Sie sind auf Seite 1von 45

Tricks und Listen in

den Umgangsformen
‫اﻟﺤﻴﻞ ﻓﻲ اﻟﻤﻌﺎﻣﻠﺎت‬

VOM EHRENWERTEN GELEHRTEN


MUḤAMMAD IBN ṢĀLIḤ
AL-‘UṮAYMĪN

EYAD HADROUS
‫‪G‬‬
‫‪ُ ‬ق ْل ٰهذِ ِه َسبِيلِي أادْ عُ و اِإ َلى ال َّل ِه ۚ عَ َل ٰى َب ِصي َر ٍة أانَا َو َم ِن ا َّت َب َعنِي ۖ ‪‬‬
„Sag: Das ist mein Weg: Ich rufe zu Allāh aufgrund eines
sichtbaren Hinweises, ich und diejenigen, die mir folgen.“

]Yūsuf 12 : 108[
Autor:
Muḥammad Ibn Ṣāliḥ al-ʿUṯaymīn

Herausgeber:
Eyad Hadrous
Osloer Str. 105, D-13359 Berlin
ISBN 978-3-942682-00-8

3. Auflage
Berlin, 5. Ǧumāda I 1443 / 09. Dezember 2021

Copyright © 1443 / 2021


www.hadrous.de

‫مجيع احلقوق حمفوظة‬


Haftungsausschluss

Eyad Hadrous hat es sich zur Aufgabe gemacht, zu einem


besseren Verständnis des Islāms, als Lehre und Lebenswei-
se, beizutragen und des Weiteren den deutschsprachigen
Muslimen eine Stütze zu bieten, sich sachgerecht in deut-
scher Sprache über ihre Religion zu informieren. Ebenso
beabsichtigt er, Missverständnisse und Vorurteile über den
Islām abzubauen. Hierbei ist ihm wichtig, dass man auf die
Quellen des Islāms zurückgreift, das heißt auf den Qurʾān
und die authentische Sunnah. Dabei achten wir auf das Ver-
ständnis unserer rechtschaffenen Vorfahren.

Alle Veröffentlichungen, die unter anderem aus dem Ara-


bischen übersetzt worden sind, können über gewisse Prak-
tiken eines islāmischen Staates mit islāmischer Rechtspre-
chung berichten, was durchaus nach deutschen Maßstäben
missverstanden werden könnte. Keineswegs soll dies ein
Aufruf dazu sein, vielmehr ist es eine Aufklärungsarbeit, um
Missverständnisse und Vorurteile abzubauen, dafür ist es
unabdingbar über die islāmische Sichtweise zu berichten.
Der Islām ist eine Religion des Friedens, der Ruhe und eine
Religion des Wissens und der Toleranz.

Das Werk, einschließlich all seiner Teile, ist geschützt. Jede


Verwendung - auch auszugsweise - ist ohne schriftliche Ge-
nehmigung von Islamische Schriften Verlag nicht erlaubt.
Dies gilt insbesondere auch für die Vervielfältigung, Über-
setzung, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Ver-
arbeitung in elektronischen Systemen.
‫الحيل في المعامالت‬

Tricks und Listen


in den Umgangsformen

Autor:
Muḥammad Ibn Ṣāliḥ al-ʿUṯaymīn
‫الحيل في المعامالت‬

F
Im Namen Allāhs, des Allerbarmers,
des Allbarmherzigen

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

alles Lob gebührt Allāh, Ihn lobpreisen wir und bei


Ihm ersuchen wir unsere Hilfeleistung und Ihn bitten
wir um Vergebung. Wir suchen Zuflucht bei Allāh vor
dem Bösen unseres Selbst und vor unseren schlech-
ten Taten. Wen Allāh rechtleitet, der wird nie in die
Irre gehen, und wen Allāh in die Irre gehen lässt, den
wird niemand rechtleiten.
Und ich bezeuge, dass es niemanden gibt, der zu
Recht [und mit Wahrheit] angebetet werden darf,
außer Allāh, und ich bezeuge, dass Muḥammad Sein
Diener und Gesandter ist. Er ist Sein enger Freund
(Ḫalīl) und der vertrauenswürdige Offenbarungs-
empfänger. Allāh der Erhabene entsandte ihn mit
der Rechtleitung und der wahren Religion. Dabei ist
die Rechtleitung das nützliche Wissen und die wahre
Religion sind die rechtschaffenen Werke. So über-
brachte er die Botschaft und übergab uns das anver-

7
Tricks und Listen in den Umgangsformen

traute Gut (Amānah) und gab der Ummah den besten


Rat und mühte sich um Allāhs Willen so ab, wie es
Ihm gebührt. Allāhs Segen und Frieden auf ihm, seine
Familie und Gefährten und allen, die ihnen in bester
Weise folgen, bis zum Tage der Auferstehung.

Heute Abend, Dienstag, den 20. Šawwāl 1422 nach


der Hiǧrah freut es mich, meine Brüder in dieser Mo-
schee zu treffen, hier in der „Šayḫ Ibrāhīm al-Hdeyṯī
Moschee“ in Riyāḍ, um zu ihnen zu sprechen. Hierbei
bitte ich Allāh um einen Nutzen. Denn das Zusam-
mentreffen der Menschen mit den Gelehrten birgt
viel Gutes. Das Zusammenkommen, die Zuneigung,
die Freundschaft, das Wissen, die Klarheit und nicht
zu vergessen, dass man daraus viel Lohn bei Allāh
erntet. Denn die besten Sitzungen, sind die Sitzun-
gen an denen Wissen vermittelt wird. So sagte der
Prophet :
‫اهلل َلُه َط ِري ًقا‬
ُ ‫ َس َّه َل‬، ‫س ِفيِه ِعْل ًما‬ ِ ‫َم ْن َسَل َك َط ِري ًقا يَْلت‬
ُ ‫َم‬
َ ْ ‫إَل‬
‫النَِّة‬ ِ
„Derjenige, der einen Weg beschreitet, um Wissen zu
erlangen, dem erleichtert Allāh einen Weg zum Paradies.“1

1 Ibn Māǧah, Ahmad & at-Tirmiḏī

8
‫الحيل في المعامالت‬

Das umfasst, sowohl die sichtbaren Wege, also bei-


spielsweise der Weg von zuhause in die Moschee, als
auch die immateriellen Wege, etwa das Nachschlagen
dessen, was die Gelehrten über bestimmte Angele-
genheiten sagten.
Sprich, wer in seiner Bibliothek ist und keinen Schritt
zu einem anderen Ort macht, und dort wiederholt in
den Büchern nachschlägt und sie studiert, der be-
schreitet einen Weg, um Wissen zu erlangen; dem er-
leichtert Allāh einen Weg zum Paradies.

Wege zum Erlangen des Wissens.


Ǧihād oder Ṭalab-ul ʿIlm?
Wisse, mein Bruder im Islām, dass derjenige, der die
Bücher studiert und nachschlägt und danach sucht,
dem Muǧāhid gleicht, welcher im Kampf für die Sache
Allāhs die Waffen bereitstellt, um die Feinde zu be-
kämpfen. Wir alle kennen die Vorzüge des Ǧihāds für
die Sache Allāhs, nämlich der Kampf, damit das Wort
Allāhs über allem steht.
Doch ich überbringe den Schülern des Wissens eine
frohe Botschaft und mit Wissen meine ich das reli-
giöse Wissen, dass sie wie diejenigen sind, die in den
Ǧihād zogen, oder gar besser als die Muǧāhidīn auf
dem Wege Allāhs. Den Beweis dafür finden wir in der

9
Tricks und Listen in den Umgangsformen

Aussage von Allāh tabāraka wa taʿālā:

َ ‫۞ َو َما َك َان ا ْل ُم ْؤ ِم ُن‬


 ۚ ‫ون ِل َين ِف ُروا َكا َّف ًة‬
„Es steht den Gläubigen nicht zu, allesamt
auszurücken.“2

Mit kāf-fah ist allesamt gemeint, also dass alle gemein-


sam in den Ǧihād ziehen. Und das ist natürlich nicht
möglich. Es steht ihnen nicht zu, also religiös steht es
ihnen nicht zu, dass sich die gesamte islāmische Um-
mah in den Ǧihād begibt. Es ist ausgeschlossen.

