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Annales d'Ethiopie

Die äthiopistischen Studien in Deutschland (von ihren Anfängen bis


zur Gegenwart)
E. Hammerschmidt

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Hammerschmidt E. Die äthiopistischen Studien in Deutschland (von ihren Anfängen bis zur Gegenwart). In: Annales d'Ethiopie.
Volume 6, année 1965. pp. 255-277;

doi : https://doi.org/10.3406/ethio.1965.1146

https://www.persee.fr/doc/ethio_0066-2127_1965_num_6_1_1146

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DIE ÄTIIIOPISTISCIIEN STUDIEN

IN DEUTSCHLAND

(VON IHREN AI\FÄ>GEN BIS ZLll GEGENWART)

VON

ERNST IIAMMERSC11M1DT

Die folgenden Ausführungen ^ wollen vor allem die


wis enschaftsgeschichtliche Entwicklung der äthiopistischen Studien in Deutschland aufzeigen.
Bibliographische Vollständigkeit sollte und konnte daher nicht angestrebt werden.
Trotzdem hoffe ich, daß der Leser alle wichtigen Namen verzeichnet finden wird.

Die ersten, sozusagen vorwissenschaftlichen Kontakte zwischen Äthiopien und


Deutschland gehen in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück und sind mit
dem Namen Peter Heyling verknüpft. Heyling ^ wurde 1607 oder 1608 zu Lübeck
als Sohn eines Goldschmiedes geboren, studierte Rechtswissenschaft in Paris,
wohin er mit mehreren Deutschen gegangen war, als in Deutschland selbst der
Dreißigjährige Krieg wütete. In Paris wurde er mit dem damaligen schwedischen
Gesandten Hugo Grotius bekannt, mit dem ihn bald eine enge Freundschaft
verband. Unter den deutschen Studenten in Paris bildete sich ein kleiner Kreis
von sieben Freunden, alles Juristen, die sich zum Ziel setzten, dem Missionsbefehl
des Evangeliums Folge zu leisten. Dabei hatten sie die Absicht, die nach ihrer
Meinung zerfallenen Kirchen des Orients zu neuem Leben zu erwecken. Uns ist
aber nur von zweien bekannt, daß sie wirklich hinausgezogen sind : Hieronymus
von Dorne und Peter Heyling. Hieronymus von Dorne ging im Jahre 1632 über
Malta, Konstantinopel und Syrien nach Jerusalem und später nach Ägypten.
Heyling hatte sich Äthiopien zum Ziel seiner Reise gesetzt. Auch er reiste 1632
von Paris ab und ging über Italien und Malta nach Alexandrien, wo er Anfang

<x> Sie stellen die erweiterte und revidierte Fassung eines im Journal of Ethiopian Studies,],
1963, S. 30-48, erschienenen Aufsatzes dar, als dessen zweite Auflage sie somit zu betrachten sind.
— Nur die Ortsnamen, deren äthiopische Schreibung mir zugänglich war, konnten genau translite-
ricrt werden. Allerdings habe ich auch hier in einigen Fällen (wie Schoa für Sawä) die konventionelle
Schreibung beibehalten.
(2' Den Lebenslauf Heyüngs beschrieb J. H. Michaelis : Sonderbarer Lebens-Lauff Peter Hey-
lings aus Lübec, und dessen Reise nach Ethiopien, Halle, 1724.
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1633 ankam. Hier verkehrte er viel mit dem alten syrischen Erzbischof, bei dem
er fleißig Arabisch lernte. Zu Ostern 1634 zog er mit einer Anzahl syrischer Christen
nach Jerusalem, wo er seinen Freund von Dorne traf und mit zurück nach Kairo
nahm.
Im selben Jahr war eine Gesandtschaft des äthiopischen Königs Fäsiladas
(Basilides) (1) nach Ägypten gekommen, um einen neuen 'Abuna zu holen. Heyling
schloß sich dieser Gesandtschaft auf ihrer Rückreise an, um endlich in das Land
zu kommen, das er sich zum Ziel seiner Reise gesetzt hatte. In dem neuen 'Abuna
Märqos gewann er einen Freund, der sich in Äthiopien für ihn einsetzte und
erreichte, daß vornehme Männer Heyling ihre Söhne zur Erziehung übergaben. Dieser
Tätigkeit widmete sich Heyling mit großer Hingabe. Fäsiladas selbst soll solches
Vertrauen zu ihm gewonnen haben, daß er ihn an seinen Hof holte und zu seinem
Rat und Minister machte. Um ihn fester an sich zu binden, gab er ihm seine Tochter
zur Frau. Heyling vergaß aber über diesen Ehrungen und seiner hohen Stellung
nicht die Absicht, mit der er in das Land gekommen war : den Dienst am
Evangelium. Dazu gehörte zunächst, daß er das Neue Testament ins Amharische
übersetzte. Diese Übersetzertätigkeit wirkte noch lange nach : Besonders das
Evangelium des Johannes war im Volke so verbreitet, daß der Missionar 5. Gobat, der
in den Jahren 1830-1832 in Äthiopien weilte, eines Tages in Gondar einen
vornehmen Mann traf, der dieses Evangelium bei sich hatte (2).
In den späteren Jahren seines Aufenthaltes hat sich Heyling in die
Bergeinsamkeit des Vulkans Zequälä im Hochland der Schoa-Galla zurückgezogen. Es wurde
die Meinung geäußert, daß er dort in den Augen der Galla und später auch der
amharischen Eroberer zum heiligen Abbo wurde. Der Vulkan soll durch die Nähe
des heiligen Abbo zum Erlöschen gekommen sein. Auf die Frage, warum er auf
dem Kopf stehend abgebildet würde, antwortete ein äthiopischer Priester : « Es
ist der Ausdruck seiner beispiellosen Heiligkeit. Er konnte auf dem Kopfe stehen,
wie andere Menschen auf den Füßen, ohne zu ermüden ^ ».
Die Nachrichten über Heylings Tod lauten verschieden. Die einen erzählen,
daß Fäsiladas ihm befahl, das Land zu verlassen, da durch seine Lehre dogmatische
Streitigkeiten auszubrechen drohten. Auf der Reise sei er dann gestorben. 'Abbä
Gregorius berichtet, Heyling habe im Jahre 1652 vom Kaiser Urlaub erhalten, um
nach Kairo zu reisen. Der türkische Pascha von Suakin sei durch das Gold, das
der Kaiser Heyling mitgegeben hatte, verführt worden, ihn festzuhalten und vor
die Wahl zu stellen, Muslim zu werden oder zu sterben. Als Heyling sich mit den
Worten : « Ich lasse meinen Glauben nicht ; tue, wie es dir beliebt » weigerte, zum
Islam überzutreten, sei er enthauptet worden. 'Abbä Gregorius fügt zu diesem
Bericht, der aus dem Jahre 1656 stammt, hinzu : « Ich habe dasselbe also von den
Mönchen aus Kairo vernommen und weiß keine andere Nachricht. Nun sind es
vier Jahre her, daß er tot ist; ich selbst wollte wünschen, daß es nicht wahr sein
möchte (4) ». Damit stimmt auch überein, daß die Kopten Ägyptens (wie ich

(1) Seltän Sagad IL, cÄlam Sagad, 1632-1667.


(2) Vgl. W. Wickert, Abessinien-unser neues Missionsfeld, Hermannsburg, 1931, S. 37.
(3> M. Grühl, Abessinien-die Zitadelle Afrikas (Berlin, 1935), S. 146. Der auf dem Zequälä
verehrte Heilige ist heute allerdings unter dem Namen Gabra Manfas Qeddus bekannt (vgl. die
Arbeit von C. Bezold in Anm. 2, S. 264). Die Identifizierung von Heyling mit ihm scheint mir
historisch nicht genügend gesichert. Eine historisch-kritische Untersuchung dieser Frage wäre
sehr erwünscht.
<4) J. Ludolf, Ad suam Historiam Aethiopicam antehac editam Commentarius, Frankfurt a. M.,
1691, S. 551 ff.
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von einem deutschen lutherischen Diakon hörte, der lange Zeit in Ägypten gelebt
hatte) Peter Heyling als einen Märtyrer um des christlichen Glaubens willen und
als einen Heiligen verehren sollen W.
Es lag in der Natur der missionarischen Tendenzen, daß die Arbeit solcher
Männer alle Gebiete äthiopischen Lebens umfaßte. Sie brachten ein erstes Licht in
das dem Europäer damals so dunkle Feld der äthiopischen Sprache, sie brachten
Nachrichten über die Geschichte Äthiopiens und sie befaßten sich mit der
Erforschung des Landes und seiner Bewohner.
Bei den verschiedenen Gebieten, die unser Thema zu berühren hat, erscheint
es zweckmäßig, eine Gliederung nach zwei Kreisen : 1. der Philologie und
Literaturforschung und 2. der landeskundlichen Erforschung vorzunehmen. Zunächst
wollen wir einen Blick auf die Erforschung der äthiopischen Sprache und Literatur
werfen.

I. PHILOLOGIE IL\D LITERATURFORSCHUNG

Im Heim der Äthiopier zu Rom, dem Kloster Santo Stefano dei Mori (2), hörte
der Kölner Propst Johannes Potken eine eucharistische Liturgie, die in Ge'ez
gefeiert wurde. Potken suchte nach einem Dolmetscher, der ihm die Verständigung
mit den Äthiopiern ermöglichen könnte, fand aber keinen — nicht einmal unter
den in Rom lebenden Juden. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Sprache von
den Äthiopiern selbst zu lernen. Dabei fand er die Unterstützung eines Äthiopiers
namens Thomas Walda Samuel (3), eines Pilgers von Jerusalem. Nachdem er sich
eine ausreichende Kenntnis des Äthiopischen angeeignet hatte, veröffentlichte er
1513 auf eigene Kosten die Psalmen Davids und das Hohelied Salomos in Ge'ez
(das er ungenau als « Chaldäisch » bezeichnete) nach einer Handschrift, die sich
in der Bibliotheca Vaticana Befand (4). Als Potken 1515-1516 nach Köln
zurückkehrte, nahm er den äthiopischen Schriftguß mit sich und veröffentlichte 1518
in Köln die Psalmen Davids in Hebräisch, Griechisch, Äthiopisch und Lateinisch
(in Parallelkolumnen) unter dem Titel « Psalterium in quatuor linguis hebraea
graeca chaldaea latina ». Im Jahre 1522 fügte er seinem Werk eine Tafel mit dem
äthiopischen Alphabet, dem Vaterunser und Ave Maria in Äthiopisch und
Lateinisch hinzu ^.
Der Hilfe der äthiopischen Mönche von Santo Stefano dei Mori erfreuten sich
auch der Pfälzer Johann Georg Nissel (1623/24-1662), der lange Zeit in Leiden
lebte, und der Flensburger Theodor Petraeus (gest. 1672), die durch ihre
äthiopischen Drucke hervortraten ^K

