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DAS WISSEN UND DESSEN

RECHTSCHAFFENE
AUSWIRKUNG AUF
DIE FAMILIE

vom ehrenwerten Gelehrten

Muḥammad Ibn Ṣāliḥ al-‘Uṯaymīn

‫اﻟﻌﻠﻢ وأﺛﺮه ﻓﻲ إﺻﻠﺎح اﻟﺄﺳﺮة‬

EYAD HADROUS
‫‪G‬‬
‫‪ُ ‬ق ْل ٰهذِ ِه َسبِيلِي أادْ عُ و اِإ َلى ال َّل ِه ۚ عَ َل ٰى َب ِصي َر ٍة أانَا َو َم ِن ا َّت َب َعنِي ۖ ‪‬‬
„Sag: Das ist mein Weg: Ich rufe zu Allāh aufgrund eines
sichtbaren Hinweises, ich und diejenigen, die mir folgen.“

]Yūsuf 12 : 108[
Herausgeber:
Eyad Hadrous

Autor:
Muḥammad Ibn Ṣāliḥ al-ʿUṯaymīn

ISBN 978-3-942682-10-7

2., korrigierte Auflage


Berlin, 13. Schaʿbān 1442 / 26. März 2021

Copyright © 1442 / 2021


www.hadrous.de

‫مجيع احلقوق حمفوظة‬


Haftungsausschluss
Eyad Hadrous hat es sich zur Aufgabe gemacht, zu einem
besseren Verständnis des Islāms, als Lehre und Lebenswei-
se, beizutragen und des Weiteren den deutschsprachigen
Muslimen eine Stütze zu bieten, sich sachgerecht in deut-
scher Sprache über ihre Religion zu informieren. Ebenso
beabsichtigt er, Missverständnisse und Vorurteile über den
Islām abzubauen. Hierbei ist ihm wichtig, dass man auf die
Quellen des Islāms zurückgreift, das heißt auf den Qurʾān
und die authentische Sunnah. Dabei achten wir auf das Ver-
ständnis unserer rechtschaffenen Vorfahren.

Alle Veröffentlichungen, die unter anderem aus dem Ara-


bischen übersetzt worden sind, können über gewisse Prak-
tiken eines islāmischen Staates mit islāmischer Rechtspre-
chung berichten, was durchaus nach deutschen Maßstäben
missverstanden werden könnte. Keineswegs soll dies ein
Aufruf dazu sein, vielmehr ist es eine Aufklärungsarbeit, um
Missverständnisse und Vorurteile abzubauen, dafür ist es
unabdingbar über die islāmische Sichtweise zu berichten.
Der Islām ist eine Religion des Friedens, der Ruhe und eine
Religion des Wissens und der Toleranz.

Dieses Werk, einschließlich all seiner Teile, ist geschützt.


Jede veränderte Verwendung - auch auszugsweise - ist
ohne schriftliche Genehmigung von Eyad Hadrous nicht er-
laubt.

Eine Vervielfältigung - ohne Veränderung - ist aus-


drücklich erwünscht.
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

Das Wissen und dessen rechtschaffene


Auswirkung auf die Familie

Autor:
Muḥammad Ibn Ṣāliḥ al-ʿUṯaymīn

6
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

F
Im Namen Allāhs, des Allerbarmers,
des Allbarmherzigen

Liebe Leserinnen, liebe Leser,


alles Lob gebührt Allāh. Ihm danken wir, Ihn bitten
wir um Hilfe und Ihn bitten wir um Vergebung. Bei
Ihm suchen wir Zuflucht vor dem Bösen unseres
Selbst und vor unseren schlechten Taten. Wen Allāh
rechtleitet, der wird nie in die Irre gehen und wen
Allāh in die Irre führt, der wird nicht rechtgeleitet
werden. Und ich bezeuge, dass es keinen [mit Wahr-
heit und Recht] anbetungswürdigen Gott gibt außer
Allāh und dass Muḥammad Sein Diener und Gesand-
ter ist. Ihn hat Allāh mit der Rechtleitung und der
Religion der Wahrheit entsandt. Der Gesandte hat
die Botschaft übermittelt und das anvertraute Gut
(Amānah) überbracht. Er hat der Ummah den besten
Ratschlag erteilt und er bemühte sich für die Sache
Allāhs, wie es Ihm gebührt. Er hinterließ seiner Um-
mah den klaren und deutlichen Weg, der Weg, dessen
Nacht des Tages gleicht und von dem nur der Ver-
lierer abkommt. Segen und Frieden auf ihm, seiner

7
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

Familie, seinen Gefährten und all jenen, die ihnen in


bester Weise gefolgt sind bis zum Tage der Auferste-
hung.

Es freut mich, heute Abend am Mittwoch den 22


Ǧumādā al-ʾŪlā 1415 n.H. hier in der Moschee Ḥayy
aš-Šifā meine Brüder zu treffen, die nach Wissen ei-
fern. In einem authentischen Ḥadīṯ wird überliefert,
dass der Prophet - Allāh segne ihn und gebe ihm
Heil! - sagte, dass Allāh demjenigen, der einen Weg
beschreitet, um dabei Wissen zu erlangen, einen Weg
zum Paradies ebnet. Wir bitten daher Allāh taʿālā uns
allen den Weg zum Paradies und zu Seinem Wohlge-
fallen zu ebnen, uns als gläubige Muslime sterben zu
lassen, unsere Taten rechtschaffen sein zu lassen und
dass unsere Bemühungen belohnt werden, denn Er
ist zu allem imstande.

Das religiöse Wissen gleicht dem Kampf für


die Sache Allāhs (Ǧihād fī sabīlillāh)
Wie euch aus der Werbung bekannt ist, lautet das
heutige Thema: „Das Wissen und dessen rechtschaffene
Auswirkung auf die Familie bzw. die Auswirkung des Wis-
sens auf die Familie“. Wir alle kennen die Qurʾānverse
(Āyāt) und die Überlieferungen (Aḥādīṯ), die sich mit

8
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

dem Vorzug des Wissens im Allgemeinen befassen.


Dabei bedeutet hier der Begriff des Wissens das reli-
giöse Wissen (ʿIlm Šarʿī) und all jene Wissenschaften,
die damit in Beziehung stehen, wie etwa die [arabi-
sche] Grammatik (an-Naḥu).

Das religiöse Wissen gleicht dem Kampf für die Sache


Allāhs (Ǧihād fī Sabīlillāh)1. So ist derjenige, der in der
Moschee, Fakultät oder Schule Wissen erlangt, dem-
jenigen gleich, der das Gewehr (mitten) im Kampf
einsetzt. Einige Gelehrte sagen sogar, dass derjenige,
der damit beschäftigt ist, Wissen zu erlangen, besser
ist als derjenige, der sich im Kampf befindet, weil
letzterer des ersten bedarf, jedoch nicht anders her-
um. Das heißt, dass der Ǧihād mit der Waffe des Wis-
sens bedarf. Das Wissen aber bedarf nicht der Waffe.

Diese Ausführung stützt sich auf den Vers, in dem


Allāh tabāraka wa taʿālā sagt:

‫ون ِل َين ِف ُروا َكا َّف ًة ۚ َف َل ْو َلا َن َف َر ِمن ُك ِّل‬


َ ‫ َو َما َك َان ا ْل ُم ْؤ ِم ُن‬
1 Anmerkung: „Ǧihād“ bedeutet sich auf dem Wege Allāhs anzustrengen.
Dies kann je nach Anwendung des Nomens verschiedene Bedeutungen
gewinnen. Z.B. gibt es den Ǧihād im Kampf für die Sache Allāhs mit dem
Gewehr/Speer/etc. und es gibt den Kampf für die Sache Allāhs z.B. mit
dem Aufruf zu Allāh mit Wort und Rat (Daʿwah). Auch bezeichnet man das
Läutern der eigenen Seele als Ǧihād an-Nafs, denn auch hier strengt man
sich auf dem Wege Allāhs an und möchte Seine Zufriedenheit erlangen.
Der Ǧihād gegen den Sātan ist ebenfalls eine Form des Ǧihād.

