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Erfolgreiche Handelsstrategien:
Gestern – Heute – Morgen
Ansatzpunkt der Untersuchung den wird (siehe Abbildung 1). Epoche vom Phänomen der zu-
sind Handelsunternehmen, die nehmenden Globalisierung und
nach dem Zweiten Weltkrieg Die Phase „Früher“ fasst den einem steigenden Grad weltweiter
gegründet bzw. wieder gegründet Zeitraum zwischen dem Ende des Vernetzung durch digitalen Da-
wurden und die bis heute erfolg- Zweiten Weltkriegs und dem Jahr tenaustausch. Die dritte Phase,
@ …
Globalisierung und
„Old Economy“
Digitalisierung
reich sind. Dies schließt kleine 1989 zusammen. Diese Zeitspan- zusammengefasst unter „Zu-
und mittlere Unternehmen ne war u.a. geprägt durch das kunft“, umfasst die Zeitspanne
(KMU) sowie (heutige) Großun- Wirtschaftswunder sowie den von 2011 bis zum Jahr 2020. Hin-
ternehmen ein. Gesamthaft er- Wandel vom Verkäufer- zum sichtlich dieses Zeitraums wurden
streckt sich die Studie auf einen Käufermarkt. Die zweite Phase die Respondenten bezüglich ihrer
Zeitraum von 75 Jahren, wobei („Heute“) beginnt mit der Wie- Einschätzungen für die kommen-
zwischen drei Phasen unterschie- dervereinigung und reicht bis ins den zehn Jahre befragt. Neben der
Jahr 2010. Begleitet wird diese schriftlichen Befragung, mittels
eines standardisierten Fragebo-
gens, wurden insgesamt 68 Ex-
Autoren perteninterviews mit Inhabern,
Geschäftsführern und Vorständen
Dipl.-Kfm. Stefan Kolb und Dipl.-Kfm. Sebastian Rittinger sind Wissenschaftli- von Einzelhandelsunternehmen
che Mitarbeiter am H.I.MA. der Universität des Saarlandes, Saarbrücken. aus allen relevanten Branchen
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 3
Sortiment.
Multiplizierer Diversifizierer
Erfolgsstrategien im Ein
Wachstum
zelhandel
Im Zuge der Analyse der Erfolgs-
Stabilität
zum einen durch eine hohe Expe- wicklungsmuster aufgezeigt und gewinnen, welche Strategie den
rimentierfreude hinsichtlich der den einzelnen Entwicklungspfa- größten Unternehmenserfolg mit
Unternehmensstrategie aus, was den zugeordnet. sich bringen, wird auch dieser
sich darin äußert, dass sie neben innerhalb der drei Zeiträume
ihrem ursprünglichen Unterneh- Außerdem wird die Analyse der „Früher“, „Heute“ sowie „Zu-
men weitere Geschäfte aus ande- Erfolgsfaktoren auf die vier iden- kunft“ analysiert und zwischen
ren Branchen oder gar in Form tifizierten Handelsstrategien aus- den einzelnen Strategien vergli-
anderer Betriebstypen betreiben. geweitet. Damit wird ein Ver- chen. Auch wenn für alle Strate-
Zum anderen expandieren sie ihre gleich der verschiedenen Erfolgs- gien in sämtlichen der betrachte-
Konzepte, beispielsweise durch faktoren innerhalb der Strategien ten Zeiträume Unternehmen exis-
die Gründung weiterer Filialen. ermöglicht. So kann beispielswei- tieren, die einen herausragenden
se gezeigt werden, dass die Opti- Erfolg vorweisen konnten, lassen
Die Studie fokussiert jedoch nicht mierer ihr Serviceniveau seit dem sich dennoch einige Tendenzen
nur auf eine Kategorisierung von 2. Weltkrieg bis heute kontinuier- erkennen. So zeigt sich bei-
Unternehmensstrategien anhand lich gesteigert haben. Bei einem spielsweise, dass die in der Praxis
der beschriebenen Merkmale, strategieübergreifenden Vergleich oftmals auch als Traditionsge-
sondern zeigt auch die Entwick- der Erfolgsfaktoren zeigte sich schäfte bezeichneten Optimierer
lungspfade auf, die Unternehmen außerdem, dass beispielsweise die in der Zeit nach dem Zweiten
einschlagen, wenn sie sich bei- Modifizierer, einhergehend mit Weltkrieg den größten Erfolg zu
spielsweise vom Optimierer zum ihrer ausgeprägten Experimentier- verzeichnen hatten, während die
Modifizierer wandeln, um freude, in der Tendenz auch als Diversifizierer am optimistischs-
schließlich dieses neue, gegebe- innovativer einzustufen sind als ten in die Zukunft blicken, was
nenfalls wesentlich erfolgreichere die Optimierer, oder dass die den künftigen Unternehmenser-
Konzept dann als Multiplizierer Diversifizierer noch intensivere folg anbelangt (siehe Abbildung
zu vervielfältigen. Darüber hinaus Kooperationen pflegen als die 4). Zur Veranschaulichung der
werden auch die mit einer Expan- Multiplizierer. vier identifizierten Handels-
sion oder Mutation in der Praxis strategien werden diese jeweils
einhergehenden, zeitlichen Ent- Um Anhaltspunkte darüber zu mit „Good-Practice“-Beispielen
4.0
3.9
Früher 3.8
3.9
3.4
3.3
Heute 3.3
3.8
3.0
2.9
Zukunft 3.4
4.2
1 2 3 4 5
Optimierer Modifizierer Multiplizierer Diversifizierer
n = 102
unterlegt. In diesem Kontext wer- trachtung unterzogen. Ebenfalls nehmen für eine Liberalisierung
den Unternehmen porträtiert, die analysiert werden in diesem Zu- der Öffnungszeiten. Auch plädie-
innerhalb ihrer verfolgten Strate- sammenhang die potenziellen ren die kleineren Unternehmen
gie als überdurchschnittlich er- Herausforderungen, denen sich beispielsweise für eine verant-
folgreich einzustufen sind. Als deutsche Einzelhandelsunterneh- wortungsbewusstere Standortpoli-
Unternehmensporträts werden das men seit dem Zweiten Weltkrieg tik, während die größeren Unter-
Bekleidungshaus Wibbel aus gegenüber sehen, angefangen von nehmen die Vereinfachung von
Leonberg-Eltingen, das Küchen- der Schwierigkeit, geeignetes Genehmigungsverfahren für gro-
reich Schmitt aus dem badischen Personal zu finden, bis hin zur ße Einzelhandelsflächen fordern.
Bietigheim, die Parfümerie Alb- Herausforderung einer bedarfsge- Einigkeit zwischen den beiden
recht aus Frankfurt a.M., dm rechten Unternehmensfinanzie- Strategiegruppen herrscht hin-
drogeriemarkt und das Musik- rung. sichtlich der meistgenannten For-
fachgeschäft Rock Shop aus derung überhaupt: der Steuerent-
Karlsruhe sowie die NBB Dienst- Vor diesem Hintergrund artikulie- lastung. Sowohl die kleinen/mitt-
leistungssysteme AG aus ren die befragten Unternehmen leren als auch die größeren Un-
Rodenberg vorgestellt. auch ihre Forderungen an die ternehmen fordern Entlastungen
Politik. Um ein homogeneres Bild auf der Steuerseite, um zukünftig
Herausforderungen für zu generieren, wurden die Strate- handlungsfähig zu bleiben.
Einzelhandel und Politik gien nach den Größen der ihnen
zugeordneten Unternehmen sor-
tiert, sodass die Strategien mit Auszüge dieser Studie wurden am 28.
Dass der Unternehmenserfolg Juni 2010 auf dem HDE-Mittelstandstag,
aber nicht nur durch die gewählte den tendenziell größeren Unter-
nehmen (Multiplizierer und der „TIME 2010“, präsentiert.
Strategie bestimmt wird, sondern
auch maßgeblich vom Unterneh- Diversifizierer) sowie diejenigen, Die detaillierten Ergebnisse sind in
mensumfeld und den herrschen- denen eher kleinere Unternehmen Buchform im Verlag Martin
den Rahmenbedingungen ab- zugeordnet werden (Optimierer Meidenbauer erhältlich
hängt, zeigt eine Analyse der und Modifizierer), zusammenge- (Zentes, J.; Kolb, S.; Rittinger, S. (2010):
Wettbewerbsentwicklung im fasst wurden. Die Analyse bringt Erfolgreiche Handelsstrategien –
Zeitablauf. Dabei werden Fakto- teilweise fundamentale Unter- Gestern – Heute – Morgen, Verlag
schiede innerhalb der Ergebnisse Martin Meidenbauer: München).
ren wie die Rivalität zwischen
den Wettbewerbern einer Bran- beider Gruppen hervor. Während
che, die Verhandlungsmacht der sich die eher kleineren Unter-
Lieferanten oder das Anspruchs- nehmen beispielsweise ausdrück-
niveau der Konsumenten an die lich gegen eine Lockerung des
Händler einer dynamischen Be- Ladenschlussgesetzes ausspre-
chen, sind die größeren Unter-
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 6
Stefan Elsner
Die Internationalisierung des Handels bildet einen zentralen Forschungsschwerpunkt der Professur
für Marketing und Handel der Universität Trier. Sie ist ein vielschichtiger, dynamischer Prozess,
der eine Reihe von Teilentscheidungen umfasst. In dieser Studie werden Markteintrittsstrategien
aufgegriffen, d.h. die Wahl der institutionellen Arrangements, welche den Rahmen der Leistungser-
stellung zum Eintrittszeitpunkt in einem Auslandsmarkt konturieren und erfolgsrelevant sind.
schaften vollzogen strategie (siehe Tabelle 1). ab, bei der Akquisition von
(53,2%). Hofer in Österreich sowie
● Dahinter folgen Joint Ven- Demnach nutzt etwa die Trader Joe’s in den USA. Car-
tures mit 22,2% und Ak- Schwarz Gruppe bis auf eine refour hingegen nutzt alle fünf
quisitionen mit 15,3%. Ausnahme ausschließlich die Markteintrittsstrategien. Dies
● Franchising (hier als Filialisierung, während Tesco kann einen Wettbewerbsvor-
franchiseähnliche Kon- überwiegend mit Akquisitio- teil darstellen, wenn unterstellt
trakte begriffen) spielt im nen in neue Märkte eintritt und wird, dass das Unternehmen
Lebensmittelhandel mit auch Wal-Mart hat Akquisiti- für das jeweilige Land die
5,4%, und im Gegensatz onen gerade in besonders gro- „passende“ Eintrittsstrategie
zu Unternehmen des Non- ßen Märkten wie Mexiko, wählt und über entsprechende
Food-Handels, eine unter- Japan, Großbritannien oder Kompetenzen verfügt.
geordnete Rolle. Deutschland getätigt.
● Auf Minderheitsbeteili- Nachfolgend ist interessant,
gungen entfallen 3,9% der Jeder der Händler nutzt min- unter welchen Bedingungen
beobachteten Fälle. destens zwei unterschiedliche Händler von der präferierten
Strategien. Beispielsweise Strategie abweichen bzw. wel-
Viele Handelsunternehmen nutzt Aldi die Filialisierung als che Determinanten die Nut-
haben eine starke Präferenz für präferierte Markteintrittsstra- zung der präferierten Strategie
eine bestimmte Markteintritts- tegie. Von dieser weicht das verstärken.
Unternehmen in zwei Fällen
Externe Determinanten bilden die bevorzugte Markt- Unternehmen mit großer in-
eintrittsstrategie in Volkswirt- ternationaler Erfahrung über-
Externe, gastlandspezifische schaften mit einem hohen BIP, proportional bevorzugt wird.
Determinanten führen zum d.h. die oben genannten Dur- Handelsunternehmen mit we-
abweichenden Verhalten. schnittwerte werden übertrof- nig bis mittelgroßer internati-
fen. Eine Begründung hierfür onaler Erfahrung setzen eher
Dies gilt für hochattraktive kann darin gesehen werden, auf ein Bündel von Strategien.