*x) 0. F. A. Meinardus meint (in einem Aufsatz, der demnächst in den Ostkirchlkhen Studien
erscheinen wird), daß zwischen Heyling und Gabra Manfas Qeddus keine Verbindung
nachweisbar sei.
(2) Vgl. dazu Mauro da Leonessa, Santo Stefano Maggiore degli Abissini e le relazioni romano-
etiopiche, Città dei Vaticano, 1929; S. Euringer, San Stefano dei Mori (Vatikanstadt) in seiner
Bedeutung für die abessinische Sprachwissenschaft und Missionsgeschichte, in Oriens
Christianus, 32, 1935, S. 38-59.
(8) Zu ihm vgl. R. Lefevre, in Annali Lateranensi, 11, 1947, S. 264.
(4> Vgl. R. Lefevre, Su un codice etiopico della Vaticana, in La Bibliofilia, 42, 1940, S. 97-107.
(5) Vgl. H. F. Wijnman, An Outline of the Development of Ethiopian Typography in Europe,
Leiden, 1960, XIII-XV.
(«) Vgl. dazu A. Rahlfs, Nissel und Petraeus, ihre äthiopischen Textausgaben und Typen,
in Nachrichten d. k. Gesellsch. d. Wiss. zu Göttingen, Philol.-histor, Kl., 1917, S. 268-348.
17
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Obwohl in dieser Zeit in Holland und England (Justus Sealiger, 1593-1609
Professor in Leiden; Brian Walton ^; Edmund Castell^) das Äthiopische
studiert wurde, war die grundlegende Arbeit dem Reichshofrat Hiob (Job)
Ludolf (Leutholf) vorbehalten, der zum Begründer der äthiopischen Studien in
Europa wurde. Am 24. Juni 1624 zu Erfurt geboren, studierte er zunächst Medizin
und Naturwissenschaften, wandte sich aber bald dem Studium der Sprachen und
der Musik zu. Ludolf war einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit. Neben Latein
und Griechisch erlernte er fast alle wichtigeren europäischen Sprachen (Französisch,
Italienisch, Holländisch, Russisch, Schwedisch), danach Hebräisch, Arabisch und
Syrisch. Bald wurde er sich aber der Schwierigkeit bewußt, daß für das Studium
des Äthiopischen geeignete Arbeitsinstrumente fehlten. Zunächst war er ganz vom
Psalterium Potkens und einigem zweifelhaften Material abhängig, das er von seinem
Lehrer Karnrad erhalten hatte. Die Unzulänglichkeit dieser Hilfsmittel bestimmte
ihn, sich eine eigene Grammatik und ein eigenes Wörterbuch zusammenzustellen,
wobei er feststellen konnte, daß das äthiopische Wörterbuch, das /. Wemmer 1638
in Rom herausgebracht hatte, kaum etwas enthielt, was er sich nicht schon selbst
notiert hatte. 1645 wurde Ludolf als Student der Jura in Leiden immatrikuliert.
Als Mentor eines jungen holländischen Edelmannes konnte er Frankreich und Eng
land bereisen.
Die entscheidende Wendung in seiner wissenschaftlichen Arbeit wurde eigentlich
durch einen Zufall herbeigeführt. 1649 erhielt er vom schwedischen Gesandten
in Paris, Baron Rosenhahn, den Auftrag, in Rom nach bestimmten Dokumenten
zu suchen. Er konnte zwar diese Dokumente nicht finden, kam aber bei einem
Besuch in Santo Stefano dei Mori mit einem der vier dort lebenden Äthiopier
zusammen, mit 'Abbä Gregorius von Makäna Seiläse in Amhara. Gregorius kannte
zwar kein Latein und zunächst auch kein Italienisch, doch verstand Ludolf schon
so gut Äthiopisch, daß er sich mit ihm bald in Ge'ez unterhalten konnte. Gregorius
war ein gelehrter und intelligenter Mann, der sich auch späterhin' als eine Quelle
zuverlässiger Information bewährte. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland
gelang es Ludolf, das Interesse des Herzogs Ernst von Sachsen-Gotha zu wecken,
der ihm die Möglichkeit gab, Gregorius an den Gothaer Hof zu holen und dort mit
ihm seine Studien fortzusetzen. Im Jahre 1652 weilte Gregorius etliche Monate
in Gotha, wo er mit Ludo If zunächst im Ge'ez und in der äthiopischen Geschichte,
nachher auch im Amharischen arbeitete. Im folgenden Winter ging Gregorius
nach Italien zurück. Die Sehnsucht, seine Heimat wiederzusehen, war so stark,
daß er ein Schiff bestieg, das durch das Mittelmeer segeln sollte. Nahe der syrischen
Küste (vor Alexandrette) ist er 1658 bei einem Schiffbruch um das Leben
gekommen.
Die Dienste, die Gregorius dem Reichshofrat Ludolf und damit der Äthiopistik
und der semitischen Sprachwissenschaft im allgemeinen geleistet hat, waren
unschätzbar. Ludolf, der seit 1677 in Frankfurt a.M. ganz seinen Studien lebte,
wurde 1681 vom Kurfürsten von der Pfalz zum Kammerdirektor ernannt. Trotz
seiner Zurückgezogenheit wurde er noch mehrfach zu diplomatischen Diensten
herangezogen; so lud ihn 1679 Kaiser Leopold I. nach Prag, um die Möglichkeit

(1' Introductio ad lectionem linguarum orientalium, London, 1653.


(2) Er verfaßte das wegen seiner Genauigkeit sehr geschätzte « Lsxicon Heptaglotton » (1669),
das auch das Äthiopische einschloß, und wirkte an Brian Waltons Polyglotte mit; vgl. E. Ullen-
dorff, The Ethiopians, London, 21965, S. 9; J. Fück, Die arabischen Studien in Europa bis in den
Anfang des 20. Jahrhunderts, Leipzig, 1955, S. 86.
ÉTUDES 259
einer Anknüpfung politischer Beziehungen zu Äthiopien zu besprechen. 1682
war Ludolf als Unterhändler zwischen dem Reich und Frankreich tätig. Als
Kara Mustafa 1683 vor Wien stand, versuchte man tatsächlich — wenn auch ohne
Erfolg — mit Ludolfs Hilfe die Äthiopier als Bundesgenossen gegen die Türken
zu gewinnen (1\ Ludolf starb am 8. April 1704 in Frankfurt; sein Grabmal ist noch
heute neben dem Osteingang der Katharinenkirche zu sehen W.
Die Frucht seiner umfassenden Arbeiten, die zum Teil heute noch nicht veraltet
sind, bilden seine äthiopischen und amharischen Grammatiken und
Wörterbücher (3), vor allem aber seine « Historia Aethiopica » (4) mit dem « Ad suam
Historiam Aethiopicam antehac editam Commentarius » ^ und den zwei
Appendices (6). In der « Historia Aethiopica » werden die Natur des Landes, seine
Einwohner, die Geschichte, die Religion und die kirchlichen Verhältnisse mit
literarischer Meisterschaft, mit Zuverlässigkeit und Einfühlungsvermögen geschildert.
Bis auf unsere Tage sind seine « Historia » und der « Commentarius » eine
unentbehrliche Quelle für das Studium des mittelalterlichen Äthiopien.
Zwischen der Zeit Ludolfs und dem 19. Jahrhundert sind zahlreiche Reisen
europäischer Forscher und Entdecker zu verzeichnen, auf die wir — was den
deutschen Anteil angeht — im zweiten Abschnitt zu sprechen kommen werden.
Das Material, das durch die Ergebnisse dieser Reisen zur Verfügung gestellt
werden konnte, wurde in Europa von Gelehrten bearbeitet <7), von denen der Schwabe
August Dillmann (1823-1894) an erster Stelle steht. Mit vollem Recht gilt er als
der Wiederbegründer der äthiopischen Studien in Europa. Er war von Haus aus
Theologe ^8', sein wissenschaftliches Interesse wandte sich aber bald der
Erforschung der Sprache, Literatur und Geschichte Äthiopiens zu. Nachdem er seine
Studien an der Universität Tübingen beendet hatte, untersuchte er die äthiopischen

M Vgl. K. F. Bauer, Hiob Ludolf. Der Begründer der äthiopischen Sprachwissenschaft, Frankfurt
a. M., 1937, S. 8.
<2> Zu Ludolf vgl. Chr. Juncker, Commentarius de vita Jobi Ludolfi, Leipzig-Frankfurt a M.,
1710; F. Chr. Matthiae, Nachricht von Hiob Ludolfs noch vorhandenem Briefwechsel, nebst drey
daraus vollständig mitgeteilten Schreiben des Nicolaus Heinsius, in Programm des Gymnasiums zu
Frankfurt a. M., Herbst, 1817; dsl., Probe einer neuen Ausgabe des Leibniz-Ludolfischen
Briefwechsels, in Programm des Gymnasiums zu Frankfurt a. M., Herbst, 1820 ; J. Flemming, Hiob Ludolf.
Ein Beitrag zur Geschichte der orientalischen Philologie, in Beiträge zur Assyriologie und
vergleichenden semitischen Sprachwissenschaft, 1, 1890, S. 537-582, und II, 1894, S. 63-110; K. F. Bauer,
Hiob Ludolf. Der Begründer der äthiopischen Sprachwissenschaft, Frankfurt a. M., 1937;
Allgemeine Deutsche Biographie, XIX, S. 394/.
<3) Lexicon Aethiopico-Latinum, hrsg. von J. M. Wansleben, London, 1661; Frankfurt a. M.,
21699; Grammatica Aethiopica, hrsg. von J. M. Wansleben, London, 1661; Frankurt a. M.,
21702; Grammatica und Lexicon Amharicae Linguae, Frankfurt a. M., 1698; daneben sind noch
zu nennen das Psalterium Davidis Aethiopice et Latine, Frankfurt a. M., 1701.
<4) Frankfurt a. M., 1681. Die National Library in 'Addis 'Abbabä besitzt das Kuriosum einer
ausführlichen gedruckten Voranzeige dieses Werkes.
(6) Frankfurt a. M., 1691.
<«) 1693 und 1694.
(?) Nachdem schon in der zweiten Hälfte des 17. Jh. J. U. Wildt die äthiopische Kirche
behandelt hatte (Ecclesia Aethiopica. Breviter adumbrata et solenni disputationi submissa in
Universitate Argentoratensi, Straßburg, 21672) versuchte G. Oertel wohl als erster eine
systematische Darstellung der äthiopischen Kirchenlehre : Theologia Aethiopum ex liturgicis fidei con-
fessionibus aliisque ipsorum pariter a rerum habessinicarum peritissimorum Europaeorum scriptis
congesta, Wittemberg, 1740.
'8) Genauer gesagt : Alttestamentier. Von ihm stammen unter anderem das < Handbuch der
alttestamentlichen Theologie », Leipzig, 1895, und die Kommentare zur Genesis, Leipzig, 61892,
zu Exodus und Leviticus, 1880, zu Numeri, Deuteronomium, Josua, 1886, zu Jesaja, 1890, und zu
Hiob, 21891.
17.
260 ANNALES D'ETHIOPIE
Handschriftenschätze in den Bibliotheken von Paris, London und Oxiord. Ein
Resultat dieser Tätigkeit waren seine Kataloge der äthiopischen Handschriften
im British Museum (London 1847) und in der Bodleian Library (Oxford 1848),
denen sich später noch ein Katalog der äthiopischen Handschriften in der k.
Bibliothek zu Berlin (Berlin 1878) hinzugesellte. Nach seiner Rückkehr war er
Professor an den Universitäten von Tübingen, Kiel, Gießen und schließlich von
Berlin, wo er am 4. Juli 1894 starb (1).
Von ihm sind zunächst drei monumentale Werke zu nennen, die damals wie
heute zum unentbehrlichen Rüstzeug der Äthiopistik gehören :

1. « Grammatik der äthiopischen Sprache » (2) : In der Einleitung (S. VI)


sagt Dillmann : « Die Überzeugung... wird sich, hoffe ich, jedem, der mein Buch
durchliest, aufdrängen, daß die so lange vernachlässigte äthiopische Grammatik
denen der anderen semitischen Sprachen ebensoviel Licht bringt, als sie von ihnen
empfängt. » In der Tat ist seine Grammatik bis heute das einzige umfassende,
sprachwissenschaftlich ausgerichtete Werk über das Ge'ez. Sicherlich müßte dieses
grundlegende Werk einmal neu bearbeitet und mit den neueren Ergebnissen der
semitischen Sprachwissenschaft, insbesondere denen der südarabischen, arabischen
und kuschitischen Sprachforschung, in Einklang gebracht werden, aber bis jetzt
hat sich noch niemand an diese schwierige und zeitraubende Aufgabe gewagt.
2. « Lexicon Iinguae Aethiopicae » ^ : Von diesem Monument der Äthiopistik
(1522 Kolumnen) gilt das Wort von seiner Bedeutung in noch stärkerem Ausmaß.
Auch in ihm haben wir bis heute das einzige umfassende Wörterbuch des Ge'ez,
das noch auf lange Zeit seinen Platz behaupten wird ^4^. Sein Wert liegt darin,
daß es nicht nur die Bedeutung der Ge'ez- Wörter mitteilt, sondern auch eine
Unzahl von Belegstellen aus der äthiopischen Literatur, eine Frucht der
ausgedehnten Handschriftenlektüre, die Dillmann in den europäischen Bibliotheken
getrieben hat. Die Ergänzung des Lexikons, die Enno Littmann 1944 nach der
sprachvergleichenden Seite und den inzwischen bekannt gewordenen und
publizierten äthiopischen Texten hin forderte ^\ ist nun bis zu einem gewissen Grad
durch das « Supplément au Lexicon Linguae Aethiopicae de August Dillmann
(1865) et Édition du Lexique de Juste d'Urbin (1850-1855) » des bekannten
französischen Äthiopisten Sylvain Grébaut (gest. 1955) ^ geleistet worden, so daß
wir in lexikographischer Hinsicht gut versorgt sind.

3. « Chrestomathia Aethiopica » O : Dieses Werk Dillmanns wurde das


klassische Unterrichtsbuch des Ge'ez an europäischen Universitäten. Hier findet sich

-1) Vgl. W. W. von Baudissin, August Dillmann. Beilage zur « Allgemeinen Zeitung », 1895,
Nr. 123-125, als Separatdruck Leipzig, 1895; dsl. in Realencykl. f. protest. Theol. u. Kirche, 3IV,
S. 662-669; R. Paret-A. Schall (Hrsg.), Ein Jahrhundert Orientalistik, fLebensbilder aus der
Feder von Enno Littmann und Verzeichnis seiner Schriften, Wiesbaden, 1955, S. 1-10.
<2) In der zweiten Auflage (Leipzig, 1899) bearbeitet von C. Bezold; englische Übersetzung von
J. A. Crichton, Ethiopie Grammar, London, 1907.
(3) Leipzig, 1865.
<4) 1955 von der Frederick Ungar Publishing Company (New York) fotomechanisch nachgedruckt.
<5) Stand und Aufgaben der deutschen Erforschung Abessiniens, in R. Hartmann-H. Scheel
(Hrsg.), Beiträge zur Arabistik, Semitistik und Islamwissenschaft, Leipzig, 1944, S. 77.
<«> Paris, 1952.
O Zweite Auflage mit Zusätzen und Korrekturen von E. Littmann, Berlin, 1950. _
ÉTUDES 261
ein Querschnitt durch einen bedeutenden Teil der äthiopischen Literatur, der
dem Studierenden eine gute Kenntnis der Sprache vermittelt. Das beigefügte
« Glossarium » ersetzt dem, der das große Lexikon nicht zur Hand hat, weitgehend
dieses umfängliche Werk, wenn auch hier die Belegstellen aus der äthiopischen
Literatur fehlen.

