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Prolog zum Buch von Karl-Heinz Dellwo
"Das Projektil sind wir"
Der Aufbruch einer Generation, die RAF und die Kritik der Waffen
Gespräche mit Tina Petersen und Christoph Twickel
Im Gespräch mit den Journalisten Christoph Twickel und Tina Petersen erzählt Karl-Heinz Dellwo über die RAF jenseits von Verdammung und Verklärung. Dabei stellt er sich der ernüchternden Erkenntnis, dass »wir immer Gruppe blieben und nie Bewegung wurden« (Dellwo). Doch er verschweigt auch nicht, dass viele von der Revolution träumten, für die die RAF zu den Waffen griff. Dellwo erzählt die Stationen seines Lebens: Der Sprung des Jugendlichen aus der Lehre in die Hausbesetzerszene, der erste Gefängnisaufenthalt. Danach der Weg ins »Kollektiv RAF«. Der unumkehrbare Schritt in die Illegalität. Nach dem blutig gescheiterten Versuch, die gefangenen RAF-Genossen durch die Besetzung der Deutschen Botschaft in Stockholm freizupressen (bei dem zwei Botschaftsangestellte und zwei Besetzer getötet werden), wird er verhaftet und zu zwei Mal lebenslänglich verurteilt. Nach zwanzig Jahren kommt er 1995 frei. »Ich befand mich im Krieg – gegen die BRD«, sagt Dellwo. Im Gefängnis hieß das: Isolation, Geräuschlosigkeit, Verweigerung jedes Gesprächs mit Vertretern der Anstalt, Hungerstreiks. »Eine andere Sprache sprach aus ihrer Hysterie«, heißt es in einem Stück der Goldenen Zitronen über die RAF. »Denn ob es Millionen würden / war durchaus nicht klar.« Dieses Buch macht den Versuch, über jene verlorene Hysterie zu sprechen.
http://www.edition-nautilus.de/programm/politik/buch-978-3-89401-556-5.html
Prolog zum Buch von Karl-Heinz Dellwo
"Das Projektil sind wir"
Der Aufbruch einer Generation, die RAF und die Kritik der Waffen
Gespräche mit Tina Petersen und Christoph Twickel
Im Gespräch mit den Journalisten Christoph Twickel und Tina Petersen erzählt Karl-Heinz Dellwo über die RAF jenseits von Verdammung und Verklärung. Dabei stellt er sich der ernüchternden Erkenntnis, dass »wir immer Gruppe blieben und nie Bewegung wurden« (Dellwo). Doch er verschweigt auch nicht, dass viele von der Revolution träumten, für die die RAF zu den Waffen griff. Dellwo erzählt die Stationen seines Lebens: Der Sprung des Jugendlichen aus der Lehre in die Hausbesetzerszene, der erste Gefängnisaufenthalt. Danach der Weg ins »Kollektiv RAF«. Der unumkehrbare Schritt in die Illegalität. Nach dem blutig gescheiterten Versuch, die gefangenen RAF-Genossen durch die Besetzung der Deutschen Botschaft in Stockholm freizupressen (bei dem zwei Botschaftsangestellte und zwei Besetzer getötet werden), wird er verhaftet und zu zwei Mal lebenslänglich verurteilt. Nach zwanzig Jahren kommt er 1995 frei. »Ich befand mich im Krieg – gegen die BRD«, sagt Dellwo. Im Gefängnis hieß das: Isolation, Geräuschlosigkeit, Verweigerung jedes Gesprächs mit Vertretern der Anstalt, Hungerstreiks. »Eine andere Sprache sprach aus ihrer Hysterie«, heißt es in einem Stück der Goldenen Zitronen über die RAF. »Denn ob es Millionen würden / war durchaus nicht klar.« Dieses Buch macht den Versuch, über jene verlorene Hysterie zu sprechen.
