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Alina Lipisivitska

Staatliche Iwan-Franko-Universität Zhytomyr

DAS KÜNSTLERISCHE WELTBILD IN DER


HERMENEUTISCHEN METHODOLOGIE VON WILHELM DILTHEY

Die Welt um uns herum ist die in ihrer Idealität ganzheitliche Wirklichkeit.
Das ideale Wirklichkeitsbild zeichnet sich durch unser Bewusstsein in ein Bild
ab, das uns hilft, die Ästhetik der Welt nachvollziehen und erkennen, was sich in
konkreten Bereichen der menschlichen Tätigkeit wiederspiegelt, vor allem im
Kunstschaffen und in der Kunst. Die Besonderheit des künstlerischen Weltbildes
liegt im subjektiven Verhalten des Künstlers, Autors eines Werkes, gegenüber
der objektiven Realität und dem Menschen als einem Subjekt und Objekt der
künstlerischen Schöpfung. Die gebildete (in der Literatur als Wortkunst
besprochene) künstlerische Welt entsteht in vielzähligen poetischen Bildern vor
uns, die durch jahrhundertelange Geschichte, Völkerkultur und verschiedene
Kunsttraditionen bedingt sind.
Literaturwissenschaftliche Methoden begannen sich im XIX. Jahrhundert
zu entwickeln, und genau in jener Zeit führte Wilhelm Dilthey, der Gründer der
philosophischen Hermeneutik und der Vertreter der geistesgeschichtlichen
literaturwissenschaftlichen Schule, eine Begriffstriade Erlebnis – Ausdruck –
Verstehen in die Literaturtheorie ein, die als Basis der hermeneutischen Theorie
der Wissenschaften gilt. Definitionen, die der deutsche Wissenschaftler angibt,
präsentieren die Interpretation der menschlichen Welt mit ihren zwei Endpolen –
Behaviorismus und Kartesianismus. (Dilthey, 2000) Das heißt, die menschliche
Welt existiert am Schnittpunkt der instinktiven Welt der Natur und der
vergeistigten Welt der Kultur, und diese Tatsache kommt natürlich in der
künstlerischen Welt der literarischen Werke zum Ausdruck, da jede
Interpretation eine subjektive Perspektive der Bewusstheit eines Phänomens
oder eines Objektes ist. In diesem Fall ist es die Bewusstheit der Verkörperung
des Lebens eines Menschenstammes in einem einzelnen menschlichen
Individuum, die Bewusstheit, zu der zuerst der Autor und dann auch der Leser
kommt. Schauen wir tiefer in die ästhetische Dreieinigkeit ein, deren
Bestandteile den Weg zur ganzheitlichen Darstellung des künstlerischen und
natürlichen Weltbildes wiedergeben.
Das erste Glied – Erlebnis – ist die allererste Quelle, aus der wir die ganze
lebenspraktische Erfahrung schöpfen. Es ist das, was wir empfinden, wenn wir
ein Objekt beschauen; Assoziationen, die während der Beschauung aufgehen
und sich auf der parallelen Achse Ausdruck verwirklichen. W. Dilthey
behauptete, dass Erlebnisse bis dahin existieren, solange sie ihren Ausdruck in
intersubjektiven Artikulationen finden, d. h. in den Taten, die jedem einzelnen
Individuum allgemeinverständlich sind. Der Zusammenhang zwischen dem
Erlebnis und Ausdruck in einer konkreten Wirklichkeit besteht im Verstehen, in
den Bedeutungen, die als Teile gegenüber dem ganzen Lebensprozess figurieren.
In den Bedeutungen sind kulturelle Sinne versteckt, die die Erlebnisse
ausprägen. Ansonsten verliert sich die Ästhetik der erwähnten Triade und damit
auch die Ästhetik der Menschenwelt. (Dilthey, 2000)
Die kulturelle Welt um uns herum, die durch die Natur erstellt und durch
die Kunst abgeschlossen wird, ist das Objekt des menschlichen Bewusstseins,
und der Prozess der Welterkennung selbst ist mit der Sprache untrennbar
verbunden. Wilhelm Dilthey erklärt die Sprache für ein primäres Mittel der
Artikulation des Lebens. Er behauptet, dass „in der Sprache allein das
menschliche Innere seinen vollständigen, erschöpfenden, objektiv
verständlichen Ausdruck findet“. (Dilthey, 1927: 319) Die in einem Ausdruck
verwirklichten und mit einer Tat bestätigten Erlebnisse erlauben uns über den
sogenannten Wirkungszusammenhang zu sprechen. (Dilthey, 2013: 79) In der
Philosophie des W. Diltheys ist auch die Verbindung zur Hegelschen Dialektik
zu sehen, die hier mittels der Begriffe Erklären und Verstehen dargestellt wird:
„Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir“. (Dilthey, 1927: 144).
Von den bei uns natürlich erzeugten Erlebnissen durch den Ausdruck kommen
wir zum Verstehen und beschauen das Erkenntnisobjekt aufgrund der
allgemeinkulturellen Erfahrung. Solche Überlegungen geben uns den Grund
über die Intersubjektivität des künstlerischen Weltbildes und den „objektiven
Geist“ der literarischen Werke eine Behauptung aufzustellen. Ein Kunstwerk,
obwohl es von einem einzelnen Subjekt geschaffen wird, druckt jedoch „nicht
die inneren Vorgänge eines Dichters aus, sondern einen in diesen geschaffenen,
aber von ihnen ablösbaren Zusammenhang“ (Dilthey, 2013: 85). „… jedes
Kunstwerk und jede historische Tat sind nur verständlich, weil eine
Gemeinsamkeit den sich in ihnen Äußernden mit dem Verstehenden verbindet;
der einzelne erlebt, denkt und handelt stets in einer Sphäre von Gemeinsamkeit,
und nur in einer solchen versteht er“. (Dilthey, 2013: 146-147)
Die künstlerische Welt ist die Welt der objektiven Bilder und subjektiven
Bedeutungen, eine fiktive Welt, die eine von uns erkennbare Realität
repräsentiert. Es ist möglich, die künstlerische Wirklichkeit zu erkennen, indem
man durch die mehrkantige Form eines Kunstwerkes durchgeht und in den
poetischen Bildern den Nachklang der vorherigen Erfahrungen findet. Das lässt
uns das Bekannte immer wieder erleben und ewige Wahrheiten des
menschlichen Daseins neu beleben.

Literatur:
1. Dil'tej, V. (2000) Vvedenie v nauki o duhe. A.V. Mihajlova, N.S. Plotnikov
(Red.). Sobranie sochinenij (T. 1) Moskva: Dom intellektual'noj knigi, 2000.
759 S.
2. Dilthey, W. Einleitung in die Philosophie des Lebens. Gesammelte Schriften
(Bd. 5) Leipzig und Berlin: Teubner, 1927, 324 S.
3. Dilthey, W. Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften.
Gesammelte Schriften (Bd. 7). Berliner Ausgabe, 2013, 381 S.

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