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Hammerschmidt E. Die äthiopistischen Studien in Deutschland (von ihren Anfängen bis zur Gegenwart). In: Annales d'Ethiopie.
Volume 6, année 1965. pp. 255-277;
doi : https://doi.org/10.3406/ethio.1965.1146
https://www.persee.fr/doc/ethio_0066-2127_1965_num_6_1_1146
IN DEUTSCHLAND
VON
ERNST IIAMMERSC11M1DT
<x> Sie stellen die erweiterte und revidierte Fassung eines im Journal of Ethiopian Studies,],
1963, S. 30-48, erschienenen Aufsatzes dar, als dessen zweite Auflage sie somit zu betrachten sind.
— Nur die Ortsnamen, deren äthiopische Schreibung mir zugänglich war, konnten genau translite-
ricrt werden. Allerdings habe ich auch hier in einigen Fällen (wie Schoa für Sawä) die konventionelle
Schreibung beibehalten.
(2' Den Lebenslauf Heyüngs beschrieb J. H. Michaelis : Sonderbarer Lebens-Lauff Peter Hey-
lings aus Lübec, und dessen Reise nach Ethiopien, Halle, 1724.
256 annales d'éthiopie
1633 ankam. Hier verkehrte er viel mit dem alten syrischen Erzbischof, bei dem
er fleißig Arabisch lernte. Zu Ostern 1634 zog er mit einer Anzahl syrischer Christen
nach Jerusalem, wo er seinen Freund von Dorne traf und mit zurück nach Kairo
nahm.
Im selben Jahr war eine Gesandtschaft des äthiopischen Königs Fäsiladas
(Basilides) (1) nach Ägypten gekommen, um einen neuen 'Abuna zu holen. Heyling
schloß sich dieser Gesandtschaft auf ihrer Rückreise an, um endlich in das Land
zu kommen, das er sich zum Ziel seiner Reise gesetzt hatte. In dem neuen 'Abuna
Märqos gewann er einen Freund, der sich in Äthiopien für ihn einsetzte und
erreichte, daß vornehme Männer Heyling ihre Söhne zur Erziehung übergaben. Dieser
Tätigkeit widmete sich Heyling mit großer Hingabe. Fäsiladas selbst soll solches
Vertrauen zu ihm gewonnen haben, daß er ihn an seinen Hof holte und zu seinem
Rat und Minister machte. Um ihn fester an sich zu binden, gab er ihm seine Tochter
zur Frau. Heyling vergaß aber über diesen Ehrungen und seiner hohen Stellung
nicht die Absicht, mit der er in das Land gekommen war : den Dienst am
Evangelium. Dazu gehörte zunächst, daß er das Neue Testament ins Amharische
übersetzte. Diese Übersetzertätigkeit wirkte noch lange nach : Besonders das
Evangelium des Johannes war im Volke so verbreitet, daß der Missionar 5. Gobat, der
in den Jahren 1830-1832 in Äthiopien weilte, eines Tages in Gondar einen
vornehmen Mann traf, der dieses Evangelium bei sich hatte (2).
In den späteren Jahren seines Aufenthaltes hat sich Heyling in die
Bergeinsamkeit des Vulkans Zequälä im Hochland der Schoa-Galla zurückgezogen. Es wurde
die Meinung geäußert, daß er dort in den Augen der Galla und später auch der
amharischen Eroberer zum heiligen Abbo wurde. Der Vulkan soll durch die Nähe
des heiligen Abbo zum Erlöschen gekommen sein. Auf die Frage, warum er auf
dem Kopf stehend abgebildet würde, antwortete ein äthiopischer Priester : « Es
ist der Ausdruck seiner beispiellosen Heiligkeit. Er konnte auf dem Kopfe stehen,
wie andere Menschen auf den Füßen, ohne zu ermüden ^ ».
Die Nachrichten über Heylings Tod lauten verschieden. Die einen erzählen,
daß Fäsiladas ihm befahl, das Land zu verlassen, da durch seine Lehre dogmatische
Streitigkeiten auszubrechen drohten. Auf der Reise sei er dann gestorben. 'Abbä
Gregorius berichtet, Heyling habe im Jahre 1652 vom Kaiser Urlaub erhalten, um
nach Kairo zu reisen. Der türkische Pascha von Suakin sei durch das Gold, das
der Kaiser Heyling mitgegeben hatte, verführt worden, ihn festzuhalten und vor
die Wahl zu stellen, Muslim zu werden oder zu sterben. Als Heyling sich mit den
Worten : « Ich lasse meinen Glauben nicht ; tue, wie es dir beliebt » weigerte, zum
Islam überzutreten, sei er enthauptet worden. 'Abbä Gregorius fügt zu diesem
Bericht, der aus dem Jahre 1656 stammt, hinzu : « Ich habe dasselbe also von den
Mönchen aus Kairo vernommen und weiß keine andere Nachricht. Nun sind es
vier Jahre her, daß er tot ist; ich selbst wollte wünschen, daß es nicht wahr sein
möchte (4) ». Damit stimmt auch überein, daß die Kopten Ägyptens (wie ich
Im Heim der Äthiopier zu Rom, dem Kloster Santo Stefano dei Mori (2), hörte
der Kölner Propst Johannes Potken eine eucharistische Liturgie, die in Ge'ez
gefeiert wurde. Potken suchte nach einem Dolmetscher, der ihm die Verständigung
mit den Äthiopiern ermöglichen könnte, fand aber keinen — nicht einmal unter
den in Rom lebenden Juden. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Sprache von
den Äthiopiern selbst zu lernen. Dabei fand er die Unterstützung eines Äthiopiers
namens Thomas Walda Samuel (3), eines Pilgers von Jerusalem. Nachdem er sich
eine ausreichende Kenntnis des Äthiopischen angeeignet hatte, veröffentlichte er
1513 auf eigene Kosten die Psalmen Davids und das Hohelied Salomos in Ge'ez
(das er ungenau als « Chaldäisch » bezeichnete) nach einer Handschrift, die sich
in der Bibliotheca Vaticana Befand (4). Als Potken 1515-1516 nach Köln
zurückkehrte, nahm er den äthiopischen Schriftguß mit sich und veröffentlichte 1518
in Köln die Psalmen Davids in Hebräisch, Griechisch, Äthiopisch und Lateinisch
(in Parallelkolumnen) unter dem Titel « Psalterium in quatuor linguis hebraea
graeca chaldaea latina ». Im Jahre 1522 fügte er seinem Werk eine Tafel mit dem
äthiopischen Alphabet, dem Vaterunser und Ave Maria in Äthiopisch und
Lateinisch hinzu ^.
Der Hilfe der äthiopischen Mönche von Santo Stefano dei Mori erfreuten sich
auch der Pfälzer Johann Georg Nissel (1623/24-1662), der lange Zeit in Leiden
lebte, und der Flensburger Theodor Petraeus (gest. 1672), die durch ihre
äthiopischen Drucke hervortraten ^K
*x) 0. F. A. Meinardus meint (in einem Aufsatz, der demnächst in den Ostkirchlkhen Studien
erscheinen wird), daß zwischen Heyling und Gabra Manfas Qeddus keine Verbindung
nachweisbar sei.
(2) Vgl. dazu Mauro da Leonessa, Santo Stefano Maggiore degli Abissini e le relazioni romano-
etiopiche, Città dei Vaticano, 1929; S. Euringer, San Stefano dei Mori (Vatikanstadt) in seiner
Bedeutung für die abessinische Sprachwissenschaft und Missionsgeschichte, in Oriens
Christianus, 32, 1935, S. 38-59.
(8) Zu ihm vgl. R. Lefevre, in Annali Lateranensi, 11, 1947, S. 264.
(4> Vgl. R. Lefevre, Su un codice etiopico della Vaticana, in La Bibliofilia, 42, 1940, S. 97-107.
