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ʾummu l-barāhīn
des
ʾAbū ʿAbd Allāh Muḥammad b. Yūsuf
as-Sanūsīy
al-Ḥasanīy at-Tilimsānīy
Übersetzt
von
Jens Bakker
e-mail: jens.bakker@uni-osnabrueck.de
Unvollständige Rohfassung
Version 001
Universität Osnabrück
Institut für Islamische Theologie
Ǧumādā II 1435/April 2014
Software-Information
Dieser Text wurde mit der freien Software XeLaTeX (siehe zu
dem Textsatzprogramm TeX und seinen Erweiterungen LaTeX
und XeLaTeX z. B. die Internetseite der Deutschsprachigen An-
wendervereinigung TeX e. V.: http://www.dante.de, wo man wei-
tere Informationen und links erhält) gesetzt, wobei die packa-
ges fancyhdr, marginnote, parallel, addlines, url, manyfoot,
longtable, polyglossia (bidi), bidi-longtable und lipsum zur An-
wendung kamen. Für die arabische Schrift wurde der freie Font Sche-
herazade (siehe http://scripts.sil.org/cms/scripts/page.php?
item_id=Scheherazade) und für die lateinische Schrift der freie Font
Charis SIL (siehe http://scripts.sil.org/cms/scripts/page.php?
site_id=nrsi&id=charissil_download) verwendet.
v001 ʾummu l-barāhīn 4
Für den Text von ʾummu l-barāhīn wurden folgende Textausgaben vergli-
chen:
السنوسية Petit traité de théologie Musulmane par Abou Abdallah Mohammed ben
Mohammed ben Youssef Senoussi (Senoussia), texte Arabe publié par ordre
de M. Jules Cambon, Gouverneur Général de l’Algérie, avec une traduction
Francaise et des notes par J.-D. Luciani, Alger : Imprimerie Orientale Pierre
Fontana et Co. 1896, unveränderter Nachdruck, LaVergne TN USA : Kessin-
ger Publishing 2009.
(44 p. Einführung, Übersetzung und Anmerkungen + 10 p. Originaltext).
متن السنوسية ويليه جوهرة التوحيد للإ مام إبراهيم: الإ مام، الحسيني، محمد بن يوسف،السنوسي
.٨ - ٢ ص،١٩٣٤ / ١٣٥٣ مصطفى البابي الحلبي: القاهرة،اللقاني
.( ص١٦)
سعيد، فودة: في، متن أم البراهين المسمى بالعقيدة السنوسية الصغرى: الإ مام، أبو عبد الله،السنوسي
تهذيب شرح السنوسية أم البراهين ويليه متن "أم البراهين" للإ مام العلامة أبي عبد:عبد اللطيف
دار البيارق: الأردن- عمان، الطبعة الأولى،( )= من شروح عقائد أهل السنة،الله السنوسي
.١٧١ - ١٦٣ ص،١٩٩٨ / ١٤١٩
: ه١١٤٣ المتوفى سنة، عبد الغني بن إسماعيل، النابلسي: في، نص أم البراهين: غير مذكور،المؤلف
الأنوار الإ لهية في المقدمة السنوسية )أم البراهين( ويليه النفحة الزكية لنظم العقيدة السنوسية لبرهان
: بيروت، الطبعة الأولى، تحقيق بشير ُبرمان، ه٩٧٨ الدين بن إبراهيم الناشري المتوفى بعد سنة
.٢٦ - ١٩ ص،٢٠١٣ / ١٤٣٤ دار الكتب العلمية
Die Seitenzahlen am Rande verweisen auf die Paginierung der Ausgaben
vom Muṣṭafā al-Bābī al-Ḥalabīy und Fūdah. Eine kritische Ausgabe im ei-
gentlichen Sinn konnte ich nicht finden.
Neben der oben als erstes aufgeführten französischen Version von Lu-
ciani sei noch auf folgende Übersetzungen hingewiesen:
Aller Lob kommt allein Gott zu, und الحمد لله والصلاة والسلام على رسول
der Segen und das Heil sei auf dem .الله
Gesandten Gottes.