Daraus schließen wir, dass der Ǧihād keine individu-


elle Pflicht (Fard ʿayn) ist. Sprich, nicht jeder einzelne
ist dazu verpflichtet, in den Ǧihād zu ziehen. Wenn
wir sagen würden, dass jeder einzelne in den Ǧihād
ziehen müsste, dann würden die gesamten Muslime
damit eine Sünde begehen. Vielmehr ist es eine kol-
lektive Pflicht (Fard kifāyah), sprich, wenn eine Grup-
pe dieser Pflicht nachkommt, entfällt sie für die an-
deren.

Ich sage, höre dir den (erwähnten) Vers an: „Es steht
den Gläubigen nicht zu, allesamt auszurücken.“ Wie sol-
len sie sonst ausrücken? Was sagt Allāh dazu? Lest
2 9:122

10
‫الحيل في المعامالت‬

den Vers zu Ende. „Wenn doch von jeder Gruppe von ih-
nen ein Teil ausrücken würde“, sprich: und die anderen
bleiben, wenn doch von jeder Gruppe von ihnen ein
Teil ausrücken würde, um (mehr) von der Religion zu
lernen und um ihre Leute zu warnen, wenn sie zu ih-
nen zurückkehren, auf dass sie sich vorsehen mögen.

Hier stelle ich eine Frage: „Um von der Religion zu


lernen“ Wer ist damit gemeint? Diejenigen, die ge-
blieben oder jene, die ausgerückt sind? Natürlich die
geblieben sind, weil diejenigen, welche ausgerückt
sind, kämpfen. „Um von der Religion zu lernen und um
ihre Leute zu warnen, wenn sie zu ihnen zurückkehren, auf
dass sie sich vorsehen mögen.“ Die Gruppe, die also ge-
blieben ist, um Wissen in der Religion zu erlangen,
ist bei Allāh taʿālā gleichgestellt mit der ausgerückten
Gruppe, die für die Sache Allāhs in den Kampf gezo-
gen ist. Und das ist gewiss eine frohe Botschaft für all
jene, die Wissen in der Religion erlangen, die Schüler
also. Solange er Wissen erlangen will, um die Religion
Allāhs zu verstehen, solange ist er auch wie derjeni-
ge, der in den Ǧihād ausgerückt ist.

Einige Gelehrte haben sogar gesagt: „Derjenige, der


geblieben ist, um Wissen in der Religion zu erlangen, ist
besser als derjenige, der in den Ǧihād für Allāhs Sache

11
Tricks und Listen in den Umgangsformen

ging.“ Weil derjenige, der geblieben ist, um Wissen


in der Religion zu erlangen, die Religion wahrt, die
Religion unter der Ummah kundtut, und ihn jeder
Mensch braucht. Jeder, ob alt oder jung, ob männlich
oder weiblich, Bewohner oder Reisender. Ist es nicht
so? Doch es ist so. Der Ǧihād hingegen findet nur an
einem unbestimmten Ort auf dieser Erde statt, um
dort den Islām zu verteidigen. Das Wissen hingegen
ist mit nichts gleichzusetzen, wie der Imām der Ah-
lu-s-Sunnah Imām Aḥmad raḥimahullāh sagte: „Dem
Wissen kommt nichts gleich.“ Nichts in seiner Aussage
ist indeterminiert, also unbestimmt und sie gilt so-
mit uneingeschränkt. „Dem Wissen kommt nichts gleich,
wenn jemand eine reine Absicht hat.“ Sie sagten: „O Abu
Abdullāh.“ Wer ist Abu Abdullāh? Aḥmad Ibn Ḥanbal,
Imām der Ahlu-s-Sunnah. Sie fragten ihn: „O Abu
Abdullāh, was heißt es, eine reine Absicht zu haben?“ Er
antwortete: „Wenn man die Absicht fasst, den Ǧahil (die
Unwissenheit) von sich selbt und von der Ummah aufzu-
heben.“ Das ist die reine Absicht. Sprich, er will nicht
Wissen erlangen, um Gehalt zu bekommen oder An-
sehen oder unter den Menschen eine hohe Position
zu erlangen. Nein, vielmehr möchte der Schüler des
Wissens den Ǧahl (die Unwissenheit) von sich selbst
und den Menschen aufheben. Imām Aḥmad sagte
dazu, dass diesem Wissen nichts gleich kommt.

12
‫الحيل في المعامالت‬

Diese Unterrichte, die hier in dieser Moschee oder


woanders gehalten werden, gehören ohne Zweifel
zum Erlangen des religiösen Wissens. Diejenigen
(Schüler), die sitzen, um dieses Wissen zu erlangen,
gleichen denjenigen Muǧāhidīn, die für die Sache
Allāhs ausgerückt sind. Allāh bitte ich darum, meine
und eure Absicht aufrichtig (für Allāh) sein zu lassen.

Der heutige Vortrag handelt von den sogenannten


Rechtskniffen (Ḥiyal) in den zwischenmenschlichen
Beziehungen (Muʿāmalāt). Ich aber meine die Rechts-
kniffe in den Beziehungen allgemein, sprich, in der
Beziehung zwischen dem Menschen und Allāh und
zwischen den Menschen untereinander. Was versteht
man unter der Beziehung des Menschen zu Allāh? Es
ist alles, was unter der religiösen Anbetung fällt. Zwi-
schen Dir und deinem Herrn gibt es keine Geschäfts-
verträge oder Miet- und Pachtverträge. Es gibt zwi-
schen dir und deinem Herrn nur einen Vertrag. Die
einzige Beziehung besteht in den Anbetungen.

Lasst uns zunächst über die Rechtskniffe (Ḥiyal) spre-


chen. Was bedeutet ein Rechtskniff? Rechtskniff
meint, dass der Mensch das Erlangen eines erhofften
Ziels durch schleierhafte Wege zu erreichen versucht.

13
Tricks und Listen in den Umgangsformen

Ein solcher Rechtskniff ist mit der Uminterpretation


einer Aussage (taʾwīl fi-l-maqāl) vergleichbar, nämlich
wenn man etwas anderes sagt, als das, was man in-
nerlich meint. Ein Rechtskniff bezieht sich also auf
Handlungen. Das erwünschte Ziel durch schleierhaf-
te Wege zu erreichen, ist ein Rechtskniff. Bei dem
erwünschten Ziel handelt es sich entweder um ein
erlaubtes (ḥalāl) oder ein verbotenes (ḥarām) Ziel.
Handelt es sich um ein religiös erlaubtes Ziel, ist auch
der Rechtskniff erlaubt. Ja, es ist wünschenswert,
dass der Mensch Tricks und Rechtskniffe benutzt, um
das erlaubte Ziel zu erlangen. Ein Beispiel soll dies
verdeutlichen.
Es ereignete sich zur Zeit der beiden Propheten
Sulaymān und Dāwūd - Allāh segne sie und gebe ih-
nen Heil - ein Vorfall. Zwei Frauen stritten um ein
Kind. Jede von ihnen behauptete, das Kind sei ihres.
Sie gingen nämlich hinaus, um etwas zu erledigen,
alsdann ein Wolf kam und eines der beiden Kinder
auffraß. Also stritten die beiden Frauen um das Kind.
Jede behauptete, das lebende Kind sei ihr Kind. Die Äl-
tere der Beiden sagte, es sei ihr Kind und die Jüngere
sagte, es sei ihr Kind. Sie gingen zu Dāwūd - Allāh seg-
ne ihm und gebe ihm Heil! - um ihm die Streitigkeit
vorzutragen. Dāwūd urteilte zugunsten der Älteren.
Er sagte, die Jüngere hat noch eine gewisse Zukunft