(5) Vgl. H. F. Wijnman, An Outline of the Development of Ethiopian Typography in Europe,
Leiden, 1960, XIII-XV.
(«) Vgl. dazu A. Rahlfs, Nissel und Petraeus, ihre äthiopischen Textausgaben und Typen,
in Nachrichten d. k. Gesellsch. d. Wiss. zu Göttingen, Philol.-histor, Kl., 1917, S. 268-348.
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258 ANNALES D'ETHIOPIE
Obwohl in dieser Zeit in Holland und England (Justus Sealiger, 1593-1609
Professor in Leiden; Brian Walton ^; Edmund Castell^) das Äthiopische
studiert wurde, war die grundlegende Arbeit dem Reichshofrat Hiob (Job)
Ludolf (Leutholf) vorbehalten, der zum Begründer der äthiopischen Studien in
Europa wurde. Am 24. Juni 1624 zu Erfurt geboren, studierte er zunächst Medizin
und Naturwissenschaften, wandte sich aber bald dem Studium der Sprachen und
der Musik zu. Ludolf war einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit. Neben Latein
und Griechisch erlernte er fast alle wichtigeren europäischen Sprachen (Französisch,
Italienisch, Holländisch, Russisch, Schwedisch), danach Hebräisch, Arabisch und
Syrisch. Bald wurde er sich aber der Schwierigkeit bewußt, daß für das Studium
des Äthiopischen geeignete Arbeitsinstrumente fehlten. Zunächst war er ganz vom
Psalterium Potkens und einigem zweifelhaften Material abhängig, das er von seinem
Lehrer Karnrad erhalten hatte. Die Unzulänglichkeit dieser Hilfsmittel bestimmte
ihn, sich eine eigene Grammatik und ein eigenes Wörterbuch zusammenzustellen,
wobei er feststellen konnte, daß das äthiopische Wörterbuch, das /. Wemmer 1638
in Rom herausgebracht hatte, kaum etwas enthielt, was er sich nicht schon selbst
notiert hatte. 1645 wurde Ludolf als Student der Jura in Leiden immatrikuliert.
Als Mentor eines jungen holländischen Edelmannes konnte er Frankreich und Eng
land bereisen.
Die entscheidende Wendung in seiner wissenschaftlichen Arbeit wurde eigentlich
durch einen Zufall herbeigeführt. 1649 erhielt er vom schwedischen Gesandten
in Paris, Baron Rosenhahn, den Auftrag, in Rom nach bestimmten Dokumenten
zu suchen. Er konnte zwar diese Dokumente nicht finden, kam aber bei einem
Besuch in Santo Stefano dei Mori mit einem der vier dort lebenden Äthiopier
zusammen, mit 'Abbä Gregorius von Makäna Seiläse in Amhara. Gregorius kannte
zwar kein Latein und zunächst auch kein Italienisch, doch verstand Ludolf schon
so gut Äthiopisch, daß er sich mit ihm bald in Ge'ez unterhalten konnte. Gregorius
war ein gelehrter und intelligenter Mann, der sich auch späterhin' als eine Quelle
zuverlässiger Information bewährte. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland
gelang es Ludolf, das Interesse des Herzogs Ernst von Sachsen-Gotha zu wecken,
der ihm die Möglichkeit gab, Gregorius an den Gothaer Hof zu holen und dort mit
ihm seine Studien fortzusetzen. Im Jahre 1652 weilte Gregorius etliche Monate
in Gotha, wo er mit Ludo If zunächst im Ge'ez und in der äthiopischen Geschichte,
nachher auch im Amharischen arbeitete. Im folgenden Winter ging Gregorius
nach Italien zurück. Die Sehnsucht, seine Heimat wiederzusehen, war so stark,
daß er ein Schiff bestieg, das durch das Mittelmeer segeln sollte. Nahe der syrischen
Küste (vor Alexandrette) ist er 1658 bei einem Schiffbruch um das Leben
gekommen.
Die Dienste, die Gregorius dem Reichshofrat Ludolf und damit der Äthiopistik
und der semitischen Sprachwissenschaft im allgemeinen geleistet hat, waren
unschätzbar. Ludolf, der seit 1677 in Frankfurt a.M. ganz seinen Studien lebte,
wurde 1681 vom Kurfürsten von der Pfalz zum Kammerdirektor ernannt. Trotz
seiner Zurückgezogenheit wurde er noch mehrfach zu diplomatischen Diensten
herangezogen; so lud ihn 1679 Kaiser Leopold I. nach Prag, um die Möglichkeit
M Vgl. K. F. Bauer, Hiob Ludolf. Der Begründer der äthiopischen Sprachwissenschaft, Frankfurt
a. M., 1937, S. 8.
<2> Zu Ludolf vgl. Chr. Juncker, Commentarius de vita Jobi Ludolfi, Leipzig-Frankfurt a M.,
1710; F. Chr. Matthiae, Nachricht von Hiob Ludolfs noch vorhandenem Briefwechsel, nebst drey
daraus vollständig mitgeteilten Schreiben des Nicolaus Heinsius, in Programm des Gymnasiums zu
Frankfurt a. M., Herbst, 1817; dsl., Probe einer neuen Ausgabe des Leibniz-Ludolfischen
Briefwechsels, in Programm des Gymnasiums zu Frankfurt a. M., Herbst, 1820 ; J. Flemming, Hiob Ludolf.
Ein Beitrag zur Geschichte der orientalischen Philologie, in Beiträge zur Assyriologie und
vergleichenden semitischen Sprachwissenschaft, 1, 1890, S. 537-582, und II, 1894, S. 63-110; K. F. Bauer,
Hiob Ludolf. Der Begründer der äthiopischen Sprachwissenschaft, Frankfurt a. M., 1937;
Allgemeine Deutsche Biographie, XIX, S. 394/.
<3) Lexicon Aethiopico-Latinum, hrsg. von J. M. Wansleben, London, 1661; Frankfurt a. M.,
21699; Grammatica Aethiopica, hrsg. von J. M. Wansleben, London, 1661; Frankurt a. M.,
21702; Grammatica und Lexicon Amharicae Linguae, Frankfurt a. M., 1698; daneben sind noch
zu nennen das Psalterium Davidis Aethiopice et Latine, Frankfurt a. M., 1701.
<4) Frankfurt a. M., 1681. Die National Library in 'Addis 'Abbabä besitzt das Kuriosum einer
ausführlichen gedruckten Voranzeige dieses Werkes.
(6) Frankfurt a. M., 1691.
<«) 1693 und 1694.
(?) Nachdem schon in der zweiten Hälfte des 17. Jh. J. U. Wildt die äthiopische Kirche
behandelt hatte (Ecclesia Aethiopica. Breviter adumbrata et solenni disputationi submissa in
Universitate Argentoratensi, Straßburg, 21672) versuchte G. Oertel wohl als erster eine
systematische Darstellung der äthiopischen Kirchenlehre : Theologia Aethiopum ex liturgicis fidei con-
fessionibus aliisque ipsorum pariter a rerum habessinicarum peritissimorum Europaeorum scriptis
congesta, Wittemberg, 1740.
'8) Genauer gesagt : Alttestamentier. Von ihm stammen unter anderem das < Handbuch der
alttestamentlichen Theologie », Leipzig, 1895, und die Kommentare zur Genesis, Leipzig, 61892,
zu Exodus und Leviticus, 1880, zu Numeri, Deuteronomium, Josua, 1886, zu Jesaja, 1890, und zu
Hiob, 21891.
17.
260 ANNALES D'ETHIOPIE
Handschriftenschätze in den Bibliotheken von Paris, London und Oxiord. Ein
Resultat dieser Tätigkeit waren seine Kataloge der äthiopischen Handschriften
im British Museum (London 1847) und in der Bodleian Library (Oxford 1848),
denen sich später noch ein Katalog der äthiopischen Handschriften in der k.