1
as-Sanūsīy meint hier wohl folgendes: Ein jegliches Urteil, das die Vernunft fällt –
also ein Urteil der Form „A ist B“ –, hat entweder zum Inhalt, daß A notwendig B ist, oder
daß A unmöglich B sein kann, oder daß A möglich B sein kann. Dies ist deshalb so, da et-
was entweder möglich seiend ist, d. h. es existiert eine gewisse Zeit und vor und nach dieser
Zeit ist es nichtseiend, oder es kann unmöglich sein, wie z. B. eine Wand, die gleichzeitig
schwarz und weiß ist, oder es ist notwendig seiend, dies ist nur Gott. Er meint hier nicht,
daß wir von jeglichem wissen, ob es möglich oder unmöglich ist, oder etwa daß alles, was
wir für möglich oder unmöglich halten, auch so ist. Man könnte also as-Sanūsīys Aussage
hier in erster Linie als die seienden Dingen in den Blick nehmend – also ontologisch – ver-
stehen. Andererseits scheint er, wie aus dem nächsten Absatz deutlich zu werden scheint,
auch einen anderen Gesichtspunkt im Auge zu haben, nämlich den epistemologischen, d. h.
daß wir notwendig oder aufgrund von Schlußfolgerungen erkennen, daß etwas nicht aus-
zuschließen, also nicht unmöglich ist, wenn er nämlich sagt, daß es Pflicht ist, zu erkennen,
was möglich für Gott ist, denn Gott kann ja, da er notwendig der Zeit nicht unterworfen
ist, nicht in irgendeiner Weise mit dem Begriff „möglich“ beschrieben werden, sondern wir
erkennen beispielsweise, daß es nicht unmöglich ist, daß Gott Gesandte sendet, d. h. daß
wir dies vernünftig nicht ausschließen können.
7 li-ʾAbī ʿAbd Allāh Muḥammad b. Yūsuf as-Sanūsīy
Jeder aufgrund der Offenbarung ويجب على ك ّل مكلّف شرعاً أَ ْن
vor Gott verantwortliche Mensch ist ِف ما يجب في ح ّق مولانا ج ّل َ َي ْعر
verpflichtet zu erkennen,2 was unse- وكذا، وما يجوز، وما يستحيل،وع ّز
rem Herrn, er ist erhaben und mäch- يجب عليه أن يعرف مثل ذلك في ح ّق
tig, notwendig zukommt, was ihm un-
möglich zukommen kann und was im .ال ّرسل عليهم الصلا ُة والسلا ُم
Hinblick auf ihn möglich ist. Er ist
auch verpflichtet dies hinsichtlich der
Gesandten – auf ihnen sei der Segen
und das Heil – zu erkennen.
Unserem Herrn – er ist erhaben und فم ّما يجب لمولانا ج ّل وع ّز
mächtig – kommen folgende zwanzig :عشرون صف ًة وهي
Attribute notwendig zu:
[5/5] daß er für sich selbst besteht, [ و ِقيا ُمه تعالى ب َن ْف ِسه َٔا ْي لا٥/٥]
d. h. daß er keines Ortes und ص
ٍ يفتقر إلى مح ٍّل ولا ُم َخ ِّص
keiner äußeren Ursache bedarf
Dies sind sechs Attribute. Das erste, صفات الأولى نفسية وهي ٍ ست
ُّ فهذه
nämlich das Sein, bezieht sich auf .الوجو ُد والخمسة َب ْعدَها سلبية
sein Wesen. Die fünf übrigen sind
Verneinungen.
2
Oder: „Jeder vor Gott verantwortliche Mensch ist durch die Offenbarung dazu ver-
pflichtet zu erkennen, […]“
v001 ʾummu l-barāhīn 8
Des weiteren kommen dem Erhabe- ثم يجب له تعالى سبع صفات تسمى
nen sieben Attribute zu, die substan- :صفات المعاني وهي
tivische Attribute genannt werden,
nämlich:
[7/13] das Wort, das weder Konso- [ والكلام الّذي ليس بحرف١٣/٧]
nant noch Vokal ist, und das ولا صوت ويتعلق بما يتعلق به
sich auf all das bezieht, worauf العل ُم من ال ُمـ َتـ َعـلَّـقات
sich das Wissen bezieht.
Hernach [kommen Gott] sieben Attri- صفات معنوي ًة ٍ ثُ َم سبع صفات تُ َس ّمى
bute [zu], die adjektivische Attribu- كَـ ْو نُـ ُه:وهي ملازِم ٌة للسبع الأولى وهي