Märkte, wie im Fall von Wal- dass es sich bei diesen Län-
Mart angedeutet, aber auch für dern meist um Industriestaaten Schlussfolgerungen
Märkte, welche eine abwei- handelt, die durch eine moder- für die Praxis
chende Kultur aufweisen oder ne Handelsstruktur gekenn-
ansonsten hohe Investitionen zeichnet sind und tendenziell Diese Studie stützt die Aus-
durch ausländische Firmen aus durch Akquisitionen betreten gangsthese, wonach nicht ein
unterschiedlichen Branchen werden, um die kritische Mas- Bündel an Determinanten die
aufweisen. Demgegenüber se zu erreichen. Wahl der Markteintrittsstrate-
spielt zum Beispiel die geo- gie im Handel beeinflusst,
(über 70% der Markteintritte ten werden. Im ersten Fall in der Praxis jedoch teilweise
entfallen hierauf), während führt dies zu weiteren Konse- nur schwer durchführbar. Dem-
Tesco Akquisitionen (72%) quenzen. Demzufolge müssen zufolge wurden in dieser Studie
und Leclerc Franchising be- Manager sich fragen, ob sie einige wenige Faktoren identifi-
vorzugt (80%). Bei sieben vielversprechende Länder ziert, die nachhaltig zu einem
Unternehmen ist eine eindeu- anhand bestimmter Kriterien Überdenken der bisher präfe-
tige Präferenz nicht zu erken- selektieren oder ob sie Länder rierten Markteintrittsstrategie
nen: Carrefour, Casino, selektieren die am vielverspre- führen können. Die Marktat-
Delhaize Gruppe, Edeka, Re- chendsten im Hinblick auf ihre traktivität ist in der Regel vor
we, Tengelmann und Walmart. präferierte Markteintrittsstra- dem Markteintritt bekannt und
Damit wäre widerlegt, das die tegie sind. Haben Handelsun- kann so in Strategieselektion
Wahl der Markteintrittsstrate- ternehmen wohlmöglich Nach- einbezogen werden, während
gie simultan auf eine breite teile gegenüber Konkurrenten, z.B. kulturelle Unterschiede
Palette interner und externer die zuerst die attraktivsten häufig nicht so einfach ex-ante
Determinanten zurückzufüh- Märkte auswählen und erst identifiziert werden können.
ren ist, was vor allem eine dann die effizienteste Markt- Desweiteren hängt die Bedeu-
neue wissenschaftliche Er- eintrittsstrategie? Letztlich tung einer präferierten Markt-
kenntnis ist. sollte Managern bewusst sein, eintrittsstrategie von der interna-
dass die Wahl der Marktein- tionalen Erfahrung eines Han-
Des Weiteren lässt die Studie trittsstrategie langfristig ent- delsunternehmens ab. Zusam-
einige Implikationen für die scheidend den Erfolg in einem menfassend kann somit konsta-
Unternehmenspraxis zu. Zum betretenen Markt beeinflusst tiert werden, dass Handelsun-
einen sollte Expansionsmana- wie bisherige empirische Stu- ternehmen ein breites Verständ-
gern im Handel logischerweise dien nachgewiesen haben. nis über die wechselseitigen
die eigene präferierte Markt- Beziehungen zwischen den
eintrittsstrategie bewusst sein, Zum anderen kann geschluss- Herausforderungen der interna-
die einen effizienten Weg der folgert werden, dass Handelsun- tionalen Expansion „which
internationalen Expansion ternehmen den Einfluss und das market to select, how to enter,
darstellen kann. Fraglich ist Ausmaß des institutionellen and how to serve a market“
allerdings, ob auf dieser Basis Drucks der internen und exter- benötigen, um international
neue Märkte ausgewählt wer- nen Umwelt identifizieren und erfolgreich zu sein.
den oder ob neue Märkte auf- verstehen müssen, um diese
grund anderer Faktoren betre- strategisch zu managen. Dies ist
„Takeaways“
● Handelsunternehmen nutzen für ihre Auslandsexpansion überwiegend eine präferierte Markteintrittsstra-
tegie. Unter bestimmten externen, länderspezifischen Bedingungen weichen sie hiervon jedoch ab und
diese Determinanten sollten CEOs und Expansionsmanager frühzeitig kennen und managen!
● Zudem haben nicht alle der Top-30 Unternehmen eine präferierte Strategie, sondern einige nutzen das
gesammte Portfolio der Strategien für den Markteintritt. Hier ist zu fragen, ob diese Wettbewerbsvorteile
haben?
● Handelsmanagern sollte bewusst sein, dass die Markteintrittsstrategie wesentlich den Erfolg im Aus-
landsmarkt bestimmt. Für den Erfolg benötigen sie ein breites Verständnis der Interdependenzen zwischen
den Entscheidungen zu „which market to select, how to enter, and how to serve a market“.
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 10
Kundenkontakte im Multi-Channel-Marketing
Kundenkontakte im Kaufprozess Kunden kombinieren bei ihren für Preisvergleiche und Beratun-
und somit auch die „Steuerung“ Kaufprozessen die unterschiedli- gen genutzt.
der Kunden im Kaufprozess mög- chen Kontaktpunkte entsprechend
lich. Ein Anbieter kann somit ihrer jeweiligen Bedürfnisse (sie- Dies zeigt, dass sich die Vorteil-
proaktiv auf zukünftige Kunden- he Abbildung 1). Sie nutzen für haftigkeit eines weit gefächerten
bedürfnisse eingehen, was positi- jede Problemstellung, die sich in Multi-Channel-Systems nicht von
ve Effekte auf die Kundenzufrie- den unterschiedlichen Phasen des alleine bzw. nicht allein durch die
90
80
70
60
Laden
50
Verkaufspersonal
Servicepersonal
40
Anbieter‐Homepage
30 sonstige Internetseiten
20
10
0
Vorkaufphase Kaufphase Nachkaufphase
denheit, die Kundenloyalität so- Kaufprozesses ergibt, den am Quantität im Portfolio der ange-
wie das Vertrauen in den Anbie- besten geeigneten Kontaktpunkt. botenen Kontaktpunkte ergibt. Es
ter nach sich ziehen kann. Je mehr Kontaktpunkte ein Un- ist hingegen erforderlich, die
ternehmen also bietet, umso treff- Kontakte multifunktional auszu-
Erste empirische Untersuchungen genauer kann es die Bedürfnisse gestalten, weil die Kunden mit
zu Kundenkontakten, deren Funk- der Kunden erfüllen. Die Nutzung diesen Kontaktpunkten alternative
tionen und Bedeutung im Handel der Kontaktpunkte durch die Funktionen verbinden und sie
zeigen, dass solche Unternehmen Kunden variiert dabei im Rahmen somit multifunktional nutzen: Die
im Vorteil sind, die ihren Kunden des Kaufprozesses. Kunden beurteilen nämlich solche
eine Vielzahl von Kontaktpunk- Kontakte im Rahmen ihrer Kauf-
ten bieten. Beispiele für wichtige Naturgemäß sind die Fragestel- prozesse als besondere wichtig,
Kontaktpunkte von Händlern sind lungen, die im Rahmen der Vor- die sie in ihren Kaufprozessen
die Ladengeschäfte, die Unter- kaufphase und der Kaufphase häufig nutzen und die ihnen viel-
nehmens-Homepage, Call-Center, seitens der Kunden auftreten, am fältige Funktionen erfüllen. Es
Off- und Online-Vermittler (z.B. weitesten gefächert (siehe Abbil- besteht also ein Zusammenhang
ebay.de oder amazon.de). Weitere dung 2). Entsprechend erfüllen zwischen den dominierenden
Kontaktpunkte können Printkata- die Kontakte in der Vorkauf- und Kontaktfunktionen und der Be-
loge, Prospekte, Anzeigen und der Kaufphase die meisten unter- deutung eines Kundenkontakt-
Beilagen in Tageszeitungen, An- schiedlichen Funktionen. Neben punkts für die Kunden.
zeigenblättern und Zeitschriften der eigentlichen Transaktion wer-
sein und nicht zuletzt auch die den die Kontaktpunkte in diesem Die Bedeutung und Wirkung der
Servicemitarbeiter des Unterneh- Abschnitt des Kaufprozesses vor Kundenkontakte hängt dabei mit
mens. allem für den Erhalt gezielter und Alter und Geschlecht der Kunden
allgemeiner Informationen sowie zusammen: Je älter die Kunden
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 12
90
80
70
60
allgemeine Informationen
50
gezielte Informationen
Preisvergleiche
40
Hilfestellung & Beratung
30 Beschwerde
20
10
0
Vorkaufphase Kaufphase Nachkaufphase
sind, umso höher ist im Durch- funde positive Effekte der Anzahl sondern auch das Wissen um die
schnitt die Anzahl der gesuchten persönlicher Kundenkontakte auf Kontakte und deren Funktionen
Kundenkontakte und umso höher die Kundenloyalität. an weiteren Kontaktpunkten im
ist auch die Anzahl unterschiedli- Multi-Channel-Marketing.
cher Kontaktfunktionen. Ebenso Implikationen
zeigen sich Effekte des Ge- Darüber hinaus deuten die Ergeb-
schlechts. Frauen realisieren Die Befunde zeigen Unterschiede nisse auf vielfältige horizontale
demnach häufiger Kontakte mit hinsichtlich der Anzahl und der und vertikale Abhängigkeiten
der Anbieter-Werbung und mes- Anteilen an Kontakten mit unter- zwischen den einzelnen Kunden-
sen diesen Kontaktpunkten eine schiedlichen Kundenkontakt- kontakten, ihren Funktionen und
höhere Bedeutung bei als dies bei punkten entlang des Kaufprozes- Bedeutung entlang des Kaufpro-
Männern der Fall ist. Weiterhin ses. Die Ergebnisse liefern eben- zesses hin, was eine sequenzana-
zeigen sich Effekte der bisherigen falls Hinweise auf Unterschiede lytische Auseinandersetzung mit
Erfahrungen mit dem Anbieter hinsichtlich der Funktionen und dem Käuferverhalten im Multi-
auf die Realisation von Kunden- Bedeutung der Kundenkontakte. Channel-Marketing nahelegt (z.B.
kontakten. Je häufiger ein Kunde Die zukünftige Forschung im Markov Modelle, Assoziations-
beim Anbieter bereits gekauft hat, Multi-Channel-Marketing muss analysen). Derartige Analysen
umso weniger Kontakte sucht er diese Unterschiede berücksichti- ermöglichen wichtige Erkenntnis-
bei nachfolgenden Kaufprozes- gen, um zu einem tiefgreifenden se über die Dynamik des Kun-
sen. Verständnis des Käuferverhaltens denverhaltens im Zeitablauf so-
in Mehrkanalsystemen der Han- wie über potenziell vorhandene
Interessant ist weiterhin, dass eine dels- und Dienstleistungsbranche Synergien zwischen den Kanälen
steigende Anzahl an Kontakten zu gelangen. Weiterhin leisten die im Multi-Channel-Marketing.
die Kundenzufriedenheit negativ Ergebnisse einen erheblichen Weiterhin ermöglichen solche
beeinflusst, insbesondere in der Beitrag zur Steigerung der Kun- Ansätze eine verhaltensbezogene
Nachkaufphase. Dies hat wichtige denkenntnis beim Anbieter. Es Kundensegmentierung basierend
Auswirkungen auf die Nachkauf- zeigt sich, dass nicht nur die per- auf der Abfolge der Kundenkon-
betreuung von Kunden, da sich sönlichen Kontakte mit dem Ver- takte – der Kundenkontaktse-
die Frage stellt, in welcher Art kaufs- und Servicepersonal für quenz – entlang des Kaufprozes-
und Weise hier ein Relationship- den Aufbau einer umfassenden ses.
Management aufgebaut werden Kundenkenntnis relevant sind,
kann. Weiterhin zeigen die Be-
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 13
Andrea Schlüter
KAM ist ein Ansatz der Kundenpriorisierung der – wie Studien zeigen – zur höheren durchschnitt-
lichen Kundenprofitabilität und zu höheren ROIs führt. Diese Studie fokussiert auf das internationa-
le KAM (IKAM), das bezüglich der Koordinationsanforderungen über das nationale KAM hinaus-
geht und komplex wird, wenn beide – Kunde und Lieferant – globale Unternehmen sind. Nur sechs
empirische Studien adressieren bisher die Organisation des IKAM, keine die Spezifika der Kon-
sumgüterdistribution, in der u.a. ein Endkundenmarketing vom Trademarketing abzugrenzen ist.
Aktivitäten Handelskunde
Zentralisierung
Beschaffung
Gestaltung IKAM-Strategie
Standardisierung
Marktbearbeitung
Intensität
Integration
Prozesse Proaktivität
Grad der IKAM-Erfolg
Internationalisierung Standardisierung
Effizienz
Aktivitäten Hersteller Gestaltung IKAM-Struktur Effektivität
Abhängigkeit vom
Händler Zentralisierung
Standardisierung
Marktbearbeitung Formalisierung
Kundenorientierung Spezialisierung
Grad der
Internationalisierung
Mittelwert
(Skala 1-5)
Der Kunde hat Interesse an Gesamt (N=172) 12.8 25.6 61.6 3,6
einer Zusammenarbeit über Top 15% (N=26) 16.9 15.4 67.7 4,3
Preise/ Konditionen hinaus.
Discounter (N=22) 22.7 22.7 54.5 3,4
Mittelwert
(Skala 1-5)
Spezialisierung Spezialisierung
Die Formalisierung
betrifft die interne Ko- IKAM-Struktur IKAM-Struktur
ordination, ist aber auch
kundengerichtet, da hier
Ansprechpartner und Abbildung 4: Erfolgsfaktoren
Verantwortlichkeiten
definiert werden. Vor allem die Profitabilität und Marktanteil schen Gestaltungselementen
formalen Kommunikationswege beim Kunden) und Effizienz (Op- determiniert. Die Zentralisie-
werden vorgegeben, weniger die timierung der Kundenbeziehun- rung ist erneut der Haupter-
Richtlinien zur Zusammenarbeit gen) unterteilt werden. Dies ist folgsfaktor neben der Proakti-
mit Handelskunden. Die Top 15% sinnvoll, da Konsumgüterunter- vität und der Standardisie-
investieren deutlich mehr in die nehmen Effektivität und/oder rung.