9
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

ِّ ‫ِف ْر َق ٍة ِّم ْن ُه ْم َطا ِئ َف ٌة ِّل َي َت َف َّق ُهوا ِفي‬


‫الد ِين َو ِل ُي ِنذ ُروا َق ْو َم ُه ْم اِإ َذا‬
َ ‫َر َج ُعوا اِإ َل ْي ِه ْم َل َع َّل ُه ْم َي ْح َذ ُر‬
‫ون‬
„Es steht den Gläubigen nicht zu, allesamt auszurücken.
Wenn doch von jeder Gruppe von ihnen ein Teil ausrücken
würde, um (mehr) von der Religion zu erlernen und um
ihre Leute zu warnen, wenn sie zu ihnen zurückkehren,
auf dass sie sich vorsehen mögen.“2

Das heißt, es ist nicht möglich, dass alle Gläubigen


(Muʾminūn) samt Waffe in den Ǧihād ausrücken. Das
ist in der Šarīʿah verboten. Denn wäre es erlaubt,
dass alle ausrücken, so würden andere religiöse Ver-
pflichtungen unterbleiben. So hat der Prophet - Allāh
segne ihn und gebe ihm Heil! - zu einigen guten Taten
aufgerufen und dabei andere gute Taten verrichtet,
die denselben Vorzug genießen oder gar vorzügli-
cher sind. Nochmal; Allāh tabāraka wa taʿālā sagt:
„Es steht den Gläubigen nicht zu, allesamt auszurücken.
Wenn doch von jeder Gruppe von ihnen ein Teil ausrücken
würde, um (mehr) von der Religion zu erlernen und um
ihre Leute zu warnen, wenn sie zu ihnen zurückkehren,
auf dass sie sich vorsehen mögen.“ Allāh sagt hier „von
jeder Gruppe von ihnen ein Teil“ also gibt es mehrere
2 9:122

10
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

Einteilungen von ihnen [den Gläubigen]. Wer ist hier


mit „um (mehr) von der Religion zu erlernen“ gemeint?
Diejenigen, die geblieben sind.
… um (mehr) von der Religion zu erlernen und um ihre
Leute zu warnen, wenn sie zu ihnen zurückkehren …“

Dieser Vers ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass


das Streben nach Wissen dem Ǧihād mit der Waffe
gleicht. Auch soll man wissen, dass das Wissen eine
Waffe gegen die Glaubensverweigerer ist, die ihren
Unglauben deutlich kundtun. Aber auch ist es ein
Ǧihād gegen diejenigen Glaubensverweigerer, die ih-
ren Unglauben verheimlichen und sich nach außen
hin für Muslime ausgeben. Letztere sind die Heuchler
(Munāfiqūn). Das Wissen ist eine Waffe gegen beide
Typen. Deshalb sagt Allāh ʿazza wa ǧall:

َ ‫ َيا أا ُّي َها ال َّنب ُِّي َجاهِدِ ا ْل ُك َّفا َر َوا ْل ُم َنا ِفق‬
 ۚ ‫ِين َو ْاغ ُل ْظ عَ َل ْي ِه ْم‬
„O Prophet, mühe dich gegen die Ungläubigen und
Heuchler ab und sei hart gegen sie!“3

Wir wissen, dass der Prophet - Allāh segne ihn und


gebe ihm Heil! - die Heuchler nicht mit Waffen be-
kämpfte. Er wurde darum gebeten das Töten eines
Heuchlers zu erlauben, was er jedoch verweigerte
3 9:73

11
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

und sagte:
‫ُل أَ ْص َحاَبُه‬
ُ ‫اس أَ َّن َُحم َّم ًدا يَ ْقت‬ َ ‫َال يَت‬
ُ ‫َحد‬
ُ َّ‫َّث الن‬
„Die Menschen sollen nicht sagen, dass Muḥammad seine
Gefährten tötet.“ 4

Einen Heuchler kann man aber mit der Waffe des


Wissens bekämpfen. Dadurch wird der Vorzug des
Wissens erneut deutlich. So sagt Allāh tabāraka wa
taʿālā zu seinem Propheten :

َ ‫ون َوا َّلذِ َين َلا َي ْع َل ُم‬


 ۗ ‫ون‬ َ ‫ ُق ْل هَ ْل َي ْس َت ِوي ا َّلذِ َين َي ْع َل ُم‬
„Sag: Sind etwa diejenigen, die wissen, und diejenigen,
die nicht wissen, gleich?“5

Achte. Das Wort ‚Sagʿ deutet auf die Wichtigkeit der


folgenden Aussage hin. Zwar hat der Prophet  die
Aufgabe, den gesamten Qurʾān zu verkünden, jedoch
zeigt die Aufforderung ‚Sagʿ auf die Wichtigkeit der
darauffolgenden Aussage hin und stellt damit einen
speziellen Hinweis auf den Inhalt der Aussage „Sag:
Sind etwa diejenigen, die wissen und diejenigen, die nicht
wissen, gleich?“

4 Buḫārī, Muslim
5 39:9

12
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

Das Unwissen (Ǧahl) gleicht einer Finsternis


An dieser Stelle frage ich: Sind diejenigen, die Wis-
sen haben und jene, die kein Wissen haben, gleich?“
Antwortet! Nein. Sie sind nicht gleich. Derjenige, der
kein Wissen hat, ist unwissend (Ǧāhl) und irrt sich in
der Finsternis.

ِ ‫ أا َو َمن َك َان َم ْي ًتا َف أا ْح َي ْي َنا ُه َو َج َع ْل َنا َل ُه نُو ًرا َي ْمشِ ي ِب ِه فِي ال َّن‬
‫اس َك َمن‬
 ۚ ‫ات َل ْي َس بِخَ ا ِر ٍج ِّم ْن َها‬ ُّ ‫َّم َث ُل ُه فِي‬
ِ ‫الظ ُل َم‬
„Ist denn der, der tot war, und den Wir dann lebendig
gemacht und dem Wir ein Licht gegeben haben, worin
er unter den Menschen geht, wie einer, dessen Gleichnis
das jemandes ist, der sich in Finsternissen befindet, aus
denen er nicht herauskommen kann?“6

Das Unwissen (Ǧahl) gleicht einer Finsternis. Eine


Finsternis im Herzen. Eine Finsternis im Gesicht.
Eine Finsternis im Grab. Doch das Wissen hebt diese
Finsternis auf, damit das Licht (Nūr) ihren Platz ein-
nimmt. Ich meine mit Wissen nicht, dass man ein uni-
verselles Wissen haben soll und über jede noch so er-
denkliche Sache Bescheid weiß. Wenn man über eine
Sache genau Bescheid weiß, zählt man als Wissender

6 6:122

13
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

über eben diese eine Sache. So sagte der Prophet :


‫َبِّل ُغوا َعِّن َوَل ْو آيًَة‬
„Berichtet über mich auch wenn es nur ein Vers ist.“7

Einen Vers. Wissen heißt also nicht, dass man über


jeden einzelnen Bereich Wissen hat. Wäre dies so,
dann wäre es für unzählige Menschen schwer, Wis-
sen zu erlangen. Man kann also viel Wissen, mittleres
Wissen oder wenig Wissen haben. Es ist also denkbar,
dass man beispielsweise Wissen in der ʿAqīdah hat,
oder etwa im Fiqh etc. Wissen meint Ehre und Stolz
sowohl im Dies- als auch im Jenseits. Allāh sagt:

ُ ‫ َي ْر َف ِع ال َّل ُه ا َّلذِ َين اآ َم ُنوا م‬


ٍ ‫ِنك ْم َوا َّلذِ َين أاوتُوا ا ْل ِع ْل َم َد َر َج‬
 ۚ ‫ات‬
„, so erhöht Allāh diejenigen von euch, die glauben, und
diejenigen, denen das Wissen gegeben worden ist, um
Rangstufen.“8

7 Buḫārī
8 58 : 11

14
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

Das Wissen setzt einige Dinge voraus


Die erste Voraussetzung ist die reine aufrichtige Ab-
sicht für Allāh taʿālā. Wie fasst man eine reine Ab-
sicht?