te genannt werden, und die sich not-
تعالى
wendig aus den sieben ersten,3 erge-
ben, nämlich daß der Erhabene
3
D. h. den gerade aufgeführten, nicht den anfangs genannten.
9 li-ʾAbī ʿAbd Allāh Muḥammad b. Yūsuf as-Sanūsīy
Zwanzig Attribute [p.3] können dem [ يستحيل في حقه تعالى٣ وم ّما ]ص p.3
Erhabenen unmöglich zukommen, عشرون صفة وهي أضداد العشرين
nämlich die Gegenteile der ersten
zwanzig [Attribute], also: :الأولى وهي
[1/1] das Nichtsein [ ال َع َد ُم١/١]
[2/2] das Entstehen ُ والحد
ُوث ُ [٢/٢]
[3/3] das Vergehen [ و ُط ُر ْو ُء العدم٣/٣]
[4/4] die Ähnlichkeit mit den ent- [ والمماثلة للحوادث بأن٤/٤]
standenen Dingen, d. h. daß يكون ِج ْرماً أَ ْي تأخذ ذاته
er etwa ein Köper wäre und ال َع ِلـ ّيـ ُة قدراً من الفَراغ أو يكون
sein erhabenes Wesen einen be-
stimmten Raum einnähme, oder َع َرضاً يقوم بالجرم أو يكون
daß er ein Akzidenz wäre, das في جهة للجرم أو له جهة
an einem Körper existiert, oder أو يتقيد بمكان أو زمان أو
daß er in einer räumlichen Po- تتصف ذاته العلية بالحوادث
sition relativ zu einem Köper أو يتصف بالصغر أو الكبر أو
wäre, oder daß er an einen يتصف بالأغراض في الأفعال
bestimmten Ort oder eine be-
stimmte Zeit gebunden wäre, أو الأحكام
oder daß in seinem erhabenen
Wesen etwas entstehen würde,
oder daß er klein oder groß wä-
re, oder daß sein Wirken und
seine Gebote um der Erreichung
eines Zweckes willen wären.
v001 ʾummu l-barāhīn 10
[5/5] Es ist unmöglich für ihn, daß [ وكذا يستحيل عليه تعالى ٔان٥/٥]
er nicht durch sich selbst be- لا يكون قائما بنفسه بأن يكون
steht, indem er etwa ein Attri- صفة يقوم بمحل أو يحتاج إلى
but wäre, das an einem Substrat
existiert, oder er einer äußeren
ُم َخ ِّصص
Ursache bedürfte.
[6/6] Ebenso ist es hinsichtlich des [ وكذا يستحيل عليه تعالى ٔان٦/٦]
Erhabenen unmöglich, daß er لا يكون واحداً بأن يكون مركَّبا
nicht einer ist, indem er etwa في ذاته أو يكون له مماثل في
in seinem Wesen zusammenge-
setzt wäre, oder daß es etwas ذاته أو صفاته أو يكون معه في
gäbe, das ihm in Hinblick auf الوجود مؤثِّر في فعل من الأفعال
sein Wesen oder seine Attribute
ähnlich ist, oder daß es neben
ihm im Sein für irgendeine Wir-
kung eine andere [diese Wir-
kung beeinflussende oder her-
vorbringende] Wirkursache gä-
be.
4
D. h. ohne daß er es will, wobei er dazu aufgrund seiner Natur gezwungen ist.
11 li-ʾAbī ʿAbd Allāh Muḥammad b. Yūsuf as-Sanūsīy
[p.166] Die Gegenteile der adjekti- وأضداد الصفات المعنوية واضحة من p.166
vischen Attribute sind aus diesen, .هذه
[d. h. den genannten Unmöglichkei-
ten,] deutlich.5
Möglich hinsichtlich des Erhabenen و ٔا ّما الجائز في ح ّقه تعالى ففعل ك ّل
ist das Bewirken eines jeden Mögli- .ممكن أو تركه
chen oder es zu unterlassen.
5
D. h. wenn die genannten substantivischen Attribute Gott notwendig nicht zukommen
können, können ihm auch die aus ihnen sich ergebenden adjektivischen Attribute notwen-
dig nicht zukommen.
6
Wenn die Welt der Zeit unterworfen ist, kann sie nicht urewig, d. h. ohne Anfang sein,
da sie sonst eine unendliche Zeitspanne hätte durchlaufen müssen, um heute anzukommen,
dies ist aber unmöglich.
7
Die Welt muß aber entstanden sein, d. h. erst seit einer begrenzten Zeitspanne exi-
stieren, denn sonst wäre sie ja urewig und trotzdem der Zeit unterworfen, was aber – wie
bereits erwähnt – unmöglich ist.
v001 ʾummu l-barāhīn 12
dann müßte einer der beiden Fäl- لَ ِز َم أن يكون أحد الأمرين المتساو َيـ ْين
le,8 die einander gleich sind,9 sowohl مساويا لصاحبه راجحا عليه بلا َس َبب
dem anderen Fall10 gleich sein11 als ،وهو ُمحا ٌل
auch das Übergewicht haben.12 Dies
ist aber unmöglich.
Der Beweis dafür, daß die Welt der ودليل حدوث العالم ملازمته
Zeit unterworfen ist, besteht nun dar- [٤ للأعراض الحادثة من حركة ]ص
in, daß es in ihr [– wie die Wahr- وملازم الحادث،وسكون وغيرهما
nehmung zeigt –] ohne Unterlaß ent- ،حادث
stehende [und dann wieder vergehen-
de] Akzidenzien wie Bewegung, [p.4]
p.4 Ruhe und andere gibt. Das, dem das
der Zeit Unterworfene untrennbar an-
haftet, ist aber selbst entstanden.
