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Für Hanna und Thilo Hilpert,

die Le Corbusiers Buch «Städtebau»


Le Corbusiers
in den 30er und 40er Jahren bewahrten
und diese Arbeit mit Zuspruch
»Chartavon Athen«
und Unterstützung förderten.
Texteund Dokumente

KritischeNeuausgabe

Herausgegeben
von Thilo Hilpert

Mit einem Nachwort


zur zweiten Auflage

Friedr. Vieweg & Sohn Braunschweig/ Wiesbaden

-- __/
• • Ski
Layout un d em1ge vom Herausgeber Zeichnungen von Teilnehmern des vom Heraus-
zze11 • . h. .. 1 (S 31)·
geber an der TU Berlin 1980/1981 veranstalteten Stadtbausemmars: Joac 1m Wurme • ,
Andreas Glogan, Helmut Grüber (S. 38/39).
Alle Texte und Dokumente neu übersetzt vom Hera~sgeber._ .
Die Übersetzung des Textes auf den Seiten 93-95 s_ow1e
der Bnefeauf den Seiten 170f.,178-180,
183, 185f., 188-190 und 193 besorgte Aglaja Hart1g.

.Die Charta von Athen ist immer noch ein


grundlegendes Dokument für unsere Zeit. Sie
kann auf einen zeitgenössischen Stand ge-
bracht. aber sie kann nicht verleugnet werden.
Viele ihrer 95 Punkte sind heute noch gültig, ein
Zeugnis der Vitalität und Kontinuität der moder-
nen Bewegung in der Planung ebenso wie in
der Architektur."
Frei Otto. G. Böhm und anderen als Unterzeich-
Umschlagseite 1: ner der „Charta von Machu Picchu". 1978
Anmerl'Ung Le Corbusiers: »Erste Ausstellung der Ville Radieuse in Rotterdam 1933«.
Im Hintergrund: Plan Voisin und Schemapläne der »Strahlenden Stadt« .Man kann sagen. daß in den Jahren der Nach-
kriegszeit die europäischen Städte physisch
und sozial mehr zerstört wurden als in irgend-
Umschlagseite 4:
einer anderen Periode ihrer Geschichte. einge-
Le Corbusiers »Stadt der Gegenwart« (1923), Modell-Rekonstruktion. schlossen die beiden Weltkriege. (...) Die kul-
Stadtbauseminar Thilo Hilpert, TU Berlin, Fachbereich Architektur, 1980/1981, turellen Modelle der modernen Bewegung. wie
Projekt Architektur der Großstadt - Otto Wagner, Sant 'Elia, Bruno Taut, Le Corbusier. sie in der 'Charta von Athen' formuliert wurden.
Die Modelle befinden sich im Deutschen Architekturmuseum, Frankfurt am Main. haben - nachdem sie ihren Platzin der Gesetz-
gebung fanden - einen Prozeß begünstigt.
durch welchen der städtische Raum und die
Stadt als Ganzes in den Zyklus der Profitmaxi-
mierung eingeordnet wurden."
Leon Krier. La Reconstruction de la Villa. 1978

Der Verlag Vieweg ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann.

1. Auflage 1984
2. Auflage 1988

Alle Rechte vorbehalten


© Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig 1988
Umschlagentwurf: Helmut Lortz
Satz: Satzstudio Frohberg, Freigericht
Druck und buchbinderische Verarbeitung: Lengericher Handelsdruckerei, Lengerich
Printed in Germany

ISBN 3-528-18756-5 ISSN 0522-5094


Thilo Hitpert DIE CHARTA VON ATHEN 81

Der Historismus und die Asthetik der Moderne


Eine Einführung I
VORWORT VON JEAN GIRAUDOUX 86

1. Wendepunkt oder Krise 9


II
13
2. Die widersprüchliche Modeme - eine neue Sicht
FERNAB EINES SKANDALÖSEN PALASTS
3. Gründung der CIAM 16
Gründung der CIAM, 1928 93

21
4. Der Historismus und die Wegbereiter der Modeme Erklärung von La Sarraz 95

5. Camillo Sitte und die Idee der neuen Stadt 27 Dokumente 99

6. Formbegriff der Modeme - eine offene Diskussion 33


III

Autonomie und Funktion der Form 36 DIE CHARTA

Symmetrie und räumliche Komposition 39 Erster Teil: Allgemeine Begriffe: Die Stadt und ihre Region 116

Motiv und symbolischer Ausdruck 42 Zweiter Teil: Der gegenwärtige Zustand der Städte.
Kritik und Abhilfe 121
Entwerfen und historische Inspiration 44 Wohnen • Freizeit· Arbeit • Verkehr

Historisches Erbgut der Städte


Baukunst und intellektuelle Arbeit 48
Dritter Teil: Schlußfolgerungen: Lehrsätze 156
7. Typus und Standard 51
Dokumente 169
8. Funktionelle Stadt und soziales Leben 58

DIE PLÄNE DER VILLE RADIEUSE 216


9. Monument und Stadtraum 64

10. Modeme und Tradition 71 NACHWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE 238


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r.A D'ATHENES
avec
UN DISCOURS I.IMINAIRE
de
Jean Giraudoux

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ACHEVt D DIPRUIER
SUR LES PRESSES
DE L'IMPRillERIE
ANDRE TOURNON ET ClF.,
20, RUE DELAl\IBRE,
URßANISME DES C.I.A.M.
PARIS (C. 0. L. N" 3'-09i9)
EN AVRIL 1943
POUR LA LIBRAIRIE PLOX.

In dieser Ausgabe ist wie in der letzten Ausgabe von


Le Corbusiers Hand aus dem Jahre 1957 gegenüber
der historischen Ausgabe von 1943 auf fünf kürzere
Texte zur Geschichte der CIAM verzichtet worden.

Hinzugefügt wurden Dokumente und Textver-


PLON
gleiche, die Entstehung und Differenzen der Pro-
grammatik verdeutlichen. Alle Texte wurden vom
Herausgeber neu übersetzt oder neu durchgese-
hen.

82
83
.,...
Le Corbusiers Vorwort zur Neuauflage 1957 Kongresses bildeten die Grundlage zur Charta. Eine vielschichtige Materie mußte
kurz zusammengefaßt, koordiniert und den Händen der Öffentlichkeit übergeben
Im Jahre 1933 fand in Athen eine Tagung de.r ,Congres In_tern~tionaux d' Architect.:, werden, und in dieser Epoche der Wirrnis mußte dafür eine möglichst anonyme
Modeme> (CIAM) statt. Die Grundsätze einer Charta fur Stadtebau wurdend2lllts Form gefunden werden, um nicht durch einen Namen, der so abgelehnt wurde wie
aufgestellt. Acht Jahre später, 1941, erschien in Paris - während der deutschen ße. der meine, die Ziele zu gefährden, die mit dieser Ausgabe angestrebt worden waren.
satzungszeit - eine anonyme Schrift, die durch ihren Tite! ,La c_harted'Atht11is Haben sich die Dinge sechzehn Jahre später sehr geändert?
1
dem breiten Publikum die Existenz dieses Dokumentes vernet • Kein Verfassem.m 1 Eine ungeheure, umfassende Veränderung bemächtigt sich der Welt: die Zivilisation
auf dem Umschlag: der Name le Corbusier war damals nur dazu angetan, dieldetn, der Maschine tritt ihre Herrschaft an, inmitten der Unordnung, des Improvisierten,
die er vertrat, zu gefährden. Nachdem die ,Charte d'Athenes, sechzehnjahrelmgim der Trümmer ... Seit einem Jahrhundert bereits! ... Aber seit einem Jahrhundert
Buchhandel vergriffen war, erscheint sie jetzt wieder. iemals ist sie von größere wächstauch der neue Geist ... Seit einem Jahrhundert haben klarblickende Männer
Aktualität gewesen. Im Augenblick, da Automatisierung, Atom- und Elektronen- Ideen behabt, Grundbegriffe aufgestellt, Vorschläge gemacht ... Vielleicht kommt
energie alle Gegebenheiten unserer Existenz umwerfen, können die Fragen,diede einst der Tag ...
Städtebau uns stellt, nicht mehr unbeantwortet bleiben. Möge die euauflage der
Charta dazu beitragen, diese Probleme zu einer Gewissensfrage für unsere Regieruni Paris, am 6. September 1957 Le Corbusier
zu machen!

Heute . ..
Heute, sechzehn Jahre nach der ersten Ausgabe, die 1942, mitten in der Besatzungs·
zeit herauskam, erscheint ein Neudruck der, Charte d' Athenes'. Man mag nichtmehr
daran denken, welcher Natur die Debatten waren, die den Wiederaufbau Frankreichs
in der Periode nach dem Zusammenbruch vorbereiteten - man will, man kannsich
nicht daran erinnern. Es war eine Flut von Schmähungen, von Vorwürfen, vonAb-
lehnungen: Schmähungen gegen die moderne Kunst; Vorwürfe gegen alle, diesich
ihr verschrieben hatten; Ablehnung technischer Lösungen, die naheliegend vmen
oder sich geradezu aufdrängten; Ablehnung eines Denkens in Zusammenhängen:daß
Architektur und Städtebau unlöslich miteinander verbunden sind. Um eine solche
Fülle der Unsicherheit zu überwinden, hatten Freundschaft und Liebe zu allem,u.s
gebaut wird, den für diese Publikation Verantwortlichen gestattet, den UmscWagder
Charta mit dem Namen Jean Giraudoux' zu schmücken. Vor dem Kriege hatteer
,Pleins Pouvoirs, geschrieben und mit dieser Schrift das Land nachdrücklich zu den Daß Le Corbusier nicht das wirkliche Erscheinungsdatum, 1943, nennt, sondern es in seiner
Freu~en ~nd Wagnissen eines großen, optimistischen Abenteuers aufgefordert - der Publikation auf 1941 und 1942 vordatiert, könnte nicht ganz unmotiviert gewesen sein.
Denn 1942 war in den USA ebenfalls eine Publikation erschienen, die auf den Ergebnissen
Ve.~irkhch~ng der modernen Zeit - und hatte dabei an die einzig wirksamen Trieb-
des 4. Kongresses der CIAM (Athen 1933) über die °Funktionelle St~dt• ba~ierte. Jose L.uis
krafte appelliert: an Phantasie und Begeisterungsfähigkeit. Seit 1928 hatten die CIA.\! Sen hane in seinem Buch .Can our cities survive?» die Wiedergabe eines Teils des Materials
Energien, .die bis d.ahin zerstreut gewesen waren, zusammengefaßt, indem sie ihre zu den Stadtanalysen des Kongresses verbunden mit seiner Sicht plan~risch~r Fo.lgerungen,
Tagungen m verschiedenen Städten Europas abhielten. 1933 war es Athen ... Inden die jedoch nicht grundsätzlich von denen Le Corbusiers abweichen. D,e von ihm 1m'.'nhang
Jahren .der Unterdrü~kung und beruflichen Lähmung in Architektur und Städtebau, publizierte • Town-Planning Chart, Fourth C. I.A.M. Congress, Athens, 1933• gibt aber
1941 bis 1942, erschien der Name Athen wie ein leuchtender Schild und das Won weniger authentisch als Le Corbusiers «Charte d' Athenes• die Schlußfolgerungen des Ko~-
Charta wie ein ausdrücklicher Befehl, aufrecht zu denken. Die Arbeiten des Achener gresses wieder Qose Luis Sen: Can our cities survive? An ABC of urban problems, their
analysis, their solutions, Cambridge, Mass., 1942, S. 246 ff.).

84 85
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113
Erster Teil

Allgemeine Begriffe

DIESTADT UND IHRE REGION


III ••••••••••••••••••••••·············· § 1-8 117

Zweiter Teil

Der gegenwärtige Zustand der Städte


Kritik und Abhilfe

1. WOH E :
Untersuchungen ........................................................ . § 9-22 124
Zu fordern ............................................................... . § 23-29 131

2. FREIZEIT:
Untersuchungen ........................................................ . § 30-34 135
Zu fordern ............................................................... . § 35-40 138

3. ARBEIT:
Untersuchungen ........................................................ . § 41-45 140
Zu fordern ............................................................... . § 46-50 143

4. VERKEHR:
Untersuchungen ........................................................ . §51-58 145
Zu fordern ............................................................... . § 59-64 149

S. HISTORISCHES ERBGUT DER STÄDTE ...................... . § 65-70 151

Dritter Teil

Schlußfolgerungen

LEHRSÄTZE .................................................................. §71-95 155


114
115
DIE STADT UND IHRE REGION

1
DieStadt ist nur ein Teil eines ökonomischen, sozialen und politischen Ganzen,
welchesihre Region bildet.

DieVerwaltungseinheit deckt sich selten mit der geographischen Einheit, d.h. mit
der Region. Die verwaltungsmäßige Zerschneidung des Stadtgebietes mag von An-
fangan willkürlich gewesen sein oder ist es erst später geworden, als die Hauptan-
siedlunginfolge ihres Wachstums andere Gemeinden zusammenfügte und dann ein-
gemeindete.
Diesekünstliche Zerschneidung widersetzt sich einer guten Verwaltung des neuen
Ganzen.Einige vorstädtische Gemeinden haben in der Tat überraschend einen nicht
voraussehbaren- positiven oder negativen - Wert erlangen können, sei es, indem
siedie Region luxuriöser Wohnsitze geworden sind, sei es, indem sie intensive Indu-
strie-Zentrenaufgenommen haben, sei es, indem sie Sammelplatz einer elenden Ar-
beiterbevölkerung geworden sind.
DieVerwaltungsgrenzen, die den Stadtkomplex unterteilen, beginnen dann lähmend
zu wirken.
EineAnsiedlung bildet den vitalen Kern eines geographischen Raumes, dessen Gren-
zenur durch das Einflußgebiet einer anderen Ansiedlung gezogen wird. Ihre Lebens-
bedingungenwerden bestimmt durch die Verbindungswege, die ihren Austausch si-
cberstellenund sie innig mit ihrem besonderen Gebiet verknüpfen.
MANKA EIN PROBLEM DES STÄDTEBAUS NUR INS AUGE FASSEN,
INDEM MAN SICH BESTÄNDIG AUF DIE BESTIMMENDEN ELEMENTE
DERREGIO bezieht und besonders auf seine Geographie, die dazu berufen ist,
indieserganzen Angelegenheit eine ausschlaggebende Rolle zu spielen: Wasserschei-
den, angrenzende Bergrücken, die eine natürliche Kontur zeichnen, eine Kontur,
noch bekräftigt durch Verkehrswege, die von Natur aus im Boden eingezeichnet
sind.Kein Bauvorhaben kann in Erwägung gezogen werden, das sich nicht der har-
monischenBestimmung des Gebietes anpassen läßt.
DER PLAN DER STADT IST NUR EINES DER ELEMENTE JENES GAN-
ZEN, DAS DE REGIONALPLAN AUSMACHT.

