Social Branding
Artur Mertens
Darmstadt
Deutschland
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk be-
rechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der
Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann
benutzt werden dürften.
Springer Gabler ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer
Science+Business Media
www.springer-gabler.de
Grußwort
V
VI Grußwort
Einfluss auf die Reputation und den Wert von Marken nehmen. Das starre Verhältnis
zwischen dem sendenden Unternehmen und seinen konsumierenden Kunden ist längst
aufgehoben. Die logische Konsequenz für Unternehmen ist daher, auch auf dem Gebiet
der Markenführung ein Engagement im Social Web zu prüfen, mit dem sie ihren Kun-
den auf Augenhöhe begegnen und diese idealerweise in den Wertschöpfungsprozess
einbinden können.
Das vorliegende Werk zum Social Branding kommt daher zur richtigen Zeit und lie-
fert hochkarätige, interdisziplinäre Impulse aus Theorie und Praxis. Besonderen Wert
haben die Herausgeber auf eine umfassende Darstellung der Chancen und Heraus-
forderungen in der Markenführung im Social Web gelegt: Die Autoren aus Hochschulen,
Unternehmensberatungen, aus großen und mittelständischen Unternehmen sowie Blog-
ger und Social-Media-Experten bündeln das in Deutschland vorhandene Fachwissen
zum Thema Markenführung im Social Web. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine
anregende Lektüre mit vielen neuen Einsichten.
Soziale Medien greifen um sich! Allein im vergangenen Jahr nahm die Zahl der Nutzer
hierzulande um über 30 % auf 40 Millionen zu. Es verwundert daher nicht, dass immer
mehr Unternehmen dazu übergehen, soziale Medien in ihre Unternehmenskommunika-
tion zu integrieren. Die Integration geht dabei mit vollkommen neuen Herausforderun-
gen einher: Waren Unternehmen bislang nur Sender von Botschaften, so empfangen sie
nun dank des Einsatzes sozialer Medien auch Botschaften aus der Community.
Die Community erwartet dabei, dass sie vom Unternehmen respektiert wird und mit
ihren Anliegen Gehör findet. Hierdurch nimmt sie zunehmend Einfluss auf das Unter-
nehmen und seine Marken. In der Folge gewinnt eine neue Teildisziplin der Markenfüh-
rung, das so genannte Social Branding, an Bedeutung. Social Branding, d. h. die Marken-
führung in sozialen Medien, verbindet Kenntnisse des Marketings, sozialer Prozesse und
der Informationstechnik. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es den Nutzern sozialer
Medien zuhört, mit ihnen interagiert, ihre Meinungen akzeptiert und ihnen die Mög-
lichkeit gibt, sich durch Bekennung zur Marke sozial zu erheben und sich selbst zu in-
szenieren.
Trotz seiner großen praktischen Relevanz wird das Social Branding bislang weder von
der wissenschaftlichen noch von der Ratgeber-Literatur angemessen aufgegriffen. Die
vorhandene Literatur widmet sich entweder dem Online-Marketing, sozialen Medien
oder aber technischen Aspekten, lässt aber die spezifischen betriebswirtschaftlichen so-
wie managementorientierten Herausforderungen der Markenführung in sozialen Me-
dien weitgehend außer Acht. Das vorliegende Buch zielt darauf ab, diese Lücke mittels
einer Darstellung von Grundlagen und Erfolgsfaktoren, branchenspezifischen Best-
Practice-Beispielen sowie Controlling-Mechanismen und Perspektiven rund um das
Social Branding zu schließen.
Das Buch hat den Anspruch, zu inspirieren, zum Nachdenken anzuregen und teilwei-
se auch zu polarisieren. Es soll wichtige Fragen pragmatisch beantworten, z. B. wann
Fanpages für Marken Sinn machen, was bei der Entwicklung von Kampagnen zu beach-
ten ist und wie der Erfolg von Marken in sozialen Medien gemessen und bewertet wer-
den kann. Das Buch richtet sich dabei gleichermaßen an Führungskräfte in Marketing
und Vertrieb sowie an Dozenten und Studierende des Marketings. Denn nur wer fun-
VII
VIII Vorwort
dierte Kenntnisse über die Möglichkeiten und Grenzen der Markenführung in sozialen
Medien hat, wird – so unsere These – langfristig erfolgreich Marketing-Verantwortung
tragen können. Dabei gilt es, die kontinuierlich zunehmenden Möglichkeiten der Mar-
kenführung in sozialen Medien auch als ein Experimentierfeld zu begreifen, aus dem
regelmäßig neue überzeugende Marketing-Konzepte und Geschäftsmodelle entstehen.
In das Buch flossen die Erfahrungen führender Unternehmen und Hochschulen ein:
Audi, allfacebook.de, branddevelop, Check24, Dell, dmc digital media center, Deloitte,
Draft FCB, EBS Business School in Oestrich-Winkel, 1&1, Harley-Davidson, Heuking
Kühn Lüer Wojtek, HFU Furtwangen, Hochschule der Medien Stuttgart, HTW Dresden,
Mang Medical One, Markenlexikon, MasterCard, MSO Digital, Nestlé, Salesforce,
Scout24, SUXXEED Sales for your Success, Swiss International Air Lines, Telekom
Deutschland, Universität Bremen, Universität St. Gallen, VZ Netzwerke, Warsteiner,
WHU Vallendar, Wiley-VCH Verlag und XING.
Unser Dank gilt den Inhabern, Managern und Spezialisten dieser Unternehmen bzw.
den Lehrstuhlinhabern und Mitarbeitern der genannten Hochschulen, die mit ihren
spannenden Beiträgen dieses Herausgeberwerk erst möglich gemacht haben. Darüber
hinaus möchten wir die wertvollen Helfer im Hintergrund in unseren Dank einschlie-
ßen: zunächst Stefanie Brich von Springer Gabler, bei der wir uns für die großartige
Zusammenarbeit und die schnelle Drucklegung bedanken möchten. Aber auch bei Boris
Herrmann, der mit viel Fleiß und Sorgfalt das gesamte Manuskript durchgearbeitet und
viele hilfreiche Hinweise gegeben hat. Ein ganz besonderer Dank gilt zudem dem
BITKOM (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Me-
dien e.V.), der uns bei unserem Vorhaben von Beginn an tatkräftig unterstützt hat.
Den Lesern wünschen wir viel Spaß und viele Anregungen für ihre tägliche Arbeit. Über
Kritik und Verbesserungsvorschläge würden wir uns sehr freuen. Sie erreichen uns über
unsere Website www.socialbranding.de oder per E-Mail unter: matthias.schulten@hs-
furtwangen.de, a.mertens@branddevelop.de und andreas.horx@die-integratoren.net.
IX
X Inhaltsverzeichnis
Die Markenführung von MasterCard® im Zeitalter der digitalen Evolution ........... 209
Dagmar Nedbal
Der Wettbewerb um Verbindlichkeit oder: Kann Facebook Bier verkaufen? ......... 225
Thorsten Terlohr, Ben Künkler
Social Branding – Vom Customer Access zum Social Shopping ............................... 409
Harald Eichsteller, Andreas Schwend
Schulten, Matthias
Prof. Dr. Matthias Schulten, Jahrgang 1976, ist Professor für Mar-
ketingkonzeption an der Fakultät Digitale Medien an der Hoch-
schule Furtwangen. Prof. Schulten studierte Betriebswirtschafts-
lehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und
promovierte am Institut für Marketing und Handel an der Univer-
sität St. Gallen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Be-
reichen Social Branding, Customer Relationship Management und
Innovation Management. Seine Expertise beruht unter anderem
auf Beratungstätigkeiten für Nestlé, Procter & Gamble, real,-, Sa-
nofi Aventis, Telekom Austria, BMW und Sony.
Mertens, Artur
Artur Mertens, Jahrgang 1971, ist Geschäftsführer der
branddevelop GmbH, einem Beratungsunternehmen für ganzheit-
liche Markenführung. Seit 2004 unterstützt er Unternehmen bei
der Entwicklung und Umsetzung von Markenstrategien. Neben
der Betreuung zahlreicher mittelständischer Unternehmen sind
vor allem Erfahrungen in Projekten für internationale Konzerne
(AXA, Müller, Nestlé, PricewaterhouseCoopers, Tchibo etc.) für
seine Markenexpertise prägend gewesen. Zuvor war der studierte
Jurist einige Jahre in unterschiedlichen Positionen und Projekten
in der Marketing- und Kommunikationsbranche tätig.
XIII
XIV Die Herausgeber
Horx, Andreas
Dipl.-Betriebswirt (FH) Andreas Horx, Jahrgang 1965, ist seit über
15 Jahren als Managementberater für Marketing und Kommuni-
kation aktiv. Er verfügt über mehrjährige Geschäftsführungser-
fahrung bei verschiedenen nationalen sowie internationalen Kom-
munikations- und Multimedia-Agenturen. Seine Expertise liegt in
den Gebieten Markenführung und ganzheitliche Kommunika-
tions-Strategie, verbunden mit einer ausgesprochen starken Online-
Erfahrung.
Die Autoren
Ahlden, Andreas
Dipl.-Ökonom Andreas Ahlden, Jahrgang 1979, ist Etatdirektor in
der Werbeagentur Draftfcb in Hamburg. Er studierte Wirtschafts-
wissenschaften an der Universität Oldenburg und arbeitete wäh-
renddessen unter anderem am Institut für Marketing und Handel
der Hochschule St. Gallen mit dem Schwerpunkt Marketing-Con-
trolling. Nach seinem Studium betreute er in den Agenturen Jung
von Matt und Draftfcb große nationale und internationale Etats.
Unter anderem wirkte er dabei an der Entwicklung von klassischen
und integrierten Kampagnen für die Marken MINI, Bosch, BASE,
Mirácoli, Lieken Urkorn und Golden Toast mit.
Ahlers, Michael
Dip.-Betriebswirt (FH) Michael Ahlers, Jahrgang 1964, ist ge-
schäftsführender Gesellschafter der SUXXEED Sales for your Suc-
cess GmbH. Michael Ahlers ist gelernter Bankkaufmann und stu-
dierte Betriebswirtschaftslehre in Mainz und Leeds, England.
Beginn der beruflichen Karriere als Key Accounter in der Automo-
bilbranche. Danach bekleidete er mehrere verantwortliche Po-
sitionen in den Bereichen Vertriebsservice sowie Unternehmens-
entwicklung in der IT-Branche – zunächst als Direktor für Process
Reengineering und später als Director Managed Services unter
mehrfach wechselnden Muttergesellschaften: Olivetti – Wang Glo-
bal – Getronics. Hier auch verantwortlich für das erfolgreiche Ge-
tronics Joint Venture HelpYouDesk. Es folgten die Geschäftsfüh-
rer-Funktion bei einem Nürnberger Kommunikationsdienstleister,
Bereich Operations, sowie der Aufbau von dessen ersten europäi-
schen Niederlassungen. Danach Gründung der SUXXEED Sales for
your SUCCESS GmbH.
XV
XVI Die Autoren
Arnezeder, Christian
Dr. Christian Arnezeder, Jahrgang 1963, ist als Geschäftsführer
Regional Operations Deutschland, Österreich und Schweiz für
Harley-Davidson tätig. Nach seinen Studien der Wirtschaftswissen-
schaften sowie der technischen Chemie und seiner Promotion in
technischer Chemie an der Universität Wien war der gebürtige
Salzburger zunächst als Universitäts-Dozent sowie als Berater, Ab-
teilungsleiter und schließlich als Geschäftsführer im Baugewerbe
tätig, bevor er seine private Leidenschaft für Motorräder zum Beruf
machte. 1994 wechselte er zur KTM Sportmotorcycles AG, Mattig-
hofen, wo er in diversen Positionen – zuletzt als Geschäftsführer
der KTM Motorsport GmbH – tätig war. 1999 folgte Dr. Arnezeder
dem Ruf von Harley-Davidson an den Main. Seither ist er in Mör-
felden bei Frankfurt in verschiedenen Führungspositionen für den
amerikanischen Hersteller aktiv. Dr. Arnezeder ist verheiratet,
Vater von zwei Kindern und nach wie vor begeisterter Motorrad-
fahrer.
Bock, Andreas H.
Andreas H. Bock, M. A., ist Leiter Social Media Vertrieb und Ser-
vice Internet bei der Telekom Deutschland GmbH. Andreas H.
Bock absolvierte sein Publizistik-Studium an der Freien Universität
Berlin. Nach dem Studium und seiner Tätigkeit als Medien-Fach-
journalist ist er 1995 als Projektmanager „Electronic Publishing“ in
der Axel Springer Verlag AG ins E-Business gestartet. Es folgten
Stationen bei T-Online, Telefonica, dem Entertainment Media
Verlag und der Ganske Verlagsgruppe. Andreas H. Bock verant-
wortet Strategie, Roadmap und die Gesamtprojektleitung für das
Programm „Telekom hilft“ – einem Leuchtturmprojekt im „Enter-
prise 2.0“-Programm der Deutschen Telekom.
Burmann, Christoph
Prof. Dr. Christoph Burmann, Jahrgang 1962, ist Professor für Be-
triebswirtschaftslehre und Inhaber des Lehrstuhls für Marketing,
insb. innovatives Markenmanagement (LiM©) an der Universität
Bremen. Prof. Burmann studierte Betriebswirtschaftslehre an der
Universität Münster und promovierte am Institut für Marketing des
Marketing Centrums der Universität Münster (MCM) von Prof. Dr.
Dr. h.c. mult. Heribert Meffert. Im Februar 2002 habilitierte er sich
an der Universität Münster im Fach Betriebswirtschaftslehre. Er
arbeitete 1985 und 1986 bei der amerikanischen Werbeagentur
Ogilvy & Mather in Kapstadt/Südafrika in der strategischen Marke-
tingplanung. In den letzten Jahren war Professor Burmann Gast-
forscher u. a. an der Harvard Business School und am Judge Insti-
tute of Management Studies der Universität Cambridge. Seine
Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Markenmanage-
ment, marktorientierte Unternehmensführung, strategisches Mar-
keting sowie Konsumentenverhaltens- und Marktforschung.
Caspari, Markus
Dipl.-Kfm. (FH) Markus Caspari, Jahrgang 1977, ist passionierter
Blogger und Digital Native. Bereits 1994 betrieb er sein erstes um-
fangreiches Online-Projekt, eine eigene „FidoNet Mailbox“. Nach
der Ausbildung zum Industriekaufmann, anschließendem Redakti-
onsvolontariat und Stipendium beim Begabtenförderprogramm
berufliche Bildung studierte Markus Caspari berufsbegleitend Be-
triebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Marketing. Er arbeitete in
verschiedenen Positionen bei Medien- und Marketing-Unter-
nehmen, u. a. als Business Development Manager und Leitung der
B2B Online-Projekte im US-Medienkonzern John Wiley & Sons.
Darüber hinaus war er Head of Sales & Marketing und Mitunter-
XVIII Die Autoren
Decker, Alexander
Dr. Alexander Decker, Jahrgang 1968, ist Head of Consumer Re-
lations im Corporate Marketing der Nestlé Deutschland AG.
Dr. Decker studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität
Bayreuth und promovierte am Lehrstuhl für Dienstleistungsmana-
gement von Prof. Dr. Bernd Stauss an der Katholischen Universität
Eichstätt-Ingolstadt. Danach war er fünf Jahre in der strategischen
Beratung als Senior Consultant und Leiter des Knowledge Mana-
gements bei der CRM Group/Vectia tätig. Nach weiteren fünf Jah-
ren als Director CRM Strategy & Analysis bei Premiere wechselte er
2009 zu Nestlé und baute den Bereich Consumer Relations auf. Er
ist u. a. für die Entwicklung und den Betrieb der Social-Commerce-
Plattform Nestlé Marktplatz verantwortlich.
Eichsteller, Harald
Prof. Harald Eichsteller, Jahrgang 1961, ist Studiendekan des Mas-
terprogramms Elektronische Medien an der Hochschule der
Medien (HdM). Vor seinem Wechsel nach Stuttgart war er in Me-
dienunternehmen, Agenturen und der Industrie tätig, zuletzt als
Geschäftsführer Strategie/Online im Aral Konzern. Der studierte
Betriebswirt (D, USA, F) gilt als Experte für kundenorientierte Stra-
tegien, Innovationsmanagement und Marketing und leitet seit 2003
den Deutschen CRM-Gipfel.
Eilers, Daniela
Dipl.-Kauffrau Daniela Eilers, Jahrgang 1984, ist seit Sommer 2009
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Marketing, insb.
innovatives Markenmanagement an der Universität Bremen. Danie-
la Eilers studierte Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten
Innovatives Markenmanagement sowie Innovations- und Projekt-
management an der Universität Bremen. Praktische Erfahrungen
sammelte sie u. a. bei der Beiersdorf AG im Bereich Interactive
Brand Management. Aktuell schreibt sie ihre Dissertation zum
Thema der Erfolgsmessung der identitätsbasierten Markenführung
in Social Media.
Die Autoren XIX
Esch, Franz-Rudolf
Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch ist Head of Marketing an der EBS
Business School in Oestrich-Winkel und leitet als Academic Direc-
tor das neu gegründete Automotive Institute for Management
(AIM). Zudem ist er Inhaber der Professur für Markenmanagement
und Automotive Marketing an der EBS Universität für Wirtschaft
und Recht, Direktor des Instituts für Marken- und Kommunika-
tionsforschung (IMK) sowie Gründer und wissenschaftlicher Beirat
von ESCH. The Brand Consultants, Saarlouis.
Gawlowski, Dominika
Dipl.-Kauffrau Dominika Gawlowski, Jahrgang 1981, ist seit 2008
Doktorandin bei Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch an der EBS Business
School in Oestrich-Winkel sowie Projektmitarbeiterin des dort an-
sässigen Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung
(IMK). Vor ihrer Promotion studierte Dominika Gawlowski Be-
triebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing an der
Justus-Liebig-Universität in Gießen.
Geyer, Florian
Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Augsburg und
Boston (LL.M.) sowie dem Referendariat in Frankfurt am Main
arbeitet Florian Geyer, Jahrgang 1975, seit dem Jahr 2003 als
Rechtsanwalt mit den Spezialgebieten Marken-, Wettbewerbs- und
Internetrecht. Seit dem Jahr 2007 gehört er der überörtlichen Wirt-
schaftskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek an, in deren Frankfurter
Büro er tätig ist. Florian Geyer ist Fachanwalt für gewerblichen
Rechtsschutz. Er hat langjährige Erfahrung bei der Beratung von
Agenturen und Unternehmen im Zusammenhang mit der Ent-
wicklung und Umsetzung von Werbekampagnen (TV, Print, OOH
und Online) sowie von Markenschutzstrategien. Einen weiteren
Schwerpunkt bildet die Vertretung von Unternehmen in gerichtli-
chen Auseinandersetzungen in den genannten Rechtsgebieten.
Hemmann, Frank
Dipl.-Kaufmann Frank Hemmann, Jahrgang 1981, ist seit Herbst
2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Marketing,
insb. innovatives Markenmanagement an der Universität Bremen.
Frank Hemmann studierte Betriebswirtschaftslehre mit den
Schwerpunkten Innovatives Markenmanagement und Internatio-
nales Management an der Universität Bremen und an der Universi-
XX Die Autoren
Henkel, Sven
Prof. Dr. Sven Henkel, Jahrgang 1977, ist Assistenzprofessor für
Marketing an der Universität St. Gallen. Prof. Henkel studierte Be-
triebswirtschaftslehre an der Universität Mainz und promovierte
am Lehrstuhl für Marketing von Prof. Dr. Torsten Tomczak an der
Universität St. Gallen. In seiner aktuellen Funktion als Vizedirektor
am Center for Customer Insight an der Universität St. Gallen ver-
antwortet Prof. Henkel sämtliche anwendungsorientierten For-
schungsprojekte des Instituts. Zu seinen langjährigen Koopera-
tionspartnern gehören u. a. ABB, BMW, Lufthansa und die REWE
Group. Die Forschungsschwerpunkte von Sven Henkel liegen in
den Feldern Branding, Corporate Branding und Brand Behavior
sowie in der Vermarktung und Etablierung von Information Com-
munication Technology Solutions (in Kooperation mit T-Systems).
Hosseiny, Schahab
Schahab Hosseiny, Jahrgang 1984, ist innerhalb der MSO Digital
GmbH & Co. KG, einem Unternehmen des Medienhauses Neue
OZ, als Leiter nationale Vermarktung & Online Marketing haupt-
verantwortlich für die Tätigkeiten des Medienhauses in diesem
Segment. Schahab Hosseiny studierte Online Medien an der Hoch-
schule Furtwangen und befindet sich aktuell nebenberuflich im
Master Studienprogramm der Betriebswirtschaftlehre an der Hoch-
schule Pinneberg. Schahab Hosseiny arbeitete zuvor für die base-
com GmbH & Co. KG und verantwortete dort unter anderem die
Monetarisierung diverser Social-Networking-Plattformen, mitunter
stayblue.de.
Isenberg, Marcel
Dipl.-Kaufmann Marcel Isenberg, Jahrgang 1982, ist Senior Con-
sultant bei ESCH. The Brand Consultants, Saarlouis sowie externer
Doktorand an der EBS Business School in Oestrich-Winkel. Zuvor
studierte er Wirtschaftswissenschaften u. a. mit dem Schwerpunkt
Marketing an der Justus-Liebig-Universität in Gießen.
Die Autoren XXI
Kilian, Karsten
Prof. Dr. Karsten Kilian, Jahrgang 1972, gilt als einer der führenden
Markenstrategen Europas. Mit Markenlexikon.com hat er das größ-
te Markenportal im deutschsprachigen Raum aufgebaut. Karsten
Kilian studierte Betriebswirtschaftslehre und Englisch an der Uni-
versität Mannheim und an der University of Florida. Anschließend
arbeitete er als Consultant bei Simon-Kucher & Partners und pro-
movierte bei Prof. Dr. Torsten Tomczak an der Universität St. Gal-
len. Seit über 10 Jahren lehrt Prof. Dr. Karsten Kilian an Hochschu-
len im In- und Ausland und berät mittelständische Unternehmen
in Markenfragen.
Kleine-Kalmer, Barbara
Dipl.-Kauffrau Barbara Kleine-Kalmer, Jahrgang 1982, ist seit Früh-
jahr 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Marke-
ting, insb. innovatives Markenmanagement an der Universität Bre-
men. Barbara Kleine-Kalmer studierte Betriebswirtschaftslehre mit
den Schwerpunkten Marketing, Internationales Management und
Controlling an der Universität Dortmund und der CERAM Sophia
Antipolis in Frankreich. Nach ihrem Studium arbeitete sie als Pro-
duktmanagerin für die Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG in
Irland und Deutschland. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in
den Bereichen Markenführung und Social Media.
Kreilaus, Carsten
Dipl.-Kaufmann Carsten Kreilaus, Jahrgang 1971, ist seit Ende 2010
Marketingleiter der CHECK24 Vergleichsportal GmbH. Carsten
Kreilaus studierte an der Universität Passau und der UAB in Barce-
lona, Spanien, Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Marketing.
Nach seinem Studium arbeitete er zunächst bei der Serviceplan
Gruppe für innovative Kommunikation und bei einer Werbeagen-
XXII Die Autoren
Künkler, Ben
Ben Künkler ist Geschäftsführer Beratung und Partner der Saint
Elmo’s Interaction Berlin GmbH & Co. KG. Der erfahrene Online-
Experte startete seine Karriere schon 1999 während der New Eco-
nomy. Sein Schwerpunkt liegt in der strategischen Entwicklung
digital vernetzter Kampagnen. Mit seinem umfassenden Markt-,
Werbe- und Verbraucher-Know-how ist er maßgeblich für den
Ausbau und die Weiterentwicklung des Berliner Standortes ver-
antwortlich.
