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Interdisziplinäre MA-Vorlesung „Kulturwissenschaft: Epochen, Methoden, Ansätze“

Prof. Dr. Cornelia Sieber


30. 11. 2017

Medienumbruch

Intermedialität
Transmedialität

1. Medien als Ausdrucks- und Kommunikationsmöglichkeiten

2. Intermedialität als Ober-/Sammelbegriff für mediales Zusammenwirken

3. Transmedialität
1. Medien als Ausdrucks- und Kommunikationsmittel
vgl. Marshall McLuhan. (1964). Understanding Media. The Extensions of Man.
Cambridge, MA: MIT Press.

-
Medien als “Erweiterungen des Menschen”

-
Medien als Übersetzer (“Media as Translators”, Understanding
Media, Kapitel 6)
Transformation von Erfahrung in Ausdrucksformen
“all media are active metaphors in their power to translate
experience into new forms.” (56)
1. Medien als Ausdrucks- und Kommunikationsmittel

vgl. Marshall McLuhan. (1962). The Gutenberg Galaxy: The making of Typographic Man.
Toronto: University of Toronto Press.
----. ([1964] 1968). Die magischen Kanäle. (Understanding media). Düsseldorf/Wien: Econ.
----/Bruce R. Powers. ([1989] 1995). The global village: Der Weg der Mediengesellschaft in
das 21. Jahrhundert. Paderborn: Junfermann.

-
Medienumbruch mit soziokulturellen Folgen verbunden:
(1962). Gutenberg-Galaxy: Buchzeitalter werde vom ‘Globalen
Dorf’ abgelöst
1. Medien als Ausdrucks- und Kommunikationsmittel

Wissensorganisation in der ‚Gutenberg Galaxis’:


 
Denn der Mensch in der alphabetisierten Welt verliert die Fähigkeit, die
verschiedengestaltige und diskontinuierliche Existenz der Formen empfinden zu können.
(McLuhan 1964/1968: 26)
 
‚Rational’ bedeutet natürlich für den Westen schon lange ‚uniform, kontinuierlich, seriell’.
Mit anderen Worten, wir haben Vernunft mit Schriftkundig-sein und Rationalismus mit
einer einzelnen Technik verwechselt. (22)
 
Alles was Amerika mit dem Alphabetentum geschaffen hat, das als Technik der
Uniformierung auf allen Stufen der Bildung, Erziehung, der Regierung, der Industrie und
des gesellschaftlichen Lebens Anwendung findet, ist überall von der Technik der Elektrizität
bedroht. [...] Die Technik der Elektrizität ist aber mitten unter uns, und wir sind
benommen, taub, blind und stumm bei ihrem Zusammenprall mit der Technik Gutenbergs,
durch die der amerikanische Lebensstil geprägt wurde. (24)
1. Medien als Ausdrucks- und Kommunikationsmittel

Wissensorganisation im ‚globalen Dorf’:


 
Der Film brachte uns, durch bloße Beschleunigung der Mechanik, von der Welt der Folge
und Verbindung zur Welt der schöpferischen Gestalt und Struktur. (McLuhan 1964/1968:
18)

Elektrisch zusammengezogen ist die Welt nur mehr ein Dorf. Die elektrische
Geschwindigkeit, mit der alle sozialen und politischen Funktionen in einer plötzlichen
Implosion koordiniert werden, hat die Verantwortung des Menschen in erhöhtem Maße
bewußt werden lassen. Dieser Faktor der Implosion ist es, der die Lage der Neger, der
Teenager und einiger anderer Gruppen verändert. Sie lassen sich nicht mehr zurückhalten
im Sinne begrenzter Einbeziehung in die Gemeinschaft. Sie sind jetzt dank der elektrischen
Medien in unser Leben miteinbezogen wie wir in das ihre. (10f.)
 
Im elektrischen Zeitalter, das unser Zentralnervensystem technisch so sehr ausgeweitet
hat, daß es uns mit der ganzen Welt verflicht und die ganze Menschheit in uns vereinigt,
müssen wir die Auswirkung jeder unserer Handlungen tief miterleben. Es ist nicht mehr
möglich, die erhabene und distanzierte Rolle des alphabetischen westlichen Menschen
2. Intermedialität als Oberbegriff
vgl. Irina Rajewsky. (2003). Intermediales Erzählen in der italienischen Literatur
der Postmoderne. Tübingen: Narr.

-
Begriff zur Beschreibung heterogener Phänomene
-
Weitere Begriffe z.T. als Subkategorien, aber z.T. auch als
gleichwertige Begriffe verwendet, die häufig aber
Unterschiedliches bezeichnen: Multimedialität, Polymedialität,
Transmedialität, Medienwechsel, Medientransfer, mediale
Transformationen

-
A) Erforschung in den Künsten im Bereich der Komparativistik:
interarts und comparative art studies
2. Intermedialität als Oberbegriff
vgl. Irina Rajewsky. (2003). Intermediales Erzählen in der italienischen Literatur
der Postmoderne. Tübingen: Narr.