2
Nebendem ökonomischen, Sozialen und Politischen bringen die an die mensch-
lichePerson gebundenen Werte psychologischer und physiologischer Ordnung
Überlegungen individueller und gesellschaftlicher Art in die Debatte.
116
117
Das Leben entfaltet sich nur in dem Maße, in dem die beiden widerstreitenden
Während der Bergbew~hner gern in die Ebene herabsteige, steigt der Mensch der
Prinzipien, die die menschliche Persönlichkeit beherrschen, das Individuelleund
Ebene
. selten
. aus. den Talern hoch und überschreitet nur m·t1 M··h
u e d as G eb"1rge.
das Gesellschaftliche, sich einigen. ~s smd die Gebirgszüg~, die die Gre~zen der Sammelbecken festgelegt haben, wo
Isoliert, fühlt der Mensch sich schutzlos. Deshalb schließt er sich freiwilligeiner sich,nach und nach, geeint durch gemeinsame Bräuche und Sitten, Menschen zu Völ-
kerstämmen zusammenschlossen.
Gruppe an.
Nur seinen eigenen Kräften überlassen, würde er nichts als seine Hütte bauenund ~as Verhältnis der Ele~ente Wasser. und Erde, ob es nun an der Oberfläche spielt,
in Unsicherheit ein Gefahren und Beschwerlichkeiten unterworfenes Leben führen lllde~ es Fl~ß- od~r Binnenm~ergeb1ete den Steppenweiten gegenüberstellt, oder in
verschlimmert durch die Todesängste der Einsamkeit. ' der Tiefe "'."71rkt,_
h'.er fette We1d~n, and~rswo Heide oder Wüsten schafft, gestaltet
Der Gruppe einverleibt, fühle er zwar den Druck unvermeidlicher Disziplin,aber ebenfallseme geistige Haltung, die dann ihre Spuren in den Bauvorhaben einzeichnet
zum Entgelt ist er bis zu einem gewissen Grad gegen Gewalt, Krankheit, Hunger und ihren Ausdruck findet im Haus, im Dorf oder in der Stade.
gesichert. Er kann daran denken, seine Behausung zu verbessern und auch seinciefes J~nachdem, _wiedie Sonne sich zum Meridiankreis verhält, stoßen die Jahreszeiten
Bedürfnis nach sozialem Leben zu befriedigen. s1_chhart _an~mander oder folgen sich in unmerklichen Übergängen, und, obgleich
Mitbestimmendes Element einer Gesellschaft geworden, die ihn unrerstützt, arbeitet d,e Erde m ihrer Rundung, Stück für Stück, sich weiter dreht und keine Unterbre-
er direkt oder indirekt an den Tausenden von Unternehmungen mit, die seinphysi- chung kennt, so tauchen doch zahllose Kombinationsmöglichkeiten auf und jede
sches Leben sichern und sein geistiges Leben entwickeln. einzelnehat ihren besonderen Charakter. '
Seine Initiative wird fruchtbarer, und seine wirksamer verteidigte Freiheit machtnur Schließlichvervielfältigen die Rassen mit ihren verschiedenen Religionen oder Philo-
da halc, wo sie die Freiheit eines anderen bedrohen würde. s~p~iendie Verschiedenheit der Unternehmungen, und jede Rasse bringt ihre per-
Wenn die Unternehmungen der Gruppe vernünftig sind, wird dadurch das Lebendes sonhcheArt zu sehen, ihren persönlichen Lebensanspruch in Vorschlag.
Individuums geistig erweitert und veredele. Wenn Trägheit, Dummheit, Egoismus
die Gruppe überkommen, dann bringe sie, blutarm und der Ordnungslosigkeit aus-
geliefert, jedem einzelnen __
ihrer Mitglieder nur Rivalität, Haß und Enttäuschung. 4
EIN PLAN IST VERNUNFTIG, SOLANGE ER Eli E FRUCHTBARE ZU- Zweitens: ökonomische Lage. Die Hilfsquellen des Gebietes. Natürliche und
SAMMENARBEIT GESTATTET UND DABEI DE OCH DERPERSÖ:'.\LI- künstlicheKontakte mit dem Draußen ...
CHEN FREIHEIT EIN MAXIMUM AN SCHO UNG GEWÄHRT. Diewirtschaftliche Situation, Reichtum oder Armut, ist eine der großen Triebkräfte
Ausstrahlung der Person im Rahmen staatsbürgerlichen Gemeinsinns. des Lebens und bestimmt seine Bewegung im Sinne des Fortschritts oder Rück-
schritts.
Siespielt die Rolle eines Motors, der je nach der Stärke seines Pulsschlags die Ver-
3 schwendungheraufführe, zur Vorsicht mahnt oder Mäßigkeit verlangt; sie bedingt die
Veränderungen,die die Geschichte des Dorfes, der Stadt oder des Landes zeichnen.
Diese psy~~ologischen und biologischen Konstanten unterliegen den Einwirkun-
DieStadt, die umgeben ist von einer Region des Ackerbaus, hat ihre Versorgung ge-
~e~ des Milieus: geographische und topographische Lage, ökonomische Lage,po-
htische Lage sichert. Die Stadt, die über kostbare Bodenschätze verfügt, wird reich durch Roh-
stoffe,die ihr dann als Tauschgeld dienen, besonders, wenn sie mit einem genügend
ErSt ens: geographische und topographische Lage, die Beschaffenheit der Elemen·
dichtenVerkehrsnetz ausgestattet ist, das ihr erlaubt, in einen ersprießlichen Kontakt
te, Wasser und Erde, die Beschaffenheit des Bodens, des Klimas ...
mit ihren nahen und weiter entfernten Nachbarn zu treten.
Die Geographie und die Topographie spielen im Geschick der Menschen einebeacht- DieSpannkraft des ökonomischen Bereiches kann, wenn dieser zum Teil von unver-
liche Rolle. änderlichenUmständen abhängt, jeden Augenblick verändert werden durch das Auf-
Man darf nie ver_gessen, daß die Sonne beherrschend ist und ihr Gesetz jeder Unter· tretenunvorhergesehener Kräfte, die der Zufall oder menschliche Initiative produk-
nehmung aufzwmgt, deren Gegenstand die Beschüczung des menschlichen Wesens tiYmachen oder wirkungslos belassen können.
!SC. Wederdie latenten Reichtümer, die man ausbeuten wollen muß, noch die individuelle
Ebenen, Hüg~, Berge schalcen sich ebenfalls ein, um ein bestimmtes Empfindenzu Energie haben absoluten Charakter. Alles ist Bewegung, UND DAS WIRT-
formen und eme bestimmte Geisteshaltung festzulegen. SCHAFTLICHE IST NIEMALS MEHR ALS EIN AUGENBLICKSWERT.
118 119
5 Die_S~_adt _war in ihr~r "f'.
0 rm nich_t festgelegt, am häufigsten war sie halbkreis- oder
Drittens: politische Lage: Verwaltungssystem kre1sfonrug.Wenn sie e1:11e ~olomale Gründung war, dann organisierte man sie wie
Ein Phänomen, beweglicher als jedes andere, Zeichen für die Vitalität des Landes, emFeldlager auf r:chtwmkhgen Achsen und von geradlinigen Palisadenzäunen um-
Ausdruck einer Weisheit, die ihren Höhepunkt erreicht oder schon ihrem Verfall na- geben.A!les w~ hier nach Proportionen, Hierarchie und Harmonie angeordnet. Die
he ist ... Straßenlosten sich aus den Toren der Stadtmauer und liefen auf und ab zu weit ent-
Wenn die Politik von Natur im wesentlichen Bewegung ist, besitzt ihre Frucht,das ferntenZielen.
Verwaltungssystem, eine natürliche Stabilität, die ihm im Laufe der Zeit gestattet,auf Manerkennt im _Plan ~er Städte noch den ersten zusammengedrängten Kern des
länger Fuß zu fassen, und keine allzu häufigen Abänderungen zuläßt. Manifestation Marktfleckens,die aufemanderfolgenden Mauergürcel und die Linien auseinander-
der beweglichen Politik, ist seine Dauer gesichert durch seine eigentliche Narurund laufender Straßen.
die Macht der Ereignisse selbst. Inden Städten setzte man sich fest und fand, je nach dem Grade der Zivilisation, ein
Es ist ein System, das in ziemlich strengen Grenzen Territorium und Gesellschaft unterschiedlichesMaß an Wohlstand. Hier diktierten zutiefst humane Gesetze die
einheitlich verwaltet, ihnen seine Statuten auferlegt und, regelmäßig auf alleKom- Wahlbestimmter Vorrichtungen; dort führten willkürliche Zwangsmaßnahmen zu
mandohebel einwirkend, im Ganzen des Landes eine einheitliche Art des Handelru offensichtlichenUngerechtigkeiten.
bestimmt. Dannkam das Maschinenzeitalter herauf. Einern jahrtausendealten Maß, das man für
Selbst wenn sein Wert sich für eine gewisse Dauer im Gebrauch bestätigt hat, kann unveränderlichhätte halten können, der Geschwindigkeit des menschlichen Schrit-
dieser Rahmen - wirtschaftlich und politisch - jeden Augenblick gesprengtwerden, tes,hat sich ein Maß zugesellt, das mitten in der Entwicklung steht: die Geschwindig-
ob nun in einem seiner Teile oder in seiner Ganzheit. Manchmal genügt einewissen- keitder mechanischen Fahrzeuge.
schaftliche Entdeckung, um das Gleichgewicht zu zerstören, einen Mißklangai-
schen dem Verwaltungssystem von gestern und den gebieterischen Realiüten,·oa 7
heute aufkommen zu lassen. DieGründe, die über die Entwicklung der Städte bestimmen, sind also fortwäh-
Es kommt vor, daß Gemeinden, die ihren besonderen Rahmen zu erneuern wußten, renden Änderungen unterworfen.
vom allgemeinen Rahmen des Landes erstickt werden. Der letztere kann, seinerseits,
direkt dem Angriff der großen Weltströmungen ausgesetzt sein. Zu-oder Abnahme einer Bevölkerung, Blüte oder Niedergang der Stadt, das Schlei-
ES GIBT KEINEN VERWALTUNGSRAHME , DER A SPRUCH AUFUI\- fender Stadtmauern, die erstickend geworden waren, neue Verbindungswege, die
VERÄNDERLICHKEIT HABEN KÖ NTE. dieAustauschzone erweiterten, die Segnungen oder Missetaten einer gewählten oder
erduldetenPolitik, das Auftreten des Maschinensystems - alles ist nur Bewegung.
Nach und nach zeichnen Werte sich unbezweifelbar dem Erbteil einer Gruppe ein,
6 seisieStadt, Land oder Menschheit; dennoch sucht eines Tages der Verfall jedes Gan-
Besondere Umstände haben im Laufe der Geschichte den Charakter der Stadtbe- zeheim, Bauwerk oder Straße. Der Tod ereilt die Werke ebenso wie die Lebewesen.
stimmt: militärische Verteidigung, wissenschaftliche Entdeckungen, aufeinan- \V/ersoUden Trennungsstrich ziehen zwischen dem, was bleiben und dem, was ver-
de~folgende Verwaltungen, fortschrittliche Entwicklung der Verkehrsmöglich- schwindensoll? Der Geist der Stadt ist entstanden im Laufe der Jahre; einfache Bau-
keiten und Transportmittel (Landwege, Wasserwege, Schienenwege, Luftwege). werkehaben Ewigkeitswert bekommen in dem Maße, wie sie die gesellschaftliche
Die Geschichte ist eingezeichnet in den Grundrissen und Bauten der Stadt. Wasda- Seelesymbolisieren; sie sind der eiserne Bestand einer Tradition, die, ohne die Weite
v~n übriggeblieben ist, bildet den Leitfaden, der, zusammen mit den Textenund zukünftigen Fortschrins begrenzen zu wollen, mitbestimmend ist für die Bildung
Bilddokumenten, gestattet, sich die aufeinanderfolgenden Gesichter der Vergangen· desIndividuums, ebenso wie Klima, Gegend, Rasse, Brauchtum.
heit vorzustellen. Weilsie ,ein kleines Vaterland, ist, ist der Stadt ein moralischer Wert eigen, der zählt
Die Beweggründe, die zur Geburt der Städte führten, waren verschiedener 1atur. undder unlöslich mit ihr verbunden ist.
Manchmal lagen sie im Verteidigungswert. Der Gipfel eines Felsens ein Flußkniesah
einen befrstigte_n Marktflecken e~tstehen. Bald war es die Kreuz~ng zweier Land- 8
st ra~en, em Bruckenkopf oder eme Küstenbucht, die die Lage der ersten Siedlung
Das Heraufkommen des Maschinenzeitalters hat ungeheure Verwirrungen im
besummte.
Verhalten der Menschen, in ihrer Verteilung auf der Erde, in ihren Unterneh-
120
121
mungen hervorg~ru~en: eine ni~ht mehr zu z~gel_nde _Konz~ntrationsbewegung
in den Städten mit Hilfe mechamscher Geschwmd1gke1ten, eme brutale Entwick-
lung, die in der Geschichte ohnegleichen ist und die ganze Welt erfaßt hat. Das
Chaos hat in den Städten Einzug gehalten.
Die Einführung der Maschine hat die Arbeitsbedingungen auf den Kopf gestellt.Sie
hat ein jahrtausendealtes Gleichgewicht zerstört, indem sie dem Handwerk einen
verhängnisvollen Schlag versetzte, das Land leer machte, die Städte verstopfteund,
jahrhundertealte Harmonien preisgebend, die natürlichen Beziehungen zerrüttete
die zwischen dem Zuhause und den Arbeitsstätten bestanden hatten. '
Ein rasender Rhythmus, verbunden mir einer entmutigenden Unsicherheit, desorga-
nisiert die Lebensbedingungen, indem er sich dem Zusammenklang der fundamenu-
len Bedürfnisse widersetzt.
Die Behausungen sind den Familien ein schlechter Schurz, sie führen zur Zerstörung
ihres intimen Lebens, und die Verkennung der Lebensnotwendigkeiten, sowohlder
physischen wie der moralischen, trägt ihre vergifteten Früchte: Krankheit, Verkom-
J)ei-g,,g,,11,,rii1•l:ig,,
Z11sl:,tll(l
menheit, Aufruhr.
Das Übel ist allgemein und kommt in den Städten in einem Massenandrang zumAus- •l,,1·Sl:ii,11:(,
druck, der sie in die Ordnungslosigkeit treibt, auf dem Lande in der gänzlichenVer-
lassenheit weiter Gebiete. Iu·il:ili1111,l 1\l,l1ili~,,

122
123
1. WOHNEN 10
In den zusammengedrängten Stadtteilen sind die Wohnbedingungen unheilvoll
inErmangelung von ausreichendem Raum in den Wohnungen, in Ermangelung
verfügbarerGrünflächen, wegen der Mängel bei der Instandhaltung der Gebäude
(spekulativeAusnutzung). Ein Zustand, der noch verschlimmert wird durch das
Vorhandenseineiner Bevölkerung auf sehr niedrigem Lebensstandard, die unfä-
higist, von sich aus Abwehrmaßnahmen zu ergreifen (Sterblichkeit bis zu 20 Pro-
zent).
Untersuchungen DerinnereZustand der Wohnung macht sie zu einem Elendsquartier, aber das Elend
desDrinnen setzt sich draußen fort infolge der Enge der dunklen Straßen und des
9 ,·ollständigenFehlens jener grünen Weiten, der Sauerstoffquellen, die so gut sind als
Die Bevölkerungsdichte ist zu groß im historischen Kern der Städte (man zählt Tummelplätzefür die Kinder.
bis zu 1000, sogar bis zu 1500 Einwohner pro Hektar), wie auch in gewissenStadt- DieKosteneines Bauwerks, das vor Jahrhunderten errichtet worden ist, haben sich
gebieten industrieller Expansion des 19. Jahrhunderts. längstamortisiert; dennoch duldet man, daß sein N urznießer es immer noch, in Form
vonWohnungen, als handelsfähige Ware betrachtet. Obwohl sein Wohnwert gleich
Die Bevölkerungsdichte, die Beziehung zwischen der Kopfzahl der Bevölkerungund \lull ist, bringt das Bauwerk weiterhin ungestraft und zum Schaden der Gattung
der von ihr bewohnten Fläche, kann durch die Höhe der Bauwerke völligausgegli- ~1ensch eine bedeutende Einnahme. Einen Metzger, der verfaultes Fleisch verkaufte,
chen werden.
würdeman bestrafen, aber das Gesetzbuch erlaubt, der armen Bevölkerung verfaulte
Aber bis zum heurigen Tage harre die Konsrrukrionsrechnik die Höhe der Häuserauf Wohnungenzuzumuten.
ungefähr sechs Stockwerke beschränkt.
DerBereicherungeiniger Egoisten zuliebe läßt man es sich gefallen, daß erschrecken-
Die zulässige Bevölkerungsdichte für Konstruktionen dieser Art beläuft sichauf2;0 de Sterblichkeit und Krankheiten aller Art der Gesellschaft eine erdrückende Last
bis 300 Einwohner pro Hektar. Wenn die Bevölkerungsdichte wie in vielenVierteln aufbürden.
an 600, 800, sogar 1000 Einwohner heranreicht, dann bedeutet diese Tatsachedas
Elendsquartier, charakterisiert durch folgende Merkmale:
1. zu geringe Ausdehnung der bewohnbaren Fläche pro Person; 11
2. Unzulänglichkeit der Öffnungen nach draußen; DasWachstum der Städte verschlingt nach und nach die angrenzenden Grünflä-
3. Fehlen der Sonne (Nordlage oder Folgen des Schattens, der in Straße oderHof chen,auf die die aufeinanderfolgenden Erweiterungsgürtel der Städte hinausblik-
einfällt); ken.Diese sich ständig vergrößernde Entfernung von den Elementen der Natur
4. Verfall oder ständiges Vorhandensein von Krankheitskeimen (Tuberkulose); steigertin gleichem Maße die Desorganisation der hygienischen Zustände.
5. Fehlen oder Unzulänglichkeit sanitärer Einrichtungen;
Jemehrdie Stadt wächst, um so weniger werden dabei die <natürlichen Bedingunge~•
6. Durcheinander, hervorgerufen durch die Einteilung der Wohnung, die schlechte berücksichtigt.Unter den ,Bedingungen der Natur> versteht man das ':7orhand~nsem
Aufteilung des Hauses, das Vorhandensein lästiger Nachbarn.
gewisser,den lebenden Wesen unentbehrlicher Elemente, und zwar m ausreichen-
Der Kern der alten Städte war durch den Zwang der militärischen Umgürrungenim
demMaße: Sonne, Raum, Grün. .
allgemeinen mit eng zusammengedrängten Bauwerken überfüllt und arm an Raum. Eineunkontrollierte Ausdehnung hat die Stadt dieser fundamentalen psychologi-
Aber zum Ausgleich dafür waren die grünen Weiten, sobald man das Stadttor hinter
schenwie physiologischen Nahrung beraubt. .
sich gelassen hatte, unmittelbar zu erreichen und boten in nächster 1he hervom· DasIndividuum das den Kontakt mit der Natur verliert, kommt herunter und be-
gende Luft.
zahlt teuer - ~it Krankheit und Entartung - einen Bruch, der seinen Körper
Im Laufe der Jahrhunderte schlossen sich weitere Stadtringe an, brachten an dieScelle schwächtund sein Empfindungsvermögen ruiniert, das von den illusorischen Freu-
der Natur Steinhaufen und zerstörten die Lungen der Stadt: die Grünflächen. Unter dender Stadt verdorben ist.
diesen Umständen bedeutet die hohe Bevölkerungsdichte Unbehagen und Krankheit Sogesehen ist das Maß im Laufe dieser letzten hundert Jahre überschritten worden,
als permanenten Zustand.
unddas is/nicht zuletzt der Grund des Unbehagens, von dem die Welt sich zur Zeit
124 erdrücktfühlt.
125
12 strie,~inTerrain, das vielieicht von Lärn_1widerhallt, immer noch gut genug ist, um
Die zu Wohnungen bestimmten Bauwerke sind im Widersp~uch zu den Notwen- dortdie encwurzelte Bevolkerung anzusiedeln, die ohne jeden Halt ist und die man
digkeiten der Hygiene auf der Grundfläche der Stadt verteilt. alsverfügbareArbeitskraft bezeichnet.

