszähmung. Wenn die göttliche Botschaft aber nur in einer Sprache offenbart
wird, dann naheliegenderweise in der des Propheten selbst, weil seine Volksgenossen ihm am
nächsten stehen und ihn am besten verstehen.

Wild (2006b) zeigt, dass die koranische Insistenz auf seiner Arabizität mit der Kon-
trastierung der anderssprachigen Gestalt der vorangegangenen Offenbarungsschrif-
ten einhergeht. So wird seine Eigenständigkeit und Gleichrangigkeit herausgestellt.
Der Koran unterscheidet sich von den vorangegangenen Offenbarungen nicht so
sehr inhaltlich, „das spezifisch und einmalig Koranische [ist] vielmehr das Medium
der Offenbarung, eben das Arabische“ (Wild 1997, 96).
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 133

Die Form der Offenbarung hat einen wesentlichen Anteil an der Konstitution der
Botschaftsbedeutung. Die religiösen Inhalte sind mit dem Medium verschmolzen.
Sie können nur so ausgedrückt werden, wie sie im Koran ausgedrückt sind, weil die
Sprache derart ausgereizt ist, wie sie kein Mensch je ausreizen könnte. Nur mit die-
ser kreativen Ausreizung lassen sich die Intentionen des Senders begreifbar ma-
chen, prägnant verbalisieren. Der Koran qualifiziert sich selbst mit den Attributen
Klarheit (mubin) und Deutlichkeit (bayan). Diese Klarheit und Deutlichkeit kann nur
dann erzielt werden, wenn die Sprache bis an ihre Grenzen – und darüber hinaus –
geführt wird.

2 Arabisch im Alltag der Muslime


2.1 Einleitendes
Die im 7. Jh. beginnende islamische Expansion ist zugleich auch eine Expansion der
arabischen Sprache. Arabisch wird Amtssprache des islamischen Imperiums (Ab-
schnitt 3.1). So wirkt es im Laufe der Zeit auf die Sprachen der eroberten Völker ein
(z. B. Persisch, Berberisch). Persisch und Osmanisch bspw. werden (leicht modifi-
ziert) in arabischer Schrift geschrieben. Die Wiederbelebung und Fortentwicklung
der antiken Wissenschaften im Mittelalter durch muslimische Gelehrte verhelfen
dem Arabischen zur Wissenschaftssprache, was seine Verbreitung maßgeblich för-
dert.
Den breiten Massen der eroberten Völker wird der Koran nicht in ihren Mutter-
sprachen nahegebracht. Die Missionierung erfolgt in der Sprache der Offenbarung,
deren Authentizitätsbeweis sie ja ist. Von Anfang an sind die Muslime mit dem Ara-
bischen konfrontiert (vgl. auch Bauer 2011, 226). Dadurch kommt es zu einer Institu-
tionalisierung der arabischen Sprache, die durch die Institutionen gesichert und
tradiert wird. Dieser ständige Kontakt mit dem Arabischen reicht bis in die Gegen-
wart hinein, denn der Koran nimmt im Alltag der Muslime eine herausragende Rolle
ein. Am deutlichsten manifestiert sich das im Gebet (salat), das Muslime in arabi-
scher Sprache verrichten. Die Übernahme der koranischen Vorstellungswelt führt
außerdem dazu, dass koranische Termini zum festen Repertoire der Alltagskommu-
nikation in der muslimischen Welt werden.

2.2 Arabisch als Gebetssprache


Mit der Unnachahmlichkeit der Verkündigung geht ihre Unübersetzbarkeit einher.
Der muslimischen Überlieferung zufolge soll der Prophetengefährte Salman der
Perser die erste Sure des Korans ins Persische übertragen haben, um seinen Lands-
leuten den Zugang zu Gottes Wort zu erleichtern (vgl. Özsoy 2010, 111). Es wird aber
134 | Lirim Selmani

unterstrichen, dass Original und Übersetzung nicht äquivalent sein können, weil
die ästhetische Dimension verloren gehe. Von einem „Übersetzungsverbot“ kann
dennoch nicht gesprochen werden: „Es war niemals Anliegen der islamischen Ge-
lehrten, dem Volk das Heilige Buch vorzuenthalten oder die Menschen gar ‚ver-
dummen‘ zu wollen“ (Bauer 2011, 142). Die Haltung gegenüber dem Arabischen des
Korans begünstigt sicher, dass nicht in der Muttersprache gebetet wird, da man
Gefahr liefe, die Botschaft zu deformieren. Dem klassischen Koranexegeten ar-Razi
(gest. 1209) zufolge komme es sich keinesfalls gleich, „ob man den Koran nur den
Inhalten nach kenne und im Gebet rezitiere oder ob man eben jene Ausdrücke [ge-
meint ist das arabische Original, L. S.] verwende“ (zit. n. Kermani 2003, 152) (eine
ähnlich Diskussion wurde auch in Bezug auf das Lateinische als Messsprache lange
geführt).
Im Islam ist das Gebet ein institutionalisiertes Ritual, dessen Praktizierung in
der Gemeinschaft (vor allem in der Moschee) bevorzugt wird (ausführlicher zum
Gebet Leaman 2008a). Im Gebet kommt es zu einem Kontakt zwischen der transzen-
denten und menschlichen Welt. Das Gebet, in dem Suren des Korans (keine
Hadithe) rezitiert werden, stellt für den Muslim eine religiöse Pflicht (fard) dar.
Nicht wenige muslimische Theologen sind der Ansicht, dass für das Muslimsein die
Verrichtung des Gebets konstitutiv ist. Es ist eine zentrale kommunikative Form der
Verehrung und macht die Institutionalität der Religion greifbar (vgl. Lasch/Liebert
2015, 483). Im Koran gibt es keine einzige Stelle, in der die Gläubigen dazu aufge-
fordert werden, das ihnen auferlegte Gebet (z. B. Koran 2:43) in arabischer Sprache
abzuhalten. Auch in den Aussprüchen des Propheten findet sich kein expliziter
Hinweis darauf. Der wirkmächtige Theologe Abu Hanifa (gest. 767) etwa hat sich für
die Verrichtung des Gebets in der Muttersprache ausgesprochen (vgl. Özsoy 2010,
113).
Die von Muslimen angefertigten Koranübersetzungen spielen in der liturgischen
Praxis keine Rolle. Für den bedeutenden mittelalterlichen Theologen asch-Schafi
(gest. 820) ist ein in der Muttersprache verrichtetes Gebet nicht gültig:

Jeder Muslim muß sich bemühen, soviel Arabisch zu lernen, wie er kann, so daß er zumindest
in der Lage ist zu bezeugen, daß es keinen Gott gibt außer Gott und Mohammed Sein Diener
und Gesandter ist, und er das Buch Gottes rezitieren und den takbir, tasbih, tashahud [das sind
Elemente des Gebets, L. S.] und ähnliches aussprechen kann, wie es ihm als Pflicht auferlegt
worden ist. (zit. n. Kermani 2003, 160)