-
„Intermedialität als Hyperonym für die Gesamtheit aller
Mediengrenzen überschreitenden Phänomene […], also all der
Phänomene, die dem Präfix ‚inter‘ entsprechend , in irgendeiner
Weise zwischen Medien anzusiedeln sind.“ (17)

2.1 Medienkombination – Medienfusion


- „Kombination unterschiedlicher Medien“ kann „zur
Herausbildung eigenständiger Kunst- und Mediengattungen“
führen (Lied, Oper, Fotoroman), „bei denen die plurimediale
Grundstruktur zu einem Spezifikum des neu entstandenen
2. Intermedialität als Oberbegriff
vgl. Irina Rajewsky. (2003). Intermediales Erzählen in der italienischen Literatur
der Postmoderne. Tübingen: Narr.

2.2 Medienwechsel – Medientransfer, Medientransformation


-
„Transformation eines medienspezifisch fixierten Prä‘text‘es
bzw. ‘Text‘substrats in ein anderes Medium, also aus einem
semiotischen System in ein anderes“ (Inszenierung dramatischer
Texte, Literaturverfilmung)
-
(dabei kann der Blick auf die interne Logik, die Möglichkeiten und
Grenzen der einzelnen Medien offengelegt werden)
Jorge Luis Borges: „El Aleph“ (1944)

[...] empieza, aquí mi desesperación de escritor. Todo lenguaje es un


alfabeto de símbolos cuyo ejercicio presupone un pasado que los
interlocutores comparten; ¿cómo transmitir a los otros el infinito Aleph que
mi memoria apenas abarca? [...] Lo que vieron mis ojos fue simultáneo: lo
que transcribiré, sucesivo, porque el lenguaje lo es.
(Obras Completas, vol. I, Buenos Aires: Emecé 1989: 625)

[…] da beginnt meine Verzweiflung als Schriftsteller. Die Sprache ist ein
Alphabet von Symbolen, deren Verwendung eine Vergangenheit
voraussetzt, die die Gesprächspartner teilen; wie soll ich den anderen das
unendliche Aleph vermitteln, das meine Erinnerung kaum zu fassen
vermag? […] Was meine Augen sahen, geschah gleichzeitig: was ich
transkribiere ist eine Abfolge, weil die Sprache es ist.
© Jürgen Meier (architektur&medien Leipzig), 2003, Die Kugel des Alephs
2. Intermedialität als Oberbegriff
vgl. Irina Rajewsky. (2003). Intermediales Erzählen in der italienischen
Literatur der Postmoderne. Tübingen: Narr.

2.3 Intermediale Bezüge


-
Filmische Schreibweise, Ekphrasis (=Bildbeschreibung)
-
„Medienprodukt verwendet über seine ‚normalen‘
Verfahren der Bedeutungskonstitution hinaus auch
Verfahren intermedialer Natur“, „Elemente und / oder
Strukturen eines anderen Mediums werden mit den
eigenen, medienspezifischen Mitteln thematisiert oder,
soweit dies möglich ist, reproduziert“
-
(Dialog mit einem anderen Medium innerhalb eines
Mediums, z.B. Dialog mit dem Fernsehen im Film)
3. Transmedialität

-
Nach Irina Rajewsky: „Auftreten des gleichen Stoffes oder die
Umsetzung einer bestimmten Ästhetik in verschiedenen Medien,
ohne daß hierbei die Annahme eines kontaktgebenden
Ursprungsmediums wichtig oder möglich ist oder für die
Bedeutungskonstitution des jeweiligen Medienprodukts relevant
würde“ (Parodie, letteratura pulp)

- Nach Alfonso de Toro: Venetzung von Medien, nicht


Vermischung oder Synthese (Collage, z.T. Performance)
„ästhetisch bedingte Prozesse und Strategien, die nicht zu einer
Synthese, sondern zu einem spannungsreichen und dissonanten
Prozess von Artikulationen führen.“ (2002: 37)
3. Transmedialität
Alfonso de Toro. (2002). „Jenseits von Postmoderne und Postkolonialität. Materialien zu
einem Modell der Hybridität und des Körpers als transrelationalem, transversalem und
transmedia- lem Wissenschaftskonzept“, in: Hamann/Sieber(eds.). Räume der Hybridität.
Hildesheim: Olms.
---. (2004). ‚Hyperspektularität‘/‚Hyperrealität‘/ ‚Veristischer Surrealismus‘. Verkörperungen/
Entkörperungen: Transmediales und hybrides Prothesen-Theater: Periférico de objetos:
Monteverdi método bélico“, in: U. Felten/ V. Roloff (eds.). Spielformen der Intermedialität
im spanischen und lateinamerikanischen Surrealismus. Bielefeld: Transcript. S. 317-
356)

Typisch hingegen für performativ-transmediale hybride Repräsenta-


tionsformen sind Autonomie und Reibung der eingesetzten medialen
Verfahren oder Systeme und eine metaspektakuläre Ebene, die mit
den eingesetzten Mitteln spielt und diese bloßlegt, um eine
Wolf Vostell. B 52 Lippenstiftbomber. 1968
Guillermo Gómez-Peña. (1993). Warrior for Gringostroika. New York/London: Routledge.
---. (2005). ethno-techno. New York/London: Routledge.
Ankunft einer Einheit der
spanischen Polizei im Hafen
von Barcelona zum Einsatz
im Rahmen des als
verfassungswidrig erklärten
Referendums über die
Unabhängigkeit Kataloniens
am 1. 10. 2017
Dekonstruktion