Die erste Aufgabe des Städtebaus ist es, mit den _fu_ndam~ntalenBe~ürfnissendes
Menschen in Einklang zu kommen. Die Gesundheit Jedes einzelnen _hangtzumgro- 14
ßen Teil davon ab, daß er sich den ,Bedingungen der Natur> unterwirft. Diegut durchlüfteten Bauten (teure Wohnungen) belegen die begünstigten Ge-
Die Sonne, die alles Wachstum beherrscht, müßte in jede Wohnung dringen, umdon bieteder Stadt, geschützt vor widrigen Winden; freie Aussicht und anmutige
ihre Strahlen zu verbreiten, ohne die das Leben dahinsiecht. Auflocker~ngsichern den Blick in die Landschaft, auf Seen, Meer, Berge etc. und
Die Luft, deren Güte durch das Vorhandensein von Grünflächen gesichert ist,müßte Sonneim Uberfluß.
rein sein, vom trägen Staub ebenso frei wie von schädlichen Abgasen.
Der Raum endlich müßte Weite haben. Man darf nicht vergessen, daß das Raumge- Diesebegünstigten Gebiete werden im allgemeinen von Luxuswohnungen einge-
fühl psycho-physiologischer Natur ist und daß die Enge der Straßen, die Abdrosse- nommen;damit ist der Beweis erbracht, daß das instinktive Trachten des Menschen
lung der Höfe eine Atmosphäre schaffen, die für den Körper so ungesund wiehir ihnimmer, wenn seine Mine! es erlauben, dazu bringt, sich um Lebensbedingungen
den Geist deprimierend ist. undeineArt des Wohlbefindens zu bemühen, deren Wurzeln in der Natur selbst lie-
DER 4. KONGRESS CIAM, DER IN A THE ABGEHAL TE WURDE, HAT gen.
FOLGENDES POSTULAT AUFGESTELLT: SON E, GRÜ , RAUM.SIND
DAS AUSGANGSMATERIAL DES STÄDTEBAUS.
Das Festhalten an diesem Postulat erlaube, das bereits Vorhandene richtig zu beurtei- 15
len und die neuen Vorschläge von einem wirklich humanen Standpunkt aus zu wür- Dieseparteiische Verteilung des Wohnens wird sanktioniert durch Gewohnheit
digen. und durch kommunale Verordnungen, die man für gerechtfertigt hält: die Zo-
neneinteilung.
DieZoneneinteilung ist eine auf dem Stadtplan durchgeführte Operation mit dem
Ziel,jeder Funktion, jedem Individuum den richtigen Platz zuzuweisen.
13
Die am dichtesten bevölkerten Viertel befinden sich in den am wenigsten begün- Ihre Grundlage ist die notwendige Unterscheidung zwischen den verschiedenen
stigten Gebieten der Stadt (Schattenhänge, Stadtteile, die ständig von Nebel,von menschlichenTätigkeitsbereichen, die jeder für sich einen besonderen Raum bean-
Industrie-Abgasen heimgesucht werden, Überschwemmungen ausgesetzt sin~ spruchen:Wohngegenden, Industrie- oder Handelszentren, Hallen oder Gelände,
etc.). dieder Freizeit zugedacht sind.
Aberwenn die Macht der Tatsachen schon die reiche von der bescheidenen Behau-
Noch hat keine Gesetzgebung sich ins Mittel gelegt, um die Bedingungen für diemo- sungunterscheidet, so hat man doch nicht das Recht, Gesetze zu übertreten, die un-
derne Wohnung zu fixieren, die nicht allein den Schutz der menschlichen Personge· verletzlichsein sollten, indem man nur den vorn Glück Begünstigten die Wohltat der
währleisten, sondern ihr auch die Mittel zu einer wachsenden Vervollkommnungge- Bedingungenvorbehält, die notwendig sind für ein gesundes und geordnetes Leben.
ben sollen. So werden der Boden der Stadt, die Wohnviertel, die Wohnungenrnn Esistdringlich und notwendig, gewisse Gewohnheiten abzuändern. Man muß jedem
einem Tag zum anderen verteilt, auf die Gefahr hin, daß es um völlig unerwartete durcheine strenge Gesetzgebung, unabhängig von der Geldfrage, ein gewisses Maß
und manchmal die niedrigsten Interessen geht. anWohlbefinden erreichbar machen. Man muß für immer durch eine strenge gesetz-
Ein beamteter Geometer wird nicht zögern, eine Straße zu ziehen, die Tausendevon licheRegelung von seiten der Stadt verbieten, daß ganze Familien des Lichtes, der
Wohnungen der Sonne beraubt. Gewisse Städtväter werden es - leider! - ganzn,· Luft,des Raumes beraubt werden.
türlich finden, zur Errichtung eines Arbeiterviertels ein Gebiet zu bestimmen,d.s
bis dahin brach gelegen hat, weil Nebel es heimsuchen, weil es übermäßig feucht~t
oder weil es da von Moskitos wimmelt ... Er wird der Ansicht sein, daß einnach 16
Norden gelegener Abhang, der infolge seiner Lage nie jemanden interessiert hat,daß Bauwerke,errichtet entlang der Verkehrswege und um Kreuzungen, sind für das
ein Terrain, vergiftet von Ruß, Kohlenstaub, schädlichen Abgasen irgendeiner !ndu· Wohnennachteilig: Lärm, Staub, schädliche Abgase.

126 127
Wenn man diesem Verbot wirklich Rechnung tragen will, wird man in Zukunftdem krippe~,~dergärten, Sc~ulen; hinzu kommen noch die geistigen und sportlichen
Wohnen und dem Verkehr voneinander unabhängige Bereiche zuweisen. DasHaus Organ1sauone~,daz_ubem~mt, ?er Jugend die Gelegenheit zu Arbeit und Spiel zu
wird von da an nicht mehr durch seinen Gehsteig an der Straße kleben. verschaffen_,die gee1gne~ smd, die besonderen Wünsche dieses Alters zu erfüllen,
Das Wohnhaus wird sich in seinem eigentlichen Raum erheben, wo es in den Genuß und,um die ,Gesundheits-Ausrüstung, zu vervollständi·gen , Ge1··
an d e, geeignet
• f··
ur
von Sonne, frischer Luft und Ruhe kommen wird. jederrnannsKörperkultur und täglichen Sport.
Der Verkehr wird sich verteilen auf langsame Durchgangsstraßen für Fußgängerund DerVorteildieser gesellschaftlichen Institutionen steht außer Zweifel aber ih N _
· ·d d , re ot
schnelle Durchfahrtsstraßen für Fahrzeuge. Diese Straßen werden, die einewiedie wendigk~-lt wir von__er M_assenoch nicht genügend erkannt. Ihre Verwirklichung
andere, ihre Funktionen erfüllen, indem sie den Wohngebäuden nur gelegentlich
na- 1Slkaumuber das Grobste hinaus, von der allerfragmentarischsten Art und ohne Ver-
he kommen. bindungzu den allgemeinen Notwendigkeiten der Wohnung.

17 19
Die traditionelle Aufreihung der Wohngebäude am Rand der Straßen sichertBe- Vorallemdie Schulen liegen häufig an Verkehrsstraßen und sind zu weit entfernt
sonnung nur für einen minimalen Teil der Wohnungen. vonden Wohngebäuden.

Die traditionelle Aufreihung der Wohngebäude entlang den Straßen hat einezwangs- DieSchulen- ihr Programm und ihre architektonische Anlage lassen wir hier außer
läufige Planung der Baumasse zur Folge. Die parallel oder schräg verlaufendenStra- Betracht- liegen im allgemeinen ungünstig im Innern des städtischen Komplexes.
ßen zeichnen, indem sie sich immer wieder schneiden, Flächen, die, quadratischoder Zuweitvon der Wohnung entfernt, setzen sie das Kind den Gefahren der Straße aus.
rechteckig, trapezförmig oder dreieckig, von verschiedener Größe sind, und die,ein- Überdiesberücksichtigt man dabei meistens nur den eigentlichen Schuluntericht,
mal bebaut, den ,Block, ausmachen. unddasnoch nicht sechsjährige Kind und der junge Mensch über dreizehn Jahre ent-
Die Notwendigkeit, dem Inneren dieser ,Blocks, Licht zu verschaffen, führtzurEnc- behrenin der Regel vor- oder nachschulische Einrichtungen, die den wichtigsten Be-
stehung von Innenhöfen verschiedener Größen. dürfnissenihres Alters entsprechen würden.
Die behördliche Regelung läßt unglücklicherweise den Profitjägern die Freiheit,die Dergegenwärtige Zustand und die Aufteilung des bebauten Bereiches eignen sich
Höfe auf wirklich skandalöse Dimensionen zu beschränken. schlechtfür euerungen, durch die Kinder und Jugendliche nicht nur vor zahlrei-
Das läuft schließlich auf folgendes traurige Resultat hinaus: eine der vier Fassaden, chenGefahren geschützt, sondern durch die auch die Voraussetzungen geschaffen
ob nun nach der Straße oder nach dem Hofe hin, geht nach orden und kenntkeine wären,die allein eine ernstzunehmende Bildung ermöglichen, dazu angetan, ihnen
Sonne, während die drei anderen, infolge der Engigkeit der Straßen, der Höfeund nebendem Unterricht eine umfassende physische wie moralische Entwicklung zu
des dadurch verursachten Schattens, der Sonne gleichfalls zur Hälfte beraubesind. sichern.
Die Untersuchung ergibt, daß in den Städten das Verhältnis der Fassaden ohneSonne
schwankt zwischen der Hälfte und drei Vierteln ihrer Gesamtheit. In gewissenFällen 20
ist dieses Verhältnis noch verheerender. DieVororte sind ohne Plan und ohne geregelte Verbindung mit der Stadt errich-
tet.
18 DieVororte sind der entartete Abkömmling der Vorstadt. Die Stadt war einst eine
Die Verteilung von Gebäuden, die der Allgemeinheit dienen und mit dem Woh- geordneteEinheit innerhalb eines militärischen Befestigungsgürtels. Die Vor-Stadt,
nen zusammenhängen, ist willkürlich. vonaußen an die Stadt angelehnt, entlang einer Zugangsstraße erbaut, des Schutzes
Das Heim schüt_zt die Familie, eine Funktion, die allein schon ein ganzes Programm entblößt, war das Auffangbecken für die überzählige Bevölkerung, die sich, wohl
aus_macht und em Problem stellt, dessen Lösung, früher manchmal geglückt,heute oderübel, mit seiner Unsicherheit abfinden mußte.
meist dem Zufall ausgeliefert ist. Alsdie Schaffung einer neuen militärischen Umfassung eines Tages diese Vor-Stadt
Aber _außerha(b der ~o~nung und in nächster Nähe braucht die Familie noch gewisse mitseinem Bruchstück von Straße in den Schoß der Stadt einbezog, wurde dem nor-
gememsc?afth_che Emnch~ungen, die wirkliche Erweiterungen des eigenen Wohn- malenGesetz der Planung der erste harte Stoß versetzt.
raums sem mussen. Das smd: Versorgungszentren, ärztliche Dienststellen, Kinder- DasMaschinenzeitalter ist gekennzeichnet durch den Vorort, Terrain ohne bestimm-

128 129
ten Grundriß in das aller Bodensatz versickert, wo jeder Versuch sich hervorwagt 22
wo sich oft <las bescheidenste Handwerkertum niederläßt neben Industrien, die; Siesindoft nur e~e Anhäufung von Baracken, bei denen sich die unerläßlichen
priori provisorisch gedacht waren, von denen einige jedoch ein gigantischesWachs- Erschließungsarbe1tenkaum rentieren.
tum erleben sollten. Der Vorort ist das Symbol des Verfalls und gleichzeitig desEx-
perimentierens. Er ist eine Art Abschaum, der die Mauern der Stadt umspült. Schlechtgebaute
. _ kleine Häuser,. Holzbaracken , Schuppen , w o s1c • h rec h t un d
Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts ist dieser Abschaum zur Flur geworden, schlecht
~1euberraschendsten Dmge verquicken, Domäne der armen Teufel, die der
schließlich zur Überschwemmung. Er hat das Schicksal der Stadt und ihre Möglich- Strudel
eines_zuc~tl_ose~Lebens herumwirbelt, das ist der Vorort! Seine Häßlichkeit
keiten, nach einem Gesetz zu wachsen, ernstlich gefährdet. undTro~tlos1g~e1t tst die Schande der Stadt, der er vorgelagert ist. Sein Elend, das
Sitz einer undefinierbaren Bevölkerungsschicht, zahlreichen Nöten ausgesetzt, zwm~,offen_thcheGelder zu ~ers~hleudern ohne das Gegengewicht ausreichender
Nährboden für Revolten, ist der Bereich der Vororte oft zehnmaJ, hundertmalso fis_kahscher
Ei~nah~equellen, _isteme erdrückende Last für die Allgemeinheit.
D,eVorortesmd die schmutzigen Vorzimmer der Städte; mit ihren Gassen an die
groß wie die Stadt. Aus diesem kranken Bezirk, wo die Funktion Entfernung-Zeit
eine schwerwiegende Frage stellt, die ohne Antwort bleibt, versuchen einige, Ganen- großenAusfahrt~straßen angeschlossen, machen sie den Verkehr zu einer Gefahr; aus
städte zu machen. Illusorisches Paradies, unvernünftige Lösung. d~rLuftperspekuvegesehe~, z~i~en sie auch gänzlich unbefangenen Augen die Wirr-
msundZusammenhanglos1gke1t ihrer Anordnung; durchfährt man sie mit der Eisen-
Der Vorort ist ein städtebaulicher Irrtum, der, in der ganzen Welt verbreitet, inAme-
bahn,so sind sie für den Reisenden, den der Ruf der Stadt anzieht, eine peinliche
rika bis zur äußersten Konsequenz vorwärtsgetrieben wurde. Dieser Irrtum isteines
Enttäuschung.
der schlimmsten Übel des Jahrhunderts.

21
Man hat versucht, sie dem Verwaltungsgebiet der Stadt einzugliedern. Zufordern
Zu spät! Die Vororte sind der städtischen Verwaltung zu spät eingegliedert worden.
In ihrem ganzen Einflußgebiet hat das Gesetz aus Mangel an Voraussicht Eigentums- 23
rechte aufkommen lassen, die er für unwandelbar erklärt. Der Besitzer einesTerrains DieWohnviertel müssen künftig im Raum der Stadt die besten Standorte einneh-
ohne bestimmte Grenzen, auf dem irgendeine Baracke, ein Schuppen oder eine men,ihre Vorteile aus der Topographie ziehen, die klimatischen Verhältnisse nut-
Werkstatt sich breitmacht, kann ohne mannigfache Schwierigkeiten nicht enteignet zen,über die günstigste Besonn ung und bequem gelegene Grünflächen verfügen.
werden. DieStädte,so wie sie heute existieren, sind so gebaut, daß ihre Beschaffenheit dem
Die Bevölkerungsdichte ist dort gering und der Boden noch kaum ausgenutzt; nichts- öffentlichenund privaten Wohl widerspricht.
destowen!ger !st die Stadt verpflichtet, den Raum der Vorstädte mit den dringlichsten DieGeschichte zeigt, daß ihre Entstehung und Entwicklung tiefe Gründe hatte, de-
Notwend1gke1ten auszurüsten: Straßen, Kanalisation, schnelle Verkehrsmittel, Poli- reneinzelne Schichten zeicbedingt waren, und daß sie im Laufe der Jahrhunderte
zei, Beleuchtung und Straßenreinigung, Hospitäler, schulische Dienststellen etc. nichtnur gewachsen sind, sondern sich oft erneuert haben, und das auf ein und dem-
Das Mißverhältnis zwischen den verheerenden Ausgaben, die soviel Verpflichtungen selbenBoden.
verursachen, und dem kleinen Zuschuß, den eine dünngesäte Bevölkerung beisteuern DasMaschinenzeitalter hat sie - indem es gewisse jahrhundertealte Bedingungen
kann, ist erschreckend.
brutalveränderte - ins Chaos geführt.
W~nn die Verwaltung die Situation eines Tages retten will, stößt sie auf unerträgliche Unsereheutige Aufgabe ist es, sie aus ihrer Ordnungslosigkeit herauszureißen durch
Widerstände und ruiniert sich umsonst. Planungen,die die Einstufungen der Unternehmungen in die Zeit voraussehen.
Sie muß nämlich vor _dem Entstehen der Vororte die Verwaltung des Bodensindie DasProblem der Wohnung, des Wohnens, steht an der Spitze aller anderen. Diebe-
Hand nehm_en, der die Stadt umgibt, um dieser die Möglichkeit zu einer harmoni- stenBaustellender Stadt müssen dem Wohnen vorbehalten sein; und wenn sie durch
schen Entwicklung zu gewährleisten. Gleichgültigkeitoder Geldgier bereits ausgebeutet sind, muß alles getan werden, um
siewieder instand zu setzen.
:\1ehrereFaktoren sind Voraussetzung für ein gutes Wohnen. Man muß gleichzeitig
nachder schönsten Aussicht suchen und nach der gesunden Luft, indem man Wind