14
‫الحيل في المعامالت‬

vor sich und kann ein weiteres Kind gebären. Für die
Ältere könnte es hingegen das letzte Kind gewesen
sein. Außerdem ist es in den meisten Fällen so, dass
die Ältere ehrlicher ist als die Jüngere. Er urteilte
also, wie erwähnt, zugunsten der Älteren. Die Frauen
gingen hinaus und passierten Sulaymān - Allāh segne
ihm und gebe ihm Heil. Allāh hatte Sulaymān Weis-
heit gegeben. So sagt Allāh taʿālā:

‫ َودَا ُوو َد َو ُس َل ْي َم َان اِإ ْذ َي ْح ُك َمانِ ِفي ا ْل َح ْر ِث اِإ ْذ َن َفشَ ْت‬


‫ِفي ِه َغ َن ُم ا ْل َق ْو ِم َو ُك َّنا ِل ُح ْك ِم ِه ْم َشا ِه ِد َين ۝ َف َف َّه ْمنَاهَ ا‬
 ۚ ‫ان‬َ ‫ُس َل ْي َم‬
„Und (auch) Dāwūd und Sulaymān, als sie über das
Saatfeld urteilten. Darin hatte Kleinvieh von (fremden)
Leuten nachts geweidet. Und Wir waren für ihr Urteil
Zeugen. Und Wir ließen es Sulaymān begreifen.“3

Als hätte Sulaymān - Allāh segne ihm und gebe ihm


Heil - geahnt, das mit den beiden Frauen etwas nicht
stimmt. Er fragte sie, was mit ihnen sei. Die Frauen
erzählten ihm, was geschah. Wie war die Geschichte?
Die Frauen stritten um das Kind und Dāwūd urteilte
zugunsten der Älteren. Sulaymān wurde zornig und
3 78:79

15
Tricks und Listen in den Umgangsformen

sagte zu ihnen: „Bringt ein Messer her, damit ich das


Kind auf euch Beide aufteile.“ Die Ältere beherzigte die-
se Entscheidung und war einverstanden und die Jün-
gere weigerte sich und sagte, das Kind soll ihr, also
der Älteren, zustehen. Gepriesen sei Allāh.

Das ist doch ein Trick oder nicht? Er urteilte dann


zugunsten der Jüngeren. Wie das?

Die Jüngere bekam Mitleid mit dem Kind und sag-


te deshalb, das Kind solle der Älteren zustehen und
Hauptsache nicht getötet werden. Die Ältere war da-
mit einverstanden, weil ihr Kind starb, und der Tod
dieses Kindes war ihr gleichgültig. Er bediente sich
also eines Tricks, um das richtige Ziel zu erreichen.

Jetzt die Frage: ist ein solcher Trick erlaubt oder


nicht? Ohne Zweifel erlaubt, weil man anhand dessen
herausfinden kann, wer die Wahrheit sagt und wer
lügt. Hierin gibt es keine Einwände.

Ähnlich ist auch die Geschichte der Brüder von


Yūsuf, als sie zu ihm mit seinem Bruder kamen. Er
wollte, dass sein Bruder bei ihm bleibt. Was hat er
gemacht? Er ließ den Kelch des Königs im Gepäck sei-
nes Bruders verstauen. Dann sagte er: „Ruft aus, dass

16
‫الحيل في المعامالت‬

der Kelch gestohlen wurde.“ Und so taten sie, sie rie-


fen aus, dass der Kelch des Königs gestohlen wurde.
Damals besagte das Gesetz des Königs, dass der Dieb
zum Sklaven des Bestohlenen wird. Die Brüder waren
damit einverstanden. Das Gepäck der Brüder wurde
zuerst durchsucht, damit es danach nicht heißt, er
hätte gewusst, dass der Kelch im Gepäck seines Bru-
ders ist. Schließlich fand er den Kelch im Gepäck sei-
nes Bruders. Allāh taʿālā sagt:

‫ِين ا ْل َمل ِِك اإ َِّلا أان‬ ُ ‫ َك ٰذل َِك كِ دْ نَا ِل ُي‬


ِ ‫وس َف ۖ َما َك َان ِل َي ْأاخُ َذ أاخَ ا ُه فِي د‬
 ۚ ‫َيشَ ا َء ال َّل ُه‬
„ ... So führten Wir für Yūsuf eine List aus. Nach dem
Gesetz des Königs hätte es ihm nicht zugestanden,
seinen Bruder (als Sklaven) zu nehmen, außer dass
Allāh es wollte. ...“4

Das ist ein Trick, eine List. Ist sie erlaubt oder nicht?
Sie ist deswegen erlaubt, weil sie zu einem erlaubten
Ziel führt. Hierin gibt es keine Einwände.

Nun schauen wir uns die Tricks und Rechtskniffe in


den Gottesdiensten an. Ein Mann zieht sich die Le-
dersocken (Ḫuffayn) und die Strümpfe (Ǧūrbayn) an,
4 12:76

17
Tricks und Listen in den Umgangsformen

um (bei der rituellen Gebetswaschung) über sie zu


streichen. Nur das ist seine Absicht. Das ist also ein
Trick, um nicht die Füße waschen zu müssen. Denn
sind die Füße nicht durch Ledersocken oder Strümpfe
bedeckt, ist es Pflicht, sie zu waschen. Ist das erlaubt
oder nicht? Wir sagen: Es besteht kein Zweifel daran,
dass das Streichen über die Füße (Masḥ), welche Ḫuff
oder Ǧurāb tragen, einen religiösen Hintergrund hat,
ja sogar geboten ist. Als al-Muġīra Ibn Schuʿba - möge
Allāh mit ihm zufrieden sein - die Socken des Prophe-
ten ausziehen wollte, sagte der Prophet :
 ‫ي َف َم َس َح َعَليْ ِه َما‬ َ ُ ‫ َد ْع ُه َما َفإِّني أَْد َخْلت‬
ِ ْ ‫ُه َما طا ِه َرَت‬ ِ
„Lass sie, ich habe sie angezogen, nachdem ich die (vorige)
rituelle Gebetswaschung vornahm. Anschließend strich er
(mit seinen Händen) darüber.“5

Wir sagen: Wenn man sie anzieht, um darüber zu


streichen und somit die Erlaubnis Allāhs annimmt,
so ist das ein religiöser Hintergrund und es gibt kei-
ne Einwände. Macht man es mit der Absicht das Wa-
schen (der Füße) zu umgehen, dann ist es entweder
unbeliebt (Makrūh) oder gar verboten (Ḥarām), je
nach Ansicht der Gelehrten.

5 Buḫārī

18
‫الحيل في المعامالت‬

Frage: Wenn man beispielsweise im Monat Ramaḍān


verreist, ist es erlaubt, sein Fasten zu brechen, oder
nicht? Es ist erlaubt? Was ist der Beweis dafür?
Gepriesen sei Allāh, lest ihr nicht den Qurʾān? Was
sagt Allāh dazu?

ً ‫ َو َمن َك َان َم ِر‬


 ۗ ‫يضا أا ْو عَ َل ٰى َس َف ٍر َف ِعدَّ ٌة ِّم ْن أا َّيا ٍم أاخَ َر‬
„Wer (von euch) jedoch krank ist oder sich auf einer
Reise befindet, (der soll) eine (gleiche) Anzahl von
anderen Tagen (fasten).“6

Hierbei handelt es sich um eine großartige Erlaubnis.


Wie ist es aber, wenn jemand extra verreist, damit er
nicht fasten muss? Er ist nicht verreist, weil er wirk-
lich eine Reise unternehmen muss. Er ist nicht zu ei-
ner ʿUmrah verreist, noch um einen Kranken zu besu-
chen oder um Handel zu treiben. Nein, er ist einfach
nur verreist, um nicht fasten zu müssen. Wie ist eure
Ansicht bezüglich solch einer Reise? Es ist eine List
(Ḥīlah), jedoch ist es ein Trick, um eine Pflichthand-
lung (Wāǧib) zu umgehen. Eine List, um eine Pflicht
zu umgehen, ist verboten (Ḥarām), nicht erlaubt! Da-
her sagen die Gelehrten, dass wenn jemand im Monat
Ramaḍān verreist, um nicht fasten zu müssen, ist die
Reise verboten und das Fastenbrechen ebenfalls. Die-
6 2:185

19
Tricks und Listen in den Umgangsformen

se List nützt ihm nichts. Wieso? Weil die List ange-


wandt wurde, um sich einer Pflichthandlung zu ent-
ziehen. Solche Listen (Ḥiyal) sind nicht erlaubt.