Thema

Wesentliche Begriffe und Arbeitsweisen


der Dekonstruktion als Lektüreform

(nicht Poststrukturalismus
als Texttheorie, Philosophie oder
Übersetzungstheorie)
Dekonstruktion - Unterschied
Strukturalismus/Poststrukturalismus
Dekonstruktion - Unterschied
Strukturalismus/Poststrukturalismus
Dekonstruktion - Unterschied
Strukturalismus/Poststrukturalismus
Dekonstruktion - Unterschied
Strukturalismus/Poststrukturalismus
Dekonstruktion - Unterschied
Strukturalismus/Poststrukturalismus
Dekonstruktion - Unterschied
Strukturalismus/Poststrukturalismus
Dekonstruktion - Unterschied
Strukturalismus/Poststrukturalismus
Dekonstruktion - Unterschied
Strukturalismus/Poststrukturalismus
Dekonstruktion

Ein Beispiel für die Wirkung der


Dekonstruktion bei Texten
Dekonstruktion

Versuchen Sie zu beschreiben, was hier geschehen ist!

Was ist komisch?

Was geschieht hier sprachlich?


Anders gesagt: Was muss in der Sprache möglich sein, dass das hier
geschehen kann?

Wie kann man die Haltung beschreiben, der dieser Vorgang nicht
auffällt?
Dekonstruktion

In der Sprache Derridas heißt das:

Ein sprachlich verfasster Text ist IMMER in der Lage, das eigene
Gegenteil zu bedeuten.

Anders gesagt: Jede Konstruktion von Sinn in einem Text kann


dekonstruiert werden.

Noch anders gesagt: Ein Text bedeutet immer auch sein eigenes
Gegenteil, bedeutet immer JA und NEIN zur gleichen Zeit.
Dekonstruktion

DAS
muss

erklärt
werden

!
Dekonstruktion

Zum Begriff der De(kon)struktion

• Martin Heidegger

• Jacques Derrida
Heideggers Destruktion

Heidegger (1889-1976)
• Wo sind wir? Wer sind wir?
• Wieso denken wir so, wie wir denken?
• Rückkehr zum Ausgangspunkt =
Überprüfung der unausgesprochenen,
traditionell-vorgegebenen Prämissen
des Denkens
Dekonstruktion

Problem: Das sich Rechenschaft gebende Denken wird von dem beeinflusst,
worüber es sich Rechenschaft ablegen will und muss.

Der Weg zur Überwindung der Tradition


ist von der Tradition selbst geprägt.

Was tun?
Heideggers Destruktion

Destruktion:

• Überwindung der jahrhunderte- und jahrtausendealten Verkrustungen der


Gelehrsamkeit und ihrer Denktradition
• Rückkehr zu den Fragen, die etwa Platon oder Aristoteles bewegt haben, und
deren Neuinterpretation
• Destruktion kein negativer oder zerstörerischer Begriff, sondern Weg zu den
Texten, zu den Philosophen selbst – und zum Selbst-Denken
• Nicht nur alte Interpretationen durch neue ersetzen, sondern die Art und Weise,
wie Sinn hergestellt und konstruiert wurde und wird, erfassen
• Diese sinnbildenden Verfahren nennt man insgesamt hermeneutische
Verfahren, die Lehre von diesen Verfahren Hermeneutik. Wenn man den
Konstruktionen der traditionellen Hermeneutik widerspricht, nennt man das
Destruktion (oder Dekonstruktion).
De(kon)struktion
Beispiel/Parallele:

Persönliche Identitätsfindung steht immer unter dem Eindruck des Problems, die
Erziehung/Erfahrung/Traumata (etwa der Kindheit) überwinden zu sollen, aber
gleichzeitig von der Erziehung/Erfahrung/Traumata geprägt zu sein.

Zweigleisigkeit (mit einem Begriff von Derrida: double scéance): zwischen


Tradition/Gewordensein und Identität/ Sein …, d.h.

Jede (Selbst-)Bestimmung muss zweigleisig die Frage nach dem Erscheinen


eines Phänomens behandeln und kritisch das Vorstellungs- und Begriffs-
instrumentarium im Auge behalten, mit dem es das tut.

Entspricht: Beobachter und Methode in der Wissenschaft

Die Doppelgleisigkeit des Problems wird bei Reflexionen über die Sprache
besonders deutlich, da die Sprache die Reflexion/die Widerspiegelung über
Sprache massiv beeinflusst
Dekonstruktion

Derrida (1930-2004)
erweitert das Bezugssystem der Dekonstruktion
auf alle Beschreibungen/Texte von Wirklichkeit:

Il n'y a pas dehors du texte

(Text nicht nur Schrift, sondern Zeichen allgemein)

Einflüsse aus dem Strukturalismus und unter


anderem daraus hervorgegangenen Theorien über die Natur und den Gebrauch
von Zeichen (Semiotik).
Dekonstruktion
Unausgesprochene Voraussetzungen der traditionellen Texthermeneutik

• Ein Text bildet eine homogene Totalität aus den Binomen INHALT und
FORM/SPRACHE
• Anders gesagt: Ein Text macht Sinn.
• Worte und Strukturen eines Textes gehen in der homogenen Totalität auf. Lesen,
Interpretieren und/oder Übersetzen eines Textes bedeuten, dieser Totalität
nachzuspüren und sie sichtbar zu machen.
• Die Sprache ist in der Lage, ihren Gegenstand wahrheitsgemäß abzubilden
• Die Sprache/die Form beeinträchtigt oder beeinflusst den dargestellten
Gegenstand/Inhalt NICHT
• Sprache/Form sind im Darstellungsprozess supplementär/nebensächlich/zu
vernachlässigen
• d.h. die Einheit von Sprache und Inhalt, des Sinn des Textes werden in einer
ungleichberechtigten Hierarchie hergestellt, indem man einen Teil der binären
Formel, die Sprache, von vornherein auf Null setzt –