Erste Voraussetzung: Man fasst die Absicht, dass


man mit dem Erlangen des Wissens den Befehlen
Allāhs Folge leisten möchte, weil Allāh das Erlangen
des Wissens befohlen hat. Er sagt:

 ‫ َفاعْ َل ْم أا َّن ُه َلا اإِلٰ َه اإ َِّلا ال َّل ُه َو ْاس َت ْغ ِف ْر ل َِذنب َِك‬


„Wisse also, dass es keinen [anbetungswürdigen] Gott
außer Allāh gibt. Und bitte um Vergebung für deine
Sünde“9

Al-Buḫārī schrieb in seinem Werk Saḥīḥ Buḫārī über


diesen Vers: „Abschnitt über das Wissen kommt vor dem
Sprechen und dem Handeln.“ Dann begann er diesen
Vers als Beweis dafür. Wo ist das Wissen, womit Allāh
in diesem Vers beginnt? Wer weiß es? [Nochmal:] Ich
habe gefragt wo ist das Wissen, nicht was ist das Wis-
sen? „Faʿlam“ (Wisse). Das heißt „Wisse, dass es keinen
Gott außer den einen Gott (Allāh) gibt“. Also wisse, was
diese gewaltige Aussage bedeutet. „Und bitte um Ver-
9 47:19

15
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

gebung für deine Sünde“ ist die Handlung, die auf das
Wissen folgt und daraus resultiert. Es ist bekannt,
dass es nicht möglich ist, ohne Wissen zu handeln.
Wenn man ohne Wissen handelt, richtet man wo-
möglich mehr Schaden als Gutes an.
Man soll also die reine Absicht fasseu und wenn man
das weiß, dann weiß man, dass die Handlungen eine
Anbetung zu Allāh darstellen. Die Anbetung ist ja
das, was Allāh und der Prophet befohlen haben. Man
spürt, wenn man in einem Buch liest und nach einer
Antwort sucht, dass man Allāh damit anbetet. Man
kommt mit jedem Buchstaben, den man liest, und
jede Seite, die man umdreht, Allāh näher.

Zweitens soll man die Absicht fassen, die Unwis-


senheit bei sich selbst aufzuhebe, denn man ist ver-
pflichtet die Unwissenheit aufzuheben, um Allāh mit
Wissen und in aller Klarheit anzubeten. Allāh sagt:

 ۖ ‫ ُق ْل ٰهذِ ِه َسبِيلِي أادْ عُ و اِإ َلى ال َّل ِه ۚ عَ َل ٰى َب ِصي َر ٍة أانَا َو َم ِن ا َّت َب َعنِي‬
„Sag: Das ist mein Weg: Ich rufe zu Allāh aufgrund
eines sichtbaren Hinweises, ich und diejenigen, die mir
folgen.“10
Eigentlich ist der Mensch unwissend. Allāh ʿazza wa
ǧall sagt:
10 12:108

16
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

َ ‫ َوال َّل ُه أاخْ َر َج ُكم ِّمن ُب ُطونِ أا َّم َهات ُِك ْم َلا َت ْع َل ُم‬
 ‫ون َش ْيئًا‬
„Und Allāh hat euch aus den Leibern eurer Mütter
hervorgebracht, während ihr nichts wusstet.“11

Das kleine Kind weiß nur das, wovon sein Leben ab-
hängig ist. Es weiß, wie es die Milch von der Brust
seiner Mutter saugt. Weiß es aber irgendetwas über
seine Religion, wenn es geboren wird? Nein. Also ist
der Mensch grundsätzlich unwissend. Man soll also
mit dem Streben nach Wissen die Absicht fassen, dass
man diese negative Eigenschaft loswird, nämlich die
Unwissenheit, damit man gutmütig zu sich selbst ist.
Zu sich selbst gutmütig zu sein, stellt das eine religi-
öse Anbetung dar? Antwortet! Ja. Als ʿAbdullāh ibn
ʿAmr ibn al-ʿĀṣ - möge Allāhs Wohlgefallen auf ihm
sein - in der Nacht betete und nicht schlief, fastete
und nicht aß, hat ihn der Prophet  daran gehindert
und sagte:
‫ِلنَ ْف ِس َك َعَليْ َك َح ٌّق‬
„Dein Selbst (Dein Körper) hat dir gegenüber Rechte.“ 12
Die Gelehrten sagen, wenn man sehr hungrig ist und
Angst bekommt, vor Hunger zu sterben und nichts

11 16:78
12 Aḥmad

17
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

anderes findet als Kadaver (Maytah), ist es erlaubt es


zu essen? Es ist Pflicht davon zu essen, um sein Leben
zu wahren. Denn wenn man es nicht isst, dann stirbt
man. Allāh ʿazza wa ǧall sagt:

 ‫ َو َلا َت ْق ُت ُلوا أان ُف َس ُك ْم ۚ اِإ َّن ال َّل َه َك َان ب ُِك ْم َر ِح ًيما‬


„Und tötet euch nicht selbst (gegenseitig). Allāh ist
gewiss Barmherzig gegen euch.“13

Es ist also deutlich geworden: wenn man nach Wissen


strebt und es erlangt, um die Unwissenheit aufzuhe-
ben, dann ist man gutmütig zu sich selbst.

Drittens soll man die Absicht fassen, die Unwis-


senheit der Ummah aufzuheben. Imām Aḥmad
raḥimahullāh sagte: „Das Wissen gleicht nichts, wenn die
Absicht rein ist.“ Sie fragten ihn: „O Abu ʿAbdullāh, wie
wird die Absicht rein?“ Er sagte: „Indem man die Absicht
fasst, die Unwissenheit bei sich und bei anderen aufzuhe-
ben.“ Das gehört zu einer aufrichtigen Absicht. Denn
die Ummah ist unwissend, wenn Allāh ihr nicht Ge-
lehrte zukommen lässt, die sie belehren. Die Absicht,
gutmütig zu anderen zu sein, indem man die Unwis-
senheit bei ihnen aufhebt und versucht ihnen die
Šarīʿah nahezulegen, gehört zu einer reinen [aufrich-
13 4:29

18
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

tigen] Absicht für Allāh ʿazza wa ǧall.

Wer hat mehr Anrecht auf deine Gutmütigkeit als die


Ummah? Deine Verwandten und deine Familie. Des-
halb sagt Allāh taʿālā:

 ‫ َو أانذِ ْر عَ شِ ي َرت ََك ْال أا ْق َرب َِين‬


„Und warne die Nächsten deiner Sippe.“14

Deine Familie hat das meiste Recht darauf, dass du


ihr die Religion beibringst. Deine Familie, deine Frau,
deine Tochter, dein Sohn, deine Mutter, dein Vater,
die [gesamte] Familie. Bist du nicht bemüht, für ihre
körperliche Versorgung zu arbeiten? Wie lautet die
Antwort? Ja. Also bemühe dich um ihre seelische
Versorgung, ihren mentalen, religiösen Lebensun-
terhalt. Denn du bist, sowohl zum einen als auch zum
anderen verpflichtet. Jedoch stellt sich die Frage,
wie man das Wissen in der Familie verbreitet. Alles
Lob gebührt Allāh, so sind die Möglichkeiten dafür
heutzutage gegeben und vielfältig. Ich kenne in der
islāmischen Geschichte keine Epoche, in der das Ver-
breiten von Wissen leichter war als in unserer. Das
Wissen wird über Audio oder Broschüren verbreitet.
Setz dich mit deiner Familie hin, um sie zu unterrich-
14 26:214