Bibliothek zu Berlin (Berlin 1878) hinzugesellte. Nach seiner Rückkehr war er
Professor an den Universitäten von Tübingen, Kiel, Gießen und schließlich von
Berlin, wo er am 4. Juli 1894 starb (1).
Von ihm sind zunächst drei monumentale Werke zu nennen, die damals wie
heute zum unentbehrlichen Rüstzeug der Äthiopistik gehören :
-1) Vgl. W. W. von Baudissin, August Dillmann. Beilage zur « Allgemeinen Zeitung », 1895,
Nr. 123-125, als Separatdruck Leipzig, 1895; dsl. in Realencykl. f. protest. Theol. u. Kirche, 3IV,
S. 662-669; R. Paret-A. Schall (Hrsg.), Ein Jahrhundert Orientalistik, fLebensbilder aus der
Feder von Enno Littmann und Verzeichnis seiner Schriften, Wiesbaden, 1955, S. 1-10.
<2) In der zweiten Auflage (Leipzig, 1899) bearbeitet von C. Bezold; englische Übersetzung von
J. A. Crichton, Ethiopie Grammar, London, 1907.
(3) Leipzig, 1865.
<4) 1955 von der Frederick Ungar Publishing Company (New York) fotomechanisch nachgedruckt.
<5) Stand und Aufgaben der deutschen Erforschung Abessiniens, in R. Hartmann-H. Scheel
(Hrsg.), Beiträge zur Arabistik, Semitistik und Islamwissenschaft, Leipzig, 1944, S. 77.
<«> Paris, 1952.
O Zweite Auflage mit Zusätzen und Korrekturen von E. Littmann, Berlin, 1950. _
ÉTUDES 261
ein Querschnitt durch einen bedeutenden Teil der äthiopischen Literatur, der
dem Studierenden eine gute Kenntnis der Sprache vermittelt. Das beigefügte
« Glossarium » ersetzt dem, der das große Lexikon nicht zur Hand hat, weitgehend
dieses umfängliche Werk, wenn auch hier die Belegstellen aus der äthiopischen
Literatur fehlen.
(^ Über den Werth der altäthiopischen Pentateuchübersetzung für die Reconstruction der
Septuaginta, Inaugural-Diss., Gießen, 1886.
<2) Die äthiopische Übersetzung des Propheten Jeremias, Freiburg i. Br., 1912.
W Die äthiopische Übersetzung des Zacharias, Leipzig, 1898.
<4' Die aethiopische Bibelübersetzung, I, Leipzig, 1902.
<5) Die äthiopische Evangelienübersetzung, in Zeitschrift für Assyriologie, 11, 1896, S. 117 bis
196, 367-388.
O Der arabische Einfluß in der äthiopischen Übersetzung der Johannes- Apokalypse, in Oriens
Christianus, 43, 1959, S. 24-53; 44, 1960, S. 25-39; Beziehungen der saudischen zur äthiopischen
Übersetzung der Johannes-Apokalypse, in J. Blinzler-O. Küss-F. MüBneh (Hrsg.), Neutesta-
mentliche Aufsätze. Festschrift für Prof. Josef Schmid, Regensburg, 1963, S. 115-124.
(7) Zu ihm vgl. Ein Jahrhundert Orientalistik, S. 37-45.
<8> Fabula de Regina Sabaea apud Aethiopes, Halle, 1870.
'" 1955 in New York fotomechanisch nachgedruckt.
d°> Die Amharische Sprache, Halle, 1879.
dl) Haue, 1871.
(12) Berlin, 1893.
<13> Hamitische Bestandteile im Äthiopischen, in ZDMG, 43, 1889, S. 317-326; Kuschitische
Bestandteile im Äthiopischen, in ZDMG, 47, 1893, S. 385-394.
ÉTUDES 263
äthiopische Sprachgeschichte im Rahmen der Wechselbeziehungen zwischen
semitischen und hamitischen Sprachen in Ostafrika darzustellen. Bescheiden sagte er
in der Einleitung seiner « Grammatik der Gallasprache », daß er diesem Ziel kaum
nähergekommen sei. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß er in vielerlei
Hinsicht die Grundlagen für die Erreichung dieses Zieles gelegt hat. Maßgebend
war dafür seine Abhandlung « Über die hamitischen Sprachen Ostafrikas » W, in
der er mit Erfolg eine zusammenfassende Charakterisierung dieser Sprachen in
ihrem gegenseitigen Verhältnis und in ihren Beziehungen zu den semitischen
Sprachen Äthiopiens gab.
Anders war die Art und Weise, in der der Österreicher Leo Reinisch (1832-
1919) die äthiopischen Sprachen untersuchte. Er war 1867/1868 Geheimsekretär
Kaiser Maximilians von Mexiko gewesen; nachher wurde er Professor für
Ägyptologie an der Universität Wien. Auch er bemühte sich, größere
Sprachzusammenhänge aufzudecken, ging dabei aber vom Bereich der ägyptischen Sprache aus.
Zu seinen Arbeitszielen gehörte die Erforschung des Zusammenhanges des
Ägyptischen mit dem Libysch-Berberischen und den kuschitischen Sprachen. Er
unternahm auch Reisen nach Äthiopien, wo er eine ganze Reihe von kuschitischen
Sprachen untersuchte. Später veröffentlichte er auf Grund seiner Aufzeichnungen
phonetische Wiedergaben der Texte mit Übersetzungen. Durch seine Arbeiten
wurde unsere Kenntnis dieser Sprache, besonders des Somali, außerordentlich
bereichert.
An dieser Stelle muß auch der große deutsche Orientalist Theodor Nöldeke
(1836-1930) ^ erwähnt werden. Obwohl das Äthiopische nicht den Schwerpunkt
seiner Arbeit bildete, hat er doch die Kenntnis der äthiopischen Sprachen in
Besprechungen, Aufsätzen ujid kleineren Schriften gefördert. Dazu verfaßte er einen
Abriß der Geschichte der äthiopischen Literatur ^3'.
Die von Dillmann begonnene und durch Praetorius fortgesetzte Arbeit war
die Grundlage, auf der die deutsche Äthiopistik weiterbaute. Am Berliner Seminar
für Orientalische Sprachen wurde eine Äthiopische Abteilung eingerichtet, in der
Eugen Mittwoch (1876-1942) ^4^ und der Äthiopier Aleka Taje (Täyya) arbeiteten.
Durch diese Zusammenarbeit konnte die Kenntnis der traditionellen Aussprache
des Ge'ez und die Kenntnis des Amharischen gefördert werden. So entstanden die
« Abessinischen Studien » : Im ersten Band behandelt Mittwoch die « Traditionelle
Aussprache des Äthiopischen » <5), im zweiten brachte er die « Amharische Version
der Soirées de Carthage » W. Diese « Soirées » des Abbé Bourgade sollten — wie
ähnliche Schriften von ihm — den Zwecken der christlichen Mission in den Ländern
des Islam dienen und führen den Titel : Mashafa takäljedo bahäymänot (Buch
der Disputation über den Glauben). Die Übersetzung des französischen Originals W
S. M 312-341.
Beiträge zur Assyriologie und vergleichenden semitischen Sprachwissenschaft, II, 1894,
(a' Zu ihm vgl. Ein Jahrhundert Orientalistik, S. 52-62.
(8' Die äthiopische Literatur, in Die Kultur der Gegenwart, I, 7 : Die orientalischen
Literaturen, Berlin, 1906, S. 124-131.
<4> Zu ihm vgl. Ein Jahrhundert Orientalistik, S. 128-133; W. Gottschalk, Die Schriften
Eugen Mittwochs, in Monatsschrift für Geschi.hte und Wissenschaft des Judentums, 81, 1937,
S. 243-250.
<8> Berlin-Leipzig, 1926.
