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Johann Georg von Hahn – der erste
Märchensammler in Griechenland auf den
Spuren der Brüder Grimm
1811, also nur ein Jahr vor der Veröfentlichung der Kinder- und Hausmärchen, wurde
Johann Georg von Hahn in Frankfurt am Main geboren; er starb1869 in Jena. Auf-
grund der gesellschatlichen Stellung und der Bildung der Familie kann man anneh-
men, dass von Hahn bereits als Kind mit den Kinder- und Hausmärchen in Berührung
gekommen war. Doch gibt es dafür keinen Beweis.
Nach dem Besuch des Gymnasiums1 in Mainz studierte er von 1828 bis 1832
Rechtswissenschaten in Gießen und Heidelberg, wo er auch promovierte. Danach
ging er auf Reisen.
In München lernte er wichtige Persönlichkeiten wie beispielsweise Friedrich
hiersch, Graf Ludwig von Pappenheim und den bayerischen König kennen. Letz-
terer empfahl seinem Sohn Oto I., von Hahn ins griechische Außenministerium zu
berufen.2 Am 1. März 1834 traf er in Nauplia ein,3 heute Nauplio, wo er zunächst im
Justizministerium arbeitete.4 Den griechischen Justizdienst musste er mit Einführung
der Konstitution 1843, dem Ende der Alleinherrschat Otos I., verlassen. Er blieb
aber in Athen und betreute dort das preußische Konsulat. 1847 wurde er Vizekonsul
von Janina. 1851 ernannte man ihn zum Konsul in Syra, heute Syros, und 1869 zum
Generalkonsul in Athen.
Johann Georg von Hahn wird im Biographischen Lexikon von 1861 als Ethnograph
bezeichnet. Bis dahin hate er einige Werke veröfentlicht: Bemerkungen über das al-
banesische Alphabet5 (1851), Albanesische Studien (Jena 1854), ein Werk, das „die Auf-
merksamkeit der gelehrten Welt auf sich gezogen“6 hat, Aphorismen über den Bau der
auf uns gekommenen Ausgabe der Ilias und Odyssee (Jena 1856), Proben Homerischer
Arithmetik (Jena 1858) und die Mythologischen Parallelen (Jena 1859). Danach veröf-
fentlichte er Griechische und albanesische Märchen (1864) in zwei Bänden, Reise durch
die Gebiete des Drin und Wardar in zwei Bänden (Wien 1867–1869), Die Ausgrabungen
auf der homerischen Pergamos (Leipzig 1865), Reise von Belgrad nach Salonik (Wien
1868) und nach seinem Tod die Sagwissenschatliche Studien (Jena 1876).
1 Die Schulprogramme von 1820 zeigten, dass er sich im Gymnasium unter anderem
mit Herodot, Xenophon, Plutarch, Demosthenes, Sophokles und Platon beschätigte;
vgl. Grimm, G. 1964, S. 21.
2 Vgl. ebd., S. 29.
3 Vgl. Gerland 1906, S. 291.
4 Vgl. Grimm, G. 1964, S. 33.
5 Hahn 1851; bis zu der Zeit wurde das Adjektiv ‚albanesisch‘ anstelle von ‚albanisch‘
benutzt.
6 Wurzbach 1861, S. 200.
390 Wirkung und internationale Rezeption der Brüder Grimm
Volkskunde
Schon 1834 zeigte von Hahn ein Interesse für volkskundliche Fragestellungen:
Die Briefe an seine Eltern sind durchsetzt mit Schilderungen griechischer Bräuche
beim Osterfest, bei Verlobungen und Hochzeiten, mit Beobachtungen über die tür-
kischen Bäder, das Fasten, den Aberglauben und die Märchen.12
Am 30. Oktober 1835 schreibt er:
Ich habe mir schon manches Märchen erzählen lassen; es sind aber meistens unsin-
nig verstümmelte Stücke aus 1001 Nacht; und die wenigen, die etwas nationalere
Farbe tragen, sind so verrückt und dabei so nichtssagend und unbedeutend, dass ich
noch keines der Aufzeichnung wert gehalten habe.13
Möglicherweise hate er schon vom Beginn seines Aufenthalts in Griechenland ein
Interesse an Märchen. Es scheint, dass er Kenntnisse über Tausend und eine Nacht
hate, doch suchte er den Wert und die Bedeutung der griechischen Märchen und war
entäuscht über deren seiner Meinung nach zerspliterte Überlieferung.