Das Medium ist ein Reiner Spiegel
Dekonstruktion

Das nennt Derrida

Logozentrismus
Präsenzdenken
(Phallozentrismus)

(siehe NPD-Plakat)
Bewegung der Dekonstruktion

Das Gesetz der Darstellung gehorcht nicht der traditionellen, binär-dialektischen


Gleichung:

1 (Gegenstand/Inhalt/Sinn) + 1 (Abbild/ Form)


=2
(Einheit von Inhalt und Form)

Sondern trialektisch:

1 (Gegenstand) + 1 (Abbild) = 3
(Gegenstand/Abbild/ und deren Differänz-différance)
Bewegung der Dekonstruktion

Was sich betrachten lässt, ist nicht Eins, und es ist das Gesetz der
Addition des Ursprungs zu seiner Repräsentation, des Dings zu
seinem Bild, daß Eins plus Eins wenigsten Drei machen. Denn was
reflektiert ist, zweiteilt sich in sich selbst, es wird ihm nicht nur
sein Bild hinzugefügt. Der Reflex, das Bild, das Doppel
zweiteilen, was sie verdoppeln. (aus: Jacques Derrida, Grammatologie, stw 417, F/M
1974, S. 65.)
Bewegung der Dekonstruktion

Beispiele für das Entstehen

von

différance

durch
Spiegelung
Bewegung der dekonstruktiven Lektüre

Umsturz der Hierarchie: Inhalt – Form/Sprache


Ein Text wird von der Sprache her gelesen,
die Sprache kommt zu Wort

Nicht, um einen neue Hierarchie zu etablieren,


sondern um aus den Hierarchien hinauszutreten
und sich dem Weg der différance auf der Suche nach der Spur
von Bedeutung zu geben.

Lesung/Interpretation werden so unabschließbar


(wie auch die Übersetzung), der Sinn verschiebt sich in eine Spur
Dekonstruktion
différance
Der Gegenstand/Inhalt ist in der Abbildung/Form nicht präsent
– um dies zu symbolisieren, kreiert Derrida das Kunstwort
différance (eigentlich différence im Frz.)
Von différer: sich unterscheiden und sich verschieben

Verschiebung/dissémination
Der Versuch, den Inhalt/Sinn zu fassen, misslingt,
jeder Fassungsversuch spaltet den Gegenstand erneut in Inhalt
und Form – und das als unendliche
Verschiebung/dissémination

„Inhalt/Sinn“ gibt es nur als Spur


Dekonstruktion
Diese différance/Supplementierung/Verschiebung beschäftigt
die Dekonstruktion vor allem bei traditionellen, scheinbar
„natürlichen“, nicht weiter zu hinterfragenden binären
Entgegensetzungen wie

Mensch – Tier
Mann – Frau
Eigen – fremd
Geist/Seele – Körper

Aber auch bei sämtlichen supplementierenden


Entgegensetzungen, wie sie die Dekonstruktion bei allen Text-
und Welt-Auslegungen am Werk sieht
Dekonstruktion
Dekonstruktion

Der Liebesbrief
folgende Versuchsanordnung:
Eine neue Beziehung bahnt sich an. Bald steht eine kurze
Trennung, sagen wir Urlaub oder Semesterferien, ins Haus und
unterbricht die Entwicklung an einem Punkt, der von beiden
Akteuren als `unsicher, aber vielversprechend' verbucht wird.
Unsicher vor allem deshalb, weil beide noch in ein
Kontextgewebe anderer Beziehungen eingebunden sind. Nach
ein paar Tagen dann ein Brief: Orte, Stimmungen, Begegnungen
werden beschrieben und am Schluss, endlich, der erlösende Satz:
"Wenn ich an dich denke, fühle ich mich wohl. Wenn das nur
immer so wäre."
Dekonstruktion

Elegie 挽歌

Kleine Kartoffel unter dem Mond 月亮下的小土豆


Kleine Kartoffel unter dem Mond 月亮下的小土豆
kommt ein Hund und 走来一只狗
beschnueffelt die 嗅
kleine Kartoffel unter dem Mond 月亮下的小土豆

Gu Cheng 顾城 (1958-1986)
Dekonstruktion

Ein Gleiches
Ueber allen gipfeln
ist ruh,
in allen Wipfeln
spuerest du
kaum einen Hauch;
die Voegelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
ruhest du auch.
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
„Fast-genauso-nur-anders“