(fl) Berlin-Leipzig, 1934; mit einer Einleitung : Die angeblichen abessinischen Philosophen des
17. Jahrhunderts.
(7) Soirées de Carthage ou Dialogues entre un prêtre catholique, un muphti et un cadi, Paris,
1847, 21852. Es gibt auch zwei Auflagen einer arabischen Übersetzung.
264 annales d'éthiopie
ins Amharische stammt von dem bekannten P. Giusto da Urbino, der sie 1852
anfertigte.
Eine ganze Reihe von deutschen Gelehrten dieser Zeit befaßte sich mit der
äthiopischen Philologie und Literaturgeschichte. Carl Bezold (1859-1922) (1) gab
das Hauptwerk der äthiopischen Literatur, das Kebra nagast, heraus {~2i\ Ernst
Trumpp (1828-1885) bearbeitete apokryphe und kirchliche Texte ^3), 1878
publizierte er das Taufbuch der äthiopischen Kirche ^4^. Wichtig (wenn auch der
Nachprüfung bedürftig) war seine Arbeit über den äthiopischen Akzent ^5'. Im Jahre
1886 veröffentliche C. von Arnhard die Liturgie zu Temqat, dem Tauffest am 11.
Terr (= 6. Jan. jul./19. Jan. greg.) <6). Das im Altertum und Mittelalter weit
verbreitete Buch des Physiologus wurde in seiner äthiopischen Version von
F. Hommel (1854-1936) herausgegeben ^\ Ihm verdanken wir auch eine
aufschlußreiche Untersuchung über « Die Namen der Säugethiere bei den südsemitischen
Völkern als Beiträge zur arabischen und äthiopischen Lexicographie, zur
semitischen Kulturforschung und Sprachvergleichung und zur Geschichte der
Mittelmeerfauna » (fi). Das « Buch der weisen Philosophen » (Mashafa faläsfä Cabibän)
untersuchte C. H. Cornill W ; die Exzerpte aus diesem Werk in Dillmanns
Chrestomathie übertrug S. Euringer ins Deutsche do).
Aus dem Kreis um den bedeutenden Leipziger Orientalisten H.L. Fleischer
(1801-1888) gingen — neben F. Praetorius und F. Hommel — einige Orientalisten
und Theologen hervor, die sich u.a. auch äthiopistischen Studien zuwandten (nl,
so W. Fell (12), A. Rahlfs d») und B. Stade <14>.
W Zu ihm vgl. Ein Jahrhundert Orientalistik, S. 31-33.
<2' Abh. d. k. Bayer. Ak. d. Wiss., I. CL, XXIII. Bd., I. Abt., München, 1905. Es sei hierauch
Bezolds Arbeit über Gabra Manfas Qeddus erwähnt : Abbä Gabra Manfas Qeddus, in
Nachrichten der k. Gesellsch. d. Wiss. zu Göttingen, PhiloL-histor. KL, 1916, Heft 1.
<3> Der Kampf Adams (gegen die Versuchung des Satans) oder das christliche Adambuch des
Morgenlandes, in Abh. d. k. Bayer. Ak. d. Wiss., I. CL, XV. Bd., III. Abt., München, 1880; Das
Hexaëmeron des Pseudo-Epiphanius, in Abh. d. k. Bayer. Ak. d. Wiss., I. CL, XVI. Bd., II. Abt. ,
München, 1882.
(4) Das Taufbuch der äthiopischen Kirche, in Abh. d. k. Bayer. Ak. d. Wiss., I. CL, XIV. Bd.,
III. Abt., München, 1878.
<5) Über den Akzent im Äthiopischen, in ZDMG, 28, 1874, S. 515-561. Trumpp untersuchte auch
den Text des Tabiba fabibän in Dülmanns Chrestomathie : Kritische Bemerkungen zum «
Sapiens Sapientium* in Dillmann' s Chrestomathia Aethiopica, p. 108, 599, in ZDMG, 34, 1880,
S. 232-240.
(•) Liturgie zum Tauf-Fest der äthiopischen Kirche, Inaugural- Diss., München, 1886; Die
Wasserweihe nach dem Rytus der Äthiopischen Kirche, in ZDMG, 41, 1887, S. 403-414.
<7> Die äthiopische Übersetzung des Physiologus, Leipzig, 1877. Es gibt nun eine deutsche
Übersetzung des griechischen Textes mit Erläuterungen von 0. Seel : Der Physiologus, Zürich-
Stuttgart, 1960.
(») Leipzig, 1879.
(9> Leipzig, 1875; zum Tabiba {abibän steuerte er Varianten einer Frankfurter Handschrift bei :
Noch eine Handschrift des « Sapiens Sapientium », in ZDMG. 35, 1881, S. 646-653 ; weiter stammt
von ihm : Das Glaubensbekenntnis des Jacob Baradaeus in äthiopischer Übersetzung, in ZDMG,
30, 1876, S. 417-466.
U°) Übersetzung der philosophischen Lehrsprüche in Dillmanns « Chrestomathia Aethiopica*,
in Orientalia, NS 10, 1941, S. 361-371.
(ii) Vgl. J. Fück, Die arabischen Studien in Europa bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts,
Leipzig, 1955, S. 172.
(1Sl> Canones apostolorum aethiopice, Leipzig, 1871.
<13> Zu den altabessinischen Königsinschriften, in Oriens Christianus, NS 6, 1916, S. 282-313;
Nissel und Petraeus, ihre äthiopischen Textausgaben und Typen, in Nachrichten d. k. Gesellsch. d.
Wiss. zu Göttingen. PhiloL-histor. Kl., 1917, S. 268-348.
(14) Über den Ursprung der mehrlautigen Thatwörter der Ge'ezsprache, Leipzig, 1871 ; De Isaiae
vaticiniis aethiopicis diatribe, Leipzig, 1873.
ÉTUDES 265
1895 legte E. Kromrei seine Dissertation über Glaube und Riten der alten äthio •
pischen Kirche vor *1\ eine Arbeit, die wegen ihrer Gründlichkeit und Klarheit
noch heute von den Fachleuten gerne eingesehen wird.
Aus dieser Zeit stammt auch eine Schrift, die oft geschmäht wurde, aber dennoch
eine gewisse Nützlichkeit bewahrt hat : die « Bibliotheca Aethiopica » von
L. Goldschmidt (8171-1950) <2). Um dieser Arbeit Gerechtigkeit widerfahren zu
lassen, muß man berücksichtigen, daß hier zum ersten Mal der Versuch gemacht
wurde, eine Zusammenstellung der äthiopischen Literaturwerke zu geben, soweit
sie zu jener Zeit durch europäische Druckausgaben bekannt geworden waren.
Goldschmidt führt zunächst den Titel des betreffenden Werkes an und läßt dann
jeweils eine summarische Inhaltsangabe und eine Aufzählung der Ausgaben und
Untersuchungen folgen. Eine neue « Bibliotheca Aethiopica » (die heute allerdings
ein Vielfaches an Umfang haben würde) wäre ein nützliches Unternehmen.
In Österreich beschäftigte sich D. H. Müller (1846-1912) mit den «
Epigraphischen Denkmälern aus Abessinien » ^3^. Als Privatdozent weckte er in E. Glaser
(1855-1908) das Interesse für Südarabien und Äthiopien (4). Auch A. Haffner
(1869-1914) <*>, M. Bittner <•> (gest. 1918) und N. Rhodokanakis (1876-1945) <?>
beschäftigten sich gelegentlich mit äthiopistischen Themen.