Ludowig, Carsten
Carsten Ludowig, Jahrgang 1972, ist seit Oktober 2009 Director
Advertising & Partnerships bei der XING AG. Der Betriebswirt ist
in dieser Funktion verantwortlich für die Vermarktung der Platt-
form sowie für den Ausbau und die Leitung der Business Unit Ad-
vertising & Partnerships. Zusammen mit seinem Team entwickelt
Carsten Ludowig Vermarktungsstrategien und -produkte, steuert
Vermarktungspartner, betreut strategische Kooperationen und ent-
wirft neue Möglichkeiten zur Kapitalisierung der Plattform und
angrenzender Geschäftsfelder auf allen Kommunikationskanälen.
Carsten Ludowig hat über 14 Jahre Erfahrung in der Produktent-
wicklung, dem Produktmanagement und der Vermarktung digita-
ler Medien. Vor seinem Wechsel zur XING AG war Ludowig bei
G+J Electronic Media Sales tätig, dem Vermarkter digitaler Medien
von Gruner + Jahr. Dort verantwortete er seit 2003 und zuletzt als
Director Sales Strategy & Business Development die Bereiche Ver-
kaufssteuerung, Mobile, Creative Solutions, Kooperationen und
neue Geschäftsfelder. Zuvor bekleidete Ludowig sieben Jahre lang
verschiedene leitende Positionen bei der T-Online Tochter Interac-
tive Media. Carsten Ludowig ist verheiratet, hat einen Sohn und
lebt in Hamburg.
Die Autoren XXIII
Markschläger, Sven
Medieninformatiker Sven Markschläger, Jahrgang 1977, leitet seit
Beginn des Jahres 2012 als Director Digital Marketing die Bereiche
Digital Communication und Social Media der internationalen Pub-
lic Relations-Agentur Weber Shandwick. Im Anschluss an sein
Studium der Medieninformatik war er bei der Karlsberg Brauerei
im Bereich Innovative Brands für das Online-Brand-Marketing der
Marken Mixery und Desperados zuständig, bevor er 2007 als Head
of Digital Marketing bei der Mast Jägermeister AG den nationalen
und internationalen digitalen Marken-Aufbau sowie die Online-
Kommunikation der Marke Jägermeister verantwortete. Ab 2010
war er in der Position als Chief Marketing Officer bei den VZ
Netzwerken (schülerVZ, studiVZ und meinVZ) der Verlagsgruppe
Georg von Holtzbrinck für das mit 17 Mio. Mitgliedern größte
deutsche soziale Netzwerk mitverantwortlich.
Maurer, Andreas
Andreas Maurer, Jahrgang 1969, leitet seit Ende 2009 das Social-
Media-Communications-Team im Bereich Unternehmenskommu-
nikation der 1&1 Internet AG. Zuvor war er sechs Jahre als Presse-
sprecher für das Unternehmen tätig. Er hat Publizistik an der Frei-
en Universität Berlin und Journalismus an der University of Iowa
in Iowa City, USA, studiert.
Morsbach, Philipp
Diplom-Volkswirt Philipp Morsbach, Jahrgang 1970, ist seit Ap-
ril 2008 Vorstand der Mang Medical One AG, einer der führenden
Klinikgruppen für Ästhetische Chirurgie in Deutschland. Nach
seinem Studium in Köln und Bayreuth arbeitete er bei verschiede-
nen Unternehmen im Medizin- und Pharmabereich, u. a. bei der
Vamedis AG und später bei der Pharm Allergan GmbH und Aller-
gan Ltd, wo er für Vertrieb und Marketing verantwortlich war. In
seiner aktuellen Funktion verantwortet er neben anderen Unter-
nehmensbereichen ebenfalls das Marketing und hier speziell alle
Formen des Online-Marketings.
XXIV Die Autoren
Nedbal, Dagmar
Dagmar Nedbal studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universi-
tät Mannheim mit den Studienschwerpunkten Marketing und Un-
ternehmensführung/Organisation. 1996 begann sie ihre Karriere im
Produktmanagement von McCain Foods Deutschland, wo sie mit
Kommunikation und Vermarktung des Produktportfolios betraut
war. 1998 wechselte Dagmar Nedbal zur Rudolf Wild GmbH/Cap-
ri-Sun AG und zeichnete verantwortlich für das Globale Marketing
im B2B- und B2C-(Capri-Sonne)-Bereich. Im Laufe ihrer beruf-
lichen Entwicklung bei Rudolf Wild zeichnete sie neben dem glo-
balen Marketing verantwortlich für das strategische Marketing, das
New Business Development, das Ingredients- und Innovations-
Management und sammelte Vertriebserfahrungen im Area Sales
Management Osteuropa. Im Jahre 2009 wechselte Dagmar Nedbal
in die Branche der Finanzdienstleistungen und leitet seitdem als
Head of Marketing das Marketing und die Markenführung des
Unternehmens MasterCard in Deutschland.
Pietsch, Gotthard
Prof. Dr. Gotthard Pietsch ist Professor für Digitale Wirtschaft an
der Hochschule Furtwangen. Er studierte Wirtschaftswissenschaft
und Sozialwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum und war
als wissenschaftlicher Angestellter sowie als Revisor bzw. Berater/
Coach tätig. Er übernahm unter anderem Lehraufträge an der Uni-
versität Innsbruck sowie der Technischen Universität Dortmund
und ist Privatdozent an der FernUniversität in Hagen. Seine For-
schungsschwerpunkte liegen in den Bereichen E-Business/Online-
Produktmanagement, Controlling und Organisationsforschung.
Pirouz, Mani
Diplom-Medienwissenschaftler Mani Pirouz, Jahrgang 1980, ist seit
2009 als Director Produktmarketing bei salesforce.com verantwort-
lich für das Messaging sowie den Marktauftritt des US-Unter-
nehmens in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zudem ist er
verantwortlich für die Förderung der Akzeptanz einer vernetzten
Unternehmensstrategie, die das Unternehmen salesforce.com als
Social-Enterprise™-Ansatz etabliert hat. Vorherige Stationen waren
DaimlerChrysler AG und SAP AG, wo Mani Pirouz zuletzt als Di-
rector Product Management für die Bereiche CRM und Industry So-
lutions tätig war.
Die Autoren XXV
Riedel, Jana
Jana Riedel, Jahrgang 1985, ist seit 2009 in verschiedenen Projekten
der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden beschäftigt.
Sie konzipiert, betreut und evaluiert Weiterbildungsangebote für die
Förderung von Schlüsselkompetenzen und im Bereich Social Media.
Jana Riedel studierte an der Universität Leipzig Kommunikations-
und Medienwissenschaft sowie Kulturwissenschaften und hat neben
dem Studium Erfahrungen im Bereich des redaktionellen Schrei-
bens für einen Radiosender sowie im Bereich der Öffentlichkeits-
und Pressearbeit in verschiedenen kulturellen Einrichtungen ge-
sammelt. Ihre Forschungsinteressen liegen in den Bereichen der
Kompetenzentwicklung, der Medienkompetenz, des E-Learnings
und der Social Media.
Rühl, Vanessa
Dipl.-Kauffrau Vanessa Rühl, Jahrgang 1983, ist seit 2009 Dokto-
randin bei Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch an der EBS Business School
in Oestrich-Winkel sowie Projektmitarbeiterin des dort ansässigen
Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung (IMK). Vor
ihrer Promotion studierte Vanessa Rühl Betriebswirtschaftslehre
mit dem Schwerpunkt Marketing an der Justus-Liebig-Universität
in Gießen.
Schmidt-Grell, Stefan
Stefan Schmidt-Grell, Jahrgang 1968, ist seit April 2011 Director
Marketing bei der XING AG. In dieser Position leitet er die Kom-
munikation zur Gewinnung von Neumitgliedern, das Brand-Mar-
keting und die Vermarktung der Geschäftskunden-Services, insbe-
sondere der Produktlinie E-Recruiting. In seiner vorangegangenen
Funktion war Stefan Schmidt-Grell bereits für den Bereich Product
Marketing und damit für die Vermarktung der Bereiche E-Re-
cruiting und Unternehmensprofile sowie der mobilen Dienste ver-
antwortlich. Als Director XING Jobs hatte er zuvor den Stellen-
markt auf der Plattform erfolgreich ausgebaut. Vor seinem Wechsel
zur XING AG war Stefan Schmidt-Grell in leitenden Positionen bei
der eBay Deutschland GmbH tätig, zuletzt als Head of Merchant
Relations. Bei der Bertelsmann AG war er zuvor neun Jahre lang in
Berlin und Hamburg tätig, unter anderem leitete er für die Bertels-
mann Music Group den Bereich Marketing & Media Management.
Stefan Schmidt-Grell studierte Betriebswirtschaft und Marketing an
der FH München. Das Studium schloss er Anfang 1994 mit dem
XXVI Die Autoren
Diplom zum Betriebswirt ab. Er ist verheiratet, hat zwei Söhne und
lebt in Hamburg.
Schmitz, Christian
Prof. Dr. Christian Schmitz, Jahrgang 1978, ist Assistenzprofessor
für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung des
Marketings und Leiter des Kompetenzzentrums Business-to-Busi-
ness Marketing an der Universität St. Gallen. Prof. Schmitz studierte
Wirtschaftswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre an der Uni-
versität Duisburg, der Katholischen Universität Eichstätt und der
European Business School London. Er promovierte am Institut für
Marketing bei Prof. Dr. Christian Belz an der Universität St. Gallen.
Prof. Schmitz beschäftigt sich in seiner Forschung mit Fragen des
Business-to-Business Marketings, des Vertriebsmanagements, des
persönlichen Verkaufs und der Marketingstrategie. In Fachkreisen
gilt er als der Fachmann für Vertriebsfragen, insbesondere in der
Investitionsgüterindustrie, und hat in den letzten Jahren verschie-
dene Studien zu aktuellen Marketing- und Vertriebsherausforde-
rungen veröffentlicht. In Kooperation mit führenden Unternehmen
untersucht Prof. Schmitz aktuelle Fragen des Managements von
Vertriebsorganisationen und -prozessen in Unternehmen. Partner-
unternehmen waren bzw. sind u. a. BASF, E.ON, Die Post, Schott,
Heidelberger Druck, Leica Microsystems, Mainova, Pfizer, SBB,
Swisscom sowie T-Systems.
Schmitz-Axe, Angela
Dipl.-Kauffrau Angela Schmitz-Axe, Jahrgang 1978, ist seit 2006
Unternehmensberaterin bei der Deloitte Consulting GmbH in
Düsseldorf. Angela Schmitz-Axe studierte Betriebswirtschaftslehre
an der Universität zu Köln. Nach ihrem Studium arbeitete sie als
strategische Marktforscherin für die Ideal Standard GmbH, bevor
sie 2006 zu Deloitte wechselte. Ihr Beratungsschwerpunkt liegt auf
Social Media, Marketing- und Vertriebsstrategien und Branded
Customer Experience in der TMT-Industrie.
Die Autoren XXVII
Schwend, Andreas
Andreas Schwend, geboren 1968, ist Managing Partner von dmc
digital media center. Dort ist er verantwortlich für die Bereiche
Corporate Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und strategische Bera-
tung. Als Wirtschaftsingenieur war er zuvor als technischer Pro-
jektleiter im Bereich EDV-Organisation tätig. Schnell erfasste er die
Marktchancen der digitalen Wirtschaft und gründete dmc 1995
gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Daniel Rebhorn. Andreas
Schwend ist unter anderem aktiv im Arbeitskreis E-Commerce des
bvh, im Unternehmensbeirat der Hochschule der Medien Stuttgart
und in der Wirtschaftsinitiative bwcon.
Sonntag, Ralph
Ralph Sonntag, Jahrgang 1968, nahm 2004 die Professur für Marke-
ting, insbesondere Multimedia-Marketing, an der Hochschule für
Technik und Wirtschaft Dresden an. Zuvor war Ralph Sonntag Pro-
fessor an der Fachhochschule Ansbach. Nach seinem Studium der
Betriebswirtschaftslehre in Würzburg war er wissenschaftlicher
Mitarbeiter und Projektleiter des Steinbeis-Transferzentrums für
Betriebliches Informationsmanagement in Dresden. Daran an-
schließend folgten Stationen bei der Unternehmensberatung Die-
bold (jetzt Detecon) Bereich Digital Business sowie einigen Kom-
munikations- und Werbeagenturen. Seine Arbeits- und Forschungs-
schwerpunkte liegen in der Untersuchung von Social Media und
Commerce, Word of Mouth, Kundenbindungsinstrumenten, Me-
thoden der Mediaplanung und der Werbeerfolgsforschung.
Terlohr, Thorsten
Thorsten Terlohr, Jahrgang 1965, ist Leiter des Bereichs Sponso-
ring, Eventmarketing und Social Media (national und international)
innerhalb der Warsteiner-Gruppe. Nach seinem Studium der Dip-
lom-Sportwissenschaften und Sportökonomie an der Deutschen
Sporthochschule Köln arbeitete er zunächst bei der BBE Unterneh-
mensberatung. Anschließend war er in leitender Funktion sowohl
auf der Agenturseite (Sponsor Partners, Bonn, Gemadi, Nauheim)
als auch auf der Industrieseite erfolgreich tätig. Hier zählten die
Holsten Brauerei und Bacardi Deutschland, beides Hamburg, zu
seinen Stationen.
XXVIII Die Autoren
Többens, Thilo
Thilo Többens, Jahrgang 1974, ist Unternehmensberater bei Deloitte
Consulting. Neben dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der
Universität zu Köln erwarb er einen Master in International Mana-
gement (CEMS MIM) an der Community of European Management
Schools. Thilo Többens berät seit 10 Jahren hauptsächlich Unter-
nehmen im Telekommunikations-, Medien- und Technologie-Sek-
tor. Die fachlichen Themenschwerpunkte umfassen u. a. Marketing-,
Vertriebs-, Customer Experience- und Social-Media-Strategien.
Thilo Többens leitet die Initiative „Digital Strategy and Innovation“
innerhalb von Deloitte Consulting und ist Vorstandsmitglied des
Arbeitskreises Social Media im Bundesverband Informationswirt-
schaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM).
Vill, Andreas
Diplom-Kaufmann Andreas Vill, Jahrgang 1968, verfügt über viel-
seitige Erfahrung in der Kommunikations-, Medien- und Auto-
mobilbranche. Zu seinen Stationen zählen BMW, ProSieben, w&v
werben & verkaufen, Business 2.0. Danach folgten weitere Füh-
rungspositionen bei der DaimlerChrysler AG, zuletzt als Geschäfts-
führer der hauseigenen Bewegtbildagentur DaimlerChrysler tv
media. Vill leitete die Agentur nach Verkauf an die in fischerAppelt
Gruppe umfirmierte Agentur als fischerAppelt tv media GmbH
weiter und wechselte 2010 als Sprecher der Geschäftsführung der
PR-Agentur fischerAppelt relations nach Hamburg. Er beschäftigt
sich schon länger mit Social Media und hat im April 2011 gemein-
sam mit der Agentur NeulandHerzer die anythingabout GmbH ge-
gründet. Als geschäftsführender Gesellschafter bietet er dort inno-
vative Lösungen für Corporate Social Publishing – eine wichtige
Teildisziplin des Social Brandings.
Werle, Eva
Dipl.-Betriebswirtin Eva Werle, Jahrgang 1978, ist selbständige
Marketing- und Kommunikations-Beraterin in Berlin. Nach ihrem
Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Tech-
nik und Wirtschaft in Saarbrücken arbeitete sie bei den Werbeagen-
turen kdh & Partner, TBWA und der HDW Werbeagentur für die
Kunden Toyota, H.J. Heinz, Henkel und Heineken, bevor sie 2007
in das Innovationsmanagement der Mapa GmbH (NUK Baby-
Care) wechselte und nun seit 2011 selbständig Kunden in den Berei-
chen Innovationsmanagement, Digitaler Markenführung und ROI
fokussierter Kommunikation berät.
Wiese, Jens
Jens Wiese (MSc.) hat Online Medien und Digitale Medien an der
Hochschule Furtwangen und an der Murdoch University Perth
studiert. Als freier Berater hilft er internationalen Organisationen
und Unternehmen, ihre eigene Facebook- und Social-Media-Stra-
tegie zu finden. In diesem Kontext entwickelt er Anwendungen und
organisiert Workshops sowie Konferenzen. Jens Wiese ist Gründer
und Chefredakteur des bekanntesten Facebook-Blogs im deutsch-
sprachigen Raum: allfacebook.de.
Wilkoszewski, Alexander
Dr. Alexander Wilkoszewski, Jahrgang 1976, arbeitet seit fünf Jahren
als Projektleiter bei Deloitte Consulting. Sein Beratungsschwerpunkt
liegt im Strategischen Marketing, insbesondere bezogen auf Frage-
stellungen des Pricings und Profitability Managements sowie Social
Media. Zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand
am Institut für Marketing der Ludwig-Maximilians-Universität
München, wo er sich in der Forschungsgruppe Kundenmanagement
mit CRM und Dienstleistungsmarketing beschäftigte.
Wohlfarth, Volker
Volker Wohlfarth (42) ist seit 2008 Geschäftsleiter Brand- und An-
bieter-Marketing bei der Immobilien Scout GmbH. Zusätzlich leitet
er bei der Scout Holding das Center Brand Marketing für die
Scout24 Gruppe seit März 2011. Vor seinem Einstieg bei Immo-
bilienScout24 arbeitete er in Führungspositionen bei eBay, erento
und Toshiba Europe. Er studierte Betriebswirtschaft an der Eber-
hard-Karls-Universität in Tübingen und schloss als Diplom-Kauf-
mann ab.
XXX Die Autoren
Zydorek, Christoph
Prof. Dr. Christoph Zydorek ist Professor für Medienwirtschaft und
Medienmanagement sowie Studiendekan des Masters Digitale Me-
dien an der Hochschule Furtwangen. Prof. Zydorek studierte Wirt-
schaftswissenschaften und Politikwissenschaften an den Universitä-
ten Wuppertal, Duisburg und Birmingham (UK) und promovierte
1998 über soziale und politische Steuerung im Telekommunika-
tionssektor. Bevor Christoph Zydorek im Jahr 2000 zum Professor
berufen wurde, arbeitete er an der Universität Wuppertal, im For-
schungsinstitut für Telekommunikation (Dortmund) sowie im New
Business Development für crossmediale Lösungen eines Medien-
dienstleisters.
Teil A
Grundlagen des Social Branding
Social Branding – Unternehmen wollen
am digitalen Marken-Stammtisch sitzen
1
Interview mit Michael Buck, Christian Lüdi
und Ralf Maltzen
Die Markenführung in sozialen Medien ist noch eine relativ junge Disziplin, die aber auf-
grund der rasanten Entwicklung von Facebook & Co. für immer mehr Unternehmen an
Bedeutung gewinnt. Was sind Herausforderungen und Erfolgsfaktoren im Social Branding
und wie können Kunden für die eigene Marke begeistert werden? Wir sprachen mit Mi-
chael Buck, Leiter des weltweiten Online-Marketings für Konsumenten und kleine und
mittlere Unternehmen bei Dell, Christian Lüdi, Social-Media-Verantwortlicher bei Swiss
International Air Lines, und Ralf Maltzen, Leiter Interaktives Marketing bei Audi.
Lüdi: Bei Swiss International Air Lines war es die Gunst der Stunde. Als im Frühjahr
2009 der bekannte Schweizer Regisseur Marc Forster den Kurzfilm LX40 in unserem
Auftrag drehte, setzte unsere Agentur Facebook, Foren, Blogs und YouTube ein, um
Gerüchte über den Film zu streuen und die Premiere zu zeigen. Wir nutzten dies aus, um
zeitgleich unsere eigenen Social-Media-Aktivitäten hochzufahren. Für uns, aber auch für
die gesamte Schweiz war das damals absolutes Neuland. Es war vollkommen unklar, ob
ein Einsatz von Social Media überhaupt sinnvoll sei.
Buck: Unsere Social-Media-Aktivitäten haben ihren Ursprung in den Bedürfnissen der
Kunden. Es hört sich eigentlich banal an, aber viele Kunden und Kaufinteressenten ha-
ben echte Probleme damit, mit großen Firmen in Kontakt zu treten. Automatisierte
Anrufsysteme, Web-basierte und Menü-geführte Anfragemasken, Call-Center-Mitarbei-
ter von Fremdfirmen oder schlecht informierte Mitarbeiter in den Geschäften hinterlas-
sen bei vielen Kunden ein Gefühl der Machtlosigkeit. Wie können die Kunden mit Fach-
personal und Entscheidern in Kontakt treten, die gezielt und umfassend Auskunft geben
können? Diese und andere Fragen haben wir uns bei Dell gestellt und Antworten darauf
gefunden. Dabei stand zunächst das Zuhören vor dem Agieren. Was motiviert Kunden,
positiv oder negativ über die Marke zu sprechen? Wer spricht und wer hört zu? Wer sind
die potenziellen Meinungsführer und Multiplikatoren im Netz und wo wird über ihre
Marke gesprochen? Dell hat über die letzten Jahren auf eigenen Community-Plattfor-
men, externen Social-Media-Plattformen und über Dell.com mehr und mehr Möglich-
keiten entwickelt, damit Kunden ihre Meinungen, Bewertungen, Innovationen, Vor-
schläge und Beiträge hinterlassen können. Wir haben also einen echten Dialog mit den
Kunden und den Interessenten der Marke aufgebaut.
Maltzen: Bei uns war es ähnlich. Die so genannten sozialen Medien sind eine moderne
Form des guten alten Stammtisches, wenn Sie so wollen. Dort wollen wir natürlich Ge-
sprächsinhalt sein und auch mit am Tisch sitzen. Allein an den digitalen Stammtischen
von Facebook unterhalten sich über 800 Millionen Mitglieder – vorwiegend junge, tech-
nikaffine Menschen. Das können wir uns als progressive Premium-Marke nicht entge-
hen lassen.
Maltzen: Aus meiner Sicht erfordert es keinen besonderen Mut. Weil eine Marke sowie-
so diskutiert wird; egal, ob sie in sozialen Medien dabei ist oder nicht. Da bin ich doch
lieber aktiv mitten drin im Geschehen. Dennoch gibt es große Herausforderungen. Was
hilft eine großangelegte Social-Media-Kampagne, wenn am Ende Kunden oder Mit-
arbeiter doch nicht das Gefühl haben, einen Dialog auf Augenhöhe führen zu können?
Es geht also um eine ganzheitliche Sicht auf die Marke.
Buck: Dem schließe ich mich an. Wichtig erscheint mir zudem, dass auf den Kunden ein-
gegangen wird. Das Zuhören steht dabei am Anfang. Die Kunden erwarten aber auch,
dass das Unternehmen auf ihre Beiträge und Vorschläge reagiert. Dell hat hier verschie-
dene Ansätze entwickelt, um das Feedback der Kunden zu erfassen und in die internen
Kommunikationskanäle, Entscheidungs- und Verbesserungsprozesse einfließen zu las-
sen. Zugleich ist dies aber auch eine der größten Herausforderungen für ein global agie-
rendes Unternehmen. Denn Web-basierte Kommunikation ist Echtzeit-Kommunikation.
Um in Echtzeit kommunizieren zu können, müssen interne Prozesse, Entscheidungskri-
terien, Trainings und Anforderungen an die Mitarbeiter angepasst werden.
Lüdi: Mir erscheint noch ein weiterer Punkt wichtig, und zwar die Sensibilisierung des
Top-Managements für die Chancen sozialer Medien. Gerade zu Beginn wurde bei uns
immer wieder der Nutzen sozialer Medien in Frage gestellt. Wir mussten intern viel
Überzeugungsarbeit leisten, um zu zeigen, dass es sich bei Facebook und Co. nicht um
Teenie- oder Dating-Plattformen handelt, sondern um ernst zu nehmende Medien. Der
Ausbruch des Vulkans in Island und unsere erfolgreiche Krisenkommunikation wäh-
rend dieser Zeit ebneten dann den Weg für unsere heutigen Social-Media-Aktivitäten.
