Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Vorwort
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
Martin Brück
r 11
1. Kapitel
„Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen er-
wachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren
Ungeziefer verwandelt.“ (S. 23) Der erste Satz der Erzählung ent-
hält bereits die Ausgangssituation, aus der sich alle weiteren
Ereignisse mit Zwangsläufigkeit ergeben. Nüchtern benennt er
die „unerhörte Begebenheit“ – nach Goethe das Zentrum einer
jeden Novelle –, die der erwachende Gregor Samsa passiv („fand
er sich“) erlebt und deren Ursache – vielleicht die „unruhigen
Träume“ – sowie Vorgeschichte der aufmerksame Leser sich
erschließen muss. Schon das erste Kapitel legt Spuren aus, die
dabei hilfreich sein können: Die zentralen Personen werden ein-
geführt und anhand ihrer unterschiedlichen Reaktionen auf die
Verwandlung charakterisiert; insofern könnte man von einer
Exposition der Novelle sprechen.
In einem ersten Erzählabschnitt erleben wir Gregor allein in
seinem Zimmer. Auf die Wahrnehmung des veränderten Kör-
pers (S. 23) folgt ein Orientierungsversuch im Raum. Dem
entsprechen mehrere Anläufe zu einer inneren Orientierung
durch Erklärungsversuche: Gregor glaubt, nicht ausgeschlafen zu
haben, denkt an seinen „anstrengenden Beruf“ als Handlungs-
reisender und die besonders bedrückende „Schuld der Eltern“
(S. 24 f.) dem Chef gegenüber; er erwägt schließlich eine Krank-
meldung, was aber der „Peinlichkeit“ wegen verworfen wird.
Diese hilflos wirkenden Rationalisierungen stehen im Wider-
spruch zu ersten Erfahrungen mit seinem neuen Körper, der sich
der Ausführung gewohnter Bewegungen widersetzt (S. 24).
12 r „Die Verwandlung“: Inhaltsübersicht
2. Kapitel
Nach den dramatischen Auftritten des ersten Kapitels scheint im
zweiten – bis auf die Ereignisse am Schluss – die Spannungskurve
abzufallen und sich zum großen Teil auf Zustandsbeschreibun-
gen einzupendeln. Im Zentrum des Geschehens stehen einerseits
Gregors Versuche, mit seiner Existenz als ,Ungeziefer‘ zurecht-
zukommen, andererseits die der Familie, sich in der Situation
einzurichten, aber auch gewisse Veränderungen einzuleiten.
Gezeichnet von den Verletzungen durch die Stockschläge des
Vaters – eine „unangenehm spannende Narbe“ zwingt Gregor zu
„hinken“ – erwacht er in der Abenddämmerung und bemerkt
einen „Napf mit süßer Milch gefüllt, in der kleine Schnitten von
Weißbrot schwammen“ (S. 44). Obgleich Gregor die frische
Milch verabscheut und er sich „eine andere Speise […], die ihm
besser entsprach“ (S. 47), erhofft, drückt sich doch hier eine Zu-
wendung der Schwester aus, die dann auch den Speiseplan auf
16 r „Die Verwandlung“: Inhaltsübersicht
licher“ (S. 54) sieht und weiter Entferntes gar nicht mehr wahr-
nehmen kann. Neben den veränderten Essgewohnheiten – der
Lust auf faulige Speisen – und einer abnehmenden Schmerz-
empfindlichkeit (S. 48) ist dies eine weitere Auswirkung seiner
veränderten physischen Konstitution; dazu kommt wenig später
das Bedürfnis, „kreuz und quer über Wände und Plafond zu krie-
chen“ und anstelle des „ruhigen Liegen[s]“ „oben auf der Decke“
(S. 56) zu hängen. Aufgrund dieser zunehmenden Animalisie-
rung wird der Abstand zwischen Gregors Verhaltensweisen und
seinem Innenleben immer größer. Dieses spiegelt eine weiter
zunehmende Sensibilität gegenüber der Familie wider, was
sich z. B. darin äußert, dass er ein „Leintuch auf das Kanapee“ an-
ordnet, um „gänzlich ver-
deckt“ (S. 55) zu werden.
Die Schwester scheint
dies dankbar hinzuneh-
men; durch ihre Mittler-
funktion zwischen Gre-
gor und der Familie ge-
winnt sie zunehmend die
Anerkennung der Eltern
und ersetzt vor allem die
Mutter, auf deren Besuch
Gregor schon seit Langem
wartet.
Die Katastrophe, mit
der das zweite Kapitel
schließt, wird durch eine
Reihe von Missverständ-
nissen ausgelöst, die ihre Mutter (Zdenka Prochazkova) und Schwester
Ursache wiederum im (Edwige Pierre) beobachten ängstlich den ver-
wandelten, an der Decke hängenden Gregor;
„Mangel jeder unmittelba- Szene aus dem Film von 1975, der die Gescheh-
ren menschlichen Anspra- nisse aus der Perspektive des Ungeziefers zeigt.