Nun ein anderes Beispiel.


Ein Mann hat 1.000 Riyāl7. Muss man für diese 1.000
Riyāl eine Zakāh entrichten oder nicht? Antwor-
tet Leute! Ja, man muss dafür die Zakāh entrichten.
Wenn nun ein volles Jahr zu enden droht, es sind
etwa noch zehn Tage bis Ende eines vollen Jahres - so
wäre ein ganzes Jahr vorüber, muss man ja die Zakāh
entrichten – so schenkt er vorher die 1.000 Riyāl sei-
nem Sohn. Das Geld ist damit nicht mehr in seinem
Besitz, sondern im Besitz seines Sohnes. Als das Jahr
vorüberging, tritt er von seiner Schenkung zurück,
weil er glaubte, dass ihm dies zusteht, von seinem
Sohn das Geschenk zurückzufordern. Dieser Mann
hat also die Schenkung nur vorgenommen, damit das
Jahr vorüber ist, ohne dass das Geld in seinem Besitz
ist und damit die Entrichtung der Zakāh entfällt. Wie
ist eure Meinung dazu? Entfällt die Zakāh damit oder
nicht? Wieso nicht? Weil diese List nur angewandt
wurde, um eine Pflichthandlung zu umgehen. Und
wie wir gesagt haben, ist eine List verboten, die ge-
macht wurde, um eine Pflichthandlung zu umgehen.
7 Währung in Saudi Arabien

20
‫الحيل في المعامالت‬

Folglich entfällt die Pflicht nicht.

Somit haben wir folgende Grundregel:


Jede List (Ḥīlah), die vorgenommen wird, um eine
Gottesdienstliche Pflichthandlung (ʿIbādah) zu umge-
hen, ist verboten (Ḥarām). Sie ist nicht erlaubt!

Widmen wir uns nun den Rechtskniffen und Listen


in den zwischenmenschlichen Beziehungen zu, von
denen es sehr viele gibt. Wir schauen uns einige Fälle
an.
Ein Mann ist Miteigentümer eines Grundstücks. Er
und eine andere Person sind Teilhaber eines Stücks
Land. Dieser Mann veräußerte seinen Teil an einen
Dritten. Dem anderen Teilhaber steht es zu, den an
den Dritten veräußerten Teil zu nehmen und im Ge-
genzug dem Käufer den Veräußerungspreis zu zah-
len. Habt ihr verstanden? Könnt ihr euch den Fall
vorstellen? (Zur Verdeutlichung:) Also Ḫālid und ich
haben beispielsweise gemeinsam ein Grundstück.
Mir steht die Hälfte zu und ihm steht die andere Hälf-
te zu. Jetzt habe ich meine Hälfte an Abdurraḥmān
verkauft. Ḫālid steht es nun zu, die Hälfte, die ich an
Abdurraḥmān veräußert habe ohne das Einverständ-
nis von Abdurraḥmān zu nehmen, muss ihm aber da-

21
Tricks und Listen in den Umgangsformen

für den zwischen mir und Abdurraḥmān vereinbar-


ten Verkaufspreis geben. Hierbei handelt es sich um
ein religiöses Recht (Ḥaq). Der Prophet - Allāh segne
ihn und gebe ihm Heil! - hat eine solche Vorgehens-
weise erlaubt, solange kein Unrecht dabei getan wird.
Als Abdurraḥmān seinen Anteil bekam, erklärte er
es zu einer Art Stiftung für die Sache Allāhs (Waqf).
Jetzt kommt Ḫālid und verlangt von Abdurraḥmān
den Anteil als Vorverkaufsrecht (Schufʾa). Ist ihm das
möglich? Nein, weil der veräußerte Anteil nicht mehr
im Besitz des Käufers ist, sondern gestiftet wurde.
Anders verhält es sich aber, wenn Abdurraḥmān den
Anteil absichtlich stiftet, um dem Recht der Zurück-
nahme seitens Ḫālid zu entgehen. Ein solches Vorge-
hen ist nicht erlaubt. Wieso?
Weil durch diese List (ḥīlah) ein Recht eines Dritten
umgangen wird. Folglich entfällt das Recht des Drit-
ten nicht und die Stiftung (Waqf) ist nichtig.

Ein anderes Beispiel für Rechtskniffe finden wir


im Bereich der Zinsen. Ich leihe dir beispielswei-
se 10.000 und sage dir, gib mir in einem Jahr 12.000
zurück. Ist das erlaubt oder nicht? Nein, es ist nicht
erlaubt. Ich gebe 10.000 und verlange ein Jahr später
12.000 zurück. Das ist ḥarām. Es gibt keinen Streit da-

22
‫الحيل في المعامالت‬

rüber, dass es sich hierbei um Zinsen handelt. Beide


Ribā-Varianten sind damit umfasst, nämlich Ribā an-
Nasīʾah und Ribā al-Faḍl.
Jemand weiß, dass das verboten ist, geht zu einem
anderen und sagt ihm: „Kauf dieses Auto für 12.000“
und gib mir den Preis in einem Jahr. Ein solcher Kauf
ist erlaubt und ist nicht verboten. Der Verkäufer geht
dann zum Käufer und sagt ihm: „Verkaufe mir das Auto
für 10.000 in bar.“ Ist ein solcher Kauf erlaubt? Nein,
ein solcher Kauf ist nicht erlaubt. Das ist der sog. al-
ʿĪnah Verkauf, über die der Prophet  sagte:
‫الز ْرع‬ ‫ ورضيتُم ب‬، ‫ُْ أَْذَناب اْلب َقر‬ ‫ َوأَ َخ ْذت‬، ‫ُم ِباْل ِعينَِة‬
ْ ‫إَِذا َتبَايَ ْعت‬
ِ َّ ِ ْ ِ َ َ ِ َ َ
ُ ‫ َسَّل َط‬، ‫ال َهاَد‬
‫اهلل َعَليْ ُك ْم ُذًّل َل يَنْ ِز ُعُه َحتَّى‬ ِ ْ ‫ُم‬ْ ‫ َوَت َر ْكت‬،
‫َت ْر ِج ُعوا إَِل ِدينِ ُك ْم‬
„Wenn ihr die ʿĪnah-Kaufoption anwendet, euch um den
Acker kümmert, den Kuhschwänzen folgt und den Ǧihād
unterlasst, erlegt Allāh euch eine Demütigung auf, die ihr
nicht los werdet, bis ihr zu eurer Religion zurückkehrt.“8

Die ʿĪnah ist also Ḥarām. Wieso ist ein solcher Kauf
verboten? Weil in Wahrheit Dirham für Dirham ver-
kauft wurde. Der Autokauf ist dabei nichts anderes
als ein Rechtskniff, ein Trick, um das Ribā-Verbot zu
8 Abu Dāwūd

23
Tricks und Listen in den Umgangsformen

umgehen, worüber Einige sagen es sei erlaubt, dabei


ist es Ḥarām. Ich bitte um Aufmerksamkeit:
Wenn ein Mann eine Ware verkauft und der Betrag
zu einem späteren Zeitpunkt ausgeglichen werden
soll, dann gleich für weniger zurück kauft und sich
das Geld in bar auszahlen lässt, dann ist das Ḥarām,
nicht erlaubt und wird in der Šarīʿah „al-ʿĪnah“ ge-
nannt. Wieso ist es verboten? Es wurde eine List ge-
nutzt, um anstelle von 10.000 innerhalb eines Jahres
12.000 (also mehr) wiederzubekommen.