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Prolog zum Buch von Karl-Heinz Dellwo
"Das Projektil sind wir"
Der Aufbruch einer Generation, die RAF und die Kritik der Waffen
Gespräche mit Tina Petersen und Christoph Twickel
Im Gespräch mit den Journalisten Christoph Twickel und Tina Petersen erzählt Karl-Heinz Dellwo über die RAF jenseits von Verdammung und Verklärung. Dabei stellt er sich der ernüchternden Erkenntnis, dass »wir immer Gruppe blieben und nie Bewegung wurden« (Dellwo). Doch er verschweigt auch nicht, dass viele von der Revolution träumten, für die die RAF zu den Waffen griff. Dellwo erzählt die Stationen seines Lebens: Der Sprung des Jugendlichen aus der Lehre in die Hausbesetzerszene, der erste Gefängnisaufenthalt. Danach der Weg ins »Kollektiv RAF«. Der unumkehrbare Schritt in die Illegalität. Nach dem blutig gescheiterten Versuch, die gefangenen RAF-Genossen durch die Besetzung der Deutschen Botschaft in Stockholm freizupressen (bei dem zwei Botschaftsangestellte und zwei Besetzer getötet werden), wird er verhaftet und zu zwei Mal lebenslänglich verurteilt. Nach zwanzig Jahren kommt er 1995 frei. »Ich befand mich im Krieg – gegen die BRD«, sagt Dellwo. Im Gefängnis hieß das: Isolation, Geräuschlosigkeit, Verweigerung jedes Gesprächs mit Vertretern der Anstalt, Hungerstreiks. »Eine andere Sprache sprach aus ihrer Hysterie«, heißt es in einem Stück der Goldenen Zitronen über die RAF. »Denn ob es Millionen würden / war durchaus nicht klar.« Dieses Buch macht den Versuch, über jene verlorene Hysterie zu sprechen.
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Am 24. April 1975 gegen 11:46 Uhr bin ich mit meinen Ge- nossen Ulrich Wessei, SiegIried Hausner, Lutz TauIer, Bemd Rssner und Hanna Krabbe, nicht unerheblich bewaIInet, in die deutsche BotschaIt in Stockholm eingedrungen, um die h- here BotschaIterebene als Geiseln zu nehmen und 26 politische GeIangene aus den GeIngnissen der BRD zu beIreien. Vondie- sen GeIangenen kamen die meisten aus der RAF, aber wir woll- ten auch andere beIreien, beispielsweise Johannes Weinrich, WolIgang Quante oder Sigurd Debus, die aus anderen bewaII- neten Gruppen kamen. Bestandteil dieser Aktion war, beste- hende Gruppengrenzen zu berwinden. HoIInung war, damit einen neuen kollektiven AnIang im revolutionren KampI zu setzen. Wir haben die BotschaIt in drei Gruppen inIiltriert, d.h. ei- gentlich in zwei, denn einer ging als erster allein rein. Er muss- te den meisten Mut auIbringen, denn er hatte dort mehrere Mi- nuten allein seinen Standort zu halten, ohne auIzuIallen. Das war Ulrich WesseI. Ihm Iolgten SiegIried und Bemd, die aber an der PIrtnerloge hngen blieben. Der PIrtner versagte ih- nen den Zugang mit dem Hinweis, dass sie mit ihrem Anliegen zum Studentenwerk oder Goethe-Institut mssten. Zum Schluss kamen Lutz, Hanna und ich in dem angemieteten Volvo vorge- Iahren, betraten als Dreiergruppe die BotschaIt, meldeten uns in Sachen eines TrauerIalls an und wurden soIort in die konsu- larische Abteilung geschickt. Dort wartete Ulrich, der mit dem AusIllen von Formularen Ir einen neuen Pass die Zeit ber- brckte. Da der PIrtner gegenber Bemd und SiegIried auI dem Standpunkt blieb, dass sie an der Ialschen Adresse waren, mussten diese ihren Plan ndern. Als eine Angestellte die Bot- schaIt verlie