Social Branding – Unternehmen wollen am digitalen Marken-Stammtisch sitzen 5
Ralf Maltzen ist nach Stationen bei der PopNet Internet AG,
BMW Deutschland und der Volkswagen AG seit 2009 Leiter
Interaktives Marketing bei der Audi AG. Die Social-Branding-
Aktivitäten der Audi AG wurden seitdem mehrfach ausgezeich-
net, beispielsweise mit dem Forrester Groundswell Award und
dem Effie in Bronze.
Lüdi: Wir möchten unsere Online-Reputation stärken, die Kundenloyalität erhöhen und
neue Kunden akquirieren. Hinzu kommen interne Kommunikationsziele und erfolgreiche
Krisenkommunikation. Letztlich unterscheiden sich unsere Ziele bis auf den Dialog, der
für uns sehr zentral ist, nicht groß von den Kommunikationszielen anderer Abteilungen.
Buck: Unsere erklärten Ziele sind nachhaltige Verbesserungen im Kundendialog, im
Markenbewusstsein und in der Loyalität der Kunden. Die Kunden müssen Vertrauen in
die Marke haben. Transparenz und Authentizität in der Interaktion mit dem Unterneh-
men sind Voraussetzungen, um dies zu erreichen. Dann sind mittelfristige und langfris-
tige Erfolge bei der Stärkung der Marke möglich.
Maltzen: Das gilt auch für uns. Natürlich möchten wir als Marke in den sozialen Medien
bekannt und attraktiv sein. Je nach Plattform müssen diese Ziele dann mit eigenen Stra-
tegien hinterlegt werden. Konkret reicht es uns nicht, wenn wir möglichst viele Fans oder
Follower haben, denn das sagt nichts über die Qualität des Kontaktes aus. Die Qualität
kommt über die Interaktion mit der Marke. Wir bezeichnen dies als Engagement.
6 Interview mit Michael Buck, Christian Lüdi und Ralf Maltzen
Lüdi: Da man auf Facebook, Twitter und YouTube nicht wirklich gut segmentieren
kann, ist dort unsere Kommunikation auf alle Kunden, potenzielle Kunden und Fans
ausgerichtet. Ich empfinde es als durchaus spannend, wenn an einem Ort alle Kunden
gleichbehandelt werden.
Buck: Dell bedient ganz unterschiedliche Märkte und Kundensegmente. Daher ist es
sehr wichtig, auf die spezifischen Bedürfnisse gezielt einzugehen. Hier sollte man sein
Engagement, die Sprachen und auch die gewählten sozialen Kanäle abstimmen. Die
sozialen Medien und eigenen Community-Plattformen lassen sehr wohl eine differen-
zierte Kommunikationsstrategie zu. Man sollte keine „One size fits all“-Strategie etablie-
ren. Natürlich handelt es sich bei der Nutzung von Social Media bei Dell um eine ganz-
heitliche Geschäftsstrategie, bei der alle verschiedenen Kundensegmente eingeladen
werden, daran zu partizipieren. Allerdings wird hier sehr genau darauf geachtet, welche
sozialen Kanäle für die jeweilige Kundengruppe genutzt werden.
Maltzen: Audi hat für unterschiedliche Zielgruppen unterschiedliche kommunikative
Angebote etabliert. Entsprechend integrieren wir unsere Kommunikation dort in soziale
Medien, wo wir denken, dass sich unsere Zielgruppe aufhält.
Buck: Unsere Devise dazu lautet: „Think globally and act locally.“ Es ist wichtig, die
Sprache und die Kultur der jeweiligen Länder zu verstehen und die regionalen Teams
stark einzubinden. Als globales Unternehmen muss ich mich den Gegebenheiten anpas-
sen. Es bestehen gravierende Unterschiede in der Nutzung sozialer Medien zwischen
China, USA, Europa und Lateinamerika. Diese Unterschiede müssen verstanden werden,
um die jeweilige Social-Branding-Strategie anpassen zu können.
Maltzen: Dem stimme ich zu. Eine Marke wird bei aller Globalisierung noch immer
beim Kunden „vor Ort“ erlebt. Das hat zur Folge, dass wir dort hingehen müssen, wo
sich der Kunde aufhält. Facebook ist die weltweit größte soziale Plattform, es darf aber
nicht vergessen werden, dass zum Beispiel die Chinesen eigene soziale Netzwerke haben.
Ich möchte hier nur RenRen nennen.
▶ „Eine Marke wird bei aller Globalisierung noch immer beim Kunden ‚vor Ort‘ erlebt.“
Social Branding – Unternehmen wollen am digitalen Marken-Stammtisch sitzen 7
Lüdi: Ergänzen möchte ich noch die Sprachthematik. Im Idealfall wird die Sprache der
Kunden gesprochen. Hierfür sind allerdings umfangreiche Ressourcen erforderlich.
Swiss International Air Lines kommuniziert daher global nur in Englisch. In der Schweiz
auch, weil wir sonst jedes Update in den vier Landessprachen Deutsch, Französisch,
Italienisch und Rätoromanisch ausliefern müssten. Wenn wir lokale Updates schalten,
machen wir dies meist in der jeweiligen Landessprache, womit dann auch die „Lokalität“
gefördert wird.
Wie schaffen Sie es, Ihre Communities immer wieder aufs Neue
zu begeistern und in die Markenführung mit einzubeziehen?
Lüdi: Das ist in der Tat nicht immer einfach. Mal gibt es Zeiten, da hat man fast zu viel
zu erzählen, dann kommen aber auch wieder Zeiten, in denen man Themen regelrecht
„zusammenkratzen“ muss. Dies hängt auch damit zusammen, dass es Swiss International
Air Lines erst seit neun Jahren gibt, wir also nicht einfach in die Geschichtekiste greifen
können und zum Beispiel Fotos von Uniformen der 60er Jahre zeigen können. Wir ar-
beiten dann mit Lückenfüllerthemen, wie zum Beispiel Blicken hinter die Kulisse, Reise-
tipps oder Gewinnspielen. Generell versuchen wir die Community immer wieder zu
involvieren, beispielsweise indem wir sie auffordern, Fotos hochzuladen, oder mit ihnen
diskutieren.
Maltzen: Die Fans zu involvieren ist auch uns sehr wichtig. Wie ich bereits beschrieb,
zählt für uns das Engagement rund um die Marke Audi. Also muss unsere Strategie sein,
unsere Fans anzuregen, sich zu beteiligen. „Mitmach-Web“ ist ein passender Ausdruck
für unsere Herangehensweise.
Buck: Wir setzen sehr stark auf Innovationen. Der Markt verlangt nach Innovationen
und die heutigen Social-Media-Plattformen entwickeln sich rasant weiter. Dies erlaubt es
uns, neue Dinge auszuprobieren und mit wechselnden Aktionen die Fans zu begeistern
und zu beteiligen.
Wie wichtig ist Kreativität und was ist bei der Entwicklung
und Lancierung von Social-Branding-Kampagnen zu beachten?
Buck: Ob Social oder nicht – Branding-Kampagnen müssen immer authentisch sein und
zur Marke passen. Kreativität spielt dabei eine wichtige Rolle. Soziale Medien geben uns
neue Möglichkeiten, die eigene Kreativität zu erweitern.
8 Interview mit Michael Buck, Christian Lüdi und Ralf Maltzen
Lüdi: Ja, Kreativität ist wichtig. Auch, weil mittlerweile so viele Unternehmen auf Face-
book sind, dass man sich differenzieren muss. Wir tun dies zum Beispiel mit unserem
Kundendialog und unserem Kundenservice, der fast keine Anfrage unbeantwortet lässt.
Darüber hinaus veranstalten wir regelmäßig kreative Gewinnspiele, wie zum Beispiel das
„Fly to your Friends“-Spiel in diesem Sommer, bei dem Facebook-User ihre Freunde
virtuell besuchen mussten, um so viele Meilen wie möglich zu sammeln.
Buck: Die Markenpositionierung spielt im heutigen globalen Markt eine immer größere
Rolle. Christian Lüdi hat ja bereits erwähnt, dass die klare Differenzierung zu den Mit-
bewerbern entscheidend ist. Soziale Medien sind eine von mehreren Möglichkeiten, sich
darzustellen und einen Markendialog zu führen. Hier liegen ganz klar ihre Stärken. Ein
Unternehmen kann die eigene Marke global und mit verschiedensten Nutzergruppen im
1:1-Dialog darstellen. Soziale Medien spielen daher eine wichtige Rolle in der Gesamt-
kommunikation von Dell.
Maltzen: Soziale Medien sind auch für Audi ein wichtiges Element in der Gesamtkom-
munikation. In den Anfängen des digitalen Marketings haben viele danach gefragt, was sie
denn in Zukunft weglassen können – jetzt, wo das Internet da ist. Schließlich haben alle
Marketeers gemerkt, dass es nicht ein „Entweder-oder“, sondern ein „Sowohl-als-auch“
ist. Dieses Learning können wir nun im Social Web von vornherein antizipieren und „So-
wohl als auch“-Aktivitäten planen. So haben wir zum Beispiel einen „Social Configurator“
entwickelt. Also die Möglichkeit, auf Facebook eine Audi-Konfiguration vorzunehmen,
um sie anschließend öffentlich mit anderen zu teilen, zu besprechen und zu verbessern.
Die Konfiguration des eigenen Premium-Autos ist für viele Menschen eine emotionale
Angelegenheit, die sie mit Freunden und/oder Familienangehörigen intensiv diskutieren.
Lüdi: Bei Swiss International Air Lines sind die sozialen Medien primär im Online-
Marketing angesiedelt. Wir haben dort allerdings kein eigenes Social-Media-Team, son-
dern arbeiten mit einer Art Satellitensystem. So haben auch andere Abteilungen Mitar-
beiter, die sich neben ihren eigentlichen Tätigkeiten sozialen Medien widmen. Zum
Beispiel wird der Twitter-Kanal @SWISS_OffersCH durch die Abteilung Sales & Marke-
ting Schweiz betreut. Alle Mitarbeiter, die mit sozialen Medien zu tun haben, treffen sich
zweiwöchentlich zum Austausch. Wir arbeiten dabei auch sehr eng mit Corporate
Communications zusammen. Das Satellitensystem hat den Vorteil, dass alle Beteiligten
Social Branding – Unternehmen wollen am digitalen Marken-Stammtisch sitzen 9
sehr nahe an den Informationen sind und die Abteilungen selber entscheiden können,
wie viel Zeit sie in soziale Medien investieren.
Buck: Insgesamt binden wir die sozialen Netze und den verstärkten Kundendialog holis-
tisch in das Unternehmen mit ein. Eine zentrale Koordination der Social-Media-
Aktivitäten findet dadurch nicht mehr statt. Dabei wird zwar das Social Branding bei
Dell von denselben Menschen koordiniert, die auch die traditionelle Markenkommuni-
kation verantworten. Allerdings werden auch andere Teams im Social-Media-Umfeld
mit einbezogen, um alle Aktivitäten abzustimmen, Innovationen zu teilen und eine klare
und koordinierte Markenbotschaft zu vermitteln.
Maltzen: Wir sind derzeit in einer Übergangsphase. Wie bei den meisten innovativen
Aktivitäten bilden wir zuerst eine Projektorganisation und überführen diese dann nach
der Etablierung in Linienorganisationen. Bei Social Media erarbeiten wir gerade den
Übergang in die Linienorganisation.
Inwiefern halten Sie es für sinnvoll, Agenturen für das Social Branding
einzusetzen? Wo sehen Sie Chancen und Risiken?
Buck: Social Media lassen sich nicht outsourcen! Allerdings gibt es mittlerweile Kreativ-
agenturen und Strategieberatungen, die helfen können, den eigenen Social-Media-
Auftritt erfolgreicher zu gestalten. Die Risiken sind sicherlich darin zu sehen, dass Agen-
turen nicht das Unternehmen repräsentieren und die Social-Media-Aktivitäten nicht
authentisch beim Kunden ankommen. Wer sich über seine Social-Media-Strategie, die
Zielsetzung und Messkriterien im Klaren ist, kann aber durchaus mit Agenturen zusam-
menarbeiten, um Ideen zu erhalten und Programme und Aktivitäten zu unterstützen.
Lüdi: Wir benötigen Agenturen für Spiele und Apps. Den Rest kann man gut selber ma-
chen. Vor allem der Dialog sollte intern organisiert werden, da sonst nur Zeit und Per-
sönlichkeit verloren geht. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Learnings im Haus sind.
Maltzen: Es ist wie beim Aufbau eines neuen Geschäftsfeldes. Wir haben uns Stück für
Stück gefragt, welche Relevanz die sozialen Medien in unserem Geschäft haben, und
dann Schritt für Schritt die entsprechenden Prozesse und Richtlinien erarbeitet. So gibt
10 Interview mit Michael Buck, Christian Lüdi und Ralf Maltzen
Lüdi: Auch wir haben Guidelines, zum Beispiel zum Schreiben eines Blog-Artikels und
zu unserem Wording in sozialen Medien. Darüber hinaus geben wir Tipps. Wir wollen
unsere Mitarbeiter sensibilisieren, rufen sie aber auch zum Mitmachen auf.
Lüdi: Probleme gab es eigentlich nicht wirklich. Wir haben allerdings vor einiger Zeit
eine Krise selber ausgelöst. Als wir unsere Markenneupositionierung kommunizierten,
störten sich sehr viele Menschen an dem neuen Logo von Swiss International Air Lines.
Wir traten dem entgegen, indem wir Hintergrundinfos bereitstellten und sogar einen
Chat mit unserem CCO durchführten. Nach einer Woche hatte sich das Thema dann
wieder gelegt. Es gibt natürlich immer wieder kritische Stimmen in sozialen Medien, die
mit unseren Produkten oder Services nicht zufrieden sind. Wir betrachten dies aber als
Chance, den Fehler wiedergutzumachen. In den meisten Fällen gelingt das auch. In den
anderen Fällen lässt sich das auch sonst nicht lösen.
Buck: Kritisch wird es meist nur dann, wenn überambitionierte Mitarbeiter sich im
Namen des Unternehmens engagieren und es keine verbindlichen Regeln und gezielten
Trainings gibt. Dies ist mit dem Risiko behaftet, dass die Marke nicht klar erkenntlich ist
oder rechtliche Risiken eingegangen werden. Das kann aber, wie bei Dell geschehen,
durch gute Schulung und klare Regeln vermieden werden.
Maltzen: Soziale Medien erfordern Transparenz in jeglicher Form. Wir dürfen also den
Nutzern dieser Medien nicht den „Mund verbieten“. Interessant ist: Kommt es einmal zu
unsachlicher Kritik, beobachten wir einen „Selbstreinigungseffekt“ im Web: Andere
Nutzer reagieren ausgleichend und versachlichen die Diskussion.
Social Branding – Unternehmen wollen am digitalen Marken-Stammtisch sitzen 11
Maltzen: Wie im richtigen Leben müssen wir nicht nur bekannt sein, sondern auch ge-
mocht beziehungsweise „gewollt“ werden. Hierfür haben wir quantitative internationale
KPIs entwickelt.
Lüdi: Wir messen unseren Erfolg vor allem qualitativ. Das heißt, wir schauen uns an, wel-
che Themen die Fans interessieren und welche nicht. Wir setzen uns zudem mit ihrer
Stimmung auseinander und versuchen, diese möglichst hochzuhalten. Uns ist vor allem
an einer qualitativ guten Community gelegen. Die Größe der Community ist für uns wich-
tig, aber nicht entscheidend. Seit einiger Zeit tracken wir zudem die Verkaufszahlen via So-
cial Media. Diese sind – verglichen mit der Homepage – noch gering, wachsen aber stetig.
Buck: Wir setzen auf klassisches Brandtracking, Net-Sentiment-Analysen und Engage-
ment-Scoring. Dabei vergleichen wir die Performance sozialer Medien auch mit der
anderer Medien. Wie effektiv sind unsere Aktivitäten, wie gut funktionieren unsere Pro-
gramme und wie nachhaltig verändert sich der Wert unserer Marke im Bewusstsein
unserer Kunden? Unsere Erfolgsmessung gibt Antworten auf diese Fragen.
Lüdi: Die Betreuung sozialer Medien kann sehr zeitintensiv werden. Von daher ist es
wichtig, ausreichend Ressourcen zu haben. Darüber hinaus sind gutes Zuhören, eine
konstruktive Auseinandersetzung mit den Anliegen der Fans und Geduld erforderlich.
Maltzen: Nicht verkaufen – unterhalten! Die Erfahrung zeigt, dass wir besonders positi-
ves Feedback erhalten, wenn wir unsere Fans unterhaltsam involvieren. Umgekehrt mer-
ken wir, dass Social Commerce in unserer Branche noch in den Anfängen steckt.
Buck: Das sehe ich genauso. Trial und Error ist ein probates Mittel, neue Entwicklungen
zu testen und gegebenenfalls für sich zu nutzen. Leider gibt es kein Patentrezept, aber
sicherlich haben sich über die Zeit einige Erfolgsfaktoren herauskristallisiert. Zuhören
und den Dialog zu suchen erscheint mir wichtig, um das Social Branding kontinuierlich
zu verbessern.
Lüdi: Aus meiner Sicht steckt das Social Branding noch in den Kinderschuhen. Man
sieht dies am Trial and Error und an den Budgets beziehungsweise den zur Verfügung
stehenden Ressourcen. Großes Potenzial sehe ich in den Bereichen HR-Marketing, Mar-
ket Research und Idea Management. Location-based Services nutzen wir derzeit noch
nicht, da wir bis auf unsere Lounges keine Facilities am Boden haben. Mobile Solutions
sind für uns eine Selbstverständlichkeit. So haben wir bereits seit einiger Zeit eine sehr
populäre App, die wir permanent weiterentwickeln. Das ganze Thema Social Commerce
steht bei uns aktuell auf dem Prüfstand.
Buck: Hier sind wir bereits sehr aktiv. Dell verkauft schon seit einigen Jahren seine Pro-
dukte sehr erfolgreich über soziale Netzwerke. Wir sind deswegen so erfolgreich, weil es
uns gelungen ist, das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen. Voraussetzung hierfür ist, dass
der Verkauf nicht das primäre Ziel eigener Aktivitäten ist. Er sollte das Resultat der Din-
ge sein, die man tut. Mobile Commerce und Location-based Services werden sicherlich
eine wichtigere Rolle in der Zukunft spielen. Es wird hier aber noch so viele Entwicklun-
gen geben, so dass ich noch keine abschließende Bewertung abgeben kann.
Maltzen: Uns Automobilisten fasziniert natürlich alles rund um die individuelle Mobili-
tät. So schauen wir insbesondere auf Entwicklungen, die nah an unserem Kerngeschäft
liegen. Bereits heute nutzen wir so genannte Car-Floating-Data, um die Verkehrsinten-
sität zu bestimmen und vorherzusagen – so wissen andere Verkehrsteilnehmer, ob es
sinnvoll ist, gerade jetzt auf die Autobahn zu fahren oder eventuell noch zu warten. Mit
diesem Wissen können wir uns noch viele sinnvolle Anwendungen vorstellen.
Maltzen: Das Patentrezept gibt es aus unserer Sicht nicht. Wie beschrieben, erfordert
jede Situation eine individuelle Vorgehensweise. Daher helfen klassische Tugenden: Set-
Social Branding – Unternehmen wollen am digitalen Marken-Stammtisch sitzen 13
zen Sie sich ein klares, messbares Ziel. Erarbeiten Sie auf dieser Basis eine Strategie, wie
Sie das Ziel erreichen wollen, und leiten Sie entsprechende Maßnahmen ab.
Buck: Auf diesem Weg erscheinen mir sieben Dinge wichtig. Erstens: Lernen Sie Zuhö-
ren und akzeptieren sie Kundenmeinungen! Zweitens: Zeigen Sie Bereitschaft zu schwie-
rigen Entscheidungen! Drittens: Trainieren Sie Ihr Team hinsichtlich Interaktion und
Dialog! Viertens: Definieren Sie messbare Ziele! Fünftens: Passen Sie die Bewertung
Ihrer Mitarbeiter an und koppeln Sie hieran deren Bezahlung! Sechstens: Sorgen Sie für
Konsistenz an jedem Customer Touch Point! Siebtens: Bringen Sie Geduld mit!
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung.................................................................................................................................... 16
2 Die Rolle der sozialen Medien ................................................................................................. 17
3 Die neue Rolle der Marke......................................................................................................... 17
4 Die neue Rolle der Markenführung ........................................................................................ 18
4.1 Veränderung der Machtverhältnisse und Verlust der Kontrolle ........................ 18
4.2 Einbezug von Konsumenten in die Markenführung ............................................ 19
5 Sicherstellung eines Equilibriums in der Markenführung .................................................. 22
5.1 Balance zwischen den Anspruchsgruppen der Marke.......................................... 22
5.2 Balance zwischen Markenstrategie und Markenimplementierung .................... 23
5.3 Balance zwischen Markenstärke und Markenrisiko ............................................. 23
5.4 Balance zwischen internen und externen Markenbeziehungen.......................... 24
6 Zusammenfassung..................................................................................................................... 25
6.1 Implikationen für die Unternehmenspraxis........................................................... 25
6.2 Implikationen für die Forschung ............................................................................. 27
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 27
_______________________
Prof. Dr. Tim Oliver Brexendorf ()
WHU – Otto Beisheim School of Management, Henkel Center of Consumer Goods,
Burgplatz 2, 56179 Vallendar, Deutschland
e-mail: tim.brexendorf@whu.edu
Prof. Dr. Sven Henkel ()
Universität St. Gallen, Center for Customer Insight, Bahnhofstr. 8, 9000 St. Gallen, Schweiz
e-mail: sven.henkel@unisg.ch
„Markenführung beinhaltet, dass Unternehmen mit ihren Marken eine wertsteigernde und proaktive
Strategie verfolgen. Bevor man darüber nachdenkt, Konsumenten an der Führung der Marke teilhaben
zu lassen, sollte man sehr kritisch prüfen, inwieweit und in welchem Umfang Konsumenten die eigene
Markenstrategie unterstützen.“ Prof. Dr. Tim Oliver Brexendorf
1 Einleitung
Die Konsumenten sind durch die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und des
Informationsaustauschs zunehmend aufgeklärter und in höherem Maße miteinander
vernetzt. Durch die Entwicklung sozialer Medien sind Menschen medial enger mitein-
ander verbunden als je zuvor. Sie erstellen Inhalte und tauschen diese interaktiv über
soziale Medien aus. Kaplan und Haenlein beschreiben soziale Medien daher als „group
of Internet-based applications that build on the ideological and technological founda-
tions of Web 2.0, and that allow the creation and exchange of user-generated content“
[28]. Die Entwicklung des Internets und verwandter Technologien hat damit auch neue
Möglichkeiten geschaffen, Meinungen und Erfahrungen über Marken und Produkte
auszutauschen und zu bewerten (vgl. [10]). Marken und ihre Konsumenten sind somit
durch eine Vielzahl von Beziehungen und Kontaktpunkten miteinander verbunden
(vgl. [4]). Der Wunsch der Konsumenten nach stärkerer Interaktion mit dem Unter-
nehmen wird durch soziale Medien gestärkt. Einige Verbraucher sind daran interessiert,
die Ausrichtung und Bedeutungsinhalte der Marke aktiv mitzugestalten (vgl. [12]), an
der Produktgestaltung teilzuhaben (vgl. [42]) und an der Kommunikation der Marke
mitzuwirken.
Social-Media-Plattformen bieten für Unternehmen gleichzeitig die Möglichkeit, Kon-
sumenten individuell anzusprechen und einen interaktiven Austausch zu initiieren. Sie
ermöglichen die Erstellung und Verbreitung von Markeninhalten an interessierte Kon-
sumenten sowie die Verbreitung dieser Inhalte der Konsumenten untereinander (vgl.