Die sonstigen Arbeiten Dillmanns zur äthiopischen Literatur und Geschichte


können hier nicht alle genannt werden. Erwähnt sei nur seine Studie über die frühe
äthiopische Geschichte «Über die Anfänge des Axumitischen Reiches» M. Weiter
muß hervorgehoben werden, daß seine Abhandlung « Über die Regierung,
insbesondere die Kirchenordnung des Königs Zar'a- Jacob » ^ für uns (mit Ausnahme
der Textproben, die Kurt Wendt gegeben hat ^3^) immer noch die einzige
Publikation ist, die eine Kenntnis des Mashafa berhän vermittelt (die Edition dieses
wichtigen Werkes läßt noch auf sich warten). Der Arbeit über Zar'a Yä'qob ließ
Dillmann als Ergänzung die deutsche Übersetzung der Kriegszüge des 'Amda
§eyon folgen ^4).
Nicht vergessen werden dürfen unter den Textausgaben Dillmanns die des
äthiopischen Alten Testamentes, die leider unvollendet blieb ^5^, und seine
Editionen und Übersetzungen der Apokryphen ^\ Die Ausgabe des Henoch wurde
später durch die von /. Flemming (?), und Dillmanns Übersetzung desselben
Werkes durch die von /. Flemming und L. Radermacher ^ abgelöst, während
sich H. Appel mit der literarischen Komposition des Buches beschäftigte (9).
Sowohl die Ausgabe des äthiopischen Bibeltextes, wie überhaupt Studien zur
äthiopischen Bibelversion liegen dagegen — trotz der Arbeiten von /. Bachmann^lQ\

(D Abh. d. k. PreuR. Ak. d. Wiss., 1878, S. 195-230.


<2> Abh. d. k. PreuQ. Ak. d. Wiss., 1884, Philos.-histor. Cl. II, Berlin, 1885.
<3> Das Mashafa Berhän und Mashafa Miläd, in Orientalia, NS 3, 1934, S. 1-30, 147-173,
259-293.
W Die Kriegsthaten des Königs 'Amda-Sion gegen die Muslim, in Sitzungsber. d. k. Preuß.
Ak. d. Wiss., Philos.-histor. Cl. XLIII, 1884, S. 1007-1037.
'5> Leipzig, 1853-1894; Text des Joel hrsg. von Dillmann in A. Merx, Die Prophétie des Joel
und ihre Ausleger von den ältesten Zeiten bis zu den Reformatoren, Halle, 1879.
(6> Ascenio Isaiae, Leipzig, 1877; Liber Henoch aethiopice, Leipzig, 1851; Das Buch Henoch
übersetzt und erklärt, Leipzig, 1853; Mashafa kûfâlê sive Liber Jubilaeorum, Göttingen, 1859;
Das Buch der Jubiläen oder die kleine Genesis, in Ewalds Jahrbücher d. bibl. Wiss., 2, 1850, S. 230
bis 256; 3, 1851, S. l-%; lateinische Übersetzung zweier äthiopischer Handschriften von Dillmann
in H. Rönsch, Das Buch der Jubiläen oder die kleine Genesis, Leipzig, 1874.
(7> Das Buch Henoch, in Texte und Untersuchungen, S. 22,1, Leipzig, 1902. FJemming verdanken
wir auch die Ausgabe der Briefe des 'Abbä Gregorius an Ludolf : Hiob Ludolf. Ein Beitrag zur
Geschichte der orientalischen Philologie, in Beiträge zur Assyriologie und vergleichenden
semitischen Sprachwissenschaft, 1, 1890, S. 537-582, II, 1894, S. 63-110.
<8> Das Buch Henoch, in GCS, 5, Leipzig, 1901.
<•) Die Komposition des Äthiopischen Henochbuches. Beiträge zur Förderung christlicher
Theologie, 10, 3, Gütersloh, 1906.
U°) Dodekapropheton Aethiopum, I. Der Prophet Obadia; II. Der Prophet Maleachi, Halle, 1892 ;
Die Klagelieder Jeremiae in der äthiopischen Bibelübersetzung, Halle, 1893; Bachmann stellte
auch Äthiopische Lesestücke, Leipzig, 1893, zusammen und gab einen Teil des Fetha nagast :
Corpus juris Abessinorum, I. Jus connubii, Berlin, 1890, sowie das Buch des Philosophen Secundus
heraus : Secundi Philosophi Taciturni vita ac sententiae secundum codicem Aethiopicum Bero-
linensem, Berlin, 1887; Das Leben und die Sentenzen des Philosophen Secundus des Schweig'
samen. Nach dem Äthiopischen und Arabischen, Halle, 1887; Die Philosophie des Neopythago-
reers Secundus, Berlin, 1888.
262 ANNALES D'ETHIOPIE
5. Reckendorf W, J. Schäfers (*>, Fr. O. Kramer <«>, A. Heider M, L. Hack-
spill <5>, /. Hofmann <6) und einiger ausländischer Äthiopisten wie Fr. M. Esteves
Pereira, 0. Boyd und 0. Löfgren — noch sehr im Argen. Vor allem vom Neuen
Testament fehlt jede kritische, wissenschaftlichen Ansprüchen genügende
Ausgabe.
Erstaunlich ist die Leistung Dillmanns, der seine Werke als Einzelner — ohne
Mitarbeiter — schuf. Wir, die wir heute so oft an Team-Arbeit gewöhnt sind,
können nur in Ehrfurcht vor dem Lebenswerk dieses Äthiopisten stehen, der
damit der ganzen deutschen Wissenschaft ein unvergängliches Denkmal gesetzt
hat.
Dillmanns Arbeit wurde von dem Berliner Franz Praetorius (1847-1927) (7)
fortgesetzt, der sich schon in seiner philosophischen Dissertation mit jenem Teil
des Kebra nagast beschäftigt hatte, der von dem Besuch der Königin von Saba
bei König Salomo berichtet (8). Im Jahre 1886 veröffentlichte er in der Sammlung
« Porta linguarum orientalium » seine « Äthiopische Grammatik mit Paradigmen,
Litteratur, Chrestomathie und Glossar », die allerdings bewußt darauf verzichtete,
sprachwissenschaftliche Probleme zu erörtern, sondern vor allem ein
Elementarbuch für den Anfänger sein wollte. Als solches leistet sie, wenn man von den
eigenartigen Vorstellungen absieht, die Praetorius zunächst vom Ge'ez-Verbum
hatte (aber später wieder zurücknahm), dem Studenten auch heute noch gute
Dienste <9>.
Sein Hauptverdienst ist aber die Erforschung der modernen äthiopischen
Sprachen. Freilich ist er selbst nie in Äthiopien gewesen; er hat auch die Sprachen, die
er bearbeitete, nie sprechen hören, sondern mußte sich mit gedruckten oder
geschriebenen Texten begnügen, die zum großen Teil von Missionaren aufgezeichnet
worden waren. Trotz dieser Behinderung ist seine amharische Grammatik ^l0)
eine Pioniertat, die noch heute ihren Wert hat. Diesem Werk treten seine «
Grammatik der Tigrina-Sprache in Abessinien, hauptsächlich in der Gegend von Aksum
und Adoa » ^11' und seine Untersuchung « Zur Grammatik der Gallasprache » (12^
ebenbürtig zur Seite. Darüber hinaus versuchte er auch, mit seinen Aufsätzen
über die kuschitischen und hamitischen Elemente im Äthiopischen der Forschung
den Blick für den Zusammenhang der äthiopischen Sprachen mit dem
kuschitischen Sprachraum zu öffnen '13'. Sein weiteres (und ferneres) Ziel war, die gesamte

(^ Über den Werth der altäthiopischen Pentateuchübersetzung für die Reconstruction der
Septuaginta, Inaugural-Diss., Gießen, 1886.
<2) Die äthiopische Übersetzung des Propheten Jeremias, Freiburg i. Br., 1912.
W Die äthiopische Übersetzung des Zacharias, Leipzig, 1898.
<4' Die aethiopische Bibelübersetzung, I, Leipzig, 1902.
<5) Die äthiopische Evangelienübersetzung, in Zeitschrift für Assyriologie, 11, 1896, S. 117 bis
196, 367-388.
O Der arabische Einfluß in der äthiopischen Übersetzung der Johannes- Apokalypse, in Oriens
Christianus, 43, 1959, S. 24-53; 44, 1960, S. 25-39; Beziehungen der saudischen zur äthiopischen
Übersetzung der Johannes-Apokalypse, in J. Blinzler-O. Küss-F. MüBneh (Hrsg.), Neutesta-
mentliche Aufsätze. Festschrift für Prof. Josef Schmid, Regensburg, 1963, S. 115-124.
(7) Zu ihm vgl. Ein Jahrhundert Orientalistik, S. 37-45.
<8> Fabula de Regina Sabaea apud Aethiopes, Halle, 1870.
'" 1955 in New York fotomechanisch nachgedruckt.
d°> Die Amharische Sprache, Halle, 1879.
dl) Haue, 1871.
(12) Berlin, 1893.
<13> Hamitische Bestandteile im Äthiopischen, in ZDMG, 43, 1889, S. 317-326; Kuschitische
Bestandteile im Äthiopischen, in ZDMG, 47, 1893, S. 385-394.
ÉTUDES 263
äthiopische Sprachgeschichte im Rahmen der Wechselbeziehungen zwischen
semitischen und hamitischen Sprachen in Ostafrika darzustellen. Bescheiden sagte er
in der Einleitung seiner « Grammatik der Gallasprache », daß er diesem Ziel kaum
nähergekommen sei. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß er in vielerlei
Hinsicht die Grundlagen für die Erreichung dieses Zieles gelegt hat. Maßgebend
war dafür seine Abhandlung « Über die hamitischen Sprachen Ostafrikas » W, in
der er mit Erfolg eine zusammenfassende Charakterisierung dieser Sprachen in
ihrem gegenseitigen Verhältnis und in ihren Beziehungen zu den semitischen
Sprachen Äthiopiens gab.
Anders war die Art und Weise, in der der Österreicher Leo Reinisch (1832-
1919) die äthiopischen Sprachen untersuchte. Er war 1867/1868 Geheimsekretär
Kaiser Maximilians von Mexiko gewesen; nachher wurde er Professor für
Ägyptologie an der Universität Wien. Auch er bemühte sich, größere
Sprachzusammenhänge aufzudecken, ging dabei aber vom Bereich der ägyptischen Sprache aus.
Zu seinen Arbeitszielen gehörte die Erforschung des Zusammenhanges des
Ägyptischen mit dem Libysch-Berberischen und den kuschitischen Sprachen. Er
unternahm auch Reisen nach Äthiopien, wo er eine ganze Reihe von kuschitischen
Sprachen untersuchte. Später veröffentlichte er auf Grund seiner Aufzeichnungen
phonetische Wiedergaben der Texte mit Übersetzungen. Durch seine Arbeiten
wurde unsere Kenntnis dieser Sprache, besonders des Somali, außerordentlich
bereichert.
An dieser Stelle muß auch der große deutsche Orientalist Theodor Nöldeke
(1836-1930) ^ erwähnt werden. Obwohl das Äthiopische nicht den Schwerpunkt
seiner Arbeit bildete, hat er doch die Kenntnis der äthiopischen Sprachen in
Besprechungen, Aufsätzen ujid kleineren Schriften gefördert. Dazu verfaßte er einen
Abriß der Geschichte der äthiopischen Literatur ^3'.
Die von Dillmann begonnene und durch Praetorius fortgesetzte Arbeit war
die Grundlage, auf der die deutsche Äthiopistik weiterbaute. Am Berliner Seminar
für Orientalische Sprachen wurde eine Äthiopische Abteilung eingerichtet, in der
Eugen Mittwoch (1876-1942) ^4^ und der Äthiopier Aleka Taje (Täyya) arbeiteten.
Durch diese Zusammenarbeit konnte die Kenntnis der traditionellen Aussprache
des Ge'ez und die Kenntnis des Amharischen gefördert werden. So entstanden die
« Abessinischen Studien » : Im ersten Band behandelt Mittwoch die « Traditionelle
Aussprache des Äthiopischen » <5), im zweiten brachte er die « Amharische Version
der Soirées de Carthage » W. Diese « Soirées » des Abbé Bourgade sollten — wie
ähnliche Schriften von ihm — den Zwecken der christlichen Mission in den Ländern
des Islam dienen und führen den Titel : Mashafa takäljedo bahäymänot (Buch
der Disputation über den Glauben). Die Übersetzung des französischen Originals W