Im Jahre 1847/1848 begann er in Janina (Ioannina) „neben seiner linguistischen
Arbeit Texte aus der Volkssprache zu sammeln“.14 Hier veröfentlichte er auch fünf
Märchen in albanischer Sprache. Panagiotides, der Lehrer von Hahns, schrieb ihm fünf
Märchen auf, die dieser im Original und in Übersetzung veröfentlichte.15 Wilhelm
Grimm notierte in der oben erwähnten Rezension: „Wiewohl sichtbar auf einheimi-
schem Boden gewachsen, stehen sie doch in unverkennbarer Gemeinschat mit den
deutschen.“16 Er kommentierte in dieser Rezension weiterhin vier der fünf Märchen und
stieß auf Ähnlichkeiten mit Märchen der eigenen Sammlung. Das fünte (in der Reihe
das vierte Märchen) analysierte Grimm nicht, da es Ähnlichkeiten mit der Sage von
Perseus hat. Grimm schließt die Rezension mit folgender Auforderung: „Hr v. Hahn
hat auch, wie er mir mitheilt, an hundert neugriechische Märchen gesammelt, die
manches Neue und Wichtige enthalten werden. Möge er mit der Bekanntmachung
nicht zu lange zögern.“17 Diese beiden Sätze lassen vermuten, Hahn habe Wilhelm
Grimm um die Rezension gebeten hate. Nach Aussage Ludwig Deneckes von 1985
geht aus dem Grimm’schen Nachlass tatsächlich hervor, dass J. G. von Hahn am 20. No-
vember 1853 in Syra einen Brief an W. Grimm geschrieben und das Buch Albanesische
Märchen mit der Bite um eine öfentliche Empfehlung beigelegt hate:
Sollten Sie irgend Gelegenheit inden, auf diese Studien aufmerksam zu machen,
oder sie einer öfentlichen Besprechung zu unterwerfen, so würde ich Ihnen dafür
höchst dankbar sein, denn ich stelle mir vor, dass sich die literarische Welt nicht so
leicht mit den albanesischen Studien eines X befassen werde, wenn sie ihr nicht von
guter Hand empfohlen sind.18
Im Brief ist darüber hinaus von einer Begegnung beider zwei Jahre zuvor die Rede.
Die Antwort Wilhelm Grimms war sehr hölich und äußerst sorgfältig; seine vorge-
nommenen Korrekturen seien „ein Zeugnis eigenen Stilbewusstseins sowohl wie des
Respekts vor dem Empfänger.“19
durch das schöne geschenk das Sie mir mit den Albanesischen Studien gemacht ha-
ben, bin ich ebensosehr überrascht als erfreut worden. ich bite Sie meinen großen
dank dafür anzunehmen. in verhältnismäßig kurzer zeit haben Sie dieses ziemlich
unbekannte land in allen richtungen hin, seine äußeren zustände wie sein geisti-
ges leben erforscht und man empindet die frische der Anschauung, u. die schärfe
des blick[s] drückt sich überall in Ihrem werk aus. Es thut wohl einem buch zu
begegnen, in welchem nur neue dinge vorkommen und ich zweile nicht dass es
anerkennung indet. die sprachwissenschat wird Ihnen für die aufschlüsse über die
dortige sprache dankbar sein, aber auch was Sie über geschichte des landes, seine
siten und gebräuche mitheilen hat großen werth. die märchen von denen Sie mir
sagten als ich die ehre hate Ihre bekanntschat zu machen waren mir natürlich
sehr willkommen und bewähren aufs neue die gemeinschat dieser überlieferung,
durch die ganze alte welt. Ich hofe gelegenheit zu haben darüber öfentlich etwas
zu sagen. Möchte Ihnen doch ietzt bald die muße gestatet sein, um die neugriechi-
schen märchen zugänglich zu machen. Sie werden in jeder hinsicht ein willkommes
geschenk sein und manches überraschende gewähren.