[18]). Soziale Medien werden neben klassischen Medien wie der Werbung von vielen
Unternehmen ergänzend zum Aufbau starker Marken genutzt.
Starke Marken bieten Konsumenten einen funktionalen und symbolischen Nutzen. Der
funktionale Nutzen einer Marke umfasst sämtliche Nutzendimensionen, die sich aus
den physikalisch-technischen Merkmalen der Marke ableiten lassen. Der funktionale
Nutzen von Marken hat sich über die Zeit zunehmend angeglichen. Dennoch ist er
mehr denn je für den Aufbau und die Entwicklung einer Marke notwendig, da sich
Konsumenten online über die Zweck- und Funktionserfüllung verschiedener Marken
austauschen (vgl. [19]). Der Erfolg von Marken bei Konsumenten beruht jedoch nicht
allein auf dem funktionalen Markennutzen, sondern in hohem Maße auch auf der sym-
bolischen Bedeutung der Marke. Von einem symbolischen Nutzen wird gesprochen,
wenn eine Marke neben ihrer funktionalen Nutzenstiftung dem Konsumenten einen
zusätzlichen Nutzen bietet, der sich nicht direkt aus den Markenleistungen und deren
objektiv-technischer Beschaffenheit ableiten lässt. Eine bedeutsame Funktion nimmt
hierbei der soziale Nutzen ein. Der soziale, meist extrinsisch geprägte Nutzen ist weni-
18 Tim Oliver Brexendorf, Sven Henkel
ger stark an die physische Markenleistung gekoppelt, sondern äußert sich als Antwort
auf Bedürfnisse nach sozialer Gruppenzugehörigkeit, externer Wertschätzung durch
andere Menschen und insbesondere externer Selbstdarstellung. Marken selbst haben
sich zu einer kulturellen und sozialen Plattform entwickelt (vgl. [34]). Der Konsum von
Marken wird für einige Konsumenten zum „sozialen Verbindungselement“. So heben
O’Guinn und Muniz hervor:
„Brands are social creations, and this reality has never been more important. Brands are not just names
of things, but increasingly an important part of the social fabric and centers of social organization.“ [43]
Durch die Nutzung der sozialen Medien und neuer Technologien hat sich die Machtpo-
sition zwischen Unternehmen und Konsument verlagert. Die zunehmende Vielfalt und
Stärkung der Konsumenten bietet somit auch erhebliche Herausforderungen für die
Markenführung (vgl. [31]).
Konsumenten informieren sich über die Marke heutzutage über viele Medienkanäle, die
nicht durch das Unternehmen kontrolliert werden können (vgl. [16], [45]). Einige Kon-
sumenten erstellen eigene – positive wie negative – Markeninhalte und machen diese
über das Internet und soziale Netzwerke omnipräsent. Dies geschieht nicht immer zur
Freude des Markenmanagements. Unternehmen stehen somit mit ihren Konsumenten
im Wettbewerb darüber, wer die Ausrichtung und Inhalte der Marke definiert (vgl. [24]).
So betonen Fournier und Avery:
„Brand marketers no longer controlled the reach of their messages, consumers did“ [18].
Die Stärke einer Marke werde – so einige Autoren – außerhalb der direkten Kontrolle
der Markenführung geschaffen (vgl. [7], [32]). Diverse Marketingforscher sowie Marke-
tingpraktiker sehen – insbesondere bedingt durch die Entwicklung und Nutzung sozialer
Medien – eine Verschiebung hinsichtlich der Rolle und Bedeutung der Markenführung
(vgl. [6], [41], [46]). Die Logik der Markenführung habe sich von einer unternehmens-
orientierten hin zu einer gemeinschaftlichen, anspruchsgruppenübergreifenden Wertge-
Steuern die Markenmanager oder die Konsumenten die Marke? 19
nerierung entwickelt. Diese Entwicklung der Markenlogik beinhaltet ein neues Ver-
ständnis darüber, wie der Wert einer Marke gesteigert werden kann (vgl. [41]).
Einige Forscher fordern daher einen stärkeren Kundenbezug in Theorien und Kon-
zepten der Markenführung (vgl. [2]) und befürworten eine Verschiebung hin zum Kun-
denmanagement. Einige Autoren heben hervor, dass Konsumenten in hohem Maße am
Aufbau und an der Entwicklung der Marke teilhaben wollen, und sprechen bereits von
„participation“ (vgl. [26]) oder „brand co-creation“ (vgl. [23]). Diese Entwicklungsten-
denz erfordert ein neues Verständnis der Marke und der Führung der Marke.
Bezieht man Kunden in die Markenführung ein, so stellt sich zunächst die Frage, in wel-
chem Umfang und in welcher Art und Weise dies geschehen kann.
Im Allgemeinen kann der Umfang der Integration zwischen „Geschlossenheit“ auf
der einen Seite und „Offenheit“ auf der anderen Seite liegen (vgl. Abb. 1). Markenfüh-
rung in der traditionellen Auffassung erfolgt auf Grundlage eines relativ geschlossenen
Ansatzes: Das Unternehmen als Eigentümer der Marke übermittelt Werte, Bedeutung
und Inhalte der Marke an die Anspruchsgruppen – insbesondere die Konsumenten. Alle
durch die Marke repräsentierten Leistungen werden weitestgehend durch das Unter-
nehmen gesteuert. Das Unternehmen agiert aktiv, der Konsument reagiert. Die Marken-
führung ist damit unternehmensdominiert und -gesteuert. Ein Beispiel für diese Form
der Markenführung stellt Microsoft dar, die ihre Marke in den letzten Jahrzehnten sehr
übermielnd evolvierend
gerichtet generativ
produziert miterstellt
dominant geführt haben. Bernoff und Li heben in diesem Zusammenhang hervor, dass
Kundenorientierung in der traditionellen Auffassung der Markenführung eher ein
Schlagwort war denn gelebte Philosophie (vgl. [6]).
Die konsumenten- und offen gesteuerte Markenführung auf der anderen Seite des
Kontinuums zielt darauf ab, die Konsumenten der Marke in die Aktivitäten der Marken-
führung einzubeziehen. In diesem Fall ist die Marke nicht proprietär und die Nutzer
stellen die Produzenten dar. Ein Beispiel für diese offene Form der Markenführung stellt
die Marke Linux dar. Bei Linux wurden die Leistungen von einer Community in einem
offenen System ständig überarbeitet, überprüft und verbessert und zur Nutzung für an-
dere Personen freigegeben.
Zwischen diesen beiden Polen existiert eine Vielzahl von Möglichkeiten der Integra-
tion von Konsumenten in Markenführungsaktivitäten. Die grundlegende Idee einer Par-
tizipation der Konsumenten an der Markenführung berücksichtigt die Vernetzung und
Interaktivität aller Anspruchsgruppen der Marke (vgl. [26]). Personen in virtuellen Ge-
meinschaften stellen Fragen und geben anderen Community-Mitgliedern Ratschläge zur
Marke. Dadurch können virtuelle Community-Mitglieder als unentgeltliche Fürsprecher
und Förderer der Marke dienen (vgl. [4]).
Innerhalb einer partizipativen Markenführung ist die Beziehung zwischen Marke und
Konsument partnerschaftlich geprägt. Die Beziehungsqualität zwischen Markenunter-
nehmen und Konsument wird wechselseitig gestärkt. Eine partizipative Führung der
Marke ist insbesondere dann möglich, wenn die Marke sowohl für das Unternehmen als
auch für die Konsumenten eine hohe Bedeutung besitzt. Denn nur wenn die Marke für
die Konsumenten von Relevanz ist, sind diese bereit, sich an der Führung der Marke zu
beteiligen (vgl. Abb. 2).
Entscheidet man sich als Markenunternehmen für eine partizipative Markenfüh-
rung, stellt sich weiterhin die Frage nach der Art und Weise der Partizipation – wo
sollen nun die Konsumenten an der Markenführung mitwirken? Als Grundlage für eine
erste Annäherung lässt sich ein verkürzter Markenführungsprozess heranziehen (vgl.
Abb. 3).
Markenhersteller können Konsumenten entlang dem Markenführungsprozess integ-
rieren. Jede Form der Integration sollte jedoch gut überlegt sein, da Unternehmen durch
die Integration einen Teil ihrer Markenführungshoheit an den Konsumenten abgeben.
Integriert man Konsumenten in die Markenleistungsprozesse (z. B. Verpackungsgestal-
tung) oder Markenkommunikation (z. B. Erstellen einer Markenkampagne), so ist die
Integration im Allgemeinen von begrenzter Dauer, vielfach weniger risikoreich und
besitzt häufig keine sehr weitreichenden Konsequenzen für die Ausrichtung der Marke.
Die Beteiligung von Konsumenten an der Positionierung und der Identität der Marke
würde jedoch den Kern der Führung einer Marke betreffen. Eine Beteiligung von Kon-
sumenten hieran sollte sehr kritisch geprüft werden, da man hier Zugang und Transpa-
renz zu strategischen Aspekten der Marke offenbaren müsste. Die Integration von Kon-
sumenten in die Markenführung sollte daher insbesondere hinsichtlich des Mehrwerts
und des Risikos für das Unternehmen betrachtet werden.
Steuern die Markenmanager oder die Konsumenten die Marke? 21
hoch
Unternehmensgesteuerte
Partizipative Marken
Marken
Die Beziehung zwischen
Die Beziehung zwischen
Marke und Konsument ist
Marke und Konsument wird
partnerschalich geprägt
durch die Marke kontrolliert
Die Beziehungsqualität wird
Die Beziehungsqualität ist
wechselseitig verstärkt
markendominant
Bedeutung der
Marke
für das
Unternehmen Konsumentengesteuerte
Commodities
Marken („open source“)
Die Beziehung zwischen
Die Beziehung zwischen
Marke und Konsument wird
Marke und Konsument wird
durch die Marke kontrolliert
durch die Marke kontrolliert
Die Beziehungsqualität ist von
Die Beziehungsqualität ist
geringer Bedeutung
konsumentendominant
gering
Abb. 2 Art der Markenführung bezogen auf die Bedeutung für das Unternehmen und die Kon-
sumenten (Quelle: in Anlehnung an [9], S. 950)
Bewertung hinsichtlich
Mehrwert und Risiko der Integration (Warum?)
Art der Stakeholder-/Ziel-Gruppe (Wen?)
Art und Weise der Integration (Welche Bereiche?)
Umfang der Integration (Wie weit?)
Dauer der Integration (Wie lange?)
Struktureller und kultureller Konsequenzen (Welche Konsequenzen?)
Trotz – und in vielen Fällen gerade wegen – der Nutzung von sozialen Medien und der
Integration von Konsumenten in markenrelevante Prozesse berichten Unternehmen
von Rückschlägen für ihre Marke. Nur wenige Unternehmen, die soziale Plattformen
für ihre Markenführung nutzen, können sichtbare Erfolge – trotz einer erhöhten Anzahl
von „Freunden“ und „Followern“ – verzeichnen. Autoren wie Keller weisen auf die
Gefahr hin:
„Marketers should acknowledge that undesirable branding effects can occur whether the brand is enga-
ged in a social media campaign or not.“ ([31], S. 40)
Aktivitäten von Marken in den sozialen Medien allein reichen nicht, um erfolgreich
zu sein. Vielfach sind Aktivitäten von Marken in den sozialen Medien auch nicht will-
kommen. Ein allzu offensives Vorgehen der Unternehmen kann das Gegenteil der ge-
wünschten Wirkung auslösen: Die Communities wenden sich demonstrativ von der
Marke ab und Konsumenten teilen ihre Abneigung anderen Konsumenten mit. Da
Communities ihre positive Wirkung gerade aufgrund ihrer Autonomie entfalten, sollte
diese weitestgehend bewahrt werden. Autonome Kommunikation und Interaktion zwi-
schen den Mitgliedern des sozialen Netzwerks sollte gefördert werden (vgl. [47]). Soziale
Netzwerke wurden nicht für Unternehmen entwickelt, um das Image von Marken auf-
zubauen und zu stärken (vgl. [18]).
Die Nutzung von und der Umgang mit sozialen Medien sollten daher mit Bedacht er-
folgen. Die Markenführung muss in zunehmendem Maße verschiedenste Interessen bei
der Führung der Marke berücksichtigen, die Markenstrategie und -implementierung
harmonisieren, Markenrisiken und -chancen abwägen sowie externe und interne Mar-
kenbeziehungen koordinieren. Markenführung erfordert somit auch das Management
von „trade-offs“ und die Herstellung von Gleichgewichten (vgl. [33]).
„Social media make it more urgent than ever that companies get the basics right, developing and reli-
ably delivering on a compelling brand promise.“ [5]
Der Schwerpunkt der Markenführung liegt im Aufbau der Markenstärke und des Mar-
kenwerts. Die Stärke einer Marke beruht auf einer Relevanz der Marke für den Kon-
sumenten und einer Differenzierung gegenüber der Konkurrenz. Eine Integration von
Konsumenten beinhaltet das Risiko, die Unterscheidbarkeit gegenüber Konkurrenz-
marken zu verlieren, da durch einen offenen Zugang und Transparenz Geschäftspro-
zesse kopiert werden können. Weiterhin besteht die Gefahr, dass das Markenmanage-
24 Tim Oliver Brexendorf, Sven Henkel
ment die Kontrolle über die Führung der Marke verliert. Auch die Glaubwürdigkeit
und die Authentizität einer Marke können durch dauerhafte Integration von Konsu-
menten geschädigt werden (vgl. [23]).
Für Markenmanager ist es daher bedeutsam, die Gefahren und Risiken für die Mar-
ke zu identifizieren (vgl. [31]). Bisher war das Risikomanagement nicht nur selten Be-
standteil der Markenführungsfunktion. Markenmanager sind vielfach nicht ausgebildet,
Risiken für ihre Marke zu bewerten sowie den Umgang mit Risiken zu steuern und zu
kontrollieren und besitzen geringe Kenntnisse über Risikokonzepte (vgl. [18]). Die Ent-
wicklung von geeigneten Kennzahlen, die helfen, Risiken zu bewerten, ist daher drin-
gend erforderlich. Für die zukünftige Markenführung ist es von hoher Bedeutung, den
Mehrwert und das Risiko aller zum Aufbau der Marken durchgeführten Aktivitäten
abzuwägen.
Die Aufgabe des Markenmanagers ist es, die langfristige Markenstrategie zu planen und
Marketingkampagnen zu entwickeln, die die Bekanntheit, das Image und die Bindung
der Konsumenten an die Marke erhöhen (vgl. [36]). Markenmanager sind die zentralen
Koordinatoren aller Marketingaktivitäten für ihre Marke und verantwortlich für die Ent-
wicklung und Umsetzung der Marketingpläne (vgl. [37]). Der Markenmanager koordi-
niert die internen Schnittstellen Verpackung, R&D, Produktion etc., um marktfähige
Marken und Produkte zu entwickeln. Die Aktivitäten zum Aufbau einer starken Marke
waren in den letzten Jahren vielfach darauf beschränkt, Kampagnen zu entwickeln und
umzusetzen, die auf klassische Werbung, PR und Promotion bezogen waren. Die traditi-
onelle übermäßige Abhängigkeit der Markenführung von der Marketingkommunikation
und die Fokussierung auf Medien, die lediglich eine Kommunikation von Marke zu
Konsument ermöglicht hat, führten dazu, dass die Führung vieler Marken in hohem
Maße auf eine One-way-Kommunikation ausgerichtet war. Die interaktive Kommunika-
tion und das hohe Informationsbedürfnis der Konsumenten tragen jedoch zunehmend
dazu bei, dass Markenmanager sich stärker den externen Markenbeziehungen und der
Kommunikation der Konsumenten untereinander widmen müssen.
Wenn Unternehmen zunehmend permeable Grenzen besitzen und Konsumenten in
die Markenführung einbeziehen, ermöglicht dies eine vereinfachte Wissensaufnahme
(vgl. [26]). Der Zugang und die zunehmende Transparenz, die Unternehmen den Kon-
sumenten gewähren, führen zu einem erhöhten Austausch zwischen unternehmensin-
ternen Abteilungen sowie zwischen Konsumenten und unternehmensinternen Prozes-
sen. Für Markenmanager ist es daher zunehmend notwendig, interne und externe
Anspruchsgruppen der Marke zu koordinieren.
Steuern die Markenmanager oder die Konsumenten die Marke? 25
6 Zusammenfassung
Unternehmen müssen die Notwendigkeit erkennen, sich verstärkt gegenüber den An-
sprüchen der Konsumenten und weiteren Anspruchsgruppen zu öffnen. Dies führt ver-
schiedenen Autoren zufolge zur „Entmachtung des Markenmanagers“. So betonen Four-
nier und Avery:
Bedeutsam für den Erfolg einer Marke ist nach Barwise und Meehan richtigerweise die
Fähigkeit zur Markenführung:
„The rise of social media makes it more important than ever to get the branding fundamentals right.“ [5]
Dennoch müssen Unternehmen die „Spielregeln“ von sozialen Medien erkennen und
für sich nutzen. Für viele Unternehmen und Markenmanager handelt es sich bei Social
Media um ein neues, für das Unternehmen in seiner Funktionsweise noch unbekanntes
Medium, für das häufig keine Erfahrungswerte existieren.
Selbst wenn das Markenunternehmen eine Strategie für den Umgang mit Social Me-
dia besitzt, ist es nicht gleichzeitig in der Lage, von den Vorteilen zu profitieren. Partizi-
pative Markenführung erfordert ein unternehmensweites Umdenken und die Bereit-
schaft, sich stärker an den Konsumenten auszurichten, ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen
und zeitnah zu befriedigen. Die Nutzung sozialer Medien für die Markenführung bedarf
nicht nur der Veränderungen im Mindset der Markenmanager, sondern auch inneror-
ganisatorischer Anpassungsprozesse. Diese führen in Organisationen oftmals zu Wider-
stand (vgl. [6]). So bedarf bspw. eine Fanseite auf Facebook einer dauerhaften Betreuung
und Pflege. Markenmanager können diese Funktion vielfach aufgrund zeitlicher und
26 Tim Oliver Brexendorf, Sven Henkel
inhaltlicher Restriktionen auf Dauer nicht erbringen. Daher müssen engere Verknüp-
fungen zwischen dem Markenmanagement und den Dienstleistungscentern, die in di-
rekten Kontakt mit den Konsumenten in den sozialen Medien treten, hergestellt werden.
Unternehmen benötigen klare Richtlinien für den unternehmensspezifischen Umgang
mit Social Media.
Viele Markenmanager nutzen heute einen für sie häufig noch unbekannten Kommu-
nikationskanal zum Aufbau ihrer Marke. Bereits Low und Fullerton (vgl. [37]) haben
ausgeführt, dass Markenmanager oft nicht über die geeigneten Fähigkeiten verfügen, um
Marken zu managen. Für Unternehmen ist es daher von großer Relevanz, dass sich Mar-
kenmanager im digitalen Marketing weiterbilden und Kompetenzen aufbauen. Viele
Unternehmen der Konsumgüterindustrie wie Nestlé, Henkel oder Procter & Gamble
haben in den letzten Jahren Abteilungen aufgebaut, die auf das digitale Marketing spe-
zialisiert sind und das Markenmanagement in der Umsetzung von Social-Media-Maß-
nahmen unterstützen. Ein übergreifender Kompetenzaufbau von Markenmanagern ist
jedoch zwingend notwendig.
Die meisten Schwierigkeiten bereiten den Markenmanagern die spezifischen Eigen-
schaften des Social Web. Der Verlust einer absoluten Kontrolle über die Markenkom-
munikation und die Unsicherheit im Umgang mit den sozialen Netzwerken stellen viel-
fach die größten Hürden dar. Des Weiteren verändert die Nutzung sozialer Medien die
bestehenden Aufgabenbereiche des Markenmanagers. Markenmanager müssen aller-
dings die Fähigkeit zum Umgang mit sozialen Medien und eine entsprechend positive
Einstellung dazu besitzen. Die Kompetenz von Markenmanagern, ihre Marken erfolg-
reich zu managen, ist daher in vielerlei Hinsicht weiterzuentwickeln. Markenmanager
müssen heute über ein breiteres und tieferes Wissen über die Marke, die Medien und die
Vielfalt der potenziellen Zielgruppen verfügen als in der Vergangenheit.
Coupland betont in diesem Zusammenhang, dass Konsumenten nicht immer zweck-
gerichtet an der Entwicklung von Markeninhalten interessiert sind (vgl. [12]). Auch
Keller (vgl. [30]) hebt kritisch hervor, dass nur ein Teil der Konsumenten für eine be-
stimmte Zeit den Austausch mit Marken sucht, die sie im täglichen Leben nutzen und
an deren Entwicklung sie sich beteiligen möchten. Aus einer managementorientierten
Perspektive sind die Consumer Insights ohnehin seit jeher bei jeder Markenführungs-
entscheidung zu berücksichtigen, da die Konsumenten mit die entscheidendsten Stake-
holder des Unternehmens darstellen. Bedeutsam ist allerdings, dass das Markenma-
nagement relevante Aussagen der Konsumenten über die Marke herausfiltert (vgl. [31]),
wobei die lautesten Klagen von Konsumenten nicht immer die für die Führung der
Marke maßgeblichsten sind.
Die Integration und Beteiligung der Konsumenten am Markenaufbau stellt daher ein
Dilemma in der zeitgenössischen Markenführung dar: Auf der einen Seite kann die In-
tegration von Konsumenten die Marke aktualisieren, eine Beziehung zum Konsumenten
aufbauen oder vertiefen. Soziale Medien können die Markenbekanntheit erhöhen und
das Markenimage stärken – insbesondere dann wenn die Markenkampagne sich viral
Steuern die Markenmanager oder die Konsumenten die Marke? 27
ausbreitet. Auf der anderen Seite können Konsumenten das Image der Marke schädigen
und dadurch den Erfolg einer Marke in hohem Maße beeinträchtigen.
„Though the brand manager system as we know it could come to an end, brand management itself
almost certainly will continue to thrive.“ [37]
Literaturverzeichnis
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national Journal of Research in Marketing, 28(2), S. 89–102.
Demokratisierung in der Markenführung 3
Mani Pirouz, Andreas Vill
Inhaltsverzeichnis
_______________________
Mani Pirouz ()
Humboldtstraße 29, 69229 Nußloch, Deutschland
e-mail: mpirouz@salesforce.com
Andreas Vill ()
Willy-Brandt-Straße 51, 20457 Hamburg, Deutschland
e-mail: av@anythingabout.de
„Social Branding ist die Antwort auf die wachsende Demokratisierung der Markenführung.“
Andreas Vill
„Wir brauchen asap eine Facebookseite!“ – So oder so ähnlich schallt es durch die Flure
vieler Unternehmen, wenn es um den Einsatz sozialer Netzwerke für die Markenkom-
munikation geht. Aber warum ist die Wirtschaft so heiß auf den Einstieg in die Welt der
Netzwerker? Es ist kein Geheimnis: Unternehmen wie Coca Cola und das Buchwunder
Harry Potter beispielsweise haben es über Social Branding geschafft, über 40 Mio. Fans
auf Facebook zu versammeln. Täglich werden mehr als eine Milliarde Facebook-Updates
und 200 Mio. Twitter-Nachrichten produziert – darunter viele Diskussionen über Mar-
ken und Produkte. Das Social Web ist ein Dateneldorado für Marketingexperten. Öffent-
liche Internetdiskussionen lassen sich beobachten, analysieren und beeinflussen, Mei-
nungsführer identifizieren und Marketingerfolge präzise messen.