und so die Tr IInete, drangen sie ungenehmigt ein. Wre ihnen das nicht gelungen, htten wir sie nach der Klrung der Situation im ersten Stock hineingeholt. Nachdem 5 Bemd und SiegIried durch die oIIene Tr in die BotschaIt lieIen, rannte ihnen der in der PIrtnerloge anwesende BGS- Beamte hinterher. Einer der beiden IInete seine Jacke und zeigte ihm die High Standard, eine halbautomatische Schrot- Ilinte. Das reichte aus, damit der BGSler die Lage erkannte und sich zurckzog. Wir haben nicht von uns aus blind ge- Ieuert. Wir drei, die bereits im ersten Stock angekommen waren, traIen dort hinter dem EmpIang einen BotschaItsbediensteten. Einer von uns zog den Revolver, zielte aus nchster Nhe auI ihn und sagte nur: "Den Schlssel!", was von dem BotschaIts- angehrigen nach einem entsetzten Blick soIort mit "Ja" be- antwortet wurde. Unser AuItreten dort war derart berrumpelnd und von einer jeden Widerspruch unterdrckenden Massivitt, dass seine Angabe spter, wir htten ihm zur Schlsselpreis- gabe auI die Hnde treten mssen, eine berIlssige RechtIer- tigung war. Der Mann hatte keine Chance und er hatte sich nichts vorzuwerIen. Die Herausgabe der Schlssel hatte uns die Sache erleichtert, war aber nicht Bedingung Ir das wei- tere Vorgehen. Die Stockwerke nach oben waren mit einem massiven Eisengitter auI der Treppe versperrt. Ebenso war auch der Fahrstuhl vom ersten Stock aus nur mit einem Spezial- schlssel zu bedienen. Das wussten wir alles. Auch hatten wir przise Zimmerplne, teilweise mit Fotos. Fr den Fall, dass es uns nicht gelnge, die Schlssel in die Hand zu bekommen, wa- ren wir in der Lage, das Schloss am Eisengitter innerhalb einer halben Minute herauszusprengen. Das hatten wir die Tage vor- her geprobt und daIr eine Iertige Sprengladung dabei. Wir wren an keiner Hrde gescheitert. Unser Wunsch allerdings war, die BotschaIt, so lange es ging, "leise" zu okkupieren. Nach den Problemen an der EingangspIorte war das hinIllig geworden. Der PIrtner lste den Alarm aus, der enervierend in den Fluren schrillte und dazu Ihrte, dass aus allen Zimmern BotschaItsangestellte auI den Flur lieIen, um nach der Ursache zu schauen. Nun mussten wir alles beschleunigen und strmten auI unsere Pltze. Wir mussten beide Treppenhuser gegen Flucht und mgliche AngriIIe von unten sichern, Brotren auI- brechen, die nun zum groen Teil von den BotschaItsmitglie- dern von innen verschlossen wurden, und die Rume durch- suchen. So begann die BotschaItsbesetzung. 6 Fast auI die Minute genau 12 Stunden spter war sie vorbei. In der Zwischenzeit hatten wir unsere Ultimaten gestellt und zwei Diplomaten erschossen, die Attaches Andreas von Mir- bach und Heinz Hillegaart. Ebenso hatten wir den von der schwedischen Regierung angebotenen Abzug abgelehnt. Nach einer unvorhergesehenen Explosion um 23:47 Uhr verloren wir einen Genossen, nmlich Ulrich Wessei, direkt vor Ort, und 10 Tage spter in einer GeIngniszelle in Stuttgart-Stamm- heim den zweiten, SiegIried Hausner. Wir anderen gingen da- nach ber 20 Jahre ins GeIngnis. * * * Mit meiner Teilnahme an der Aktion in Stockholm bin ich zur RAF gekommen. Ich wollte dort seit Jahren hin. Ich war Tage zuvor 23 Jahre alt geworden und seit 1971 auI der Suche nach politischen Zusammenhngen, die eindeutig oppositionell zu den gesellschaItlichen Verhltnissen