Ich verharre mit der versicherung der aufrichtigsten hochachtung
Ihr ergebenster20
19 Ebd., S. 13.
20 Zit. nach ebd., S. 11.
21 Zit. nach ebd.
Johann Georg von Hahn – der erste Märchensammler in Griechenland 393
ihrer Sprachen eine solche Zähigkeit bewährten, daß sich an ihnen die Urverwandt-
schat mit den indischen ebenso deutlich erkennen läßt, wie an den Sprachformen.22
Und des Weiteren betont von Hahn:
Aus dem obigen ergibt sich, daß unsere Bedenken sich allein auf die Annahme einer
massenhaten Einwanderung und Einbürgerung des indischen Märchenstockes in
den europäischen Ländern beschränken23
Unter anderem stimmte von Hahn mit den Brüdern Grimm darin überein, dass die
Märchen eine sitliche Weltordnung am Ende voraussetzen, die sogenannte „gute
Lehre“24; er betonte die Einbildungskrat25 der Märchen, nachdem die Brüder die KHM
als „Erziehungsbuch“26 charakterisiert haten; er erkannte ebenso die Entstehung der
Märchen in der Urzeit der Menschheit27 wie die Aufassung, die die Volksmärchen
als Naturpoesie bezeichnete und die Wurzeln der Märchen in dem ursprünglichen
Mensch28 suchte, an. Von Hahn stimmte mit den Grimms auch darin überein, dass
er die Frauen und das Volk als die vorwiegenden Träger der Märchen ansah und
meinte herausgefunden zu haben, dass die Frauen niedriger sozialer Schichten, die
als Ammen in fremden Orten arbeiteten, die Märchen ihrer Heimat in die neuen Orte
mitgebracht häten.29
Seit den ersten Veröfentlichungen der Brüder Grimm sah man die Märchen als
Reste der alten Göter- und Heldensagen; sie galten als Naturpoesie und „Urgedan-
ken des Menschengeschlechts“30. Märchen und Sagen zeugten von einem mythischen
Weltzustand. Auf diesen grundlegenden Ideen der Grimms basierte von Hahns An-
sicht, dass sich das Märchen aus der Sage und danach die Novelle und die historische
Erzählung aus dem Märchen entwickelt habe.31
Auch wenn von Hahn die Verschiedenheit des deutschen und griechischen Volks
bewusst war, stellte er fest, dass „eine wahrhat überraschende Übereinstimmung der
Lebensanschauungen und der Erzählweise sowohl im ganzen wie im einzelnen“ ge-
geben sei; „der Leser dürte sich wohl häuig durch das Deutschtum der griechischen
Formen überrascht fühlen“. Von Hahn „möchte behaupten, dass, die Verschiedenheit
der Darstellung innerhalb seiner Sammlung viel größer sei, als die zwischen den ge-
lungenen griechischen und albanesischen Formen und den Grimmschen Märchen.“32
Von Hahn verglich auch die griechischen Märchen mit den althellenischen Sagen
und war überrascht, dass er nur sehr wenige Ähnlichkeiten fand. Danach verglich
er die Märchen seiner Sammlung mit den altdeutschen Sagen und „wo die deut-
schen Heldensagen nicht ausreichen, zog er die Edda heran“33 und fand dort die
Abstammung von vielen Motiven. Das könne als ein Beweis der indogermanischen
Abstammung der Märchen nach Grimm gelten.
Wie bei der germanischen und hellenischen Sage, so waren wir auch bei dem deut-
schen und griechischen Volksmärchen bedacht, die beiden gemeinsamen Grundfor-
men aufzusuchen und ihr Verhältnis zu der Sage zu bestimmen. Wenn aber auch die
nachfolgenden Formeln zunächst nur diesen beschränkten Zweck im Auge haben,
so halten wir uns doch zu der Erwartung berechtigt, daß dieselben auch nutzba-
re Grundlagen zur Sammlung der Märchenformeln des ganzen indogermanischen
Stammes darbieten dürten, und wir haben daher auch das Einschlägige aus ver-
wandten Kreisen zugefügt, soweit uns dieselben zugänglich waren.34
Wie schon erwähnt, handelt der fünte Teil der Vorrede von Hahns von der typo-
logischen Klassiizierung der Märchen seiner Sammlung im Vergleich zu anderen,
ihm zur Verfügung stehenden Märchensammlungen, darunter diejenige der Brüder
Grimm. Er verglich die Motive auch mit den hellenischen und den deutschen Sagen.
Somit ist von Hahn der Erste, der einen Motiv-Index aufgestellt hat. Stith hompson
hat den Beitrag von Hahns zur ‚Finnischen Schule‘ anerkannt: “he irst atempt at
a logical ordering of folktales was made in 1864 by J. G. von Hahn.”35 Diese typolo-
gische Methode von Hahns fand aufgrund der mangelnden Bewältigung seines Ma-
terials36 unter seinen Zeitgenossen keine Anerkennung, inspirierte dafür aber später
die ‚Finnische Schule‘.