Es gibt eine andere Form, die heutzutage viele prak-


tizieren. Und ich bezeuge hier und jetzt, dass es sich
dabei um eine ähnliche Form wie al-ʿĪnah handelt. Ich
bleibe, so Allāh will, bei diesem Zeugnis.
Diese Praxis sieht aus, wie folgt: Jemand geht zu ei-
nem Händler und möchte ein Auto kaufen, hat aber
kein Geld. Der Händler sagt ihm: „Geh zum Autohaus,
wähle ein Auto aus und ich kaufe es für dich, anschließend
verkaufe ich es dir für mehr.“ Seid achtsam und lasst
euch nicht von den Handlungen der Menschen täu-
schen. Die Handlungen der Menschen, die nicht auf
den religiösen Beweisen fundieren, haben keinen
Wert. Allāh sagt:

 ۚ ‫ات َو ْال أا ْر ُض َو َمن فِي ِه َّن‬ َّ ‫ َو َل ِو ا َّت َب َع ا ْل َحقُّ أاهْ َوا َءهُ ْم َل َف َسدَ ِت‬
ُ ‫الس َما َو‬

24
‫الحيل في المعامالت‬

„Wenn die Wahrheit ihren Neigungen gefolgt wäre,


gerieten die Himmel und die Erde und wer in ihnen ist
wahrlich ins Verderben.“9

Der Mann braucht ein Auto, geht zum Händler, sagt


ihm, dass er ein Auto braucht, woraufhin der Händler
ihm sagt, er solle zum Autohaus und ein Auto aussu-
chen, das er anschließend kaufen und an ihn dann
weiterverkaufen würde. Den Preis müsste der Mann
erst später bezahlen, zu einem höheren Betrag als den
wahren Kaufpreis, den der Händler in bar sofort im
Autohaus bezahlt. Zweifelt jemand, der Verstand hat,
daran, dass es sich hierbei um einen Trick handelt?
Anstatt, dass er ihm das Geld gibt und von ihm ein
Jahr später mehr zurückverlangt. Es gibt zwischen
den beiden Formen keinen Unterschied. Überhaupt
keinen. Wenn man sich vom Geiz, von der Gier und
von den Neigungen lossagt, wird man erkennen, dass
es keinen Unterschied zwischen der „al-ʿĪnah“ gibt,
die im Ḥadīṯ vom Propheten  deutlich als verboten
(Ḥarām) genannt wurde und dieser eben beschriebe-
nen Form. Lass dich nicht täuschen. Allāh sagt:

ُ ‫ َو َي ْو َم ُي َنادِي ِه ْم َف َي ُق‬
 ‫ول َما َذا أا َج ْب ُت ُم ا ْل ُم ْر َسل َِين‬

9 23:71

25
Tricks und Listen in den Umgangsformen

„Und am Tag, da Er ihnen zurufen wird und sagt: ‚Was


habt ihr dem Gesandten geantwortet?ʿ“10

Dazu sagte Ibn Masʿūd: „Sei kein Nachahmer! Was die


Menschen sagen, sagst du auch.“

Und wir sagen dazu auch: „Sei kein Nachahmer! Was die
Menschen tun, tust du auch.“

Anderes gilt natürlich, wenn das Auto bereits beim


Händler ist und er es für mehr verkaufen möchte,
denn das wäre in Ordnung. Das ist nicht dieselbe
Form wie beim ersten. Bei der ersten Form, wenn der
Händler das Auto extra kauft, um es dir für mehr zu
verkaufen, wollte der Händler nicht das Auto, er hat
es nur deinetwegen gekauft. Wo soll da der Unter-
schied zu einem Händler sein, der dir sagt: „Hier ist
das Geld, 50.000, kaufe Dir das Auto und gib mir 60.000 zu-
rück“, und einem Händler, der dir sagt: „Ich kauf das
Auto und verkaufe es dir gleich für mehr.“ Allāh schaut
nämlich nicht auf das Erscheinungsbild sondern auf
den Inhalt und Zweck der Sache. Jeder von uns weiß,
dass der Händler das Auto nur gekauft und verkauft
hat, nicht um dem Fragenden zu helfen, sondern um
mehr zu erzielen. Er hat das Auto für den Fragenden
10 28:65

26
‫الحيل في المعامالت‬

nicht aus Mitleid gekauft, sondern um etwa aus 50 60


zu erzielen. Man muss die religiösen Regelungen von
einem objektiven Standpunkt aus betrachten und
nicht von einem subjektiven, emotionalen. Wenn
man nämlich Geiz und Gier zulässt, wird man zu ei-
ner solchen Transaktion keine Einwände haben und
nichts Verwerfliches darin sehen. Man würde sagen:
„Der Händler hat das Auto gekauft und wieder verkauft.“
Doch der Händler hat das Auto nur gekauft, um es für
mehr zu verkaufen, weil der Mann ihm versprochen
hat, es für mehr zu kaufen. Das ist also ein Rechts-
kniff, ein Trick (der verboten ist).

Zu den Listen in den innermenschlichen Beziehun-


gen gehört ein weiterer Trick, er ist im Bereich der
Ehe (Nikāḥ) zu finden. Deutlich wird das in der Per-
son des Muḥallil. Das funktioniert so, dass der Mann
sich dreimal von seiner Frau scheiden lässt. Im ersten
Jahr lässt er sich von ihr scheiden, dann kehren sie zu
einander zurück. Im Jahr darauf lässt er sich wieder
von ihr scheiden, dann kehren sie wieder zu einan-
der zurück. Ist sie ihm nun verboten (Ḥarām)? Nein,
dann lässt er sich von ihr zum dritten Mal scheiden.
Dann ist sie für ihn verboten. Er darf sie nicht mehr
heiraten, bis sie einen anderen heiratet und diese

27
Tricks und Listen in den Umgangsformen

sich scheiden lassen oder ihr Mann verstirbt. An-


schließend nach der ʿIddah, also der dreimonatigen
Wartefrist, kann er sie wieder heiraten. Nun, einige
Menschen haben eine List entwickelt. Sie sieht so
aus, dass wenn jemand sich von seiner Frau dreimal
hat scheiden lassen, sie jedoch gemeinsame Kinder
haben, sie ihm eigentlich auch sehr gefällt und nun
die Scheidung bereut, er zu einem Freund geht und
ihm diesen Vorfall berichtet. Kein Problem sagte er
und dieser Freund heiratet die geschiedene Frau.
Nachdem er den Beischlaf mit ihr vollzogen hat, lässt
sich der neue Ehemann von ihr scheiden und ihr ers-
ter Ehemann kann sie wieder heiraten. Ist eine solche
Vorgehensweise erlaubt?

Nein. Hat er die Frau geheiratet, weil er sie heira-


ten wollte? Nein. Genau wie der Händler in unserem
letzten Beispiel, bestand kein eigener Wille zu kau-
fen. Er hatte das Auto nicht für sich selbst gekauft,
sondern um das Ribā-Verbot zu umgehen. Der zweite
Ehemann in diesem Beispiel fungiert nur als Person,
welche die Frau wieder für den ersten Ehemann er-
laubt erklärt, deshalb auch die Bezeichnung Muḥallil.
Wenn nun der erste Ehemann die Frau wieder heira-
ten möchte, nachdem der zweite Ehemann auf Emp-
fehlung des ersten Ehemanns die Frau geheiratet und

28
‫الحيل في المعامالت‬

sich anschließend nach einem vollzogenen Beischlaf


scheiden lässt, dann sagen wir, dass ein solcher Ver-
trag verboten (Ḥarām) ist. Ein solcher Vertrag kann
nicht erlaubt sein, denn die Religion Allāhs ist kein
Spiel. Allāh sagt:

 ۗ ‫ َح َّت ٰى َتنكِ َح َز ْو ًجا َغ ْي َر ُه‬


„..bevor sie nicht einen anderen Mann geheiratet hat.“ 11

Und achtet auf die Bezeichnung „Zauǧ“ (Ehemann).