standen. "Zwischen sich und dem Feind den Trennungsstrich ziehen" - das Neue an die- ser aus der chinesischen Kulturrevolution herberklingenden AuIIorderung war die verlangte Eindeutigkeit nach dem Tren- nungsstrich. Wer der Feind war, das musste einem niemand er- klren. Das BedrInis nach radikaler Abgrenzung und Trennung musste nicht geweckt werden; wir brachten es mit. Darin er- kannten wir etwas Gemeinsames, obwohl wir, die wir dann in der Politisierung und in unseren KmpIen in den nchsten Jah- ren zusammen waren, aus vllig unterschiedlichen gesell- schaItlichen Schichten kamen. Die individuelle Lebensge- schichte, so sehr sie auch die unterschiedlichen Prgungen der Personen erklrt, erklrt die RAF nicht und ebenso nicht, dass ein groer Teil einer Generation die Integration in das Beste- hende verweigerte und andere gesellschaItliche Verhltnisse wollte. Neben diesem Satz von Mao Tse Tung hatte mich in- nerlich nach dem Tod von Petra Schelm ein anderer erreicht, die, so alt wie wir in unserem Zusammenhang damals, mit 21 Jahren erschossen wurde: "Habt Mut zu kmpIen, habt Mut zu siegen." Kurze Zeit spter wird Georg von Rauch im Alter von 24 Jahren erschossen und Thomas Weibecker, 23 Jahre alt. Diese Schsse waren auI uns gerichtet. Stumm habe ich das re- gistriert. Irgendwie hatten wir dieses Verhltnis von oben er- 7 wartet. Aber ich sah auch, dass berall in der Welt, ob bei den BeIreiungsbewegungen in der Dritten Welt oder bei den Black Panthers in den USA, die Jugend zur WaIIe griII. In der Be- waIInung waren wir zuerst ohne Schuld. Wir haben uns Ir die Revolution bewaIInet. Das war unser Selbstverstndnis. Die WaIIe war ein Mittel zur BeIreiung. Die WaIIe in den Hnden der herrschenden Klasse war das nicht. Sie hatte je- den nur erdenklichen und auch den undenkbaren Terror damit verbt, um sich als Minderheit ber die Masse der Mensch- heit zu setzen. Mit dem von staatlicher Seite verteidigten Mord an Benno Ohnesorg hatte die herrschende Klasse zuerst ge- schossen. Im Alltag unter uns Ianden wir konkrete emanzipatorische Lsungen. Dort, wo wir unsere FeindschaIt gegen das System politisch artikulierten, blieb sie oIt erst nur eine grobe und stockende Analyse. Und doch waren wir uns unserer Sache vl- lig sicher. Die FeindschaIt lag zuerst als emotionaler Zustand vor, als etwas, das da war, seine Sprache und seinen Ausdruck aber noch nicht geIunden hatte. Wir empIanden uns als koloni- siert vom System und sollten ein Iremdes Leben Ihren, in dem nichts zu uns passte. Marcuse hatte uns geholIen mit der Er- klrung, dass die Voraussetzung der Kritik nicht ist, dass man schon die Lsung wei. Wir diskutierten, dass es nicht darum gehen konnte, schon jetzt Iestzulegen, wo es hingehen sollte. Wir wollten auI dem Weg alles ndern knnen. Wir hatten das Recht zur einIachen Negation, zu sagen, dass wir das Beste- hende nicht wollen, denn wir waren sicher, dass wir die dop- pelte Negation, also zu sagen, wie es sein soll, im Widerstands- prozess Iinden wrden. Politisch hatte ich noch keine aus- gereiIte Sprache. Zur RAF wollte ich, weil sie Ir mich das enthielt, was mir zur Sprache verhalI: Die Suche nach einer Klarheit ber das, was BeIreiung und was Unterdrckung ist, in allen Fragen, die auItauchten. In der Radikalitt gegenber dem Bestehenden schien sie mit der Illegalitt einen