130 131
und Nebel in Rechnung setzt, nach den bestgelegenen Abhängen, und schließlich W1RI)VORAUSSEHE MÜSSEN, WELCHE ,ZEIT-DISTANZ, IHR TÄGLI-
muß man die vorhandenen Grünflächen einbeziehen, sie neu schaffen, falls siefehlen, CHES L?S ~EI W~RD, und wird Fläche und Ausdehnung festsetzen müssen, die
oder sie wiederherstellen, falls sie zerstört worden sind. zurVerwirklichungeu~_es50 Jahre-Programms nötig sind.
SOBALDDIE BEVOLKERUNGSZAHL UND DIE DIMENSIONEN DES
TERRAIS FIXIERT SIND, IST DIE ,DICHTE, BESTIMMT.
24
Die Festlegung der Wohngebiete muß von hygienischen Gesichtspunktenbe-
stimmt werden. 26
fürjedeWohnung ist ein Minimum von Stunden der Besonnung zu bestimmen.
Die allenthalben anerkannten Gesetze der Hygiene erheben eine schwerwiegende
Anklage gegen den sanitären Zustand der Stadt. Aber es genügt nicht, eine Diagnose DieWissenschafthat durch das genaue Studium der Sonnenstrahlungen entdeckt,
zu formulieren, es genügt nicht einmal, eine Lösung aufzuzeigen; es ist vielmehrnö- welchevon ihnen unentbehrlich sind für die menschliche Gesundheit und welche in
tig, daß diese von den verantwortlichen Autoritäten zur Auflage gemacht wird. gewissenFällen dem Menschen schädlich sein können.
Im Namen der öffentlichen Gesundheit müßten ganze Viertel aufgegeben werden. DieSonneist die Herrin des Lebens.
Einige - Frucht einer verfrühten Spekulation - verdienen nichts weiter als die Hak- DieMedizinhat bewiesen, daß die Tuberkulose sich da verbreitet, wo die Sonne nicht
ke, andere müßten, wegen der historischen oder der künstlerischen Wene, diesie hinkommt;sie verlangt, daß das Individuum so weit wie möglich wieder in die ,Be-
umschließen, teilweise geschont werden; es lassen sich Mittel und Wege findenzu dingungen der aruo eingesetzt wird. Die Sonne muß täglich für einige Stunden in
retten, was wert ist, gerettet zu werden, indem man unbarmherzig alles zerstön, was jedeWohnungdringen, selbst während der ungünstigsten Jahreszeit.
eine Gefahr bedeutet. DieGesellschaftwird nicht mehr dulden, daß ganze Familien der Sonne beraubt und
Es genügt nicht, die Wohnung gesund zu machen, man muß auch die .Verlängerun- dadurchdem Dahinsiechen ausgeliefert sind.
gen, des Wohnraums im Draußen - Räume zur körperlichen Erziehung und ver- JederGrundriß eines Hauses, der auch nur eine einzige Wohnung mit ausschließli-
schiedene Gelände für den Sport - schaffen und einrichten, indem man im voraus cherNordlage oder Sonnenlosigkeit infolge des einfallenden Schattens aufweist,
im Generalplan die ihnen zugedachten Standorte einzeichnet. müßterigoros abgelehnt werden.
VondenBaumeistern muß ein Entwurf verlangt werden, der gewährleistet, daß auch
zurZeitder Wintersonnenwende die Sonne mindestens zwei Stunden täglich in jede
25 \\'obnungdringt. Wenn nicht, dann muß die Baubewilligung verweigert werden.
Eine vernünftige Wohndichte, entsprechend der durch die Natur des Geländes
DieSonneeinführen, das ist eine neue und die gebieterischste Aufgabe des Architek-
vorgegebenen Formen der Wohnbebauung, sollte vorgeschrieben werden.
ten.
Die Wohndichte der Bevölkerung einer Stadt muß von den Behörden diktien wer-
den. Sie wird schwanken je nach der Verwendung des städtischen Bodens und, ent-
27
sprechend ihrer Intensität, eine weit ausgedehnte oder eine in sich zusammengehalte- DieAufreihung der Wohngebäude längs der Verkehrsstraßen muß verboten wer-
ne Stadt ergeben.
den.
Die Wohndichte einer Stadt fixieren, das heißt einen folgenschweren Akt der Verwal-
tung erfüllen. DieVerkehrsstraßen, d.h. die Straßen unserer Städte, dienen unvereinbaren Zwek-
Als das Maschinenzeitalter heraufkam, entwickelten sich die Städte unkontrollien ken.Sietragen die unterschiedlichsten Gewichte und müssen sowohl dem Fußgän-
und ungehemmt. Nachlässigkeit ist die einzig stichhaltige Erklärung für diesesmaß- gerverkehrzur Verfügung stehen als auch dem von hemmenden Unterbrechungen
lo~e u~d völlig unvernünftige Wachstum, das einer der Gründe ihres Unglücks ist. zerrissenenVerkehr von schnellen Fahrzeugen des öffentlichen Transports, Autobus
D1~-Stadte _haben sowohl für ihr Entstehen wie auch für ihre Vergrößerung besondere oderStraßenbahn, oder dem noch schnelleren Fahrverkehr der Lastwagen und Priva-
Gmnde, die man untersuchen muß und die ZU Voranschlägen für einen ausgedehnten tautos.
Zeitraum führen: 50 Jahre z.B. DieBürgersteige, entstanden zur Zeit der Pferde und nur, um nac~ der Ei_nfüh:ung
Eine bestimmte Bevölkerungszahl könnte ins Auge gefaßt werden. Man wird diese derKutschen ein Überfahren werden zu verhüten, sind ein lächerliches H1lfsmmel,
unterzubringen haben und dafür genau wissen müssen, wieviel Raum dazu nötigist, seitdieMotorisierung eine wirkliche Lebensbedrohung in die Straßen gebracht hat.

132 133
Das heutige Leben öffnet die unzähligen Türen seiner ~-äu~er dieser Bedrohung,sei.
Esistaußerdem notwendig, daß die Gebäude in ausreichend weiten Abständen von-
ne unzähligen Fenster dem Lärm, dem Staub, den schadhchen Abgasen, allesPro-
einanderstehen, sonst würde i~re Höhe, weit davon entfernt eine Verbesserung dar-
dukte eines intensiven mechanischen Verkehrs. .. zustellen,nur das bestehende Ubel verschlimmern. Das ist der schwerwiegende Irr-
Dieser Zustand der Dinge fordert eme radikale Anderung: DAS TEMPO DER tum,der in den Städten von Nord- und Südamerika begangen worden ist.
FUSSGÄNGER 4 KM DIE STUNDE, UND DIE MOTORGESCHWINDIG- DieErbauung einer Stadt kann nicht programmlos der Privatinitiative überlassen
KEITEN, 50-100 KM DIE STUNDE, VERLANGE NACH EINER TREN- werden.
NlJNG. DieBevölkerungsdichte einer Stadt muß groß genug sein, um die Errichtung von
Die Wohngebäude werden a priori abseits vom motorisierten Verkehr liegenmüssen, Gemeinschaftseinrichtungen, die <Verlängerungen, des Wohnraums darstellen, loh-
der in eine besondere Fahrbahn gelenkt wird, so daß der Fußgänger dann überdirekte nendzu machen.
Verbindungsstraßen oder über Spazierwege verfügen kann, die ihm allein vorbehal- ~achdemdie Bevölkerungsd1chte festgelegt worden ist, wird eine Zahl der voraus-
ten sind. sichtlichenBevölkerung angenommen, die erlaubt, die der Stadt vorbehaltene Fläche
Nichts von dem ist in den Städten bisher Praxis. auszukalkulieren.Darüber zu bestimmen, wie der Boden bebaut werden soll, das
Verhältnisherzustellen zwischen der bebauten und freigelassenen oder bepflanzten
28 Fläche,das für die einzelnen Wohnungen wie für ihre verschiedenen Erweiterungen
Man muß die Hilfsmittel der modernen Technik berücksichtigen, um Hochbau- notwendigeTerrain zu verteilen, der Stadt die Fläche zuzuordnen, über die man auf
ten zu errichten. einebestimmte Zeit nicht hinausgehen dürfte, das alles macht die schwerwiegende
Operationaus, die in den Händen der Behörde liegt: DIE VERÖFFENTLI-
Jede Epoche hat für ihre Bauten die Technik verwandt, die ihr von ihren speziellen CHUNGEINES ,BODE -STATUTS,.
Hilfsmitteln vorgeschrieben war. Sowirddie Stadt sich künftig in aller Sicherheit entwickeln, und in den Grenzen der
Bis zum 19. Jahrhundert kannte die Architektur nur tragende Mauern in Stein,Ziegel durchdiese Verordnung aufgestellten Gesetze wird der speziellen Initiative und der
oder Fachwerk und Geschoßdecken aus Holzbalken. Erfindungskraftdes Künstlers volle Freiheit gewährt sein.
Im 19. Jahrhundert verließ eine Zwischenperiode sich auf Eisenträger, und schließ-
lich kamen, im 20. Jahrhundert, einheitliche Konstruktionen ganz aus StahloderEi-
senbeton.
Vor dieser in der Geschichte des Hausbaus völlig revolutionierend wirkendenl\eue-
rung konnten die Baumeister kein Bauwerk höher als sechs Stockwerke errichten. 2. FREIZEIT
Die heutige Zeit kennt solche Begrenzungen nicht mehr und hat bis zu fünfundsech-
zig Stockwerke erreichen können.
Es bleibt also, durch eine ernsthafte Prüfung der Stadtprobleme die Höhe festzuset-
zen, die im einzelnen Fall am besten stimmt.
Untersuchungen
In bezug auf die Wohnung sind die Gründe, die zugunsten einer bestimmtenEnt-
scheidung sprechen, folgende: die Wahl der angenehmsten Aussicht, die Suchenach 30
der reinsten Luft und der vollkommensten Sonnenlage, endlich die Möglichkeit, in DieFreiflächen sind im allgemeinen unzureichend.
nächster Nähe der Wohnung Gemeinschaftseinrichtungen zu schaffen, Schulräume,
Esgibt noch Freiflächen im Innern einiger Städte. .. . .
Zentren der öffentlichen Hilfe, Spielplätze, alles Erweiterungen der Wohnung.
Siesind die unserer Epoche sagenhaft erscheinenden Uberble,bse_l von Reserven, ~,e
Nur Konstruktionen von einer gewissen Höhe werden diese berechtigten Forderun- inder Vergangenheit gelegt wurden: Parks, die fürstliche W~hn~itze umgab~n, Gar-
gen glücklich befriedigen können.
ten,diezu Bürgerhäusern gehörten, schattige Promenaden, d,e emen geschleiften Be-
festigungsgürtelersetzten. . . .
29 Diebeiden letzten Jahrhunderte haben diese Reserven, d,e wirklichen L~ngen der
Hochbauten, in großer Entfernung voneinander errichtet, sollen den Boden
zu- • • angezap ft, u••b er b aut un d G emauer
Stadt, g1eng •• an d,·e Stelle der Rasen flachen und
gunsten weiter Grünflächen freimachen. Bäumegesetzt.

134 135
Die Freiflächen hatten einst keinen anderen Daseinsgrund, als dem Vergnügeneiniger unddie Stadtväter sollten angehalten werden , ihm ihre ganze A u f mer k sam kea• zu
Bevorzugter zu dienen. Der soziale Gesichtspunkt, der heute ihrer Bestimmungei- 11-idmen.
nen neuen Sinn gibt, war noch nicht aufgekommen. RICHTIGESVERHÄLTNIS VON BAUMASSE ZU FREIEM RAUM, DAS IST
Sie können die direkten oder indirekten <Verlängerungen, der Wohnung sein:direkt, DIEFORMEL, DIE EI ZIG UND ALLEIN DAS PROBLEM DES WOHNENS
wenn sie die Wohnung selbst unmittelbar umgeben, indirekt, wenn sie, konzemrien LÖST.
auf einige große Flächen, in nicht so unmittelbarer ~ähe sind. .
In beiden Fällen ist ihre Bestimmung die gleiche: d,e gesellschaftlichen Aktivitäten
33
der Jugend aufzufangen, ein Gelände zu stellen, das günstig ist für Ablenkung,Spa-
Diewenigen Sportanlagen waren im allgemeinen, um in der Nähe der Benutzer
ziergänge oder Spiele der Mußestunden. zu sein,provisorisch auf Grundstücken untergebracht, die zur Aufnahme zu-
künhigerWohn- oder Industrieviertel bestimmt waren. Ungewißheit und ständi-
31 geUmwälzungen.
Sofern Freiflächen in ausreichender Ausdehnung vorhanden sind, sind sieoftun-
IndemWunsch, ihre allwöchentliche Freizeit zu nutzen, haben einige Sportvereine
günstig zugeordnet und dadurch wenig brauchbar für die Masse der Einwohner.
ander Peripherie der Stadt eine provisorische Unterkunft gefunden, aber sie haben
Wenn die modernen Städte einige Freiflächen von ausreichender Ausdehnung zulas- imallgemeineneine äußerst unsichere Existenz, da sie offiziell nicht anerkannt sind.
sen, dann liegen diese entweder an der Peripherie oder im Herzen eines Gebietsfür ~fankann die freien oder Mußestunden in drei Kategorien einteilen: tägliche, wö-
ganz besonders luxuriöse Wohnsitze. chentlicheoder jährliche. Die täglich freien Stunden müssen in nächster Nähe der
Im ersten Fall werden sie, weit von dem On des Wohnens breiter Volksschichten Wohnung verbracht werden.
entfernt, den Stadtbewohnern nur am Sonntag von utzen sein und keinerleiEinfluß Diewöchentlich freien Stunden rechtfertigen das Verlassen der Stadt und den Orts-
haben auf das tägliche Leben, das sich weiterhin unter ärgerlichen Bedingungenab- 11·echsel
innerhalb der Region.
wickeln wird. Diejährlichfreien Stunden, d. h. die Ferien, gestatten wirkliche Reisen, die aus Stadt
Im zweiten Fall werden sie der Menge de facto verboten sein und nur noch der Ver- undRegionhinausführen.
schönerung dienen, ohne ihre Rolle als notwendige Erweiterung des Wohnraumes Esmüsseninfolgedessen Grünanlagen geschaffen werden:
zu erfüllen. 1. ringsum die Wohnungen;
In jedem Fall bleibt dann das schwerwiegende Problem der Volkshygiene unberührt. 2. imweiteren Stadtgebiet;
3.aufdem Lande.

32
Die exzentrische Lage der Freiflächen macht diese ungeeignet für die Verbesse- 34
rung der Wohnbedingungen in den überfüllten Stadtgebieten. DieGrundstücke, die der wöchentlichen Freizeit zugedacht sein könnten, sind
oftungenügend mit der Stadt verbunden.
Der Städtebau ist dazu berufen, die Ordnung zu entwerfen, die den Stadtbewohnern
die Lebensbedingungen zu sichern vermögen, indem sie nicht nur ihre physischeGe- Wennin der unmittelbaren Umgebung der Stadt Standorte ausgesucht worden sind,
sundheit schützen, sondern auch ihre moralische Gesundheit und die Lebensfreude, diesicheignen zu Zentren der wöchentlichen Freizeit, dann wird sich das Problem
die daraus erwächst. desMassentransportes stellen.
Den - für die Muskeln oder Nerven - oft übermäßig anstrengenden Arbeitsstunden DiesesProblem muß berücksichtigt werden von dem Augenblick an, da die Planung
~uß jeden Tag_eine ausreichende Anzahl freier Stunden folgen. Diese freien Stunden, derRegion in ihren gröbsten Umrissen angedeutet ist; es schließt die Prüfung der
die das Maschinensystem unausbleiblich vermehren wird, sollen einem stärkenden verschiedenenVerkehrsmittel und -wege ein: Straßen, Eisenbahn oder Flüsse.
Aufenthalt in der Natur gewidmet sein.
Die Erhalt~ng oder Schaffung von Freiflächen ist also eine otwendigkeit undwird
daher zu einer Frage des öffentlichen Wohls.
Das ist ein Thema, das einen integralen Bestandteil städtebaulicher Leistungenbildet.