Entwicklung der Richtlinien der Effizienz in der Kundenbezie-
Kommunikation gegenüber Han- hung unterschiedlich gewichten Diese Erfolgsfaktoren dürften mit
delskunden. können. Folgende Erfolgsdeter- zunehmender Handelsinternatio-
minanten liegen vor (siehe Abbil- nalisierung an Bedeutung gewin-
Effektivität und Effizienz dung 3): nen. Sie variieren zudem situativ,
im Vergleich kleinerer vs. großer
Fast 40% des IKAM-Erfolges ● IKAM-Effektivität hängt do- Hersteller, deutscher vs. globaler
sind auf die IKAM-Organisation minant von strukturellen Ge- Hersteller etc. Folgerichtig sind
zurückzuführen. Hierbei dominie- staltungselementen ab. Die sie in der Praxis unternehmensin-
ren die strukturellen Gestaltungs- Zentralisierung der IKAM- dividuell zu bewerten und in
elemente und vor allem die Zent- Aktivitäten ist der Hauptfak- Kombination auszuwählen, denn
ralisierung der IKAM-Aktivi- tor für eine effektive Koordi- Strategie und Struktur sind aufei-
täten. Sie erklären den IKAM- nation internationaler Han- nander abzustimmen. Dies ist
Erfolg doppelt so stark wie die delskunden. Relevant sind aber ein anderer Zugang zu die-
Strategie (vgl. Abbildung 4). ferner Formalisierung und sem Thema.
Spezialisierung.
Der IKAM Erfolg kann in Effek- ● IKAM-Effizienz wird von
tivität (Maximierung von Umsatz, strukturellen und strategi-
„Takeaways“
● Der Handel internationalisiert dynamisch, aber nicht alle internationalen Handelsunternehmen sind für
Kooperationen offen und nicht alle Hersteller haben ein erfolgreiches Internationales Key Account
Management (IKAM); letztere verzichten nachweisbar auf Zusatzgewinne!
● Die internationale Beschaffungsorganisation und die Verhandlungsposition der Handelsunternehmen
bestimmen dominant die Gestaltung der IKAM-Organisation der Konsumgüterindustrie!
● Die IKAM-Organisation bestimmt den Erfolg des KAM, wobei die Struktur doppelt so bedeutend ist
wie die Strategie, jedoch Strukturen schwerer anzupassen sind als Strategien!
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 17
Dirk Morschett
Weltweit wächst der Online-Handel stetig und schnell an. Für Deutschland prognostiziert der HDE
für dieses Jahr einen Internetumsatz von 23,7 Mrd. EUR und für 2011 von 26,1 Mrd. EUR. In der-
artig dynamischen Bereichen entstehen Innovationen. Im Online-Handel hat sich in den letzten Jah-
ren eine Reihe von spezifischen Betriebstypen entwickelt, die in diesem Beitrag skizziert werden.
Ein schon seit vielen Jahren Shops ist ModCloth.com, ein Sortimentsorientierte
erfolgreiches Beispiel ist Nike, Händler für Damenbekleidung. OnlineShops
die online über NikeID dem Mit “Be the Buyer” werden
Kunden ermöglichen, Produkte zu potenzielle Designs vorgestellt Die Gruppe der sortiments-
designen und diese dann direkt zu und die Online-Besucher können orientierten Online-Shops umfasst
kaufen. Zazzle, ein Erfolgs- abstimmen. Bei genügend Händler, bei denen der Kunde
beispiel aus den USA, bietet Stimmen wird das Design bestimmte Produkte sucht, deren
individualisierte Geschenkartikel, produziert und innerhalb einiger Warenkompetenz für ihn von zen-
T-Shirts und weitere Produkte an. Wochen nach dem Voting ist es traler Bedeutung ist, die für
Auch Lebensmittel werden im Online-Shop verfügbar. Das bestimmte Sortimente stehen oder
mittlerweile customized, wie die bringt den Community-Gedanken eben für eine sehr breite
erfolgreichen Beispiele my m+m in sehr interessanter Weise nach Produktauswahl.
in den USA und mymuesli in vorne. Die Community wird zum
Deutschland belegen. “Co-Producer” und dies bringt Dies sind z.B. die Spezial-
nicht nur einen sehr guten Sensor geschäfte bzw. Nischenanbieter.
Obwohl Online-Shops, die sich in den Markt, sondern auch eine Ein recht bekanntes Beispiel ist
auf Customizing spezialisieren, starke Bindung der Kunden. diapers.com, ein Baby-
vermutlich auch dauerhaft Windelversand aus den USA, der
Nischen bleiben werden, können 2004 gegründet wurde und 2010
sie sich künftig sicherlich noch in etwa 300 Mio. USD mit Windeln
weitere Bereiche ausdehnen.
Communitybasierte
OnlineShops Sortimentsorientierte
Shops
Alle Studien zum Thema Online-
Kommunikation zeigen klar, dass
für die Internet-Nutzer die Glaub-
würdigkeit anderer User erheblich Spezialgeschäfte/
höher ist als ihr Vertrauen in Nischenanbieter
klassische Werbebotschaften.
Innovative Preisformate eine Gebühr zahlen, aber im sich dieses Konzept schnell aus-
Gegenzug noch extremere gebreitet. Der deutsche Markt-
In den letzten 2-3 Jahren Preisreduktionen geboten führer Brands4Friends wird 2010
entstanden zahlreiche neue bekommen. Hier kommt ein ca. 150 Mio. EUR Umsatz er-
Betriebstypen, die auf unter- starkes Entertainment-Element zielen. BuyVIP, ein spanisches
schiedliche Art das Thema Preis zur Auktion hinzu. Unternehmen, wurde im Oktober
in den Vordergrund rücken. 2010 Amazon akquiriert, was
Natürlich will der Kunde auch Online-Shopping-Clubs sind ein belegt, dass auch die großen
dort ein Produkt kaufen, aber der neueres Preisformat. Hier werden Player in diesem Geschäftsmodell
USP dieser Formate liegt auf registrierten Mitgliedern noch eine spannende Entwicklung
einer besonderen Art, ein hochwertige Markenartikel mit sehen.
Schnäppchen zu machen oder auf Preisreduktionen von bis zu 70%
einem besonderen Preismecha- angeboten, in Kooperation mit Beim Liveshopping bietet ein
nismus, nicht so sehr auf dem den Herstellern, bei denen die Online-Shop seinen Kunden für
Produkt oder der Warengruppe. Shopping-Clubs die Ware erst kurze Zeit extreme Rabatte auf
nach Abschluss der Kampagne einen einzelnen oder wenige
Brands4Friends 130.0
(+3,8%)
Pauldirekt 13.5
sonstige 20.0
Und auch diese Gruppe von einkaufen. Durch die geschlos- Artikel an (oft nach dem Motto
Online-Betriebstypen hat sich in senen Clubs tauchen die ent- „One Day – One Deal“). Woot ist
den letzten Jahren weiter aus- sprechenden Preise nicht in den der Prototyp dieses Geschäfts-
differenziert. So gibt es die fast Preissuchmaschinen auf, sodass modells, das international
schon traditionellen Auktions- die Herstellermarken ohne hundertfach kopiert wurde. 2010
seiten wie Ebay. Es gibt aber größere Imageprobleme derartige wurde Woot von Amazon
auch modernere Formen der Aktionen unterstützen können. übernommen, agiert aber
Auktion, wie Swoopo, bei denen Vor ca. vier Jahren von Vente weiterhin autonom.
Konsumenten für jedes Gebot Privée in Frankreich erfunden, hat
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 21
Ein weiterer Typ der Preisformate So gibt es etwa – als Unterseite ist), das ist derzeit noch nicht
hat sich mit den Anbietern von der Homepage – ein Best Buy abzusehen.
Gruppenrabatten herausgebildet. Outlet Center und ein Sears
Bei Groupon aus den USA, dem Outlet. Fazit und Ausblick
weltgrößten Anbieter, werden
hohe Rabatte angeboten, die Daneben werden sich sicherlich Online-Handel ist nach ca. 15
jedoch nur dann gewährt werden, weitere Angebotsformen Jahren eine reife, wenn auch noch
wenn eine vorher definierte entwickeln und finden sich heute sehr dynamische Branche mit
Anzahl von Personen kauft. auch schon vereinzelt. Ein einem hohen Umsatzvolumen.
Während des Zeitraums der Beispiel sind Online-Discounter,
Aktion ist ständig eingeblendet, die wie Lidl.de günstige Non- Die genannten 5 Gruppen von
wie viele Käufer es bereits gibt food-Produkte offerieren. Ein Betriebstypen haben sich
und wie viele es noch braucht, weiteres Beispiel sind Ebay’s 5- mittlerweile herauskristallisiert
bevor das Geschäft für alle Dollar-Deals. Diese imitieren das und die meisten der neu ent-
zustande kommt. Konzept der Dollar-Stores, die im stehenden Formen wird man hier
stationären Handel in den USA einordnen können. Trotzdem ist
Ein weiter interessanter Typ sind sehr erfolgreich wachsen, indem zu erwarten, dass nicht nur inner-
die Outlet-Stores, die Restanten, alle angebotenen Produkte für halb der erwähnten Typen neue
umgetauschte oder ausgelistete genau 5 USD verkauft werden. Online-Shops entstehen, sondern
Ware verkaufen. Overstock.com innovative Unternehmer auch
gehört zu den größten Online- Welche dieser Preisformate sich völlig neue Kategorien erfinden
Shops der USA und auch zu den dauerhaft durchsetzen können, werden.
beliebtesten Online-Brands. Als welche wieder verschwinden,
interessante Entwicklung zeigt welche Akteure innerhalb jeder
sich in den letzten Monaten, dass dieser Formen sich durchsetzen Auszüge dieser Studie wurden auf dem
Händler selbst – stationäre oder können (nach einer Konsoli- 2. Europäischen Online-Handels-
Pure Player – auch mit einem dierungswelle, die zu erwarten kongress am 27. Oktober 2010 in Berlin
Outlet Store am Markt auftreten. präsentiert.
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 22
Der chinesische Online-Handel Mittlerweile fördert die chinesi- gewohnte Reihenfolge: Beklei-
ist im vergangenen Jahr mit einer sche Regierung auch den Inter- dung, Bücher, CDs und DVDs,
Steigerung von knapp 90% auf netzugang in den ländlichen Ge- Kosmetik und Elektronik stellen
24 Mrd. EUR (238.8 Mrd. RMB) bieten. Das Land investiert heftig die wichtigsten Kategorien im
angewachsen. Damit überholt er in den Ausbau der Telekommuni- Online-Handel dar.
erstmals das deutsche Marktvo- kationsinfrastruktur, um so die
lumen. In den nächsten drei Jah- Stadt-Land-Kluft zu verringern. Online-Shopping in China ist im
ren wird mit einer Verdreifachung Insgesamt führen diese Bemü- Wesentlichen eine Domäne der
dieses Wertes gerechnet. hungen dazu, dass allein der jähr- jungen, gebildeten Bevölkerungs-
liche Zuwachs an Internetnutzern schichten mit relativ hohem Ein-
Chinas rapides ökonomisches in China der gesamten Bevölke- kommen. Über 50% der Online-
Wachstum in den letzten beiden rung Deutschlands entspricht Käufer haben einen Bachelor-
Dekaden hat zu einem deutlich (siehe Abbildung 1). Titel; 70% sind höchstens 30
erhöhten verfügba- Jahre alt. Mehr als die Hälfte
ren Einkommen Jeder vierte davon sind Frauen (54,4%). Geo-
Allein der jährliche
vieler Haushalte Online-Nutzer grafisch ist der Online-Handel
geführt. Damit ein- Zuwachs an (24,8%) kauft auch noch stark konzentriert: Rund ein
her gingen erhöhte Internetnutzern in online ein. Bis Drittel des gesamten Online-
Ausgaben für mo- China entspricht Mitte 2009 war die Umsatzes wurde 2008 in den drei
derne Technologie – der gesamten Zahl der Internet- Metropolen Shanghai, Peking und
nicht zuletzt das Bevölkerung nutzer, die in den Guangzhou realisiert. Allerdings
Internet. Mit 338 Deutschlands. vergangenen sechs haben gerade die 15 sogenannten
Millionen Internet- Monaten auch „zweitrangigen“ Städte, zu denen
nutzern (25,5% der Bevölkerung) online gekauft hatten, bereits auf viele Provinzhauptstädte gehören,
stellt das bevölkerungsreichste 88 Mio. angestiegen war. Bezüg- die besten Wachstumschancen.
Land der Erde auch die meisten lich der gekauften Produktgrup-
Online-Nutzer. pen findet sich auch in China die 51,1% der Online-Shopper haben
ein monatliches Gehalt von mehr
als 2,000 RMB (200 EUR). Dies
Autoren
sind doppelt so viele wie bei den
Internetnutzern allgemein – ein
Hsiang-Ting Lee ist Studentin im MA in European Business an der Univer-
klares Zeichen der Relevanz des
sität Fribourg/Schweiz. verfügbaren Einkommens für die
Möglichkeit zum Online-Kauf.
Univ.-Professor Dr. Dirk Morschett ist Inhaber des Lehrstuhls für Interna-
Die jährlichen Online-Ausgaben
tionales Management – Liebherr/Richemont Endowed Chair der Universität
lagen 2008 im Durchschnitt bei
Fribourg/Schweiz.
1,600 RMB (160 EUR) pro Per-
son, 57% höher als 2007.
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 23
Taobao ist Marktführer nen Handel akzeptiert man andere durch Reputation und die Mei-
Händler auf seiner Webseite und nungen der Online-Community
Der Online-Handel Chinas wird entwickelt sich so zum Online- überprüft wird. Ebenso sind
von Taobao.com dominiert, einer Shopping-Center. Preisvergleiche schnell und ein-
C2C-Plattform, die sich an das fach möglich, sodass chinesische
Geschäftsmodell von eBay an- Zusammen realisieren diese vier Kunden, gerade wegen des ver-
lehnt. C2C stellt mit rund 93% Player mehr als 50% des chinesi- gleichsweise niedrigen Einkom-
des Umsatzes noch die wichtigste schen B2C-Umsatzes, wobei sie mens, noch wesentlich stärker als
Form des Online-Handels in Chi- durch ihre Plattformstrategien in westlichen Ländern auf die
na dar. Über Taobao.com werden zugleich interessante Kooperati- Preiswürdigkeit des Händlers
rund 170 Mrd. RMB (17 Mrd. onspartner für westliche Unter- achten.