Der Beweis für das Entstehen der ودليل حدوث الأعراض مشاهدة
Akzidenzien ist die Wahrnehmung ih- تغـ ُّيـرها من َع َد ٍم إلى وجود ومن وجود
rer Veränderung vom Nichtsein zum .إلى عدم
Sein und vom Sein zum Nichtsein.
Der Beweis dafür, daß der Erhabene وأما برهان وجوب ال ِق َد ِم له تعالى فلإ نه
notwendig urewig ist, ist folgender: لو لم يكن قديما لكان حادثا فيفتقر إلى
Wäre er nicht urewig, dann wäre er
entstanden und wurde einer Ursache
.التسلس ُل
ُ ُم ْح ِد ٍث فيلزم الد َّْو ُر أو
bedürfen, die ihn hervorbringt. Dies
ergäbe einen Zirkel oder einen regres-
sus ad infinitum.
Der Beweis für das ewig Bestandha- وأما برهان وجوب البقاء له تعالى
ben des Erhabenen ist folgender:
8
Nämlich das Entstehen gegenüber dem Nichtentstehen der Welt.
9
Nämlich insofern entsprechend der Annahme, daß die Welt von selbst entstanden ist,
kein Grund dafür besteht, warum der eine und nicht der andere Fall eintreten soll.
10
D. h. dem Nichtentstehen der Welt
11
Denn dies folgt aus der Annahme, daß die Welt von selbst – also ohne Ursache, die für
das Entstehen der Welt den Ausschlag gibt – entstanden ist
12
Eben weil er ja eingetreten ist.
13 li-ʾAbī ʿAbd Allāh Muḥammad b. Yūsuf as-Sanūsīy
Wäre es möglich, daß ihm das فلأنه لو أَ ْم َك َن أن يلحقه العد ُم
Nichtsein zukäme, dann wäre er auch لانتفى عنه القد ُم ل َك ْو ِن وجوده
nicht urewig, da sein Sein dann mög-
والجائ ُز لا، جائزا لا واجباaحينئذ
lich und nicht notwendig wäre, denn
das Sein des Möglichen kann nur ent-
يكون وجوده إلا حادثا كيف وقد سبق
standen sein.13 Es wurde aber bereits b.قريـبا وجوب قدمه تعالى
bewiesen, daß der Erhabene urewig
ist.
Der Beweis dafür, daß sich der Er- و ٔاما برهان وجوب مخالفته تعالى
habene von den entstandenen Din- شيء منها لكان ً للحوادث فلأنه لو ماثل
gen gänzlich unterscheidet, ist fol- حادثا مثلها وذلك محا ٌل لما عرفت َق ْب ُل
gender: Wäre er einem der entstan- .من وجوب قدمه تعالى وبقائه
denen Dinge ähnlich, dann wäre er
selbst ebenso wie dieses entstanden.
Dies ist jedoch unmöglich, aufgrund
dessen, daß dem Erhabenen notwen-
dig Urewigkeit und ewiges Bestand-
haben zukommen, wie du schon er-
kannt hast.
Der Beweis dafür, daß es dem Erhabe- و ٔاما برهان وجوب قيامه تعالى بنفسه
nen notwendig zukommt, durch sich فلأنه تعالى لو احتاج إلى مح ّل
selbst zu bestehen, ist folgender: Wür- لكان صفة والصفة لا تتصف بصفات
de der Erhabene eines Substrates be- المعاني ولا المعنوية ومولانا ج ّل وع ّز
dürfen, wäre er ein Attribut. Einem ولو،يجب اتصافه بهما فليس بصفة
Attribut können aber nicht die sub- مخصص لكان حادثا كيف ّ احتاج إلى
stantivischen und adjektivischen At-
tribute zukommen. Unserem erhabe-
وقد قام البرها ُن على وجوب قدمه تعالى
nen Herrn kommen diese aber not-
.وبقائه
wendig zu. Also ist er kein Attribut.
13
Dies ist ja die axiomatische Abgrenzung des Möglichen vom Notwendigen: Etwas, das
„schon immer“ ist – d. h. für das uneingeschränkt gilt „es ist“ –, ist nicht möglich seiend,
sondern notwendig seiend. Man könnte es auch anders formulieren: Könnte Gott nicht sein,
nachdem er existiert hat, müßte er der Zeit unterworfen sein, dies ist aber nicht möglich,
da schon bewiesen wurde, daß er nicht der Zeit unterworfen sein kann.
b a
.هنا زيادة "وبقائه"؛ وفونطانه وبرمان بدون "وبقائه" وهو الصحيح ." "يصير:زيادة فونطانه برومان