137
136
Zu fordern 37
DieneuenGrünflächen müssen klar definierten Zwecken dienen: Sie sollten die
Kindergärtenenthalten, die Schulen, die Zentren der Jugend oder alle Gebäude
35 zuallgemeinemGebrauch, die eng mit dem Wohnen verbunden sind.
Jedes Wohnviertel muß künftig über Grünflächen v~rfügen, die fü~ die rationelle
Ausstattung mit Anlagen für Spiel und Sport der Kinder, Jugendlichen und Er- DieGrünflächen,die, innig verquickt mit den Baumassen, zwischen die Wohnviertel
wachsenen, notwendig sind. eingefügt
sein werden, haben nicht die ausschließliche Funktion, die Stadt zu ver-
Dieser Beschluß wird nur dann wirksam sein, wenn er von einer echten Gesetzge- schönen.
bung unterstützt ist: DAS «BODEN-STATUT». Dieses Statut muß so vielseitigsein Siewerdenvor allem eine nützliche Rolle spielen, Gemeinschaftseinrichtungen wer-
denihreRasenflächen bedecken: Kinderhorte, vor- oder nachschulische Organisa-
wie die zu befriedigenden Bedürfnisse.
Nur so kann auch die Bevölkerungsdichte oder der Prozentsatz bebauter und unbe- tionen,
Jugendvereine, Zentren der intellektuellen Entspannung oder der Körperkul-
bauter Fläche variiert werden je nach Funktion, On oder Klima. Die Baumassewird tur,Lese-oder Spielsäle, Rennbahnen oder Schwimmstadien unter freiem Himmel.
innig verquickt sein mit den Grünflächen, ~ie si~ umgeben. J?ie _beb_auten Gebiete Siewerdendie .Verlängerung, des Wohnens bilden und werden ebenfalls dem «Bo- t
den-Statut•unterstellt sein müssen.
und die bepflanzten Gebiete werden so verteilt sem, daß man sich m emer vemetba-
ren Zeitspanne von einer Zone in die andere begeben kann.
Auf jeden Fall wird das Gewebe ( «tissue») der Stadt sein Webmuster ( «texrure»)än-
dern müssen; die Steinhaufen werden danach streben, grüne Städte zu werden. 38
Im Gegensatz zu dem, was sich in den Gartenstädten abspielt, werden die Grünfla- DiefreienStunden der Woche sollen sich an liebevoll eingerichteten Orten entfal-
chen nicht in kleine Parzellen zum Privatgebrauch aufgeteilt werden, sondernder ten:Parks, Wäldern, Sportanlagen, Stadien, Strandbädern etc.
Förderung der verschiedenen gemeinsamen Tätigkeitsbereiche gewidmet sein, dieei- ~ichtsoderfast nichts ist bisher für die wöchentliche Freizeit unternommen worden.
ne <Verlängerung, der Wohnung bilden. InderRegion, die die Stadt umgibt, müssen weite Strecken einbehalten und einge-
Die Gemüsezucht, deren Nützlichkeit das Hauptargument zugunsten der Ganen- richtetwerden, erreichbar gemacht durch zahlenmäßig ausreichende und bequeme
städte ist, kann auch hier sehr wohl in Erwägung gezogen werden; ein Prozentsatz Transportmittel.
des verfügbaren Bodens wird dafür bestimmt und in vielfache persönliche Anteile Eshandeltsich hierbei nicht mehr um einfache Rasenflächen, die - mit mehr oder
aufgeteilt; aber eine gewisse gemeinsame Bewirtschaftung wie gelegentliche Boden- ~·enigerBaumbestand - das Haus umgeben, sondern um wirkliche Wiesen, Wälder,
bearbeitung, Bewässerung oder Berieselung könnte die Anstrengungen verringern narürlicheoder angelegte Strandbäder, die ungeheure Reserven darstellen und, sorg-
und den Ertrag steigern. fältig
gehütet, dem Stadtbewohner tausend Gelegenheiten zu gesunder Beschäftigung
odernützlicher Entspannung bieten.
36 JedeStadthat an ihrer Peripherie Orte, die diesem Programm zu entsprechen v~rmö-
Die ungesunden Häuserblocks müssen abgerissen und durch Grünflächen ersetzt genund die, mit Hilfe einer wohldurchdachten Einrichtung von Verkehrsmmeln,
werden: Die angrenzenden Viertel werden dadurch gesunden. leichtzu erreichen sein werden.
Die Kenntnis der wichtigsten hygienischen Grundbegriffe genügt, um ein Elends-
quartier festzustellen und die eindeutig ungesunden Häuserblocks auszumachen.
Diese Häuserblocks müßten abgerissen werden. 39
Das sollte man sich zunutze machen, um sie durch Parks zu ersetzen, die - zumin- . .. Parks,Sportanlagen, Stadien, Strandbäder etc . .. -
dest für die angrenzenden Viertel - der erste Schritt auf dem Wege der Gesundung EinErholungsprogramm muß aufgestellt werden, das Beschäftigungen aller Art zu-
wären. Es könnte jedoch sein, daß einige von diesen Häuserblocks sich an einerStelle läßt:
befinden, die ganz besonders geeignet ist zur Errichtung gewisser für das Lebender denSpaziergang- allein oder in Gesellschaft - in der Schön_heit der Landschaft;
Stadt unerläßlicher Gebäude. In diesem Fall wird eine kluge Stadtplanung demPlatz Sportaller Art, Tennis, Basketball, Fußball, Schwimmen, Leichtath!enk; .
die Bestimmung zu geben wissen, die die allgemeine Planung der Region und der Unterhaltungenwie Konzerte, Freilichtaufführungen, Spiele im Stadwn, verschiede-
Stadt im voraus als die nützlichste erachtet haben wird. neWettkämpfe.
138 139
Schließlich muß eine bestimmte Ausstattung vorgesehen sein: Verkehrsmittel, dieei- teumgestaltet,
_ die jahrhundertealten
. .. Traditionen des Handwerk ertums zersc hl agen
ne rationelle Organisation erfordern, Unterkunfrsmöglichkeiten, Hotels, Herbergen undemen
_ neuen Typ von Arbe1tskraften aufkommen lassen , di"ean onym un d b eweg-
oder Lager und endlich, was besonders wichtig ist, die Versorgung mit Trinkwasser tichsmd.
und Lebensmitteln muß übera11 sorgfältig sichergestellt sein. Derindustrielle
. Aufschwung hängt im wesentlichen von den Mo··gl·1chk e1ten
• d er uver-
sorgungmit ~ohsroffe~ ab und de~ bequemen Gelegenheiten zum Absatz der Fertig-
produ_k~e.
Die ~ndustr~en haben sich daher förmlich auf die Umgebung der Eisen-
40 bahnlm1en gesturzt, die das 19. Jahrhundert als Neuerung gebracht hatte, auf die
Man muß dabei die vorhandenen Elemente berücksichtigen: Flüsse, Wälder,Hü- Uferder Wasserwege, deren Leistung die Dampfschiffahrt vervielfachte. Aber in-
gel, Berge, Täler, Seen, Meer etc. demsiedi~unmittelbare Verfügbarkeit von Räumen und Versorgungsmöglichkeiten,
Die Frage der Entfernung spielt hierbei, dank der Vervollkommnung der mechani- diei~Besitzder besteh~nden Städte waren, ausnutzten, richteten die Industriegrün-
schen Transportmittel, keine entscheidende Rolle mehr. derihreUnternehmen m der Stadt oder am Stadtrand ein, ohne Rücksicht auf das
Es ist wichtiger, die richtige Wahl zu treffen, auf die Gefahr hin, in größeren Entfer- Unglück, das eventuell daraus entstehen könnte.
nungen suchen zu müssen. Mittenin die Wohnviertel hineingesetzt, verbreiten die Fabriken dort ihren Staub
Es handelt sich nicht nur darum, die noch unberührten Naturschönheiten zu erhal- undihrenLärm. Wenn sie an der Peripherie und weit weg von diesen Vierteln unter-
ten, sondern auch darum, die erlittenen Schäden wiedergutzumachen; schließlich gebrachtsind, dann verurteilen sie den Arbeiter dazu, jeden Tag weite Entfernungen
darum, daß die Geschicklichkeit des Menschen teilweise Landschaft und Lageer- zurückzulegenunter den ermüdenden Bedingungen der Hetze und Drängelei und
schafft, die dem Programm entsprechen. zwingen ihn, einen Teil seiner Mußestunden ungenutzt zu verlieren.
Das ist ein anderes, sehr wichtiges soziales Problem, für das die Stadtväter die Verant- DerBruchmit der Organisation der Arbeit hat eine unaussprechliche Wirrnis ge-
wortung tragen: ein Gegengewicht zu finden zur erschöpfenden Arbeit der Woche, schaffenund ein Problem aufgeworfen, an dessen Lösung bis jetzt nur herumge-
den Ruhetag wirklich belebend zu machen für die physische und moralische Gesund- pfuschtworden ist. Daraus entstand das große Übel unserer Zeit: DAS NOMA-
heit, die Bevölkerung nicht mehr den vielfältigen achteilen der Straße zu überlas- DENTUMDER ARBErTERBEVÖLKERUNG.
sen.
Eine fruchtbare Verwendung der freien Stunden wird dem Stadtbewohner Gesund-
42
heit und Herz stählen. DieBeziehungzwischen dem Wohnen und den Arbeitsplätzen ist nicht mehr nor-
mal;siezwingt zur Bewältigung übermäßig langer Anmarschwege.
Seitdem sind die normalen Beziehungen zwischen den wesentlichen Funktionen des
Lebens,wohnen und arbeiten, zerbrochen.
3. ARBEIT DieVorstädtesind gestopft voll von Werkstätten und Betrieben, und die Großindu-
strie,deren Entwicklung keine Grenzen kennt, ist nach außen, in die Vororte abge-
schobenworden.
Untersuchungen DadieStadt, bereits saturiert, keine neuen Einwohner mehr aufnehmen konnte, hat
maneiligstneue Vorstädte ins Leben gerufen, große Flächen von zusammengedräng-
41 tenMietskasernenoder endlose Bebauungen.
Dieauswechselbare Arbeitskraft, der Industrie durch kein festes Band mehr ver-
Die Arbeitsstätten sind innerhalb des städtischen Komplexes nicht mehr rationell
knüpfe,kennt morgens, mittags und abends, im Sommer wie im Winter nur den be-
angeordnet: Industrie, Handwerk, Geschäfte, Verwaltung, Handel.
ständigenWechsel von einem Ort zum anderen und den deprimierenden Andrang in
Früher lagen Wohnung und Werkstätte, durch enge und ständige Bande verbunden, denöffentlichen Verkehrsmitteln.
nahe beieinander. GanzeStunden verschwinden bei diesem ungeordneten Hin und Her.
Die unv~rmutete Ausbr_eitung des Maschinensystems hat diese Voraussetzungender
Harmonie zerbrochen; m weniger als einem Jahrhundert hat sie das Gesicht derStäd-

140 141
)fanmußkaufen und verkaufen_, Kontakte herstellen zwischen Fabrik oder Werks-
43 un,Lieferantund
Die Spitzenzeiten des Verkehrs offenbaren einen kritischen Zustand. . Kunde.
. Zu diesen Transaktionen braucht ma n B uros.
··
DieseBüros- d_•eeine exakte und sinnvolle Einrichtung verlangen _ sind unerläß-
Die öffentlichen Verkehrsmittel, Vorortzüge, Autobusse, U-Bahnen, funktionieren für die Abwicklung der Geschäfte.
lich
ordnungsgemäß nur während weniger kurzer Zeiträume des Tages. Zu den Spitzen- SolcheEinrichtungen sind, solange ~ie Einz~lfälle bleiben, kostspielig. Alles macht
zeiten herrscht ein frenetischer Betrieb, und die Verkehrsteilnehmer zahlen mit ihrem el!len
Zusamm_enschlu~ratsam, ~er Jedem einzelnen Büro die besten Arbeitsbedin-
Geld teuer für eine Organisation, die ihnen Tag für Tag, zusätzlich zur Anstrengung gungen garantieren wurde: erleichterte Verkehrsmöglichkeiten, mühelose Verbin-
der Arbeit, Stunden der Drängelei beschert. dungen nach draußen, Helligkeit, Ruhe, gute Luft, Heizungs- und Kühlanlagen
Der Betrieb dieser Verkehrsmittel ist gleichzeitig kleinlich und kostspielig; da der Post-undTelephonzentralen, Radio etc. . . '
vom Fahrgast getragene Anteil nicht genügt, um die Unkosten zu decken, sind sie
zur schweren Last für die Öffentlichkeit geworden.
Um diesem Zustand abzuhelfen, sind die widersprechendsten Thesen aufgestellt
worden: die Verkehrsbetriebe leben lassen oder die Verkehrsteilnehmer gut lebenlas- Zufordern
sen? Man muß wählen! Die einen erwägen die Reduzierung, die anderen die Vergrö-
ßerung des Durchmessers der Städte. 46
DieEntfernung zwischen Arbeitsplatz und Wohngebiet müssen auf ein Mini-
mumreduziert werden.
44
Aus dem Fehlen jeglichen Programms folgen: unkontrolliertes Wachstum der \'or2usserzungdafür ist, daß - nach einem sorgfältig ausgearbeiteten Plan - sämtli-
Städte, Mangel an Voraussicht, Bodenspekulation etc. Die Errichtung von Indu- cheStätten,die der Arbeit bestimmt sind, neu verteilt werden.
striebetrieben ist dem Zufall überlassen und keiner Regel untergeordnet. DieringförmigeMassierung der Industrie rund um die großen Städte herum mag für
gewisse
Unternehmen eine Quelle des Gedeihens gewesen sein, aber man muß den
Der Boden der Städte und der angrenzenden Regionen gehört fast ausschließlich Ein- beklagenswerten Lebensbedingungen, die sich daraus für die Masse ergeben haben,
zelnen. dmKampfansagen.
Die Industrie selbst ist in den Händen von Privatgesellschaften, die allen möglichen Diesewillkürliche Aufteilung hat ein unerträgliches Durcheinander geschaffen. Die
Krisen ausgesetzt sind und deren Situation bisweilen unsicher ist. Dauerder Hin- und Rückfahrten steht in keinem Verhältnis zum Tageslauf der Son-
Nichts ist unternommen worden, um den Aufschwung der Industrie logischenGe-
ne.
setzen zu unterwerfen; im Gegenteil, alles wurde der Improvisation überlassen,die
Dielndustrienmüssen A DIE TRA SPORTWEGE DER ROHSTOFFE verlegt
- wenn sie das Individuum auch manchmal begünstigt - die Gesellschaft doch im-
J·erden,an die großen Wasser- und Landstraßen oder die Eisenbahn entlang.
mer belastet.
EinTransportweg ist ein lineares Element. DIE I DUSTRIESTÄDTE MÜSSEN
ALSO, A STATT KO ZE TRISCH ZU SEIN, LINEAR ANGELEGT WER-
DEN.
45
Innerhalb der Städte haben sich die Büros zu einer Geschäftsstadt konzentriert.
Diese Geschäftsstädte, die an den bevorzugten Stellen in der Stadt mit demvoll- 47
ständigsten Verkehrsnetz liegen, werden schnell die Beute der Spekulation. Dasie Diefür die Industrie bestimmten Teile der Stadt müssen unabhängig von den für
private Unternehmungen sind, fehlt es an der nötigen Organisation zu ihrerna· dasWohnenbestimmten Teilen sein und voneinander durch einen Grünzug ge-
türlichen Entwicklung. trenntwerden.
Der industrielle Aufschwung bringt als zwangsläufige Entsprechung ein gesteigertes DieIndustriestadt wird sich den Kanal entlang erstrecken, an der Landstraße oder
Geschäftsleben, private Verwaltung und Handel mit sich. Auf diesem Gebiet ist dl'TEisenbahnlinieliegen oder, noch besser, an diesen drei miteinander verbundenen
nichts ernstlich bedacht, für nichts Vorsorge getroffen worden. Wegen.

142 143
Linear geworden und nicht mehr ringförmig, wird sie nach Maßga~e ihrer Entwick- sein,ebensowie mit den Industrie- oder Handwerksbetrieben, ob sie nun in der
Stadtoder in ihrer ähe bleiben.
lung ihren eigenen Wohnsektor aufbauen können, der parallel zu 1hr verläuh.Eine
Grünzone wird ihn von den Industriegebieten trennen. DasGeschäftslebenhat eine so große Bedeutung gewonnen, daß die Wahl der Stand-
Die Wohnung, künftig mitten in die Landschaft gestellt, wird völlig vor Lärmund orte,die den Geschäften innerhalb der Stadt zugedacht sind, ein ganz besonderes
Ruß geschützt sein und dabei dennoch so erreichbar bleiben, daß die langen täglichen Srudium erfordert.
Fahrten verhindert werden; sie wird wieder zum normalen Familienorganismus.Die DasGeschäftszentrum muß sich im Brennpunkt der Verkehrsstraßen befinden, die
so wiederhergestellten ,Bedingungen der Natur> werden dazu beitragen, demNo- gleichzeitig
die Verbindung vermitteln zu den Stadtteilen des Wohnens, der Industrie
madenrum der Arbeiterbevölkerung ein Ende zu setzen. unddesHandwerks, zur öffentlichen Verwaltung, zu einigen Hotels und zu den ver-
Drei Wohnungstypen werden zur Verfügung stehen, je nach dem GeschmackderBe- schiedenen Bahnhöfen (Eisenbahn- und Omnisbusbahnhöfe, Schiffs- und Flughä-
wohner: DAS EINZELHAUS, DAS EINZELHAUS MIT KLEINEM LAND- fen).
WIRTSCHAFTLICHEN BETRIEB UND SCHLIESSLICH DER ST0CK-
WERKSBAU, DER MIT ALLEN NOTWENDIGE EINRICHTUNGEK
ZUM WOHLBEFINDEN SEINER MIETER AUSGESTATTET IST.

48 4. VERKEHR
Die Industriegebiete müssen an Eisenbahn, Kanal und Landstraße liegen.
Die gänzlich neue Geschwindigkeit der mechanischen Transportmittel, die entweder
Landstraße, Schienen, Fluß oder Kanal benutzen, macht die Anlage neuer Wegeoder Untersuchungen
den Umbau der bereits bestehenden Wege nötig.
Das ist ein Koordinationsprogramm, das der neuen Aufteilung der Industriebetriebe
51
und den damit verbundenen Arbeiterwohnungen Rechnung tragen muß. Dasgegenwärtige Netz der städtischen Straßen ist eine Gesamtheit aus Verzwei-
gungen,die sich rings um die großen Verbindungswege entwickelt haben. Ihre
49 Anlagegeht in Europa auf geschichtliche Zeiten zurück, bis in vormittelalterliche
Das Handwerk, aufs engste mit dem Leben der Stadt verbunden, aus dem esdi- Zeiten,bisweilen sogar auf die Antike.
rekt hervorgegangen ist, muß genau bezeichnete Orte im Innern der Stadt ein- Gewisse Militärstädte und auch koloniale Gründungen haben vom Augenblick ihrer
nehmen können. Encstehung an die Vorteile eines abgestimmten Planes genossen . Zuerst wurde eine
Das Handwerk unterscheidet sich seiner Natur nach von der Industrie und verlangt regelmäßige Mauer gezogen; auf diese Umfassung stießen die großen Verbindungs-
angemessene Vorkehrungen. Es geht unmittelbar aus dem Potential der städtiscben wege.Die innere Aufteilung war von praktischer Regelmäßigkeit. .
Zentren hervor. AndereStädte - und sie sind in der Überzahl - entstanden an der Kreuzung zweier
Das Buchbinderhandwerk, die Goldschmiedekunst, das Schneider- oder Modehand- großerStraßen, die das Land durchzogen, oder aber, später, am Knotenpunkt meh-
werk finden in der intellektuellen Konzentration der Stadt die schöpferische Anre· rererStraßen, die alle von einem gemeinsamen Zentrum aus verliefen. . . .
gung, die sie brauchen. DieseVerbindungswege sind eng gebunden an die Topographie des Gebietes, die sie
~s ha~delt sich hier um wesentlich städtische Tätigkeiten, deren Arbeitsplätze anden ofczu einem Verlauf in mannigfachen Windungen zwingt. .
mtens1vsten Punkten der Stadt liegen könnten. Dieersten Häuser wurden am Rand dieser Straßen errichtet, und so entstanden die
Hauptstraßen,von denen sich, als die Städte wuchsen, die immer zahlreicheren se-
kundärenVerkehrsadern abzweigten. . . ..
50 DieHauptstraßen sind stets Töchter der Geographie gewesen; viele von ihnen mo~en
Für _dieG~schäftsstadt, die der privaten oder öffentlichen Verwaltung vorbebal· ausgebautund begradigt worden sein, dennoch werden sie immer den Charakter ih-
ten 1st, mussen gute Verkehrsverbindungen mit den Wohnvierteln gewährleistet rerGrundbestimmung bewahrt haben.
144 145
52 DieBremsekann nicht. brutal verwendet werden , ohne ei·ne sch ne IIe Ab nutzung d er
Angelegt, um Fußgänger oder Fuhrwerke aufzunehmen, entsprechen sie heute wichcigsten Bestandteile zu verursachen.
nicht mehr den mechanischen Verkehrsmitteln. ~!anmüßte also eine vernü_nftige Längeneinheit vorsehen zwischen dem Start und
demPunkt, wo es notwendig wird zu bremsen.
Die alten Städte waren aus Sicherheitsgründen von Mauern umgeben. Sie konnten
DieheutigenStraßenkreuzungen, die 100, 50, 20 oder sogar nur 10m voneinander
sich also nicht entsprechend der Zunahme ihrer Bevölkerung ausdehnen.
entferntliegen, entsprechen nicht dem zügigen Tempo der Kraftfahrzeuge. Abstände
Man mußte ökonomisch verfahren, um dem Terrain das Maximum an bewohnbarer von200bis 400m sollten die Kreuzungen trennen.
Fläche abzufordern. Das erklärt jene Anlage von dichtgedrängten Straßen und Gäß-
chen, die eine möglichst große Anzahl von Haustüren zu berühren vermochten. Die-
se Anlage der Städte hat im übrigen jenes System der Blocks zur Folge, die steilan 55
der Straße errichtet wurden, von wo sie ihr Licht bezogen, und die zum gleichen DieBreite der Straßen ist ungenügend. Der Versuch, sie zu verbreitern, ist oft
Zweck im Innern mit den Löchern der Höfe versehen wurden. einbeschwerliches und überdies wirkungsloses Unterfangen.
Später, als die befestigten Umfassungen erweitert wurden, fanden Straßen und Sträß-
chen in Alleen und Boulevards ihre Fortsetzung über den ersten Stadtkern hinaus, Esgibtfür die Straßen keinen einheitlichen Breiten-Typ. Alles hängt ab von ihrem
der seinerseits seine primitive Struktur behielt. Aufkommen an Fahrzeugen, deren Zahl und Art.
Dieses Bausystem, das schon seit langer Zeit keinem Erfordernis mehr entspricht, DiealtenHauptstraßen, seit der Entstehung der Stadt durch Topographie und Ge-
gilt noch heute wie ein Gesetz. Immer noch gibt es den Baublock, unmittelbaresNe- ographievorgeschrieben, sind der Stamm ungezählter Abzweigungen und haben fast
benprodukt des Straßensystems. Seine Fassaden liegen in mehr oder weniger engen immerein intensives Aufkommen zu bewältigen.
Straßen oder Innenhöfen. Das Verkehrsnetz, das ihn einschnürt, ist ausgedehntund Siesindim allgemeinen zu eng, aber ihre Erweiterung ist ein nicht immer leicht zu
hat vielfache Kreuzungen. Für eine andere Zeit gedacht, hat dieses erz mit der neu- lösendesProblem und oft nicht einmal wirksam.
en Geschwindigkeit der Kraftfahrzeuge nicht in Einklang gebracht werden können. Esistwichtig, das Problem von einer viel höheren Warte aus anzupacken.