Raum zu schaIIen, in dem wir mit der Entwicklung unserer eigenen Ge- schichte beginnen konnten. So hoIIten wir. Wir verIgten ja ber keine Widerstandstradition, an die wir anknpIen konnten. Die Widerstandsgeschichte der Linken war im NaziIaschis- mus gebrochen worden und im Realsozialismus erstarrt. Ge- schichtlich waren wir ortlos . Wir lebten zwar hier, suchten aber 8 die Trennung zu einer Historie, die barbarisch oder unterlegen war. Eine tradierbare KlassenkampIgeschichte gab es Ir uns nicht. Auch deswegen waren wir von AnIang an internationalis- tisch und mit denen im Bndnis, die ebenso antiimperialistisch kmpIten. Aus unserer gesellschaItlichen Schwcheposition heraus haben wir berall auI der Welt nach Verbndeten Aus- schau gehalten. Wenn man im Bild das Tradierbare als Verti- kale setzt, dann verortete sich unsere zu entwickelnde Ge- schichte sozusagen horizontal. Das war ja auch die HoIInung: Aus den einzelnen Feuern sollte ein Flchenbrand des AuI- stands entstehen. Der Tod von Holger Meins erreichte mich zuerst als Selbst- vorwurI, alles schon zu wissen, aber nicht zur Entscheidung zu kommen. In ihm besttigte sich erneut Ir uns, dass die herr- schende Klasse zu jedem Mittel greiIen wird, um die Nach- kriegsordnung, darin die Restauration des im Nationalsozialis- mus auI seinen unverhllten Kern gekommenen Kapitalismus, auIrechtzuerhalten. Zur Verteidigung der Besitzverhltnisse war gerade die regierende SPD wieder zu allem bereit, ergnzt mit modernistischen Sozialstrategien der Klassenkollaboration, die sie heute lngst wieder ber Bord geworIen hat, weil die Macht der Warenproduktion scheinbare Alternativlosigkeit und lachende Besitzgier produziert. Es war die "Stunde der Wahr- heit", klar und unverdrngbar. In ihr brach Ir uns die Er- kenntnis ber die herrschende Klasse zu einer neuen Realitt durch. Man musste den KampI auInehmen oder wrde besiegt sein. Der Tod von Holger Meins ist ein Staatsmord. Die Isolation im GeIngnis und eine Justiz, die sich nach den politischen An- Iorderungen alles so zu Recht anpasste, wie sie es brauchte, war die Fortsetzung eines als Krieg gewollten KampIes gegen die geIangene RAF mit anderen Mitteln. Der GeIangene, der unter den Bedingungen der Isolation nicht leben kann, hat im KampI gegen diese Bedingungen die Moral und die Legitimation auI seiner Seite. Sein Tod ist nicht Ireiwillig, sondern vom Staat auIgezwungen, weil dieser mit den Mitteln seiner vollstndi- gen rumlichen VerIgung das Verhltnis "Friss oder stirb, Un- terwerIung oder Tod", also auch die SystemherrschaIt im Ge- Iangenen durch dessen SelbstunterwerIung durchsetzen will. Der Tod von Holger Meins war gewollt. Seine Leiche wurde 9 uns vor die Fe geworIen als brutaler wie arroganter Hinweis darauI, was uns bei Nichtanpassung drohen wrde. Ich bin in die Illegalitt gegangen, um die GeIangenen zu beIreien und den Faustschlag gegen die herrschende Klasse zurckzugeben, den sie uns mit dem Tod von Holger Meins ver- passt hat. Sie sollten nicht einen von uns umbringen knnen und denken, sie zahlen nicht daIr. Im GeIngnis hat es mir oIt KraIt gegeben, das nicht widerstandslos hingenommen zu haben. Ich wollte die BeIreiung der politischen GeIangenen, um mit ihnen gemeinsam die Frage, wie der revolutionre KampI weiterge- hen kann, zu klren. Die GeIangenen waren