Als von Hahn die Übersetzung der Märchen beendet hate, sandte er vor der Her-
ausgabe des Buches eine handschritliche Auswahl an die Zeitschrit Die Grenzboten,
die diese auch veröfentlichte.37 Die Korrekturbögen dieser Märchen waren das letzte,
was Jacob Grimm „mit großem Interesse durchsah und einiges daraus mit dem Blei-
stit bemerkte.“38
Die nach Jack Zipes41 sogenannte „Kontamination“ der Märchen durch Wilhelm
Grimm scheint auch von Hahn begangen zu haben. 1990 hat Birgit Olsen eine ver-
gleichende Studie von 25 Märchen vorgelegt, die sowohl in der Sammlung von Hahns
als auch in der Jean Pios enthalten sind. Sie verglich den griechischen Prototyp der
Sammlung Pios mit der Übersetzung von Hahns und kam zu dem Ergebnis, dass letz-
terer sehr stark von den Ideen der Brüder Grimm beeinlusst war: Er sei auf Grund
der Grimm’schen Aufassungen bezüglich der Abstammung der Märchen aus Mythen
und hinsichtlich ihrer gemeinsamen indoeuropäischen Wurzel voreingenommen ge-
gen die griechischen Märchen gewesen. Olsen meint, dass von Hahn sich nicht für die
Märchen als Werke der mündlichen Tradition interessierte und es deswegen nicht für
wichtig gehalten habe, eine treue sprachliche Übersetzung zu schafen. Sein Ziel sei es
gewesen, ein Werk zu schafen, das bei deutschen Lesern auf Gefallen stieß. Aus diesem
Grund habe er die Stofe zu frei behandelt und ein griechisches Märchen mit seiner
deutschen Variante zu ot und mehr als erlaubte gleichgesetzt.42
„d. h. göterglaube, wie er von volk zu volk in unendlicher abstufung wurzelt: ein
viel allgemeineres, unstäteres element als das historische, aber an umfang gewin-
nend was ihm an festigkeit angeht.“47
Jacob Grimm behauptete, dass die deutschen Göter eine innere Verwandtschat mit
den klassischen Götern besäßen. Diese durch die Vergleichung „bedeutende zahl über-
raschender einstimmungen“ führte Jacob Grimm zum Ergebnis, die deutsche Göter-
lehre sei trümmerhat und zerstreut „gegenüber der reichlich erhaltenen, verfeinerten,
geordneten jener völker.“48 So versuchte er die deutsche Mythologie zu rekonstruieren.
Jacob Grimms Deutsche Mythologie versetzte von Hahn in die Lage, seine Mythologi-
schen Parallelen zu verfassen. Mythologische Parallelen ist eine vergleichende Studie
zwischen der griechischen und der deutschen Mythologie, deren Grundgedanken man
beispielsweise in der folgenden Äußerung Jacob Grimms inden kann:
Noch näher als die verfeinerte sage der Griechen und Römer, steht uns darum auch
die der anderen, gleichartigeren und benachbarten völker. i c h g l a u b e a n e i n
band, das sie alle verknüpft, nicht bloss in ihrer geschichte, son-
d e r n w e i t e n g e r, o f t m i t u n s i c h t b a r e n e n d e n , i n i h r e r s p r a c h e u n d
sage, und dass dieser verhältnisse erforschung mit desto reiche-
rem ertrage lohnt, je sorgsamer alle eigenthümlichkeiten dabei
g e w a h r t w o r d e n s i n d . 49
Und auch:
Ich bekenne, dass mir wenig daran gelegen hat in dem unzusammenhang unserer
fast ganz aus der fuge gerathenen mythen ein system zu entdecken, das der deut-
schen göterlehre unter den übrigen des alterthums eigen wäre.50
Dieses System versuchte von Hahn zu entdecken.
47 Ebd.
48 Ebd., S. XII.
49 Ebd., S. XIV (Hervorhebung durch A. E. M.).
50 Ebd., S. XXV.
51 Hahn 1856, S. X.
52 Vgl. auch DH 1829.
53 Hahn 1862.
Johann Georg von Hahn – der erste Märchensammler in Griechenland 397
und Geschichte verhalten54 und Wilhelm Grimm in Über die Entstehung der altdeut-
schen Poesie und ihr Verhältnis zu der nordischen55 entwickelt haten.