Laut den Ergebnissen einer Befragung von McKinsey & Company unter 4.400 Unter-
nehmen (vgl. [1]) müssen bei der Ermittlung des Beitrags sozialer Netzwerke zum Un-
ternehmenserfolg zwei Dimensionen unterschieden werden: die unternehmensinterne
Vernetzung und die externe Anbindung. Zwar liefern beide Dimensionen für sich ge-
nommen eine messbar gesteigerte Produktivität, doch signifikant wird der Effekt erst bei
Unternehmen, die sowohl unternehmensintern als auch zum Kunden hin die soziale
Vernetzung nutzen. Neben strukturellen Verbesserungen bei Zusammenarbeit und Wis-
sensmanagement konnten im Rahmen der Studie auch monetäre Auswirkungen auf
Marktanteil und Profitabilität nachgewiesen werden. Die praxisorientierte Betrachtung
von Social-Branding-Strategien lässt sich unter Berücksichtigung der beiden oben ge-
nannten Dimensionen strukturierter betrachten.
Aber welche Voraussetzungen muss ein Unternehmen schaffen, um eine professio-
nelle Marken- und Kommunikationsstrategie im Social-Media-Zeitalter zu implementie-
ren? Welche neuen Gesetzmäßigkeiten gilt es zu berücksichtigen? Und warum darf die
„Herrschaft des Volkes“ in den jungen und virtuellen „Staaten“ namens Facebook, Twit-
ter und Co. niemals unterschätzt werden? Der folgende Beitrag liefert praxisnahe Ant-
worten für diejenigen, die mehr bewegt als ein „Like“-Button.
Die simple Formel, dass hohen Werbeausgaben auch eine hohe Markenbekanntheit
gegenübersteht, gilt nicht mehr in Zeiten, in denen die Marke von vielen geprägt wird,
Demokratisierung in der Markenführung 33
nicht nur von Markeninhabern. Was hat sich verändert? Der leichte Zugang zu den Ver-
breitungsmedien. Communities mit Millionen von Mitgliedern oder Videokanäle, auf
die online zugegriffen werden kann, stehen Privatpersonen und Unternehmen jeder
Größe ohne Zutrittsbarrieren als Kommunikationswege zur Verfügung. Während dies
für Konzerne einen Verlust hinsichtlich ihres historisch doch recht exklusiven Zugangs
zu Massenmedien einbringt, bedeutet es insbesondere für kleine und mittlere Unter-
nehmen die Chance, Markenbildung auf Augenhöhe mit Großfirmen zu betreiben. Ge-
rade für schnell wachsende Start-ups ist schnell etablierter Markenwert oft eine wesent-
liche (Finanzierungs-)Quelle für das rasante Unternehmenswachstum. Beispiel für einen
hohen Social-Brand-Wert ist Facebook, dessen Unternehmenswert im Januar 2011 auf
50 Mrd. US-Dollar taxiert wurde (vgl. [3]). Auch das Online-Angebotsforum Groupon,
immerhin das derzeit am schnellsten wachsende Unternehmen aller Zeiten (vgl. [4]), hat
seine Markenverbreitung fast ausschließlich über soziale Kanäle erzielt.
Bevor sich ein Unternehmen Gedanken darüber macht, welche Social-Branding-
Maßnahmen zum eigenen Profil passen, gilt es, die neuen Gesetzmäßigkeiten in der
Kommunikation zu beleuchten, einer Kommunikation, die sich durch einen direkt-
demokratischen Charakter auszeichnet.
3 In den „Staaten“ des Social Web gilt die Herrschaft des Volkes
Österreichern von Red Bull (vgl. [6], Stand 09/2011). Was früher nur in der Clique, im
Sportverein, in der Schule oder am Arbeitsplatz einer Handvoll Mitmenschen mitgeteilt
wurde, wird heute im Social Web veröffentlicht – mit nachhaltiger Wirkung und nicht
nur für die 130 Freunde, die ein durchschnittliches Facebook-Mitglied hat (vgl. [7]).
Jeder Post wird theoretisch von 130 Menschen wahrgenommen, von manchen weiter-
verbreitet und kommt so auf einige hundert Rezipienten. Ähnliche Multiplikatorwirkung
– manchmal als viraler Effekt bezeichnet – haben auch alle anderen sozialen Netzwerke,
Blogs und nicht zuletzt auch alle Websites, die einen „Teilen“-Knopf für diverse soziale
Netzwerke integriert haben. Manche Unternehmen haben zu Anfang die multiplikative
Wirkung ihrer Social-Media-Aktivitäten unterschätzt. Dies zeigt sich beispielsweise in
der Facebook-Kampagne von Henkel zu Pril, die im Frühjahr 2011 aufgrund falscher
Reaktionen des Unternehmens einen sogenannten „Shitstorm“ unter den Social-Media-
Nutzern hervorgerufen hatte. Wer stets glaubwürdig kommuniziert, kann diesen Multi-
plikator-Effekt, der im Gegensatz zur klassischen Werbung nicht extra bezahlt werden
muss, maximal für sich nutzen. Denn bekannte Marken und Produkte sind ohnehin
schon immer Gesprächsstoff unter Kunden und Interessenten.
Selbst das Spezialthema des Schleswig-Holsteiner Datenschützers zeigt diesen Effekt:
Der betreffende Spiegel-Artikel (vgl. [8]) war vier Tage nach seinem Erscheinungs-
datum am 24.08.2011 bereits 250 Mal in Facebook und 130 Mal in Twitter1 geteilt wor-
den. Das sind dann allein in erster Verbreitungs-Instanz theoretisch über 45.000 Brutto-
Kontakte.
Was haben Google+, Facebook, Xing, LinkedIn & Co. gemeinsam, außer ein soziales
Netzwerk zu sein? Den Beta-User! Neue Funktionen lassen allerdings nicht nur ihn oft
erst in einer kleinen – (vermeintlich) exklusiven – Kundengruppe testen. So werden be-
stimmte Nutzungs- und Verhaltensweisen, Wünsche an und nach neuen Funktionen und
Beurteilungen bestehender Anwendungen transparent. Trends werden frühzeitig erkannt,
weil die Early Adopters neue Features unter Realitätsbedingungen testen können.
Doch nicht nur für Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen ist das sogenannte
Trendscouting unter Kunden und Interessenten im Social Web Erfolg versprechend, um
ihre Produkte zielgruppengerecht zu spezifizieren und zu optimieren. Wo klassische
Marktforschung bisweilen zu aufwändig, teuer und nicht notwendigerweise repräsenta-
tiv ist, bieten Kunden und Fans von Unternehmen eine preiswerte Alternative für das
Trendscouting. Voraussetzung für eine ausreichende Teilnehmerschar ist allerdings ein
vorhandenes oder zumindest zeitgleiches Social Branding. Nicht nur in Facebook & Co.
1
Twitter-Pages haben im Schnitt 126 Follower.
Demokratisierung in der Markenführung 35
Der Ausspruch „Only bad news are good news“ gilt selten für Unternehmen, sondern
eher für die Boulevardpresse. Doch wie nachhaltig ein Social Brand mit positiven Asso-
ziationen belegt ist, zeigt sich meist erst bei schlechten Nachrichten. Hierbei ist nicht
ausschlaggebend, ob diese Nachrichten in sozialen oder traditionellen Medien ihren
Ursprung genommen haben. Manche Unternehmen schaffen es jedoch trotz schlechter
Nachrichtenlage, ihr gutes Image langfristig aufrechtzuerhalten. Dies wird als „Forgive-
ness“ bezeichnet.
Dies ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass Social Brands eine höhere Kun-
denbeteiligung an ihrem Unternehmen und insbesondere bei Produktentscheidungen
einfordern. Initiativen wie Ideenforen und Communities zur Bestimmung von Produkt-
ausrichtungen schaffen ein empathisches Markenbild und somit positives Markenkapi-
tal. Man kann sich das in etwa so vorstellen wie die Einzahlung auf ein Konto, denn
dieses Kapital steht zur Verfügung für eventuelle Krisenzeiten, in denen negative Trends
ausgeglichen werden müssen.
Interessant ist es, Unternehmen zu betrachten, die mit schlechten Nachrichten kon-
frontiert wurden, wie beispielsweise das Themenfeld Datenschutz & Privatsphäre. Viele
der modernen Technologiemarken, die unbestrittene Vorreiter für Social Brands sind
wie Apple, Google oder Facebook, sehen sich permanent den öffentlichen Angriffen von
Datenschützern gegenüber. Doch auch Einzelhandelsketten wie Schlecker sind in der
Vergangenheit für ihren Umgang mit der Privatsphäre ihrer Mitarbeiter gerügt worden.
Während Wachstum bei Umsatz- und Mitgliederzahlen starker Social Brands durch die
negativen Nachrichten nicht beeinträchtigt wurde, fiel die öffentliche Reaktion im Fall
Schlecker wesentlich drastischer aus und hat das Unternehmen seither auch wirtschaft-
lich in Schieflage gebracht (vgl. [10]).
Wer aus den vielen „Bürgern“ in den virtuellen Social-Media-Staaten Kunden und Fans
machen möchte, sollte sich deren neuer Rollenmodelle und Beteiligungsformen bewusst
werden. Für Unternehmen bedeutet dies auch ein Umdenken bei klassischen Kunden-
managementstrategien. Enthielten traditionelle Kundenprofile noch Name, Adresse,
Telefonnummer und E-Mail-Kontakt, ist es an der Zeit für eine Erweiterung der Sicht
auf Kunden und Interessenten. Echtzeit-Informationen aus öffentlich verfügbaren Daten
wie LinkedIn, Xing oder Twitter helfen, ein ganzheitliches Bild des Kunden zu erhalten.
Für Unternehmen ergibt sich über ein Kundenprofil ein leichterer Einblick in die für den
Kunden relevanten Themen. Zudem gibt ein soziales Kundenprofil Aufschluss über die
Reichweite von Kontakten – in der Werbung ein etablierter Wert – der auch hilft, indi-
viduelle Kontakte besser aufgrund ihres Netzwerkeinflusses zu bewerten. Ein soziales
Demokratisierung in der Markenführung 37
Ähnlich wie introvertierte Menschen verhalten sich auch manche Unternehmen, deren
Management sich in der internen wie auch der externen Kommunikation eher vorsichtig
und zurückhaltend zeigt – beispielsweise aus den Bereichen Lebensmittel-Einzelhandel
und Discounter sowie auch bei einigen erfolgreich introvertiert geführten Familienun-
ternehmen. Denn Offenheit und Transparenz in Unternehmen hängt vom Inhaber und
Management ab. Halten die sich bedeckt, strahlt das auf alle Mitarbeiter ab – Offenheit
und Transparenz bleiben auf der Strecke. Sie scheuen damit die Risiken, verzichten aber
bewusst auch auf die Potenziale eines von innen gelebten Social Brandings.
Glaubwürdigkeit, Authentizität und Vertrauen in Bezug auf Unternehmen und seine
Marken können sich Unternehmer und Manager leichter erarbeiten, indem sie zualler-
erst ihre Mitarbeiter einbinden. One-to-many- bzw. Top-down-Kommunikation über
Mitarbeiterzeitschriften und Intranet war gestern. Grundlage für die Etablierung eines
Social Brandings ist die interne soziale und hierarchieunabhängige Dialogkommunika-
tion auf Basis einer offenen Kritikkultur. Chefs müssen sich in den unternehmensinter-
nen Dialog einklinken und bei Bedarf für Mitarbeiter ansprechbar sein. Sie müssen den
Mitarbeitern Freiheiten in ihrer internen Kommunikation untereinander einräumen und
ihnen dafür auch die notwendigen Infrastrukturen bereitstellen.
Nur so können sie die Mitarbeiter motivieren, sich für Unternehmen, Marken sowie
Produkte authentisch zu begeistern und diese offene Begeisterung im zweiten Schritt
auch extern zu teilen. Denn nichts ist glaubwürdiger als Mitglieder einer Belegschaft als
„kostenlose“ Markenbotschafter für ein Unternehmen, das für seine Marken und Pro-
dukte ein Social Branding von der Basis her aufbaut.
Voraussetzung dafür sind einerseits freie Zugänge für Mitarbeiter zu gängigen so-
zialen Plattformen wie Facebook, Xing, Twitter & Co. – auch am Arbeitsplatz. An-
dererseits spielen aber auch unternehmensinterne Social-Networking-Tools wie Chatter
(salesforce.com), Yammer und Jive, die nach dem Many-to-many-Prinzip funktionie-
ren, eine wichtige Rolle. Oder gar E-Collaboration-Systeme wie SharePoint (Microsoft)
und CrowdLab (anythingabout), die neben inhaltlichem Dialog auch die Basis für
grenzüberschreitendes Wissensmanagement und Schwarmintelligenz (Crowdsourcing)
ermöglichen.
Die Wertschätzung von Fragen, Meinungen und Input der Mitarbeiter durch das Ma-
nagement bilden die Grundlage für ein positives Social Branding durch die Belegschaft.
38 Mani Pirouz, Andreas Vill
Diese wird motiviert, ihre Begeisterung und Expertise über Unternehmen und Marken
auch extern zu teilen – nicht nur in persönlichen Gesprächen, sondern auch nachhaltig
und multiplikativ in diversen sozialen Plattformen. Was und wie Mitarbeiter dort über
ihr Unternehmen sprechen dürfen, sollte in sogenannten Social-Media-Richtlinien vorab
geregelt werden. Idealerweise kristallisieren sich im Laufe der Zeit kommunikativ begabte
Kollegen heraus, die als offizielle Markenbotschafter oder Kommunikationsprokuristen
(vgl. [11]) eines Unternehmens das Social Branding mitgestalten.
Als Daimler 2007 seinen eigenen Corporate Blog startete, stieß dies auf Skepsis. Ein
globaler Automobilkonzern, bei dem jede Konzernnews wie bei allen Unternehmen
dieser Größe über die Schreibtische der Kommunikationsabteilung läuft, lässt die eige-
nen Mitarbeiter im Blog kommunizieren (vgl. [12]). Über ihren Job, Produkttests, das
Arbeitsumfeld und – das ist unverzichtbar – auch über manches medial unangenehm
diskutierte Thema.
Was damals einer Revolution gleichkam, hat sich heute für die Stuttgarter schon eini-
ge Male gelohnt. Inzwischen haben sie mithilfe der eigenen Mitarbeiter einen Social
Brand geschaffen, der bei Unternehmen dieser Größenordnung seinesgleichen sucht. So
wurde in manch kritischer Situation, wo Authentizität eine große Rolle spielt, auch
schon der Blog zum offenen und ehrlichen PR-Instrument. Beispielsweise konnte ein
ausführlicher Beitrag des Daimler Gesundheitsbeauftragten im Jahr 2009 unterstützend
die in Medien hochgeschwappte Kritik an vermeintlichen Bluttests bei Einstellungsun-
tersuchungen aus dem Weg räumen.
Der Corporate Blog ist hierfür nur ein Beispiel von vielen. Ein Corporate Social Brand
ergibt sich aus vielfältigen authentischen Unternehmensnachrichten in Twitter, Face-
book & Co. sowie in diversen anderen Blogs und sozialen Plattformen. Sind diese profes-
sionell gepflegt und etabliert, kann die Unternehmenskommunikation darauf aufsetzen
und direkt mit ihren Stakeholdern in den Dialog treten – und das auch außerhalb der
Medien. Doch inzwischen nutzen sogar manche (Online-)Journalisten Unternehmens-
nachrichten in sozialen Medien als veritable Recherchequelle.
Salamitaktik in der Kommunikation ist selten erfolgreich – eine Weisheit, die nicht erst
seit Karl-Theodor zu Guttenbergs stufenweisem Geständnis zu den Plagiatsvorwürfen in
seiner Doktorarbeit, das ihn letztlich das Ministeramt gekostet hat, hinlänglich bekannt
ist. Glaubwürdigkeit und Authentizität waren in der Kommunikation schon immer ent-
scheidend, sie sind es in Zeiten von Social Branding aber mehr denn je. In unserer im-
Demokratisierung in der Markenführung 39
mer komplexeren und offeneren Kommunikationswelt mit einer Flut von Medien, Bot-
schaften, sozialen Empfehlungen und Kritiken sind Vertrauen und Ehrlichkeit die
Grundlage für eine nachhaltige Reputation. Denn diese entscheidet über Interesse, Kauf,
Weiterempfehlung und Erfolg einer Marke. Jeder Versuch zu vertuschen, zu leugnen
oder gar zu lügen fliegt nicht zuletzt durch (soziale) Medien früher oder später auf und
wird zum rufschädigenden, teils vernichtenden, Bumerang. Insofern dürfen vollmundige
Versprechungen in der Werbung und reale Handlungen nicht zu weit auseinanderklaf-
fen. Werden Fehler oder Mängel erkannt, müssen sie möglichst schnell eingeräumt und
eine kundenorientierte Lösung geboten werden. Das ist nicht erst seit dem misslungenen
Elchtest der Mercedes A-Klasse und dem überwiegend folgerichtigen Krisenmanage-
ment der damaligen Daimler-Benz Kommunikationsabteilung bekannt (vgl. [2]).
Eine sinkende Wirksamkeit der Werbung zu Gunsten von Social Brands attestieren
immer mehr Studien. So belegte Nielsen schon 2009, dass die totale Glaubwürdigkeit von
Werbung in TV und Print mit nur 6–8 % weit hinter der von Empfehlungen bekannter
Personen mit 34 % zurückfällt.
Manche Unternehmen müssen erst lernen, ohne Kontrolle und Deutungshoheit über
die eigene Kommunikation auszukommen. Denn die haben sie längst verloren – an ihre
Mitarbeiter, Kunden, Partner und nicht zuletzt an die (sozialen) Medien.
Was zurückhaltende Unternehmen noch als Risiko betrachten, nutzen andere bereits
als Chance. Sie etablieren mit authentischen Inhalten, Personen und transparenter Dia-
logbereitschaft ihr glaubwürdiges Social Brand. Und das hält dann auch den einen oder
anderen Fehler aus, sofern dieser in der Kommunikation offen eingeräumt und gelöst
wird. Das hat sich wohl auch Karl-Theodor zu Guttenberg zu Herzen genommen: Mit
über 280.000 Fans (Stand 04/2012) führt er die Liste der (Ex-)Politiker auf Facebook an.
Kanzlerin Angela Merkel folgt mit gerade einmal 149.000 Fans (Stand 04/2012) immer-
hin auf Platz 2.
5 Praxisbeispiele
Die Firma Avon hat eine hohe Markenbekanntheit, zumindest bei Damen der reiferen
Generation. Und genau darin lag das Problem von Avon: Es wurde zunehmend schwerer,
aus der berühmten Marke Kapital zu schlagen. Aufgrund des fortgeschrittenen Alters der
vor über 20 Jahren noch regelmäßig Kosmetikprodukte ordernden weiblichen Kund-
schaft kam es zu fallenden Umsätzen. Neben dem Markennamen Avon hat das Unter-
nehmen eine Vertriebsstruktur geprägt, die man ebenfalls mit der Firma assoziiert – den
Direktvertrieb.
Die Herausforderung für Avon war, ihr vormals erfolgreiches Vertriebsmodell in das
Facebook-Zeitalter zu übertragen. Hierfür hat die Geschäftsführung eine riskante Ent-
40 Mani Pirouz, Andreas Vill
scheidung getroffen, sie hat mit „Mark“ eine komplett neue Marke kreiert. Diese steht
für eine jugendliche Kosmetikserie und wurde zur Markteinführung ausschließlich im
sozialen Netzwerk Facebook unter dem Namen „Mark.book“ vertrieben. Spannend ist
hierbei, dass Avon am etablierten Geschäftsmodell festhalten konnte und für den Ver-
trieb vorwiegend weibliche Facebook-Nutzer fand, die das Produkt ihrem Freundeskreis
gegen Prämien weiterempfehlen.
Um die Idee eines vernetzten Unternehmens nicht nur nach außen – also im
Marktplatz Facebook –, sondern auch unternehmensintern zu verankern, werden die
Bestellungen aus Facebook direkt in eine webbasierte Lösung für das Kundenbezie-
hungsmanagement von salesforce.com übertragen und dort bearbeitet. Durch ein unter-
nehmensinternes soziales Netzwerk „Chatter“ sind die Mitarbeiter von Avon mitein-
ander vernetzt und haben dadurch über Abteilungsgrenzen hinweg Transparenz über
aktuelle Kampagnen, Auftragsstatus und viele weitere kundenbezogene Informationen.
Wie unterschiedlich Unternehmen der gleichen Branche auf Chancen und Risiken des
Social Web reagieren, zeigen zwei Fallbeispiele der Luftfahrtindustrie.
Als Erstes ist United Airlines zu nennen, deren hier dargestellter Fall inzwischen le-
gendären Status erlangt hat. Vor dem Flug von Halifax nach Chicago beobachtete der
Passagier Dave Carroll, wie das Bodenpersonal sehr grob mit seinem Gepäck – einer
teuren Taylor Gitarre – umging. Alle Versuche, die Crew an Bord um Hilfe zu bitten,
scheiterten und am Ankunftsort erwartete den Country-Musiker ein stark beschädigtes
Musikinstrument an der Gepäckausgabe. Anschließende Versuche, den Sachverhalt mit
der Servicezentrale von United zu lösen, blieben erfolglos. So beschloss Carroll, als Mu-
siker das zu tun, was er am besten kann: Er schrieb einen Song namens „United Breaks
Guitars“ und stellte diesen auf YouTube ein (vgl. [13]). Stand 04/2012 wurde dieses Vi-
deo bereits fast 12 Mio. Mal angesehen. Die öffentliche Reaktion beschränkte sich jedoch
nicht nur auf YouTube – diverse klassische Medien griffen den Vorfall auf, darunter
nicht nur amerikanische Printmedien, Radio und TV, sondern auch internationale Pres-
se. Der Sänger selbst wurde in Talkshows eingeladen, was die Verbreitung dieses Vor-
gangs nochmals beschleunigte. Die Zeitschrift „The Economist“ attestierte dem Unter-
nehmen zudem einen Verlust an Marktkapitalisierung in Höhe von 180 Mio. US-Dollar
infolge dieses Fiaskos (vgl. [14]).
Als positives Beispiel hingegen sticht eine andere Fluggesellschaft hervor: die nieder-
ländische KLM. Das Unternehmen hat beobachtet, dass der oft langweilige Aufenthalt
am Flughafen Schiphol viele Reisende zu Statusmeldungen im sozialen Netzwerk Twitter
animiert. Mit der Aktion „KLM Surprise“ (vgl. [15]) beobachtet ein Team der Fluggesell-
schaft gezielt die Statusmeldungen von Reisenden am Flughafen und macht es sich zur
Aufgabe, direkt auf diese persönlich mit einer kleinen Überraschung zu reagieren. Wenn
Demokratisierung in der Markenführung 41
beispielsweise ein Reisender in seinem Tweet andeutet, müde zu sein und dringend ei-
nen Kaffee zu benötigen, so werden die Mitarbeiter von KLM aktiv, finden heraus, an
welchem Gate der Wartende sich aufhält, und bringen diesem eine Tasse Kaffee. Die
Reaktion auf diese Initiative ist bei Gästen überwältigend und überträgt sich wieder
durch weitere positive Sentiments in die sozialen Netzwerke zurück.
6 Fazit
Literaturverzeichnis
1 McKinsey & Company (2010): „The rise of the networked enterprise, Web 2.0 finds its payday“, in:
McKinsey Quarterly.
2 Töpfer, A. (1999): Die A-Klasse: Elchtest, Krisenmanagement, Kommunikationsstrategie, Neuwied,
Kriftel.
3 The NY Times (2011): Goldman Offering Clients a Chance to Invest in Facebook, URL:
http://dealbook.nytimes.com/2011/01/02/goldman-invests-in-facebook-at-50-billion-valuation/, ab-
gerufen am: 13.09.2011.
4 Steiner, C. (2011): Meet The Fastest Growing Company Ever, URL: http://www.forbes.com/forbes/
2010/0830/entrepreneurs-groupon-facebook-twitter-next-web-phenom.html,
abgerufen am: 13.09.2011.