EUR) Transaktionsvolumen gene- nehmen darstellen. In der derzei-
riert. tigen extremen Wachstumsphase Chancen für europäische
kämpfen alle Marktteilnehmer Unternehmen
Allerdings wird der B2C-Handel darum, ihre hohen Marktanteile
immer wichtiger und er wird mit- zu zementieren. Marketinginitia- Durch die niedrigen Marktein-
telfristig ca. 40% des Gesamtum- tiven der einzelnen Online- trittsbarrieren und die im chinesi-
satzes einnehmen. 2009 erreichte Plattformen (wie Preisnachlässe schen Online-Markt häufig zu
er rund 32 Mrd. RMB (3,2 Mrd. oder kostenloser Versand) werden findende undifferenzierte Mas-
EUR) und er soll bis 2012 auf ca. darum schnell von den anderen senware können ausländische
292 Mrd. RMB (29 Mrd. EUR) kopiert. Unternehmen (Händler oder Her-
anwachsen. Auch in diesem Be- steller) mit qualitativ hochwerti-
reich ist Taobao.com, hier als Kaufgründe im chinesi gen und differenzierten Produkten
Plattform für Online-Händler, schen Markt und bekannten Marken recht ein-
Marktführer. Über Taobao ver- fach mit chinesischen Anbietern
kaufen rund 10.000 registrierte Die wichtigsten Einflussfaktoren konkurrieren. Dabei ist zu raten,
Händler. Der größte Spezialist im auf den Online-Kauf sind in Chi- sich zunächst auf die großen Küs-
B2C-Markt, der selbst handelt, ist na ähnlich wie in anderen Län- tenstädte und auf die bereits be-
360buy.com, ein Home- dern: Die Reputation des Anbie- stehenden Online-Shopper (also
Electronics-Händler. Zwei weite- ters, der Service, Kommentare Angestellte mit relativ hohem
re wichtige Player sind Amazon- anderer Nutzer, der Preis und die Einkommen) zu konzentrieren,
Joyo und Dangdang.com, das Lieferqualität werden als Ent- die für westliche Produkte emp-
„chinesische Amazon“. Beide scheidungskriterien am häufigsten fänglicher sind.
verfolgen eine Strategie, die genannt. Wie in anderen Ländern
Amazon auch in Europa und den wird also auf die Vertrauenswür- Der Mangel an Marktkenntnissen
USA vormacht: Neben dem eige- digkeit des Händlers geachtet, die kann durch Kooperationen mit
(Mio.)
400
350 338
298
300
250
210
200
150 137
111
94
100 79,5
59,1
50 22,5 33,7
0
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Jun 09
etablierten Partnern kompensiert ist auch für ausländische Unter- Paketdienst der chinesischen Post,
werden. nehmen einfach zu realisieren. eine sehr gute Abdeckung.
Lokale Online-Zahlungssysteme
Um im chinesischen Online-
Handel erfolgreich zu sein, muss
ein Anbieter ein auf die lokale
Kultur angepasstes Marketing
betreiben, um seine Marken zu
penetrieren. Angemessene Quali-
tät, westliche Marken, aber zu
möglichst niedrigen Preisen, sind
wichtige Wettbewerbsfaktoren.
Zugleich ist der chinesische
Markt äußerst dynamisch. Schnel-
le Reaktionen auf Kundenwün-
sche, insbesondere in der Auslie-
ferung, ist ein Muss, aber auch
schnelle Produkteinführungen
und Dynamik im Sortiment sind
notwendig. Kundenservice per
Real-Time-Chat wird in China
von vielen angeboten und dies ist
Abbildung 2: Wichtigste Player im Online-Handel Chinas notwendig, um bequemen und
schnellen Support zu bieten.
Die Geschäftsmodelle von sind mit Abstand die häufigste
Taobao, Dangdang und Amazon Zahlungsmethode im chinesi- Daneben gelten auch im chinesi-
machen es einfach, die hohe schen Online-Handel; fast 50% schen Markt die bekannten Er-
Kundenfrequenz dieser Websei- davon laufen über AliPay, das folgskriterien: an die lokalen
ten für den eigenen Handel zu zum gleichen Konzern wie Verhältnisse angepasstes Marke-
nutzen. Der Handel in China er- Taobao.com gehört. Die Nutzung ting, flexible und schnelle Reak-
fordert jedoch eine lokale Reprä- des Marktführers bietet sich gera- tionen auf Kundenwünsche und
sentanz oder lokale Partner, die de für ausländische Händler an. innovatives Wettbewerbsverhal-
auch die Zollabwicklung und die ten sind notwendige Vorausset-
lokale Finanzabwicklung über- Für die Auslieferung kann man zungen, um ein Stück vom größ-
nehmen. Selbstverständlich müs- neben vielen lokalen Anbietern ten Online-Markt der Welt er-
sen Importregelungen vorab ge- auch auf die bekannten, aber auch obern zu können.
prüft werden; diese stellen jedoch teureren Versender DHL oder
in der Regel kein größeres Prob- FedEx zurückgreifen. In ländli-
lem dar. Die Zahlungsabwicklung chen Gegenden hat EMS, der
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 25
Peter Domma
Neue Anwendungen und Technologien im Internet, wie bspw. virtuelle Communities, markieren
einen wesentlichen Wendepunkt im Nutzungsverhalten des Internet durch die Konsumenten. Auf
Grund dieser tief greifenden Veränderungen ergibt sich für Handelsunternehmen die gewichtige
Frage, in welcher Art und Weise das Web 2.0 den Online-Handel verändern wird und welche Hand-
lungsfelder und Profilierungspotenziale sich dadurch ergeben.
Empirische Relevanz der Commerce ist dabei von außer- Beantwortung folgender for-
Thematik gewöhnlich hoher Wichtigkeit: schungsleitender Fragestellungen
Das Entstehen neuartiger Nut- ab:
Während noch in der jüngeren zungsmuster und Anwendungen
Vergangenheit über die Bedeut- im Internet, die üblicherweise mit ● In welcher Art und Weise
samkeit des Internet für den Han- dem Begriff „Web 2.0“ um- wirkt sich die Integration von
del diskutiert wurde, ist dessen schrieben werden. Neue Anwen- Web 2.0-Instrumenten in ei-
hohe strategische Relevanz so- dungen und Technologien im nen Online-Shop auf das Ver-
wohl in der Unternehmenspraxis Internet, wie bspw. Blogs, virtuel- halten der Konsumenten aus?
als auch in der Handelsforschung le Communities oder sog. soziale ● Wie sind die entsprechenden
inzwischen unumstritten. Die Netzwerke, markieren einen we- Web 2.0-Instrumente bei ei-
schnelle und umfassende Diffusi- sentlichen Wendepunkt im Nut- ner Implementierung durch
on des Internet und dessen Ak- zungsverhalten des Internet durch Online-Händler auszugestal-
zeptanz in der Gesellschaft haben die Konsumenten. Auf Grund ten, um eine möglichst positi-
dazu geführt, dass neben dem dieser tief greifenden Verände- ve Wirkungsweise auf die
Entstehen und schnellen Wachsen rungen des Informations-, Nut- Wahrnehmung der Konsu-
sog. „Pure Player“ im Online- zungs- und Kaufverhaltens der menten zu erreichen?
Handel auch für viele der etab- Konsumenten ergibt sich für
Handelsunternehmen die gewich- Der vorliegende Beitrag be-
lierten stationären Händler die
tige Frage, in welcher Art und schränkt sich auf die Darstellung
Nutzung des Internet als Distribu-
Weise das Web 2.0 den Online- eines Teilbereichs der Untersu-
tionskanal im Rahmen von Multi-
Handel verändern wird und wel- chungsphase 1 der empirischen
Channel-Systemen massiv an
che Handlungsfelder und Profilie- Studie, so der experimentellen
Bedeutung gewonnen hat (vgl.
rungspotenziale sich dadurch Untersuchung der Wirkung der
Zentes 2006, S. 10f.).
ergeben. Die hier auszugsweise Integration und Ausgestaltung
Eine aktuelle Veränderung der dargestellte Forschungsarbeit zielt von virtuellen Communities als
Rahmenbedingungen im E- daher im Wesentlichen auf die Ausprägungsform des Web 2.0 in
einen Online-Shop.
gewinnen, welche Faktoren in Als Untersuchungsinstrument des Forums auch ein Eintrag des
welcher Art und Weise einen diente ein eigens erstellter Onli- Händlers selbst. In den Gruppen,
Einfluss auf die Wahrnehmung ne-Shop, in dem die Respon- die einen moderaten Einfluss des
der Konsumenten haben: (1) die denten per Internet eine gestellte Händlers wahrnehmen sollten,
Einflussnahme des Händlers auf Experimentalaufgabe absolvier- wurde in 50 Prozent der Threads
die virtuelle Community, (2) die ten. Im Anschluss wurden diese auch ein Beitrag des Händlers
Qualität der virtuellen Communi- zu einem standardisierten Online- integriert, während die Faktor-
ty und (3) der Grad der Soziabili- Fragebogen weitergeleitet, der die stufe „keine Einflussnahme“
tät der virtuellen Community. abhängigen Variablen und die durch ein vollständiges Fehlen
nötigen Manipulation Checks für von Beiträgen des Händlers ope-
Als abhängige Variablen wurden die jeweiligen Experimentalsti- rationalisiert wurde.
sechs Wahrnehmungsdimensio- muli erfasste. Im Untersuchungs-
nen gewählt, die die Beurteilung zeitraum von September bis Ok- Die Operationalisierung der
des Online-Shops durch die Kon- tober 2009 konnte für das Expe- Qualität der virtuellen Communi-
sumenten in Abhängigkeit von riment insgesamt ein Datensatz ty erfolgte durch die Veränderung
der Gestaltung der virtuellen von n=477 gewonnen werden. des Umfangs und der Aktualität
Community erfassen: Die wahr- Zur Manipulation der Einfluss- der bereitgestellten Inhalte. Da
Treatments
Gruppen-Nr. Faktor 1: Faktor 2: Faktor 3:
Einflussnahme Qualität der VC Soziabilität der VC
1 keine gering niedrig
genommene Einfachheit der Nut- nahme des Händlers wurde eine der Faktor mit zwei Abstufungen
zung und die wahrgenommene unterschiedliche Ausgestaltung untersucht wurde, wurde für die
Nützlichkeit des Online-Shops als des in der virtuellen Community betreffenden Gruppen grundsätz-
funktionale Qualitätskriterien, das vorhandenen Diskussionsforums lich zwischen zwei Gestaltungen
wahrgenommene Risiko beim vorgenommen, in dem eine Dis- der virtuellen Community unter-
Kauf sowie das wahrgenommene kussion verschiedener Produkte schieden: Respondenten, die einer
Vergnügen, die wahrgenommene durch die Kunden des Online- Gruppe zugewiesen wurden, in
soziale Präsenz und die wahrge- Shops gezeigt wurde. In den der eine hohe Qualität der virtuel-
nommene Interaktivität des Onli- Gruppen, in der eine hohe Ein- len Community wahrgenommen
ne-Angebotes. flussnahme des Händlers auf die werden sollte, fanden ein Diskus-
virtuelle Community simuliert sionsforum mit mehr als 100 Bei-
wurde, fand sich in jedem Thread trägen vor (Umfang), wobei kei-
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 27
ner der Einträge in dem Diskussi- ßend auf Konsistenz hinsichtlich ses Web 2.0-Instrumentes, insbe-
onsforum zum Zeitpunkt der Un- Alter, Geschlecht etc. geprüft. sondere auf Grund seiner relati-
tersuchung älter als einen Abbildung 2 zeigt Ausschnitte ven Neuartigkeit, ein hohes Diffe-
Monatwar (Aktualität). dieses Teilbereichs der virtuellen renzierungspotenzial birgt. Für
Respondenten in den Gruppen mit Community. alle gewählten Beurteilungskrite-
einer geringen Qualität der virtu- rien der Konsumenten gilt, dass
ellen Community besuchten ein Ausgewählte Ergebnisse diese von denjenigen Konsumen-
Diskussionsforum, in dem nur ten, die die virtuelle Community
zehn Einträge vorhanden waren, Auf alle im Rahmen der empiri- besucht haben, besser bewertet
die zudem ausnahmslos vor mehr schen Untersuchung ermittelten wurden, als von denjenigen, die
als neun Monaten verfasst worden Wirkungsbeziehungen und die die Community nicht besucht
waren. Art der gewählten Analysen so- haben.