Wie schwierig es sein kann, wenn man am Arabischen als lingua sacra rüttelt, zeigt
der Fall der Türkei: Nach der Gründung der türkischen Republik im Jahre 1923
unternimmt der Staat Anstrengungen, den Islam zu „entsakralisieren“ und zu
„nationalisieren“ (vgl. Özdoğan 2007, 196ff., Özsoy 2010, 114f.). Das Türkische soll
in religiöse Riten Einzug erhalten. Das stößt auf erbitterten Widerstand der
Gläubigen (vgl. Özdoğan 2007, 212). Nachdem die „Türkisierung“ des Gebets
scheitert, wird 1933 beschlossen, dass der Gebetsruf in Türkisch zu erfolgen habe
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 135

und jeder mit einer Haftstrafe belegt werden könne, der sich nicht daran halte –
auch das kann langfristig nicht durchgesetzt werden: Im Jahre 1950 hebt die
Regierung dieses Gesetz auf (vgl. Özdoğan 2007, 218).
Warum bestehen Muslime aber darauf, auf Arabisch zu beten? Verehrungsakte
könnten auch in der Muttersprache vollzogen werden. Der Hauptgrund ist
wiederum in der sprachlichen Unnachahmlichkeit des Korans zu sehen. Die
Unnachahmlichkeit inkludiert – wie in Abschnitt 1.3.1 gezeigt wurde –, dass die
Sprache nicht nur Form bzw. Medium der Offenbarung ist, sondern auch die
Bedeutung der Botschaft mit konstituiert. Anhand der Sprache wird die göttliche
Qualität der Mitteilung verdeutlicht. Die Unnachahmlichkeit hat zwangsläufig die
Konstitution einer lingua sacra zur Folge, die im Gebet zum Ausdruck kommt. Mit
lingua sacra ist nicht gemeint, dass das Arabische eine „heilige Sprache“ ist (in der
koranischen Vorstellungswelt kommt nur Gott Heiligkeit zu), sondern vielmehr,
dass im Gebet, das ja eine heilige Handlung ist, der Sprache des Korans eine
besondere Rolle zukommt. Es sind die „Worte“ Gottes, die einen heiligen Status
haben, das Arabische ist das Medium, durch das sie fließen, und damit nicht heilig.
Hamidullah (1988), der das Arabische als „Muttersprache der Muslime“
bezeichnet, nennt mehrere Gründe, warum Arabisch als Sprache des Gottesdienstes
verwendet werden sollte. Neben der Tatsache, dass Arabisch die Verkündigungs-
sprache ist, ist der Öffentlichkeitscharakter des Gebets von Bedeutung, das
vorzugsweise in der Gemeinschaft (dschamat) ausgeführt wird (vgl. Abschnitt 1.2).
Eine einheitliche Sprache fördere den Gemeinschaftsgeist der Muslime. Betete jeder
Muslim in seiner Muttersprache, so käme es in mehrsprachigen Gesellschaften zu
Spannungen, denn „man darf auch nicht den psychologischen Standpunkt des
Menschen übersehen, der manchmal kleinliche Vorurteile des Fremdenhasses hegt“
(Hamidullah 1988, 360). Dies führe dazu, dass die Anderssprachigen sich ausge-
grenzt fühlten. Die (einheitliche) arabische Gebetssprache wirke diesen Tendenzen
entgegen, denn in „einer Weltreligion aber müssen gewisse grundlegende Dinge
allen Gläubigen gemeinsam sein“ (Hamidullah 1988, 360). In der einheitlichen
Gebetssprache kommt der Aspekt der Institutionalität zum Vorschein. Ein in der
jeweiligen Muttersprache der Gläubigen verrichtetes Gebet führt danach zu einer
Deinstitutionalisierung.
Man könnte meinen, dass nichtarabische Muslime den Koran nicht verstünden
und damit nicht wüssten, was sie überhaupt im Gebet rezitierten (vgl. z. B. Jastrow
2005, 789). Die nichtarabischen Muslime aber als völlig Ahnungslose zu bezeich-
nen, ist irreführend. Praktizierende Muslime verfügen über religiöses Wissen. Sie
suchen regelmäßig Moscheen auf, in denen koranische Inhalte in der Muttersprache
vermittelt werden (z. B. in der Freitagspredigt). Zudem können Übersetzungen
konsultiert werden. Das Auswendiglernen koranischer Passagen stellt ebenfalls
kein großes Hindernis dar. Es gibt reichlich kurze Suren, die in wenigen Stunden
auswendig gelernt werden können, weil der Koran in Reimen abgefasst ist:
136 | Lirim Selmani

wa-l-adiyati dabhan / Die schnaubenden, die jagenden, / wa-l-muriyati qadhan / Mit Hufschlag
Funken schlagenden, / wa-l-mughirati subhan / Den Morgenangriff wagenden, / fa-atharna bi-
hi naqan / Die Staub aufwühlen mit dem Tritte, / fa-wasatna bi-hi dschaman / Und dringen in
des Heeres Mitte! (Koran 100:1–5, übers. von Rückert)

Zudem ist die Bedeutung der Kurzsuren vielen bekannt. Folglich kann nicht
behauptet werden, dass es nur ein mechanisches Aufsagen, ein bloßes Reprodu-
zieren von Unverstandenem sei.
Ein weiterer Grund, dass auf Arabisch gebetet wird, könnte in der
Rezeptionserfahrung, in der realen Wirkung des Korans auf die Muslime liegen. Die
Rezeptionserfahrung wird durch die sprachliche Unerreichbarkeit hervorgerufen.
Im Islam hat sich aufgrund dessen eine Kultur der Koranrezitation und des
Koranhörens (vgl. Abu Zaid 2008, 137) herausgebildet – etwas, was bei anderen
heiligen Texten nicht zu beobachten ist. Der Koran hat eine mündliche und eine
akkustische Dimension (vgl. Abu Zaid 2008, 142). Das kunstvolle Rezitieren des
Korans (Orthoepie, tadschwid) hat (wie das Auswendiglernen auch) eine lange
Tradition (vgl. Kahteran 2008). Die Rezitation ist von einzigartiger und
ausgewogener Komplexität; der Koran hat eine eigene Musikalität – gemeint ist eine
übernatürliche –, weswegen eine Rezitation zu komponierten Melodien abzulehnen
ist (vgl. Kermani 2003, 196). Hier wird klar, dass der Koran seine volle Wirkung nur
dann entfalten kann, wenn die Form, das Wie der Offenbarung, Berücksichtigung
findet. Form und Funktion interagieren, zwischen ihnen gibt es eine dialektische
Wechselwirkung (vgl. Abschnitt 1.2). Der Koran wird gesungen – das ist im Koran so
angelegt. Aus diesem Grund übersetzt Rückert den koranischen Aufruf rattili l-
kurana tartilan (73:4) richtigerweise mit ,,sing den Koran ab sangweise“. Der Koran
empfiehlt, ihn im Gebet nicht zu laut und nicht zu leise zu rezitieren, was seinen
anzupassenden Rezitationscharakter unterstreicht. So heißt es im Koran:

Sprich: Rufet Ihn Allah an oder rufet Ihn an ar-Rahman [Der Erbarmer] – wie ihr Ihn auch
anrufen mögt, Sein sind die schönsten Namen. Und bete nicht zu laut und auch nicht zu leise,
sondern halte den Weg dazwischen inne. (Koran 17:110, übers. von Henning)

Viele (gebildete) Muslime können den Koran auf Arabisch lesen (oder haben doch
Passagen auswendig gelernt, die jederzeit abrufbar sind). Das Koranlesen bringt
Segen. Heute finden in der islamischen Welt regelmäßig Weltmeisterschaften in
Koranrezitation statt, an denen auch nicht arabischsprachige Muslime teilnehmen.
Kermani hat in seiner eingehenden Studie (2003) eindrucksvoll gezeigt, welche
ungeheure, faszinierende Wirkung die Sprache des Korans, sein Klang auf die Hörer
hat. Diese Wirkung kann nur dann entfaltet werden, wenn die Hörer den Koran in
seiner ursprünglichen Form rezipieren. So glauben Koranrezitatoren, man könne nur
durch den Klang der Rezitation denen, die des Arabischen nicht mächtig sind, die
Bedeutung der Offenbarung kommunizieren (vgl. Kermani 2003, 188). Durch
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 137

aufmerksames Hören des Korans können die Gläubigen der Barmherzigkeit Gottes
teilhaftig werden, worauf der Koran selbst anspielt:

Und wenn der Koran vorgetragen wird, dann hört zu und haltet (solange) Ruhe! Vielleicht
werdet ihr Erbarmen finden. (Koran 7:204, übers. von Paret)

Das Hören ist hier nicht als ein passives Aufnehmen zu verstehen, „es stellt
vielmehr den inneren, intimen und von Herzen gefühlten Akt des Verstehens dar“
(Abu Zaid 2008, 137). Die von der Koransprache ausgehende Ergriffenheit wurde
schon am Beispiel des altarabischen Dichters Labid kurz skizziert (vgl. Abschnitt
1.3.1). Einen solchen Einfluss hat der Koran heute noch. Die einer Koranrezitation
Beiwohnenden brechen in Tränen aus, stoßen Schreie aus, fallen in Ekstase (was
den Geistlichen missfällt, weil die Menschen stärker von der Melodie als von den
Inhalten des Korans angezogen werden) (vgl. Kermani 2003, 194). Es kommt zu
einem „ästhetischen Erleben des Korans“:

Wieviele Augen haben sich mit Tränen und wieviele Herzen mit Ehrfurcht gefüllt, da der Koran
über diese Herzen geströmt ist […] wie erzeugt der Koran diese Magie, die den Geist verwirrt
und das Herz schüttelt. Durch seine Ausdrücke? Seine Sinninhalte? Durch beides? […] Der
Nerv, der alles berührt, […] ist die offenkundige und verborgene Musik in den Versen des
Koran. (Nelson, zit. n. Kermani 2003, 196)

Die Reaktion der ersten Hörer ist das Weinen. Die „plötzliche Erkenntnis der
Wahrheit“ (Wild 1997, 94) führt zur Fassungslosigkeit, denn den Menschen
offenbart sich ein richtender Gott. Über das Weinen der ersten Hörer berichtet auch
der Koran:

Und wenn sie hören, was hinabgesandt ward zum Gesandten, siehst du ihre Augen von Tränen
überfließen infolge der Wahrheit, die sie darin erkennen, indem sie sprechen: Unser Herr, wir
glauben; so schreib uns ein unter jene, die es bezeugen. (Koran 5:83, übers. von Henning)

Wie bezaubert, aber auch fassungslos auf den Wohlklang des Korans reagiert
werden kann, zeigen insbesondere die islamischen Mystiker, die Sufis, die der
Sprache (und insbesondere dem Arabischen) eine magische Kraft zuschreiben. Die
mystische Literatur berichtet von vielen Fällen, in denen die Hörer in Ohnmacht
fallen oder gar sterben (vgl. Wiesmüller 2002).
Im Gebet, dem „Kommunikationskanal“ (Abu Zaid 2008, 140) zwischen Mensch
und Gott, wird die Mündlichkeit, die Diskursivität (mit dem hier verwendeten
Diskursbegriff ist „Gespräch“ bzw. „Vortrag“ gemeint) des Korans am stärksten
manifest (vgl. Abu Zaid 2008, 142, 162ff., Kermani 2003, 175ff., Kellermann 1995).
Ursprünglich wurde der Koran von dem Propheten und seinen Gefährten mündlich
vorgetragen und tradiert. Die Vertextung erfolgte später. Sie dient lediglich der
Bewahrung des Textes, wodurch sich das traditionelle Auswendiglernen als
Grundlage der primären Kommunikationsform erklären lässt. Hier wird deutlich,
138 | Lirim Selmani

dass im arabischen Kulturraum eine orale Tradition vorherrscht, nicht eine scribale
(wie im abendländischen Kulturkreis). Die muslimische Tradition registriert diese
beiden Dimensionen des Korans mit unterschiedlichen Termini. Eine
Unterscheidung legt der Koran selbst nahe (vgl. Wild 1997, 100). Mit Koran wird die
ursprüngliche Existenzform, seine Diskursivität, bezeichnet; die Materialisierung,
die schriftliche Fixierung (die „Grammatisierung der Religion“ (Ehlich 2007, 293))
dagegen wird mushaf genannt (vgl. Neuwirth 2010b, Bobzin 2014, 106ff., Arkoun
1999, 73ff., Abu Zaid 2008, 165ff.).
Texte stellen pragmatisch „zerdehnte Sprechsituationen“ (Ehlich 1984) dar. Im
Gebet wird der „Textraum“ verlassen und durch einen „Sprechzeitraum“ ersetzt, die
Zerdehung wird dadurch aufgehoben. Das dem Verkünder Verkündete ist nicht
mehr in einem Fernbereich, sondern befindet sich nah an der „Origo“ (Bühler
1943/1999). Laut Abu Zaid (2008, 142f.) entsteht im Gebet eine „Semi-[Offen-
barungs]-Situation“. Das Gebet als stabilisierende rituelle Handlung dient der
Vergegenwärtigung und macht diesen Ort

der Eigengesetzlichkeit auch zu [einem Ort] der Eigenzeitlichkeit: Rituale sind zeitlich
unmittelbar, gestalten aber die Gegenwart durch die Vergegenwärtigung des Vergangenen
(Lasch/Liebert 2015, 483f.).

Vergegenwärtigt wird die Offenbarungssituation, die göttliche Entäußerung. Die


Vergegenwärtigung kann nur mittels der arabischen Sprache realisiert werden.
Denn Arabisch ist das Medium, der Kanal der himmlischen Offenbarung. Die Praxen
Verkündigung und Verehrung sind in Riten eingebettet: Die im Ritual zum Einsatz
kommende Sprache wird so für spezifische Zwecke funktionalisiert (vgl. Lasch/Lie-
bert 2015, 484).

2.3 Koranisches Vokabular im Alltag


Der Islam ist nicht nur eine Religion, sondern auch eine Lebensform, was sich auch
sprachlich im Gebrauch religiöser Ausdrucksformen manifestiert. Es ist die
mündliche und akkustische Dimension des Korans, die das „koranische Gepräge“
der Sprachen der islamisierten Völker begünstigt (vgl. Abu Zaid 2008, 149).
Aufgrund der rituellen Rezitation des Korans dringt die Sprache des Korans in den
Alltag ein. Auch heute bedienen sich alle Muslime eines koranischen Vokabulars,
das in den unterschiedlichsten Alltagssituationen zum Einsatz kommt.
Exemplarisch wird nur auf einige Ausdrücke bzw. Idiome eingegangen, die eine
hohe Vorkommensfrequenz haben. Solche Formeln gehören zum Grundbestand
muslimischer Ausdrucksweisen. Der Gebrauch solcher Formeln kommt (häufig)
Verehrungsakten nahe.
Alle Muslime nennen Gott Allah (wörtl. der Gott). Allah verhält sich
grammatisch wie ein Eigenname. Das Substantiv (illah) ist mit dem Artikel (al)
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 139

verschmolzen, zu einem Ausdruck grammatikalisiert (al-lah). Allah lässt sich gram-


grammatisch nicht pluralisieren. Hierin schlägt sich die im Koran so oft
herausgestellte Einheit Gottes nieder (Abschnitt 1.2). Unter Muslimen gilt die
einzelsprachliche Bezeichnung als verpönt, obwohl aus theologischer Sicht nichts
dagegen spricht. Heute ist der Gottesname mit unterschiedlichen Bedeutungen in
vielen Sprechhandlungen des Alltags präsent. Er kann z. B. Bewunderung für eine
schöne Stimme, ein außergewöhnliches Ereignis oder auch (mit spezifischer
Intonation) Missfallen und (bei mehrfacher Wiederholung) Spott zum Ausdruck
bringen. In diesen Gebrauchsweisen hat er keine religiöse Bedeutung, sondern hier
liegt eine Umfunktionalisierung, eine Zweckverschiebung vor: Der Ausdruck Allah
wird als „Abtönungspartikel“ reanalysiert. Abtönungspartikeln sind typisch für die
mündliche Sprache und drücken Einstellungsstrukturen des Sprechers zum
Gesagten aus (z. B. wohl, halt, eben im Deutschen) (ausführlicher zu Allah
Saritoprak 2008).
Der islamische Friedensgruß (as-salamu alaikum / ,Der Friede sei mit euch‘) ist
weit verbreitet und nicht nur unter muslimischen Arabern gebräuchlich. Laut Koran
werden die ins Paradies Eintretenden mit diesem Gruß empfangen:

Edens Gärten, in die sie eintreten sollen nebst den Rechtschaffenen von ihren Vätern, ihren
Frauen und ihrer Nachkommenschaft; und die Engel sollen eintreten zu ihnen von allen Toren
(und sprechen): Frieden sei auf euch, darum daß ihr standhaft bliebet. Und schön ist der Lohn
der Wohnung […]. (Koran 13:23–24, übers. von Henning)

Der Friedensgruß wird nahezu bei jeder Begegnung ausgesprochen. Der Gegengruß
lautet (wa) alaikum as-salam (,Mit euch sei der Friede‘). Es gilt als eine grobe
Unhöflichkeit, wenn der Friedensgruß nicht erwidert wird.
Die basmala-Formel ,Im Namen Gottes, des barmherzigen Erbarmers‘ (bi-smi
llahi r-rahmani r-rahim) kommt in unterschiedlichen alltäglichen Situation zum
Einsatz. Mit ihr soll Segen erbeten werden. Jede Sure des Korans (mit Ausnahme der
9.) beginnt mit der basmala. In einem Hadith des Propheten heißt es, dass „jede
Aussage und jede nennenswerte Handlung unvollständig ist, wenn ihnen nicht die
Nennung des Gottesnamens vorangeht“ (vgl. Abu Zaid 2008, 151). So sprechen
Muslime diese religöse Formel, wenn sie einen Raum betreten, ein Buch
aufschlagen oder den Motor eines Autos anlassen, und vor allem vor dem Essen.
Viele muslimische Autoren – und nicht nur die klassischen – beginnen ihre Texte
mit der basmala (vgl. detaillierter Wild 2008).
Bei al-hamdu li-llah (,Der Dank/das Lob gebührt Gott‘) handelt es sich um einen
Nominalsatz. Al-hamdu li-llah antworten Muslime, wenn sie nach ihrem
Wohlbefinden gefragt werden, unabhängig davon, ob es ihnen gut oder schlecht
geht. Dieses Idiom hat die Illokution des Dankens. Die Dankbarkeit gegenüber Gott
ist im Islam eine zentrale Haltung. Alles, was den Menschen widerfährt, kommt von
Gott. Der fromme Muslim erträgt jeden Zustand und hadert nicht mit Gott. Das
bedeutet ja Islam (,die völlige Hingabe an Gott‘). Die erste Sure des Korans, die
140 | Lirim Selmani

Fatiha (,Die Öffnende‘), beginnt mit der Lobpreisung Gottes: „Lob sei Allah, dem
Herrn der Welten […].“
Sprechen Muslime über Zukünftiges oder einen Vorsatz, fügen sie dem
Gesagten stets insha allah (,So Gott will‘) hinzu. Im Koran heißt es:

Und sprich von keiner Sache: Siehe, ich will das morgen tun, Es sei denn (du setzest hinzu): So
Allah will. Und gedenke deines Herrn, wenn du es vergessen hast, und sprich: Vielleicht leitet
mich mein Herr, daß ich diesem (Ereignis) mit Richtigkeit nahekomme. (Koran 18:23–24, übers.
von Henning)

Mit dem Optativ insha allah wird die Illokution des Wunsches realisiert. Damit das
Gewünschte eintrifft, wird die Erlaubnis Gottes erbeten. Sprecher können mittels
insha allah zudem zum Ausdruck bringen, dass sie die Wahrscheinlichkeit des
Zutreffens eines Ereignisses als gering einschätzen, wobei dann eine
„Modalpartikel“ vorliegt.
Bei dem Anblick von etwas Schönem (z. B. bei Kleinkindern) wird die Formel
ma sha allah (,Was Gott will‘) eingesetzt. Dieser Gebrauch geht auf ein koranisches
Gleichnis zurück, in dem von einem prächtigen Garten die Rede ist:

Und warum, als du deinen Garten betratest, sprachst du nicht: Was Gott will! (Koran 18:39,
übers. von Henning)

Gott wird als Urheber dieser Schönheit gepriesen, um den „bösen Blick“ (im
Volksislam) abzuwehren. Mit diesem Exklamativ wird die Illokution eines Anrufs
verbalisiert.
Der Einfluss des Arabischen äußert sich darüber hinaus in Eigennamen.
Muslime tragen Namen, die aus der klassischen Zeit stammen. Sehr beliebt sind
unter Sunniten der Name des Propheten und die Namen seiner Gefährten (sahaba).
Charakteristisch für arabisch-islamische Eigennamen ist, dass sie auch als
Gattungsnamen gebraucht werden können, wodurch die Bedeutung transparent
bleibt: Muhammad (,der Gelobte‘), Ali (,der Hohe‘) usw. Mit dem Gebrauch als
Eigenname, der einen Grammatikalisierungsprozess darstellt, wird die ursprüng-
liche Bedeutung abstrahiert. Besonders beliebt sind Namen, die sich aus abd
(,Diener‘) und einem der „schönsten Namen“ Gottes (asma al-husna)
zusammensetzen, z. B. Abdalaziz (,Diener des Liebenswürdigen‘), Abdarrahman
(,Diener des Erbarmers‘) oder Abdallah (,Diener Gottes‘).
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 141

3 Ausblick: Arabisch als vollkommene Sprache


3.1 Rückblick: akribische Philologie und Kodifizierung
Die im Mittelalter in Gang gesetzte enorme philologische Arbeit erhält ihre Impulse
auch von der frühen Koranwissenschaft (vgl. Sezgin 1984; Neuwirth 1990).
Wörterbücher (z. B. das kitab al-ain ,Das Buch des Glotisverschlusslauts‘ von al-
Khalil (718–791), der der Begründer der arabischen Sprachwissenschaft ist),
Abhandlungen über Rhetorik (z. B. die asrar al-balagha ,Die Geheimnisse der
Wortkunst‘ von al-Dschurdschani) und vor allem Grammatiken (insbesondere die
Nationalgrammatik al-kitab ,das Buch‘ Sibawayhis (760–793)) werden verfasst (vgl.
Chejne 1969, 38ff., Versteegh 2014, 74ff.). Zwischen 750 und 1500 wirken über
viertausend Grammatiker (vgl. Versteegh 2014, 107; zur arabischen grammatischen
Tradition Versteegh 1997; Flügel 1862).
Laut Bauer (2011, 231f., 2007, Sp. 113f.) treibe nicht der Glaube die frühen
Sprachwissenschaftler an, sondern das Interesse an der arabischen Sprache selbst
und an dem profanen Erbe der vorislamischen Poesie. Schließlich diene nicht nur
der Koran als empirische Basis der lexikographischen und grammatischen Arbeit,
sondern in erster Linie die Sprache der Beduinen (vgl. Bauer 2011, 230, Versteegh
1997, 104). Die „kulturelle Energie“ ging also nicht nur vom Islam aus. Die arabisch-
islamische Kultur hat einen weltlichen Ausgangsunkt (vgl. Bauer 2011, 224). Eine
Kenntnis der vorislamischen Kultur ist obligat, will man den Islam verstehen.