19
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

ten. Wenn man sich mit der Familie zum Kaffetrin-


ken hinsetzt, ist es möglich, sie dabei zu unterrich-
ten. Der Prophet  setzte sich zum Essen und lehrte.
Eines Tages saß ʿUmar ibn Abu Salama, sein Stiefsohn
mit dem Propheten . ʿUmar war noch ein kleiner
Junge und er aß mal von der einen und mal von der
anderen Stelle des Tellers. Da sagte der Prophet :
َ ‫الُم َس ِّم اهللَ َو ُك ْل ِبيَ ِمينِ َك َو ُك ْل ِمَّا يَِل‬
‫يك‬ َ ‫يَا ُغ‬
„O Junge, sag Bismillāh, iss mit der rechten Hand und iss das,
was am nächsten zu dir liegt.“15

Wie viele Dinge lehrte ihn der Prophet ? Drei Din-


ge mit einem Mal. Wenn du beispielsweise mit dei-
ner Familie beim Kaffeetrinken sitzt und du siehst,
wie dein Kind mit der linken Hand trinkt, sollst du
es belehren. Dafür musst Du nicht erst ein Buch auf-
schlagen und daraus lehren. Nein, vielmehr sagst du
dem Kind: „Mein Kind trink mit deiner rechten Hand.
Denn der Teufel trinkt mit seiner linken Hand. Und wenn
du mit deiner linken Hand trinkst, ähnelst du in deinem
Benehmen dem Teufel.“ Und du wirst sehen, dass dein
Kind seinen Bruder belehrt, wenn er ihn mit der lin-
ken Hand essen sieht. Es wird ihm sagen: „Sei nicht
wie der Šayṭān!“
15 Buḫārī, Muslim

20
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

Du siehst deine Tochter beten, doch dir fällt auf, dass


sie nicht ruhig und ausgelassen betet. Ist es mög-
lich, sie zu belehren oder nicht? Es ist möglich. Eines
Tages ging ein Mann in die Moschee, betete ohne dabei
gelassen zu sein und wollte sich danach zum Propheten
 setzen. Der Prophet  sagte: „Geh zurück und bete,
denn du hast nicht gebetet.“ Dreimal forderte er ihn
dazu auf. Nach dem dritten Mal sagte der Mann: „Bei
Allāh, ich habe es nicht anders gelernt. Lehre mich.“ Der
Prophet  belehrte ihn und befahl ihm ausgelassen
und ruhig in der Beugung (Rukūʿ), der Niederwerfung
(Suǧūd), im Stehen (Qiyām) und im Sitzen (Quʿūd) zu
sein.16 Belehre also deine Familie.

Du siehst, dass jemand aus deiner Familie Witze er-


zählt. Was bedeutet es, Witze zu erzählen? Eine un-
wahre Geschichte zu erzählen, um die anderen zum
Lachen zu bringen. Sag: „Mein Sohn/Meine Tochter, das
ist falsch. Das ist eine Lüge.“

Es wird überliefert, dass der Prophet  sagte:


‫يث ِلُي ْض ِح َك ِبِه الق ْو َم فيَ َك ِذ ُب‬ ٌ
ِ ‫ويل ِلَّل ِذي َُي ِّد ُث باحل ِد‬
‫ويل َلُه‬
ٌ ‫ويل َلُه‬ٌ

16 Buḫārī, at-Tirmiḏī, an-Nasāʾī & Aḥmad

21
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

„Wehe demjenigen, der etwas sagt um andere zum Lachen


zu bringen, sodann lügt. Wehe ihm, wehe ihm.“17

Auf diese Art und Weise findet Erziehung und Be-


lehrung statt. Damit hat das Wissen eine große Aus-
wirkung auf die Familie. Jeder, der zum Unterricht
kommt und von den Gelehrten lernt und das Gelern-
te seiner Familie lehrt, bringt seiner Familie einen
hohen Nutzen und Gutes. Und wenn das jeder tut,
dann hat die Ummah Wissen. Jedoch bitten wir Allāh
darum, uns dabei zu helfen. Es sind viele Menschen,
die diese Sache vernachlässigen, obwohl sie einfach
ist. Entweder sitzt man mit seiner Familie und redet
nicht oder redet über sinnlose Dinge. Dabei vergisst
man, dass man für sie verantwortlich ist und dass
man den Familienmitgliedern das beibringen soll,
was einem Allāh gelehrt hat und man Ihm damit
dankt. Wir hatten über das Fassen der Absicht gesagt,
dass man die Unwissenheit bei sich und bei den Men-
schen aufheben will.

Viertens sollte mit dem Streben nach Wissen die Ab-


sicht vorhanden sein die islamische Šarīʿah zu bewah-
ren. Denn die Šarīʿah ist entweder ein verfasstes Buch
oder auswendig gelerntes Wissen in den Herzen. So
17 Sunan At-Tirmidhī, Sunan Abū Dāwūd, Nr. 4990 saḥīḥ

22
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

wird die Šarīʿah gewahrt. Entweder ein verfasstes


Buch, wie die Werke bekannter Autoren oder aus-
wendig gelerntes in den Herzen. Die Vorfahren der
Ummah (Salaf) stützten sich auf das Auswendigler-
nen. So wurde der Qurʾān zur Zeit des Propheten  nicht
zusammengefasst. Das erste Mal, dass der Qurʾān zu-
sammengefasst wurde, war zurzeit von Abu Bakr .
Das zweite und endgültige Mal dann zurzeit des drit-
ten Kalifen ʿUṯmān ibn ʿAffān .

Die Wahrung der Šarīʿah erfolgte durch das Erlangen


des Wissens. Man soll also die Absicht fassen, durch
das Streben nach Wissen die Šarīʿah zu wahren. Wir
Muslime haben die Pflicht und tragen die Verant-
wortung unsere Šarīʿah für unsere Nachgeneration
zu wahren. Wenn wir diese Pflicht vernachlässigen,
möge Allāh dies nicht geschehen lassen, dann wäre
dies eine gravierende Sünde und würde großen Scha-
den anrichten.

Fünftens soll man die Absicht fassen, die Šarīʿah zu


verteidigen. Wie ist das zu verstehen? Meine Brüder,
die Šarīʿah wird bekämpft und angegriffen. Sowohl
in der Glaubenslehre (ʿAqīdah), im Charakter und
Benehmen (Aḫlāq) als auch in den Umgangsformen
(Muʿāmalāt).

23
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

Die Šarīʿah wird in allen Bereichen angegriffen. Allāh


ʿazza wa ǧall sagt:

َ ‫ َو َك ٰذل َِك َج َع ْل َنا ل ُِك ِّل َنب ٍِّي عَ دُ ًّوا ِّم َن ا ْل ُم ْج ِرم‬
ۗ ‫ِين‬

 ‫َو َك َف ٰى ِب َر ِّب َك هَ ا ِد ًيا َون َِصي ًرا‬


„So haben Wir für jeden Propheten einen Feind aus den
Reihen der Übeltäter bestellt. Und dein Herr genügt als
Führer und Helfer.“18

Was diejenigen anbelangt, welche sich in den Reihen


zwischen dem Wissen und den Leuten befinden, so
leitet Allāh recht, wen Er will! Allāh schützt die Leute
der Šarīʿah vor denjenigen Übeltätern (Verbrechern),
die die Šarīʿah vernichten wollen. Allāh verhilft den
Leuten der Šarīʿah zum Sieg. Deswegen sagt Allāh
„Und dein Herr genügt als Führer und Helfer.“ Die Feinde
der Šarīʿah sind viele.