wie Implikationen für die Unter-
Zur Operationalisierung des letz- nehmenspraxis kann im Rahmen In einem ersten Detaillierungs-
ten Faktors des Experimentes, der des vorliegenden Beitrags nicht schritt lassen sich für die konkrete
Soziabilität der virtuellen Com- eingegangen werden. Vielmehr Umsetzung der Integration einer
munity, wurde in Anlehnung an sollen einige wesentliche Ergeb- virtuellen Community durch ei-
eine Studie von Zhang/Hiltz nisse aus einer praxisorientierten nen Online-Händler insbesondere
(2003, S. 411) die Integration Sichtweise heraus überblicksartig Empfehlungen zur Steuerung der
eines Teilbereichs in die virtuelle dargestellt werden. Inhalte einer virtuellen Communi-
Community vorgenommen, in ty ableiten. Dabei kann Online-
dem sich die Mitglieder der virtu- Die Prüfung der Basisannahme Händlern grundsätzlich empfoh-
ellem Community mit Profilfotos, für den konkreten Untersu- len werden, nur in einem be-
Angaben zu ihrer Person und chungsgegenstand der virtuellen schränkten Maße selbst innerhalb
einem persönlichen Gästebuch Community, dass Kunden, die der Community in Erscheinung
vorstellen. Alle Inhalte der Profile einen solchen Bereich eines Onli- zu treten, sodass die Kunden die
wurden aus existierenden sozialen ne-Shops besuchen, diesen positi- Unabhängigkeit der dort bereitge-
Netzwerken im Internet zufällig ver bewerten, konnte bestätigt stellten Informationen als glaub-
zusammengestellt und anschlie- werden, sodass die Nutzung die- haft annehmen. Darüber hinaus
Abbildung 2: Ausschnitte der virtuellen Community mit einem hohen Grad der Soziabilität
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 28
zeigten die Ergebnisse, dass für Unter Beachtung der Bedeu- Die aufgezeigten Ergebnisse ma-
zentrale Prädispositionen des tungszunahme sozialer Netzwerke chen deutlich, dass der oftmals in
Kauf- und Nutzungsverhaltens, im Nutzungsumfeld der Konsu- der Handelspraxis proklamierte
wie die wahrgenommene Ein- menten bietet die Forschungsar- und intuitiv vermutete Nutzen der
fachheit der Nutzung, die wahr- beit erste Erklärungsansätze zur Integration von Web 2.0-
genommene Interaktivität und das Wirkungsweise der Integration Instrumenten in Online-Shops
wahrgenommene Risiko, in Ab- solcher Teilbereiche einer virtuel- empirisch belegt werden kann.
hängigkeit von dem Grad der len Community in einen Online- Gleichermaßen ist aber auf Grund
Einflussnahme des Händlers ein Shop. Die Ergebnisse zeigten, des derzeitigen Erkenntnisstandes
(umgekehrt) u-förmiger Verlauf dass die Nutzung solcher Formen der beteiligten wissenschaftlichen
vorliegt. Somit ist als Handlungs- virtueller Communities einen Disziplinen festzuhalten, dass
empfehlung hinsichtlich der Ein- positiven Ausstrahlungseffekt auf eine umfassende Untersuchung
flussnahme abzuleiten, dass ein die Gesamtbeurteilung des betref- des Phänomens „Web 2.0“ und
Online-Händler zwar ein gewis- fenden Online-Shops hat. Hierbei seiner Einsatzpotenziale im
ses Maß an Beteiligung in der bieten sich für Online-Händler, E-Commerce, die sowohl von
virtuellen Community zeigen v.a. mit Blick auf die Inszenie- hoher wissenschaftlicher und im
sollte, jedoch stets kritisch zu rung erlebnisorientierter Shops, besonderen Maße auch von hoher
prüfen ist, ab welchem Ausmaß weit reichende Möglichkeiten, praktischer Relevanz ist, weiter
die Kunden die Einflussnahme als das Vergnügen bei der Nutzung aussteht.
störend empfinden und somit die zu erhöhen und insbesondere
positiven Effekte der virtuellen auch ein soziales Erlebnis zu Literatur
Community abnehmen. schaffen. Des Weiteren konnte
die Untersuchung zeigen, dass die Farquhar, J.; Rowley, J. (2006):
Die Qualität der virtuellen Com- Bereitstellung solcher sozialer Relationships and online con-
munity, definiert als der Umfang Räume in einem Online-Shop sumer communities, in: Business
und die Aktualität der Inhalte, auch ein geeignetes Instrument Process Management Journal,
stellt, wie bereits durch For- zur Reduktion des durch die Kon- 12. Jg., Nr. 2, S. 162-177.
schungsarbeiten zu den sumenten empfundenen Risikos
Erfolgfaktoren virtueller Com- beim Kauf in diesem Online-Shop Leimeister, J. M.; Sidiras, P.;
munities im Allgemeinen identi- darstellt. Darüber hinaus verdeut- Krcmar, H. (2006): Exploring
fiziert (vgl. Farquhar/Rowley lichten die Ergebnisse, dass die Success Factors of Virtual Com-
2006; Leimeister/Sidiras/Krcmar Risikowahrnehmung der Konsu- munities, in: Journal of Organiza-
2006), auch bei einem Einsatz im menten bei der Integration einer tional Computing & Electronic
E-Commerce-Kontext einen we- virtuellen Community hoher So- Commerce, 16. Jg., Nr. 3/4,
sentlichen Erfolgsfaktor dar. Das ziabilität und einer starken Ein- S. 279-300.
Experiment zeigte, dass die posi- flussnahme nahezu gleich ist wie
tive Wirkungsweise der Integrati- bei einer moderaten Einflussnah- Zentes, J. (2006): Dynamik des
on einer virtuellen Community me. Somit bieten sich in diesem Handels, in: Zentes, J. (Hrsg.):
stark davon abhängig, ob die Zusammenhang für den Händler Handbuch Handel, Wiesbaden,
Kunden diese als lebendige, akti- Möglichkeiten, eine stärke Steue- S. 3-22.
ve Gemeinschaft erleben. Somit rung der Inhalte einer virtuellen
ist bei einer Implementierung in Community hoher Soziabilität, Zhang, Y.; Hiltz, S. R. (2003):
der Praxis darauf zu achten, durch bspw. auch eine stärkere Werbe- Factors That Influence Online
geeignete Anreizsysteme aktivität oder Beeinflussung des Relationship Development in a
schnellstmöglich eine „kritische Kaufverhaltens der Konsumenten, Knowledge Sharing Community,
Masse“ an Teilnehmern zu rekru- vorzunehmen, ohne dass die posi- in: Proceedings of the Ninth
tieren, um so den nur bei einer tiven risikoreduzierenden Effekte Americas Conference on Infor-
virtuellen Community hoher Qua- maßgeblich vermindert werden. mation Systems.
lität existierenden Mehrwert für
die Kunden zu gewährleisten.
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 29
Bisher sind dabei jedoch wichtige Barcode zu erfassen, um somit und schließlich dem Nutzer des
Fragen offen: Wie nutzen Shop- das konkrete Produkt sowie die Smartphones angezeigt wurden.
per mobile Dienste bei Kaufent- dazugehörigen Informationen Nur 5 % dieser Abfragen erfolg-
scheidungen? Wo und wann wer- innerhalb weniger Sekunden an- ten über die manuelle Suche, also
den zusätzliche Informationen per gezeigt zu bekommen. Dabei der Eingabe der Artikelbezeich-
Smartphone abgerufen? Und wel- wird jeder Scan- und Suchvor- nung in das Suchfeld der Appli-
chen Einfluss haben diese auf die gang in Logfiles gespeichert. Aufkation. Die restlichen 95% der
Kaufentscheidung? Steve diese Weise liegen für jede Nut- Abfragen wurden durch das
Yankovich, Vice President bei zung der Applikation eine eindeu-Scannen des EAN-Barcodes aus-
eBay Mobile, beschreibt die tige ID, das auf dem Smartphone gelöst. Dieses Ergebnis über-
Problemstellung wie folgt: "Es installierte Betriebssystem, der rascht kaum, bedenkt man, dass
geht darum zu verstehen, die manuelle Eingabe den
wo der Konsument sich gesuchten Artikel nicht
befindet, wenn er beginnt, immer eindeutig identifi-
sich für ein Produkt zu ziert und deshalb mit
interessieren, das gekauft einer geringeren Erfolgs-
oder verkauft werden soll. quote bei der Artikelsu-
Meiner Meinung nach che einhergeht. Daneben
befinden wir uns zumeist erspart das Scannen des
nicht vor einem Laptop" EAN-Barcodes die hän-
(zitiert nach Sawall 2010). dische Eingabe, welches
in der Regel mehr Auf-
Ziel unserer Arbeit war es, wand verursacht. Tat-
den Antworten auf diese sächlich wurde vor allem
Fragen näher zu kommen, dann auf die manuelle
indem wir Nutzungsmuster Eingabe der Artikelbe-
mobiler Dienste im Rah- zeichnung zurückgegrif-
men von Kaufentschei- fen, wenn ein Produkt
dungsprozessen erfassten aus den Kategorien ge-
und auswerteten. Für die sucht wurde, für die am
Untersuchung dieser Prob- PoS oftmals keine EAN-
lemstellung konnten wir Barcodes zur Verfügung
auf die anonymen Ereig- stehen: So wurden insbe-
nisprotokolldaten sondere Kühlschränke
(Logfiles) der mobilen und andere Geräte, die
Applikation barcoo des unverpackt in den Rega-
Unternehmens checkit- len stehen, auf diese
mobile zurückgreifen, die Weise abgefragt. Interes-
für verschiedene Mobilte- sant ist in diesem Zu-
lefon- bzw. Smartphone- sammenhang, dass sich
plattformen verfügbar ist Abbildung 1: Die mobile Anwendung
Shopper bei der Nachfra-
(siehe Abbildung 1). barcoo von checkitmobile ge von Zusatzinformatio-
nen offensichtlich auch
Mittels dieser Applikation EAN-Code, der Name und die dann nicht vom Abruf
können Shopper zeit- und ortsun- Kategorie des gescannten Produk- dieser Informationen abhalten
abhängig Produktinformationen tes, dessen günstigster Preis in lassen, wenn die Eingabe weniger
sowie Zusatzinformationen (z.B. Online-Shops sowie die Zeit und einfach und problemlos erfolgt.
Nutzerkommentare, Kundenre- das Datum vor.
zensionen, Nährwerttabellen) Betrachtet man sich die Katego-
abrufen und Preisvergleiche mit Der von checkitmobile zur Ver- rien, für deren Produkte Zusatzin-
Online-Shops oder anderen Ge- fügung gestellte Ausschnitt der formationen abgerufen wurden,
schäften durchführen. Die Appli- Logfiles umfasst 2.053.655 aktu- erstaunt zunächst der sehr hohe
kation erlaubt es den Benutzern elle Such- oder Scanvorgänge, in Anteil an Lebensmitteln. Mit
sowohl nach Artikelbezeichnun- der jeweils Informationen zu ei- insgesamt 64 % aller erfolgrei-
gen zu suchen, als auch mittels nem Produkt angefragt, in der chen Suchvorgänge wurden Arti-
Scanvorgängen den EAN- barcoo-Datenbank zugeordnet kel aus dieser Kategorie häufiger
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 31
Warum überhaupt Spie ders die Einbettung der Werbe- Spielen fokussieren wir hier auf
le? botschaft bzw. der Marke in einen virtuelle Spiele (Spiele, die mit-
Entertainment-Kontext, stellt eine tels Computer, z.B. PC oder Han-
Die heute auf Konsumenten ein- mögliche Antwort auf dieses dy gespielt werden). Zudem be-
strömenden Werbebotschaften Verhalten von Konsumenten dar. trachten wir nur Computerspiele,
einen ganz anderen Zweck hat, Die Studie ein Online-Spiel initiiert. Unter
sondern bei einem Adgame dreht Verwendung eines standardisier-
sich das ganze Spiel um Produkt In der Studie wurde das in Abbil- ten Fragebogens wurde eine On-
X (siehe Abbildung 1). dung 2 dargestellte Untersu- line-Umfrage unter den Spielern
chungsmodell herangezogen. durchgeführt. Auf diese Weise
Ein interessantes Phänomen, dem Kern der Untersuchung war es zu konnten 5.522 verwertbare Fra-
besondere Aufmerksamkeit in- analysieren, ob Adgames tatsäch- gebögen für die Untersuchung
nerhalb der Studie gewidmet lich in der Lage sind, die Einstel- gewonnen werden. Insgesamt
wurde, ist der "Flow"-Zustand - lung der Konsumenten gegenüber nahmen 68,6% männliche und
eine intrinsische Motivation bzw. einer Marke positiv zu beeinflus- 31,4% weibliche Probanden an
die Freude an einer Tätigkeit, die sen und damit langfristig positive der Online-Befragung teil. Das
dazu führt, dass der Spieler völlig Wirkungen auf das Kaufverhalten Durchschnittsalter der Teilnehmer
in dieser Handlung aufgeht. Ge- haben. betrug 43 Jahre.
rade Computerspiele sind prädes-
Beurteilung des
Loyalität
Adgames
Einstellung
Flow-Erfahrung gegenüber der
Marke
Abbildung 2: Untersuchungsmodell
ven Effekt auf die Markenbeurtei- wird erst im Laufe der Zeit gebil- sind, die Werbebotschaft weniger
lung - durch das Spiel unterstützt, det und unterliegt vielen weiteren aufdringlich zu vermitteln, kom-
was wiederum in der Konsequenz Einflüssen. Somit ist die lediglich biniert mit einem Umfeld, in dem
zu einer Steigerung der Loyalität schwache Ausprägung des Ein- positive Gefühle und Empfindun-
und zu einer Verbesserung des flusses der Beurteilung des gen dominieren. Zudem kann sich
Kaufverhaltens der Nachfrager Adgames auf die Einstellung der Spieler aktiv entscheiden, ob
führt. nicht überraschend. er denn das Adgame spielen
möchte oder nicht, was schon
Das Spielen eines Adgames hat Zudem konnte gezeigt werden, grundsätzlich dazu führt, dass
einen positiven Einfluss auf die dass Spieloriginalität und Interak- erstens mit einer positiven Ein-
Einstellung gegenüber der Marke, tivität wichtige Bestandteile eines stellung der Werbebotschaft ge-
die Kundenloyalität sowie das Adgames sind, da dies zu einer genübergetreten wird und zwei-
tatsächliche Kaufverhalten. Zwar positiven Beurteilung zunächst tens diese auch intensiver reflek-
hat die Spielbeurteilung in dieser des Spiels und langfristig der tiert wird.