53 56
Die Dimensionierung der Straßen ist nicht mehr angemessen und widersetzt sich Angesichtsder mechanischen Geschwindigkeiten erweist sich das Straßennetz als
einer Ausnutzung der neuen mechanischen Geschwindigkeiten und dem geord- unrationell,da es ihm an Genauigkeit, an Anpassungsfähigkeit, an Differenziert-
neten Aufschwung der Stadt. heitund an Zweckmäßigkeit fehlt.
Das_Problem ergibt sich, weil es unmöglich ist, die natürlichen Geschwindigkeiten DermoderneVerkehr ist eines der vielschichtigsten Unterfangen. Die Straßen, man-
- die de_s~ens~hen oder des Pferdes - in Einklang zu bringen mit den mechanischen nigfachen Zwecken bestimmt, sollen gleichzeitig folgendes ermöglichen:
Geschwmd1gke1ten - denen des Autos, der Straßenbahn, des Lastwagens oder des denAutos die Fahrt von einer Tür zur anderen;
Autobus. denFußgängern den Weg von einer Tür zur anderen;
Ihre Verm!sch~ng ist die Quelle von Tausenden von Konflikten. Der Fußgängerbe- den Autobussen und den Straßenbahnen das Zurücklegen der vorgeschriebenen
wegt sich m emer unaufhörlichen Unsicherheit, während die Kraftfahrzeuge, ohne Strecken;
Unterla~- zu_ bremsen gezwungen, wie gelähmt sind, was sie jedoch nicht hindert, denLastwagendie Fahrt von den Versorgungszentren zu den unendlich verschiede-
Anlaß stand1ger Lebensgefahr zu sein. nenStellender Auslieferung;
einigenFahrzeugen nur die einfache Durchfahrt durch die Stadt. . . ..
54 JededieserTätigkeiten würde eine besondere Fahrbahn erfordern, d,e geeignet ware,
Die Distanzen zwischen den Straßenkreuzungen sind zu gering. klarumrissene otwendigkeiten zu befriedigen. . .
Esistalso nötig, sich angespannt mit dieser Frage zu befassen, ~en ~ug~nbhckhchen
~evor die mechanischen Fahrzeuge ihre normale Geschwindigkeit erreichen, müssen Zustandzu erwägen und sich um die Lösungen zu bemühen, die wirklich genau de-
sie notgedrungen starten und die Beschleunigung steigern. finiertenErfordernissen entsprechen.

146 147
57 Zufordern
Straßenzüge, die der Prachtentfaltung dienen und repräsentative Zwecke verfol-
gen, konnten und können schwere Hindernisse für den Verkehr schaffen.
59
Was zur Zeit der Fußgänger und Kutschen zulässig und sogar bewundernswen war, AufGrund rigoroser Statistikenmüssen brauchbare An a 1ysen u„ ber d en gesam-
· d
kann heute zur Quelle beständiger Wirrnis geworden sein. tenVerkehr_m er Stadt und ihrer. Region erstellt werde n, eine
• A r b e1t,
• d"ie d'1e
Gewisse Prachtstraßen, entworfen, um eine monumentale - von einem Denkmal Verkelirsstromeund den Umfang ihrer Belastung erkennen Jassen wird.
oder Bauwerk gekrönte - Perspektive zu sichern, sind heutzutage die Ursachevon
Verkehrsstockungen, Verspätung und manchmal von Gefahr. Der\'erkehr ist eine lebenswichtige Funktion, deren augenblicklicher Zustand gra-
Diese Kompositionen architektonischer atur sollten bewahrt bleiben vor der Inva- phisch dargestellt
. werden
. muß. . Die bestimmenden Ursachen und d'ie A usw1r • k ungen
sion der mechanischen Fahrzeuge, für die sie nicht gedacht waren und deren Ge- seineruncersch1edltchen
. .. Intensität werden dann klar hervortreten , n es wir• d Je1c
u d • h-
schwindigkeit sie nie angepaßt werden können. tersein,die krmschen Punkte zu erkennen.
Der Verkehr ist heute eine Funktion erster Ordnung des Stadtlebens geworden. Er '.\ureineklare Darstellung der Situation wird erlauben, zwei unerläßliche Fortschrit-
erfordert ein sorgfältig erarbeitetes Programm, das Vorsorge zu treffen weiß für alles, tezu realisieren:jeder der Verkehrsstraßen eine präzise Bestimmung zuzuteilen, sei
was nötig ist, um das Verkehrsaufkommen zu regeln, die unerläßlichen Entlastungs- es,d~ sie den Fußgängern'. den Autos, ~en Lastwagen oder den Fernfahrern zuge-
straßen zu schaffen und so zu erreichen, daß die Verkehrsstockungen wie das von dacht1st;dann muß man diesen Straßen Je nach der Rolle, die ihnen zugeschrieben
ihnen verursachte beständige Unbehagen behoben werden. 11.ird,
spezielle Ausmaße und spezielle Merkmale geben: Art des Straßenbelages,
Breitedes Dammes, Ort und Art der Kreuzungen oder Übergänge.

58
In zahlreichen Fällen ist das Netz der Eisenbahnlinien (Schienenwege) infolgeder
Ausdehnung der Stadt ein schweres Hindernis für die Stadtentwicklung gewor- 60
den. Es schließt Wohnviertel ab und beraubt sie des notwendigen Kontaktesmit DieVerkehrsstraßen müssen ihrem Charakter gemäß klassifiziert und entspre-
den lebenswichtigen Elementen der Stadt. chendden Fahrzeugen und ihrer Geschwindigkeit gebaut werden.

1:-uch_hierist_die Zeit zu schnell fortgeschritten.


Die Eisenbahnen sind vor der gewal- Die1ahrhundertelangeinzige Straßenart ließ einst - bunt durcheinander - Fußgän-
ugen mdustnellen Expansion entstanden, die sie selbst heraufbeschworen haben. gerund Reiter zu, und erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts löste der allgemeine
Sie dringen in die Städte ein und unterteilen willkürlich ganze Gebiete. Die Eisen- Gebrauchder Kursehen die Erfindung des Bürgersteiges aus.
bahnlinie ist ein Weg, den man nicht überschreitet; sie isoliert Stadtteile voneinander Im20.Jahrhundert begann wie eine Sintflut die Masse der Kraftfahrzeuge - Räder,
die, nachdem sie nach und nach mit Wohnungen bebaut wurden, sich der Kontakt~ ~lotorrader,Autos, Lastwagen, Straßenbahnen - mit ihrer unvermuteten Ge-
beraubt sahen, die ihnen unerläßlich sind. schv.indigkeit zu strömen.
In manchen Städten ist die Situation für die allgemeine Wirtschaft bedenklich und füs blitzartige Wachstum gewisser Städte, New Yorks z.B., bewirkte einen unvor-
d_erStädtebau ist_dazu berufen, den Umbau und die Verlegung gewisser et;e auf steUbaren Andrang von Fahrzeugen an einigen bestimmten Punkten.
eme Art und Weise zu erwägen, die sie in die Harmonie eines Gesamtplanes einbe- Esisthöchste Zeit, durch entsprechende Maßnahmen einer Situation abzuhelfen, die
zieht. sichzur Katastrophe auswächst.
Dieerste zweckdienliche Maßnahme bestünde darin, in den verstopften Verkehrs-
aderndas Los der Fußgänger radikal von dem der mechanischen Fahrzeuge zu tren-
nen.
Diezweite,den Lastern eine besondere Fahrbahn einzuräumen.
Diedritte, für den Fernverkehr Durchgangsstraßen vorzusehen, die unabhängig wä-
renvonüblichen Straßen, die nur dem ahverkehr bestimmt sind.

148 149
64
61 Verkehrsströme sollen grundsätzlich durch Gru··n st ret"fen •1soli ert wer-
Oieuroßen
c
Die stark belasteten Kreuzungen sollten durch Differenz im Höhenniveau der den.
Straßen für den zügigen Verkehr eingerichtet werden.
DieDurchfahrts-und F~mverkehrsstraßen, genau unterschieden von den Nahver-
Die Fahrzeuge des Fernverkehrs sollten nicht der Einrichtung des obligatorischen kehrssrraßen,
werden kem~n Anlaß haben, den öffentlichen oder privaten Bauten in
Haltens an jeder Straßenkreuzung unterworfen sein, durch das ihre Fahrt unnötiger- dieNähezu kommen. Es wird gut sein, sie mit dichten grünen Hecken einzufassen.
weise verlangsamt wird.
Differenzen im Höhenniveau der Straßen an jeder Übergangsstelle sind das beste
Mittel, ihnen eine durchgehende Fahrt zu sichern.
An den großen Fernverkehrsstraßen werden in Abständen, die so errechnet sind, daß
sie die beste Möglichkeit ergeben, Übergänge angelegt, die sie mit den ahverkehrs-
5.HISTORISCHES ERBGUT DER STÄDTE
straßen verbinden.
65
ArchitektonischeWerte müssen bewahrt werden (einzelne Gebäude oder städti-
62 scheEnsembles).
Der Fußgänger muß andere Wege als das Kraftfahrzeug benutzen.
DasLebeneiner Stadt ist ununterbrochenes Geschehen, das sich durch die Jahrhun-
Das würde eine fundamentale Reform des Verkehrs in den Städten bedeuten - es
denehmdurchmanifestiert in materiellen Werken - Grundrissen oder Konstruktio-
gäbe keine gescheitere und auch keine, die eine neue und fruchtbarere Ära des Städ-
nen-, die ihr ihren besonderen Charakter verleihen und die nach und nach zum
tebaus einleiten könnte.
DIESE FORDERUNG AN DEN VERKEHR MUSS ALS EBENSO U ERBITI- Ausdruck ihrer ,Seele, werden.
LICH ERACHTET WERDEN WIE DIE FORDERU G, DIE AUF DEM GE- Essindkostbare Zeugen der Vergangenheit, auch weiterhin respektiert, einmal we-
BIETE DES WOHNUNGSBAUS JEDE ORDLAGE VERDAMMT. genihreshistorischen oder gefühlsmäßigen Wertes; sodann weil einigen ein schöpfe-
rischer
Wert innewohnt, der eine Verkörperung des menschlichen Genius auf seiner
bodmenStufe ist.
63 Siegehörenzum Erbgut der Menschheit, und diejenigen, in deren Besitz oder Obhut
Die Straßen müssen nach ihrer Funktion differenziert werden: Wohnstraßen, siesind,haben die Verantwortung und die Verpflichtung, alles zu tun, was zulässig
Straßen für Spaziergänge, Durchgangsstraßen, Hauptverkehrsstraßen. ist,umden kommenden Jahrhunderten dieses noble Erbe unversehrt zu überliefern.
Die Straßen sollten - anstatt allen und allem überlassen zu sein - je nach ihrerKa-
tegorie verschiedene Verkehrsordnungen kennen. 66
Die Wohnstraßen und die Flächen für die gemeinschaftliche utzung verlangeneine Siewerdenbewahrt, wenn sie der Ausdruck einer früheren Kultur sind und wenn
besondere Atmosphäre. sieeinemallgemeinen Interesse entsprechen ...
Um d_enWo~nungen und ihren <Verlängerungen, die notwendige Ruhe und dennot-
wendigen Fneden zu verschaffen, werden die mechanischen Fahrzeuge in besondere DerTod, der kein Lebewesen verschont, ereilt auch die Werke der Menschen. Man
Umgehungsstraßen geschleust werden. mußdieZeugnisse der Vergangenheit zu unterscheiden wissen und erkennen können,
Die Fernverkehrsstraßen werden keine Berührungspunkte mit den ahverkehrsstra- welche noch lebendig sind.
ßen haben, es sei denn an den Zufahrtspunkten. ~ichralles Vergangene hat - allein weil es vergangen ist - Anspruch auf Bestand;
~ie großen Hauptverkehrsstraßen, die mit dem ganzen Ensemble der Region inVer- esistratsam, mit Besonnenheit das auszuwählen, was respektiert werden soll.
bmdung stehen, behaupten natürlicherweise ihren Vorrang. 'v."enndie
Interessen der Stadt durch das Fortbestehen gewisser majestätischer Zeugen
Aber Straßen für Spaziergänge werden ebenfalls vorgesehen sein, und da den Fahr- einerverflossenen Ära verletzt werden, so wird eine Lösung zu suchen sein, die es
ze_ugen~ür diese Straßen ~ine reduzierte Geschwindigkeit strikt vorgeschrieben sein ermöglicht,zwei entgegengesetzte Standpunkte zu vereinen: .
wird, durf~e ~as ~ebenemander von Fahrzeugen und Fußgängern dort nicht mehr IndenFällen, in denen man Bauwerke vor sich hat, die sich in zahlreichen Exempla-
zu Unzutraghchke1ten führen. renwiederholen, werden einige als Beleg erhalten, die anderen abgerissen werden.
151
150
In anderen Fällen wird nur der Teil, der ein Andenken oder einen reellen Wen dar- 69
stellt, ausgespart werden können; das übrige wird zu Nutzzwecken umgebaut wer- [)erAbbruchder Elendsquartiere rings um die historischen Monumente wird die
den. Gdegenheitzur Schaffung von Grünflächen bieten.
Endlich kann in einigen Ausnahmefällen die gänzliche Verlegung von Elementenvor- Esmagsein, daß das A~reiß~n ungesunder Häuser und Elendsquartiere rings um
gesehen werden, die durch ihre Lage zwar ein Hindernis, ?urch ihre große ästheti- roiige
~lonumente ,•on h1stonschem Wert ein jahrhundertealtes Milieu zerstört. Das
sche oder historische Bedeutung aber der Erhaltung wert smd. istbedauerlich,aber unvermeidbar.
~fanv.·ird
sich di~ Situation zu_nut~e machen, um Grünflächen anzulegen. Die Spuren
67 derVergangenheit werden so m eme neue Umwelt gestellt, die vielleicht unerwartet,
... wenn ihre Erhaltung nicht das Opfer fordert, daß für die Bevölkerung unge- iherge"ll"iß
erträglich ist und die in jedem Falle den angrenzenden Vierteln reichlich
sunde Lebensbedingungen aufrecht erhalten werden ... zurote
0
kommen wird.
Ein engstirniger Kult der Vergangenheit darf aber nicht dazu führen, die Gesetzeder
sozialen Gerechtigkeit zu mißachten. Gewisse Schöngeister, denen ästhetische Be- 70
lange wichtiger sind als die der Solidarität, kämpfen um die Erhaltung alter maleri- DieVerwendungvon tilen der Vergangenheit, unter dem Vorwand der Ästhe-
scher Viertel, ohne sich um das Elend, das Durcheinander und die Krankheitenzu tik,hatbei neuen Bauten, die in historischen Stadtgebieten errichtet werden, ver-
kümmern, die in jenen Vierteln zu Hause sind. heerende Folgen. Das Festhalten an solchen Gepflogenheiten oder die Einfüh-
Sie laden sich damit eine schwerwiegende Verantwortung auf. rungvon darauf gerichteten Initiativen wird unter keinen Umständen geduldet
Das Problem muß untersucht und kann manchmal durch eine geschickte Lösungbe- !l"erden.
reinigt werden; aber in keinem Falle darf der Kult des Malerischen und Historischen
SolcheMethoden widersprechen den großen Lehren der Geschichte. Niemals hat es
wichtiger sein als die gesunde Beschaffenheit der Wohnung, von der das Wohl und
die moralische Gesundheit des Individuums so innig abhängen. aneRuckkehrin die Vergangenheit gegeben, nie ist der Mensch auf der Stelle getre-
ten.
Die~ieisterwerkeder Vergangenheit beweisen uns, daß jede Generation ihre Art zu
68 denkenhatte, ihre Auffassung, ihre Ästhetik, daß sie die Gesamtheit der technischen
wenn es möglich ist, den Nachteilen ihres Vorhandenseins durch radikale Hilfsm1rtel
ihrer eigenen Epoche aufrief, ihr als Sprungbrett ihrer Phantasie zu die-
Maßnahmen abzuhelfen: zum Beispiel durch Umleitung lebenswichtiger Ele- nen.
mente des Verkehrs oder sogar durch das Verlagern von Zentren, deren Lage man Skfavisch
die Vergangenheit kopieren, das heißt sich selbst zur Lüge verdammen, das
bisher für unabänderlich hielt. heißtdas,Falsche, zum Prinzip erheben, denn die alten Arbeitsbedingungen können
Das außergewöhnliche Wachstum einer Stadt kann eine gefährliche Situation schaffen nichtwiederhergestellt werden, und die Anwendung der modernen Technik auf ein
und zu einem Engpaß führen, aus dem man nur durch gewisse Opfer herausfindet. 1·erjähnes
Ideal führt immer nur zu einem sinnlosen Trugbild des ganzen Lebens.
Das Hindernis wäre vielleicht nur durch Abbruch zu beseitigen. Das,Falsche,mit dem ,Wahren, zu verquicken, weit davon entfernt, einen einheitli-
Aber da diese Maßnahme die Zerstörung echter architekconischer, historischer oder chenEindruckzu erreichen und die Empfindung der Seilreinheit zu vermitteln, führt
geistiger Werte mit sich bringt, ist es ohne Zweifel besser, nach einer anderen Lösung lediglich
zu einer künstlichen Wiederbelebung, nur dazu angetan, die authentischen
zu suchen. Zeugnisse,deren Erhaltung einem am meisten am Herzen lag, zu diskreditieren.
Anstatt das Hindernis dem Verkehr zu opfern, wird man den Verkehr selbst umleiten
oder wird ihn, wenn die Verhältnisse es erlauben, durch einen Tunnel schleusen.
Endlich kann man auch ein Zentrum intensiver Tätigkeit verlegen und, indem man
es anderswo ansiedelt, die Verkehrsbedingungen der verstopften Gebiete völligabän-
dern.
Phantasie, Erfindungskraft und technische Hilfsmittel müssen sich vereinen, umdie
Knoten zu lösen, die völlig unentwirrbar erscheinen.