S. M 312-341.
Beiträge zur Assyriologie und vergleichenden semitischen Sprachwissenschaft, II, 1894,
(a' Zu ihm vgl. Ein Jahrhundert Orientalistik, S. 52-62.
(8' Die äthiopische Literatur, in Die Kultur der Gegenwart, I, 7 : Die orientalischen
Literaturen, Berlin, 1906, S. 124-131.
<4> Zu ihm vgl. Ein Jahrhundert Orientalistik, S. 128-133; W. Gottschalk, Die Schriften
Eugen Mittwochs, in Monatsschrift für Geschi.hte und Wissenschaft des Judentums, 81, 1937,
S. 243-250.
<8> Berlin-Leipzig, 1926.
(fl) Berlin-Leipzig, 1934; mit einer Einleitung : Die angeblichen abessinischen Philosophen des
17. Jahrhunderts.
(7) Soirées de Carthage ou Dialogues entre un prêtre catholique, un muphti et un cadi, Paris,
1847, 21852. Es gibt auch zwei Auflagen einer arabischen Übersetzung.
264 annales d'éthiopie
ins Amharische stammt von dem bekannten P. Giusto da Urbino, der sie 1852
anfertigte.
Eine ganze Reihe von deutschen Gelehrten dieser Zeit befaßte sich mit der
äthiopischen Philologie und Literaturgeschichte. Carl Bezold (1859-1922) (1) gab
das Hauptwerk der äthiopischen Literatur, das Kebra nagast, heraus {~2i\ Ernst
Trumpp (1828-1885) bearbeitete apokryphe und kirchliche Texte ^3), 1878
publizierte er das Taufbuch der äthiopischen Kirche ^4^. Wichtig (wenn auch der
Nachprüfung bedürftig) war seine Arbeit über den äthiopischen Akzent ^5'. Im Jahre
1886 veröffentliche C. von Arnhard die Liturgie zu Temqat, dem Tauffest am 11.
Terr (= 6. Jan. jul./19. Jan. greg.) <6). Das im Altertum und Mittelalter weit
verbreitete Buch des Physiologus wurde in seiner äthiopischen Version von
F. Hommel (1854-1936) herausgegeben ^\ Ihm verdanken wir auch eine
aufschlußreiche Untersuchung über « Die Namen der Säugethiere bei den südsemitischen
Völkern als Beiträge zur arabischen und äthiopischen Lexicographie, zur
semitischen Kulturforschung und Sprachvergleichung und zur Geschichte der
Mittelmeerfauna » (fi). Das « Buch der weisen Philosophen » (Mashafa faläsfä Cabibän)
untersuchte C. H. Cornill W ; die Exzerpte aus diesem Werk in Dillmanns
Chrestomathie übertrug S. Euringer ins Deutsche do).
Aus dem Kreis um den bedeutenden Leipziger Orientalisten H.L. Fleischer
(1801-1888) gingen — neben F. Praetorius und F. Hommel — einige Orientalisten
und Theologen hervor, die sich u.a. auch äthiopistischen Studien zuwandten (nl,
so W. Fell (12), A. Rahlfs d») und B. Stade <14>.
W Zu ihm vgl. Ein Jahrhundert Orientalistik, S. 31-33.
<2' Abh. d. k. Bayer. Ak. d. Wiss., I. CL, XXIII. Bd., I. Abt., München, 1905. Es sei hierauch
Bezolds Arbeit über Gabra Manfas Qeddus erwähnt : Abbä Gabra Manfas Qeddus, in
Nachrichten der k. Gesellsch. d. Wiss. zu Göttingen, PhiloL-histor. KL, 1916, Heft 1.
<3> Der Kampf Adams (gegen die Versuchung des Satans) oder das christliche Adambuch des
Morgenlandes, in Abh. d. k. Bayer. Ak. d. Wiss., I. CL, XV. Bd., III. Abt., München, 1880; Das
Hexaëmeron des Pseudo-Epiphanius, in Abh. d. k. Bayer. Ak. d. Wiss., I. CL, XVI. Bd., II. Abt. ,
München, 1882.
(4) Das Taufbuch der äthiopischen Kirche, in Abh. d. k. Bayer. Ak. d. Wiss., I. CL, XIV. Bd.,
III. Abt., München, 1878.
<5) Über den Akzent im Äthiopischen, in ZDMG, 28, 1874, S. 515-561. Trumpp untersuchte auch
den Text des Tabiba fabibän in Dülmanns Chrestomathie : Kritische Bemerkungen zum «
Sapiens Sapientium* in Dillmann' s Chrestomathia Aethiopica, p. 108, 599, in ZDMG, 34, 1880,
S. 232-240.
(•) Liturgie zum Tauf-Fest der äthiopischen Kirche, Inaugural- Diss., München, 1886; Die
Wasserweihe nach dem Rytus der Äthiopischen Kirche, in ZDMG, 41, 1887, S. 403-414.
<7> Die äthiopische Übersetzung des Physiologus, Leipzig, 1877. Es gibt nun eine deutsche
Übersetzung des griechischen Textes mit Erläuterungen von 0. Seel : Der Physiologus, Zürich-
Stuttgart, 1960.
(») Leipzig, 1879.
(9> Leipzig, 1875; zum Tabiba {abibän steuerte er Varianten einer Frankfurter Handschrift bei :
Noch eine Handschrift des « Sapiens Sapientium », in ZDMG. 35, 1881, S. 646-653 ; weiter stammt
von ihm : Das Glaubensbekenntnis des Jacob Baradaeus in äthiopischer Übersetzung, in ZDMG,
30, 1876, S. 417-466.
U°) Übersetzung der philosophischen Lehrsprüche in Dillmanns « Chrestomathia Aethiopica*,
in Orientalia, NS 10, 1941, S. 361-371.
(ii) Vgl. J. Fück, Die arabischen Studien in Europa bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts,
Leipzig, 1955, S. 172.
(1Sl> Canones apostolorum aethiopice, Leipzig, 1871.
<13> Zu den altabessinischen Königsinschriften, in Oriens Christianus, NS 6, 1916, S. 282-313;
Nissel und Petraeus, ihre äthiopischen Textausgaben und Typen, in Nachrichten d. k. Gesellsch. d.
Wiss. zu Göttingen. PhiloL-histor. Kl., 1917, S. 268-348.
(14) Über den Ursprung der mehrlautigen Thatwörter der Ge'ezsprache, Leipzig, 1871 ; De Isaiae
vaticiniis aethiopicis diatribe, Leipzig, 1873.
ÉTUDES 265
1895 legte E. Kromrei seine Dissertation über Glaube und Riten der alten äthio •
pischen Kirche vor *1\ eine Arbeit, die wegen ihrer Gründlichkeit und Klarheit
noch heute von den Fachleuten gerne eingesehen wird.
Aus dieser Zeit stammt auch eine Schrift, die oft geschmäht wurde, aber dennoch
eine gewisse Nützlichkeit bewahrt hat : die « Bibliotheca Aethiopica » von
L. Goldschmidt (8171-1950) <2). Um dieser Arbeit Gerechtigkeit widerfahren zu
lassen, muß man berücksichtigen, daß hier zum ersten Mal der Versuch gemacht
wurde, eine Zusammenstellung der äthiopischen Literaturwerke zu geben, soweit
sie zu jener Zeit durch europäische Druckausgaben bekannt geworden waren.
Goldschmidt führt zunächst den Titel des betreffenden Werkes an und läßt dann
jeweils eine summarische Inhaltsangabe und eine Aufzählung der Ausgaben und
Untersuchungen folgen. Eine neue « Bibliotheca Aethiopica » (die heute allerdings
ein Vielfaches an Umfang haben würde) wäre ein nützliches Unternehmen.
In Österreich beschäftigte sich D. H. Müller (1846-1912) mit den «
Epigraphischen Denkmälern aus Abessinien » ^3^. Als Privatdozent weckte er in E. Glaser
(1855-1908) das Interesse für Südarabien und Äthiopien (4). Auch A. Haffner
(1869-1914) <*>, M. Bittner <•> (gest. 1918) und N. Rhodokanakis (1876-1945) <?>
beschäftigten sich gelegentlich mit äthiopistischen Themen.
Verhältnismäßig spät begann (wenn wir von den einschlägigen Arbeiten Trumpps
und von Arnhards absehen) die Beschäftigung mit einem Bereich, der im Leben
Äthiopiens und seiner Kirche eine zentrale Stellung einnimmt : mit der
äthiopischen Liturgie. Hier ist vor allem der Name Hugo Duensing (1877-1961),
eines feinsinnigen deutschen Gelehrten, zu nennen. Während seines ganzen Lebens
war Duensing als evangelischer Pfarrer in Niedersachsen (zuletzt von 1926 bis
zu seiner Pensionierung 1948 in Goslar) tätig. Leider scheiterte ein Versuch,
ihn an die Berliner Universität zu holen, an den widrigen Zeitumständen; er ist
als Pastor emeritus in Goslar gestorben. Schon in seiner philosophischen
Dissertation (deren Gutachter der Alttestamentler Julius Wellhausen war) hatte er
sich der äthiopischen liturgischen Literatur, dem Synaxarium, zugewandt ^8^.
Als 5. A. B. Mercer 1915 sein Buch « The Ethiopian Liturgy » ^9^ veröffentlichte,
unterzog es Duensing — ein in wissenschaftlichen Belangen unerbittlicher
Kritiker — einer vernichtenden Kritik (10). 1904 veröffentlichte Duensing einen Brief

M Glaubenslehre und Gebräuche der älteren abessinischen Kirche, Inaugural-Diss., Leipzig,


1895.
<2> Leipzig, 1893. Von ihm stammt auch der Katalog der Rüppellschen Handschriften in
Frankfurt : Die Abessinischen Handschriften der Stadtbibliothek zu Frankfurt am Main (RüppeU's he
Sammlung), Berlin, 1897.
<8> Denkschriften der k. Ak. d. Wiss. in Wien, Philos.-histor. CL, XLIII, III, Wien, 1894.
<4' Die Abessinier in Arabien und Afrika, München, 1895. Zwischen Glaser und Müller
herrschte später ein sehr gespanntes Verhältnis. Glaser äußerte sich gegen Müller ebenso heftig,
wie dieser ihn angriff; vgl. Glasers Schrift : Bemerkungen zur Geschichte Altabessiniens und zu
einer sabäischen Vertragsinschrift, Saaz, 1894.
(5> Eine äthiopische Handschrift der k. k. Hofbibliothek in Wien zu den pseudo-epiphanischen
Werken, in WZKM, 26, 1912, S. 363-387.
(•) Der vom Himmel gefallene Brief Christi, in Denkschriften der k. Ak. d. Wiss. in Wien,
PhüWhistor. KL, LI, I, Wien, 1908.
(?) Die äthiopischen Handschriften der k. k. Hofbibliothek zu Wien, in Sitzungsber. d. k. Ak.
d. Wiss. in Wien, Philos. -histor. KL CLI, IV, Wien, 1906.
O Liefert das äthiopische Synaxar Materialien zur Geschichte Abessiniens? Göttingen, 1900.
<») Miiwaukee-London, 1915. x
<10) Göttingische Gelehrte Anzeigen, 1916, Nr. 11, S. 625-656. Seine ausführliche Besprechung stellt
eigentlich eine eigene Studie zur äthiopischen Liturgie dar. Kennzeichnend für seine Art der Kritik
266 annales d'éthiopie
des äthiopischen Königs Claudius (Galäwdewos), den er in einem
Pergamentblatt aus Florenz als solchen erkannt hatte (l K Als Frucht langjähriger und
schwieriger Studien folgte im Jahre 1946 der äthiopische Text der sog. Kirchenordnung
des Hippolyt &\ Zahlreiche Buchbesprechungen Duensings befaßten sich
eingehend mit der Geschichte Äthiopiens, wobei er solchen Besprechungen auch
immer wieder eine Fülle eigener Beobachtungen beizufügen wußte. Leider war
es auch ihm — wie Praetorius — nie vergönnt, das Land, dem er fast seine
ganze wissenschaftliche Arbeitskraft widmete, aus dem Augenschein
kennenzulernen.
Das durch Duensing wachgerufene Interesse an der äthiopischen Liturgie und
ihrer Geschichte fand in Deutschland einen hervorragenden Vertreter in dem
Alttestamentier an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Dillingen
a. d. D., Sebastian Euringer (1865-1943) (3). Um die Jahrhundertwende hatte er
eine Arbeit veröffentlicht, die sich der Interpretation des Hohenliedes bei den
Äthiopiern widmete ^4^; bald wurde er auf verschiedenen Gebieten der
äthiopischen Literatur tätig (5). Besonders angelegensein ließ er sich die Übersetzung
der Texte in Dillmanns Chrestomathie (soweit diese nicht schon übersetzt worden
waren), die er zum großen Teil auch mit erklärenden Anmerkungen versah ^6K
In selbständigen Publikationen und Zeitschriftenaufsätzen machte er die
Fachwelt auch mit den Originaltexten der äthiopischen Liturgien bekannt. In
teilweiser Zusammenarbeit mit dem schwedischen Semitisten 0. Löfgren gelang es
ihm, alle äthiopischen Liturgien, bis auf drei Texte, zu veröffentlichen {1\ Sein
literarischer Nachlaß mit den drei Texten des Ordo Communis (Ser'äta qeddâsë),
der Anaphora der Apostel und der Anaphora unseres Herrn ist nun in meine
Hände übergegangen mit der Aufgabe, diese Texte in den nächsten Jahren zu
bearbeiten und (zusammen mit einigen Texten von 0. Löfgren) zu veröffentlichen.
In den Rahmen äthiopischer Liturgie gehören auch die von Adolf Grohmann
(Innsbruck, früher Prag) herausgegebenen « Aethiopischen Marienhymnen » (8^.