54 Grimm, J. 1808.
55 Grimm, W. 1808.
56 Fallmerayer 1830.
57 Vgl. Zampelios 1852; Paparigopoulos 1970.
58 Tagebücher Fallmerayers (25. Februar 1842). In: Grimm, G. 1964, S. 43.
59 Vgl. Hahn 1854, Erstes Het, S. 211–228, 301–347.
60 Vgl. ebd., S. 211.
61 Vgl. Grimm, G. 1964, S. 203.
62 Hahn 1854, Erstes Het, S. 212.
63 Vgl. ebd., S. 319.
398 Wirkung und internationale Rezeption der Brüder Grimm
Fallmerayer war einer derjenigen, die bereit waren, von Hahn bei der Bekannt-
machung der Albanesischen Studien zu helfen.64 In der Wiener Zeitschrit Die Donau
schrieb Fallmerayer eine Rezension, mit der er jedoch in erster Linie seine eigenen
Ansichten stützte. Zwei noch unveröfenlichte Briefe von Hahns an Fallmerayer be-
inden sich in Innsbruck, die wichtig für die weitere Erforschung der Beziehung zwi-
schen von Hahn und Fallmerayer sind.65
Schlussfolgerung
Abschließend sei noch einmal die starke Wirkung der Brüder Grimm auf J. G. von Hahn
betont. Die meisten Werke von Hahns standen in einem engen Zusammenhang mit de-
ren wissenschatlichen Interessen und Ansichten. Von Hahn suchte zahlreiche hesen
der Brüder Grimm zu beweisen und zur Basis eigener Aufassungen zu machen. Bei
seiner Märchensammlung kam es ihm darauf an, die Ähnlichkeit mit den Kinder- und
Hausmärchen der Brüder Grimm herauszustellen. Sowohl von Hahn als auch die Brüder
Grimm wollten mit ihren Märchensammlungen nicht nur die Volkspoesie wiederbele-
ben, sondern auch die indogermanische Abstammung der Märchen beweisen und – im
Falle der KHM – einen volksliterarischen Beweis für die nationale Kohärenz des deut-
schen Volkes erbringen. Es gibt aber eine grundlegende Diferenzierung zwischen
beiden Sammlungen: Die Brüder Grimm sammelten deutsche Märchen, während von
Hahn zum überwiegenden Teil griechische und wenige albanische Märchen sammelte.
Die griechischen Märchen wurden dabei nicht in Originalsprache, sondern in deutscher
Übersetzung publiziert. Sie konnten somit in ihrer Heimatnation nicht so wirken, wie es
die Märchensammlung der Brüder Grimm in Deutschland getan hat.
Ebenso wie die Brüder Grimm wollte von Hahn mit seiner Ausgabe die indoger-
manische Abstammung oder Verwandtschat der griechischen und albanischen Mär-
chen beweisen. Ein weiterer Unterschied zwischen den KHM und den Griechischen
und albanesischen Märchen besteht darin, dass von Hahn nur die geschichtlich-philo-
logische Dimension der Sammlung im Sinn hate, während die KHM, wie schon der
Titel der Sammlung eindeutig ausdrückt, nicht nur für die Gelehrten zweckdienlich,
sondern auch an Kinder gerichtet sein sollte.66 Unabhängig davon haben wir es mit
der ersten umfangreichen Märchensammlung Griechenlands zu tun.
Die griechischen Manuskripte dieser Märchensammlung beinden sich in der Natio-
nalbibliothek in Athen; bislang wurde nur ein Teil dieses Manuskriptes von dem däni-
schen Gräzisten Jean Pio 1879 in Kopenhagen veröfentlicht. Wichtige und anerkannte
Wissenschatler wie Stith hompson, Paul Kretschmer und Franz Dölger haben die Be-
deutung des Werkes von Hahns anerkannt67; aber auch G. Megas68, einer der wichtigsten
griechischen Volkskundler, würdigte den Beitrag von Hahns zur Verbreitung der grie-
chischen Märchen. Es ist eine Tatsache, dass die von Hahn’sche Märchensammlung die
Initialzündung für die weiteren Märchensammler Griechenlands darstellte.
Das Werk Johann Georg von Hahns ist bis heute noch nicht in seiner Gesamtheit
untersucht.
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Autorenverzeichnis zum Band 2 599