152 153
~---------■
LEHRSÄTZE

71
DieMehrzahl. der . untersuchten
. . Städte bietet heutzutage das Bi"ld d es Ch aos: sie

(tltsprechen
10_ kemer We~se 1~rer. Bestim_mung, die vordringlichen biologischen
undps)chologtSchenBedurfn1sse ihrer Einwohner zu befriedigen.

DieZahlder tadte, die aus Anlaß dieses Kongresses durch die sorgfältige Arbeit
iuaonalerGruppen der •INTER ATIO ALE KONGRESSE FÜR NEUES
BAt:E~,CIAM untersucht wurden, belief sich auf 33: Amsterdam, Athen, Brüs-
<a.Bilumore,Bandung, Budapest, Berlin, Barcelona, Charleroi, Köln, Corno, Da-
..i:, Detroit, Dessau, Frankfurt, Genf, Genua, Den Haag, Los Angeles, Litcoria,
London, ~ladrid, Oslo, Paris, Prag, Rom, Rotterdam, Stockholm, Utrecht, Verona,
i~chau, Z:igreb, Zürich.
s:eillusmerendie Geschichte der weißen Rasse unter den verschiedensten klimati-
1<:hen Bedingungenund Breitengraden.
AllelegenZeugnis ab fur das gleiche Phänomen: Ordnungslosigkeit, die durch das
~llSChmensystem in einen Zu tand hineingetragen wurde, der bis dahin eine relative
Hmno01e zuließ; eben o Mangel jeden ernsthaften Versuchs zur Anpassung.
ln.tlldiesentadten i t der ~len eh Bedrängnissen ausgesetzt. Alles, was ihn umgibt,
macktund erdruckt ihn. ich es, was notwendig ist für seine physische oder mora-
..iche Ge undheit, i t erhalten oder eingerichtet worden.
DieSudtentspricht nicht mehr ihrer Funktion, die darin besteht, die Menschen zu
1<:hu1Zen und sie gut 7U chutzen.

72
Dieseituation enthüllt die unaufhörliche Aneinanderreihung von Privatinter-
essm
seit dem Beginn de Ma chinenzeitalters.
Der\'orrang der privaten Initiati\'en, durch persönliches Interesse und den Köder
JesGe'l\·inns
erregt, 1st die Grundlage für den bedauerlichen Zustand der Dinge.
KerneBehörde, die ich der atur und der Wichtigkeit des maschinellen Fortschritts
bo.1161wäre, hat bis jetzt interveniert, um die Verheerung zu verhindern, für die
niemand wirklich veranrwortlich gemacht werden kann.
DieUnternehmen waren hundert Jahre hindurch dem Zufall ausgeliefert: Woh-
nungs-oder Fabrikbau, traßen-, Kanal- oder Eisenbahnbau, alles hat sich m einer
Hi.stund mit einer persönlichen Heftigkeit vervielfacht, die jeden bedachten Plan
nndjedevorherige Überlegung ausschlossen. . ..
Heuteist das Unheil geschehen. Die Städte sind unmenschlich, und aus der ruck-
sichtslosen
Brutalität einiger Privatinteressen ist das Unglück zahlloser Personen ent-
lUnden.

154 155
73 Individuelle Freiheit und gesellschaftliches Zusammenwirken, das sind die beiden
Die Stärke der Privatinteressen ruft einen verheerenden Bruch des Gleichge- Pole,zwischen denen sich das Leben abspielt.
wichts hervor zwischen dem Vordringen der wirtschaftlichen Kräfte einerseits JedesUnremebmen, dessen Ziel die Verbesserung des menschlichen Schicksals ist
und andererseits der Schwäche administrativer Kontrolle und der Kraftlosigkeit mußdiesenbeiden Faktoren Rechnung tragen. Wenn es ihm nicht gelingt, diese bei~
sozialen Zusammenhalts. denoft entgegengesetzten Forderungen zu befriedigen, ist es unweigerlich zum
Scheiternverurteilt.
In das Gefühl für administrative Verantwortlichkeit und sozialen Zusammenhalts
Esistauf alle Fälle unmöglich, sie in harmonischer Weise zu koordinieren, wenn man
werden täglich Breschen geschlagen durch die lebendige und ohne Umerlaß emeuem
nichtim voraus ein Programm ausarbeitet, das sorgfältig geprüft ist und das nichts
Kraft des Privatinteresses. demZufallüberläßt.
Diese drei Kraftquellen befinden sich in andauerndem Widerspruch zueinander,und
wenn die eine angreift, verteidigt sich die andere.
In diesem unglücklicherweise ungleichen Kampf triumphiert meistens das Privatin- 76
teresse, indem es, zum Schaden der Schwachen, den Erfolg der Stärkeren sicherstellt. DieDimensonierung aller Gegenstände in den räumlichen Anordnungen der
Aber aus dem Übermaß des Ubels erwächst manchmal das Gute, und die ungeheuer- Stadtkann nur vom menschlichen Maßstab bestimmt werden.
liche materielle und moralische Unordnung der modernen Stadtgemeinde hatviel-
Dasnatürliche Maß des Menschen muß als Basis für alle Maßstäbe dienen, die eine
leicht zur Folge, endlich ein Statut über die Stadt ins Leben zu rufen, das, gestützt
auf eine starke administrative Verantwortlichkeit, die unerläßlichen Regelnzum Beziehungzum Leben und zu den verschiedenen Funktionen des Daseins haben sol-
len.
Schutze der Gesundheit und der menschlichen Würde einführen wird.
DieSkalader Maße, die auf Flächen oder Entfernungen anzuwenden sind, die Skala
derEntfernungen, die in ihrer Beziehung zum natürlichen Verhalten des Menschen
74 geprüftwerden müssen, Maßstäbe für Stunden-Pläne, die bestimmt werden müssen,
Obgleich die Städte sich im Zustand ständiger Umwandlung befinden, schreitet indemman den Tageslauf der Sonne berücksichtigt.
ihre Entwicklung fort ohne Präzision und Kontrolle und ohne daß den Grund-
sätzen des zeitgenössischen Städtebaus, die in qualifizierten technischen Kreisen
ausgearbeitet worden sind, Rechnung getragen würde. 77
DieSchlüsselzum Städtebau liegen in folgenden vier Funktionen:
Die Grundsätze des modernen Städtebaus sind durch die mühevolle Arbeit unzähli- Wohnen,
ger Techniker entwickelt worden: Technikern der Baukonstruktion, Technikernder Arbeiten,
Gesundheit, Technikern sozialer Organisation. Sicherholen (in den freien Stunden),
Die Grundsätze sind Gegenstand von Artikeln, Büchern, Kongressen, öffentlichen Sichfortbewegen.
oder privaten Debatten gewesen.
DerStädtebau hat sich bisher nur an ein einziges Problem gewagt, an das Verkehrs-
Aber es muß gelingen, ihnen Gültigkeit zu verschaffen bei den Verwaltungsorganen,
problem.Er hat sich damit begnügt, Ausfallstraßen zu bahnen oder Straßen zu zie-
die damit beauftragt sind, über das Schicksal der Städte zu wachen, und die dengro-
hen,und hat damit Häuserinseln geschaffen, deren Bestimmung der Zufälligkeit pri-
ßen Umwälzungen, die sich durch diese neuen Gegebenheiten anbieten, oft feindlich
gegenüberstehen. vaterInitiativen überlassen worden ist.
Dasist eine beschränkte und unzulängliche Ansicht von der Aufgabe, die ihm zuge-
Es ist zuerst notwendig, daß die Autorität aufgeklärt werde, und dann mußsieban·
dein. Es kann gelingen, durch Scharfsichtigkeit und Energie die gefährdete Situation fallenist.
wieder in Ordnung zu bringen. DerStädtebau hat vier Aufgaben; dies sind: .
erstens,den Menschen gesunde Unterkünfte zu sichern, d.h. Orte, wo Ra~m, fnsche
Luftund Sonne, diese drei wesentlichen Gegebenheiten der Natur, weitestgehend
75 sichergestelltsind; . ..
Die Stadt muß auf geistiger und materieller Ebene die individuelJe Freiheit und zweitens solche Arbeitsstätten zu schaffen, daß die Arbeit, anstatt em druckender
den Nutzen gesellschaftlichen Zusammenwirkens sicherstellen. Zwangz~ sein, wieder den Charakter einer natürlichen Tätigkeit annimmt;

156 157
drittens, die notwendigen Einrichtungen zu einer guten Nutzung der Freizeitvorzu- entSprechendihrer Lage im Stadtplan
. geregelt
. , in Überei'nsti· mmung mit· dem Sonn-
sehen, so daß diese wohltuend und fruchtbar wird; entagvon 24 Stunden,
. der • • un d a 11
. die menschlichen Tätigkeiten rhyth m1s1ert en U n-
viertens, die Verbindung zwischen diesen verschiedenen Einrichtungen herzustellen 1ernehmungen das nchuge Maß zuerteile.
durch ein Verkehrsnetz, das den Austausch sichert und die Vorrechte einer jedenEin-
richtung respektiert. .. _
DIESE VIER AUFGABEN SIND DIE VIER SCHLUSSEL DES STADTEBAUS.
80
Dieneuen mec~anisc~en Ge_schwindigkeiten haben das städtische Milieu in
Unordnun_ggest~rzt,_ mdem sie eine ständige Gefährdung mit sich bringen, Ver-
78 kehrsengpasse,die Lahmung der Verkehrsverbindungen hervorrufen und die
Die Pläne werden die Struktur eines jeden der den vier Schlüsselfunktionen zuge- Hygienebedrohen.
wiesenen Stadtteils bestimmen, und sie werden deren entsprechende Lokalisie-
DiemechanischenFahrzeuge hätten von befreiender Wirkung sein sollen und durch
rung innerhalb des Ganzen fixieren-
ihreGeschwindigkeit einen beachtlichen Gewinn an Zeit herbeiführen müssen.
Die vier Schlüsselfunktionen brauchen, um sich in ihrem ganzen Umfang manifestie- Aberihre Ansammlung und Konzentration an gewissen Stellen sind gleichzeitig ein
ren zu können, besondere Vorkehrungen, die jeder Schlüsselfunktion die günstigsten Hindernisfür den Verkehr und der Anlaß ständiger Gefahr geworden. Darüber hin-
Voraussetzungen zur Entfaltung ihrer eigenen Aktivitäten bieten. aushabensie zahlreiche gesundheitsschädigende Faktoren in das Leben der Stadtge-
Der Städtebau wird, indem er dieser Notwendigkeit Rechnung trägt, die Gestaltder meinde gebracht. Ihre Abgase, die sich in der Luft verbreiten, sind schädlich für die
Städte umwandeln, wird mit dem erdrückenden Zwang von Gewohnheiten brechen, Lunge,und ihr Lärm bewirkt beim Menschen den Zustand permanenter Nervosität.
die ihre Daseinsberechtigung verloren haben, und wird schöpferischen Menschenein Dieschonjetzt verfügbaren Geschwindigkeiten wecken die Versuchung zur täglichen
unbegrenztes Tätigkeitsfeld öffnen. Fluchtin die ferne, in die atur, verbreiten den Geschmack an einer hemmungs-
Jede der Schlüsselfunktionen wird autonom sein, gestützt auf die Gegebenheitenvon undmaßlosenMobilität und begünstigen eine Art zu leben, die, indem sie die Familie
Klima, Topographie und Gebräuchen; sie werden als Wesenheiten betrachtet werden, auseinanderreiße,die Grundlagen der Gesellschaft zutiefst verwirrt.
denen Gelände und Räumlichkeiten zugeteilt werden, für deren Ausstanungund Sieverdammenden Menschen dazu, ermüdende Stunden in Fahrzeugen aller Art zu
Einrichtungen alle großzügigen Hilfsmittel der modernen Technik aufzubringen verbringenund nach und nach die Ausübung der Tätigkeit zu vergessen, die gesund
sind. undnatürlich ist wie keine andere: des Gehens.
Bei dieser Verteilung werden die lebenswichtigen Bedürfnisse des Indi,·iduumsbe-
rücksichtigt werden und nicht das Interesse oder der Profit einer einzelnen Gruppe. 81
DasPrinzip des städtischen und vorstädtischen Verkehrs muß revidiert werden.
79 EineKlassifizierung der möglichen Geschwindigkeiten muß vorgenommen wer-
Der Zyklus der täglichen Funktionen: wohnen, arbeiten, sich erholen, wird den.
durch den Städtebau unter dem Gesichtspunkt der größten Zeitersparnis gere- DieReform der Zoneneinteilung wird - indem sie die Schlüsselfunktionen der
gelt, indem das Wohnen als das eigentliche Zentrum der städtebaulichen Bestre- Stadtuntereinander in Einklang bringt - natürliche Verbindungen zwischen
bungen und als der Angelpunkt aller Maßnahmen betrachtet wird. diesenherstelJen, zu deren Festigung ein rationelles Netz großer Verkehrsadern
vorgesehensein wird.
Der _Wunsch, die Bedingungen der Natur wieder ins tägliche Leben einzuführen,
schemt auf den er~ten Blick eine größere horizontale Ausdehnung der Stadt ratsam DieZoneneinteilung wird Ordnung in das Gebiet der Stadt bringen, indem sie die
zu machen; aber die Notwendigkeit, die verschiedenen Tätigkeiten nach demTages- Schlüsselfunktionenberücksichtigt: wohnen, arbeiten, sich erholen.
lauf der Sonne auszurichten, widersetzt sich dieser Auffassung, deren achteildarin DerVerkehr,die vierte Funktion, darf nur ein Ziel haben: die drei anderen nutzbrin-
besteht, Entfernungen aufzuzwingen, die in keinem Verhältnis zur verfügbarenZeit gendin Verbindung zu bringen.
stehen. GroßeUmwälzungen sind unvermeidlich. Die Stadt und ihr Gebier müssen mit ei-
ES IST DIE WOHNUNG, DIE DAS ZENTRUM ALLER DRI GLICHEN AN- nemVerkehrsnetz versorgt werden, das - den Nutzungen und den Zwecken exakt
LIEGEN DES STÄDTEBAUERS IST; das Spiel der Entfernungen wird in Zukunft angeglichen
- die moderne Technik des Verkehrs begründen wird.