uns nah. Sie wa- ren vorausgegangen und hatten angeIangen zu kmpIen. Wie htte man sie allein lassen knnen, ohne sich selbst zu verra- ten? Die GeIangenenbeIreiung gehrt immer zum revolu- tionren KampI. Nicht nur, weil den GeIangenen und zuknI- tig KmpIenden die HoIInung gegeben werden muss, dass sie nicht in der Gewalt des Feindes bleiben, dass das GeIngnis nicht die Endstation ist. Sondern weil in der GeIangenenbe- Ireiung die eigene BeIreiung aus der Unterdrckung und Ent- Iremdung exemplarisch enthalten ist. Sie anerkennt, dass der revolutionre KampI am Interesse aller Unterdrckten und Ausgebeuteten orientiert ist. Die GeIangenenbeIreiung ist die selbstverstndliche Solidaritt unter Genossen, die nicht ge- Iordert werden muss. Ich hatte mir andere Aktionen als eine BotschaItsbesetzung vorgestellt, als ich in die Illegalitt ging. Ich bin aber zu spt gekommen. Die Aktion war entschieden und weitgehend vor- bereitet. Ich war ursprnglich Ir sie nicht vorgesehen. Auch hatte ich, als ich von der Mglichkeit einer derartigen Aktion erIuhr, diese kritisiert. Spter, nach der Frage von Andreas Baa- der, ob ich an dieser Aktion teilnehmen mchte, habe ich mei- ne Kritik verworIen. Ich war Ir eine BeIreiungsaktion in die Illegalitt gegangen und wollte nicht zuschauen. Wir waren we- nige und wir hatten wenig Zeit. Wir wollten auI jeden Fall eine Aktion durchIhren und nicht im VorIeld verhaItet werden, da- mit der revolutionre KampI auch wieder eine RealittserIah- rung bekam. Das schien uns dringend ntig zu sein. Wir Ian- den, dass selbst Ir den Fall, dass die Aktion scheiterte, sie ihre Wirkung haben wrde. Andere hatten uns versprochen, dass sie den KampI weiterIhren, wenn wir scheitern wrden. Wir woll- 10 ten, dass der revolutionre KampI Iortgesetzt wurde. Wir hat- ten uns lngst an der von Holger Meins gesetzten Moral orien- tiert, die mit Verachtung dem Tod gegenber den KampI auI- nehmen konnte, weil wir uns als Teil einer sich heranbildenden GegengesellschaIt gesehen haben, mit der das Ganze gegen das Ganze stand. Wir standen inzwischen "drauen" und die Lega- litt des Systems war "ein anderes Land". Unsere Welt gegen ihre Welt. Das war der Trennungsstrich, die AuIkndigung, dass es irgendwo noch etwas Gemeinsames geben knnte, also der Krieg. Das war auch die BotschaIt im Tod von Holger Meins an uns. Im Krieg gegen das alte System Ianden wir uns endlich dort angekommen, wo wir hinwollten: Klar und eindeutig da- von abgetrennt und in Gegenposition zu sein! Darin wird der Dienst an der revolutionren Sache und die Bewertung des ei- genen Kollektivs zu etwas Zentralem. Wichtiger als die Ge- genseite, allerdings wichtiger auch als die eigene Person. In Stockholm stand Ir uns das Ganze zur Debatte. Daher kam die Entschlossenheit zum "Alles oder Nichts", "Sieg oder Tod". Wie jeder andere von uns bin ich seit Stockholm verant- wortlich Ir den Tod von zwei BotschaItsangehrigen . Wir ha- ben den Militrattache Andreas von Mirbach erschossen, nach- dem die schwedische Polizei auch nach vier Ultimaten ber den Zeitraum von einer Stunde hinweg sich weigerte, aus der BotschaIt abzuziehen. Sie stand bis zu den Treppenanst- zen im dritten Stock und bildete eine uns unmittelbar bedro- hende GeIahr. Vor allem aber war die ganze Aktion in Frage gestellt: Setzen wir ihren Rckzug nicht