Wie verteidigt man also die Šarīʿah? Mit den Büchern


oder mit den Gelehrten? Antwortet. Mit den Ge-
lehrten. Natürlich lernen die Gelehrten von den Bü-
chern, aber die Verteidigung der Šarīʿah erfolgt nur
mithilfe der Gelehrten. Nehmen wir ein Beispiel. Ein

18 25:31

24
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

Mann kommt in eine mit Büchern überfüllte Biblio-


thek. Bücher in allen Bereichen. In den Bereichen
des Glaubensverständnis (Fiqh), der Umgangsfor-
men (Muʿamalāt). In der Bibliothek sind Leute, die in
diesen Büchern lesen, die aber nicht so viel Wissen
haben. Der Mann kam, um eine nichtige ʿAqīdah zu
etablieren und der Mann ist rhetorisch stark. Wird ir-
gendein Buch aus dem Regal springen und dem Mann
antworten können? Antwortet. Nein. Wäre dort ein
Gelehrter, dann hätte er dem Mann widersprochen
und seinen Mund mit Steinen gestopft.19 Die Verteidi-
gung der Šarīʿah erfolgt also nur mithilfe der Gelehr-
ten. Aufrichtige Gelehrte, die sich für den Qurʾān und
die Sunnah opfern und diese für Allāh ʿazza wa ǧall
sich selbst gegenüber bevorzugen. Es ist also wichtig,
dass man Wissen erlangt, um die Šarīʿah zu verteidi-
gen. Ohne Wissen soll man nicht über die Religion
sprechen, da man anstelle eines Nutzens eher einen
Schaden erreicht.

All die erwähnten fünf Punkte sind beim Streben


nach Wissen unter der reinen Absicht für Allāh zu
verstehen. Und es gibt Dinge, die derjenige einhal-
ten soll, der Wissen erlangen möchte. Darunter zählt,

19 Anmerkung: arabische Redewendung ungefähr wie, er hätte ihn


Mundtot gemacht.

25
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

dass er zu Allāh aufrufen soll, mit dem, was er von


der Šarīʿah gelernt hat. Entweder durch Aussagen
oder durch Taten. Durch Aussagen heißt, dass man
das Wissen verbreitet und zur Šarīʿah aufruft, ob in
der Moschee, in der Schule, bei privaten und öffentli-
chen Veranstaltungen, überall.
Der Aufruf zum Islām (Daʿwah) durch Taten ist sehr
schwer. Die Daʿwah mit dem Mund ist leicht. Jeder
benutzt seine Zunge und kann sagen, was immer er
möchte. Doch die Daʿwah durch Taten ist nicht ein-
fach. Der Schüler des Wissens (Ṭālib-ul ʿIlm) sollte
respektvoll und anständig sein und damit meine ich
nicht die sprachliche Bedeutung, vielmehr meine ich
den islamischen Anstand. Er sollte still und ruhig
sein, gute Charaktereigenschaften aufweisen, sein
Gottesdienst und sein guter Umgang mit den Men-
schen sollen ihn prägen.

Leider, und ich sage das über mich selbst und über
andere: es fällt hinsichtlich dieser Sache schwer, zwi-
schen einem Gelehrten und einem Unwissenden zu
unterscheiden. Viele Leute sind durch ihre Charak-
tereigenschaften oder durch ihre religiösen Verrich-
tungen der Gottesdienste oder durch ihr Benehmen,
d.h. durch ihre Umgangsformen kein gutes Beispiel
für das Wissen. Zwar ist er ein Schüler des Wissens,

26
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

ein Student und hat beispielsweise sehr viel Wissen,


jedoch repräsentiert er dieses nicht. Er lügt, betrügt
oder lästert über Menschen, verleumdet, etc. Wo
bleibt da die Verkörperung des Wissens? Es ist daher
sehr wichtig, dass derjenige, der zu Allāh ʿazza wa ǧall
ruft, sowohl aufrichtig in seinen Aussagen als auch in
seinen Taten ist.

Womit wahrt man das eigene Wissen?


Auch soll derjenige, der Wissen erlangt, immer darauf
bedacht sein, das Wissen sorgfältig zu wahren, wel-
ches ihm Allāh gegeben hat. Womit wahrt man das
Wissen? Das Wissen wird mit dem gewahrt, was Allāh
uns dargelegt hat. So sagt Allāh ǧalla wa ʿalā:

 ‫ َوا َّلذِ َين اهْ َتدَ ْوا زَادَهُ ْم هُ دً ى َواآ َتاهُ ْم َت ْق َواهُ ْم‬
„Und denjenigen, die rechtgeleitet sind, mehrt Er die
Rechtleitung und verleiht ihnen ihre Gottesfurcht.“20

Wenn du willst, dass Allāh dein Wissen wahrt, das Er


dir gab, dann sollst du entsprechend diesem Wissen
handeln. Sei nicht nachlässig. Du trägst eine größere
Verantwortung als andere.

20 47:17

27
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

Handle danach und Allāh hat dir zwei Dinge gesi-


chert.
Erstens mehr Wissen und zweitens Gottesfurcht
(Taqwa). Mehr Wissen und Taqwa bedeutet Taten [zu
vollziehen]. Es wird überliefert, dass Imām aš-Šāfiʿī
sagte:

‫َش َك ْو ُت اإ َلى َوكِ ٍيع ُسو َء حِ ْفظِ ي *** َف أا ْر َشدَ نِي اإ َلى َت ْركِ الم َعاصي‬

‫َو أاخْ َب َرنِي ب أا َّن العِل ْـ َم نُو ٌر *** ونو ُر الله لا يؤتى لعاصي‬

„Ich klagte bei Wakīʿ mein Defizit


im Behalten des Auswendiggelernten.

Da wies er mich darauf hin, die Sünden zu unterlassen und


berichtete mir:

`Wisse, dass das Wissen Licht ist


und das Licht Allāhs gebührt keinem Sünder.´“

Er hat die Wahrheit gesagt, so möge Allāh mit ihm


zufrieden sein. Der Sünder bekommt das Licht Allāhs
nicht. Sünden sind eine Finsternis im Herzen. Wenn
der Mensch eine Sünde begeht, wird in seinem Her-
zen etwas Schwarzes gepunktet. Wenn er reuig ist

28
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

und um Vergebung bittet, wird das Schwarze besei-


tigt. Setzt er die Sünde aber fort und wiederholt sie,
wird das Schwarze größer. Möge Allāh uns davor be-
wahren. Die Sünden bilden einen Spalt zwischen den
Menschen und dem Wissen. Höre, was Allāh taʿālā
sagt:

 ‫ اِإ َذا ُت ْت َل ٰى عَ َل ْي ِه اآ َيا ُت َنا َق َال أا َساطِ ي ُر ْال أا َّول َِين‬


„Wenn ihm Unsere Zeichen verlesen werden, sagt er:
„(Es sind) Fabeln der Früheren.““21

Mit ‚unsere Zeichenʿ ist der Qurʾān gemeint, doch sie


sagen: „(Es sind) Fabeln der Früheren“. Allāh sagt weiter:

َ ‫ َك َّلا ۖ َب ْل ۜ َر َان عَ َل ٰى ُق ُلو ِب ِهم َّما َكانُوا َي ْكسِ ُب‬


 ‫ون‬
„Keineswegs! Vielmehr hat sich das, was sie zu erwerben
pflegten, über ihren Herzen angesetzt.“22

Ihre Herzen sind umhüllt (Ġulf) worden. Sie verste-


hen den Qurʾān nicht mehr und nehmen ihn nicht
als Rechtleitung an. Wieso? Antworte Bruder. Wegen
dem, was sie an Sünden begangen haben. Es sind nicht
die Fabeln der Früheren, nein, es ist das Wort Allāhs,
was mit keinem Wort gleichzusetzen ist. Vielmehr
21 83:13
22 83:14

29
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

hat sich das, was sie zu erwerben pflegten, über ih-


ren Herzen angesetzt. Derjenige, der Sünden begeht,
wird nicht den Geschmack des Qurʾāns zu spüren
bekommen. Niemals. Und der Geschmack, entspre-
chend seines Glaubens im Herzen, wird aufgrund der
Sünden gemindert. Und höre, was Allāh taʿālā sagt:

‫ون ا ْل َكل َِم‬


َ ‫ َفب َِما َن ْق ِض ِهم ِّميثَا َق ُه ْم َل َعنَّاهُ ْم َو َج َع ْل َنا ُق ُلو َب ُه ْم َقاسِ َي ًة ۖ ُي َح ِّر ُف‬
 ۚ ‫اض ِع ِه ۙ َون َُسوا َح ًّظا ِّم َّما ُذ ِّك ُروا ِب ِه‬ ِ ‫عَ ن َّم َو‬
„Dafür, dass sie ihr Abkommen brachen, haben Wir sie
verflucht und ihre Herzen hart gemacht. Sie verdrehen
den Sinn der Worte, und sie haben einen Teil von dem
vergessen, womit sie ermahnt worden waren.“23

Wie viele Strafen wurden genannt. Zählt sie auf Brü-


der. Wie viele Strafen sind es, die im Vers genannt
wurden. Vier Strafen.