158 159
Man muß die Verkehrsmittel klassifizieren und unterscheiden und für jede An eine Eine
klareBestimmung der Gebietsgrenzen wird daraus resultieren.
Fahrbahn schaffen, die der Natur des benutzten Fahrzeugs entspricht. DasisttotalerStädtebau, und er ist imstande, das Gleichgewicht in der Provinz und
Der so geregelte Verkehr wird zu einer geordneten ~unktion, die der Strukturder
imLandeherzustellen.
Wohnung oder derjenigen der Arbeitsstätten keinerlei Gewalt antut.
84
82 DieStadt,künftig als eine funktionelle Einheit definiert, muß dann harmonisch
Der Städtebau ist eine dreidimensionale Wissenschaft und keine zweidimensiona- injedemihrer Teile wachsen, da sie über Räume und Verbindungen verfügt, in
le. Indem man das Element der Höhe einführt, wird eine Lösung gefunden für denensich die Etappen ihrer Entwicklung im Gleichgewicht vollziehen können.
den modernen Verkehr und gleichzeitig für die Freizeit durch die Nutzung der
so geschaffenen Freiräume. DieSradt wird den Charakter eines im voraus durchdachten Unternehmens anneh-
men,dasden strengen Regeln eines allgemeinen Planes unterworfen ist.
Die Schlüsselfunktionen WOHNEN, ARBEITEN, SICH ERHOLEN entfalten KlugeVoraussicht wird ihre Zukunft skizziert, ihren Charakter beschrieben, das
sich im Innern der Baumassen, die drei gebieterischen otwendigkeiten unterworfen Ausmaß ihrer Entwicklung vorhergesehen und deren Exzesse im voraus einge-
sind: genügend Raum, Sonne, Belüftung. Schränkt
haben.
Diese Baumassen hängen nicht nur vom Boden und seinen beiden Dimensionenab, DenErfordernissen der Region untergeordnet, dazu bestimmt, die vier Schlüssel-
sondern VOR ALLEM von einer dritten, der Höhe. Indem er die Höhe miteinbe- funktioneneinzurahmen, wird die Stadt nicht mehr das ordnungslose Resultat zufäl-
zieht, wird der Städtebau die für die Verkehrsverbindungen notwendigen Flächen ligerlniciativen
sein.
und die der Freizeitgestaltung dienenden Freiräume gewinnen. IhreEntwicklung wird - anstatt in eine Katastrophe zu führen - die Vollendung
Man muß die ortsgebundenen Funktionen - die sich im Innern der Bauten entfalten, bedeuten.Und das Anwachsen der Bevölkerung wird nicht mehr zu diesem un-
wo die dritte Dimension die allerwichtigste Rolle spiele - unterscheiden von den menschlichen Gedränge führen, das eine der Plagen der großen Städte ist.
Funktionen des Verkehrs, die ihrerseits, da sie nur zwei Dimensionen benutzen,an
den Boden gebunden sind und für die die Höhe nur ausnahmsweise und in geringfü-
gigem Ausmaß eine Rolle spielt, z.B. in den Fällen des iveauwechsels, der dazu 85
bestimm_t ist, gewisse intensive Verkehrsbelastungen zu regeln. Es~tvon dringlicher Notwendigkeit, daß jede Stadt ihr Programm aufstellt und
dieGesetzeerläßt, die seine Verwirklichung gestatten.
83 DerZufallwird der Voraussicht weichen, das Programm wird auf die Improvisation
Die Stadt muß im größeren Rahmen ihrer Einflußregion untersucht werden.Ein folgen.
Regionalplan hat den einfachen gemeindlichen Plan zu ersetzen. Jedermögliche Fall wird dann im Regionalplan verzeichnet sein; die Grundstücke
Die Grenze einer Ansiedlung wird in Abhängigkeit vom Radius ihrer wirtschaft- werden vermessen und den verschiedenen Tätigkeitsbereichen zugeteilt werden: kla-
lichen Tätigkeit festgelegt. reVorschriftenfür das Unternehmen, das sofort in Angriff genommen und nach und
Die Aufgabestellungen des Städtebaus ergeben sich aus der Gesamtheit der Tätigkei- n~ch,in allmählichen Etappen ausgeführt wird. . .
ten, die sich nicht nur in der Stadt entfalten, sondern in der ganzen Region, deren DasGesetzwird das Boden-Statut festschreiben, indem es jede Schlüsselfunknon mit
Zentrum sie ist. denMittelnversieht durch die sie sich am besten zu realisieren und sich auf den Flä-
Die Existenzbedingungen der Stadt müssen untersucht und in Zahlen ausgedrückt chenanzusiedeln ve,rrnag, die am besten geeignet sind und in der zweckmäßig 5t en
werden, die es gestatten, die Etappen einer wahrscheinlichen künftigen Entwicklung Entfernung liegen. . .
vorauszusehen. DasGesetzmuß auch den Schutz und die Aufsicht über Gebiete vorsehen, die erSt
Eine entsprechende Untersuchung sekundärer Ansiedlungen wird eine Übersicht künftigbesiedelt sein werden. . . . .
über die allgemeine Situation vermitteln. Zuordnungen, Beschränkungen, Kompen- Eswirddas Recht haben, zu genehmigen «oder zu verbieten», wird Je_denchug ~e-
sationen können dann beschlossen werden, die jeder von Region umgebenen Stadt messene Initiative fördern, aber achtgeben, daß sie sich in den_allgemeinen Plan ein-
einen eigenen Charakter und ein eignes Schicksal verleihen. So wird jede Stadtihren fügtundstets den gesellschaftlichen Interessen, die das öffentliche Wohl ausmachen,
Platz und ihren Rang in der allgemeinen Wirtschaft des Landes einnehmen. untergeordnetbleibt.
160 161
86 88
Das Programm wird auf Grund gründlicher, von Spezialisten durchgeführter Derursprüngliche Ausgangspunkt des Städtebaus ist eine Woh 11 ( • w, h
Analysen aufgestelJt werden. Es hat die Etappen in Zeit und Raum vorauszuse- "h E" f- · • nze e eine wo -
nuog)und 1 re m ugung m eme Gruppe , die eine W:ohne·m h et't eff·1z1en
• ter G ro-•ße
hen. Es muß die natürlichen Hilfsmittel der Lage zu einem fruchtbaren Einklang bildet.
vereinigen: die Topographie des Ganzen, die wirtschaftlichen Gegebenheiten,die
soziologischen Notwendigkeiten, die geistigen Werte. \\'enndieZelle das biologische
- d" Element erster Ordnung ist , so ist d as H e1m,
• d . h . d as
Das Werk wird nicht mehr auf den unsicheren Plan des Geometers beschränkrsein Obdach einer F am il1e, 1e soziale Zelle.
der nach Zufälligkeiten die Vororte entwirft, den Brei der Wohnblocks und denStaub DieKonstruktion_dieses Heims, das seit mehr als einem Jahrhundert dem brutalen
der Kleinhaussiedlungen. Spielder Spekulauon untergeordnet ist, muß ein humanes Unternehmen w d
· · d - 1· h er en.
Es wird eine wirkliche biologische Schöpfung sein, die klar definierte, organischeBe- D.sHeim1st er ursprung 1c e Ausgangspunkt des Städtebaus. Es beschützt die Ent-
standteile umfaßt, die imstande sind, ihre wesentlichen Funktionen vollendetzuer- wicklung des ~enschen, hütet die Freuden und Leiden seines täglichen Daseins.
füllen. Sowiees in seinem Innern Sonne und frische Luft haben muß, so muß es darüber
Die Hilfsquellen des Bodens werden analysiert und die Einschränkungen, dieerauf- hinaus im Draußen verlängert werden durch verschiedene Gemeinschaftseinrichtun-
erlegt, anerkannt, das allgemeine Milieu und die natürlichen Rangwerte sorgfältigbe- gen.
dacht werden. Damit es leichter werde, die Wohnungen mit Gemeinschafts-Diensten auszustatten
Die großen Verkehrsadern sind auszubauen, an die richtige Stelle zu legen und ihre diedazubestimmt sind, Versorgung, Erziehung, ärztliche Hilfe oder Nutzung de;
Ausgestaltung nach dem ihnen zugedachten Verwendungszweck zu bestimmen. Freizeit bequem zu verwirklichen, wird man sie in Wohneinheiten von zweckent-
Eine Wachstumskurve wird die für die Stadt vorausgesehene wirtschaftliche Zukunft sprechender Größe zusammenfassen müssen.
zum Ausdruck bringen. Unumstößliche Verordnungen werden den Einwohnerndie
Behaglichkeit der Wohnung, eine möglichst weitgehende Erleichterung der Arbeit 89
und den beglückenden Gebrauch der freien Stunden sichern. Die Seele der Stadtwird Ausgehendvon solchen Wohnungs-Einheiten werden sich im städtischen Raum
aufleben durch die Klarheit der Planung. dieBeziehungen herstellen zwischen Wohnung, Arbeitsstätte und den der Frei-
zeitzugedachten Einrichtungen.
87 Dieerstealler Funktionen, die die Aufmerksamkeit des Städtebauers zu beanspru-
Für den Architekten, der sich auf diese Weise mit städtebaulichen Aufgabenbe- chenhat, ist wohnen und ... gut wohnen.
schäftigt, wird der menschliche Maßstab das Messinstrument sein. ~!anmuß aber auch arbeiten und muß es unter Bedingungen tun können, die eine
ernsthafteRevision der augenblicklich gültigen Gewohnheiten erfordert. Die Büros,
Die Architektur muß nach ihren Abwegen während der letzten hundert Jahre wieder dieWerkstätten,die Fabriken müssen mit Einrichtungen ausgestattet werden, die im-
in den Dienst des Menschen gestellt werden. standesind, das Wohlbefinden sicherzustellen, das zur Verwirklichung dieser zwei-
Sie muß sich trennen von dem sterilen Pomp, sich dem Individuum zuwendenund
tenFunktion notwendig ist.
für de:se~ Glück _dieEinrichtung schaffen, die für all seine Lebensäußerungen - in· Undendlichdarf man die dritte Funktion nicht vernachlässigen: sich erholen, Geist
dem sie diese erleichtern - einen Rahmen bilden werden. undKörper bilden. Und der Städtebauer hat die nötigen Räumlichkeiten und ihre
Wer_~önnte die not_wendigen Maßnahmen treffen, um diese Aufgabe zum Gelingen Lage1·orzusehen.
zu führen, wenn nicht der Architekt, der die vollkommenste Kenntnis vom Men-
schen besitzt, der die illusorischen Schaubilder fallengelassen hat und durch dierich-
u~e An_p~ssung der Mittel an ihre beabsichtigten Zwecke eine Ordnung schaffen 90
wird, die ihre besondere Poesie in sich selbst trägt? Umdiesegroße Aufgabe zu lösen, ist es unerläßlich, die Hilfsmittel der modernen
Technikzu nutzen.
Diesewird die Baukunst durch das Zusammenwirken ihrer Spezialisten mit allen
Sicherheitender Wissenschaft unterstützen und sie mit zahlreichen Erfindungen
bereichern.

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Das Maschinenzeitalter hat technische Neuerungen eingeführt, die einer der Grunde igrupp!e~ die Unterkünfte zu ~O:IN~I HEITEN, deren Gelingen von der
Richrigke1t
ihrer Berechnungen abha~_g1gwird_
sind für die Ordnungslosigkeit und die Umwälzungen in den Städten. Dennochmuß
man der Technik die Lösung des Problems abverlangen. ~ereseniert1m ,·oraus die FREIFLACHE , in deren Mitte sich die Baumasse in
1urmonischenPropo~!onen erheben wird_
Die modernen Konstruktionstechniken haben neue Methoden aufgestellr, neueEr-
leichterungen gebracht, neue Dimensionen gestattet. s:erichcet
die .VER_LA GERU GE • DER WOHNUNG ein, DIE ARBEITS-
In der Geschichte der Architektur eröffnen sie tatsächlich eine neue Periode. STATTE:--:,DIE FUR DIE E TSPA NU G BESTIMMTEN GELÄNDE.
Die neuen Konstruktionen werden nicht nur von einem Umfang, sondern auchvon das\'ERKEHRS ETZ an, das die verschiedenen Zonen in Kontakt mitein-
S,elegt
einer Komplexität sein, die bis dahin unbekannt war. Um die vielfältige Aufgabe,die mderbringt.
ihm gestellt ist, zu lösen, wird der Architekt auf allen Ebenen seiner Unternehmun- DieArchitekturist für das Wohlbefinden und die Schönheit der Stadt verantwortlich.
gen zahlreiche Spezialisten zuziehen müssen. SehatdieAufgabe, die Sradr zu schaffen oder zu verbessern, und ihr fallen die Wahl
unadieVerteilungder ,·erschiedenen Elemente zu, deren geglückte Proportionen ein
jwmonisches und dauerndes Werk begründen wird.
DieArchitekturist der chlüssel zu allen.
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Der Gang der Ereignisse wird von Grund auf beeinflußt werden durch politische,
soziale und ökonomische Faktoren ... 93
DieSkalader Arbeiten, die dringlich zur Einrichtung der Städte in Angriff zu
Es genügt nicht, daß die Notwendigkeit der ,Boden-Statuts• und einiger Konstruk-
aehmen sind und anderer eit der grenzenlos zerstückelte Zustand des Grundbe-
tionsprinzipien anerkannt wird. Um von der Theorie zu Taten zu kommen, 1stdas
sittcssindz"'eieinander feindliche Realitäten.
Zusammenwirken folgender Faktoren notwendig:
Eine politische Macht, die so ist, wie man sie sich wünscht - klarblickend, sicher DieArbeiten,die von dringlichster Wichtigkeit sind, müssen unverzüglich in Angriff
und entschlossen, die besten Lebensmöglichkeiten zu verwirklichen, die auf demPa- ~en werden, da alle rädre der Welt, ob alt oder modern, die gleichen Schäden
pier der Pläne ausgearbeitet und eingeschrieben worden sind; iuiv.e1sm,entstanden aus den gleichen Gründen.
Eine aufgeklärte Bevölkerung, die versteht, wünscht und fordert, was die Speziali- \~r kemeTei1Jrbe1tdarf unternommen werden, wenn sie sich nicht in die Rahmen
sten für sie ins Auge gefaßt haben; nSudtund Region einfügt, die durch eine vielseitige Untersuchung und einen um-
Eine wircschaftliche Situation, die erlaubt, Arbeiten, von denen einige beachtlich •i.ssmdm Ge amtplan vorge ehen sein werden.
sind, in Angriff zu nehmen und auszuführen. DieserPlan wird notwendigerweise Teile umfassen, deren Realisation unverzüglich
Es kann jedoch vorkommen, daß selbst in einer Epoche, in der alles einen Tiefstand •:\ngriff
genommen"' erden kann, und andere, deren Ausführung auf unbestimmte
erreicht hat, in der die politischen, moralischen und ökonomischen Bedingungendie Ztitm~choben werden muß.
denkbar ungünstigsten sind, die NOTWENDIGKEIT, SICH A STÄ DIGEBE- bhlreicheBodenparzellen werden enteignet werden müssen und der ~egenstand
HAUSUNGEN ZU SCHAFFEN, SICH PLÖTZLICH ALS GEBIETERISCHE ronTransaktionen em. Und dann ist das schmutzige Spiel der Spekulauon zu be-
VERPFLICHTUNG ERWEIST, DIE DER POLITIK, DEM SOZIALWESfä mrchten, das so oft große Unternehmungen, die angeregt sind durch die Sorge um
UND DER WIRTSCHAFT DAS ZIEL U D DAS GESCHLOSSE 1E PRO- llllöffenthcheWohl, 1m Keime erstickt. . .
GRAMM GIBT, DIE IHNEN GERADE GEFEHLT HABE . DisProblemde Grundbesitze und seiner möglichen Einforderung stellt sich m den
Südcen,an ihrer Penpherie und erstreckt sich auf das mehr oder weniger weite Ge-
biet,dasihre Region bildet.
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Und hier wird die Architektur nicht als letzte Kraft intervenieren_
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DIE ARCHITEKTUR WALTET ÜBER DAS GESCHICK DER STADT. Sieord- . festgestellte gefährliche
Dcrhicr . W1-d erspruc h wir• ft ein
• es_der gefährlichsten
. .. Pro-_
net die STRUKTUR DER WOHNUNG an, dieser wesentlichen Zelle im Gewebe blemc der Epoche auf: die Dringlichkeit, mit legalen Mitteln _die _Verdfugblard~e'.t
der Stadt, deren Gesundheit, Annehmlichkeit, Harmonie ihren Entscheidungen un- illttinutzbaren Boden zu regeln, um d -1e 1e b ensw1c• ht"1gen Bedi.trfmsse .es .n 1v1-
terworfen sind. duumsinvolJer Harmonie mit den Be d ur .. f • d Gesellschaft zu befriedigen.
mssen er
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Seit Jahren schon scheitern überall auf der Welt die ~roße_n Unternehmungen zur
Ausrüstung der Länder am versteinerten Statut des Pnvate1gentums. Der Boden_
das Territorium des Landes - muß in jedem Augenblick zur Verfügung gestelltwer-
den können, und zwar zu seinem entsprechenden Wert, der vor der Ausarbeitung
des Projektes geschätzt worden ist.
Der Boden muß mobilisierbar sein, wenn es um das allgemeine Interesse geht.
Zahllose Unannehmlichkeiten haben die Völker heimgesucht, die es nicht verstanden
haben, mit Genauigkeit den Umfang der technischen Umwälzungen und ihregewal-
tigen Rückwirkungen auf das öffentliche und private Leben abzuschätzen.
Das fehlen einer Stadtplanung ist die Ursache der Anarchie, die in der Organisation
der Städte, in der Ausrüstung der Industrien herrscht. Weil man Grundregelnver-
kannt hat, sind die Landgebiete entleert worden, sind die Städte - jenseits vonaller
Vernunft - überfüllt, die industriellen Konzentrationen auf Grund von Zufälligkei-
ten entstanden, die Arbeiterwohnungen zu Elendsquartieren geworden.
Nichts ist vorgesehen worden zum Schutze des Menschen. Das Resultat ist katastro-
phal und fast in allen Ländern das gleiche. Es ist die bittere Frucht von hundert Jahren
eines Maschinensystems ohne Richtung.

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Das Privatinteresse wird in Zukunft dem Interesse der Gesellschaft unterstellt
sein.
Sich selbst überlassen, wird der Mensch rasch erdrückt von den Schwierigkeitenaller
Art, die er zu überwinden hat. Andererseits wird seine Persönlichkeit, wenn siezu
vielen gesellschaftlichen Zwängen unterworfen ist, dadurch erstickt.
Das individuelle Recht und das gesellschaftliche Recht müssen sich untersrützen, ge-
genseitig stärken und alles zusammenlegen, was sie an unendlich Konstruktivem mit-
bringen.
Das individuelle Recht hat nichts zu tun mit einem gewöhnlichen Privatinteresse,das
eine Minderheit überhäuft, indem es die übrige soziale Masse zu einem mittelmäßigen
Leben verdammt; es verdient der strengsten Einschränkungen.
Es muß allenthalben dem Interesse der Gesellschaft unterstellt werden, und jedem
Individuum müssen die fundamentalen Freuden zugängig sein: die Behaglichkeitdes
Heims, die Schönheit der Stadt.

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