Allāh sagt nicht, bis sie einen anderen Mann heiratet,
sondern einen anderen Ehemann. Der Unterschied
liegt darin, dass man einen Ehemann heiratet, weil
man einen Ehemann heiraten möchte, weil man ihn
liebt oder in ihn verliebt ist, weil man die Ehe will.
In unserem Beispiel heiratet sie einen anderen Mann.
Weder will der Mann sie ‚wirklichʿ heiraten, noch
will die Frau ihn als Ehemann. Dieser Mann ist nur
wie im Ausspruch beschrieben: „Ein geliehener Bock.“
Wisst ihr, wieso der Bock hier als Beispiel herange-
zogen wurde? Weil sich ein Schafshirte einen Bock
für ein, zwei Nächte ausleiht, um seine Schafe sicher
zu wissen, und anschließend wieder zurückgibt. Des-
halb heißt es im Ausspruch des Propheten , dass der
Muḥallil ein geliehener Bock ist. Auch hat der Prophet
11 2:230

29
Tricks und Listen in den Umgangsformen

- Allāh segne ihn und gebe ihm Heil! - den Muḥallil


verflucht und den, für den der Muḥallil tätig wird.
Ein solcher Trick hat also keinen Nutzen, weil dieser
Trick dazu dient, die für den ersten Ehemann verbo-
ten gewordene Frau wieder erlaubt zu machen, und
weil die zweite Ehe keine in der Tat beabsichtigte Ehe
(sondern vielmehr eine Scheinehe) ist.

Wir haben nun gesehen, dass die Rechtkniffe auch


im Bereich der Ehe zu finden sind. Auch finden wir
Rechtskniffe im sog. „al-Iqrār“, was am folgenden
Beispiel erklärt werden soll. Jemand behauptet, dass
ein anderer 100.000 Riyāl von ihm verlangt. Dieser Je-
mand weiß, dass er 100.000 Riyāl zurückzugeben hat,
will seine Schuld aber nicht tilgen. Entweder, weil er
nicht in der Lage ist oder weil er das Geld unrechtmä-
ßig behalten will.

Ich bitte um eure Aufmerksamkeit. Also nochmal.


Ein Gläubiger verlangt von seinem Schuldner 100.000
Riyāl. Der Schuldner will aber seine Schuld nicht be-
gleichen, weil er entweder nicht kann oder aus einem
anderen Grund. Nun bedient sich der Schuldner eines
Tricks. Als die Angelegenheit dem Richter vorgelegt
wurde, riet jemand dem Schuldner, wenn er aufge-
fordert wird zu schwören, dass er keine Schulden

30
‫الحيل في المعامالت‬

beim Gläubiger hat, dass er innerlich aber die Absicht


fassen soll, dass er eben doch Schulden beim Gläu-
biger hat. Dies funktioniert, weil das Verneinungs-
wort im Arabischen (ma) je nach Verwendung und
Anknüpfungswort, sowohl der Verneinung als auch
der Bestätigung einer Tatsache dient. Ein Beispiel soll
dies erläutern: Wenn man im Arabischen sagt: „mā-
ʿindī schayʾ “ [so heißt dies im Deutschen: „Ich habe
nichts“]. Dieser Satz kann im Arabischen aber auch
heißen: „Doch/Gewiss, ich habe etwas“.
In der ersten Variante handelt es sich um eine Ver-
neinung, dass man also nichts hat.
In der zweiten Variante handelt es sich um eine Be-
stätigung, dass man eben doch etwas hat. Nun zu-
rück zu unserem Ausgangsbeispiel. Es wird also dem
Schuldner gesagt, dass er vor dem Richter treten und
vor ihm schwören wird. So sag: „Wallāhi, mā-lahu ʿindī
schayʾ.“ Was versteht ihr aus diesen Worten?
Wohl die Verneinung. Nun sagt der Freund des
Schuldners zum Schuldner: „Wenn du das sagst, dann
fasse die Absicht, dass du mit dem Satz eben nicht die Ver-
neinung, sondern die Bestätigung meinst.“ Also als würde
er sagen: „Ich schwöre bei Allāh, dass der Gläubiger bei
mir was hat.“ Dabei kommt seine Aussage so rüber als
würde er sagen: „Ich schwöre bei Allāh, dass der Gläu-
biger bei mir nichts hat.“ Wenn der Schuldner eine

31
Tricks und Listen in den Umgangsformen

solche Aussage mit dieser Absicht macht, dann sagt


er die Wahrheit. Ist ein solcher Trick nützlich? Nein,
weil er damit das Recht des Gläubigers bestreitet.
Dabei sagte der Prophet :

ِ ‫ُك َعَلى َما ُي َص ِّدُق َك ِبِه َص‬


‫احُب َك‬ َ ‫َيِين‬
„Dein Schwur richtet sich danach, was dein Gegenüber
versteht.“ 12

Sprich, nicht danach, was man selbst meint. Damit


wird klar, dass die innerlich gefasste Absicht der Be-
stätigung der Schuld nicht ausreicht und nicht nutzt,
weil der Gläubiger in dem Fall davon ausgeht, dass
der Schuldner die Verneinung meint. Nun ist, wie ge-
sagt, ein solcher Trick, der dazu führt, dass ein Recht
aberkannt wird, nichtig und damit verboten und der
Schwur wird einem bei Allāh ʿazza wa ǧall nichts nüt-
zen.

Tricks und Rechtskniffe gibt es viele und ich befürch-


te dass der zeitliche Rahmen nicht ausreicht, um alle
denkbaren Rechtskniffe aufzugreifen. Wir haben
aber gesehen, dass die Rechtskniffe und Tricks nicht
per se verboten sind. So sahen wir, dass es zwei Ar-
ten von Listen/Tricks (Ḥiyal) gibt, welche die geboten
12 Ibn Māǧah & Ahmad

32
‫الحيل في المعامالت‬

und andere, die verboten sind. Es ist auch denkbar,


dass ein Trick sogar erforderlich ist. Das sollte jeder
Mensch wissen.

1. Diejenigen Rechtskniffe und Tricks, die dazu die-


nen, eine Pflicht oder ein Verbot zu umgehen
oder ein Recht abzuerkennen, sind verboten.
2. Diejenigen Rechtskniffe und Tricks, die dazu die-
nen eine Pflicht zu erfüllen oder einer verbote-
nen Tat zu entgehen oder dem Gemeinwohl zu
dienen, sind geboten.

33
Tricks und Listen in den Umgangsformen

Weiter findet man Tricks und Rechtskniffe im Um-


gang mit den Unterhaltszahlungen (Nafaqah). Ihr
wisst, wenn man einen Bruder hat, der arm und man
selbst wohlhabend ist, und der wohlhabende Bru-
der ist der alleinige Erbe des armen Bruder, dass der
wohlhabende Bruder für den armen Bruder aufkom-
men muss. Es ist seine Pflicht (wāǧib). Diese Leistung
erfolgt dennoch freiwillig, sprich, als eine Spende
(nafaqah). Was macht nun der Wohlhabende? Er be-
dient sich eines Rechtkniffs. Er gibt seinem armen
Bruder von dem Zakāh-Geld, anstatt das Geld als
Spende zu geben. Wieso tut er das? Damit er nicht
mehr die Nafaqah entrichten muss [weil er seiner
Meinung nach das Zakāh-Geld - anstelle der Nafaqah -
für seinen Bruder ausgegeben hat].