ist u. a. folgende Stelle (639) : « Der Verfasser hat S. 9 geschrieben : « The Student who contemplâtes
« a study of the Ethiopie liturgies must prépare himself by acquiring a knowledge of the Ethiopie
« language ». Möge er selbst nach diesen Worten handeln und sich eine ausreichende Kenntnis der
äthiopischen Sprache erwerben, ehe er uns eine Übersetzung der dreizehn anderen Anaphorai
anbietet, von der wir nach S. 5 bedroht sind. »
<x) Ein Brief des abessinischen Königs Asnäf Sag ad {Claudius) an Papst Paul III. aus dem
Jahre 1541, in Nachrichten d. k. Gesellsch. d. Wiss. zu Göttingen, Philol.-histor. KL, 1904, Heft 1,
S. 1-24.
(2> Der aethiopische Text der Kirchenordnung des Hippolyt, in Abh. d. Ak. d. Wiss. in
Göttingen, Philol-histor. Kl., Dritte Folge, Nr. 32, Göttingen, 1946.
(3) Vgl. G. Graf, Prälat Dr. Sebastian Euringer, in Dillingen und Schwaben. Festschrift zur
Vierhundertjahrfeier der Universität Dillingen a. d. D., 1949, Dillingen a. d.D., 1949, S. 66-77.
<4) Die Auffassung des Hohenliedes bei den Abessiniern, Leipzig, 1900.
<5> Seine zahlreichen Arbeiten können hier nicht im einzelnen genannt werden. Erwähnt seien
nur : Die Geschichte von Närgä. Ein Kapitel aus der abessinischen Kulturgeschichte des 18.
Jahrhunderts, in ZSem, 9, 1933-1934, S. 281-311; 10, 1935, S. 105-162; Der Spiegel Salomons, ein abessi-
nisches Amulett, in ZDMG, 91, 1937, S. 162-174; Das Netz Salomons, ein äthiopischer Zaubertext,
in ZSem, 6, 1928, S. 76-100, 178-199, 300-314; 7, 1929, S. 65-85; D ie Binde der Rechtfertigung (lefäfa
fedek), in Orientalia, NS 9, 1940, S. 76-99, 244-259; Verzeichnis der abessinischen Handschriften
des Völkermuseums in Stuttgart, in Orientalia, NS 4, 1935, S. 465-483.
(6) Ein Verzeichnis dieser Arbeiten in der zweiten Auflage von Dillmanns Chrestomathie,
Berlin, 1950, S. 295-298.
(7) Vgl. E. Hammerschmidt, Zur Bibliographie äthiopischer Anaphoren, in Ostkirchliche Studien,
5, 1956, S. 288 /.
<8> Abh. d. Sachs. Ak. d. Wiss., PhiloL-histor. KL, 33. Bd., Leipzig, 1919. Das Weddäse Märyäm
wurde von K. Fries als Inaugural- Dissertation herausgegeben, Leipzig, 1892.
ÉTUDES 267
Der Titel ist bescheiden gegenüber dem, was der umfangreiche Band bietet :
Wir haben hier ein Kompendium der äthiopischen Dichtkunst, das von einem
kompetenten Fachmann W verfaßt wurde. Im Anschluß an dieses Werk muß die
Arbeit zur Mariensymbolik in der äthiopischen Liturgie von /. Stephan genannt
werden, die vor einigen Jahren auszugsweise (aus einer Dissertation) erschienen
ist (2).
Ein wegen seiner Schwierigkeit weitgehend vernachlässigtes Gebiet des
liturgischen Bereiches stellt die äthiopische Kirchenmusik dar. Hier verdanken wir
eine grundlegende Arbeit dem früher in Wien, jetzt in Oxford wirkenden
Musikwissenschaftler Egon Wellesz ^\ zu dessen Studie S. Euringer ergänzende
Bemerkungen beisteuerte ^4\
Einen dritten Kristallisationspunkt der äthiopischen Studien in Deutschland
(nach Dillmann und Praetorius) bildet das Lebenswerk des Orientalisten Enno
Littmann (1875-1958) ^5^, der mit einer Arbeit über « Das Verbum in der Tigrë-
Sprache in Abessinien » den Grad eines Dr. phil. erworben hatte. Schon mit
dieser Arbeit zeichnete sich eines der Hauptarbeitsgebiete Littmanns ab. Die
finanzielle Hilfe eines Amerikaners (Robert Garett aus Baltimore) ermöglichte
ihm eine Äthiopien-Reise, bei der er sich in Eritrea mit der Aufnahme von Tigrë-
Texten beschäftigte. Während dieser Tätigkeit erhielt er den Auftrag, die
wissenschaftliche Leitung der « Deutschen Aksum-Expedition » zu übernehmen, bei
der er sich (wie früher schon in Syrien und Palästina) als ein Meister der Epi-
graphik erwies. In überaus mühevoller Arbeit konnte er die altäthiopischen
Inschriften des Königs 'Ezänä so kopieren, daß ein zusammenhängender Text
zustande kam. Damit wurde auch das Verständnis dieser Texte möglich, die
für Sprach- und Landesgeschichte gleicherweise von Bedeutung sind. 1904 begann
er die Reihe der « Bibliotheca Abessinica »; während seiner Tätigkeit als
Professor in Straßburg veröffentlichte er 1910-1915 die vier Bände der « Publications
of the Princeton Expedition to Abyssinia », die solide Edition und Übersetzung
der in Eritrea aufgezeichneten Tigré-Texte und Lieder. Damit schuf er die erste
wissenschaftliche Grundlage für das Verständnis dieser Sprache, die für die
vergleichende semitische Sprachwissenschaft so wichtig ist ^6'. Um die schwierige
Tigre- Volkspoesie zu verstehen, arbeitete er in Straßburg zwei Jahre lang mit
einem jungen Tigreaner zusammen : Naffa' Wad 'Etmän (1882-1909), dem er
immer ein dankbares Andenken bewahrte. Er widmete ihm auch eine kleine
Schrift (7), in der er von dem Sinn für Humor (wenigstens sah Littmann ihn

(1) Grohmann arbeitete auch über die Geschichte der äthiopischen Schrift : Über den
Ursprung und die Entwicklung der äthiopischen Schrift, in Archiv für Schriftkunde, 1, 1915,
S. 57-87.
<2' Einige Mariensymbole des Alten Testaments in der äthiopischen Liturgie, Civitas Vaticana,
1957.
(3) Studien zur äthiopischen Kirchenmusik, in Oriens Christianus, NS 9, 1920, S. 74-106; dsl.,
Aufgaben und Probleme auf dem Gebiete der byzantinischen und orientalischen Kirchenmusik, in
Liturgiegeschichtliche Forschungen, 6, Münster i. W., 1923.
<4* Anmerkungen zu « Studien zur äthiopischen Kirchenmusik» von Dr. E. Wellesz, in Oriens
Christianus, NS 10/11, 1920-1921, S. 151-154.
<6) Bibliographie : Ein Jahrhundert Orientalistik, S. 143-195, und Brill Catalogue, Nr. 307,
Leiden, 1959, xxi s. Eine Autobiographie in diesem Catalogue, S. xni-xx; O. EiBfeldt, Enno Litt-
mann. Tübinger Universitätsreden, 5, Tübingen, 1958.
<6> M. Höfner, Enno Littmann, 1875-1958, in Brill Catalogue, Nr. 307, ix/.
(') Erinnerungen an Naffa* Wad 'Etmän, Berlin, 1918; Sonderabdruck aus: Der Neue Orient,
Bd. 2, Heft 11/12; wiederabgedruckt in : Ein Jahrhundert Orientalistik, 14-25.
268 annales d'éthiopie
als solchen an) und der raschen Auffassungsgabe dieses jungen Mannes erzählt.
Zu dem Kreis um Enno Littmann gehört Maria Höfner (Graz) W, die sich
neben dem Südarabischen vor allem mit den modernen äthiopischen Sprachen
beschäftigt. Ihr oblag auch die Aufgabe, das zusammen mit Littmann
begonnene Wörterbuch der Tigrë-Sprache zu vollenden, von dem vor kurzem die
letzte Lieferung erschienen ist (2h
Aus dem Schülerkreis Littmanns ist auch der in Heidelberg wirkende Semitist
Anton Schall hervorgegangen, der vor kurzem die arabische Abhandlung von
Murad Kamil (Kairo) über die Qenë übersetzt und zusammen mit eigenen
Bemerkungen veröffentlicht hat ^\
Der in Hamburg wirkende Afrikanist August Klingenheben hat sich sowohl
als Semitist wie als Afrikanist einen Namen erworben. Seit Jahrzehnten arbeitet
er auf dem Gebiet der modernen äthiopischen Sprachen und der Sprachen Afrikas
und hat zahlreiche einschlägige Untersuchungen veröffentlicht. Er hat selbst
Äthiopien bereist und sich dort Freunde gewonnen. Derzeit arbeitet er an einer
wissenschaftlichen Grammatik des Amharischen und einem für den praktischen
Gebrauch bestimmten amharischen Wörterbuch.
Kurt Wendt (München), ein Schüler E. Mittwochs, hat vor kurzem das Mashafa
miläd und das Mashafa seiläse in dem Corpus von Löwen veröffentlicht und
übersetzt ^. Schon vor zwanzig Jahren hatte Wendt Textproben aus dem
Mashafa berhän und dem Mashafa miläd herausgegeben ^\ die (von den
Handschriften abgesehen) zusammen mit dem erwähnten Werk Dillmanns ^ die
einzige Quelle unserer Kenntnis des Masljafa berhän bilden.
Der Autor dieser Zeilen ist vor allem durch Hugo Duensing und Chaim Rabin
in die Äthiopistik eingeführt worden. In seinen Arbeiten bemüht er sich,
Philologie und Kenntnis der kirchlichen Überlieferung für die Erforschung der
äthiopischen Literatur wirksam werden zu lassen. Aus diesen Bestrebungen erwuchsen
— neben Aufsätzen in Fachzeitschriften — zunächst die Ausgabe einiger Texte
in der Bodleian Library in Oxford (darunter die interessante und wichtige « Lehre
der Geheimnisse » aus dem Textamentum Domini I 28) ^\ dann seine
umfassende Untersuchung der äthiopischen Anap hören ^ und eine Darstellung der
Symbolik der äthiopischen Kirche &\ Vor kurzem ist seine Arbeit über den Sabbat
in Äthiopien erschienen, die auf Grund der vorhandenen und zugänglichen

W Selbstbiographie in österreichische Hochschulzeitung, 16. Jhg., Nr. 8, 15. April 1964, S. 4.


<2> E. Littmann-M. Höfner, Wörterbuch der Tigre-Sprache, Wiesbaden, 1956-1962.
<3> Zur äthiopischen Verskunst. Eine Studie über die Metra des Qenë auf Grund der Abhandlung
« Al-qenë laun min aS-Si'r al-habaU » von Dr Murad Kamil, Wiesbaden, 1961. Im Gefolge
Trumpps (vgl. Anm. 5, S. 264) und Cornills (vgl. Anm. 9, S. 264) lieferte er auch weitere
Varianten zum Tabiba {abibän nach einer Handschrift aus dem Besitz Littmanns, die sich jetzt in der
Univ.-Bibl. Mainz befindet : Zum Text des Tabiba Tabiban, in JSSt, 9, 1964, S. 100-106.
<4> CSCO 221 und 222, 235 und 236, Louvain, 1962-1963.
<s> Das Mashafa Berhän und Mashafa Miläd, in Orientalia, NS 3, 1934, S. 1-30, 147-173, 259
bis 293. Eine weiterer, zu diesem Themenkreis gehörender Aufsatz von ihm ist im JSSt, 9, 1964,
S. 107-113, erschienen : Der Kampf um den Kanon Heiliger Schriften in der Äthiopischen
Kirche der Reformen des XV. Jahrhunderts.
(«> S. Anm.2, S. 261.
O Äthiopische liturgische Texte der Bodleian Library in Oxford. Veröffentlichungen des
Inst. f. Orientforschung d. Deutschen Ak. d. Wiss., 38, Berlin, 1960.
<8) Studies in the Ethiopie Anaphoras. Berliner Byzantinistische Arbeiten, 25, Berlin, 1961.
(J>) Kultsymbolik der koptischen und der äthiopischen Kirche, in Symbolik der Religionen, X :
Symbolik des orthodoxen und orientalischen Christentums, Stuttgart, 1962, S. 167-233.
ÉTUDES 269
Quellen den Charakter des bis heute im äthiopischen Christentum eingehaltenen
Sabbats zu bestimmen versucht (1).
Auf dem Gebiet der äthiopischen Kunstgeschichte sind vor allem zwei
Problemkreise zu nennen, mit denen sich deutsche Autoren befaßt haben. Zunächst
die Felsenkirchen von Lalibalä, denen H. Dabbert 1938 eine Arbeit widmete (2),
der nun die große Darstellung von /. Bidder folgte (3). Mit der äthiopischen
Malerei schließlich beschäftigt sich der Arzt O. A. Jäger, der einen Band über
« Äthiopische Miniaturen » ^4^ vorgelegt hat.
Die Ergebnisse der Frankfurter Frobenius-Expedition gehören schon in den
zweiten Forschungskreis, zu dem wir nun übergehen wollen.