Das Vergessen bedeutet hier an der Stelle das Unter-


lassen bzw. Verlassen. So sagt Allāh.

ۚ ‫ َو َلا ت َُكونُوا َكا َّل ِذ َين ن َُسوا ال َّل َه َف أا َنساهُ ْم أان ُف َس ُه ْم‬
 ‫ون‬ َ ‫أاولٰ ِئ َك هُ ُم ا ْل َف ِاس ُق‬
23 5:13

30
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

„Und seid nicht wie diejenigen, die Allāh vergessen


haben und die Er dann sich selbst hat vergessen lassen.
Das sind die Frevler.“24

Das heißt, Allāh hat sie verlassen. So wie sie Seinen


Befehlen nicht gefolgt sind, so hat Er sie verlassen.

Zu den Voraussetzungen für das Bewahren des Wis-


sens gehört das Handeln entsprechend des Wissens.
Handle danach, dann wird das Wissen in deinem Her-
zen gefestigt und gemehrt.
Es wird eine Weisheit überliefert, die besagt,
dass derjenige, der nach dem handelt, was er weiß,
von Allāh das Wissen bekommt, das er noch nicht
weiß.
Es wird auch gesagt, das Wissen ruft danach es zu
folgen und wenn dies nicht geschieht, dann geht es
fort. Das Bewahren des Wissens erfolgt also durch
das Befolgen des Wissens und die entsprechenden
Taten. Der eine oder andere könnte meinen, dass die
Angelegenheiten, welche die Muslime von den Taten
(religiöse Verrichtungen) abhalten bzw. ablenken,
sehr viele sind. Ja, das ist richtig. Die Ablenkungen
sind viele, aber stütze dein Leben darauf, wozu der
Prophet  aufgerufen hat:
24 59:19

31
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

‫ال ِم اْلَْرِء َت ْر ُكُه َما َال يَ ْعنِيِه‬


َ ‫ِم ْن ُح ْسن إ ْس‬
ِِ
„Zum guten Islam des Menschen gehört, dass er das
unterlässt, was ihn nichts angeht.“25

Bau dein Leben auf dieses Prinzip auf. Lass alles


sein, was deinem diesseitigen oder jenseitigen Leben
nichts nützt. Das ist gut für die [Auslebung deines]
Islāms. Dadurch findest du die Zeit für das Wissen,
für die religiösen Verrichtungen und für das Geden-
ken Allāhs und für die Rückkehr zu Ihm.

Ein Ratschlag (Nasiḥa): Rat oder Verrat?


Eine weitere Voraussetzung für das Bewahren des
Wissens ist der Ratschlag (Nasiḥa), den man seinen
Brüdern erteilen sollte. Betreffend ihres Umgangs,
ihres Benehmens. Dabei sollte man nicht davon pro-
fitieren. Was meinen wir mit „er sollte nicht davon
profitieren“? Hintergehe nicht deinen Bruder, der dir
Vertrauen entgegengebracht hat, damit du deinen
eigenen Vorteilen dienst. Manche Leute weisen die-
se Art auf. Beispielsweise kommt jemand und bittet
dich um deinen Ratschlag. Du enthältst ihm den rich-
tigen Ratschlag vor, weil du deine eigenen Vorteile
wahren und keinen Schaden dadurch erleiden möch-
25 Ibn Māǧah, Abū Dāwūd & Muslim

32
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

test. Wenn dich jemand zum Beispiel nach deiner


Meinung bezüglich eines Hausangebots fragt. Er sagt:
„Es wurde mir ein Haus für 500.000 angeboten.“ Du weißt,
dass dieses Angebot sehr gut und das Haus ziemlich
günstig ist. Du sagst ihm: „Nein, der Preis ist nicht gut.
Der Eigentümer verlangt zu viel.“ Dabei weißt du, dass
der Preis sehr gut ist. Du willst aber das Haus selber
kaufen.

Oder jemand möchte um die Hand einer Frau anhal-


ten und fragt dich, was du über sie weißt. Du weißt,
dass es sich um eine gute, aufrichtige Frau handelt.
Als er dich nach deiner Meinung fragt, fühlst du, dass
du um ihre Hand bitten solltest. Du weißt, dass sie
eine gute Schwester ist und dass viele um so eine Frau
wetteifern würden. Dann sagst du ihm, dass sie kei-
ne geeignete Frau für ihn ist und ihr Vater sei nicht
aufrichtig. Warum all das? Damit du hingehst und um
ihre Hand anhältst. So etwas gehört sich nicht für je-
manden, der Schüler des Wissens ist. Denn so etwas
ist Betrug.

So sagte der Prophet :

َ ْ‫ش َفَلي‬
‫س ِمنِّى‬ َّ ‫َم ْن َغ‬

33
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

„Wer betrügt, der gehört nicht zu uns.“26 - 27

Willst du, dass der Prophet  sich von dir distanziert?


Nein, niemand möchte das. Wer an den Propheten 
glaubt, der möchte nicht, dass sich der Prophet  von
ihm distanziert. Wisse, wenn du die richtige Nasiḥa
erteilst, dass Allāh dir deine Angelegenheiten er-
leichtern wird. Der Prophet  sagte:
‫اجتِِه‬ َُّ ‫اجِة أَ ِخيِه َكا َن‬
َ ‫اهلل ِفى َح‬ َ ‫َم ْن َكا َن ِفى َح‬
„Wer sich um die Angelegenheit seines Bruders bemüht, dem
erleichtert Allāh seine Angelegenheit.“28

Und er sagte auch:

‫اهلل ِفى َع ْو ِن اْل َعبْ ِد َما َكا َن اْل َعبْ ُد ِفى َع ْو ِن أَ ِخيِه‬
َُّ ‫َو‬
„Allāh hilft dem Diener, solange dieser seinem Bruder hilft.“ 29

26 Muslim
27 Anmerkung: „der gehört nicht zu uns“ bedeutet, dass man
nicht zu den Leuten des vollständigen Imāns gehört.
Es gibt einige Gruppierungen, die diese Aussage derart
bewerten, dass wenn jemand betrügt nicht mehr zu den
Muslimen zählt und das ist ein fatales Fehlverständnis.
Betrug ist eine große Sünde, aber kein Ausschlusskriterium
aus dem Islam. Doch Allāh weiß es besser.
28 Muslim
29 Muslim

34
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

Der Prophet  sagte:


َ
ِ ‫ َفْلُتد‬، ‫ْخ َل ْالنََّة‬
‫ْر ْكُه‬ ُ ‫َح َع ِن النَّ ِار َويَد‬
َ ‫َحز‬ْ ‫ب أَ ْن ُيز‬ َّ ‫َم ْن أَ َح‬
‫اس َما‬ َ ْ ِ ‫َمنِيَُّتُه َو ُه َو ُي ْؤ ِم ُن ِباهللِ َواْليَ ْو ِم‬
ِ َّ‫ َويَأِتي إِل الن‬، ‫اآلخ ِر‬
‫ب أَ ْن ُي ْؤَتى إَِليِْه‬ ُّ ‫ُ ِي‬
„Wer möchte, dass er an der Hölle vorbeigeschoben wird und
ins Paradies eintritt, der soll sterben und dabei an Allāh und
an den Jüngsten Tag glauben, und er soll zu den Menschen so
sein, wie er möchte, dass sie zu ihm sind.“30

Sei daher aufrichtig bei deiner Nasiḥa, auch wenn dei-


ne Neigung dir etwas anderes sagt und auch wenn es
dir schwer fällt. Sei dir sicher, wenn du jemandem
eine aufrichtige Nasiḥa gibst, dann wirst du es lieben
und eine Süße darin verspüren, sodass du es dann
immer so tust und es wird dir leicht fallen. Ich hoffe
darauf, dass diese Worte einen Nutzen bringen wer-
den.