Über das Eigene, das Fremde und


die Ähnlichkeiten
Nashi-Früchte
Fast-genauso-nur ...
Zum Abschluss erlauben Sie mir bitte einen kleinen Exkurs ins Allgemeine. Denn es ist ja überall die gleiche Erfahrung: Das
Befremdende am Fremden ist nicht sein Fremdsein, sondern seine Ähnlichkeit. Das Fremde wünschen wir uns fremd, ganz fremd, so
fremd am besten, dass es nichts mit uns zu tun hat, exotisch eben, wie früher Bananen oder heute, möglichst noch mit exotischem
Namen: Drachenfrüchte/Pitahaya, Catawiki, Nashi etc.
Exotisch wünschen wir uns das und überdeterminiert – anders gesagt: fremdländisch-exotisch-poetisch, wenn möglich.
Der zum ersten Mal nach Asien (mit Ausnahmen) und China wirklich Reisende und nicht exotik-geschleuste Tourist wird ob der
asiatischen Wirklichkeit zunächst aus allen poetisch-exotischen Wolken fallen. Denn in Entwicklungsländern ist wenig Platz für
Poesie. Die stark unterdeterminierte Alltag ist hart, prosaisch und zweckgerichtet-utilitaristisch.
Das Verstörendste am Fremden aber ist dies: Es ist nicht ganz fremd, nicht symmetrisch anders. Es ist asymmetrisch anders. Wir
erwarten, wo wir weiß sind, das Fremde schwarz, wo wir eckig sind, das Fremde rund. Aber so ist es nicht. Das Fremde ist
asymmetrisch fremd und asymmetrisch gleich.
Das Fremde karikiert auf diese Weise, wenn man so will, das Eigene, das Eigene, Gewohnte, Selbstverständliche wird im Spiegel des
Fremden selbst zur Karikatur. Mit Bewusstsein, also mit Spiegel ausgestattet, sieht man ständig sich selbst, aber wie in einem
Zerrspiegel, der chinesisch sinnvollerweise „Haha-Spiegel“ heißt. Man fühlt sich ständig in Frage gestellt, verhohnepiepelt, weil man
das, was man selbst tut, in verzerrter Form im Fremden wiederentdeckt und – erschrickt.
Man sieht sich, so im Falle der Nashi-Früchte, einem Apfel gegenüber, der sich aber als Birne entpuppt. Das stellt das eigene Apfel-
Dasein in Frage. Anders gesagt: Mit einem eher unwissenschaflichen klingenden, dafür aber umso genaueren Begriff möchte ich das
Fremde im Verhältnis zum Eigenen kennzeichnen als: „Fast-genauso-nur-anders“. Und damit sind wir mitten in der
Ähnlichkeitsforschung. (Blickwinkel: China/Asien, Übersetzung)
Das „Eigene“ – das „Fremde“

Interkulturalität (Grundbegriffe)

Das „Eigene“ – das „Fremde“

Identität/Gleichheit – Differenz/Alterität (sfetischismus, Wertheimer)

Universalismus – Kulturrelativismus:
Zwischen diesen Extrempositionen versucht eine Konzeption des
Fremdverstehens zu vermitteln, die Verständigung als einen Dialog
konzipiert, der die Standpunkte aller Beteiligten modifiziert. Ein so
verstandener „hermeneutischer Ethnozentrismus“ erlaubt die
Anerkennung von Differenz, ohne von der Vorstellung einer kultur- und
rassenübergreifenden Humanität abzurücken.
(Ansgar Nünning (Hrsg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, Stuttgart 2008,
S. 325.)
Das „Eigene“ – das „Fremde“

Dialektik des „Eigenen“ und des „Fremden“

● Das „Eigene“ konstituiert sich als „Fremdes“

● Das Eigene ist NIE monolithisch einheitlich, es steht immer


im Widerspruch zu einem als anders empfundenen Eigenen

● Das „Fremde“ ist immer das Fremde des „Eigenen“

● Das „Eigenen“ definiert sich über das „Fremde“

● Die Erfahrung des „Fremden“ verändert das „Eigene“


Das „Eigene“ – das „Fremde“

Das „Eigene“ konstituiert sich als „Fremdes“

Wir lernen nichts schwerer als das eigentlich nationelle frei gebrauchen
[…] Aber das Eigene muss so gut gelernt seyn, wie das Fremde.
(Hölderlin in einem Brief an Casimir Böhlendorff vom 4. Dezember 1801, vor seiner
Abreise nach Bordeaux)

Der Nobelpreisträger Gao Xingjian und der Dichter Yang Lian empfehlen
in ihrem gemeinsam Gespräch mit dem Titel „Was hat uns das Exil
gebracht?“ der chinesischen Literatur die Erfahrung des Exils – oder
doch zumindest einer inneren Distanzierung, einer inneren Entfremdung,
die Erfahrung, dass das Ich, dass das Chinesische ein Anderes ist.

Für Übersetzer heißt das als leidvolle Erfahrung und Herausforderung:


Die Muttersprache ist die erste Fremdsprache
(von der Ausbildung bislang weitgehend vernachlässigt)
Das „Eigene“ – das „Fremde“

Das Eigene ist NIE monolithisch einheitlich, es steht


immer im Widerspruch zu einem als anders
empfundenen Eigenen
Anders gesagt:
Identitäten grenzen immer aus, auch innerhalb des
„Eigenen“

Beispiel 1:

Rezeption des „Eigenen“ (Goethe/ Hegel) im „Fremden“ (China):


Welcher Goethe/ Hegel?