II. ENTDECKUNGS- UND FORSCHUNGSREISEN

Das durch Ludolf hervorgerufene Interesse an Äthiopien regte auch bald


deutsche Forscher an, dieses Land und seine Nachbargebiete näher
kennenzulernen. Die Reihe eröffneten zwei der besten deutschen Naturforscher der
damaligen Zeit : W. F. Hemprich (1796-1825) und C. G. Ehrenberg (1795-1876), die
schon früher durch Nubien gezogen waren und nun, von der preußischen
Regierung unterstützt, das Rote Meer besuchten. Von Massaua aus durchwanderte
Hemprich die Küstengebirge, während Ehrenberg nach den heißen Quellen von
Alid zog. Nach Massaua zurückgekehrt, mußte er erleben, wie sein Begleiter
Hemprich am 30. Juni 1825 dem Fieber erlag. Trotzdem war die
naturgeschichtliche Ausbeute dieser Expedition sehr ertragreich : Es wurden nicht nur eine
Reihe ganz neuer Tierarten entdeckt, sondern man erkannte auch in den sog.
Oszillatorien (Wesen zwischen Tier und Pflanze) die Ursache für die Farbe des
Roten Meeres.
Die bedeutendste Reise nach Äthiopien (nach dem Schotten James Bruce ^)
führte der Frankfurter Eduard Rüppell (1794-1884) durch, der sowohl in
naturkundlicher wie in astronomischer Hinsicht gut ausgebildet war. Nachdem er
Nubien, Kordofan und Arabia Petraea (1823-1825) besucht hatte, wählte er
Äthiopien zum Hauptziel seiner Forschungsarbeit. Am 17. September 1831 landete
er in Massaua, am 19. April 1832 trat er den Marsch in das innere Hochland
an, das vor ihm nur durch James Bruce und Henry Salt beschrieben worden
war. Die Reise verlief ohne größere Zwischenfälle, sie war aber trotzdem nicht
ungefährlich, da in Tigre gerade Bürgerkrieg war. Für den soeben zur Herrschaft
gekommenen Fürsten Webê hatte Rüppell eine schwere Kirchenglocke aus Bronze
zum Geschenk bestimmt, da Kirchenglocken eine Seltenheit waren. Er mußte
sie allerdings wegen Transportschwierigkeiten (das Maultier brach unter der Last

W Stellung und Bedeutung des Sabbats in Äthiopien. Studia Delitzschiana, 7, Stuttgart, 1963.
(2' Die monolithenen Kirchen Lalibelas in Aethiopien, Berlin, 1938.
(3) Lalibela. Die Monolithkirrhen Äthiopiens, Köln, 1959.
<4) Berlin, 1957. Soeben veröffentlichte Jäger ein Buch, das als praktischer Führer zu einigen
archäologischen Stätten Nordäthiopiens dienen soll : Antiquities of North Ethiopia, Stuttgart,
1965.
<6> Dem zweiten Band der deutschen Übersetzung seiner « Travels », Rinteln-Leipzig, 1791,
fügte J. F. Gmelin einen umfangreichen naturgeschichtlichen Anhang (S. 1-82) hinzu, an den
sich Berichtigungen und Zusätze von « verschiedenen Gelehrten » (S. 83-166) anschließen.
270 annales d'éthiopie
zusammen) unterwegs im Dorfe Ataba zurücklassen. Von Halai aus wandte sich
Rüppell nach der Provinz Samen; am 12. Oktober zog er in Gondar ein, wo er
der Absetzung des Königs Sähla Dengel beiwohnte. Hier blieb er bis zum 18. Mai
1833. Die Zeit nutzte er zu einer Exkursion in die Niederung von Warqemeder
und 'Armächo (nördlich von Gondar), wo seine Elefantenjäger reiche Beute
fanden. Dann zog er an dem Ostufer des Tänä-Sees entlang, dessen Höhe er mit
5.732 Fuß über dem Meer bestimmte. Schließlich kam er zu der Stelle, wo der
Blaue Nil ('Abbäy) den Tänä-See verläßt.
Am 18. Mai 1833 brach Rüppell von Gondar auf, um über die heilige Stadt
Aksum, wo er eine wichtige äthiopische Inschrift entdeckte, und Adua wieder
nach Massaua zurückzukehren, das er am 29. Juni glücklich erreichte. Das Resultat
dieser Reise war sehr reich : Rüppell hatte nicht nur viele Orts- und
Höhenbestimmungen vorgenommen, die der Landkarte Äthiopiens ein neues Gepräge
gaben, sondern auch archäologische, historische und ethnographische Forschungen
angestellt, vor allem aber die Kenntnis der Fauna des Landes bereichert, wie
seine Werke « Neue Wirbelthiere zu der Fauna von Abyssinien gehörig » ^ und
« Systematische Übersicht der Vögel Nord-Ost-Afrika's nebst Abbildung und
Beschreibung von fünfzig theils unbekannten, theils noch nicht bildlich
dargestellten Arten » ^2^ zeigen.
Beachtlich ist die Zahl der Nagetiere, die Rüppell in Äthiopien entdeckte.
Neben je einem Eichhörnchen und einem Erdhörnchen waren es verschiedene
Vertreter der Mausartigen. Besonders interessant ist der eigenartige Nacktmull,
der eine neue Gattung und Art (Heterocephalus glaber) darstellt. Es handelt
sich um ein kleines, unterirdisch lebendes Tier, das winzige Augen hat und mit
seinem rückgebildeten Haarkleid fast den Eindruck einer nestjungen Ratte
macht. In tiergeographischer Hinsicht war die Entdeckung von zwei neuen
Vertretern der Familie der Blindmolle (Spalacidae) wichtig. Den einen aus Dambyä
beschrieb Rüppell als Bathyergus splendens, den anderen aus Schoa als Rhizo-
mys macrocephalus. Später stellte sich heraus, daß diese beiden Nagetiere, die
ebenfalls unterirdisch leben, zur gleichen Rüppell 'sehen Gattung Tachyoryctes
gehören und die nächsten Verwandten der Wurzelratten (Rhizomys) sind, die
bisher nur aus Indien bekannt waren. Diese Entdeckung war deshalb wichtig,
weil sie einen weiteren Beweis für die engen tiergeographischen Beziehungen
darstellt, die zwischen dem äthiopischen und dem übrigen orientalischen
Faunabereich bestehen ^3).
Rüppells « Reise in Abyssinien » erschien 1838-1840 in Frankfurt a. M. Daneben
ist sein Tierbilderatlas mit den kolorierten Steindrucken von F. C. Vogel eine
besondere Kostbarkeit (4). Für seine Arbeiten wurde ihm schließlich die
Auszeichnung zuteil, daß ihm die Londoner Geographische Gesellschaft die große
goldene Medaille verlieh. Seine reiche Sammlung (einschließlich der äthiopischen
Handschriften) vermachte er seiner Vaterstadt, die ihm dafür eine lebenslängliche
Pension zahlte.
Wir sind in der glücklichen Lage, daß wir nun eine ausgezeichnete Biographie

(1> Frankfurt a. M., 1835-1840.


<■> Frankfurt a. M., 1845.
(3) Vgl. R. Mertens, Eduard Rüppell. Leben und Werk eines Forschungsreisenden, Frankfurt a.
M., 1949, S. 121.
(4) Neue Wirbelthiere zu der Fauna von Abyssinien gehörig, Frankfurt a. M., 1835-1840.
ÉTUDES 271
Rüppells aus der Feder von Robert Mertens ^ besitzen, die wegen zahlreicher
Detaüs und des Abdrucks noch unveröfFentlicher Arbeiten Rüppells auch für
die äthiopische Landeskunde von Bedeutung ist.
Nach dem verhältnismäßig unbedeutenden Äthiopienausflug des Barons von
Katte 1836 (an dessen «Reise in Abyssinien im Jahre 1836 » ^2^ Rüppell manches
auszusetzen hatte) traf im Januar 1837 der aus Reichenschwand gebürtige
Botaniker Wilhelm Schimper (1804-1878) in Adua ein. Vom Württembergischen
Reiseverein unterstützt, hatte er schon vorher Algier, Ägypten, die Sinai-Halbinsel
und Arabien besucht. 1835 ging er über Massaua in die äthiopischen
Hochlande, wo er bei Webê in Adua freundliche Aufnahme fand und seiner
wissenschaftlichen Sammlertätigkeit nachgehen konnte. Sein Einfluß bei Webë scheint
ziemlich groß gewesen zu sein, denn er soll als Gouverneur zuerst einen Distrikt
an der Gallagrenze, später den Distrikt 'Entiço in Tigre zu verwalten gehabt
haben t3). Als Baumeister und Ratgeber Webês wußte er sich diesem
unentbehrlich zu machen. Nach dem Sturz Webës ging es ihm anfangs ziemlich
schlecht, doch kam er später bei Theodor II. wieder in Gnaden.
Mit Schimper ist ein anderer deutscher Forscher verbunden, der aus der
anhaltischen Stadt Radegast stammende Christoph Eduard Zander (1813-1868). Er
hatte zunächst in der Landwirtschaft gelernt, wandte sich aber dann der
Malerei zu. Daneben interessierte er sich auch für das Artilleriewesen, eine Neigung,
die ihm später von Nutzen war. Auf den Rat einiger Freunde hin ging er zu
Schimper, der damals in 'Entiço war. Als sein Gehilfe bei dessen
naturwissenschaftlichen Arbeiten durchstreifte er sammelnd und zeichnend das Land.
Schließlich wurde er zum Oberhofbaumeister des Fürsten Webë ernannt, von diesem
mit Ländereien und Viehherden beschenkt und beauftragt, die Kirche von Dabra
'Egzi'e in Samen zu bauen (dieselbe Kirche, in der am 11. Februar 1855
Theodor II. zum Kaiser gekrönt wurde). Zander stieg immer höher in Webës Gunst,
der ihn sogar in den Adelsstand erhob und mit einem schönen Gallamädchen
verheiratete. In der großen Schlacht von Debela am 9. Februar 1855, in der
Webë von Theodor besiegt wurde, kommandierte Zander die Artillerie Webës.
Als alles für Webë verloren war, trat Zander in die Dienste Theodors über und
wurde Befehlshaber der Schatzkammer und des Zeughauses des Kaisers in Gor-
gora am Tänä-See. Theodor schätze den tüchtigen, in allen technischen Dingen
erfahrenen Mann sehr und machte ihn zu seinem Vertrauten und zum
Oberbefehlshaber der Artillerie, die damals allerdings nur aus einigen Gebirgskanonen
bestand. Zander stand auch noch 1868 an der Seite Theodors. Seine wertvollen
Arbeiten über Äthiopien (besonders seine Illustrationen), die der damaligen Zeit
in vielerlei Hinsicht neue Gesichtspunkte aufzeigten, sind in dem Buch von
Richard Andrée «Abessinien — das Alpenland unter den Tropen und seine
Grenzländer » ^ verwertet worden. In diesem Buch erschien auch Zanders Arbeit
über den « Ackerbau und die Viehzucht Abessiniens » (5).