Untersuchung nur einen relativ Marke führen.
geringen Einfluss auf die Einstel- Somit belegt die Studie eine hohe
lung gegenüber der Marke, dies Den Flow-Zustand, den der Spie- Bedeutung von Online-Adgames
kann jedoch durch den hohen ler während des Spielens erlebt, als Instrument einer effektiven
Bekanntheitsgrad der in der Stu- lässt den kommerziellen Charak- Werbestrategie. Diese Ergebnisse
die betrachteten Bier-Marke bei ter des Adgames in der Wahr- haben sowohl für die Manage-
den Probanden erklärt werden. nehmung des Spielers in den Hin- ment Praxis als auch für die zu-
Außerdem handelt es sich bei der tergrund treten. Folglich kann künftige Forschung eine hohe
Einstellung der Konsumenten davon ausgegangen werden, dass Bedeutung.
gegenüber der Marke um ein - im Gegensatz zur klassischen
langfristiges Konstrukt. Dieses Werbung - Adgames in der Lage
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 35
Unternehmensassoziationen
Kundenorientierung
Guter Arbeitgeber
Unternehmensimage Produktloyalität
Qualität der Produktpalette
Verlässliches und finanziell starkes Unternehmen
Soziale Verantwortung
+++ starker Zusammenhang, ++ mittlerer Zusammenhang, + geringer Zusammenhang, n.s. kein Zusammenhang
Unter‐
Produkt‐
nehmens‐
image
image
Produkt‐
loyalität
Die Ergebnisse (siehe Tabelle 1) sistente internationale Unterneh- Potential in der Abstimmung
belegen, dass spezifische Unter- mensmarkenführung zu gewähr- entsprechender Marketingmaß-
nehmensassoziationen einen ver- leisten. nahmen zu nutzen.
gleichbaren Einfluss auf das Un-
ternehmensimage in verschiede- Studie 2 Zwei Aspekte sind entscheidend,
nen Ländern ausüben. Jedoch um beurteilen zu können, ob sich
variiert sowohl der Einfluss der Zahlt sich die Kommunikation der die Kommunikation der Unter-
Unternehmensassoziationen als Unternehmensmarke – in Ergän- nehmensmarke in Ergänzung der
auch der Einfluss des Unterneh- zung zu der jeweiligen Produkt- jeweiligen Produktmarke länder-
mensimages auf das Konsumen- marke – aus? übergreifend auszahlt (siehe Ab-
tenverhalten in den Ländern. Die bildung 2):
Ergebnisse erlauben eine Gegen- Unternehmen kommunizieren
überstellung der Länder. Der gegenüber Konsumenten verstärkt (1) die wahrgenommene positive
deutsche Heimatmarkt kann dabei ihre international standardisierte Wechselwirkung von Produkt-
als Referenzmarkt gesehen wer- Unternehmensmarke ergänzend marken und Unternehmensmarke
den. zu ihren lokalen, regionalen und und
internationalen Produktmarken.
Eine internationale Standardisie- In bisherigen Studien wurde den- (2) der länderübergreifend positi-
rung der Vermarktung der Unter- noch weder die Wechselwirkun- ve direkte und indirekte Effekt der
nehmensmarke ist somit möglich, gen zwischen Unternehmens- und Produktmarken und Unterneh-
wenn sich die länderspezifische Produktmarke noch der Einfluss mensmarke auf die Widerkaufent-
Umsetzung an die Vorgaben der auf das Konsumentenverhalten im scheidung des Konsumenten.
länderübergreifenden Kommuni- länderübergreifenden Kontext
kationsstrategie orientiert. betrachtet. Eine solche Analyse Hier wurde Studie 1 insofern
würde Unternehmen die Mög- ergänzt, als dass zusätzlich eine
Es gilt jedoch zusätzlich bei der lichkeit bieten, bisher ungenutztes Längsschnitterhebung von jeweils
Unternehmensmarkenführung
deren unterschiedliche Relevanz
für das Konsumentenverhalten zu
beachten und entsprechende Unternehmensimage Produktimage
Schwächen die Bekanntheit bzw.
Relevanz der Unternehmensmar-
ke als Ganzes betreffend durch
gezielte, länderspezifische Kom-
munikationsmaßnahmen zu ad- Produktloyalität
ressieren. Der dargestellte Ansatz
zeigt eine flexible Möglichkeit
solche länderspezifischen
Schwachstellen zu identifizieren Abbildung 3: Konzeptioneller Rahmen – Studie 2
und zu adressieren, um eine kon-
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 38
525 Konsumenten in Deutschland tent durch die Konsumenten führung von Unternehmens- und
und Rumänien zu drei Zeitpunk- wahrgenommen wird, einen eige- Produktmarke ist möglich, wenn
ten durchgeführt wurde. nen Beitrag zur Erhöhung der Unternehmen verstehen, welche
Kundenloyalität leistet und sich Assoziationen Konsumenten län-
Die Ergebnisse belegen die län- durch eine positive Wechselwir- derübergreifend mit einem Un-
derübergreifende Bedeutung der kung mit den entsprechenden ternehmen und dessen Produkten
wechselseitigen Beziehung von Produktmarken auszeichnet. Es verbinden und wie diese das
Unternehmens- und Produktmar- zeigt sich, dass die gleichzeitige Kaufverhalten beeinflussen.
ke. Jedoch wird auch deutlich, Kommunikation von Unterneh-
dass deren Einfluss auf das Kon- mensmarke und Produktmarken – Eine Identifikation von länder-
sumentenverhalten erheblich die von Unternehmen wie Hen- spezifischen Schwachstellen bzw.
zwischen den Ländern variiert. kel, Nestlé oder Unilever verfolgt Stärken bei der Umsetzung der
So fiel Frankreich aus dem Bild, wird – Erfolgspotential ver- Markenstrategie ist mittels der
da hier kein Effekt der Produkt- spricht, jedoch gleichzeitig nach vorgestellten Methodik möglich.
marken auf die Unternehmens- einem Instrumentarium zur län- Auch bietet sie die Verknüp-
marken nachgewiesen werden derübergreifende Erfolgskontrolle fungsmöglichkeit mit Daten aus
konnte. In Experteninterviews verlangt. Kundenloyalitätsprogrammen, um
konnte festgestellt werden, dass die erhobenen Einstellungsdaten
eine mangelnde Assoziation der Manager können durch die Be- direkt mit „objektiven“ kunden-
Unternehmensmarke mit den antwortung der eingangs genann- spezifischen Kaufdaten zu ver-
Produktmarken die Ursache dafür ten Fragen unter Rückgriff auf binden.
ist. Diese wiederum ist dem An- das vorgestellte denkbare Steue-
schein nach der widersprüchli- rungsinstrumentarium, den Erfolg
chen Umsetzung der Unterneh- ihrer Markenstrategie länderüber-
mensmarkenstrategie zuzuschrei- greifend bewerten. Dabei wurde Ausgezeichnete Forschung
ben. aufgezeigt, wie die Konsistenz Corporate Branding gehört zu den For-
des Unternehmensmarkenimage schungsschwerpunkten des Lehrstuhls
Implikationen für die über verschiedene Ländermärkte für Marketing & Handel der Universität
Praxis und wie das Potential einer er- Trier, für den dieser bereits mehrfach
gänzenden Kommunikation der ausgezeichnet wurde.
Zusammenfassend wurde festge- Unternehmensmarke zur Stärkung So sind Bernhard Swoboda, Dirk Mor-
stellt, dass eine international der jeweiligen Produktmarken schett, Markus Meierer und Margot Lö-
standardisierte Unternehmens- evaluiert werden kann. Eine er- wenberg auf der Sommertagung der
marke länderübergreifend konsis- folgreiche internationale Marken- American Marketing Association (AMA)
in Chicago für den Beitrag „Endorsing
product brands through a standardized
corporate brand – Cross national
perceptions and effects“ mit dem „Best
Track Paper Award“ im Track „Global &
Cross Cultural Marketing” ausgezeichnet
„Takeaways“
worden.
● Eine länderübergreifende Standardisierung der Corporate Brand wird von den Die Diplomarbeit von Margot Löwen-
Kunden honoriert. berg zum Thema Internationales Corpo-
● Eine international standardisierte Unternehmensmarke verstärkt die Produkt- rate Brand Management wurde zudem
markenloyalität der Kunden länderübergreifend in unterschiedlichem Ausmaß. mit dem Ökonomiepreis der Hand-
● Es bestehen Wechselwirkungen zwischen einer standardisierten Corporate werkskammer Trier ausgezeichnet.
Brand und der Produktbeurteilung des Unternehmens, d.h. die international
standardisierte Corporate Brand stützt die Produktmarken und vice versa in un-
terschiedlichen Ländern.
● Eine erfolgreiche internationale Führung von Unternehmens- und Produktmarke
ist aber nur möglich, wenn Unternehmen verstehen und berücksichtigen, welche
Assoziationen Konsumenten länderübergreifend mit einem Unternehmen und
dessen Produkten verbinden und wie dies das Kaufverhalten beeinflusst.
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 39
Jonas Bastian
Das Institut für Handel & Internationales Marketing (H.I.MA.) führte gemeinsam mit dem Compe-
tence Center Retail & Consumer der PricewaterhouseCoopers AG im 2. Quartal 2010 eine großzah-
lige Erhebung unter Handels- und Konsumgüterunternehmen durch, die den Themenkomplex der
Versorgungssicherheit in der Konsumgüterwirtschaft zum Gegenstand hat.
Jahrzehntelang war der Beschaf- in Osteuropa und Südostasien. lässt sich derzeit eine nicht unkri-
fungsmarkt in Handel und Kon- tische Kombination aus unzurei-
sumgüterindustrie von einer Käu- Auf Seite der Beschaffungsstrate- chenden Agrarinvestitionen
fermarktsituation geprägt, bei der gien westlicher Konsumgüterher- (Weltbank 2008), abnehmenden
einer begrenzten Zahl institutio- steller und Händler führten diese Steigerungsraten durch den tech-
neller Abnehmer in der Konsum- Entwicklungen zu einer fort- nologischen Fortschritt (FAO
güterindustrie bzw. im Handel schreitenden Internationali- 2002), begrenzten Ackerflächen
eine deutlich größere Zahl an sierung, häufig aber auch zu einer (FAO 2002) sowie einen zuneh-
Zulieferern und Produzenten auf Verkürzung der Vertragslaufzei- menden Wassermangel feststel-
den vorgelagerten Wertschöp- ten. Für Abnehmer war es in der len. Viele der Faktoren dürften
fungsstufen gegenüberstand. Für Regel vorteilhaft die Vertrags- durch den vom Menschen verur-
Unternehmen der Konsumgüter- laufzeiten kurz zu halten, um von sachten Klimawandel sowie einen
wirtschaft bestand somit die sinkenden Preisen und der hohen zumeist sorglosen Umgang mit
Hauptaufgabe darin, aus dem Konkurrenz unter den Anbietern natürlichen Ressourcen – z.B.
reichhaltigen Portfolio an mögli- zu profitieren. Diese Entwicklung durch Brandrodungen verursachte
chen Lieferanten und Liefermen- ging bei vielen Unternehmen mit Bodenerosionen oder die fortge-
gen die richtige Auswahl zu tref- einer Reduktion der eigenen führte Überfischung der Welt-
fen. Wertschöpfungstiefe einher. meere – verstärkt werden.