Nun eine Frage:


Entfällt mit solch einem Verhalten die Pflicht zur
Zakāh oder nicht? Die Antwort lautet nein. Wieso?
Weil alle Ausgaben, zu denen man verpflichtet ist,
nicht durch das Zakāh-Geld getilgt werden können.
Das Zakāh-Geld ist von den Pflichtausgaben zu un-
terscheiden und separat zu behandeln. Dazu kommt
noch die Tatsache, dass man durch eine solche Um-
funktionierung der Zakāh nicht Allāh näherkommt,
sondern die Zakāh dazu instrumentalisiert wurde,

34
‫الحيل في المعامالت‬

einer Pflicht zu entgehen. Und wie wir bereits ge-


sagt haben, sind die Rechtskniffe und Tricks, um ei-
ner Pflicht zu entgehen, verboten und haben keinen
Nutzen. Über solch einen Fall werden viele Fragen
gestellt.
Manch einer fragt: Ich habe einen armen Bruder, bin
wohlhabend und nur ich komme als Erbe meines Bru-
ders in Frage. Kann ich ihm vom Zakāh-Geld geben?
Die Antwort lautet: Nein, weil eine solche Vorgehens-
weise verboten ist. Vielmehr muss so verfahren wer-
den, dass der wohlhabende Bruder für seinen armen
Bruder finanziell aufkommt. So sagt Allāh taʿālā:

 ‫ َواآ ِت َذا ا ْل ُق ْر َب ٰى َح َّق ُه‬


„Und gib dem Verwandten sein Recht ...“ 13

Anderes gilt etwa, wenn der arme Bruder Kinder hat


und der wohlhabende Bruder ihm von dem Zakāh-
Geld gibt. Wäre das erlaubt oder nicht? Das ist er-
laubt. Es ist erlaubt, ihm in diesem Fall von dem
Zakāh-Geld zu geben. Wieso? Weil der wohlhaben-
de Bruder in einem solchen Fall vom armen Bruder
nicht erbt. Verstirbt der arme Bruder und hinterlässt
Kinder und den wohlhabenden Bruder, dann erben
nur die Kinder. Deshalb ist auch die Unterhaltszah-
13 17:26

35
Tricks und Listen in den Umgangsformen

lung an den armen Bruder nicht Pflicht und es ist er-


laubt, ihm und seinen Kindern von dem Zakāh-Geld
zu geben. Aber aus Gründen der Verwandtschafts-
nähe und der Gutmütigkeit zu den Verwandten, zu
der uns die Religion anhält und wofür man reichlich
belohnt wird, sagen wir, dass es besser wäre, wenn
der wohlhabende Bruder seinem armen Bruder und
den Kindern das Geld als Spende gibt und nicht als
Zakāh, denn die Verwandtschaftsbande hat vielerlei
Vorzüge.

Ein weiterer verbotener Rechtskniff bzw. Trick be-


zieht sich auf die heutige Praxis hinsichtlich der Be-
rufe. Es bewerben sich viele Leute für eine bestimmte
Stelle. Dann kommt jemand und bringt sich vor diese,
indem er dem Arbeitgeber einen Betrag gibt, damit
ihm diese Stelle gesichert wird. Er gibt also Beste-
chungsgeld, um die Arbeit zu bekommen. Der Ver-
antwortliche aus der Personalabteilung verlangt von
diesem etwa 10.000 Riyāl und garantiert dem verspä-
teten Bewerber die Stelle. Ist so etwas erlaubt? Das ist
verboten, denn wenn er eingestellt wird, dann hat er
damit das Recht der anderen Bewerber verletzt. Denn
die Bewerber, vor allem wenn sie auch kompetenter
sind, haben eher ein Recht auf diese Stelle und sind
dem verspäteten Bewerber vorzuziehen. Natürlich

36
‫الحيل في المعامالت‬

gilt etwas anderes, wenn irgendjemand von der Per-


sonalabteilung oder ein anderer Verantwortlicher,
zwischen dem und dem verspäteten Bewerber keine
Vereinbarung getroffen und kein Bestechungsgeld
gezahlt wurde, die Bewerbung dieses verspäteten
Bewerbers nimmt und sie mit der Folge weiterreicht,
dass er die Stelle bekommt und ohne, dass das Recht
anderer verletzt wird. In einem solchen Fall ist nicht
von einer verbotenen Vorgehensweise auszugehen,
weil dadurch niemandes Recht verletzt wurde. Wisse
mein Bruder im Islām, dass solche Tricks und Rechts-
kniffe dem Menschen nichts nutzen, auch wenn es
nach außen erlaubt erscheint. Vielmehr erlegt man
sich nur noch mehr Sünden auf. Deshalb hat der Pro-
phet  vehement davor gewarnt. Er sagte:
‫َحُّلوا ََحم ِار َم اهللِ ِبأَْدَنى‬ ِ َ‫َل َترَت ِكُبوا َما ا ْرَت َكب‬
ْ ‫ َفت‬، ‫ت اليَ ُهوُد‬
ِ ‫َست‬
‫حليَ ِل‬
ِ‫ا‬
„Begeht nicht das, was die Juden begangen haben, damit ihr
das Verbotene durch die niederträchtigsten Rechtskniffe für
erlaubt erklärt.“14

Davon ausgehend sagen wir, dass diejenigen, die sich


solcher verbotenen Rechtskniffe und Tricks bedie-

14 Abū Dāwūd

37
Tricks und Listen in den Umgangsformen

nen, dass sie darin den Juden ähneln. Der Prophet 


sagte auch:
ُّ ‫ت َعَليْ ِه ُم‬
… ‫الش ُحوُم‬ َُّ ‫َل َع َن‬
ْ ‫اهلل اْليَ ُهوَد ُح ِّر َم‬
„Verdammt hat Allāh die Juden, als ihnen das Fett der Tiere
verboten wurde, …“ 15

Hört euch diese Geschichte an und vergleicht sie mit


den Praktiken vieler Menschen heutzutage. Als ihnen
das Fett verboten wurde, also das Fett der verendeten
Tiere (maytah), was haben sie getan? Sie sammelten
das Fett und erhitzten es, bis es flüssig wurde, dann
verkauften sie es in seinem flüssigen Zustand und
nahmen das Geld und sagten: „Wir haben doch nicht
das Fett gespeist.“ Aber in Wahrheit haben sie dieses
Verbot umgangen. Denn wenn Allāh etwas verbietet,
dann verbietet Er auch dessen Preis. Der Prophet 
bat Allāh darum, sie zu verfluchen. Nun hört euch die
folgende Geschichte an, die im Qurʾān genannt wird.
Allāh hatte den Juden das Fischen am Samstag verbo-
ten. Allāh hat sie geprüft. Die Fische waren am Sams-
tag so viele, dass sie alle an der Wasseroberfläche zu
sehen waren. Das Meer war voll mit Fischen. An den
anderen Tagen kamen die Fische nicht.

15 Buḫārī & Muslim

38
‫الحيل في المعامالت‬

‫الس ْب ِت‬
َّ ‫ون فِي‬ َ ُ‫اض َر َة ا ْل َب ْح ِر اإ ِْذ َي ْعد‬
ِ ‫ َو ْاس أا ْل ُه ْم عَ ِن ا ْل َق ْر َي ِة ا َّلتِي َكان َْت َح‬
 ۚ ‫ون ۙ َلا َت ْأاتِي ِه ْم‬
َ ‫اإ ِْذ َت ْأاتِي ِه ْم حِ ي َتان ُُه ْم َي ْو َم َس ْب ِت ِه ْم ُش َّرعً ا َو َي ْو َم َلا َي ْس ِب ُت‬
„Und frag sie nach der Stadt, die am Meer lag, als sie
den Sabbat übertraten, als ihre Fische zu ihnen an
ihrem Sabbat sichtbar (geschwommen) kamen, aber
an dem Tag, an dem sie nicht Sabbat hielten, nicht zu
ihnen kamen.“16

‫ َو َقا َل ِت ا ْل َي ُهو ُد َيدُ ال َّل ِه َم ْغ ُلو َل ٌة ۚ ُغ َّل ْت أا ْيدِ ي ِه ْم َو ُل ِع ُنوا ب َِما َقا ُلواۘ َب ْل َيدَ ا ُه‬
‫وطتَانِ ُينفِقُ َك ْي َف َيشَ ا ُء ۚ َو َل َي ِزيدَ َّن َكثِي ًرا ِّم ْن ُهم َّما أان ِز َل اِإ َل ْي َك مِن‬ َ ‫َم ْب ُس‬
‫َّر ِّب َك ُط ْغ َيانًا َو ُك ْف ًرا ۚ َو أا ْل َق ْي َنا َب ْي َن ُه ُم ا ْل َعدَ ا َو َة َوا ْل َب ْغ َضا َء اِإ َل ٰى َي ْو ِم ا ْل ِق َيا َم ِة‬
ۚ ‫ۚ ُك َّل َما أا ْو َقدُ وا نَا ًرا ِّل ْل َح ْر ِب أا ْط َف أاهَ ا ال َّل ُه ۚ َو َي ْس َع ْو َن فِي ْال أا ْر ِض َف َسادًا‬
‫َوال َّل ُه َلا ُيحِ ُّب ا ْل ُم ْفسِ دِ َين‬
„Und die Juden sagen: «Allāhs Hand ist gefesselt.» Ihre
(eigenen) Hände seien gefesselt und sie seien verflucht
für das, was sie sagen. Nein! Vielmehr sind Seine
(beiden) Hände (weit) ausgestreckt; Er gibt aus, wie Er
will. Was zu dir (als Offenbarung) von deinem Herrn
herabgesandt worden ist, wird sicherlich bei vielen von
16 7:163

39
Tricks und Listen in den Umgangsformen

ihnen die Auflehnung und den Unglauben noch mehren.