W S. Anm. 3, S. 270; vgl. auch. St. Chojnacki, Some Notes on Early Travellers in Ethiopia,
in University College ('Addis 'Abbaba) Review, 1, 1961, S. 85a-87a.
<2> Stuttgart-Tübingen, 1838.
(3) E. Becker meint allerdings, daß die Nachrichten über diese Ernennungen nicht den Tatsachen
entsprechen, sondern übertrieben sein dürften : Zu den deutsch-äthiopischen Beziehungen in
Vergangenheit und Gegenwart, in Mitteilungen des Instituts für Auslandsbeziehungen, 11, 1961,
S 12.
*<*> Leipzig, 1869.
<•> A. a. 0., S. 139-157.
272 annales d'éthiopie
Nicht unerwähnt darf bleiben, was die verschiedenen Missionare zur Kenntnis
Äthiopiens beigetragen haben ^l^. Obwohl sie mit einem praktischen Ziel ins
Land kamen, mußten sie sich doch, um dieses Ziel anstreben zu können,
mit der Kultur und Sprache vertraut machen. 1830 kam Samuel Gobat (1799-
1879) (2\ der spätere anglikanische Bischof von Jerusalem, nach Äthiopien und
besuchte Gondar. 1835 veröffentlichte er sein « Journal of Three Year's
Résidence in Abyssinia », ein Jahr später kehrte er nach Äthiopien zurück, begleitet
von drei Missionaren. Der eine von ihnen, Johann Ludwig Kropf (1810-1881) (3)
aus Württemberg, der Entdecker des Keryaberges und des Schnees auf dem
Kilimandscharo, schrieb einen interessanten Bericht über seine Reisen ^ und
leistete Pionierarbeit auf dem Gebiet der Gallasprache. Der andere, der aus
Barmen stammende Karl Wilhelm Isenberg (1806-1864), stellte ein
ausgezeichnetes Wörterbuch des Amharischen zusammen ^5^, dem er ein Jahr später eine
Grammatik des Amharischen folgen ließ ^6). Auch der Bericht von Martin Flad
(1831-1915) über seine Missionsarbeit enthält viele nützliche und wertvolle
Einzelheiten (7K
Der bekannte Verfasser des « Tierlebens », Alfred Brehm (1829-1884),
unternahm in der Mitte des vorigen Jahrhunderts eine Reise in das äthiopische
Hochland (8', der württembergische Forschungsreisende Theodor von Heuglin (1824-
1876) bereiste große Teile Nord- und Ostafrikas und beschrieb diese Reisen
sowie die Fauna dieser Länder ^9^. Neben ihm muß auch der Schweizer Werner
Munzinger (1832-1875) ^10^ genannt werden, der 1861 Mitglied der deutschen

M Von den Reisen deutscher Missionare nach Äthiopien berichtet E. Becker (s. Anm. 3, S. 271),
S. 11/.
(2) Zu ihm vgl. [Heinrich W. J. Thiersch,] Samuel Gobat, Evangelischer Bischof in
Jerusalem. Sein Leben und Wirken, meist nach seinen eigenen Aufzeichnungen, Basel, 1884; [Hein-
r ch W. J. Thiersch], Samuel Gobat, missionnaire en Abyssinie et évêque à Jerusalem. Sa vie
et son œuvre. Traduit librement de l'allemand par Auguste Rollier, Basel, 1885 ; Th. Schollv,
Samuel Gobat, Evangelischer Bischof in Jerusalem, Basel, 1900; K. H. Rengstorf, Der Brief
des Bischofs Samuel Gobat von Jerusalem an den Kaiser Theodoros II. von Äthiopien vom
28. November 1865, in Festschrift für H. Engberding. Oriens Christianus, 48, 1964, S. 221-234;
S. Pankhurst, Ethiopia. A Cultural History, Woodford Green/Essex, 1955, S. 441452; St. Choj-
nacki, Some Notes on Early Travellers in Ethiopia, in University College ('Addis 'Abbabä)
Review, 1, 1961, S. 826-85a.
'3) Zu ihm vgl. W. Claus, Dr. Ludwig Kropf, weil. Missionar in Ostafrika, Basel, 1882.
'4> Reisen in Ost-Africa ausgeführt in den Jahren 1837-55, Kornthal-Stuttgart, 1858; eng!.
Übersetzung : Travels, Researches and Missionary Labours during an 18 Year's Résidence in
Eastern Africa, London, 1860.
W Dictionary of the Amharic Language, London, 1841.
(6> Grammar of the Amharic Language, London, 1842.
<7) Zwölf Jahre in Abessinien oder Geschichte des Königs Theodoros II. und der Mission unter
seiner Regierung. Schriften des Institutum Judaicum zu Leipzig, 12/13-14/15, 1887 ; 60 Jahre in
der Mission unter den Falaschas in Abessinien. Selbstbiographie des Missionars Johann Martin
Flad, Gießen-Basel, 1922; Ein Leben für Abessinien, hrsg. von H.-G. Feller, Gießen-Basel,
21936. In diesem Jahrhundert brachte vor allem die Hermannsburger Mission einige nützliche
Schriften zur äthiopischen Landes- und Volkskunde heraus : W. Wickert, Abessinien — unser neues
Missionsfeld, Hermannsburg, 1931; D. WaBmann, Das Oromovolk auf unserem abessinischen
Missionsfelde, Hermannsburg, 1935; A. Elfers, Bilder aus dem Gallaland, Hermannsburg, 1954.
<8> Ergebnisse einer Reise nach Habesch, Hamburg, 1863.
W Reisen in Nord-Ost-Afrika. Tagebuch einer Reise von Chartum nach Abessinien, mit
besonderer Rücksicht auf Zoologie und Geographie in den Jahren 1852 und 1853, Gotha, 1857;
dsl., Reise nach Abessinien, den Gala-Ländern, Ost-Sudân und Chartum in den Jahren 1861
und 1862, Jena, 1868, neue Ausgabe : Gera, 1874.
(jo) Vgl. J. V. Keller-Zschokke, Werner Munzinger-Pascha, Aarau, 1891 ; dsl., Betätigung
Werner Munzingers bei der Auffindung von Dr. Vogel, Solothurn, 1912; L. van Dovski, Ein Leben
ÉTUDES 273
Expedition nach Innerafrika unter von Heuglin war und 1870 vom Vizekönig
von Ägypten zum Gouverneur der damals unter ägyptischer Herrschaft stehenden
Teile Nordäthiopiens ernannt wurde. Eingehend befaßte er sich mit den
Lebensgewohnheiten der Völker, die ihm als Gouverneur unterstanden. 1859 erschien
sein Werk « Über die Sitten und das Recht der Bogos » (i). Weiter schrieb er
eine Grammatik des Bilen, der Sprache der Bogos, und übersetzte auch einzelne
Bibelabschnitte in diese Sprache. Der Arbeit über die Bogos folgte ein größeres
Werk mit dem Titel « Ostafrikanische Studien » (2), in der Munzinger auch das
Land der Marea, der Qunama oder Bazen in vorbildlicher Weise schilderte.
Der deutsche Afrikaforscher Gerhard Rohlfs (1831-1896) befand sich schon
1868 im Gefolge von Sir Robert Napier auf dessen Zug gegen Kaiser Theodor II <3>.
1880 führte er eine Sondergesandtschaft des deutschen Kaisers Wilhelm I. an
den äthiopischen Hof, über die er einen Bericht veröffentlichtet. An dieser
Gesandtschaft (die infolge der deutschen Zurückhaltung gegenüber Afrika zu keinen
konkreten Resultaten führte) nahm auch Rohlfs' Neffe Anton Stecker teil, der
als erster den Tänä-See vermaß und ausführlich beschrieb ^5^.
Seine Erinnerungen an den englischen Feldzug gegen Theodor II., den er als
Acting Surgeon mitmachte, schrieb der Wiener Arzt /. Bechtinger nieder ^K
Als im Jahre 1905 ein Handels- und Freundschaftsvertrag zwischen
Deutschland und Äthiopien geschlossen werden sollte, übernahm der damalige Geheime
Legationsrat Friedrich Rosen (1856-1935) ^ die Führung einer deutschen
Sondergesandtschaft. Auf Grund der dabei gemachten Beobachtungen gab er Skizzen
aus dem Volkstum des südlichen Äthiopiens heraus. Sein Bruder, der Botaniker
Felix Rosen, verfaßte den Bericht über die ganze Expedition ^8'.
Von Wichtigkeit ist auch die Reise, die C. von Erlanger und O. Neumann
Anfang dieses Jahrhunderts in den Süden Äthiopiens unternahmen (9). Die
Forschungsreise gliederte sich in drei Abschnitte : Zunächst reisten von Erlanger

für Afrika. Das abenteuerliche Schicksal von Werner Munzinger-Pascha, Zürich, 1954; zur
Charakterisierung Munzingers vgl. auch S. Rubenson, Some Aspects ofthe Survival ofEthiopian Indepen-
dence in the Period of the Scramble for Africa, in University College {'Addis 'Abbabä) Review,
1, 1961, 13 f.
(1) Winterthur, 1859.
(2) Schaffhausen, 1864, 2 Aufl. : Basel, 1883.
<3> G. Rohlfs, Im Auftrage Sr. Majestät des Königs von Preussen mit dem Englischen
Expeditionscorps in Abessinien, Bremen, 1869, 2. Aufl. : 1882; dsl., Land und Volk in Afrika.
Berichte aus den Jahren 1865-1870, Bremen, 1870, 2. Aufl. : Norden, 1884.
(4> Meine Mission nach Abessinien. Auf Befehl Sr. Maj. des Deutschen Kaisers
unternommen, Leipzig, o. J. (1883).
<5) A. Stecker, Die Stecker'sche Expedition. Berichte des Reisenden. Aufnahme des Tana-
Sees, in Mittheilungen der Afrika-Gesellsch. in Deutschland, 3, Berlin, 1881-1883; dsl., Über
seine Reise in Abessinien, in Verhandlungen der Gesellsch. f. Erdkunde in Berlin, 10, 1883.
W Ost-Afrika. Erinnerungen und Miscellen aus dem abessinischen Feldzuge, Wien, 1870.
<7> Zu ihm vgl. Ein Jahrhundert Orientalistik, S. 74-82.
<8> Eine deutsche Gesandtschaft in Abessinien, Leipzig, 1907.
W C. Frhh. von Erlanger, Meine Reise durch Süd-Schoa, Galla und die Somal-Länder,
in Abteilung Berlin-Charlottenburg der Deutschen Kolonial-Gesellschaft, Verhandlungen 1901-
1902, Bd. VI, Heft 3, S. 54-77; dsl., Zoogeographie und Ornithologie von Abessinien, den
Galla und Somal-Ländern, Berlin, 1902 ; dsl., Bericht über meine Expedition in Nordost-Afrika in
den Jahren 1899-1901, in Zeitschrift d. Gesellsch. f. Erdkunde in Berlin, 1904, S. 11-50; P. Spri-
gade, Geographische Ergebnisse der Expedition Carlo Freiherr von Erlanger in Nordost-Afrika
1899-1901, in ebd., 1904, S. 51-65; A. Engler, Über die Vegetationsverhältnisse von Harar und
des Gallahochlandes auf Grund der Expedition von Freiherrn von Erlanger, in Sitzungsberichte
der k. Preuü. Ak. d. Wiss., 40, Berlin 1906.
IS
274 annales d'éthiopie
und Neumann gemeinsam von Zaila' über Harar nach 'Addis 'Abbabä, dann
unternahm Neumann eine Reise an den 'Abbaya und zur Seenplatte im großen
afrikanischen Graben des Arussi-Landes und nach Kaffa. Im dritten Abschnitt
schließlich zog von Erlanger über die Seen des Arussi-Landes zum Ganale Dorya
und nach Somali-Land.
Die erste systematische Erforschung von Kaffa, dieses bis dahin ziemlich
unbekannten Landes, verdanken wir dem Österreicher Friedrich J. Bieber (1873-
1924) aus Wien, der in Begleitung des Barons Mylius nach Kaffa zog. Bieber
hat seine Forschungsergebnisse vor allem in seinem Werk « Kaffa — ein alt-
kuschitisches Volkstum in Inner- Afrika » ^ festgehalten. Freilich war er kein
Gelehrter im eigentlichen Sinne, so daß seine Darstellungen mit Vorsicht
aufzunehmen sind und einiger Korrektur bedürfen.
Bald nach dem Weltkrieg erschien die umfängliche Landeskunde von
G. K. Rein, die er auf Grund seiner Reisen verfaßte <2). Dieses Werk ist aber
weithin oberflächlich und unzuverlässig gearbeitet <3).
Carl Rathjens lernte die « äthiopischen Juden », die Falaschas, auf einer Reise
im Jahre 1908 kennen und publizierte 1921 das durch jahrelange Studien
vertiefte Ergebnis ^\ nachdem er sich schon vorher mit der Geographie Äthiopiens
beschäftigt hatte (5).
Die hervorragendste Stelle unter den archäologischen Expeditionen nach
Äthiopien nimmt die « Deutsche Aksum-Expedition » unter Enno Littmann ein ^,
von der schon oben die Rede war. Sie muß aber auch an dieser Stelle erwähnt
werden, weil sie wesentlich zur Erforschung des Landes beitrug. Die Expedition
legte die Ruinen der heiligen Stadt Aksum frei und erschloß damit eine Kultur,
die das alte Äthiopien als ein glanzvolles Reich in der alten Welt zeigt.
In die neuere Zeit gehört die Deutsche Nil-, Rudolfsee- und Kaffa-Expedition,
durch die die Arbeit Biebers weitergeführt werden sollte, und die Deutsche
Äthiopien-Expedition, beide unter der Leitung von Max Grühl (geb. 1884), der
über seine Reisen in dem in England und Amerika erschienenen Buch « The
Citadel of Ethiopia — The Empire of the Divine Emperor » (7) berichtete. Seine
Expedition brachte eine Übersicht über den ethnologischen Aufbau Äthiopiens.
Ein wichtiger Beitrag zur ethnologischen Erforschung des Landes war die
XII. Deutsche Inner- Afrikanische Forschungsexpedition unter A.E. Jensen, die
als erstes wissenschaftliches Unternehmen das Land der Konso erforschte W.
Der Österreicher E. Nowack (1891-1946) wurde 1937 nach Äthiopien gerufen,
wo er zusammen mit Cl. Lebling die Leitung der Deutsch-Italienischen
Forschungskommission der S. A. Mineraria übernahm und bis zum Februar 1939
im Hochland von Harar, im Cercer-Gebirge und im Lande der Konso arbeitete.