Aber diejenigen, die den Koran auslegen wollten, standen letztlich vor ganz ähnlichen
Problemen wie die, welche die altarabische Poesie erklären wollten, und so entwickelte sich
parallel zur Erklärung des altarabischen Beduinenwortschatzes die Erklärung des Korantextes
und des Hadith. Beides geschah zunächst unabhängig voneinander, auch wenn die profane
und die religiöse Überlieferung hin und wieder von denselben Personen (die eben Experten in
Sachen schwieriger Texte waren) erschlossen wurden. (Bauer 2011, 232)

Auch wenn die Lexikographen und Grammatiker die Sprache der altarabischen
Dichtung im Blick haben, ist eine Beseelung durch den Koran nicht von der Hand zu
weisen – Exegese und Grammatik gehen Hand in Hand. Dass die systematische
philologische Arbeit nach der Offenbarung des Korans beginnt, ist kein Zufall. Eine
solche intensive Auseinandersetzung mit Sprache (sei sie religiös motiviert oder
nicht) ist für diese Zeit überaus bemerkenswert und verdient Anerkennung.
Die Sprachpflege führte zu einer „Blüte der Sprachwissenschaft, wie sie in der
vormodernen Welt hinsichtlich Umfang und Qualität einzig ist“ (Bauer 1996, 1484).
Dass die Sprachwissenschaft in keiner anderen Kulturgemeinschaft eine
vergleichbar herausragende Stellung hatte, zeigt diese Anekdote:
142 | Lirim Selmani

Zwei Prinzen […] stritten sich um die Ehre, die Schuhe des gelehrtesten Grammatikers ihres
Reiches anlegen zu dürfen; worauf ihr Vater, der Kalif, bemerkt haben soll, es sei der Ruhm
seines Landes, daß man große Grammatiker sogar höher als Könige ehre. (Whorf 2008, 8)

Die im Dienste der arabischen Offenbarungssprache stehende Arbeit der Lexikogra-


phen (lughawiyyun) und Grammatiker (nahwiyyun) mündet in der Kodifizierung (vgl.
Versteegh 2014, 65ff.), die das Arabische von einem tribalen Dialekt (der Dialekt der
Quraisch) zu einer Weltsprache erhebt (vgl. Chejne 1969, 38). Als empirische Basis
der Kodifizierung dient die Vertextung des Korans und der altarabischen Dichtung,
deren Sprache es zu bewahren gilt (vgl. Chejne 1969, 40, Marzari 2009, 45). Die Ko-
difizierung hat ihre Berechtigung darin, dass das Arabische anfangs einem Einfluss
der Sprachen der eroberten Völker (z. B. Persisch) ausgesetzt ist. Durch Sprachkon-
takt hervorgerufenen Wandlungserscheinungen des Arabischen soll durch Normie-
rung entgegengearbeitet werden. Es sind vor allem die grammatischen Fehler, die
im Gebrauch bei islamisierten Nichtarabern beobachtet werden, die die grammati-
sche Arbeit in Gang setzen (vgl. Versteegh 1997, 153f., Bauer 1996, 1484). Ibn Al-
Anbari (gest. 1181) berichtet:

According to one account Ziyad ibn Abihi sent for Abu l-Aswad and said to him: ‘O Abu l-
Aswad, these foreigners have multiplied and corrupted the tongues of the Arabs. Couldn’t you
compose something to correct their languages and give God’s Book in proper declension?’ Abu
l-Aswad refused and did not want to comply with his request. Then, Ziyad sent for somebody
and said to him: ‘Go and sit down in the road near to Abu l-Aswad, and when he passes by you
recite something from the Qur’an, but make sure to make some mistake’. The man did this
when Abu l-Aswad passed by he recited ‘God keeps clear from unbelievers and from His
Prophet’ [with genitive, instead of ‘Good keeps clear from the unbelievers and so does His
Prophet’, with nominative]. Abu l-Aswad was shocked. He returned immeadiately to Ziyad and
said to him: ‘I’d like to comply with what you asked me to do and I think it would be best to
start with the declension of the Qur’an’. (Ibn al-Anbari, zit. n. Versteegh 1997, 3)

Bauer (2011, 227) sieht einen Zusammenhang zwischen der Kodifizierung und dem
Übergang von der griechischen und persischen Verwaltungssprache des entstande-
nen arabisch-islamischen Weltreiches zum Arabischen (gegen Ende des 7. Jahrhun-
derts, initiiert von dem omayyadischen Kalifen Abd al-Malik). Ein solcher Wechsel
zieht eine „intensive Sprachplanung“ nach sich (vgl. ausführlicher Bauer 2011,
227f.). Da der Schwerpunkt der islamischen Kultur außerhalb Arabiens (Irak, Syrien)
verlagert wird und die Träger dieser Kulturen (Perser, Aramäer) mit der arabischen
Sprache nicht vertraut sind, kommt es zu einem „Sprachproblem“:

Die Entstehung eines arabischen Reiches und schließlich einer arabisch-islamischen Kultur
wäre nicht möglich gewesen, wenn man dieses Sprachproblem nicht in den Griff bekommen
hätte. Doch genau dies ist den Arabern gelungen. In erstaunlich kurzer Zeit entwickelte sich
fast aus dem Nichts eine Sprachwissenschaft, die alles bisher auf diesem Gebiet Dagewesene –
sei es in Indien, sei es in der griechisch-römischen Antike – weit hinter sich lies und die zu ei-
ner der Grundlagendisziplinen der islamischen Wissenschaften wurde. Tatsächlich ist das erste
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 143

‚richtige‘ arabische Buch (vom Koran natürlich abgesehen) ein grammatisches Werk, nämlich
die arabische Grammatik des Sibawayhi [...]. (Bauer 2011, 230)

Den Arabern gelingt es, in kurzer Zeit eine einheitliche, effektive und „ästhetisch
durchgeformte“ Verwaltungssprache durchzusetzen, worin das größte Wunder der
arabisch-islamischen Eroberungen liege (vgl. Bauer 2011, 229).
Die strenge Normierung führt dazu, dass die grammatischen Freiheiten, die im
Koran und der Dichtung zu beobachten sind, sich im Laufe der Zeit auflösen. Regio-
nale Besonderheiten in der Dichtung werden zwecks Vereinheitlichung der Hoch-
sprache graduell beseitigt. Das von den frühen Grammatikern reglementierte Ara-
bisch unterscheidet sich kaum von der Sprache der vorislamischen Dichtung. Die
Normierung führt aber dazu, dass Nebenformen ausgemerzt werden, z. B. im Be-
reich der Demonstrativa, die in der Dichtersprache, die einen engen Kontakt zu den
dialektalen Varietäten hat, akzeptiert sind (vgl. Bauer 1996, 1484).
Aus der Sprache des Korans gerinnt die Grammatik des Arabischen. Ibn al-
Munayyir (1223–1284) zufolge dürfe der Koran nicht an den Regeln des Arabischen
gemessen werden, vielmehr müssten diese nach dem Korantext ausgerichtet werden
(vgl. Ullmann 1966, 222). Für den mittelalterlichen sunnitischen Theologen as-
Suyuti (1445–1505) habe der Grammatiker die Deklinationsregeln bspw. aus dem
Koran abzuleiten, als Sprachfehler ist zu bewerten, was der koranischen Sprache
zuwiderlaufe (vgl. Haggag 2011, 22). So verwundert es nicht, dass die frühen Theo-
logen auch Grammatiker sind. Die geschaffene grammatische Normierung der ara-
bischen Sprache dient der korrekten Lesung des Korans, Fehlauslegungen soll
dadurch entgegengesteuert werden.