Wichtige Ursachen dieser ver- Veränderung der Be Auf der Nachfrageseite trifft die-
gleichsweise komfortablen Situa- schaffungsmärkte ses limitierte Angebot auf enorm
tion waren der enorme technische steigende Abnahmemengen, die
Fortschritt sowie hohe Investitio- Heute stellen sich die Rohstoff- vor allem in dem weltweiten Be-
nen in die Landwirtschaft, durch märkte deutlich anders dar. Vieles völkerungswachstum sowie dem
die im Zeitraum zwischen den spricht dafür, dass die Entwick- Wirtschafts- und Wohlstands-
1970er-Jahren und der Jahrtau- lung real sinkender Agrarroh- boom in bevölkerungsreichen
sendwende die realen Rohstoff- stoffpreise sowie der stetige An- Schwellenländern begründet sind.
preise fast stetig sanken. Starke stieg der frei am Markt verfügba- Dies führt bspw. bei Nahrungs-
Preisschwankungen traten fast ren Mengen ein Ende gefunden mitteln zu einem um 70 % stei-
nur bei Energie- und einzelnen hat. Die Gründe hierfür liegen genden Bedarf bis zum Jahr 2050
industriellen Rohstoffen auf. sowohl auf der Angebots- als (OECD/FAO 2010, S. 14). Weite-
Gleichzeitig führten politische auch auf der Nachfrageseite und re Faktoren sind der hohe Ölpreis
Veränderungen und die weit rei- betreffen fast alle in der Konsum- und die Bemühungen um den
chende Liberalisierung des Welt- güterwirtschaft verarbeiteten Klimaschutz, die zu einer wach-
handels zu einer steigenden Zahl Rohstoffe. Auf der Angebotsseite senden industrielen Nutzung
geeigneter Anbieter, insbesondere pflanzlicher Rohstoffe führen.
stärkt als machtvolle Nachfrager ● Der gesellschaftliche Druck, Die Themen Versorgungsicher-
auf. Für westliche Unternehmen verantwortungsvoll und nach- heit und Nachhaltigkeit sind so-
ergibt sich dadurch zukünftig eine haltig zu wirtschaften wächst. mit sowohl über die reale Knapp-
völlig veränderte Markt- und ● Produkte und Leistungen heit natürlicher Ressourcen als
Konkurrenzsituation. Die Welt- müssen zukünftig hohen auch über konkrete Konsumen-
wirtschaft tritt in eine neue Phase Nachhaltigkeitsanforderungen tenwünsche verknüpft.
ein. Die Zeit günstiger Rohstoffe gerecht werden.
und nahezu unbegrenzter Mengen ● Viele Unternehmen entwi- Aus den beschriebenen Entwick-
dürfte für absehbare Zeit vorbei ckeln aus eigenem Antrieb lungen und Rahmenbedingungen
sein. und strategischen Überlegun- lässt sich das folgende multidi-
gen ambitionierte Nachhaltig- mensionale Konzept der Versor-
Die mit der immer intensiver keitsstrategien und agieren gungssicherheit ableiten, dem für
werdenden Nutzung, wenn nicht selbst als Treiber des Themas. die Zukunft eine hohe Bedeutung
gar Ausbeutung, der natürlichen für die Beschaffung in der Kon-
Ressourcen und der ungleichen
Verteilung des Wohlstands ver-
bundenen ökologischen Problem-
bereiche und sozialen Spannun-
gen haben unterdessen in unter- Versorgungssicherheit
schiedlichen Bereichen der Ge-
sellschaft zu einem Umdenken
geführt. Marktkräfte, die auf eine Mengen Qualitäten Kosten
sumgüterbranche zugeschrieben Wettbewerb wird sich in den ● Einige Hersteller und Händler
werden kann (vgl. Abbildung 2). kommenden Jahren stark auf die – insbesondere im Food-
Wahl der Beschaffungsstrategien Bereich – sind bestrebt, vor-
Betrachtet man das dargestellte auswirken, wie der Vergleich gelagerte Wertschöpfungsstu-
Marktszenario, so überrascht es zwischen der aktuellen Nutzung fen zu integrieren.
wenig, dass auch die im Rahmen und der für 2015 geäußerten Nut- ● Relationales und kooperatives
der Erhebung befragten Unter- zungsabsicht unterschiedlicher Beschaffungsverhalten wird
nehmen für die nächsten fünf Beschaffungsstrategien zeigt: stark zunehmen. Dies schließt
Jahre mit sich stark verschlech- auch die Integration von
ternden Bedingungen auf den ● Klassische, transaktionsorien- NGOs in die Wertschöp-
Beschaffungsmärkten rechnen tierte Lieferant-Abnehmer- fungsaktivitäten mit ein.
(siehe Abbildung 3). Für die Un- Beziehung zwischen Handel
ternehmen ergibt sich hierdurch und Herstellern bzw. Groß- Abbildung 4 fasst die Beschaf-
eine Komplexitätszunahme und händlern verlieren an Bedeu- fungsstrategien zusammen, bei
gleichzeitig wächst die Bedeu- tung. denen für das Jahr 2015 die
tung der Beschaffung für den ● Die Einflussnahme auf Pro- höchsten Nutzungsabsichten vor-
Unternehmenserfolg (vgl. Abbil- duktionsprozesse und die liegen. Veränderungen innerhalb
dung 3). Vorgaben von Produktmerk- der Rangordnung gegenüber 2010
malen und Produktionsbedin- sind in Klammern angegeben.
Veränderung der Be gungen nimmt stark zu.
schaffungsstrategien ● Der Handel wird hart mit den Als Indikator dafür, wo die Un-
(Marken-)Herstellern um die ternehmen den höchsten Hand-
Diese Kombination aus an- Vorherrschafft in der Supply- lungsbedarf sehen, können die
spruchsvollen und schnell wach- Chain ringen und wird dabei Unterschiede in Bezug auf die
senden Absatzmärkten, einem nur die Umsatzanteile mit Han- Nutzungsabsicht unterschiedli-
schwer auszudehnenden Angebot delsmarken ausweiten sowie cher Beschaffungsstrategien zwi-
und einem härter werdenden einen starken Einfluss auf die schen 2010 und 2015 herangezo-
Produktentwicklung nehmen. gen werden, die ebenfalls erfragt
Mittelwerte:
1= „stark rückläufig“ bis
5= „stark steigend“
wurden. Hier zeigt sich wiederum Veränderungen bei den Wettbe- OECD; FAO (Hrsg.) (2010):
die hohe Bedeutung, die das werbsstrategien der einzelnen OECD-FAO Agricultural Outlook
Thema Nachhaltigkeit in den Unternehmen aber auch in der 2010–2019, Paris und Rom.
nächsten Jahren einnehmen wird. Branche insgesamt führen. Für
Die Unternehmen sind verstärkt die Unternehmen stellt sich die PwC; H.I.MA.(2010): Genug für
bemüht, über Zertifikate und Herausforderung mit dem verän- alle da? - Wie gehen Händler und
konkrete Vorgaben einen starken derten Wettbewerbsumfeld um- Konsumgüterhersteller mit Ver-
Einfluss auf die Prozesse auf vor- zugehen und die Strategien an die sorgungsrisiken um?, Frankfurt
gelagerten Stufen zu nehmen und neuen Marktbedingungen anzu- a.M.
hierdurch das Risiko von Skanda- passen. Zwar reagieren bereits
Nutzung mehrerer
3 (3) Beschaff ungsquellen/Lief eranten f ür 4.0
das gleiche Produkt
len und unzureichenden Qualitä- viele Unternehmen indem sie ihre World Bank (Hrsg.) (2008):
ten zu steuern. Kooperationen Beschaffungsstrategien anpassen Double Jeopardy: Responding to
bzw. Mitgliedschaften in Zertifi- und bspw. neue Kooperationen high food and fuel prices. G8
zierungsorganisationen werden eingehen, gleichzeitig fehlen bei Hokkaido-Toyako Summit,
dabei eine immer wichtigere Be- der Mehrzahl der Unternehmen Toyako.
deutung einnehmen. jedoch noch Lösungsansätze,
Prozesse und Systeme zum kon-
Fazit kreten Umgang mit den erheblich
zunehmenden Versorgungsrisi-
ken. Der vorliegende Beitrag basiert einer
Wie aufgezeigt werden Bemü-
Studie, die das H.I.M A. in Zusammenar-
hungen um die Gewährleitung der
beit mit PwC erarbeitet hat. Der Titel der
Versorgungssicherheit in den Literatur Studie ist „Genug für alle da? – Wie ge-
nächsten Jahren eine hohe Bedeu- hen Händler und Konsumgüterhersteller
tung für die Konsumgüterwirt- FAO (Hrsg.) (2002): World agri- mit Versorgungsrisiken um?“
schaft einnehmen und zu starken culture: towards 2015/2030, Rom.
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 43
Dirk Morschett
Innovationen können im Handel an vielen Stellen des Geschäfts entwickelt werden, z.B. im Sorti-
ment, in der Preispolitik, in der Ladengestaltung. Letztlich sind aber die Verkaufskanäle die Pro-
dukte des Handels, mit denen er sich am Markt präsentiert. Wirklich große Veränderungen im Han-
del und Erfolge haben sich stets dann ergeben, wenn Innovationen auf der Ebene der Verkaufskon-
zepte des Handels, also seiner Betriebstypen, in den Markt eingeführt wurden.
Theoretische Modelle ziert, bei der ein Betriebstyp neu die entstehenden Betriebsty-
entwickelt wird, der genau pen tatsächlich sind:
Der Wandel von Betriebstypen im dort seine Schwerpunkte
Handel ist seit langem ein wichti- setzt, wo der erste Betriebstyp ● In der Unternehmensperspek-
ger Forschungsgegenstand. Es Schwächen hat (z.B. Discoun- tive gibt es die Möglichkeit,
wurden verschiedene Modelle zur ter). Schließlich entsteht häu- dass bereits genutzt Betriebs-
Erklärung entwickelt, die hier in fig eine „Synthese“, bei der typen einfach multipliziert
aller Kürze dargestellt werden sich die Stärken beider Be- werden, dass sie modifiziert
sollen: triebstypen kombinieren (so werden oder dass Betriebsty-
z.B. Fachmärkte). pen eingeführt werden, die für
● Im „Wheel-of-Retailing“ von ● Ein weiteres Modell ist das das Unternehmen selbst neu
McNair wurde postuliert, dass Lebenszyklus-Modell der Be- sind.
neue Betriebstypen stets mit triebstypen. Hier wird postu- ● In der Marktperspektive muss
einer aggressiven Preisstrate- liert, dass innovative Be- man unterscheiden, ob es ei-
gie in den Markt eintreten. triebstypen – analog zu den nen Betriebstyp bereits in ei-
Durch ein Trading-up nähert klassischen Produktlebens- nem Land gibt, ob er neu für
man sich dann nach und nach zyklusmodellen – nach ihrer einen Ländermarkt ist oder ob
den etablierten Playern an, Einführung zunächst in einer der Betriebstyp tatsächlich
wodurch am unteren Ende Wachstumsphase dynamisch völlig neu für die Welt insge-
wieder Raum für neuere wachsen bis zu einer Reife- samt ist.
Wettbewerber entsteht. Aus bzw. Sättigungsphase, in der
Sicht des Verfassers ist dieses sie ihren Zenit erreichen. An- Kombiniert man diese beiden
Modell viel zu eng, um heuti- schließend gibt es eine Dimensionen (logisch ist es dabei
ge Entwicklungen zu erklä- Abschwungphase. Letztlich allerdings unmöglich, dass ein
ren. ist die Grundüberlegung, dass Verkaufskonzept völlig neuartig
● Durchaus interessant ist auch auch Betriebstypen eine be- für die Welt ist, aber für das Un-
heute noch das „Dialektik- grenzte Lebenszeit haben. ternehmen selbst keine Innovati-
Modell“. Dieses postuliert, on darstellen würde), ergibt sich
dass Handelsentwicklungen Arten von Innovationen eine Matrix, in der Handelsinno-
vationen kategorisiert werden
oft in einem dialektischen im Handel
Dreisprung entwickelt wer- können (siehe Abbildung 1).
den. Zunächst steht die „The- Eine interessante Perspektive auf
se“, also ein Betriebstype, der Betriebstypeninnovationen im Breakthrough
sehr stark fokussiert ist (z.B. Handel ergibt sich, wenn man Innovations
Fachgeschäfte). Dadurch wird einmal detailliert betrachtet, wie
oft eine „Antithese“ provo- Im Feld der „Breakthrough-
Innovations“, die für die Welt
Autor völlig neuartig sind, kann im
Rückblick der 1990er Jahre z.B.
Univ.-Professor Dr. Dirk Morschett ist Inhaber des Lehrstuhls für Internati- der Online-Buchhandel Amazon
onales Management – Liebherr/Richemont Endowed Chair der Universität oder die Online-Verkaufs-
Fribourg/Schweiz. plattform Ebay gesehen werden.
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 44
Deutschland (2007)
perspektive
Kunden ist es meist egal, ob ein Modifikation bestehen tion und Design umgestellt, oder,
Konzept in den USA oder Japan der Vertriebskonzepte wie es bei Castorama bildlich
bereits früher bestand; was für ihn ausgedrückt wird, man fokussiert
zählt, ist die Neuheit im eigenen für neue Zielgruppen statt auf „the house to build“ auf
Markt. „the house to live in“.
Innovationen entstehen oft auch,
indem etablierte Betriebstypen
Innovation für das Un modifiziert werden, um sich an
Hornbach und Bauhaus dagegen
ternehmen, aber nicht fokussieren wesentlich stärker auf
neue Märkte und/oder Zielgrup- Profis. In Großbritannien ist
den Ländermarkt pen anzupassen. Kingfisher z.B. sehr erfolgreich
mit der Screwfix-Kette, die
Oftmals stellen Betriebstypenin- Z.B. expandierten die belgische Handwerker anspricht. Der Erfolg
novationen auch nur eine Innova- Delhaize-Gruppe und die nieder- derartiger Konzepte wird am Bei-
tion für das eigene Unternehmen ländische Aold-Gruppe in den spiel der französischen Brico
dar, während das Konzept bereits 1980er und 1990er Jahren in die Dépôt-Läden deutlich.
im Markt bekannt ist. So hat die USA und eröffneten dort Super-
Inditex-Gruppe im September märkte. Supermärkte waren natür- Diese Ladenkette, die ebenfalls
2009 einen Online-Shop für seine lich für die USA keine Neuheit zu Kingfisher gehört, wurde An-
umsatzstärkste Marke Zara lan- und auch die beiden Unternehmen fang der 1990er Jahre lanciert und
ciert zu starten. Den Beginn kannten diesen Betriebstyp seit spricht ebenfalls vor allem
machten die Volumen-Märkte langem. Trotzdem wurden eine Handwerker und größere Projekte
Deutschland, Spanien, Frank- Reihe von Anpassungen an den an („the house to build“). Der
reich, Großbritannien, Italien und wichtigen amerikanischen Markt Erfolg dieser Betriebstypeninno-
Portugal machen; danach ist der mit seinen spezifischen Verbrau- vation, die im Wesentlichen in
Rollout in allen Zara-Märkten cherbedürfnissen vorgenommen. einer Modifikation des bestehen-
geplant. den Konzepts bestand, zeigt sich
Ähnlich zeigt sich im Bereich der in Abbildung 2.