5 ULD (2011): Facebook-Reichweitenanalyse abschalten, URL: http://www.datenschutzzentrum.de/
presse/20110819-facebook.htm, abgerufen am: 13.09.2011.
6 Brands on Facebook (2011): Deutsche Marken auf Facebook, URL:
http://www.brandsonfacebook.de, abgerufen am: 13.09.2011.
7 Facebook (2011): Statistik, URL: http://www.facebook.com/press/info.php?statistics, abgerufen am:
13.09.2011.
8 Lischka, K. (2011): Warum wir Datenschutz-Fundamentalisten brauchen, URL:
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,781873,00.html, abgerufen am: 13.09.2011.
9 Landor (2011): Studie, URL: http://www.landor.com, abgerufen am: 13.09.2011.
10 Spiegel (2011): Schlecker macht Hunderte Filialen dicht, URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/
unternehmen/0,1518,768109,00.html, abgerufen am: 13.09.2011.
42 Mani Pirouz, Andreas Vill
Inhaltsverzeichnis
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Andreas Ahlden ()
Draftfcb Deutschland GmbH, Bleichenbrücke 10, 20354 Hamburg, Deutschland
e-mail: andreas.ahlden@draftfcb.com
„Die Bedeutung der sozialen Medien im Kommunikationsmix von Marken wächst. Eine Facebook-
Fanpage gilt mittlerweile zwar für viele schon als ‚must have‘, muss aber weder zwingend die erste noch
die beste Wahl sein.“ Andreas Ahlden
Fast drei Viertel der Deutschen ab 14 Jahren sind online (80,7 % der Männer und 68,9 %
der Frauen), das sind über 52 Mio. Menschen. In der Altersgruppe der 14- bis 29-
Jährigen sind es mit 97,3 % nahezu alle, und auch die 30- bis 49-Jährigen kommen noch
auf 89,7 % (vgl. [20]). Das Internet ist daher verständlicherweise aus dem Media-Mix
eines jeden Werbetreibenden heute kaum noch wegzudenken.
In den letzten Jahren hat sich ein Begriff aus dem Online-Umfeld immer wieder in
den Vordergrund gedrängt und über den ursprünglich vermuteten Hype hinaus mittler-
weile einen Stellenwert erreicht, der viele bis dato gängigen Regeln, Vorgehens- und
Denkweisen in der (Marken-)Kommunikation gehörig auf den Kopf gestellt hat: der
Begriff Social Media. Was genau aber ist darunter zu verstehen?
In der Theorie definiert sich der Begriff Social Media „als alle Medien oder Plattfor-
men, die die Nutzer über digitale Kanäle in der gegenseitigen Kommunikation und im
interaktiven Austausch von Informationen unterstützen“ ([17], S. 31)1.
In der Praxis ist Social Media für viele aber nach wie vor schlicht der Überbegriff für
Facebook und Twitter. Natürlich ist dem nicht so. Das Beratungsunternehmen ethority
unterscheidet beispielsweise 25 unterschiedliche Kategorien, wie im Social Web Konver-
sation betrieben wird. Da es hier primär um die Verbindung zwischen Marke und End-
verbraucher gehen soll, sei an dieser Stelle exemplarisch eine Auswahl genannt, die im
Folgenden kurz erläutert werden soll:
Video- und Fotoseiten wie YouTube oder Flickr bieten Markenverantwortlichen die
Möglichkeit, ihre Marke medial ins gewünschte Licht zu rücken und sich auch abseits
1
Siehe darüber hinaus zur begrifflichen Abgrenzung zwischen Social Media und Web 2.0 z. B. Brinner
(vgl. [5]).
Braucht jede Marke eine Facebook-Fanpage? 45
des klassischen 30-Sekünders oder der Ganzseiten-Anzeige auszuprobieren. Für die Nut-
zer zählt hier besonders der Entertainment-Faktor. Bei Langeweile ist das nächste Video
nur einen Klick entfernt. Das Video hat eine überaus große Bedeutung in der Online-
Mediennutzung, allerdings sollte der Kostenaufwand für Unternehmensfilme dabei nicht
unterschätzt werden. Die Zeiten der Low-budget-Produktionen mit millionenfachen
Klicks sind längst passé, schlecht produzierte Inhalte werden abgestraft.
Bewertungsportale wie Qype sind heute wichtige Informationsquellen für die Nutzer
auf der Suche nach einem Produkt oder einer Dienstleistung. Vom Flachbildfernseher
bis zum neuen Hausarzt informieren sich die Online-Nutzer auf Bewertungsportalen
und legen Wert auf die Meinung anderer. Ungeachtet der Tatsache, ob sie sich unterein-
ander kennen oder nicht. Damit sind Bewertungsportale ein gutes Monitoringtool für
Marken, das dabei hilft, die eigene Außenwahrnehmung ungefiltert zurückgespielt zu
bekommen und darauf zu reagieren.
Blogs wie zum Beispiel das sehr umfangreiche Daimler-Blog (vgl. [8]) sind eine gute
Möglichkeit, relevante Themen rund um die Marke oder das Unternehmen auf eine
redaktionelle Art und Weise aufzubereiten und so die eigene Sicht auf Dinge darzustel-
len. Sei es, um sich selbst zu positionieren, eine Diskussion anzuregen oder auch einfach
nur zu versuchen, die eigene Position in Suchmaschinenrankings zu verbessern.
Zur Kategorie der Micromedia gehört zum Beispiel der Microblogging-Dienst Twit-
ter, der sich zu einem extrem schnellen Informationsmedium entwickelt hat. Twitter
dient Marken unter anderem als Themensuchmaschine, als Monitoringtool oder zur
Distribution von Nachrichten und Inhalten aller Art, ohne dabei aber selbst eine Platt-
form bereitzustellen, auf der diese Inhalte auch dargestellt werden.
Die steigende Verbreitung des mobilen Internets in Verbindung mit immer leistungs-
fähigeren Endgeräten erhöht nicht nur grundsätzlich die Nutzungsintensität sozialer
Medien, indem von jedem Ort zu jeder Zeit gepostet und kommentiert werden kann,
sondern öffnet auch die Türen für Anbieter so genannter Location-based Services wie
z. B. Foursquare. Hierbei lassen sich Leistungen, Dienste oder Funktionen standortab-
hängig variieren. Für Marken können diese Dienste eine interessante Verlinkung zwi-
schen Online und Offline darstellen.
Foren bringen Nutzer mit gleichen Interessengebieten zusammen und bieten einen
Ort zum Austausch von Informationen. Sie sind häufig sehr eng auf ein bestimmtes
Thema fokussiert und so hinsichtlich dieser Themen eine Anlaufstelle für alle Kenntnis-
stände, vom Einsteiger bis zum Profi. Themennahen Marken bieten sie ein hochinvol-
viertes und engagiertes Publikum.
Soziale Netzwerke umschreiben Plattformen wie z. B. Facebook, die VZ-Netzwerke
oder Xing, die Nutzern die Möglichkeit geben, sich miteinander auszutauschen, wobei
dies nicht nur auf bestimmte Themen beschränkt sein muss. Sie funktionieren in der vir-
tuellen Welt wie Treffpunkte des öffentlichen Lebens, wo man Freunde, Bekannte, Ge-
schäftspartner oder aber auch Marken trifft, um sich mit ihnen zu unterhalten, Dinge zu
erfahren oder auch mitzuteilen.
46 Andreas Ahlden
Die Anzahl der Möglichkeiten im Social Web ist, wie diese kleine Auswahl erahnen
lässt, riesengroß. Laufend kommen neue Plattformen hinzu, einige verschwinden, einige
hochgelobte Dienste entwickeln sich erwartungsgemäß, andere nicht. Darüber hinaus
sind die Grenzen zwischen den einzelnen Gruppen oft fließend und jede hat ihre Stär-
ken, aber natürlich auch Schwächen.
Insgesamt sind die Social Media auf dem Vormarsch. Seit dem vergangenen Jahr ist
der Anteil der Organisationen, die Social Media aktiv als Kommunikationsinstrument
einsetzen, von 54 % auf 71 % gestiegen (vgl. [27]). Blickt man dabei auf die Herange-
hensweisen von Unternehmen an das Thema, so fällt auf, dass nur 21,5 % über eine
übergreifende Strategie für Social-Media-Kommunikation im Gesamtunternehmen ver-
fügen. Demgegenüber liegen aber bei 43,8 % der befragten Unternehmen Strategien vor,
die sich auf einzelne Social-Media-Plattformen beziehen (vgl. [12]). Sei es der Glaube an
einen schnelleren Erfolg, die Hoffnung auf einen überschaubareren Aufwand, die Angst
vor zu umfangreichen Budgetbelastungen oder schlicht eine zu eng gefasste Sichtweise:
Strategien für einzelne Plattformen stehen vielerorts hoch im Kurs.
Die Antwort auf die Frage, auf welches Pferd man dabei setzen will, fällt in der Praxis
häufig weitaus monotoner aus, als es die Vielzahl an Möglichkeiten vermuten lässt: „Ma-
chen wir doch was auf Facebook!“
Woran das liegt, ob die Aufforderung berechtigt ist und ob schlussendlich jede Marke
eigentlich eine Facebook-Fanpage bräuchte, diesen Fragen soll auf den folgenden Seiten
nachgegangen werden.
Getreu dem olympischen Gedanken ist bei vielen Unternehmen und Marken derzeit rege
Betriebsamkeit zu beobachten, wenn es um das Anlegen von Profilen in sozialen Medien
geht. Was mit diesen Profilen dann in der Folge geschieht, ist allerdings häufig kaum
medaillenverdächtig. Dementsprechend gilt für Social-Media-Neulinge das Gleiche wie
für angehende Olympioniken: ohne Vorbereitung keine Chance auf Erfolg.
Grundsätzlich sollte einem Engagement in den sozialen Medien immer die Über-
legung vorausgehen, welche Ziele damit verfolgt werden. Dies gilt im konkreten Fall
natürlich genauso für eine Facebook-Fanpage. In einer Befragung unter 596 Kommuni-
kationsverantwortlichen gaben nur 15 % an, dass Social Media aus ihrer Sicht keinen
Mehrwert bieten würden (vgl. [12]). Aber was sind dann die Mehrwerte, welche die rest-
lichen 85 % in sozialen Netzwerken vermuten? Hier lässt sich konstatieren, dass ein sol-
ches Engagement mehrere Ziele verfolgen kann: sowohl eher nach innen gerichtete als
auch nach außen gewandte. Da es in diesem Beitrag jedoch primär um die Verbindung
zwischen Marke und Endverbraucher gehen soll, werden im Folgenden schwerpunkt-
Braucht jede Marke eine Facebook-Fanpage? 47
mäßig nach außen gerichtete Ziele und deren Zielerreichung berücksichtigt.2 Dazu gehö-
ren unter anderem (vgl. [26]):
• Image/Reputation
• Umsatzsteigerung
• Kundenbindung
• Dialog mit Kunden
• Unternehmensbekanntheit
• Marktforschung
• Zielgruppenansprache
• Marketing/PR/Pressearbeit
Aber Achtung: Diese Ziele erreicht man nicht über die herkömmliche One-way-Kom-
munikation von oben herab. Im Social Web gelten andere Spielregeln und diese gilt es
zuallererst zu verinnerlichen. Zunächst muss man dem Kunden auf Augenhöhe begeg-
nen,3 zuhören (Monitoring), dann versuchen, ihm relevante Mehrwerte zu bieten, mit-
einander zu sprechen, Vertrauen aufzubauen, um schließlich auf die oben genannten
Ziele hinzuarbeiten. Hierzu bedarf es eines langen Atems und nicht unmaßgeblicher
Investitionen (humaner und finanzieller Natur), denn während das bisherige Kommuni-
kationsverhalten von Marken einem 100-m-Sprint ähnelte, gleicht die Kommunikation
im Social Web eher einem Dauerlauf mit Zwischenspurts. Die Ziele stehen nicht am
Ende eines Weges mit Einlauf durch ein großes Zieltor und der anschließenden Sieges-
feier, sondern sie befinden sich auf dem Weg selbst und müssen immer wieder aufs Neue
erreicht und bestätigt werden. Für klassische Agenturen bedeutet dies eine erhebliche
Änderung der Sicht- und Arbeitsweise; denn war es bisher so, dass mit Beginn einer
Kampagne der Stein ins Rollen gebracht und die Arbeit im Grunde erledigt war und man
sich schon auf die nächste Aufgabe vorbereitete, so geht an dieser Stelle in den sozialen
Medien die Arbeit erst richtig los. Laufend müssen Stimmungen, Reaktionen, Kommen-
tare etc. beobachtet werden, es wird diskutiert und optimiert, es gibt Kurskorrekturen
und unvorhergesehene Zwischenfälle, es gibt inspirierende neue Anregungen und Be-
langlosigkeiten, aufbauendes Lob und niederschmetternde Kritik.
Auch für die auftraggebenden Kunden bedeutet dies eine Änderung der Sicht- und
Arbeitsweise, denn für Kampagnen auf sozialen Kanälen gibt es keine Erfolgsgarantie,
und es bedarf schon eines gewissen Mutes, Erfahrung und Bauchgefühls, trotzdem die
Schuhe zu schnüren und loszulaufen. Befragt nach den größten Hindernissen bei der
Nutzung von Social Media, zeigen die Teilnehmer einer Studie als Hemmnis deutlich
2
Der Einsatz sozialer Medien im Unternehmen selbst wird in der Fachliteratur unter dem Stichwort
„Enterprise 2.0“ diskutiert (vgl. [6]).
3
Oetting hat dies sehr anschaulich anhand eines Rattenkäfigs in einer Labortestsituation beschrieben
und auf die veränderten Stimulusbedingungen verwiesen, die sich ergeben, wenn man nicht mehr von
oben in den Rattenkäfig schaut, sondern selbst unten im Rattenkäfig sitzt (vgl. [25]).
48 Andreas Ahlden
facebook 53,3
Xing 24,8
wer-kennt-wen 19,6
meinVZ 12,7
studiVZ 12,7
mySpace 11,4
lokalisten 7,8
LinkedIn 7,3
schülerVZ 7
zenposition, denn der Zweitplatzierte, das Business-Netzwerk Xing, kommt nur auf
einen Wert von 13,6 % (vgl. [13]). Neben der häufigen Nutzung kommt noch eine lange
Verweildauer hinzu. 33 % der Teilnehmer einer Umfrage verbringen mehrere Stunden in
der Woche auf der Plattform (vgl. [4]). Hierbei sammelt Facebook unentwegt Informati-
onen über seine Nutzer, die diese freiwillig herausgeben.
Für Werbetreibende und Betreiber von Fanseiten ergibt sich daraus der Vorteil, dass
die Nutzer relativ genau bekannt sind. Zum einen erhalten Fanpage-Administratoren
nützliche Informationen zu ihrer Fan-Gemeinde in Bezug auf Demographie, Herkunft
sowie Aktivitäts- und Interaktionsgrad. Zum anderen bietet Facebook von den großen
Plattformen im Netz im Anzeigenkontext wohl die effektivste Möglichkeit des Targe-
tings (vgl. [36]). Die gewünschte Zielgruppe lässt sich leicht nach geografischen, wie zum
Beispiel Land oder Stadt, und soziodemografischen Kriterien, wie zum Beispiel Bezie-
hungsstatus, Sprache, Bildungsgrad oder Arbeitgeber, eingrenzen. Natürlich ist eine
Eingrenzung auch nach Interessengebieten möglich. Eine besondere Option ergibt sich
zusätzlich aus der Ansprache potenzieller Interessenten anhand der Verbindungen auf
Facebook. So ist es beispielsweise möglich, nur Freunde der eigenen Fans mit einer An-
zeige anzusprechen. Dabei wird davon ausgegangen, dass Freunde meist ähnliche Eigen-
schaften und Interessen haben. Somit werden Freunde von Freunden zu attraktiven An-
sprechpartnern mit potenziell geringeren Streuverlusten. Nach jeder Eingrenzung gibt
Facebook automatisch eine geschätzte Reichweite der Anzeige als Orientierungshilfe an.
Im Vergleich zu anderen Online-Werbeformen bietet Facebook die Möglichkeit, An-
zeigen um eine soziale Komponente zu erweitern und damit einen interessanten Effekt
auszulösen. Klassische Online-Bannerwerbung (paid media) erreicht beispielsweise zwar
schnell eine hohe Reichweite, erzielt aber oft nur einen vergleichsweise niedrigen Impact.
Werbeanzeigen auf Facebook können dagegen um einen Zusatz ergänzt werden, der
dem User mitteilt, welcher seiner Freunde diese Seite, Marke oder dieses Produkt auch
mag (vgl. Abb. 2).4 Untersuchungen von Nielsen haben ergeben, dass allein dieser Zusatz
die Wirksamkeit der Anzeigen in Bezug auf Erinnerung, Aufmerksamkeit und Kaufab-
sicht beträchtlich erhöht (vgl. Abb. 3). Dies zeigt einmal mehr, wie sehr Konsumenten
der Meinung von Freunden und Bekannten vertrauen, wenn es um eine Kaufentschei-
dung geht (vgl. [30]).
Während bei klassischen Bannerkampagnen zur Zeit nur eine einzelne Person mit ei-
nem angezeigten Banner erreicht wird, geht die Werbung auf Facebook noch einen
Schritt weiter. Klickt ein User in der Anzeige auf „Gefällt mir“, so taucht dies automa-
tisch im Newsfeed all seiner Freunde auf. Die Markenbotschaft wandert somit vom be-
zahlten Anzeigenbereich auf der Facebook-Seite hinüber in den unbezahlten Pinnwand-
bereich, dem per se eine sehr viel höhere Aufmerksamkeit entgegengebracht und somit
auch Relevanz beigemessen wird. Die einzelne Anzeige erreicht also nicht nur einen
User, sondern darüber hinaus auch alle seine Freunde. Somit erreichen die Anzeigen auf
4
Weiterführende Informationen über die möglichen Werbeformen auf Facebook finden sich hier:
http://on.fb.me/qXCc58.
Braucht jede Marke eine Facebook-Fanpage? 51
Abb. 2 Beispiel einer Facebook-Werbeanzeige (Quelle: eigene Darstellung aus dem Facebook Ad
Tool)
Werbeanzeige ohne Werbung in den sozialen Medien besteht nicht nur aus
30 sozialen Kontext „earned media“. Eine erfolgreiche Werbekampagne auf
Facebook nutzt das ganze Spektrum, von bezahlten
Werbeanzeige mit Anzeigen bis hin zu persönlichen Empfehlungen der User.
sozialem Kontext
13
Mit soz.
10
Kontext
8 8 8
4
2 Newsfeed
Freunde
Abb. 3 Die Bedeutung des sozialen Kontexts in Facebook-Werbeanzeigen (Quelle: vgl. [31])
Facebook den „earned media“-Bereich, der zum einen ohne Zusatzkosten zustande
kommt und zum anderen sehr impactstark ist. Für Werbetreibende sind Facebook-An-
zeigen daher eine wirklich attraktive Option.
Eine weitere Stärke von Facebook als Kommunikationskanal für Marken ist die Flexibi-
lität. So lässt es hinsichtlich der Medien, die flexibel eingesetzt werden können, kaum
Wünsche offen. Der Nutzer muss Facebook nicht verlassen, um sich die Inhalte anzu-
schauen. Globalen Marken mit einheitlicher Ausrichtung bietet Facebook die Möglich-
keit, eine einzige Fanpage zur Betreuung der weltweiten Fans zu betreiben, in einer oder in
mehreren Sprachen. Die Lufthansa nutzt dies beispielsweise recht erfolgreich (vgl. [22]).
Einer der größten Vorteile für Betreiber von Fanpages hat sich zusammen mit dem
starken Wachstum der Plattform entwickelt. Mittlerweile ist ein klassischer Größenbe-
gleiteffekt eingetreten: Es hat sich um Facebook herum ein regelrechtes Ökosystem an
kleineren Anbietern entwickelt, die für spezielle Zwecke eigene Tools entwickelt haben,
die andere Anbieter nun nicht mehr selbst entwickeln müssen, sondern vergleichsweise
52 Andreas Ahlden
kostengünstig einkaufen und für sich selbst passend konfigurieren können. Hierzu zäh-
len unter anderem Tools für Umfragen, Spezialapplikationen, Gewinnspielmechaniken
usw. Dies ist zur Zeit noch ein mächtiger Wettbewerbsvorteil für Facebook gegenüber
Konkurrenten, wie zum Beispiel Google+. Aber wo Licht ist, ist natürlich auch Schatten.
Facebook fordert von seinen Mitgliedern eine hohe Freizügigkeit im Hinblick auf die
offene Darlegung persönlicher Daten. Auch wenn dies für Werbetreibende ein Vorteil
ist, aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten ist Facebook nicht unumstritten. Seit
seiner Einführung auf dem deutschen Markt steht Facebook im Konflikt mit dem deut-
schen Datenschutz. Privatsphäreeinstellungen sind zwar möglich, standardmäßig tritt
der User aber mehr Rechte ab, als ihm häufig bewusst und lieb ist. In den vergangenen
Jahren hat Facebook hinsichtlich der Privatsphäreeinstellungen mehrmals Änderungen
vorgenommen und meist musste der Nutzer aktiv werden, um nicht ungewollt mehr
preiszugeben, als gewünscht. Dabei ging es beispielsweise um Themen wie die Zustim-
mung zur kommerziellen Nutzung von eigenen Bildern durch Facebook, dem Speichern
von Kontaktinformationen aus privaten E-Mail-Accounts nach Verwendung des auto-
matischen Freundefinders, oder die automatische Gesichtserkennung. Ein Beispiel aus
der jüngeren Vergangenheit stellt das Urteil des Unabhängigen Landeszentrums für Da-
tenschutz in Schleswig-Holstein dar, das in der Verwendung von Social Plug-ins wie z. B.
dem „Gefällt mir“-Button auf Webseiten einen Verstoß gegen das Telemediengesetz so-
wie das Bundesdatenschutzgesetz sieht (vgl. [33]). Die Bedeutung des Datenschutzes für
deutsche Nutzer und die Auswirkungen der andauernden Diskussionen um das Thema
im Zusammenhang mit Facebook spiegeln sich auch in den Ergebnissen einer Umfrage
von tns emnid im Auftrag der Agentur Ketchum Pleon wider: 61 % der befragten deut-
schen Internetnutzer gaben an, besonders auf den Schutz ihrer Privatsphäre im Internet
zu achten, und sogar 88 % hielten dabei den Umgang von Facebook mit persönlichen
Daten für bedenklich5 (vgl. [21]).
Facebook ist eine Kommunikationsplattform und die muss auch aktiv zur Kommuni-
kation verwendet werden, um die potenzielle Reichweite zu erzielen. Bei allem Streben
nach Reichweite und hohen Fanzahlen wird häufig übersehen, dass die meisten Fans gar
nicht mitbekommen, welche Diskussionen auf der Fanpage ablaufen, da sie den Kontakt
zur Marke hauptsächlich über den eigenen Newsfeed erleben. Die meiste Zeit verbringen
Facebook-Nutzer nun mal auf ihrer Pinnwand, auf Fotoseiten oder speziellen Applika-
tionen wie z. B. Spielen, den Weg auf die Fanpage finden sie nur selten (vgl. [7]). Umso
wichtiger ist es, in regelmäßigen Abständen aktiv Inhalte beizusteuern, um mit den Fans
in Kontakt zu bleiben.
5
Es sei aber darauf verwiesen, dass mehr als ein Viertel der Befragten trotz aller Bedenken Facebook
dennoch nutzt.