3.2 Arabisch als lingua universalis


Der sprachliche Wundercharakter des Korans, die Verknüpfung von göttlicher Of-
fenbarung und Arabisch und die Ehrfurcht vor dem Wort Gottes veranlassen einige
muslimische Gelehrte (darunter auch viele nichtarabische) dazu, die arabische
Sprache zur vollkommenen Sprache und damit zugleich zur Ursprache zu erklären.
Im abendländischen Kulturkreis (und darüber hinaus) gibt es seit jeher Überle-
gungen, eine vollkommene Sprache, eine lingua universalis zu kreieren. Die jüdische
Mystik, die Kabbala, sieht im Hebräischen die „Ur-Muttersprache“ der Menschheit
(vgl. Eco 1995, 38ff., 44ff. und Kämper in diesem Band). Mit der Ankunft des Messias,
die einhergeht mit dem Ende der Zeiten, verschwindet die Sprachenvielfalt, die
Sprachenverwirrung, „wenn alle existierenden Sprachen von der Heiligen Sprache
reabsorbiert worden sind“ (Eco 1995, 46).
Auf Leibniz (1646–1716) geht die Idee einer „characteristica universalis“, einer
universellen apriorischen Sprache, die alle Gedanken ausdrücken könnte, zurück
(vgl. Eco 1995, 276ff.; Stockhammer 2010; Blanke 1996). Darunter stellte sich Leibniz
144 | Lirim Selmani

ein Zeichensystem vor, in dem die Relationen „zwischen Zeichen und Begriffen
isomorph sein sollen“ (Blanke 1996, 32). Die Zeichen hätten also eine durchsichtige
Bedeutung.
Eine Suche nach der perfekten Sprache ist dem arabisch-muslimischen Kultur-
kreis fremd. Im Koran sehen seine Rezipienten die vollkommene Sprache, das, was
sich Leibniz unter characteristica universalis vorstellte, verkörpert. Muslime sind der
Ansicht, dass die Relation zwischen dem sprachlichen Zeichen und der Bedeutung
in der koranischen Sprache „nicht-arbiträr“ ist (vgl. Haeri 2003, 12f.).

Seit der babylonischen Urkatastrophe rätselt die Menschheit über die verlorengegangene,
träumt sie von der Wiedererlangung der einen und vollkommenen Sprache. [...] Nur die Araber,
die Muslime unter ihnen, beteiligten sich nicht an der Suche. Die Möglichkeiten einer voll-
kommenen Sprache zu erkunden, womöglich selbst eine solche zu kreieren, war in der ara-
bisch-islamischen Geistesgeschichte offensichtlich zu keinem Zeitpunkt ein Thema wissen-
schaftlicher, sprachphilosophischer oder alchemistischer Forschung. Die Araber träumten
nicht mehr, sie hatten gefunden. Im Koran, so waren und sind die meisten unter ihnen über-
zeugt, ist die Menschheitsutopie von der vollkommenen Sprache verwirklicht. (Kermani 2003,
165)

Gilliot/Larcher (2003, 118) sehen einen Zusammenhang zwischen der Gründung des
arabisch-islamischen Weltreiches und der mythischen Konzeption einer lingua uni-
versalis. Mittels der Sprache werde die Macht gegenüber den besiegten Völkern
(Persern, Byzantinern) zusätzlich legitimiert.
Für den mittelalterlichen Grammatiker Ibn al-Farra (gest. 822) ist das Studium
des Arabischen religiös fruchtbringender als die Beschäftigung mit der islamischen
Jurisprudenz (vgl. Chejne 1969, 12). Ibn Hubayra (1105–1165) geht noch weiter: Im
Paradies werden die Sprecher eines korrekteren Arabisch vor solchen präferiert,
deren Arabisch nicht an das ihrige heranreicht (vgl. Kermani 2003, 159f.). Der Philo-
loge Ibn Faris (gest. 1005) erhebt Arabisch zur Sprache des Paradieses, zur „lingua
adamica“ (Trabant 2006, 17), zur Quelle aller anderen Sprachen, mit dem Arabi-
schen ließe sich alles in vortrefflicher Weise versprachlichen, Gott habe sie als Of-
fenbarungssprache erkoren, weil sie die am schönsten klingende sei (vgl. Kermani
2003, 164, Chejne 1969, 9f.). Ibn Faris lobt insbesondere den lexikalischen Reich-
tum: Während die meisten Sprachen ein Wort zur Verbalisierung eines Dinges hät-
ten, verfüge das Arabische z. B. über achthundert Wörter für „Schwert“, fünfhun-
dert für „Löwe“, zweihundert für „Schlange“ (vgl. Chejne 1969, 10). Für den
Rechtstheologen asch-Schafi ist die arabische Sprache

diejenige, die stilistisch am umfassendsten geregelt ist und den umfangreichsten Wortschatz
bietet, und kein Mensch außer einem Propheten kann ihre ganze Wissenschaft jemals erfassen
(vgl. Kermani 2003, 164).

As-Suyuti glaubt, alle anderen monotheistischen Offenbarungen seien aus der ara-
bischen Ursprache übertragen (vgl. Kermani 2003, 164f.), das Arabische sei die
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 145

„Mutter aller Sprachen“ (Chejne 1969, 10). Der ägyptische Reformtheologe Muham-
mad Abduh (1849–1905) erklärt das Beherrschen des Arabischen zur religiösen
Pflicht: „Unser Ruf zum Koran ist ein Ruf zur arabischen Sprache“ (vgl. Kermani
2003, 162). Der zeitgenössische Autor Maktabi bezeichnet Arabisch als „überhaupt
beste Sprache der Welt“, denn es sei Instrument der göttlichen Offenbarung; es
biete „bis zum Ende der Zeiten“ alles, „was wir an Begriffen und Ausdrücken brau-
chen“ und es könnten damit „alle neuen Namen und Inhalte“ ausgedrückt werden
(vgl. Stock 1999, 23). Wenn die arabische Sprache die Sprache des Paradieses ist,
dann ist sie „in the imagination of the Arabic-speaking people the language of an-
gels“ (Chejne 1969, 13). Engel gelten im Islam als reine Wesen, mit dem Arabischen
sprechen sie eine reine Sprache.
Es ist wichtig zu betonen, dass Arabisch als lingua sacra auf rituelle Praxen be-
schränkt ist. Sie ist Ausdruck tiefer Religiosität, die sich im Gebet manifestiert (Ab-
schnitt 2.2). Die lingua sacra erhebt das Arabische nicht zu einer besonderen, allen
anderen Sprachen überlegenen „heiligen Sprache“ – nicht zuletzt dadurch, dass
ihre Mittlerfunktion im Koran expliziert wird. Weder die Ansicht, dass das Arabische
die Sprache des Paradieses sei, noch die, dass Gott das Arabische vor allen anderen
Sprachen ausgezeichnet hätte, lassen sich dem Koran entnehmen. Der sprachliche
Wundercharakter des Korans legt nicht nahe, dass Arabische per se als vollkomme-
ne Sprache zu begreifen. Das Wunder besteht in der vollkommenen Anwendung des
Arabischen. Am Beispiel des Korans wird deutlich, wieviel durch göttliche Inspirati-
on aus einer Sprache „herausgeholt“ werden kann. Der Koran charakterisiert Mehr-
sprachigkeit als Gnadengabe Gottes (vgl. Wild 2006, 137) – an eine Präferenz des
Arabischen ist also nicht zu denken:

Und zu seinen Zeichen gehören die Erschaffung der Himmel und der Erde, die Verschiedenheit
eurer Sprachen und Farben. Darin sind Zeichen für die Wissenden. (Koran 30:22, übers. von
Zirker)

Vor Gott sind alle Menschen gleich (Koran 4:1). Diese Gleichheit impliziert auch die
Gleichwertigkeit ihrer Sprachen. Außerdem macht der Koran deutlich, dass die
Gesandten Gottes in ihrer jeweiligen Muttersprache mit der göttlichen Botschaft
betraut werden (Koran 14:4) (vgl. Abschnitt 1.3.4). Die Propheten sprechen also
unterschiedliche Sprachen, nicht eine einzige (etwa das den Engeln bisweilen zuge-
schriebene „Urarabisch“). Da der Koran zwischen den Propheten keinen Unter-
schied macht (Koran 2:285), kann die Sprache eines Propheten nicht vor den Spra-
chen der anderen ausgezeichnet, ihr keine besondere Tauglichkeit als
Offenbarungssprache attestiert werden. Das Wort Gottes ist nicht ausschließlich an
den Koran und die arabische Sprache gebunden, denn das schlösse ja die vorange-
gangenen Offenbarungen „von eben jenem Recht aus, das Wort Gottes in ihren ei-
genen ursprünglichen Sprachen auszudrücken“ (Abu Zaid 2003, 123).
146 | Lirim Selmani

Der jahrhundertlange Kult um das Arabische geht bis auf die vorislamische Zeit
zurück (vgl. im Detail Chejne 1969, 59ff.). Mit dem Koran sehen sich die Araber in
ihrem „Sprachstolz“ bestätigt:

The linguistic pride [...] of the Arabs goes back to pre-Islamic roots, but was reinforced by the
Qur’an, which the Muslims regarded as a miracle of verbal superiority and excellence. (Vers-
teegh 1997, 167)

Mit dem Arabischen verbinden sich nicht nur religiöse Assoziationen, sondern auch
kulturelle und nationale:

The attachment to and the admiration for the language have been strong, amounting to adula-
tion, and have given rise to a linguistic cult with great aesthetic, religious, cultural, and na-
tional significance. [...] This language cult was evident in pre-Islamic and early Islamic times
and has continued to be alive up to the present. (Chejne 1969, 169)

Die Überzeugung, im Besitz der vollkommenen Sprache zu sein, hat die Konservie-
rung dieser Sprache zur Konsequenz: Sie wird gepflegt, bewahrt und normiert.
Sprachkult und Sprachpurismus bedingen hier einander. Sprachliche Erscheinun-
gen, die von dieser Norm abweichen, sind nicht nur inakzeptabel, sondern sie gel-
ten als Angriff auf diese Sprache, deren Stellung sie streitig machen, an deren ho-
hen Status aber nicht zu rütteln ist. Das Arabische sei bis an seine Grenzen
ausgereizt. Geht man davon aus, dass das kommunikative Potenzial einer Sprache
allerdings – und das ist die Kehrseite der Medaille – völlig ausgeschöpft sei (was nie
der Fall ist) und leitet daraus ab, einen Status konservieren zu müssen, nimmt man
einer Sprache und ihren Sprechern die Lebendigkeit bzw. die Beweglichkeit, ihre
Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit an die sich ändernden kommuikativen Be-
dürfnisse anzupassen. Wandel jedoch ist für natürliche Sprachen konstitutiv.

3.3 Standard- und Umgangssprache – ein Dualismus


Die sprachliche Situation in der arabischen Welt ist nicht einfach. So ist das klassi-
sche Hocharabisch als göttliche Offenbarungssprache des Korans und der vorislami-
schen Dichtung vom modernen Hocharabisch, das sich im vorletzten Jahrhundert im
Zuge von Modernisierungsbewegungen als eine Landesgrenzen überschreitende
Sprachform des öffentlichen Lebens herausbildet, zu unterscheiden (vgl. Ried-
ner/Kassem 2010, 531). Das klassische Hocharabisch ist hauptsächlich auf religiöse
Institutionen (zu denen auch Schulen zählen) beschränkt, wodurch seine Instituti-
onalisiertheit zum Ausdruck kommt.
In der Alltagssprache dominieren (zahlreiche) Varietäten, die sehr heterogen
sind und stark von der idealisierten und normierten Standardsprache abweichen
(z. B. sind die Dialekte durch das Fehlen grammatischer Endungen gekennzeich-
net). Umgangssprachliches Arabisch führt im Bewusstsein der Sprachgemeinschaft
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 147

ein niederes, untergeordnetes Dasein. Vielen gilt die Umgangssprache als struktur-
und grammatiklos (vgl. Riedner/Kassem 2010, 532), von ihr können keine neuen
Impulse ausgehen. Sie wird von der arabischsprachigen Linguistik kaum wahrge-
nommen. Die Dialektliteratur spielt eine untergeordnete Rolle und ist mit ideologi-
schen Vorbehalten belegt (vgl. Bauer 1996, 1485). Angestrebt wird eine Monolingua-
lisierung.
Die große Kluft zwischen Standardsprache (al-lugha al-fusha /,die beredte Spra-
che‘) und Umgangssprache (amiyya /,Sprache des gemeinen Volkes, gewöhnliche
Sprache‘) ist an den wertenden Bezeichnungen zu sehen (vgl. Diem 2006, 2ff.): Die
arabische Umgangssprache gilt im kollektiven Bewusstsein als „die kraftlose Spra-
che“ (arab. al-lugha ad-daifa), „die gefallene Sprache“ (arab. al-lugha as-saqita),
„die hässliche Sprache“ (arab. al-lugha al-qabiha), „die unarabische Sprache“ (al-
lugha al-muwallada). Die Hochsprache ist eine Prestigesprache, die der Umgangs-
sprache überlegen ist. Sie ist Symbol des kulturellen Erbes und der arabischen Ein-
heit (vgl. ausführlicher Diem 2006, 7ff., Haeri 2003). Die Sprecher verbindet mit der
Hochsprache eine „mystische Liebe“ (Hamady 1960, 19). Diesen Dualismus verdeut-
licht auch diese fiktive Analogie:

In spoken Arabic, the situation is far more complicated. Perhaps the best analogue to the situa-
tion in the Arabic-speaking countries would be that of a hypothetical modern France, where all
newspapers and books are written in Latin, speeches in parliament are held in Latin, and in
churches the only language used by the priests is Latin. On the other hand, people talking in a
cafe use French, people at home or among friends use French. In school, the official language
of the classroom is Latin, but during the breaks between the classes students use French
among themselves, and so do the teachers. (Versteegh 2014, 241)

Die Abwertung der Alltagssprache kann zudem mit dieser Beobachtung verdeutlicht
werden: Das Arabische ist reich an Synonymen. Unter synonymen Ausdrücken gilt
nur derjenige als gutes Hocharabisch, der keine Entsprechung in der Umgangsspra-
che hat; in der Hochsprache werden nur Ausdrücke eingesetzt, die von einem dia-
lektalen „Beigeschmack“ frei sind (vgl. Bauer 1996, 1488).
Diese Beispiele machen klar, dass die Diskrepanz zwischen Standardarabisch
und Umgangsarabisch weitaus größer ist als z. B. die zwischen der deutschen Stan-
dard- und Umgangssprache, selbst wenn man diese Konzepte nur vage umreißen
kann. In der linguistischen Forschung wird in diesem Zusammenhang von „Diglos-
sie“ (vgl. Ferguson 1959) gesprochen, die funktionale Distribution zweier Varietäten
einer Sprache. Hinsichtlich des Arabischen ist eher von einer „Triglossie“ auszuge-
hen. Hinzu kommt noch, dass verschiedene Formen der Umgangssprache zu diffe-
renzieren sind: das substandardliche Arabisch der Gebildeten, die familiäre Alltags-
sprache sowie die Sprache der Analphabeten – hierbei handelt es sich dann um eine
„Multiglossie“ (vgl. Riedner/Kassem 2010, 532). Die Varietäten überschneiden sich
mit der Standardsprache so minimal, dass sie als autonome Systeme mit einer eige-
nen Grammatik betrachtet werden könnten. Diese Subsysteme mit dem Terminus
148 | Lirim Selmani