durch, sind unsere HauptIorderungen von vornherein verloren. So war die Logik der MachtIrage, die wir mit unserer Aktion oIIen gestellt hat- ten. Am Abend haben wir den WirtschaItsattache Heinz Hille- gaart erschossen, nachdem uns die schwedische Regierung mitteilte, dass die Bundesregierung die Forderungen ohne jede VerhandlungsbereitschaIt ablehnte. Es war nur noch eine blin- de Tat, denn die AustauschIorderung war mit der BekrItigung der Ablehnung entschieden. Kurze Zeit danach haben wir die Sekretrinnen nach Hause geschickt, weil uns klar geworden war, dass die GeIangenenbeIreiung gescheitert war und wir selbst die Aktion beenden mussten. Wir wollten und konnten niemanden mehr erschieen. Wir wollten ein letztes Ultimatum ankndigen und nach dessen erIolglosem AblauI die BotschaIt 11 sprengen. Whrend der Beratung dazu ist die Sprengladung, von uns ungeplant, detoniert. Die Erschieung der Attaches macht uns unzweideutig schuldig. Unsere Hrte war nicht alternativlos. Dass wir zu an- deren Handlungsmglichkeiten nicht in der Lage waren, zeigt, dass wir die Eindeutigkeit und Kompromisslosigkeit im Mi- litrischen und nicht im Politischen gesucht hatten. Die schwe- dische Regierung war die einzige, die mit dem Verhandlungs- angebot ber einen Abzug noch eine politische Ebene suchte. Ebenso versuchte, auI einer privaten Ebene, der Sohn des Bot- schaIters Stoecker mit seinen teleIonischen Mitteilungen, dass die Bundesregierung doch noch GeIangene Irei geben wolle, den SelbstlauI der Dinge auIzubrechen. Die Bundesregierung hatte jede Politik gestrichen, lehnte die Forderungen einIach ab und tauchte unter. Als Akteur war sie nicht mehr vorhanden. Sie hat nicht einmal versucht, mit uns zu teleIonieren. Im Hoch- halten der Staatsrson wurden ihre Angestellten ebenso ver- sachlicht und Ir den hheren Dienst geopIert. Im Hochhalten der Staatsrson war jeder konkrete Sinn liquidiert und das abstrakte Prinzip an seine Stelle gesetzt. Damit lsst sich alles opIern, was kleiner als die ganze GesellschaIt ist, und zur be- deutenden moralischen EntscheidungsIrage hochstilisieren. Es rechtIertigt uns nicht, aber wir waren die Schwcheren und wir haben das Prinzip, dass in diesem KampI das Leben nicht das hchste Gut ist, auch auI uns selbst angewandt. Ich bedauere seit langer Zeit den Tod der BotschaItsangehri- gen und meine Verantwortlichkeit daIr. In der Geiselerschie- ung uert sich eine abzulehnende, vllige Verdinglichung des Menschen. Keine GegengesellschaIt kann so auIgebaut werden. Ich hadere nicht damit, dass wir daIr einen hohen Preis bezahlt haben. Ich mchte nicht einIach davongekommen sein. * * * Als Holger Meins starb, war er unbewaIInet und geIangen und wog noch 39 Kilogramm. Er war, nebenbei, noch nicht einmal wegen irgendetwas verurteilt. Helmut Schmidt hat diesen Tod oIIensiv vertreten und auch die Fortsetzung eines KampIes ge- gen die GeIangenen, in dem alles zur RechtIertigung des Sys- 12 tems hingebogen wurde und die Revoltierenden gebrochen wer- den sollten. Die Aktionen der RAF, deretwegen auch Holger Meins angeklagt war, nmlich die auI Seiten des vietnamesi- schen Volkes gegen den westlichen imperialistischen Kriegs- terror, Iinde ich auch heute noch legitim.
"Das Projektil sind wir" http://goo.gl/ZS4LM
"Nach dem bewaIIneten KampI" http://youtu.be/WbV5D0qAI1s 13