Beispiel 2: NPD-Plakat
Das „Eigene“ – das „Fremde“
Das „Fremde“ ist immer das „Fremde“ des „Eigenen“

Einheimische sind das Gegenteil von Fremde. Aber dem Einheimischen


sind die fremdesten Fremden nicht fremd – er kennt zwar den Fremden
persönlich nicht, merkt aber sofort, daß es sich um einen Fremden
handelt, beziehungsweise um Fremde handelt; zumal wenn diese
Fremde in einem Fremdenomnibus durch die Stadt fahren.
(Karl Valentin, Die Fremden)

Beispiel: Chan/Zen-Malerei mit ihrem abstrahierendem Reduktionismus,


der Farblosigkeit etc. wird im Westen als „typisch“ angesehen, weil es
am Exotischsten, d.h. dem „Eigenen“ besonders „fremd“ erscheint, gilt
aber in der Ausgangskultur China oder Japan als exzentrisch.
Die Landschaftsmalerei als Mainstream der chin./jap. Malerei wird kaum
rezipiert.
Das „Eigene“ – das „Fremde“: 六柿图
Das „Eigene“ – das „Fremde“: Zen
Das „Eigene“ – das „Fremde“

Das „Eigene“ konstituiert sich über das „Fremde“

z.B. China-Bilder: Aufklärung, deutscher Idealismus, Martin


Buber bis heute:

(Westl.) Entwicklung (Individualismus)

vs.

(östl.) „Einheit des Orients“ (Gruppenidentität)


Das „Eigene“ – das „Fremde“

Beispiel – Fernsehbericht (vor ca. 20 Jahren)

Taiwanischer Computermanager geht abends in den Tempel


und befragt das Schafgarben-Orakel nach dem Buch der
Wandlungen.

Fazit des Berichts:


Nur die asiatischen Gesellschaften sind in der Lage,
Traditionen der Vergangenheit nahtlos mit dem modernen
Leben zu verbinden. (zitiert nach dem Gedächtnis)

EINHEIT auch hier. Wir werden darauf zurückkommen!


Das „Eigene“ – das „Fremde“

Die Erfahrung des „Fremden“ verändert das „Eigene“

Von Asien aus gesehen ist alles „Westen“

Der „Eigenkultur-Schock“ der Rückkehrer (Cora DuBois)


(Kalervo Oberg: „Cultural Shock: Adjustment to New Cultural Environments.“
In: Practical Anthropology 7/4 1960, S. 177–182. Reprint in: Curare 29/2+3
2006, S. 142–146.)
Stereotypen

Stereotypen

Seit dem amerikanischen Journalisten Lippmann gilt die Bildung von


Stereotypen als eine (zumeist unbewusste) kognitive Strategie der selektiven
Wahrnehmung und Komplexitätsreduktion.

(Ansgar Nünning (Hrsg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, Stuttgart 2008, S.
679)
Stereotypen – Der Gesichtsverlust

Falschlesung als stereotype Konstitution des (chin.)


„Fremden“ (siehe u.a. Wiki-Eintrag: Chinesische Kultur)
- Der Gesichtsverlust
• Lehnübersetzung aus dem Englischen
• 'Lose face' began life in English 1876 as a translation of the Chinese phrase
'tiu lien'. (Quelle: https://www.phrases.org.uk/meanings/lose-face.html)

- Etymologischer Holzweg und Falschübersetzung


• Falsches Verständnis eines aus einer V-O-Konstruktion gebildeten Verbs:
• 吃饭 (essen-Essen/Reis) = essen
• 看书 (lesen-Buch) = lesen (man kann so auch Zeitungen lesen)
• 丢脸 (verlieren-Gesicht) = sich blamieren

丢脸死 (verlieren-Gesicht-zu Tode) = sich zu Tode blamieren
• 不要脸 (nicht-wollen-Gesicht) = schamlos sein, unverschämt sein
Stereotypen

Bleibt die Frage:

Wofür ist die schnelle Idiomatisierung dieses Ausdrucks in


westlichen Sprachen symptomatischer – für die chinesische
oder die westlichen Kulturen?
Biologische Stereotypen der komischen Art

Beispiel 1:

Chinesen schwitzen nicht

Beispiel 2:
Rharbarber-Komp(l)ott
Ähnlichkeit: Fast-genauso-nur-anders

Nach fünf Jahren in Taiwan begann sich mein Blick auf das „Fremde“ zu
verändern, ich sah nicht mehr asiatische Gesichter, sondern zuerst
Gesichter, fröhlich, muffige, bös, traurig usf., sie waren noch immer
asiatische, mit Mandelaugen, aber das entweder/oder der harten
Gegensätze von Identität und Differenz (Huntington), „Eigenem“ und
„Fremdem“ unserer Diskurse hatte sich in ein sowohl … als auch ver-
wandelt, das Fremde erschien

fast-genauso-nur-anders
Ähnlichkeit: Fast-genauso-nur-anders

Was ist mit einem solchen „Begriff“ gewonnen?