(1) I, Münster i. W., 1920; II, Wien, 1923.


(2) Abessinien. Eine Landeskunde nach Reisen und Studien in den Jahren 1907-1913, I-III,
Berlin, 1918-1920.
(3) Vgl. die vernichtende Besprechung von C. Rathjens in Geographische Zeitschrift, 1927,
186 ff.
W Die Juden in Abessinien, Hamburg, 1921.
(5> Beiträge zur Landeskunde von Abessinien, München, 1911.
(«) MV, Berlin, 1913.
(7) London-Toronto-New York 1932; gekürzte deutsche Fassung : Abessinien-die Zitadelle
Afrikas, Berlin, 1935 ; von ihm stammt auch : Zum Kaisergott von Kaffa, Berlin, 1938.
<8' A. E. Jensen, Im Lande des Gada. Wanderungen zwischen Volkstrümmern Südabessiniens,
Stuttgart, 1936.
ÉTUDES 275
Zusammen mit Cl. Lebling veröffentlichte er auch die geologischen Forschungen
über das Cercer-Gebirge * ' ] ; seine Arbeit über « Land und Volk der Konso »
brachte nach dem Tode des Verfassers C. Troll heraus ^2).
In die unmittelbare Gegenwart gehören schließlich die Frobenius-Expeditionen
von 1950-1952 und 1954-1956 unter dem Frankfurter Ordinarius A.E. Jensen
und Eike Haberland. Die Expeditionsergebnisse werden unter dem Gesamttitel
«Völker Süd-Äthiopiens» publiziert; die ersten drei Bände liegen nun vor (3),
weitere sollen in der nächsten Zeit folgen. Hier ist in kritischer Schau reiches
Material zusammengestellt, das einen neuen Einblick in die ethnologischen
Verhältnisse Äthiopiens ermöglichen wird. In dem Mainzer Völkerkundler
Haberland hat die äthiopische Ethnologie einen sachkundigen und vielversprechenden
Vertreter M.
Die botanischen Ergebnisse der Frobenius-Expedition sind beträchtlich.
Georg Cufodontis (Wien) begann nun mit der Bearbeitung der botanischen
Sammlungen der Expedition. Von seiner systematischen Bearbeitung der in
Süd-Äthiopien gesammelten Pflanzen Hegen fünf Teile vor, ein letzter wird noch
erscheinen (5).
An der geographischen Erforschung ^ und Vermessung des Landes arbeiten
gegenwärtig vor allem Josef Werdecker (Technische Hochschule Darmstadt) (*•'),
Jürgen Hövermann (Freie Universität Berlin) (8) und W. Kuh (Frankfurt a. M.) <9>.

(D Neues Jahrbuch/. Mineral, Geol. u. Pal., Beil. Bd. 81, 1939.


(2) Bonner Geographische Abhandlungen, 14, 1954.
(3) Völker Süd-Äthiopiens I : A. E. Jensen (Hrsg.), Altvölker Südäthiopiens. Mit Beiträgen von
E. Haberland, A. E. Jensen, E. Pauli und W. Schulz- Weidner, Stuttgart, 1959; II: E. Haberland,
Galla Süd-Äthiopiens. Mit einem Beitrag von K. Reinhardt, Zeichnungen und Skizzen von U. Silz
Riebandt, Stuttgart, 1963; III : H. Sträube, Westkuschitische Völker Süd-Äthiopiens, Stuttgart,
1963.
<4' Eine Übersicht über seine bisherigen Publikationen, in Völker Süd-Äthiopiens, II, S. 797.
Dazu jetzt noch : Untersuchungen zum äthiopischen Königtum. Studien zur Kulturkunde, 18,
Wiesbaden, 1965.
<s> Botanische Ergebnisse der Expedition des Frobenius-Instituts der Universität Frankfurt am
Main nach Süd-Äthiopien 1954-1956 : I. Bemerkenswerte Nutz- und Kulturpflanzen Aethiopiens,
Frankfurt a. M., 1957; II. 1-4, Systematische Bearbeitung der in Süd-Äthiopien gesammelten
Pflanzen, Frankfurt a. M., 1958-1962.
<6' Darstellungen der Geographie und Geologie Äthiopiens lieferten E. Sander (Das Hochland
von Abessinien Habesch, Heidelberg, 1929) und E. Krenkel (Abessomalien [Abessinien und
Somalien], in Handbuch der regionalen Geologie, VII, 8a, Heidelberg, 1926).
<7* Beobachtungen in den Hochländern Äthiopiens auf einer Forschungsreise 1953/54, in
Erdkunde, 11, 1955, S. 305-317; Untersuchungen in Hochsemién. Bericht über eine Studienreise
im Herbst 1955, in Festschrift für Hans Spreitzer. Mitteilungen d. Geographischen Gesellsch. in
Wien, 100, 1958, S. 58-66; Geographische Forschungen in Nordäthiopien (Mitte Oktober-Ende
Dezember 1957), in W. Asmus-J. P. Ruppert (Hrsg.), Erziehung als Beruf und Wissenschaft.
Festgabe für Friedrich Trost, Frankfurt a.M.-Berlin-Bonn, 1961, S. 150-157; Eine Durchquerung
des Goba-Massivs in Südäthiopien, in Hermann von Wissmann-Festschrift, Tübingen, 1962,
S. 132-145.
(8) Bauerntum und bäuerliche Siedlung in Äthiopien, in Die Erde, 89, 1958; Siedlung s- und
Agrarwesen in Nordaethiopien auf Grund einer Forschungsreise im Jahre 1953, in Deutscher
Geographentag Hamburg 1955. Tagungsbericht und wissenschaftliche Abhandlungen,
Wiesbaden, 1957.
<9) Agrargeographische Beobachtungen in der Umgebung von Addis Ababa, in Petermanns
geographische Mitteilungen, 101, 1957; Addis Abeba, Entstehung und Entwicklung der
äthiopischen Hauptstadt, in Paideuma, 6, 1957; Beiträge zur Kulturgeographie der südäthiopischen
Seenregion, in Frankfurter Geographische Hefte, 32, 1958; Land, Wirtschaft und Siedlung der
Gumuz im Westen von Godjam, in Paideuma, 8, 1962; Bevölkerung, Siedlung und
Landwirtschaft im Hochland von Godjam, in Frankfurter Geographische Hefte, 39, 1963.
18.
276 annales d'éthiopie
Mit den wirtschaftlichen Problemen (unter dem Aspekt der Entwicklungshilfe)
befaßt sich die Studie von W.-D. von Erdmannsdorff (1).
Die vorstehenden Ausführungen bilden nur einen Ausschnitt aus dem Ganzen;
auf manches mußte verzichtet werden, damit die Linie der Entwicklung nicht
zu undeutlich würde. So mußten zahlreiche Einzelarbeiten, die z. B. mit den
Namen C. Brockelmann ^\ H. Brauner-Plazikowski ^s\ K. Krause W und (unter den
Forschungsreisenden) G. Schweinfurth verbunden sind, beiseite gelassen werden.
Nicht eingehen wollte ich weiterhin auf die in der letzten Zeit ziemlich
angewachsene populärwissenschaftliche Literatur (5^ über Äthiopien, die gewiß ein
erfreuliches Zeichen für das Interesse der deutschen Leserschaft an Äthiopien
und den Äthiopiern ist, aber ganz unterschiedlichen Wert hat. Das Gefahrliche
daran ist, daß der Nichtfachmann in der Regel gar nicht erkennen kann, welche
Schilderung zuverlässig ist und welche nicht. So stehen neben dem
phantasierenden und zum größten Teil erdichteten Buch von Belo Skarnicel ^\ vor dem
nur gewarnt werden kann, die von gutem Willen und Sachkenntnis getragenen
Darstellungen des ehemaligen Verwaltungskommissars von 'Addis 'Abbabä
Hermann Neubacher (7) und von Kurt Ewert (8).

M Entwicklungsland Äthiopien Schriftenreihe der Deutschen Afrika-Gesellsch., 9, Bonn,


1958.
(2) In seinen semitistischen Werken berücksichtigte er auch das Äthiopische; vgl. dazu J. Fück,
Carl Brockelmann als Orientalist, in Wissenschaftl. Zeitschr. d. Martin-Luther-Univ.
Hal e-Wit enberg, Gesellschafts- u. Sprachwissenschaft!. Reihe, 7, 1958, S. 857-875; im Einzelnen seien genannt:
Abessinische Studien, in Ber. über die Verhandlungen d. Sachs. Ak. d. Wiss., PhiloL-histor. Kl.,
97. Bd., 4. Heft, Berlin, 1950 (vgl. die Besprechung von H. Brauner-Plazikowski, in ZDMG, 101,
1951, 385-397) ; Zur Kritik der traditionellen Aussprache des Äthiopischen, in ZSem, 7, 1929, S. 205-
213.
W Dissertation : Ein äthiopisch-amharisches Glossar (Sawäsew), in Mitteilungen des Seminars
für Orientalische Sprachen, 17 II, Berlin, 1914, S. 1-96.
(4) Die Portugiesen in Abessinien. Ein Beitrag zur Entdeckungsgeschichte Afrikas, Dresden,
1912; portug. Übers. : Lissabon, 1915.
(5) Außer den gleich zu nennenden seien aus Vergangenheit und Gegenwart folgende Titel
angeführt : W. Hentze, Am Hofe des Kaisers Menelik von Abessinien, Leipzig, 1905, 2. Aufl. :
1908; H. Vollbrecht, Im Reiche des Negus Negesti Menelik II. Eine Gesandtschaftsreise nach
Abessinien, Stuttgart-Berlin-Leipzig, o. J. (1906) ; G. Escherich, Im Lande des Negus, Berlin, 1912, 21921 ;
K. Herzbruch, Abessinien. Eine Reise zum Hofe Kaiser Meneliks IL, München-Leipzig, 1925;
E. H. Schrenzel, Abessinien. Land ohne Hunger — Land ohne Zeit, Berlin, 1928; W. Grühl, Aus
der Untersekunda ins Innere Abessiniens, Minden, 1929; F. Wencker- Wildberg, Abessinien, das
Pulverfaß Afrikas, Düsseldorf, 1935 (bemerkenswert wegen seiner offen zur Schau getragenen
faschistenfeindlichen Einstellung); dsl., Abessinien, Berlin, 1935; A. Zischka, Abessinien. Das
letzte ungelöste Problem Afrikas, Bern-Leipzig- Wien, 1935; R. v. Prochazka, Abessinien, die
schwarze Gefahr, Wien, 21935; L. Huyn-J. Kalmer, Abessinien, Afrikas Unruheherd, Salzburg, 1935;
Das ist Abessinien. Bildband des W. Goldmann- Verlages, Bern-Leipzig- Wien, 1935; H. Anstein,
Quer durch Abessinien, Stuttgart-Basel, 1935; F. Winninger, Malerreise durch Abessinien, Berlin,
1937; [H. C. Nebel], Die Farbige Front. Hinter den Kulissen der Weltpolitik, München, 1937;
H. Leuenberger, Äthiopien. Kaiserreich seit Salomon, Zürich, 1955; H. Rittlinger, Schwarzes
Abenteuer, Wiesbaden, 1955; H. Jenny, Äthiopien. Land im Aufbruch, Stuttgart, 1957; A. E.
Johann (=A. Wollschläger), Groß ist Afrika, Gütersloh, 51957; M. Ursin, Äthiopien. Impressionen
aus einem altchristlichen Land, Mannheim, 1958; R. Schurhamer, Romy fährt nach Afrika,
Berlin, 1958; T. Schneiders-H. Leuenberger, Aethiopien, München, 1958.
(6> Äthiopiens Engel sind schwarz, Wien, 1951. Ich kann mich nicht zu der Ansicht bekennen,
daß Skarnicel ein Anagramm für Schrenzel ist. Das Buch von Schrenzel (s. Anm. 5 dieser Seite) ist
doch unvergleichlich solider als das Machwerk Skarnicels.
(?) Die Festung der Löwen. Äthiopien von Salomon bis zur Gegenwart, Olten-Freiburg i. Br.,
1959.
(») Äthiopien, Bonn, 1959.
ÉTUDES' 277
Wenn im Vorstehenden der deutsche Anteü an den äthiopistischen Studien
hervorgehoben wurde, so lag dies im Thema dieser Zeilen begründet. Wir sind
uns dessen bewußt, daß die moderne Äthiopistik ohne die Arbeiten der Italiener,
Franzosen, Engländer und anderer Nationen nicht gedacht werden kann. Die
Erinnerungen an den deutschen Beitrag sollen uns eine Mahnung sein, das Erbe,
das deutscher Gelehrtenfleiß hinterlassen hat, mit Intensität und Beharrlichkeit
zu wahren und in Zusammenarbeit mit der internationalen Wissenschaft weiter
zu entwickeln.

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