Letztlich ist bezüglich des Umgangs mit der Familie


zu sagen, dass der Mensch für seine Familie auf eine
religiös legitimierte Weise sorgen muss.
Der Prophet  hat uns das gezeigt. Etwa sein Aus-
spruch in dem er sagte:
30 Aḥmad und Ibn Abī Šaybah

35
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

‫وه ْم َعَليْ َها‬ ْ ‫ َو‬، ‫ني‬


ُ ‫اض ِرُب‬ َ ِ‫الةِ ِل َسبْع ِسن‬
ِ َّ ‫ُمُروا أَْبنَاَء ُك ْم ِب‬
َ ‫الص‬
َ ِ‫ِل َع ْش ِر ِسن‬
‫ني‬
„Befehlt euren Kindern das Gebet mit sieben und schlagt31 sie
dafür mit zehn.“32

Auch soll man seine Kinder an das Hören des Qurʾāns


und der Aussprüche des Propheten  gewöhnen.
Auch soll man sie an den Respekt gegenüber den
Älteren gewöhnen und all die Dinge, die in den ein-
schlägigen Büchern stehen. Man soll nicht vergessen,
dass man dabei auf die Hilfe von Allāh ʿazza wa ǧall
hofft. Das Ersuchen der Hilfeleistung durch Allāh ist
die Grundlage von allem Guten. So sagt Allāh taʿālā:

ُ ‫ اِإ َّي َاك َن ْع ُبدُ َواِإ َّي َاك ن َْس َتع‬


 ‫ِين‬
„Dir allein dienen wir, und zu Dir allein flehen wir um
Hilfe.“33

Auch sagt Allāh tabāraka wa taʿālā:

 ۚ ‫ َفاعْ ُبدْ ُه َو َت َو َّك ْل عَ َل ْي ِه‬


31 Anmerkung: Damit ist kein Aufruf zur Körperverletzung
gemeint, sondern das Ergreifen von disziplinarischen und
erzieherischen Maßnahmen und Allāh weiß es am besten.
32 Aḥmad
33 1:5

36
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

„So diene Ihm und verlasse dich auf Ihn.“34

Der Prophet - Allāh segne ihn und gebe ihm Heil! -


sagte:
‫استَ ِع ْن ِباهللِ َو َال َت ْع ِج ْز‬
ْ ‫َو‬
„Suche Hilfe bei Allāh und sei nicht unfähig.“35

Ich bitte Allāh für mich und für euch um Hilfe, Erfolg
und Rechtleitung, unsere Taten anzunehmen, und
dass unsere Taten aufrichtig für Sein edles Angesicht
sind und zu Seiner Zufriedenheit.

An dieser Stelle bitte ich Allāh darum, uns durch


diese Worte einen Nutzen zu geben. Was mich an-
belangt, so mag ich es nicht, lange zu reden und ich
sage, dass die beste Rede die kurze und nützliche ist.
Ich hoffe, dass die mir vorliegenden Fragen nützliche
Antworten mit sich bringen. Ich bitte Allāh, uns das
nützliche Wissen zu geben und zu den aufrichtigen
Taten zu leiten und die Versorgung (Rizq) zu geben.
Er ist zu allem im Stande.

34 11 : 123
35 Muslim

37
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

Wir bedanken uns beim Scheich für seinen Vortrag


und bitten Allāh, uns und euch Nutzen von diesen
Worten zu geben. Amīn.

Frage:
Die Familien machen übers Wochenende (Do + Fr) ei-
nen Familienausflug, meist weit weg von der Stadt.
Ist es erlaubt, das Freitagsgebet außerhalb der Stadt
zu verrichten oder sollen sie in die Stadt fahren und
dort das Freitagsgebet verrichten?

Ibn ʿUṯaymīn:
Diejenigen, die am Freitag einen Ausflug machen, be-
gehen meiner Meinung nach einen Fehler. Warum?
Weil sie einen anderen Wochenendtag haben und
zwar den Donnerstag. Sie können einen Familienaus-
flug am Donnerstag machen und das Freitagsgebet
mit den Muslimen verrichten. Denn das Freitagsge-
bet ist nicht wie die anderen Gebete. Das Freitagsge-
bet hat Allāh den Juden und Christen verwehrt und
es den Muslimen beschert. Der Prophet  sagte:
ُْ ‫ال ُم َعُة إَل‬
ُ ‫ال ُم َعِة َك َّفا َرُة َما َبيْن‬
‫َه َما‬ ُْ
ِ
„Das Freitagsgebet löscht die zwischen den beiden Freitagen
gemachten [kleinen] Sünden“36
36 Ibn Māǧah, Ibn Ḫusaymah

38
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

Auch wird auf die Wichtigkeit des Freitagsgebets


dadurch hingewiesen, dass die (große rituelle) Wa-
schung für das Freitagsgebet Pflicht ist. Der Prophet
- Allāh segne ihn und gebe ihm Heil! - hat seiner Um-
mah auferlegt, sich für das Freitagsgebet (ganzkör-
per) zu waschen. So sagte der Prophet :
‫ب َعَلى ُك ِّل ُْحمتَِلم‬
ٌ ‫اج‬ ُْ ‫ُغ ْس ُل‬
ِ ‫ال ُم َعِة َو‬
ٍ
„Die Ganzkörperwaschung für das Freitagsgebet ist eine
Pflicht für jeden Pubertierenden (Muḥtalim).“37

Die Wichtigkeit dieses Gebets ist auch darin zu sehen,


dass es geboten ist, die beste Kleidung zu diesem An-
lass zu tragen, sich zu parfümieren und früh in die
Moschee zu gehen. Das Freitagsgebet darf nicht mit
dem ʿAsr Gebet verrichtet werden und vor dem Gebet
muss eine ermahnende Predigt (Mauʿiẓah) gehalten
werden. Und es gibt weitere Vorzüge dieses Freitags-
gebets, über das der Gelehrte Ibn al-Qayyim in sei-
nem Werk „Zād al-Miʿād“ ausführlich gesprochen hat.

Ich sage daher zu diesen Leuten, auch wenn sie es


nicht absichtlich getan haben, so haben sie sich viel
Gutes verwehrt. Eine Sünde haben sie dadurch den-
noch nicht begangen, es sei denn, sie haben absicht-
37 Aḥmad

39
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

lich den Ausflug gemacht, um nicht das Freitagsgebet


verrichten zu müssen. Ich gehe jedoch nicht davon
aus, dass irgendwer dies absichtlich tut. Auch sind
sie nicht dazu verpflichtet, in eine Stadt zu fahren,
um in die Moschee zu gehen, es sei denn, sie sind in
der Nähe einer Stadt. Sie dürfen an ihrem Ausflugs-
ort auch nicht das Freitagsgebet mit dem ʿAsr-Gebet
zusammen beten, weil der Prophet  auf der Reise
kein Freitagsgebet verrichtet hat. Auch nicht am Tag
von ʿArafah, der an einem Freitag und die größte
Ansammlung von Muslimen war, hat der Prophet 
nicht das Freitagsgebet verrichtet, sondern das Ẓuhr
und ʿAsr Gebet zusammen.

Die Zusammenfassung der Antwort lautet, dass diese


Familien ihren Ausflug am Donnerstag machen soll-
ten. Wenn sie aber am Freitag ihren Ausflug machen
und sie in der Nähe einer Stadt sind, so sollen sie in
die Stadt fahren und dort das Freitagsgebet in der
Moschee verrichten. Wenn sie aber weit weg sind,
brauchen sie das Freitagsgebet nicht zu verrichten,
sondern das Mittagsgebet (Ẓuhr).