Braucht jede Marke eine Facebook-Fanpage? 53
Diese Anforderung an ein Engagement, das immer mit einem gewissen Ressourcen-
einsatz verbunden ist, stellt viele Unternehmen vor die Frage, ob man mit Fanpage und
Markenwebsite weiter eine Mehrfachbelastung aufrechterhalten will oder ob die Fanpage
die althergebrachte Markenhomepage sogar ablösen kann bzw. sollte. Dr. Martin Oet-
ting, Blogger und Partner des Word-of-Mouth-Marketing-Anbieters trnd, hat diese
Frage folgendermaßen betrachtet: „Facebook ist eine ganz andere, extrem erfolgreiche
Kneipe. Die größte der Welt. 500 Mio. Menschen gehen aus und ein. Natürlich kann ich
jetzt, wenn ich meine Getränke bekannt machen und vertreiben will, in der Riesenkneipe
einen Tisch mit meinen Wimpeln schmücken und dort auch meine Getränke ausschen-
ken lassen. Gute Idee. Aber deswegen soll ich meine eigene Kneipe schließen? Was ist
denn, wenn der Wirt bei Facebook irgendwann mal keinen Bock mehr auf mich hat?
Was ist, wenn er von heute auf morgen die Regeln ändert, und ich überhaupt nicht mehr
rein darf? Was ist, wenn er mir einen Tisch direkt am Klo anweist, an dem es meine
Kundschaft kaum noch aushält? Mir erscheint der Gedanke arg riskant, allein auf einen
etwas durchgeknallten Kneipenwirt aus Kalifornien bei der eigenen Markenkommunika-
tion im Internet zu setzen. … Facebook ist eine riesige Kneipe. Da sollte man als Marke
hingehen und sich aufhalten, Leute kennenlernen, Freundschaften schließen. Aber zu
glauben, dass man dort sein Zuhause findet, halte ich für gefährlich“ [24]. Facebook
sollte für eine Marke nie das alleinige „Zuhause“ sein. Zu groß sind die technischen und
inhaltlichen Vorgaben, die auf der Plattform kein selbstbestimmtes Handeln zulassen.
Als Beispiel sei an dieser Stelle nur der eng gesteckte Gestaltungsspielraum für Promo-
tions genannt (vgl. [11]).
Facebook ist in erster Linie eine Kommunikations- und keine Vertriebsplattform.
Auch wenn Facebook-Nutzer überdurchschnittlich häufig online einkaufen (Internet-
Gesamtnutzerschaft 53 % Online-Käufe innerhalb einer Woche vs. Facebook-Nutzer mit
58 % (vgl. [13]). Thilo Specht beschreibt es in seinem Blog sehr treffend so: „Facebook ist
kein Marktplatz! … Facebook hat 700 Mio. Mitglieder, weil es die ‚elegante Organisation‘
der eigenen Netzwerke erlaubt. Nicht, weil es für tolle Shopping-Erlebnisse steht. Märkte
sind Gespräche. Aber nicht jedes Gespräch ist ein Markt“ [29]. Ob das so bleiben wird,
sei dahingestellt, denn das Thema Facebook-Commerce (f-commerce) wird in Zukunft
wohl noch häufiger auf die Tagesordnung kommen. F-commerce umfasst beispielsweise
Shops innerhalb des sozialen Netzwerks oder auch Online-Shops, die Facebook-Features
nutzen. Auf der einen Seite stehen dabei Meinungen von Finanzexperten, die eine Ablö-
sung von Amazon als erfolgreichstem Online-Händler innerhalb der nächsten 5 Jahre
voraussagen (vgl. [32]). Auf der anderen Seite stehen Dienste wie Facebook-Deals, die
auch lokale Ladengeschäfte mit einbezogen haben, nach mehrmonatiger Testphase aber
wieder eingestellt wurden (vgl. [3]). Es bleibt also zu beobachten, ob Facebook sich zu-
künftig tatsächlich zum Marktplatz entwickelt.
Die sich bereits abzeichnende Frage, ob sich ein Engagement auf Facebook lohnt,
wird an dieser Stelle nicht hinreichend erläutert werden können. Es sei nur so viel gesagt,
dass sich ein Return on Investment (ROI) im Bereich der sozialen Medien nicht so leicht
an Kenngrößen wie Mitteleinsatz und Absatz festmachen lässt. Denn oft kann der Absatz
54 Andreas Ahlden
nicht unmittelbar auf Facebook zurückgeführt werden. Ein ROI auf Facebook ließe sich
dann alternativ im Marketingbereich vielleicht über einen höheren Share of Talk, erhöh-
te Besucherzahlen auf den eigenen Webseiten oder Einsparungen für z. B. Directmailings
berechnen; im Brandingbereich über eine höhere Loyalität zur Marke, höhere Populari-
tät und Reichweite6 oder höhere Zahlungsbereitschaft. Im Kundenservicebereich ließen
sich die Einsparungen über eine verminderte Anzahl an Kundenanfragen messen, weil
sich Konsumenten gegenseitig helfen, oder aber an einer höheren Kundenzufriedenheit
und einem verbesserten Empfehlungsverhalten. Bei der Produktentwicklung ließe sich
kostenfrei die Kreativität der Community nutzen, sowohl in der tatsächlichen Entwick-
lung neuer Produkte als auch in der Marktforschung. Ähnliche „weiche Werte“ ließen
sich auch für PR, die Personalabteilung und weitere finden, wodurch der ROI insgesamt
sehr vielschichtig und kaum konkret erfassbar wird (vgl. [34], [12]). Dies wiederum führt
in Unternehmen natürlich zu Unsicherheiten und bleibt an vielen Stellen konkrete Er-
klärungen auch schuldig. Dessen sollte man sich bewusst sein.
6
Siehe dazu eine kritische Betrachtung der Erfolgsmessung einer Fanpage bloß anhand der Anzahl ihrer
Fans weiter unten in diesem Text.
Braucht jede Marke eine Facebook-Fanpage? 55
Passive Brands
3%
Service Brands
13%
Sender Brands
Friend Brands Marken 12%
60% Typen
Host Brands
12%
auf eine Anregung des Dialogs ausgelegt sind. Nutzer diskutieren stattdessen mit ande-
ren Nutzern. Diese Art von Fanpage funktioniert nur bei Marken, die Fangruppen mit
einem hohen Involvement anlocken, andernfalls wird es still auf der Fanpage.
Die „Sender Brands“ sind das Pendant zur derzeit noch sehr gängigen Markenhome-
page mit dem Ziel der reinen Markeninszenierung. Die Fanpage wird zu einem weiteren
Kanal, mit dem Neuigkeiten jeglicher Art in die breite Masse gestreut werden sollen.
Diesen Seiten fehlt es weitestgehend an dialogischen Elementen. Fans können häufig
keine eigenen Posts an der Pinnwand anbringen, wohl aber auf bestehende Posts reagie-
ren und antworten.
Eine 2011 erstmals in den Report aufgenommene Kategorie sind die „Service Brands“.
Viele Marken nutzen mittlerweile Kanäle wie Facebook, mehr jedoch noch Twitter, er-
gänzend zu ihren Kundencentern oder Service-Hotlines. Beispiele dafür sind die Deut-
sche Telekom und die Deutsche Bahn.7
Die letzte Gruppe bilden die „Friend Brands“. Dieser Typ ist geprägt von einem sehr
hohen Engagement des Seitenbetreibers. Der Dialog mit den Fans ist gewünscht und
wird stark forciert. Auch wird Wert darauf gelegt, den Fans über das Produkt hinaus
immer wieder unterhaltende und interessante Inhalte bereitzustellen, wie z. B. besondere
Aktionen oder Gewinnspiele. Die Gruppe der Friend Brands hat im vergangenen Jahr
einen deutlichen Zulauf erfahren und stellt heute die größte Gruppe unter den eben
vorgestellten dar (vgl. Abb. 4).
Welcher Gruppe man sich mit der eigenen Marke zuordnen möchte, hängt von eini-
gen Faktoren ab, z. B. den zu verfolgenden Unternehmenszielen, den eigenen Ressour-
7
Mit den Twitter Accounts @Telekom_hilft und @DB_Bahn.
56 Andreas Ahlden
Facebook als Plattform erweist sich in diesem Zusammenhang als ein guter Allroun-
der und bietet der Marke viele Möglichkeiten zum Austausch mit ihrer Community
(lesen, kommentieren, mitgestalten, abstimmen, spielen, informieren, bewerten usw.). So
bietet die Plattform viele mögliche Stellschrauben, um das eben beschriebene Gleichge-
wicht fortlaufend zu regulieren und ggf. zu optimieren. Die Einordnung der eigenen
Marke in den einen oder anderen Markentypus bestimmt wie beschrieben das eigene
Verhalten auf der Plattform, sowie die Rechte und Handlungsfreiheiten, die den eigenen
Fans zugestanden werden. Natürlich ist es nicht so, dass Fans einer Marke sich aus-
schließlich der einen oder anderen Nutzergruppe zuordnen lassen. Deshalb ist es für
Marken besonders wichtig, eine eigene Haltung zu entwickeln und ein guter Gastgeber
zu sein, wenn Besucher auf die betreffende Fanpage kommen.
8
Eine ähnliche Analogie findet sich unter anderem auch bei Goldstein (vgl. [18], S. 23 f.).
58 Andreas Ahlden
ren dabei die neuen Gartenmöbel (Kommentare auf der Fanpage, die offensichtlich nur
zur Provokation erstellt wurden, sich aber oft hartnäckig halten können) oder noch
schlimmer: gehen schon kurz nach Beginn der Party die Getränke aus (nach einem Auf-
taktgewinnspiel werden keine neuen Inhalte bereitgestellt und die Fanpage liegt schein-
bar inaktiv da), so kann die Situation schnell außer Kontrolle geraten und neben dem
Garten auch das ganze Haus (das ganze Unternehmen) in Mitleidenschaft gezogen wer-
den. Es empfiehlt sich für den Gastgeber also, seine Party gewissenhaft vorzubereiten. Es
sollten ausreichend Getränke vorhanden sein und auch der Nachschub muss gewährleis-
tet sein (ausreichend Content bereits zu Beginn und ein ausgearbeiteter Redaktionsplan
für einen längeren Zeitraum). Raupen beseitigt man idealerweise vorher aus dem Salat
(wer nichts zu verbergen hat, hat es an dieser Stelle leichter) oder legt sich schon mal
vorab eine Erklärung zurecht, warum dies nicht möglich war (im Vorfeld ausgearbeitetes
Risikomanagement, um im Bedarfsfall schnell, kompetent und zielführend reagieren zu
können und nicht in blinden Aktionismus oder Panik zu verfallen). Es ist durchaus auch
sinnvoll, sich im Vorfeld über den Musikgeschmack der Gäste zu informieren (zuhören
durch Monitoring der Gespräche im Netz). Und wenn man zwar ein guter Gastgeber
sein möchte, aber wie es nun mal so ist, nicht überall zur gleichen Zeit sein kann, dann
lässt sich sicher die eigene Familie (Mitarbeiter des eigenen Unternehmens) oder natür-
lich ein Team professioneller Kellner (externe Redakteure, Community Manager usw.)
hilfreich einspannen, um für das Wohl der Gäste und eine gute Stimmung zu sorgen.
Schafft man es als Gastgeber, seinen Gästen einen schönen Abend zu bescheren, so wirkt
sich dies sicher auf die zwischenmenschliche Beziehung aus (Markensympathie und
-image), es gab bereichernde Gespräche (Marktforschung und Insightgenerierung), die
Gäste kommen gern wieder auf die nächste Party (Markentreue und -loyalität) und be-
richten sicher noch anderen Freunden von ihrem schönen Erlebnis (Word-of-Mouth-
Effekt, Reputation).
Die WWW-Benutzer-Analyse W3B des Beratungshauses Fittkau & Maaß zeichnet da-
gegen ein etwas anderes Bild (vgl. [14]). Für 59 % der Befragten steht hier an erster Stelle
der Wunsch, Neuigkeiten zu Marken oder Unternehmen zu erfahren. Mit 43,9 % ist der
zweithäufigste genannte Punkt das Zeigen der Verbundenheit zu Marken oder Unter-
nehmen. Der Wunsch nach ganz „handfesten“ Vorteilen taucht auch hier auf. „Etwas
umsonst oder vergünstigt bekommen“ möchten 38,7 %, Serviceleistungen in Anspruch
nehmen möchten 32,4 % und 30,5 % hoffen auf Empfehlungen oder Angebote.
Das Bedürfnis, selbst aktiv zu werden, rangiert hier eher im unteren Tabellendrittel
(Feedback/Bewertungen abgeben können mit 28,7 %, Kontaktaufnahme mit Unterneh-
men 23,3 %, Beitragen zur Mitentwicklung 20,8 %).
Die Herausforderung für Unternehmen besteht also darin, den Fans langfristig die
Mehrwerte zu bieten, die sie suchen. Und ein weiterer Punkt wird hier deutlich: Eine
lebendige Community auf der eigenen Profilseite in einem sozialen Netzwerk ist kein
Selbstläufer. Man sollte nicht davon ausgehen, dass man den Mitgliedern nur die Platt-
form zur Verfügung zu stellen braucht und die Diskussion dann von allein in Bewegung
kommen und sich selbst immer wieder neu anfeuern wird. Ein Großteil der Nutzer hat
eher passive Beweggründe für seine Anwesenheit,9 dadurch aber nicht minder hohe
Ansprüche.
9
Diese Beobachtung deckt sich auch mit den Erkenntnissen von Forrester Research, die in ihrer Social
Technographics Ladder 70 % der US-Online-Nutzer der Gruppe der passiven Beobachter zuordnen (vgl.
[16]).
60 Andreas Ahlden
mit der Marke und deren Verwendung bedeutet. Dies sollte man unbedingt im Hinter-
kopf behalten, wenn es um die Beurteilung des eigenen Online-Engagements geht und
speziell den Stellenwert, den man Facebook im eigenen Aktivitätenmix zugesteht. Noch
dazu ist es ein Grund mehr, nicht nur die Anzahl der eigenen Fans als Maß der Dinge
anzusehen, sondern auch die Qualität der Beziehung zwischen Marke und Fan.
Wie komme ich an die „richtigen“ Fans, also die, die meine Marke wirklich mögen?
Der Aufbau einer eigenen Fan-Community und somit einer eigenen Reichweite sollte
ein organisch wachsender Prozess sein. Häufig wählen Marken den Weg zu neuen Fans
über Gewinnspielaktionen oder Promotions. Ein durchaus probates Mittel, allerdings
gilt es hierbei zu beachten, dass mit solchen Aktionen auch „Gewinnspieljäger“ angezo-
gen werden, die zwar die Fanzahlen ansteigen lassen, der Marke aber im Grunde keinen
Mehrwert bieten. Ein gutes Mittel zur Einschätzung der eigenen Fanstruktur und eine
Messgröße zur Beurteilung des Erfolgs einer Fanpage (neben der reinen Anzahl an Fans
als Kennzahl für Reichweite) ist die Interaktionsrate (vgl. [28]). Diese wird bei aktions-
initiiert schnell steigenden Fanzahlen in der Regel abnehmen (vgl. [37], S. 18f.). Hier ist
es wichtig, den Dialog mit den Fans aufrechtzuerhalten und sie zur aktiven Teilnahme
zu animieren. Denn zum einen lassen sich auch so weitere Fans generieren (natürlich
entsprechend langsamer, dafür ist dieses organische Wachstum aber im Idealfall nach-
haltiger) und zum anderen findet so eine intensivere Beschäftigung mit der Marke statt.
Außerdem bietet sich damit die Chance, die eigene Fan-Community besser kennenzu-
lernen, ihre Wünsche und Interessen zu erkennen und so gezielt darauf eingehen zu
können, um auf diese Weise engere Bindungen zu schaffen.
Inwiefern habe ich überhaupt die Möglichkeit, über meine Marke zu sprechen?
In Kap. 3 wurde erläutert, aus welchen Gründen Menschen Fans einer Marke werden.
Marken müssen ihren Fans Mehrwerte bieten. Wie diese nun aber genau aussehen, ist
von Marke zu Marke verschieden. Somit unterscheidet sich auch, wie offensiv oder zu-
rückhaltend die Marke auf der Fanpage in Erscheinung tritt. Bei großen und beliebten
Lifestyle-Marken, die schnell starke Emotionen auslösen, wird dies anders der Fall sein
als bei „low involvement“-Marken. Diese werden eher versuchen, ihre Reichweite über
ansprechende Inhalte auszubauen, z. B. wenn die eigenen Produkte selbst nicht unbe-
dingt Anlass zu nachhaltiger Unterhaltung bieten. Dies geht unweigerlich mit der Tatsa-
che einher, dass sich die Marke selbst etwas zurücknehmen und die Perspektive ändern
muss. Zum Beispiel kann sich die Marke inhaltlich von der Produktebene auf eine etwas
höher gelagerte Ebene begeben und dort nach Themen suchen, die für die eigenen Fans
relevant sind und in denen sich die eigene Marke inhaltlich ebenfalls wiederfindet. Umso
wichtiger ist es in diesen Fällen aber, sich genau darüber im Klaren zu sein, an welcher
Stelle die Marke – wenn auch subtil und dezent – ihren Platz finden kann, denn ansons-
ten mag sich die Fanpage vielleicht gut entwickeln, die Besucher merken sich am Ende
aber nicht, wer der Absender war. Ein stetes Rückbesinnen auf die Ziele, die mit der
Fanpage erreicht werden sollen, ist hier von besonderer Bedeutung, um nicht bloß zum
Braucht jede Marke eine Facebook-Fanpage? 61
unbekannten Unterhalter im Hintergrund zu werden. Denn dafür ist der nötige Auf-
wand zum professionellen Betreiben einer Fanpage zu groß.
5 Fazit
Natürlich nicht zwangsläufig. Es sollte kein Selbstzweck sein, als Marke eine Face-
book-Fanpage zu haben. Auch wenn viele Markenpräsenzen derzeit diesen Eindruck
vermitteln, es geht hier nicht darum, einfach nur „dabei“ zu sein. Im Gegenteil, eine
kanalgetriebene Me-too-Präsenz, auf der wenig passiert oder wenig interessanter Con-
tent für potenzielle Fans zu finden ist, ist eher ein negatives Zeugnis für die Marketing-
Abteilung eines Unternehmens als ein positives. Facebook verfügt über viele Stärken,
muss aber deshalb nicht automatisch die erste Wahl für Ihre Marke sein.
Dennoch sollte jede Marke die oben gestellte Frage und die beeindruckenden Zahlen
zu Facebook zum Anlass nehmen, sich in Bezug auf ihre Aktivitäten online grundsätzlich
auf den Prüfstand zu stellen. Für viele Marken schlummern hier noch ungenutzte Poten-
ziale. Folgende Fragen können helfen, die Entscheidung für oder gegen eine Fanpage zu
treffen und im Falle einer positiven Entscheidung auf das Wichtigste vorbereitet zu sein:
7 Dinge, die Sie sich selbst fragen sollten, bevor Sie eine Fanpage eröffnen:
1. Können Sie den Usern über längere Zeit das bieten, was sie suchen?
2. Welcher Markentyp wollen Sie sein und welcher können Sie sein?
3. Wie sieht Ihre Zielgruppe aus und wie verhält sie sich online?
4. Welche Ziele wollen Sie online verfolgen? Welche Kennzahlen zur Erfolgskontrolle
sind für Sie relevant?
5. Wissen Sie, was Ihre Zielgruppe von Ihnen erwartet? Betreiben Sie ein professionelles
Monitoring?
6. Lässt sich Social Media in Ihre Unternehmensprozesse integrieren? Ist die Akzeptanz
da bzw. ließe sie sich aufbauen? Lässt Ihre Unternehmenskultur diese Art von Ver-
trauen zu (nicht jeder Post kann vom Vorstand freigegeben werden)?
7. Wie können Sie die Aufgaben kapazitär lösen (intern vs. extern)? Haben Sie die Res-
sourcen, das Budget und die Inhalte, die Community immer wieder aufs Neue zu ak-
tivieren und bei der Stange zu halten?
Wenn Sie auf alle diese Fragen eine schlüssige Antwort parat haben, spricht nichts ge-
gen ein Engagement auf Facebook. Sollte an der ein oder anderen Stelle noch ein Frage-
zeichen stehen, überstürzen Sie nichts und lassen Sie sich nicht von außen verunsichern.
62 Andreas Ahlden
Das alte Sprichwort „Vorsicht ist besser als Nachsicht“ trifft auch hier den Kern der Sa-
che. Facebook ist momentan ein mächtiges Tool und kann Sie mit großen Schritten
voranbringen. Ebenso mächtig ist es aber auch in die andere Richtung. Daher ist eine
optimale Vorbereitung, ein gutes Selbstbild über die eigenen Stärken und auch Schwä-
chen sowie eine realistische Einschätzung dessen, was eine praktische Umsetzung bedeu-
tet, unausweichlich.
Sollten Sie speziell bei Frage 7 mit dem Gedanken spielen, die Arbeit an der eigenen
Markenwebsite einzustellen und sich stattdessen aus Budgetgründen ausschließlich auf
Ihre Fanpage zu konzentrieren: Gönnen Sie Ihrer Marke trotzdem die eigene „Kneipe“.
Das Konzept der Markenwebsite ist nicht tot, es wird sich nur verändern. Die geänderten
technologischen Möglichkeiten werden sich stärker auf die Gestaltung von Markenweb-
sites auswirken. Diese werden sich von reinen Markeninszenierungen vermehrt in Rich-
tung Sammelbecken aller unterschiedlichen Online-Kommunikationsformen zwischen
Unternehmen/Marke und Verbraucher zur zentralen Anlaufstelle entwickeln, wo alle
Fäden der unterschiedlichen Aktivitäten zusammenlaufen. Dadurch ergeben sich für
Marken gänzlich neue Möglichkeiten, den Kunden an sich zu binden. Sie müssen aber
die hohen Anforderungen erfüllen, die dieser Wechsel mit sich bringt. Facebook kann
dabei ein Baustein sein, der (momentan) in der breiten Masse sehr erfolgreich ist. Dieser
Baustein ist allerdings kein Muss und schon gar kein Ersatz für die eigene Markenprä-
senz im Netz.
Literaturverzeichnis
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Braucht jede Marke eine Facebook-Fanpage? 63
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http://bit.ly/rnnT2L, abgerufen am: 28.09.2011.
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in Deutschland, URL: http://slidesha.re/ocp0OJ, abgerufen am: 28.09.2011.
Rechtliche Rahmenbedingungen
der Markenführung in sozialen Medien
5
und Netzwerken
Florian Geyer
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung.................................................................................................................................... 66
2 Empfehlungsmarketing in sozialen Medien und Netzwerken............................................ 67
2.1 Begriffsbestimmung und allgemeine Grundsätze ................................................. 67
2.2 Virales Marketing....................................................................................................... 68
2.3 Empfehlungsmarketing über „Gefällt mir“-Button
auf Facebook-Partnerseiten ...................................................................................... 70
2.4 Unwahre Behauptungen in sozialen Netzwerken ................................................. 72
3 Ausgewählte Probleme der Markenführung in sozialen Netzwerken ............................... 73
3.1 Haftung für verlinkte Inhalte auf YouTube, Facebook und Twitter .................. 73
3.2 Impressumspflicht für geschäftliche Accounts in sozialen Netzwerken............ 75
3.3 Suchmaschinenoptimierung bei Facebook............................................................. 76
3.4 Direktmarketing in sozialen Netzwerken ............................................................... 76
4 Ausblick....................................................................................................................................... 79
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 79
_______________________
Florian Geyer ()
c/o Heuking Kühn Lüer Wojtek, Grüneburgweg 102, 60323 Frankfurt/Main, Deutschland
e-mail: f.geyer@heuking.de
„You Ain’t Seen Nothing Yet: Die Markenführung in sozialen Netzwerken steckt noch in den Kinder-
schuhen. Dies gilt auch für die Rechtsprechung zu den daran anknüpfenden rechtlichen Fragen.“
Florian Geyer
1 Einleitung
Soziale Medien zeichnet aus, dass darin nicht wie bei klassischen Internetangeboten der
Seitenbetreiber die Inhalte vorgibt. Inhalte können vielmehr von jedem Nutzer unmit-
telbar eingestellt werden („User Generated Content“). Diese demokratische Form des
Internets bietet große Chancen für die Markenführung. Verbraucher vertrauen nämlich
Aussagen in Werbespots oder Anzeigenwerbung in der Regel weit weniger als Empfeh-
lungen von Bekannten oder sogar anonymen Verbraucherbewertungen im Internet. Im
Rahmen einer weltweit durchgeführten Nielsen-Studie wurden Internetuser zu ihrem
Vertrauen in unterschiedliche Werbeformen befragt. Danach vertrauen in Deutschland
knapp 90 % der Internetnutzer Empfehlungen von Bekannten. Hingegen orientiert sich
nur knapp die Hälfte der Befragten an in klassischen Medien wie Print oder TV ge-
machten Aussagen (vgl. [5]). Diese Ergebnisse zeigen, dass die Markenführung über
soziale Netzwerke heute unerlässlich ist, wenn das Potenzial des sog. „Word-of-Mouth“-
(„WoM“)-Marketings nicht ungenutzt bleiben soll. Die Nutzungsmöglichkeiten sozialer
Medien für Unternehmen zum Zwecke der Markenführung sind vielfältig, ebenso wie
die sich dabei stellenden rechtlichen Probleme. Dieser Beitrag zeigt aktuelle Entwick-
lungen und Tendenzen der Rechtsprechung im Bereich der sozialen Medien auf, um
Hilfestellung dabei zu geben, etwaige juristische Probleme zu erkennen und ggf. zu
vermeiden.