1. Auch wenn seine scheinbar schnoddrige Dahingeworfenheit in eine


andere Richtung zu weisen scheint, fasst er präzise und auf engem
Raum all die Probleme, die wir im Zusammenhang mit der Dialektik des
„Eigenen“ und „Fremden“ angesprochen haben

2. Die nicht zu bestreitende Ironie des „Begriffs“ verweist auf das


Dilemma des Wissenschaftlers angesichts der dem Problem
innewohnenden Unfassbarkeit/Ungenauigkeit/Offenheit

3. Es geht aber nicht darum, aus irgendwelchen moralisch gut gemeinten


Gründen etwa missliebige Wahrheiten über das „Fremde“ im Vagen zu
halten, es geht vielmehr darum, die Unfassbarkeit/ Ungenauigkeit/
Offenheit der Befunde präzise darzustellen
Ähnlichkeit: Fast-genauso-nur-anders

Der Blick auf „Ähnlichkeit“ (“similarity”) erlaubt uns einen theoretischen


und methodischen Ansatz zu entwickeln, der das Moment des
„Ineinandergreifens“, und der Überlappungen und Abstufungen,
thematisiert, um kulturelle und gesellschaftliche Diversität und den
Vergleich zwischen Kulturen nicht unter den Kategorien von Grenze,
Dichotomie oder gar Zusammenstöße (Clash) zu erfassen versucht. Eher
geht es um übergreifende Momente der Gleichzeitigkeiten und um
‚Correspondance’.
(Prof. Dr. Anil Bhatti, Exzellenzcluster: Kulturelle Grundlagen von Integration, Universität
Konstanz, Quelle: https://www.exzellenzcluster.uni-konstanz.de/2466.html)
Ähnlichkeit: Fast-genauso-nur-anders

Begrifflichkeiten der Ähnlichkeitsforschung


● Ungenauigkeit, Vagheit, Unfassbarkeit (des Gegenstands)

● aber auch: Überschneidungen, Überlappungen, Schnittmengen; Unschärfe-


Relationen, fließende Übergänge, nicht streng definierbare (ummauerbare)
Grenzräume, fuzzy identity (Bhatti)

● aber auch: (Ver)Mischung, Mischling, Mestizentum, Bastardisierung,


Hybridisierung, Kreuzung

● aber auch: Spürsinn, Augenmaß, Intuition (Sherlock Holmes), Kohäsion,


Kontiguität („dazwischen“/“zwischen“)

● aber auch veraltete Formen wie: Magie, Homöopathie (Hippokrates bis


Hahnemann [1755-1843]: similia similibus curantur) Alchemie, Physio-gnomik,
Zauber (Quacksalberei, Sternenguckerei)

● aber auch: doppelte Staatsbürgerschaft, transgender


Ähnlichkeit und Erkenntnis

Ähnlichkeiten herzustellen, ist nicht die Tätigkeit eines romatisch-


idealistisch definierten Subjekts, sondern die Funktionsweise der
Intelligenz selbst, wenn sie ihrem Erlöschen in Identität oder Alterität
ausweichen will. […] Der Geist erlischt in Pleonasmen und Tautologien
ebenso wie im schlechthin Fremden, für das es nicht einmal Parabeln
bereithält, geschweige denn Namen.

(Gert Mattenklott, „Ähnlichkeit – Jenseits von Expression, Abstraktipon und Zitation“, in:
Gerald Funk, Gert Mattenklott, Michael Plauen, Ästhetik des Ähnlichen – Zur Poetik und
Kunstphilosophie der Moderne, Fischer: F/M 2001, S. 171.)
Ähnlichkeit und Erkenntnis

Ähnlichkeit/Analogie und Erkenntnis

● Empedokles: hê gnôsis tou homoiou tô homoiô


(similis similibus cognoscitur)

● Platon: Linien-, Sonnen-, Höhlengleichnis (Politeia) (Thomas v. Aquin,


Leibniz)

● Novalis: „Kontraste sind inverse Ähnlichkeiten“

● Wittgenstein: Familienähnlichkeiten, die das Sprachspiel ermöglichen

● Benjamin: Lehre vom Ähnlichen


Ähnlichkeit: Fast-genauso-nur-anders
● Foucault: Vier Figuren der Ähnlichkeit (in: Die Ordnung der Dinge):
Convenientia (Angrenzungen, Überlappungen), Emulatio (Ringe,
Spiegelungen, Reflexionen), Analogie (Aus/Strahlungen,
Verwandschaft) Sympathien (Steuerung von Analogien) (eher negativ
konnotiert)

● Aber auch: in der Historiographie, wo schon seit langem von Epoche-


Schwellen, Sattelzeiten etc. nicht defizitär die Rede ist, sondern als von
Räumen der Innovation, der nachhaltigen Evolution, „historischer
Überlappungen“, „shared/connected history“

● Medienwissenschaft: Marshall McLuhan (1911-1980): Ästhetik des


schwebenden Urteils, Pluri- und Multiperspektivitäten, Verlust des
„festen Standpunkts“ (Die Gutenberg-Galaxis) durch die mediale Situation

● In Deutschland seit ca. 15 Jahren u.a. Universität Tübingen (Prof.


Wertheimer), Universität Konstanz (Prof. Dorothee Kimmich, Prof. Anil
Bhatti)
Ähnlichkeit: Fast-genauso-nur-anders
Was braucht man für diese Art der Forschung?

geschulte Beobachtung, Erfahrung, trainierte Aufmerksamkeit


(Jürgen Wertheimer, Vortrag)

Beispiel: Taiwan. Der Computermanager und das Buch der


Wandlungen.

Was hätte eine „trainierte Aufmerksamkeit“, eine „geschulte


Beobachtung“ gemacht, um den Schluss von der inkommensurablen
Inklusionskraft der asiatischen Kulturen in Bezug auf Tradition und
Moderne zu überprüfen?

Keine Suche nach Ähnlichkeit, die kann ähnlichen Probleme unterliegen


wie die Suche nach dem „Fremden“.

Sondern?
Ähnlichkeit: Umkehr der Perspektive

GLEICHE Perspektive
auf das „Fremde“
UND
das „Eigene“!