Dialekt zu registrieren wird der Sachlage kaum gerecht. Die arabische Gesellschaft
ist also faktisch nicht monolingual, sondern durch eine innere Mehrsprachigkeit
gekennzeichnet. Die dialektale Varietät ist die Muttersprache, das klassische und
moderne Hocharabisch werden später mehr oder weniger als Fremdsprachen er-
worben. In einer Fremdsprache lässt sich Wissenstransfer nur schwer realisieren.
Den sprachlichen Dualismus, die Diskrepanz zwischen Standard-und Umgangs-
sprache gibt es auch in vorislamischer Zeit (vgl. Bobzin 2014, 94, Versteegh 2014,
47ff.). Ursprünglich ist das Gefälle allerdings nicht so eklatant, wie es gegenwärtig
ist, Standard- und Umgangssprache „coexisted peacefully then as they do now“
(Chejne 1969, 163). Auch wenn das durchschlagende Auseinanderdriften der beiden
Existenzformen nicht in toto auf die exegetische Tradition, auf die unerreichbare
sprachliche Form des Korans zurückzuführen ist, hat doch die dem Arabischen
zugeschriebene religiöse Bedeutung die Distanz zwischen Hoch- und Umgangsspra-
che vergrößert (ausführlicher Chejne 1969, 161ff.).

3.4 Implikationen der Vollkommenheitsannahme


Der Kult um das Arabische hat Folgen, die bis in die Gegenwart hineinreichen. Die
moderne Hochsprache differiert lediglich im Bereich der Stilistik und der Lexik von
der klassischen Variante. Sie ist „in ihrer äußeren Form [d. h. in ihrer Morphologie,
L. S.] nahezu unverändert geblieben“, „in der Syntax sind die Grundlagen die glei-
chen geblieben“ (Fischer 2006, 1). Es ist bemerkenswert, wie die rigorose Normie-
rung eine morphologische und syntaktische Konstanz erzwingt und dadurch Spra-
che einfriert. Die arabische Grammatik

has undergone little or no change from the time of the early Arab grammarians, and sees the
pressing need for writing a new grammar paterned after a Western model so that students
could easily follow it. (Chejne 1969, 148)

Es ist die Endgültigkeit der Offenbarung, die früh die arabischen Grammatiker dazu
veranlasst, Sprachwandel als eine Deformation zu begreifen, wie aus vielen überlie-
ferten Textdokumenten hervorgeht. Das Arabische ist „unveränderbar“:

No grammarian could fail to notice, however, that ordinary people spoke quite differently from
the language analysed in the linguistic treatises, but, rather than concluding that the language
itself was changing, the grammarians categorized these changes as linguistic errors and con-
cluded that most people were unable to speak Arabic correctly. By definition the language it-
self could not change: it had been used by God in His last revelation, and this meant that it was
sacrilege to allow for the possibility of any changes. (Versteegh 1997, 104)

Obwohl das klassische Arabisch den Anforderungen der Moderne nicht genüge,
entschieden sich die meisten Gelehrten gegen eine radikale Sprachreform, so Stock
(1999, 23) und Flores (2003, 43) (auch wenn es vereinzelte Bemühungen in dieser
Sprache und Offenbarung. Zur Rolle des Arabischen im Islam | 149

Richtung gab und gibt). Religion, aber auch National- und Kulturstolz sowie Tradi-
tionsverbundenheit wirken einer Reformierung entgegen. Das klassische Arabisch
ist ein „Artefakt“ der ruhmreichen Vergangenheit (für die wissenschaftlicher Fort-
schritt und Überlegenheit kennzeichnend sind), nach der sich viele Araber sehnen –
die Goldene Ära des Islams erscheint nicht nur als eine Zeit des wissenschaftlichen
und kulturellen Fortschritts, sondern auch als „a time when Classical Arabic was at
its purest“ (Haeri 2003,18). Außerdem fungiert es hinsichtlich der politischen Tren-
nung der Araber (die im Zuge der Entstehung von Nationalstaaten im 19. und 20.
Jahrhundert zustande kam) als ein einendes Band, die angestrebte Monolingualisie-
rung soll das Fortbestehen der „arabischen Umma“ sichern. Eine solche Einstellung
verhindert die Aufgabe des klassischen Hocharabisch zugunsten der Umgangsspra-
che oder zumindest die Assimilation der Hochsprache an die Lexik und die Gram-
matik der jeweiligen Umgangssprache. Weiterhin wird der Übernahme von Fremd-
wörtern sowie der Ersetzung der mehr als tausendjährigen arabischen Schrift, die
ebenfalls einen sakralen Status hat (denn das Wort Gottes ist in dieser Schrift ver-
textet; die Weiterentwicklung der arabischen Schrift hängt auch mit der Geschichte
des Korans zusammen), durch die lateinische entgegengewirkt (vgl. Stock 1999, 23).
Die Ersetzung der arabischen Schrift durch eine andere bzw. eine radikale Reformie-
rung bedeutete einen „ungeheuerlichen Bruch“ mit der Tradition (vgl. Bauer 1996,
1490). Laut Bauer (1996, 1490) ist der Glaube, dass eine archaische Sprache Alltags-
sprache aller Araber werden könnte, eine Illusion. Die Schaffung einer an der Münd-
lichkeit orientierten Literatursprache erscheint hier wahrscheinlicher. Eine Reform
werte zudem die zahlreichen Dialekte auf und verdränge damit das überregionale
klassische Arabisch, was eine Gefahr für die nationale Einheit darstellen könnte (zur
Rolle des Arabischen hinsichtlich nationaler Identität vgl. detaillierter Suleiman
2003; Stock 1999; zu Reformen vgl. ausführlich Chejne 1969, 145ff.; zur arabischen
Schrift vgl. Chejne 1969, 154ff.).
Die Erhöhung des Arabischen hat komplexe Ursachen. In ihr vermengen sich
unterschiedliche Aspekte. Auch wenn hierbei der Religion eine besondere Stellung
zukommen mag, ist eine Reduzierung auf religiöse Motive irreführend. Vor allem
die Zeitgeschichte macht deutlich, dass die religiösen von nationalistischen Motiven
überlagert werden. An der „Sprachverliebtheit“ (Flores 2003, 44) ist nichts Verwerf-
liches. Diese Liebe darf aber der Sprache keine Fesseln anlegen, die ihre unabding-
bare Entwicklung unterbinden. Die Aufwertung der Varietäten muss nicht zwangs-
läufig eine Abwertung des klassischen Arabisch bzw. einen Bruch mit der eigenen
Literaturtradition zur Folge haben.
Es sind die „Worte“ Gottes, die durch eine Endgültigkeit gekennzeichnet sind.
Das Medium, durch das sie fließen, ist ein menschliches. Menschliche Sprache ist
beschränkt, wie der Koran eindrucksvoll zeigt. Die „Worte“ Gottes sind unsagbar:
150 | Lirim Selmani

Und wenn alle Bäume auf Erden Federn würden, und wüchse das Meer hernach zu sieben Mee-
ren (von Tinte), Allahs Worte würden nicht erschöpft. Siehe, Allah ist mächtig und weise. (Ko-
ran 31:27, übers. von Henning)

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