Und Wir haben unter ihnen Feindschaft und Hass erregt
bis zum Tag der Auferstehung. Jedes Mal, wenn sie ein
Feuer zum Krieg anzünden, löscht Allāh es aus. Und
sie bemühen sich, auf der Erde Unheil zu stiften. Aber
Allāh liebt nicht die Unheilstifter.“17

Als ihnen die Prüfung zu lange andauerte und sie


sich nicht mehr gedulden konnten, sagten sie: „Wir
können nicht mehr warten. Die vielen Fische kommen am
Samstag und uns ist es verboten, am Samstag zu fischen.“
Sie heckten einen Plan aus, um das Fangverbot am
Samstag zu umgehen. Sie legten Fangnetze am Frei-
tag, die Fische kamen am Samstag und sie holten das
Netz mit den Fischen am Sonntag ab. Schaut man sich
diese Handlung oberflächlich an, würde man auf den
ersten Blick sagen: „Es ist nichts dabei. Sie haben doch
die Fische am Sonntag gefischt. Am Samstag waren sie
nicht fischen.“ Doch was hat Allāh mit ihnen gemacht?
Allāh sagt:

‫الس ْب ِت َف ُق ْل َنا َل ُه ْم ُكونُوا ِق َر َد ًة‬ ُ ‫ َو َل َقدْ عَ ل ِْم ُت ُم ا َّلذِ َين اعْ َتدَ ْوا م‬
َّ ‫ِنك ْم فِي‬
 ‫خَ اسِ ئ َِين‬
„Und ihr kennt doch diejenigen von euch, die den
17 5:64

40
‫الحيل في المعامالت‬

Sabbat übertraten. Da sagten Wir zu ihnen: „Werdet


verstoßene Affen!“18

Sprich, die Angelegenheit bezüglich des Samstags,


denn die eigentliche Handlung erfolgte am Freitag
und Sonntag. Allāh verwandelte sie in Affen, in ge-
demütigte Affen. Wieso? Weil sie ein Verbot Allāhs
umgangen haben, um es im Mantel einer erlaubten
Tat zu begehen. Wir haben nun zwei Handlungen ge-
nannt, welche die Juden begangen haben. Wer weiß
sie noch?

Die erste Handlung von den Tricks der Juden. Ihnen


wurde das Fett verboten. Also erhitzten sie das Fett,
damit es flüssig wird, haben es dann in flüssigem Zu-
stand verkauft und das Geld dafür bekommen. Sehr
gut. Die zweite Handlung? Ja bitte. Das Fischen am
Samstag wurde ihnen verboten. Was haben sie dann
gemacht? Genau, sehr gut. Die Strafe für das Letztere
war, dass Allāh sie in Affen verwandelt hat. Die Ge-
lehrten sagten: „Allāh hat sie deshalb in Affen und nicht
in andere Tiere etwa Hunde oder Wölfe verwandelt, weil
die Affen dem Menschen am ähnlichsten sind. Ihre Strafe
war damit entsprechend ihrer Sünde.“
Somit lernen wir, dass das Umgehen von Verboten
18 2:65

41
Tricks und Listen in den Umgangsformen

weder das Verbot erlaubt macht, noch die Pflicht


entfallen lässt. Vielmehr ist es eine Pflicht, dass man
ehrlich und aufrichtig mit Allāh ist und nicht ver-
sucht, Seine Verbote zu umgehen. Das Thema ist ein
großes und gewaltiges.

Ein Mann ist todkrank, liegt im Sterbebett und ist


verheiratet. Er hatte sich in der Vergangenheit be-
reits zweimal von ihr [seiner Frau] scheiden lassen.
Er kann sich also nur noch ein drittes Mal von ihr
scheiden lassen. In seinen letzten Tagen vor seinem
Tod hat er sich von ihr scheiden lassen, dann ist er
verstorben. Die dritte Scheidung ist auch die end-
gültige in dem Sinne, dass er sie nicht mehr heiraten
kann, erst wenn sie einen anderen Mann heiratet und
dieser sich von ihr scheiden lässt. Nun die Frage: Erbt
sie von ihm oder nicht?
Ja, sie erbt, weil die Möglichkeit besteht, dass er sich
von ihr scheiden ließ, damit sie nicht von ihm erbt.
Der verstorbene Mann wusste nämlich, dass die Frau
nicht erbt, wenn sie endgültig von ihm geschieden
ist. Er hat sich also endgültig von ihr scheiden las-
sen, damit sie nicht erbt. Deshalb sagen wir, dass sie
wohl erbt; zweifellos. Anderes gilt natürlich, wenn
die Frau ihren Mann bittet, dass er sich endgültig
von ihr scheiden lässt. Dann erbt sie deshalb nicht,

42
‫الحيل في المعامالت‬

weil sie darum gebeten hat. Die Möglichkeit besteht


also nicht mehr, dass er sich absichtlich von ihr hat
scheiden lassen, damit sie nicht erbt. Wir haben also
gesehen, dass die Rechtskniffe und Tricks nichts nut-
zen und nicht erlaubt sind, es sei denn, man bedient
sich derer im erlaubten Rahmen.
Die Qurʾān-Exegeten haben erwähnt, dass der Pro-
phet Ayyūb - Allāh segne ihn und gebe ihm Heil! -
geschworen hat, seine Frau mit 100 Peitschenhieben
zu peitschen. Allāh ʿazza wa ǧall hat ihm eine Fatwa
hierüber erteilt. Allāh sagt:

ۗ ‫اض ِرب ِّب ِه َو َلا ت َْح َن ْث‬


ْ ‫َوخُ ْذ ِب َيدِ َك ِض ْغثًا َف‬
„Und: «Nimm in deine Hand ein Bündel (dünner Zweige)
und schlag damit zu und sei nicht eidbrüchig.»“19

Er sollte also 100 kleine Stöckchen zusammenlegen


und sie damit einmal schlagen. Es hieß, weil sie eine
sehr gute Ehefrau war, auch hieß es, dass sie krank
war. Das ist ein Trick, jedoch ein erlaubter Trick.
Denn die 100 Schläge erfolgten, aber mithilfe von
sehr kleinen Stöckchen. Die Frau hält nicht viel aus
und das galt als Belohnung für ihre Geduld. Das ist
ein erlaubter Trick, weil dadurch nicht eine Pflicht
unterlassen wird und er nicht zu einer verbotenen
19 38:44

43
Tricks und Listen in den Umgangsformen

Sache führt.

Wir bedanken uns beim Šayḫ. Möge Allāh ihn dafür


reichlich belohnen. Vielen Dank fürs Zuhören [bzw.
Lesen], und Segen und Frieden seien auf den Prophe-
ten Muḥammad.

Zur Erinnerung, denn das sollte


wirklich jeder Mensch wissen:

1. Diejenigen Rechtskniffe und Tricks, die dazu die-


nen, eine Pflicht oder ein Verbot zu umgehen
oder ein Recht abzuerkennen, sind verboten.

2. Diejenigen Rechtskniffe und Tricks, die dazu die-


nen eine Pflicht zu erfüllen oder einer verbote-
nen Tat zu entgehen oder dem Gemeinwohl zu
dienen, sind geboten.

44
Für Fragen & Anregungen:
Email: eyad@hadrous.de

Für weiteres Wissen:


Web: www.hadrous.de

Das könnte Ihnen auch gefallen