Verhältnismäßig spät begann (wenn wir von den einschlägigen Arbeiten Trumpps
und von Arnhards absehen) die Beschäftigung mit einem Bereich, der im Leben
Äthiopiens und seiner Kirche eine zentrale Stellung einnimmt : mit der
äthiopischen Liturgie. Hier ist vor allem der Name Hugo Duensing (1877-1961),
eines feinsinnigen deutschen Gelehrten, zu nennen. Während seines ganzen Lebens
war Duensing als evangelischer Pfarrer in Niedersachsen (zuletzt von 1926 bis
zu seiner Pensionierung 1948 in Goslar) tätig. Leider scheiterte ein Versuch,
ihn an die Berliner Universität zu holen, an den widrigen Zeitumständen; er ist
als Pastor emeritus in Goslar gestorben. Schon in seiner philosophischen
Dissertation (deren Gutachter der Alttestamentler Julius Wellhausen war) hatte er
sich der äthiopischen liturgischen Literatur, dem Synaxarium, zugewandt ^8^.
Als 5. A. B. Mercer 1915 sein Buch « The Ethiopian Liturgy » ^9^ veröffentlichte,
unterzog es Duensing — ein in wissenschaftlichen Belangen unerbittlicher
Kritiker — einer vernichtenden Kritik (10). 1904 veröffentlichte Duensing einen Brief
ist u. a. folgende Stelle (639) : « Der Verfasser hat S. 9 geschrieben : « The Student who contemplâtes
« a study of the Ethiopie liturgies must prépare himself by acquiring a knowledge of the Ethiopie
« language ». Möge er selbst nach diesen Worten handeln und sich eine ausreichende Kenntnis der
äthiopischen Sprache erwerben, ehe er uns eine Übersetzung der dreizehn anderen Anaphorai
anbietet, von der wir nach S. 5 bedroht sind. »
<x) Ein Brief des abessinischen Königs Asnäf Sag ad {Claudius) an Papst Paul III. aus dem
Jahre 1541, in Nachrichten d. k. Gesellsch. d. Wiss. zu Göttingen, Philol.-histor. KL, 1904, Heft 1,
S. 1-24.
(2> Der aethiopische Text der Kirchenordnung des Hippolyt, in Abh. d. Ak. d. Wiss. in
Göttingen, Philol-histor. Kl., Dritte Folge, Nr. 32, Göttingen, 1946.
(3) Vgl. G. Graf, Prälat Dr. Sebastian Euringer, in Dillingen und Schwaben. Festschrift zur
Vierhundertjahrfeier der Universität Dillingen a. d. D., 1949, Dillingen a. d.D., 1949, S. 66-77.
<4) Die Auffassung des Hohenliedes bei den Abessiniern, Leipzig, 1900.
<5> Seine zahlreichen Arbeiten können hier nicht im einzelnen genannt werden. Erwähnt seien
nur : Die Geschichte von Närgä. Ein Kapitel aus der abessinischen Kulturgeschichte des 18.
Jahrhunderts, in ZSem, 9, 1933-1934, S. 281-311; 10, 1935, S. 105-162; Der Spiegel Salomons, ein abessi-
nisches Amulett, in ZDMG, 91, 1937, S. 162-174; Das Netz Salomons, ein äthiopischer Zaubertext,
in ZSem, 6, 1928, S. 76-100, 178-199, 300-314; 7, 1929, S. 65-85; D ie Binde der Rechtfertigung (lefäfa
fedek), in Orientalia, NS 9, 1940, S. 76-99, 244-259; Verzeichnis der abessinischen Handschriften
des Völkermuseums in Stuttgart, in Orientalia, NS 4, 1935, S. 465-483.
(6) Ein Verzeichnis dieser Arbeiten in der zweiten Auflage von Dillmanns Chrestomathie,
Berlin, 1950, S. 295-298.
(7) Vgl. E. Hammerschmidt, Zur Bibliographie äthiopischer Anaphoren, in Ostkirchliche Studien,
5, 1956, S. 288 /.
<8> Abh. d. Sachs. Ak. d. Wiss., PhiloL-histor. KL, 33. Bd., Leipzig, 1919. Das Weddäse Märyäm
wurde von K. Fries als Inaugural- Dissertation herausgegeben, Leipzig, 1892.
ÉTUDES 267
Der Titel ist bescheiden gegenüber dem, was der umfangreiche Band bietet :
Wir haben hier ein Kompendium der äthiopischen Dichtkunst, das von einem
kompetenten Fachmann W verfaßt wurde. Im Anschluß an dieses Werk muß die
Arbeit zur Mariensymbolik in der äthiopischen Liturgie von /. Stephan genannt
werden, die vor einigen Jahren auszugsweise (aus einer Dissertation) erschienen
ist (2).
Ein wegen seiner Schwierigkeit weitgehend vernachlässigtes Gebiet des
liturgischen Bereiches stellt die äthiopische Kirchenmusik dar. Hier verdanken wir
eine grundlegende Arbeit dem früher in Wien, jetzt in Oxford wirkenden
Musikwissenschaftler Egon Wellesz ^\ zu dessen Studie S. Euringer ergänzende
Bemerkungen beisteuerte ^4\
Einen dritten Kristallisationspunkt der äthiopischen Studien in Deutschland
(nach Dillmann und Praetorius) bildet das Lebenswerk des Orientalisten Enno
Littmann (1875-1958) ^5^, der mit einer Arbeit über « Das Verbum in der Tigrë-
Sprache in Abessinien » den Grad eines Dr. phil. erworben hatte. Schon mit
dieser Arbeit zeichnete sich eines der Hauptarbeitsgebiete Littmanns ab. Die
finanzielle Hilfe eines Amerikaners (Robert Garett aus Baltimore) ermöglichte
ihm eine Äthiopien-Reise, bei der er sich in Eritrea mit der Aufnahme von Tigrë-
Texten beschäftigte. Während dieser Tätigkeit erhielt er den Auftrag, die
wissenschaftliche Leitung der « Deutschen Aksum-Expedition » zu übernehmen, bei
der er sich (wie früher schon in Syrien und Palästina) als ein Meister der Epi-
graphik erwies. In überaus mühevoller Arbeit konnte er die altäthiopischen
Inschriften des Königs 'Ezänä so kopieren, daß ein zusammenhängender Text
zustande kam. Damit wurde auch das Verständnis dieser Texte möglich, die
für Sprach- und Landesgeschichte gleicherweise von Bedeutung sind. 1904 begann
er die Reihe der « Bibliotheca Abessinica »; während seiner Tätigkeit als
Professor in Straßburg veröffentlichte er 1910-1915 die vier Bände der « Publications
of the Princeton Expedition to Abyssinia », die solide Edition und Übersetzung
der in Eritrea aufgezeichneten Tigré-Texte und Lieder. Damit schuf er die erste
wissenschaftliche Grundlage für das Verständnis dieser Sprache, die für die
vergleichende semitische Sprachwissenschaft so wichtig ist ^6'. Um die schwierige
Tigre- Volkspoesie zu verstehen, arbeitete er in Straßburg zwei Jahre lang mit
einem jungen Tigreaner zusammen : Naffa' Wad 'Etmän (1882-1909), dem er
immer ein dankbares Andenken bewahrte. Er widmete ihm auch eine kleine
Schrift (7), in der er von dem Sinn für Humor (wenigstens sah Littmann ihn
(1) Grohmann arbeitete auch über die Geschichte der äthiopischen Schrift : Über den
Ursprung und die Entwicklung der äthiopischen Schrift, in Archiv für Schriftkunde, 1, 1915,
S. 57-87.
<2' Einige Mariensymbole des Alten Testaments in der äthiopischen Liturgie, Civitas Vaticana,
1957.
(3) Studien zur äthiopischen Kirchenmusik, in Oriens Christianus, NS 9, 1920, S. 74-106; dsl.,
Aufgaben und Probleme auf dem Gebiete der byzantinischen und orientalischen Kirchenmusik, in
Liturgiegeschichtliche Forschungen, 6, Münster i. W., 1923.