Online-Shops sind in diesen Baumärkte, dass in vielen Län-
Märkten, auch im Bereich Be- dern die Absatzmärkte weitestge-
kleidung, keine wirkliche Neu- hend gesättigt sind und daher Fazit
heit; das Unternehmen selbst traditionelle Baumärkte kaum
Wie eingangs gesagt, ist der Han-
eröffnet sich durch die Nutzung noch wachsen. Wie es Kingfisher
del darauf angewiesen, schnell
dieser Innovation aber weitere hinsichtlich seiner Baumärkte in
auf Kundenbedürfnisse zu reagie-
Wachstumschancen. Frankreich feststellte: „A winning
ren. Betriebstypeninnovationen –
concept until the end of the 90’s
Ähnlich stellt sich die Situation durch Modifikation bestehender
which no longer fits the market in
auch dar, wenn der Betriebstyp Betriebstypen oder die Entwick-
2002“, wie Kingfisher in einer
eigentlich auch für das Unter- lung völlig neuer Typen – dienen
Strategiepräsentation ausführte.
nehmen keine wirklich Innovati- als Wachstumsmotor.
on darstellt, sondern in einigen Man kann nun beobachten, dass
Für viele Händler ist dies auch die
Ländern schon genutzt wird. Z.B. systematisch neue Zielgruppen
logische Folge des Betriebstypen-
hat die GAP-Gruppe im Herbst gesucht werden. Frauen auf der
lebenszyklus‘, denn auch Be-
2010 ihren Online-Shop (den sie einen Seite und Profis (also
triebstypen haben oftmals eine
in den USA schon länger nutzt) in Handwerker) auf der anderen
begrenzte Lebenszeit, wie in ver-
Großbritannien lanciert. Für GAP Seite bilden bislang vernachläs-
schiedenen Ländern Westeuropas
im spezifischen Markt Großbri- sigte Zielgruppen. Daher werden
derzeit die Kaufhausbetreiber
tannien war dies durchaus eine in dieser Branche Verkaufskon-
schmerzlich feststellen. Zumin-
innovative Expansion des eigenen zepte entwickelt, die klar auf eine
dest ist es so, dass auch Betriebs-
Betriebstypenportfolios, aber dieser Zielgruppen fokussieren.
typen Sättigungsgrenzen errei-
weder für das Unternehmen noch
Zum Beispiel spricht Kingfisher chen. In diesen Fällen ist für ein
für den britischen Markt stellen
mit seiner Retail Brand Casto- Handelsunternehmen ein weiteres
derartige Online-Shops noch eine
rama in Frankreich neuerdings Marktwachstum nur durch eine
grundsätzliche Innovation dar.
vor allem Frauen an. Vom Haus- Veränderung des Betriebstypen-
bau wird zunehmend auf Dekora- portfolios zu erreichen.
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 47
Buchpublikationen
Studie des H.I.MA. und des HDE zu Studie von H.I.MA. und PwC zur Ver
Handelsstrategien sorgungssicherheit
Das Buch „Erfolgreiche Handelsstrategien“ stellt Das Institut für Handel & Internationales Marke-
die Kernergebnisse einer Studie dar, deren ting führte gemeinsam mit dem Competence Cen-
Zielsetzung es war aufzuzeigen, wie sich ter Retail & Consumer der PricewaterhouseCoo-
Einzelhandelsunternehmen seit dem Zweiten pers AG 2010 eine großzahlige Erhebung unter
Weltkrieg entwickelt haben, welche Strategien sie Handels- und Konsumgüterunternehmen durch,
einsetzen und welche Erfolgsfaktoren sie die den Themenkomplex der Versorgungssicher-
auszeichnen. Dies schließt kleine und mittlere heit in der Konsumgüterwirtschaft zum Gegen-
Unternehmen (KMU) sowie (heutige) stand hat. Betrachtet wurden sowohl die Einschät-
Großunternehmen ein. zungen von Managern hinsichtlich künftiger Ent-
wicklungen als auch
Verteilt auf drei Zeitabschnitte die Unternehmensstra-
fokussiert die Studie insgesamt auf tegien.
einen Zeitraum von 75 Jahren.
PricewaterhouseCoo-
Zentes, Joachim; Kolb, Stefan; pers; Institut für Han-
Rittinger, Sebastian (2010): Er- del & Internationales
folgreiche Handelsstrategien – Marketing (Hrsg.)
Gestern – Heute – Morgen, Verlag (2010): Genug für alle
Martin Meidenbauer: München. da? Wie gehen Händ-
ler und Konsumgüter-
hersteller mit Versor-
gungsrisiken um?,
Frankfurt a.M.
Retailing & Consumer Goods Marketing - Dezember 2010 49
Die beteiligten Institute und Lehrstühle fühlen sich alle dem Transfer von Forschungsergebnissen in
die Praxis, dem Transfer von Erkenntnissen und Praktiken aus den Unternehmen in die eigene For-
schung und Lehre und dem intensiven Kontakt mit Handel und Konsumgüterherstellern verpflich-
tet. Darüber hinaus werden Forschungsergebnisse selbstverständlich auf Konferenzen im In- und
Ausland präsentiert. Einen kleinen Ausschnitt dieser Tätigkeit zeigen wir im Folgenden.
Konsumenten ist. Hierauf aufbauend wurden eine unterstützen, die Anwender (also z.B. Architek-
umfassende Studie (an dreißig Praktiker- ten) darin zu schulen, die Produkte richtig zu ver-
Standorten) und ein Workshop mit Studenten im stehen und zu verwenden. Am Beispiel der Fuß-
Rahmen ihres einjährigen Projektstudiums durch- ballweltmeisterschaft in Südafrika zeigte Kälin
geführt. zudem die hohe Bedeutung des Projektgeschäfts
(beim Bau von Hotels, Stadien, etc.), die neben
Im Rahmen der Vorlesung Marketing an der Uni- dem Handelskanal eine wesentliche Säule der
versität Siegen referierte Lars Dammertz, Pro- Verkaufsaktivitäten von Geberit darstellt.
duktmanager der Krombacher Brauerei, im Ja-
nuar 2010 zu der Marketingstrategie sowie den
Marketinginstrumenten von Cab, der Biermix-
Marke von Krombacher. In diesem Vortrag stellte
er den Prozess der Entwicklung einer Marketing-
strategie und der Umsetzung im operativen Mar-
keting-Mix in allen Phasen dar. Dammertz disku-
tierte dabei auch Aspekte der Führung von Mar-
kenportfolios und machte deutlich, warum es für
die Krombacher Brauerei notwendig war, unter E. Kälin, R. Frefel,
einer neuen Marke in den Biermixgetränke-Markt Area Sales Manager Category Management
einzutreten. Dabei gab er interessante Einblicke in Geberit Coop
Entscheidungen der Produkt- und Programmpoli-
tik und zeigte die Entstehung eines Werbefilms Am 30. November 2010 hielt Roland Frefel,
von der ersten Idee bis hin zur Ausstrahlung. L. Leiter Coop Category Management Grundnah-
Dammertz thematisierte auch die Bedeutung von rungsmittel und Getränke, auf Einladung von
quantitativen Auswertungen für das Treffen von Prof. Morschett an der Universität Freiburg einen
Marketingentscheidungen und schlug so eine Brü- Vortrag über die Strategie von Coop. Er ging da-
cke zwischen Theorie und Praxis. bei auf die unterschiedlichen Betriebstypen von
Coop ein, diskutierte die unterschiedlichen Ent-
An der Universität Fribourg sprach Erwin Kälin, wicklungen verschiedener Betriebstypen, erläuter-
der bei Geberit für die Märkte des Nahen Ostens te die Category-Management-Prozesse bei Coop
und Afrikas zuständig ist, im November 2010 zum und die Handelsmarkenpolitik des Unternehmens.
Thema „Distribution in Foreign Markets“. Besonders hob er das Thema Nachhaltigkeit her-
Hr. Kälin zeigte am Beispiel des südafrikanischen vor, das bei der Coop seit langem einen wichtigen
Marktes auf, wie das Unternehmen Geberit in Teil der Unternehmensstrategie darstellt und das
Auslandsmärkte eintritt, dort Push- und Pull- seit einiger Zeit auch ausdrücklich in die Missio-
Aktivitäten aufbaut und seine Aktivitäten an die nen der Coop aufgenommen wurde.
jeweiligen nationalen Gegebenheiten anpasst.
Zentral ist es dabei, die Distributeure dabei zu
führte. An dem Workshop zum Thema “Retailing Gemeinsam mit Checkitmobile wird unter der
in Central and Eastern Europe” nahmen Area Leitung von Prof. Schramm-Klein die Bedeutung
Manager der Metro Group aus über 17 Ländern von mobilen Applikationen auf Smartphones als
teil. Einkaufshelfer untersucht. Themenfelder, die hier
betrachtet werden, reichen von der Analyse der
Die derzeitige Aktualität der Thematik zeigt sich Akzeptanz und Nutzung derartiger mobiler Ein-
an einem weiteren Vortrag von Prof. Swoboda kaufshilfen am Point of Sale bis zur Wirkung der
anlässlich des Deutschen Nonfood-Kongresses auf diese Weise gewonnen Informationen auf die
2010 in Berlin zum Thema „Dynamik der Inter- Entscheidungsqualität der Konsumenten.
nationalisierung des Food und Nonfood Han-
dels - Chancen, Risiken, Tendenzen“. Unter Leitung von Prof. Schramm-Klein hat der
Lehrstuhl für Marketing eine Vertriebsstrategie
Ein Thema, das seit Jahren aktuell ist, ist die Ko- für einen international tätigen Armaturenher-
operation zwischen Unternehmen. Zu diesem steller erarbeitet. Zentrale Fragestellungen waren
Thema führte Prof. Dirk Morschett in diesem Jahr die Optimierung von Effizienz und Effektivität
verschiedene Workshops mit Geschäftsführern des Vertriebs bei Vorliegen von diversifizierten
und Inhabern von Großhandelsunternehmen Kundenstrukturen.
durch, um Strategien für eine intensivere Koope-
ration zu entwickeln. Ein für den Einzelhandel weiterhin aktuelles
Thema ist die Frage, welche Betriebs- und Ver-
Ein weiteres Thema des Chair for International triebstypen die Unternehmen nutzen sollen, um
Management ist der Online-Handel (wie man am ihre Kunden anzusprechen. Die Frage ob und wie
Beispiel der beiden Beiträge des Lehrstuhls zu Multichannel-Strategien realisiert werden kön-
diesem Thema in diesem Newsletter sehen kann). nen und müssen, stellen sich v.a. viele kleinere
Zu diesem Thema hielt Prof. Morschett in den oder regional agierende Einzelhändler. Zu diesem
letzten Monaten verschiedene Vorträge. Unter Themenfeld führte Prof. Schramm-Klein ver-
anderem hatte er den Vorsitz des 2. Europäischen schiedene Vorträge und Workshops durch.
Online-Kongresses 2010 in Berlin inne, bei dem
er auch den Auftaktvortrag zu „Trends im Onli- Viele Städte leiden unter Leerständen von ehe-
ne-Handel“ hielt. maligen Einzelhandelsflächen oder unter dem
Rückgang der Zentralität. Vor allem kleine Städte
Welche Bedeutung Adgames für das Konsumen- und Städte in peripheren Lagen stehen hier vor
tenverhalten haben, untersucht der Lehrstuhl für großen Herausforderungen. Diese Problemstel-
Marketing der Universität Siegen unter der Lei- lung diskutierte Prof. Schramm-Klein gemeinsam
tung von Prof. Hanna Schramm-Klein gemeinsam mit Städten, Einzelhändlern und Dienstleistungs-
mit den Unternehmen Krombacher und Adidas unternehmen im Rahmen verschiedener Vortrags-
als Praxispartner. Vor allem interessiert, wie un- veranstaltungen.
terschiedliche Arten von Online-Spielen (z.B.
Shooter, Lernspiele, Ratespiele) den Markenwert
beeinflussen. Aber auch der Kontext, in dem die
Spiele präsentiert werden (z.B. Unternehmens-
Homepage, Facebook), ist Teil der Projekte.
Impressum
Univ.-Professor Dr. Dirk Morschett, Inhaber des Lehrstuhls für Internationales Management – Liebherr/Richemont
Endowed Chair der Universität Fribourg, Schweiz,
Univ.-Professorin Dr. Hanna Schramm-Klein, Inhaberin des Lehrstuhls für Marketing der Universität Siegen,
Univ.-Professor Dr. Prof. h.c. Bernhard Swoboda, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing & Handel der Universität Trier,
Univ.-Professor Dr. Joachim Zentes, Direktor des Instituts für Handel & Internationales Marketing (H.I.MA.) der
Universität des Saarlandes, Saarbrücken.
Für die Redaktion der vorliegenden Ausgabe ist der Lehrstuhl für Internationales Management der Universität Fri-
bourg/Schweiz verantwortlich.