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August Stramm - Vorübergehn

Der Titel bezeichnet nur ein Phänomen, das vor allem mit Menschen verbunden ist, aber im
übertragenen Sinne können das auch Dinge oder Abstrakta: "Man muss das Glück im
Vorübergehn greifen."
Auf jeden Fall geht es um etwas, was kurz auftaucht und dann verschwindet.

Das Haus flackt in den Sternen - "Flackt" dürfte bei Stramm so viel bedeuten wie "flackert", aber
eben nur kurz, siehe den Titel. Das Haus wird also im Sternenlicht einmal kurz sichtbar.
Vielleicht wiederholt es sich auch wie beim Flackern".

Mein Schritt verhält und friert. -Das Lyrische Ich stoppt äußerlich oder auch innerlich und stellt
fest, dass es friert, also sich in einer kalten Umgebung befindet. Vielleicht wird mit dem Haus
Wärme als Gegensatz verbunden.

In deinem Schoße schläft mein Hirn. - Dann ein Wechsel des Themas - es geht offensichtlich um
eine Beziehung, bei der der eigene Verstand ganz im Schoß eines anderen Menschen zum
Schlafen kommt, also still wird - wie früher im Mutterschoß.

Mich fressen Zweifel! Voll - In der aktuellen Situation, in der es friert, verschwindet das positive
Gefühl in Zweifeln. Das anschließende "Voll" ist eine Bekräftigung und wirkt erstaunlich aktuell,
jugendsprachlich.

Schattet deine Büste in dem Fenster Das Spähen hüllt mich lautlos - Hier stellt sich das Lyrische
Ich vor, wie es - wohl die Geliebte - am Fenster sieht, aber auch dort wird es schattig, das
Schöne verschwindet.
Statt hinzugehen, schaut das Lyrische Ich nur wie ein Späher, will etwas finden - und dieses
Spähen ersetzt die frühere Schoß-Freude allerdings in verminderter Form.

Die Sterne streifeln glühes Eisen Mein Herz Zerkohlt! An deinem Fenster
Eist - Jetzt wird auf die Sterne zurückgegriffen - die mit glühenden Eisen verbunden werden -
was wohl für seine Zweifel steht. Vielleicht bedeutet das auch, dass das Glühen der Liebe jetzt
Streifen bekommt, also erkaltet. Dafür spricht das anschließende Bild des "Zerkohlens" des
Herzens, das zerfällt, nachdem es verglüht ist. Dann der Rückgriff auf die Fenster-Späh-Aktion,
das frierende Lyrische Ich wird jetzt zu Eis.

Ein Windhauch Asche. Die Füße tragen weiter leere Last! Am Ende bleibt nur Asche übrig, die
vom Wind davongetragen wird. Zurückbleibt der Mensch, dem die Füße schwer werden, weil sie
eine "Last" tragen müssen, die aber leer ist, also letztlich ein schwer drückendes Verlustgefühl.

Ιntentionalität/Das Gedicht zeigt: eine verschwundene Liebe, von der nichts übrig bleibt als eine
"leere Last". All das wird sichtbar gemacht, indem ein Mensch ausdrückt, was er empfindet,
wenn er am Haus der Geliebten ("Büste") vorübergeht - und nur noch diese Verbindung hat, die
auch schnell verschwindet, weil er ja nicht lange stehenbleibt. Insgesamt wird eine besondere
Situation sichtbar gemacht, die es immer wieder zwischen Menschen gibt, deren Liebe sich in
Distanz aufgelöst hat und die damit irgendwie fertig werden müssen.

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