<4* Anmerkungen zu « Studien zur äthiopischen Kirchenmusik» von Dr. E. Wellesz, in Oriens
Christianus, NS 10/11, 1920-1921, S. 151-154.
<6) Bibliographie : Ein Jahrhundert Orientalistik, S. 143-195, und Brill Catalogue, Nr. 307,
Leiden, 1959, xxi s. Eine Autobiographie in diesem Catalogue, S. xni-xx; O. EiBfeldt, Enno Litt-
mann. Tübinger Universitätsreden, 5, Tübingen, 1958.
<6> M. Höfner, Enno Littmann, 1875-1958, in Brill Catalogue, Nr. 307, ix/.
(') Erinnerungen an Naffa* Wad 'Etmän, Berlin, 1918; Sonderabdruck aus: Der Neue Orient,
Bd. 2, Heft 11/12; wiederabgedruckt in : Ein Jahrhundert Orientalistik, 14-25.
268 annales d'éthiopie
als solchen an) und der raschen Auffassungsgabe dieses jungen Mannes erzählt.
Zu dem Kreis um Enno Littmann gehört Maria Höfner (Graz) W, die sich
neben dem Südarabischen vor allem mit den modernen äthiopischen Sprachen
beschäftigt. Ihr oblag auch die Aufgabe, das zusammen mit Littmann
begonnene Wörterbuch der Tigrë-Sprache zu vollenden, von dem vor kurzem die
letzte Lieferung erschienen ist (2h
Aus dem Schülerkreis Littmanns ist auch der in Heidelberg wirkende Semitist
Anton Schall hervorgegangen, der vor kurzem die arabische Abhandlung von
Murad Kamil (Kairo) über die Qenë übersetzt und zusammen mit eigenen
Bemerkungen veröffentlicht hat ^\
Der in Hamburg wirkende Afrikanist August Klingenheben hat sich sowohl
als Semitist wie als Afrikanist einen Namen erworben. Seit Jahrzehnten arbeitet
er auf dem Gebiet der modernen äthiopischen Sprachen und der Sprachen Afrikas
und hat zahlreiche einschlägige Untersuchungen veröffentlicht. Er hat selbst
Äthiopien bereist und sich dort Freunde gewonnen. Derzeit arbeitet er an einer
wissenschaftlichen Grammatik des Amharischen und einem für den praktischen
Gebrauch bestimmten amharischen Wörterbuch.
Kurt Wendt (München), ein Schüler E. Mittwochs, hat vor kurzem das Mashafa
miläd und das Mashafa seiläse in dem Corpus von Löwen veröffentlicht und
übersetzt ^. Schon vor zwanzig Jahren hatte Wendt Textproben aus dem
Mashafa berhän und dem Mashafa miläd herausgegeben ^\ die (von den
Handschriften abgesehen) zusammen mit dem erwähnten Werk Dillmanns ^ die
einzige Quelle unserer Kenntnis des Masljafa berhän bilden.
Der Autor dieser Zeilen ist vor allem durch Hugo Duensing und Chaim Rabin
in die Äthiopistik eingeführt worden. In seinen Arbeiten bemüht er sich,
Philologie und Kenntnis der kirchlichen Überlieferung für die Erforschung der
äthiopischen Literatur wirksam werden zu lassen. Aus diesen Bestrebungen erwuchsen
— neben Aufsätzen in Fachzeitschriften — zunächst die Ausgabe einiger Texte
in der Bodleian Library in Oxford (darunter die interessante und wichtige « Lehre
der Geheimnisse » aus dem Textamentum Domini I 28) ^\ dann seine
umfassende Untersuchung der äthiopischen Anap hören ^ und eine Darstellung der
Symbolik der äthiopischen Kirche &\ Vor kurzem ist seine Arbeit über den Sabbat
in Äthiopien erschienen, die auf Grund der vorhandenen und zugänglichen
W Stellung und Bedeutung des Sabbats in Äthiopien. Studia Delitzschiana, 7, Stuttgart, 1963.
(2' Die monolithenen Kirchen Lalibelas in Aethiopien, Berlin, 1938.
(3) Lalibela. Die Monolithkirrhen Äthiopiens, Köln, 1959.
<4) Berlin, 1957. Soeben veröffentlichte Jäger ein Buch, das als praktischer Führer zu einigen
archäologischen Stätten Nordäthiopiens dienen soll : Antiquities of North Ethiopia, Stuttgart,
1965.
<6> Dem zweiten Band der deutschen Übersetzung seiner « Travels », Rinteln-Leipzig, 1791,
fügte J. F. Gmelin einen umfangreichen naturgeschichtlichen Anhang (S. 1-82) hinzu, an den
sich Berichtigungen und Zusätze von « verschiedenen Gelehrten » (S. 83-166) anschließen.
270 annales d'éthiopie
zusammen) unterwegs im Dorfe Ataba zurücklassen. Von Halai aus wandte sich
Rüppell nach der Provinz Samen; am 12. Oktober zog er in Gondar ein, wo er
der Absetzung des Königs Sähla Dengel beiwohnte. Hier blieb er bis zum 18. Mai
1833. Die Zeit nutzte er zu einer Exkursion in die Niederung von Warqemeder
und 'Armächo (nördlich von Gondar), wo seine Elefantenjäger reiche Beute
fanden. Dann zog er an dem Ostufer des Tänä-Sees entlang, dessen Höhe er mit
5.732 Fuß über dem Meer bestimmte. Schließlich kam er zu der Stelle, wo der
Blaue Nil ('Abbäy) den Tänä-See verläßt.
Am 18. Mai 1833 brach Rüppell von Gondar auf, um über die heilige Stadt
Aksum, wo er eine wichtige äthiopische Inschrift entdeckte, und Adua wieder
nach Massaua zurückzukehren, das er am 29. Juni glücklich erreichte. Das Resultat
dieser Reise war sehr reich : Rüppell hatte nicht nur viele Orts- und
Höhenbestimmungen vorgenommen, die der Landkarte Äthiopiens ein neues Gepräge
gaben, sondern auch archäologische, historische und ethnographische Forschungen
angestellt, vor allem aber die Kenntnis der Fauna des Landes bereichert, wie
seine Werke « Neue Wirbelthiere zu der Fauna von Abyssinien gehörig » ^ und
« Systematische Übersicht der Vögel Nord-Ost-Afrika's nebst Abbildung und
Beschreibung von fünfzig theils unbekannten, theils noch nicht bildlich
dargestellten Arten » ^2^ zeigen.
Beachtlich ist die Zahl der Nagetiere, die Rüppell in Äthiopien entdeckte.
Neben je einem Eichhörnchen und einem Erdhörnchen waren es verschiedene
Vertreter der Mausartigen. Besonders interessant ist der eigenartige Nacktmull,
der eine neue Gattung und Art (Heterocephalus glaber) darstellt. Es handelt
sich um ein kleines, unterirdisch lebendes Tier, das winzige Augen hat und mit
seinem rückgebildeten Haarkleid fast den Eindruck einer nestjungen Ratte
macht. In tiergeographischer Hinsicht war die Entdeckung von zwei neuen
Vertretern der Familie der Blindmolle (Spalacidae) wichtig. Den einen aus Dambyä
beschrieb Rüppell als Bathyergus splendens, den anderen aus Schoa als Rhizo-
mys macrocephalus. Später stellte sich heraus, daß diese beiden Nagetiere, die
ebenfalls unterirdisch leben, zur gleichen Rüppell 'sehen Gattung Tachyoryctes
gehören und die nächsten Verwandten der Wurzelratten (Rhizomys) sind, die
bisher nur aus Indien bekannt waren. Diese Entdeckung war deshalb wichtig,
weil sie einen weiteren Beweis für die engen tiergeographischen Beziehungen
darstellt, die zwischen dem äthiopischen und dem übrigen orientalischen
Faunabereich bestehen ^3).