Frage:
Ich bin eine Frau und leide unter der Abwesenheit
meines Mannes. Diese Abwesenheit kann Monate

40
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

dauern aus dem Grunde, dass er auf dem Wege Allāhs


Daʿwah macht und wenn ich ihn an seine ehelichen
Pflichten erinnere, sagt er, dass die Daʿwah Vorrang
hat. Ist so ein Verhalten erlaubt?

Ibn ʿUṯaymīn:
Solch ein Verhalten ist nicht erlaubt. Man ist ver-
pflichtet sich um seine eigene Familie zu kümmern,
bevor man sich um andere kümmert. So sagt Allāh
tabāraka wa taʿālā zum Propheten :

 ‫ َو أانذِ ْر عَ شِ ي َرت ََك ْال أا ْق َرب َِين‬


„Und warne die Nächsten deiner Sippe.“38

Die Pflicht sich um die eigene Frau und Kinder zu


sorgen, ist eine individuelle Pflicht (Fard ʿayn), die er
selbst zu verrichten hat. So sagte der Prophet - Allāh
segne ihn und gebe ihm Heil:
ٌ ‫ َو ُه َو َم ْسئ‬،‫الر ُج َل َراع َعَلى أَ ْهل َبيْتِِه‬
‫ُول َعنْ ُه ْم‬ َّ
ِ ٍ
„Der Mann sorgt für seine Familie und ist für sie
verantwortlich.“39

Die Daʿwah hingegen ist eine kollektive Pflicht (Fard


38 26 : 214
39 Abī ʿAwānah

41
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

kifāyah) und es heißt, wenn jemand anderes die


Daʿwah macht, dann ist man davon befreit. Daher le-
gen wir denjenigen nahe, die so sind, wie in der Frage
beschrieben, sich über ihre Angelegenheit klarzu-
werden und sich um ihre Familien zu sorgen, denn
dies birgt mehr Lohn.
Eines Tages fragte ein Mann den Propheten - Allāh
segne ihn und gebe ihm Heil: „Oh Gesandter Allāhs, ich
habe einen Dinār.“ Der Prophet - Allāh segne ihn und
gebe ihm Heil! - befahl ihm, den Dinār für seine Fa-
milie auszugeben, bevor er ihn spendet. Die Sorge um
die Familie ist eine individuelle Pflicht, wohingegen
die Dawa eine kollektive Pflicht ist.

Frage:
Ich habe meinen Ehemann immer darum gebeten,
mir zu kaufen, worum ich ihn bitte. Doch er ignorier-
te es. Ich habe es einer Freundin von mir erzählt und
sie riet mir dazu, meinen Mann mit einem Zauber
zu belegen. Und so tat ich es. Jetzt ist er bettlägerig,
kann nicht reden und nichts tun. Wir haben vier Kin-
der und ich bin verzweifelt. Ich weiß nicht, was ich
tun soll.

Ibn ʿUṯaymīn:
Wir suchen bei Allāh Zuflucht vor der Ratgeberin und

42
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

vor der Ratempfängerin. Die Ratgeberin erteilte ei-


nen Rat zur Sünde und die Ratempfängerin hat die
Sünde ausgeführt. Sie hat die Pflicht, Allāh Reue zu
zeigen und diesen Zauber auf welche Weise auch im-
mer aufzulösen. Sie darf diesen Zustand nicht weiter
aufrechterhalten. Auch soll sie wissen, wenn er dar-
an stirbt dann ist sie an seinem Tod schuld. Denn die
Gelehrten haben gesagt: „wer jemanden mithilfe eines
Zaubers tötet, der hat eine Seele mit Absicht getötet und
muss dafür getötet werden.“40
Allāh sagt:

ُ ‫ َيا أا ُّي َها ا َّلذِ َين اآ َم ُنوا ُكت َِب عَ َل ْي ُك ُم ا ْلق َِص‬
 ۖ ‫اص فِي ا ْل َق ْت َلى‬
„O die ihr glaubt, vorgeschrieben ist euch
Wiedervergeltung für die Getöteten:“41

 ‫ ال َّن ْف َس بِال َّن ْف ِس‬


„… Leben um Leben, …“42

Sie soll daher schnellstmöglich den Zauber auflösen,


auf welche Weise auch immer und Allāh um Verge-
40 Eine Verurteilung wird in einem islāmischen Staat mit
islāmischer Rechtssprechung von einem Richter
vorgenommen und Allāh weiß es am besten.
41 2 : 178
42 5: 45

43
Das Wissen und dessen rechtschaffene Auswirkung auf die Familie

bung bitten, bereuen und für ihren Mann Bittgebete


aussprechen.
Was aber die eigentliche Frage betrifft, nämlich dem
Recht auf Unterhalt, so ist es ihr erlaubt, das Geld zu
nehmen, wenn ihr Ehemann den Unterhalt verwehrt
und sie in der Lage ist an das ihr zustehende Geld he-
ranzukommen. Denn der Prophet  hat dies erlaubt.

Als Hind bint ʿUtbah – die Ehefrau von Abu Sufyān –


zum Propheten  kam und sagte:

َ ْ‫يح َوَلي‬
‫س ُي ْع ِطين َما‬
ِ ٌ ‫ول اهللِ إِ َّن أََبا ُس ْفيَا َن َر ُج ٌل َش ِح‬ َ ‫يَا َر ُس‬
َ ‫يَ ْك ِفين َو َوَل ِدي إ َّال َما أَ َخ ْذ ُت ِمنُْه َو ْه َو َال يَ ْعَل ُم َف َق‬
‫ال ُخ ِذي‬ ِ ِ
‫وف‬ ‫ر‬ ‫ع‬ َ
‫ل‬ ‫ا‬ ‫ب‬ ‫ك‬ َ
‫د‬ َ
ِ ُ ْ ِ ِ َ َ ِ ِ ‫َما يَ ْك‬
ْ ‫ل‬ ‫و‬ ‫و‬ ‫يك‬ ‫ف‬
„O Gesandter Allāhs, Abā Sufyan ist ein geiziger Mann. Er
gibt mir nicht vom Unterhalt, was für mich und meinen Sohn
notwendig ist.“ Da sagte der Prophet : „Nimm was dir und
deinem Sohn reicht, jedoch mit Gefälligkeit (bil-maʿrūf).“43

Der Frau steht es zu das nötige Geld von ihrem Mann


zu nehmen, ohne dass er davon weiß, wenn er ihr
den Unterhalt verwehrt. Ich rate den Ehemännern,
die so sind, Allāh ʿazza wa ǧall hinsichtlich ihrer
Frauen zu fürchten und ihren Unterhaltspflichten
43 Buḫārī & Muslim

44
‫العلم وأثره في إصالح األسرة‬

nachzukommen. Auch sollen sie wissen, dass derje-


nige, der ihnen das Geld beschert hat, sie dazu ver-
pflichtet hat, es auszugeben. Wie können sie Allāh
widersprechen, obwohl Er es ist, der ihnen dieses
Geld beschert hat. Das widerspricht dem Verstand
und der Šarīʿah. Auch soll er wissen, dass die Unter-
haltsgabe (Nafaqah) nicht das Vermögen mindert,
sondern mehrt. Sie mehrt den Segen des Vermögens
und mehrt die Großzügigkeit im Herzen. Auch weitet
es das Herz. Deswegen findet man auch niemanden,
dessen Brust weiter geöffnet ist, außer im Islām, der
das Herz so sehr weitet. Sie sollen also den Unterhalt
an ihre Ehefrauen und Kinder leisten, damit ihnen in
ihrem Leben Gutes und Freude beschert wird. Auch
sollen sie wissen, dass diese Unterhaltszahlungen
nicht das Vermögen mindern, sondern es mit Segen
und Wachstum mehren.

45
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