SUCHE nach Ähnlichkeiten

(resultiert aber ggfs. in der Entdeckung von


Ähnlichkeit/Differenz/Gleichheit/Verwandtschaft/Analogie ...)
Ähnlichkeit: Fast-genauso-nur-anders

Für unser Beispiel heißt das:

Das Fernsehteam hätte einen deutschen, sagen wir katholischen (Computer-)


Manager bei der eventuellen Ausübung normaler religiöser Verrichtungen
beobachten müssen, also etwa bei dem Besuch einer Messe.
Das ZENTRALE Ereignis der katholische Messe ist die Kommunion, die im
wesentlichen auf der Transsubstantiation von Brot und Wein in Fleisch und
Blut Christi und deren Genuss durch den Gläubigen beruht:

… in diesem Sakrament vereinen wir uns mit Christus, der uns an


seinem Leib und seinem Blut teilhaben lässt, damit wir einen einzigen
Leib bilden. (Katechismus der Katholischen Kirche, S. 366)

(Endogene Kulturen aßen Menschenfleisch – z.B. das Fleisch und Blut des
getöteten Feindes –, um die Kraft und die Mentalität dieses tapferen Kriegers zu
verinnerlichen. Es war also eine „Ehre" und ein Zeichen der „Hochachtung",
nach seinem Tode rituell aufgegessen zu werden.)
Ähnlichkeit: Fast-genauso-nur-anders
Die entdeckte Ähnlichkeit verwischt keineswegs Unterschiede (das Buch
der Wandlungen ist nicht die Bibel und kein katholischer Katechismus),
sondern macht mit den Korrespondenzen, Überschneidungen, Analogie
auch die Unterschiede deutlich, aber Unterschiede, die kein
„entweder/oder“, sondern ein der Realität näheres „sowohl … als auch“
transportieren.
Die vorherige Festschreibung einer Differenz löst sich allerdings auf und
damit auch die festen Konturen des Eigenen in eine nicht
abzuschließende, prozesshafte Annäherung an das „Eigene“ wie das
„Fremde“.

Das schließt natürlich auch die Gefahr von unechten Analogien, falschen
Verwandtschaften, auch aus besten Absichten sich speisenden
trügerischen Ähnlichkeitsillusionen nicht aus.
Hierhin gehören auch die Fake-News (die so neu nicht sind),
Fälschungen, Nachahmung, Mimikri usf.
Ähnlichkeit: Fast-genauso-nur-anders
Die entdeckte Ähnlichkeit verwischt keineswegs Unterschiede (das Buch
der Wandlungen ist nicht die Bibel und kein katholischer Katechismus),
sondern macht mit den Korrespondenzen, Überschneidungen, Analogie
auch die Unterschiede deutlich, aber
Unterschiede, die kein „entweder/oder“, sondern ein der Realität näheres
„sowohl … als auch“ transportieren
Die vorherige Festschreibung der Differenz löst sich allerdings auf
und damit auch die festen Konturen des Eigenen in eine nicht
abzuschließende, prozesshafte Annäherung an das „Eigene“ wie
das „Fremde“.

Das schließt natürlich auf die Gefahr von unechten Analogien, falschen
Verwandtschaften, auch aus besten Absichten sich speisenden
gewollten, trügerischen Ähnlichkeitsillusionen nicht aus.
Hierhin gehören auch die Fake-News (die so neu nicht sind),
Fälschungen, Nachahmung, Mimikri usf.
Ähnlichkeit und Übersetzung:
Fast-genauso-nur-anders

Prozess der Übersetzung =

Prozess des Vergleichs, Analogie-Bildung und Suche nach Ähnlichkeit

Das Äquivalent der Übersetzungstheorien ist NIE Identität, es ist immer


(funktionale) Annäherung, Ähnlichkeit, Analogie, Verwandtschaft

Deshalb immer wieder die Diskussion über die Unmöglichkeit der


Übersetzung, den Übersetzer als Verräter

Dabei gilt alles, was wir über „Eigenes“ und „Fremdes“ gesagt haben,
auch für Original/Ausgangstext und Übersetzung/Zieltext
Des Teufels General
General Harras: Na, und was wissen Sie denn über die Seitensprünge der Frau
Ururgroßmutter? Die hat doch sicher keinen Ariernachweis verlangt […] was kann da
nicht alles vorgekommen sein in einer alten Familie. Vom Rhein – noch dazu. Vom Rhein.
Von der großen Völkermühle. Von der Kelter Europas!
Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenreihe vor – seit Christi Geburt. Da war ein
römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive, der hat einem
blonden Mädchen Latein beigebracht. Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die
Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat
die katholische Haustradition begründet. – Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder
ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein
Soldat Napoleons, ein desertierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder
Müllerbursch vom Elsaß, ein dicker Schiffer aus Holland, ein Magyar, ein Pandur, ein
Offizier aus Wien, ein französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant – das hat
alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt – und – und
der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven und der Gutenberg, und
der Matthias Grünewald, und – ach was, schau im Lexikon nach. Es waren die Besten,
mein Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt
haben. Vermischt – wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu
einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen. Vom Rhein – das heißt: vom
Abendland. Das ist natürlicher Adel. Das ist Rasse. Seien Sie stolz darauf, Hartmann –
und hängen Sie die Papiere Ihrer Großmutter in den Abtritt. Prost.

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