Rüppells « Reise in Abyssinien » erschien 1838-1840 in Frankfurt a. M. Daneben
ist sein Tierbilderatlas mit den kolorierten Steindrucken von F. C. Vogel eine
besondere Kostbarkeit (4). Für seine Arbeiten wurde ihm schließlich die
Auszeichnung zuteil, daß ihm die Londoner Geographische Gesellschaft die große
goldene Medaille verlieh. Seine reiche Sammlung (einschließlich der äthiopischen
Handschriften) vermachte er seiner Vaterstadt, die ihm dafür eine lebenslängliche
Pension zahlte.
Wir sind in der glücklichen Lage, daß wir nun eine ausgezeichnete Biographie
W S. Anm. 3, S. 270; vgl. auch. St. Chojnacki, Some Notes on Early Travellers in Ethiopia,
in University College ('Addis 'Abbaba) Review, 1, 1961, S. 85a-87a.
<2> Stuttgart-Tübingen, 1838.
(3) E. Becker meint allerdings, daß die Nachrichten über diese Ernennungen nicht den Tatsachen
entsprechen, sondern übertrieben sein dürften : Zu den deutsch-äthiopischen Beziehungen in
Vergangenheit und Gegenwart, in Mitteilungen des Instituts für Auslandsbeziehungen, 11, 1961,
S 12.
*<*> Leipzig, 1869.
<•> A. a. 0., S. 139-157.
272 annales d'éthiopie
Nicht unerwähnt darf bleiben, was die verschiedenen Missionare zur Kenntnis
Äthiopiens beigetragen haben ^l^. Obwohl sie mit einem praktischen Ziel ins
Land kamen, mußten sie sich doch, um dieses Ziel anstreben zu können,
mit der Kultur und Sprache vertraut machen. 1830 kam Samuel Gobat (1799-
1879) (2\ der spätere anglikanische Bischof von Jerusalem, nach Äthiopien und
besuchte Gondar. 1835 veröffentlichte er sein « Journal of Three Year's
Résidence in Abyssinia », ein Jahr später kehrte er nach Äthiopien zurück, begleitet
von drei Missionaren. Der eine von ihnen, Johann Ludwig Kropf (1810-1881) (3)
aus Württemberg, der Entdecker des Keryaberges und des Schnees auf dem
Kilimandscharo, schrieb einen interessanten Bericht über seine Reisen ^ und
leistete Pionierarbeit auf dem Gebiet der Gallasprache. Der andere, der aus
Barmen stammende Karl Wilhelm Isenberg (1806-1864), stellte ein
ausgezeichnetes Wörterbuch des Amharischen zusammen ^5^, dem er ein Jahr später eine
Grammatik des Amharischen folgen ließ ^6). Auch der Bericht von Martin Flad
(1831-1915) über seine Missionsarbeit enthält viele nützliche und wertvolle
Einzelheiten (7K
Der bekannte Verfasser des « Tierlebens », Alfred Brehm (1829-1884),
unternahm in der Mitte des vorigen Jahrhunderts eine Reise in das äthiopische
Hochland (8', der württembergische Forschungsreisende Theodor von Heuglin (1824-
1876) bereiste große Teile Nord- und Ostafrikas und beschrieb diese Reisen
sowie die Fauna dieser Länder ^9^. Neben ihm muß auch der Schweizer Werner
Munzinger (1832-1875) ^10^ genannt werden, der 1861 Mitglied der deutschen
M Von den Reisen deutscher Missionare nach Äthiopien berichtet E. Becker (s. Anm. 3, S. 271),
S. 11/.
(2) Zu ihm vgl. [Heinrich W. J. Thiersch,] Samuel Gobat, Evangelischer Bischof in
Jerusalem. Sein Leben und Wirken, meist nach seinen eigenen Aufzeichnungen, Basel, 1884; [Hein-
r ch W. J. Thiersch], Samuel Gobat, missionnaire en Abyssinie et évêque à Jerusalem. Sa vie
et son œuvre. Traduit librement de l'allemand par Auguste Rollier, Basel, 1885 ; Th. Schollv,
Samuel Gobat, Evangelischer Bischof in Jerusalem, Basel, 1900; K. H. Rengstorf, Der Brief
des Bischofs Samuel Gobat von Jerusalem an den Kaiser Theodoros II. von Äthiopien vom
28. November 1865, in Festschrift für H. Engberding. Oriens Christianus, 48, 1964, S. 221-234;
S. Pankhurst, Ethiopia. A Cultural History, Woodford Green/Essex, 1955, S. 441452; St. Choj-
nacki, Some Notes on Early Travellers in Ethiopia, in University College ('Addis 'Abbabä)
Review, 1, 1961, S. 826-85a.
'3) Zu ihm vgl. W. Claus, Dr. Ludwig Kropf, weil. Missionar in Ostafrika, Basel, 1882.
'4> Reisen in Ost-Africa ausgeführt in den Jahren 1837-55, Kornthal-Stuttgart, 1858; eng!.
Übersetzung : Travels, Researches and Missionary Labours during an 18 Year's Résidence in
Eastern Africa, London, 1860.
W Dictionary of the Amharic Language, London, 1841.
(6> Grammar of the Amharic Language, London, 1842.
<7) Zwölf Jahre in Abessinien oder Geschichte des Königs Theodoros II. und der Mission unter
seiner Regierung. Schriften des Institutum Judaicum zu Leipzig, 12/13-14/15, 1887 ; 60 Jahre in
der Mission unter den Falaschas in Abessinien. Selbstbiographie des Missionars Johann Martin
Flad, Gießen-Basel, 1922; Ein Leben für Abessinien, hrsg. von H.-G. Feller, Gießen-Basel,
21936. In diesem Jahrhundert brachte vor allem die Hermannsburger Mission einige nützliche
Schriften zur äthiopischen Landes- und Volkskunde heraus : W. Wickert, Abessinien — unser neues
Missionsfeld, Hermannsburg, 1931; D. WaBmann, Das Oromovolk auf unserem abessinischen
Missionsfelde, Hermannsburg, 1935; A. Elfers, Bilder aus dem Gallaland, Hermannsburg, 1954.
<8> Ergebnisse einer Reise nach Habesch, Hamburg, 1863.
W Reisen in Nord-Ost-Afrika. Tagebuch einer Reise von Chartum nach Abessinien, mit
besonderer Rücksicht auf Zoologie und Geographie in den Jahren 1852 und 1853, Gotha, 1857;
dsl., Reise nach Abessinien, den Gala-Ländern, Ost-Sudân und Chartum in den Jahren 1861
und 1862, Jena, 1868, neue Ausgabe : Gera, 1874.
(jo) Vgl. J. V. Keller-Zschokke, Werner Munzinger-Pascha, Aarau, 1891 ; dsl., Betätigung
Werner Munzingers bei der Auffindung von Dr. Vogel, Solothurn, 1912; L. van Dovski, Ein Leben
ÉTUDES 273
Expedition nach Innerafrika unter von Heuglin war und 1870 vom Vizekönig
von Ägypten zum Gouverneur der damals unter ägyptischer Herrschaft stehenden
Teile Nordäthiopiens ernannt wurde. Eingehend befaßte er sich mit den
Lebensgewohnheiten der Völker, die ihm als Gouverneur unterstanden. 1859 erschien
sein Werk « Über die Sitten und das Recht der Bogos » (i). Weiter schrieb er
eine Grammatik des Bilen, der Sprache der Bogos, und übersetzte auch einzelne
Bibelabschnitte in diese Sprache. Der Arbeit über die Bogos folgte ein größeres
Werk mit dem Titel « Ostafrikanische Studien » (2), in der Munzinger auch das
Land der Marea, der Qunama oder Bazen in vorbildlicher Weise schilderte.
Der deutsche Afrikaforscher Gerhard Rohlfs (1831-1896) befand sich schon
1868 im Gefolge von Sir Robert Napier auf dessen Zug gegen Kaiser Theodor II <3>.
1880 führte er eine Sondergesandtschaft des deutschen Kaisers Wilhelm I. an
den äthiopischen Hof, über die er einen Bericht veröffentlichtet. An dieser
Gesandtschaft (die infolge der deutschen Zurückhaltung gegenüber Afrika zu keinen
konkreten Resultaten führte) nahm auch Rohlfs' Neffe Anton Stecker teil, der
als erster den Tänä-See vermaß und ausführlich beschrieb ^5^.
Seine Erinnerungen an den englischen Feldzug gegen Theodor II., den er als
Acting Surgeon mitmachte, schrieb der Wiener Arzt /. Bechtinger nieder ^K
Als im Jahre 1905 ein Handels- und Freundschaftsvertrag zwischen
Deutschland und Äthiopien geschlossen werden sollte, übernahm der damalige Geheime
Legationsrat Friedrich Rosen (1856-1935) ^ die Führung einer deutschen
Sondergesandtschaft. Auf Grund der dabei gemachten Beobachtungen gab er Skizzen
aus dem Volkstum des südlichen Äthiopiens heraus. Sein Bruder, der Botaniker
Felix Rosen, verfaßte den Bericht über die ganze Expedition ^8'.
Von Wichtigkeit ist auch die Reise, die C. von Erlanger und O. Neumann
Anfang dieses Jahrhunderts in den Süden Äthiopiens unternahmen (9). Die
Forschungsreise gliederte sich in drei Abschnitte : Zunächst reisten von Erlanger
für Afrika. Das abenteuerliche Schicksal von Werner Munzinger-Pascha, Zürich, 1954; zur
Charakterisierung Munzingers vgl. auch S. Rubenson, Some Aspects ofthe Survival ofEthiopian Indepen-
dence in the Period of the Scramble for Africa, in University College {'Addis 'Abbabä) Review,
1, 1961, 13 f.
(1) Winterthur, 1859.
(2) Schaffhausen, 1864, 2 Aufl. : Basel, 1883.
<3> G. Rohlfs, Im Auftrage Sr. Majestät des Königs von Preussen mit dem Englischen
Expeditionscorps in Abessinien, Bremen, 1869, 2. Aufl. : 1882; dsl., Land und Volk in Afrika.
Berichte aus den Jahren 1865-1870, Bremen, 1870, 2. Aufl. : Norden, 1884.
(4> Meine Mission nach Abessinien. Auf Befehl Sr. Maj. des Deutschen Kaisers
unternommen, Leipzig, o. J. (1883).
<5) A. Stecker, Die Stecker'sche Expedition. Berichte des Reisenden. Aufnahme des Tana-
Sees, in Mittheilungen der Afrika-Gesellsch. in Deutschland, 3, Berlin, 1881-1883; dsl., Über
seine Reise in Abessinien, in Verhandlungen der Gesellsch. f. Erdkunde in Berlin, 10, 1883.
W Ost-Afrika. Erinnerungen und Miscellen aus dem abessinischen Feldzuge, Wien, 1870.
<7> Zu ihm vgl. Ein Jahrhundert Orientalistik, S. 74-82.
<8> Eine deutsche Gesandtschaft in Abessinien, Leipzig, 1907.
W C. Frhh. von Erlanger, Meine Reise durch Süd-Schoa, Galla und die Somal-Länder,
in Abteilung Berlin-Charlottenburg der Deutschen Kolonial-Gesellschaft, Verhandlungen 1901-
1902, Bd. VI, Heft 3, S. 54-77; dsl., Zoogeographie und Ornithologie von Abessinien, den
Galla und Somal-Ländern, Berlin, 1902 ; dsl., Bericht über meine Expedition in Nordost-Afrika in
den Jahren 1899-1901, in Zeitschrift d. Gesellsch. f. Erdkunde in Berlin, 1904, S. 11-50; P. Spri-
gade, Geographische Ergebnisse der Expedition Carlo Freiherr von Erlanger in Nordost-Afrika
1899-1901, in ebd., 1904, S. 51-65; A. Engler, Über die Vegetationsverhältnisse von Harar und
des Gallahochlandes auf Grund der Expedition von Freiherrn von Erlanger, in Sitzungsberichte
der k. Preuü. Ak. d. Wiss., 40, Berlin 1906.
IS
274 annales d'éthiopie
und Neumann gemeinsam von Zaila' über Harar nach 'Addis 'Abbabä, dann
unternahm Neumann eine Reise an den 'Abbaya und zur Seenplatte im großen
afrikanischen Graben des Arussi-Landes und nach Kaffa. Im dritten Abschnitt
schließlich zog von Erlanger über die Seen des Arussi-Landes zum Ganale Dorya
und nach Somali-Land.
Die erste systematische Erforschung von Kaffa, dieses bis dahin ziemlich
unbekannten Landes, verdanken wir dem Österreicher Friedrich J. Bieber (1873-
1924) aus Wien, der in Begleitung des Barons Mylius nach Kaffa zog. Bieber
hat seine Forschungsergebnisse vor allem in seinem Werk « Kaffa — ein alt-
kuschitisches Volkstum in Inner- Afrika » ^ festgehalten. Freilich war er kein
Gelehrter im eigentlichen Sinne, so daß seine Darstellungen mit Vorsicht
aufzunehmen sind und einiger Korrektur bedürfen.
Bald nach dem Weltkrieg erschien die umfängliche Landeskunde von
G. K. Rein, die er auf Grund seiner Reisen verfaßte <2). Dieses Werk ist aber
weithin oberflächlich und unzuverlässig gearbeitet <3).
Carl Rathjens lernte die « äthiopischen Juden », die Falaschas, auf einer Reise
im Jahre 1908 kennen und publizierte 1921 das durch jahrelange Studien
vertiefte Ergebnis ^\ nachdem er sich schon vorher mit der Geographie Äthiopiens
beschäftigt hatte (5).
Die hervorragendste Stelle unter den archäologischen Expeditionen nach
Äthiopien nimmt die « Deutsche Aksum-Expedition » unter Enno Littmann ein ^,
von der schon oben die Rede war. Sie muß aber auch an dieser Stelle erwähnt
werden, weil sie wesentlich zur Erforschung des Landes beitrug. Die Expedition
legte die Ruinen der heiligen Stadt Aksum frei und erschloß damit eine Kultur,
die das alte Äthiopien als ein glanzvolles Reich in der alten Welt zeigt.
In die neuere Zeit gehört die Deutsche Nil-, Rudolfsee- und Kaffa-Expedition,
durch die die Arbeit Biebers weitergeführt werden sollte, und die Deutsche
Äthiopien-Expedition, beide unter der Leitung von Max Grühl (geb. 1884), der
über seine Reisen in dem in England und Amerika erschienenen Buch « The
Citadel of Ethiopia — The Empire of the Divine Emperor » (7) berichtete. Seine
Expedition brachte eine Übersicht über den ethnologischen Aufbau Äthiopiens.
Ein wichtiger Beitrag zur ethnologischen Erforschung des Landes war die
XII. Deutsche Inner- Afrikanische Forschungsexpedition unter A.E. Jensen, die
als erstes wissenschaftliches Unternehmen das Land der Konso erforschte W.
Der Österreicher E. Nowack (1891-1946) wurde 1937 nach Äthiopien gerufen,
wo er zusammen mit Cl. Lebling die Leitung der Deutsch-Italienischen
Forschungskommission der S. A. Mineraria übernahm und bis zum Februar 1939
im Hochland von Harar, im Cercer-Gebirge und im Lande der Konso arbeitete.