Im ersten Teil werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Empfehlungsmar-
keting in sozialen Medien und Netzwerken aufgezeigt. Einen Schwerpunkt bildet dabei
das sog. virale Marketing, eine Werbeform, die es unter Nutzung sozialer Medien ermög-
licht, mit einem vergleichsweise kleinen Budget erhebliche Aufmerksamkeitswerte zu
erzielen. Weitere Abschnitte befassen sich mit der Frage der rechtlichen Zulässigkeit des
„Gefällt mir“-Buttons von Facebook, die Gegenstand eines ersten Gerichtsverfahrens
war, sowie mit den möglichen rechtlichen Sanktionen bei rechtswidrigen Äußerungen
im Rahmen sozialer Netzwerke. Im zweiten Teil kommen einige ausgewählte Problem-
kreise der Markenführung im Internet zur Sprache, nämlich die Haftung für verlinkte
Inhalte bei YouTube, Facebook oder Twitter, die Impressumspflichten für geschäftliche
Accounts in sozialen Netzwerken, die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen zur Suchma-
schinenoptimierung und die Rahmenbedingungen für Direktmarketingmaßnahmen
über soziale Netzwerke.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Markenführung in sozialen Medien und Netzwerken 67
Unter „Markenführung“ versteht man den Überbegriff für alle Strategien, die notwendig
sind, damit eine Marke die richtige Position am Markt findet und diese dauerhaft
durchsetzen kann (vgl. [4]). Es geht also um die nachhaltige Etablierung eines bestimm-
ten Markenbildes. Unternehmenskommunikation, die dazu dient, dieses Image aufzu-
bauen (sog. „Imagewerbung“), ist ebenso wie Werbung, die konkrete Waren- bzw.
Dienstleistungsangebote zum Gegenstand hat, nach wettbewerbsrechtlichen Maßstäben
zu beurteilen (vgl. [12]). Wenn nachfolgend von „Werbung“, „Werbemaßnahmen“ oder
„kommerzieller Kommunikation“ die Rede ist, schließt dies daher auch die unterneh-
mensbezogene Imagewerbung ein.
Allgemein gilt der Grundsatz, dass Angaben über ein Produkt oder Unternehmen
weder unwahr noch irreführend sein dürfen. Daneben gibt es eine Reihe von speziellen
Vorschriften, die ein bestimmtes Marktverhalten als wettbewerbswidrig untersagen.
Verstöße lösen gerichtlich durchsetzbare Unterlassungsansprüche sowie beim Hinzu-
treten weiterer Umstände Schadensersatz- oder Gewinnabschöpfungsansprüche aus. Die
Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen wird durch Wettbewerber, Interessenver-
bände oder Verbraucherschutzorganisationen sichergestellt, denen jeweils ein Klage-
recht zusteht.
Ausdrücklich untersagt ist etwa die Verschleierung von Werbemaßnahmen. Es stellt
sowohl einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht als auch gegen das Telemedienge-
setz dar, eine von einem Unternehmen veranlasste kommerzielle Kommunikation nicht
als solche zu kennzeichnen. Dies gilt sowohl für die analoge Welt als auch für das Inter-
net. Werbung muss nach den gesetzlichen Bestimmungen stets klar als solche erkennbar
sein und zudem vom übrigen (redaktionellen) Angebot einer Internetseite getrennt
werden.
68 Florian Geyer
Eine Sonderform der getarnten Werbung stellt das sog. virale Marketing dar. Hierbei
handelt es sich um eine Art des Marketings, bei dem sich eine Werbebotschaft unter den
Werbeadressaten wie ein Virus (also „viral“) verbreiten soll. Tatsächliche Voraussetzung
einer viralen Verbreitung ist, dass der Inhalt einer Botschaft so interessant oder amüsant
ist, dass er von ihrem Empfänger aus eigenem Antrieb weiterverbreitet wird. Anders als
bei konventioneller Werbung, die dem Sender-Empfänger-Prinzip folgt, wird beim vira-
len Marketing eine ursprünglich vom Werbenden (Sender) in Umlauf gebrachte Wer-
bung von Empfänger zu Empfänger weitergegeben. Oft ist bei dieser Art der Werbung
der Werbecharakter nicht zu erkennen, jedenfalls nicht unmittelbar.
zum Hinweis auf den kommerziellen Charakter einer Kommunikation soll es dem
Verbraucher nämlich ermöglichen, sich auf deren werbenden Charakter einzustellen.
Der Verbraucher wird entsprechend gekennzeichneter Kommunikation sodann mit der
gebotenen Skepsis gegenübertreten. Darüber hinaus kann er sich auch entscheiden, sich
dieser überhaupt nicht auszusetzen. Diese Möglichkeit wird dem Verbraucher genom-
men, wenn kein anfänglicher Hinweis erfolgt. Daher dürfte der Carlsberg-Spot nicht mit
dem deutschen Wettbewerbsrecht vereinbar sein. Allerdings müsste Carlsberg nur dann
fürchten, nach deutschem Recht in Anspruch genommen zu werden, wenn sich der Spot
erkennbar an inländische Verkehrskreise richtet. Da hier ein dänisches Unternehmen in
englischer Sprache wirbt, ist dies wohl zu verneinen. Diese Frage wäre anders zu beurtei-
len, wenn ein deutsches Unternehmen werben würde oder der Spot in deutscher Sprache
abgefasst wäre.
über die YouTube-Plattform. Der Spot war zwar vom Hersteller bei einer Agentur in
Auftrag gegeben, jedoch sodann nicht angenommen worden. Obwohl der Hersteller der
Agentur die Verbreitung des Spots ausdrücklich untersagt hatte, kam das Gericht zu
dem Ergebnis, dass dieser hierfür haftet. Er wäre nämlich verpflichtet gewesen, alles zu
tun, was erforderlich und zumutbar war, um die Ausstrahlung der Werbespots wirksam
zu unterbinden. Dazu gehört laut dem Gericht auch die Einwirkung auf Dritte (etwa auf
YouTube).
▶ Praxishinweis: Verträge, die vorsehen, dass die beauftragte Agentur den Werbecharakter
von im Auftrag des Vertragspartners verfassten Blogeinträgen möglichst verschleiern soll,
sind i. d. R. unwirksam.
Eine neue und sehr effektive Form des Empfehlungsmarketings stellt der „Gefällt mir“-
Button dar, den die Soziale-Netzwerk-Seite Facebook zur Installation auf Internetseiten
Dritter zur Verfügung stellt. Das Kammergericht Berlin hatte kürzlich darüber zu befin-
den, ob die Installation des Facebook-„Gefällt mir“-Buttons mit zugehörigem Programm
Rechtliche Rahmenbedingungen der Markenführung in sozialen Medien und Netzwerken 71
„Wenn du eine Partnerseite aufsuchst, sieht Facebook das Datum und die Uhrzeit deines Besuchs, die
Webseite, auf der du dich befindest (URL), sowie weitere technische Informationen über die IP-Adresse,
den Browser und das von dir verwendete Betriebssystem. Dies sind branchenübliche Daten, mit denen
wir dein Erlebnis optimieren können, je nachdem, welchen Browser du verwendest und ob du bei Face-
book angemeldet bist oder nicht. Wenn du bei Facebook angemeldet bist, sehen wir auch deine Nutzer-
Kennnummer. Wir benötigen diese Kennnummer, um dir den richtigen sozialen Kontext bzw. das rich-
tige soziale Umfeld auf der Webseite zu zeigen. Beispiel: Wenn du eine Partnerseite besuchst, müssen wir
wissen, wer du bist, um dir zu zeigen, was deinen Freunden gefallen hat oder was sie empfohlen haben.“
gen dieses zu. Allerdings ließen die Richter die Frage unbeantwortet, inwieweit Verbrau-
cher Ansprüche geltend machen könnten.
▶ Praxishinweis: Für die Praxis bedeutet die Entscheidung des Kammergericht Berlin, dass
Betreiber von Internetseiten bei der Installation von Plug-ins sozialer Netzwerke wie des
„Gefällt mir“-Buttons von Facebook den datenschutzrechtlichen Informationspflichten des
Telemediengesetzes Rechnung tragen müssen. Ein Verstoß gegen diese gesetzlichen Be-
stimmungen stellt zumindest eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld geahndet
werden kann.
den Anbieter der rechtswidrigen Inhalte. Diese Ansprüche sind zwar gerichtlich durch-
setzbar. Faktisch stößt der gerichtliche Rechtsschutz jedoch gerade bei einer Verbreitung
rechtswidriger Äußerungen über soziale Netzwerke häufig an seine Grenzen. Weil In-
formationen über Twitter, Facebook & Co. innerhalb von Minuten oder Stunden tau-
sendfach weiterverbreitet werden können, lassen sich rechtswidrige Äußerungen de facto
häufig nicht mehr aus der Welt schaffen.
Besondere Bedeutung gewinnt in diesem Zusammenhang der medienrechtliche Ge-
gendarstellungsanspruch. Dieser gewährt dem von einer Tatsachenbehauptung Betroffe-
nen das Recht, über das gleiche Medium eine kostenfreie Gegendarstellung zu verbrei-
ten. Ein Nachweis, dass die behaupteten Tatsachen unzutreffend sind, ist dabei nicht
erforderlich. Ein Urteil des OLG Bremen vom Januar 2011 (vgl. [16]) hat den Anwen-
dungsbereich des Gegendarstellungsanspruchs auf gewerbliche Internetseiten erweitert,
soweit auf diesen regelmäßig Neuigkeiten oder sogar Pressemitteilungen veröffentlicht
werden (vgl. [26]). In dem zu entscheidenden Fall waren die gegenständlichen Behaup-
tungen auch über die Twitter-Plattform verbreitet worden. Leider hat sich das Gericht
nicht zu der Frage geäußert, ob der Gegendarstellungsanspruch auch insoweit greift. Es
dürfte aber nicht gerechtfertigt sein, eine Verbreitung von Behauptungen über Twitter
anderen Regeln zu unterstellen, wenn die oben genannten Voraussetzungen vorliegen.
3.1 Haftung für verlinkte Inhalte auf YouTube, Facebook und Twitter
Ein Internetanbieter haftet für Inhalte Dritter, die er über sein Internetangebot verlinkt,
wenn er sich diese zu eigen macht. Die Haftung erstreckt sich u. a. auf jugendgefährden-
de, beleidigende oder persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte sowie auf falsche oder
irreführende Produktaussagen. Der Anbieter haftet demnach, als ob es sich um seine
eigenen Inhalte handelt. Dieser Grundsatz gilt auch für die Verlinkung von Inhalten im
Rahmen sozialer Netzwerke, wie YouTube, Facebook oder Twitter. Nachfolgend werden
die rechtlichen Risiken erörtert, die sich aus einigen der typischen Arten der Verwen-
dung von Links im Rahmen der Nutzung dieser Dienste ergeben.
Dritten die Möglichkeit, Videos in ihre eigene Internetseite einzubetten. Diese Option
besteht bei allen Videos, für welche dies nicht explizit von dem jeweiligen Rechteinhaber
ausgeschlossen wurde. Vorsicht ist vor allem deshalb geboten, weil Schätzungen zufolge
(jedenfalls im Jahr 2008) zwischen 30 % und 70 % der bei YouTube angebotenen Videos
urheberrechtsverletzende Inhalte hatten (vgl. [18]). Vor dem Setzen eines solchen Links ist
es daher unerlässlich, sich abzusichern, dass die Quelle des verlinkten Videos zur Lizen-
zierung berechtig ist und dass das Video auch nicht aus anderen Gründen rechtswidrig ist.
1
Einzelheiten zu der sog. iFrame-Einbindung auf Facebook sind in den Facebook-Guidelines aufrufbar
(vgl. 8).
Rechtliche Rahmenbedingungen der Markenführung in sozialen Medien und Netzwerken 75
ausreiche, um ein Zueigenmachen anzunehmen (vgl. [19]). Auch wenn in einem Tweet
gemachte begleitende Kommentare ein durchaus brauchbares Differenzierungskriterium
darstellen, bestehen gewisse Zweifel, ob die Anmerkung „sehr interessant“ tatsächlich
den Schluss rechtfertigt, dass sich der Twitternde den verlinkten Inhalt zu eigen macht.
Die weitere Entwicklung des Fallrechts bleibt daher abzuwarten.
▶ Praxishinweis: Die Kontrollpflichten in Bezug auf verlinkte Inhalte sind im Interesse der
Meinungsfreiheit auf offensichtliche Rechtsverstöße zu begrenzen. Im Einzelfall ist sorgfäl-
tig zu prüfen, ob der Schutz der Pressefreiheit je nach Ausgestaltung des Webdienstes greift.
Aufgrund der bestehenden Platzbeschränkungen von Tweets ist es unwahrscheinlich, dass
das Presseprivileg für diese Anwendung findet.
Neben der Haftungsfrage für Inhalte stellt sich für Unternehmen die weitere praktische
Frage, ob eine Impressumspflicht wie bei Internetseiten greift und wie diese ggf. zu erfül-
len ist. Da die Nutzung eines eigenen geschäftlichen Accounts in sozialen Netzwerken als
Anbieten eines Telemediums zu qualifizieren ist, müssen grundsätzlich dieselben Infor-
mationspflichten greifen wie bei der Bereithaltung einer Unternehmensinternetseite. Die
Accountinhaber müssen daher eine Anbieterkennzeichnung bereithalten. Die Eingabe-
maske für Twitterprofile sieht zwar nicht ausdrücklich ein Feld für die Angabe eines
76 Florian Geyer
Impressums vor. Allerdings dürfte es ausreichend sein, wenn in dem mit „Web“ gekenn-
zeichneten Feld ein Link zur der Internetseite des verantwortlichen Unternehmens ein-
gegeben wird (die ein über maximal einen weiteren Klick erreichbares Impressum ent-
halten muss), oder – noch besser – ein Deep-Link unmittelbar auf die Impressumsseite.
Existiert keine eigene Unternehmensinternetseite, kann es eine Alternative darstellen, die
erforderlichen Angaben über das in den Profileinstellungen unter „Design“ zu ändernde
Hintergrundbild bei Twitter einzugeben (vgl. [13]).
kömmlicher Werbung dadurch erheblich gesteigert, dass die von Facebook über seine
Nutzer gesammelten Informationen verwendet werden können, um eine Zielgruppe
anhand bestimmter Kriterien wie Alter, Geschlecht und Wohnort zu definieren. Der
Werbekunde von Facebook kann anhand solcher Selektionskriterien festlegen, wem eine
bestimmte Werbeanzeige angezeigt werden soll. Natürlich stellen Soziale-Netzwerk-
Seiten auch ein Instrument zum Zwecke des Direktmarketings dar. Je nach den techni-
schen Gegebenheiten des Netzwerks können über dieses Daten zur zielgerichteten An-
sprache inner- oder außerhalb der Plattform erhoben werden. Dabei sind jedoch das
Datenschutzrecht, das Wettbewerbsrecht und die Nutzungsbedingungen der Plattform
zu beachten.
Eine Möglichkeit der Ansprache ist die unmittelbare Benutzung der Kommunika-
tionsmöglichkeiten des sozialen Netzwerks. Die meisten Sozialen-Netzwerk-Seiten sehen
die direkte Kontaktaufnahme mit anderen Nutzern auf die eine oder andere Art und
Weise vor, wenn sich diese als Kontakt (XING), Freund/Fan (Facebook) oder als Follo-
wer (Twitter) registrieren. Der Versand von Werbung mittels „elektronischer Post“
(hierunter fällt der Versand unmittelbarer elektronischer Nachrichten innerhalb Sozia-
ler-Netzwerk-Seiten) steht jedoch grundsätzlich unter Zustimmungsvorbehalt. Die
kommerzielle Ansprache ohne die vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten
stellt eine „unzumutbare Belästigung“ dar und ist zu unterlassen. Im Streitfall hat der
Werbetreibende das Vorliegen einer wirksamen und ausreichenden Einwilligung zu
beweisen.
2
Die sog. Opt-out-Variante, bei der ein bereits gesetztes Häkchen in einem Kästchen zu entfernen ist,
wenn keine Werbung gewünscht ist, ist im Hinblick auf den Versand elektronischer Post unzulässig
(vgl. [2]). Ein Werbetreibender, der sich lediglich auf eine im Wege eines Opt-out eingeholte Einwilli-
gung berufen kann, handelt daher rechtswidrig.
78 Florian Geyer
▶ Praxishinweis: Die Frage, unter welchen Voraussetzungen innerhalb sozialer Netzwerke ver-
schickte Nachrichten als unzulässige Spam-Mails gelten, ist noch völlig offen. Dies gilt auch
für die Frage, welche Häufigkeit Nachrichten haben dürfen, wenn von einer grundsätzlichen
Einwilligung auszugehen ist. Grundsätzlich ist maßgeblich, was als sozial üblich anzusehen
ist. Die tägliche Versendung mehrerer Werbebotschaften wurde bisher – also in den Zeiten
vor Twitter, Facebook & Co. – als das übliche Maß übersteigend angesehen. Als unproble-
matisch wurde hingegen die Versendung von ein bis zwei Werbebotschaften pro Woche (!)
beurteilt. Inwieweit die Gerichte aufgrund des durch den Siegeszug sozialer Netzwerke
geänderten Nutzerverhaltens und der damit einhergehenden Informationsflut künftig einen
großzügigeren Maßstab anlegen werden, bleibt abzuwarten.
Rechtliche Rahmenbedingungen der Markenführung in sozialen Medien und Netzwerken 79
4 Ausblick
Bei der Markenführung in sozialen Medien und Netzwerken stellen sich vielfach rechtli-
che Fragen, die denen vergleichbar sind, die sich bei der Nutzung der Möglichkeiten des
„herkömmlichen“ Internets ergeben. Da die Rechtsprechung zu sozialen Netzwerken
aber noch in den Kinderschuhen steckt, sind viele für dieses Medium spezifische Fragen
noch nicht geklärt. Bis dahin ist im Einzelfall zu entscheiden, ob ein Rückgriff auf die im
Online-Recht entwickelten Prinzipien möglich ist oder aufgrund der Besonderheiten des
Mediums andere Maßstäbe anzulegen sind. Fest steht jedenfalls, dass dies – wie stets,
wenn Neuland betreten wird – spannende Zeiten sind. Die kreativen Köpfe der Kom-
munikations- und Rechtsbranche sind nun gefragt, um gemeinsam die noch im Einzel-
nen zu definierenden Grenzen auszuloten.
Literaturverzeichnis
19 Rauschhofer H. (2010): Haftung für Links auf Twitter zu rechtswidrigen Inhalten, MMR-Aktuell,
302790, URL: http://www.rechtsanwalt.de//MMR-Aktuell_2010_302790_Haftung_fuer_Links_auf_
Twitter.pdf, abgerufen am: 20.12.2011.
20 Rötzer, F. (2006): Ausverkauf der Blogger-Seele?, URL: http://www.heise.de/tp/druck/mb/artikel/
23/23016/1.html, abgerufen am: 16.10.2011.
21 Schäfer, G. (2011): Checkliste: Die Nutzung von Social Media für selbstständige Bilanzbuchhalter
und Controller, BC, 284, URL: http://beck-online.beck.de/default.aspx?vpath=
bibdata%5czeits%5cbc%5c2011%5ccont%5cbc.2011.284.1.htm&pos=10&hlwords=
facebook%u00d0suchmaschine#xhlhit, abgerufen am: 16.10.2011.
22 Schmidt, H. (2011): 30 Milliarden für Google, 780 Milliarden für die Welt – wie viel Suchmaschinen
wirklich wert sind, in: FAZ Blogs, URL: http://faz-community.faz.net/blogs/netzkonom/archive/
2011/09/14/30-milliarden-fuer-google-780-milliarden-fuer-die-welt-der-wert-der-
suchmaschinen.aspx, abgerufen am: 20.12.2011.
23 Spindler, G./Schuster F. (2011): Recht der elektronischen Medien, TMG § 6 Rn. 42.
24 Twitter (2011): About Twitter, URL: http://twitter.com/about, abgerufen am: 13.12.2011.
25 Wikipedia (2011): Artikel Inlineframe, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Inlineframe, abgerufen am:
16.10.2011.
26 Zoebisch, M. (2011): Der Anspruch auf Gegendarstellung, Unterlassung und Widerruf von Tatsa-
chenbehauptungen in Telemedien wie Internetseiten und Twitter-Meldungen – zugleich Anmerkung
zu OLG Bremen, Urteil vom 14. Januar 2011 – OLG Bremen 14. Januar 2011 Az.: 2 U 155/10.
Teil B
Erfolgsfaktoren im Social Branding
Wie Social Branding in der Praxis
erfolgreich eingesetzt werden kann
6
und Verbraucher das Marketing
von Unternehmen machen
Sven Markschläger, Eva Werle
Inhaltsverzeichnis
_______________________
Sven Markschläger ()
Prenzlauer Allee 33, 10405 Berlin, Deutschland
e-mail: markschlaeger@gmail.com
Eva Werle ()
Jablonskistraße 4, 10405 Berlin, Deutschland
e-mail: eva.werle@gmail.com
„Mach Marke. Mach mehr Marke. Mach, dass andere Menschen Deine Marke machen.“
Sven Markschläger
„Es wird nicht leicht, aber langfristig unabwendbar für die Unternehmen, ihre Marken ein Stück weit
mehr in die Hände der Verbraucher zu legen.“ Eva Werle
Obwohl sich immer mehr Unternehmen für Online-Kommunikation interessieren, scheint das Enga-
gement in sozialen Netzwerken entweder verschlafen oder als Präsenz-Pflicht verstanden zu werden.
Was Social Branding bringt, zeigt die Erfahrung aus der Praxis.
Social Branding ist eine Disziplin des Social-Media-Marketings, die sich die Wirkung
persönlicher Fürsprache zunutze macht. Es zielt darauf ab, die Marke bzw. positive Mar-
kenassoziationen durch Multiplikatoren in der Masse zu verbreiten.
Regelmäßig wird dabei auf Branding- und Werbemittel, aber auch auf Aktionen und
Kampagnen zurückgegriffen. Diese geben dem Konsumenten die Möglichkeit, seine
positive Hinwendung zur Marke zu demonstrieren. Die Social-Branding-Aktivitäten
sind so angelegt, dass sie es dem Konsumenten erlauben, sich unter Verwendung von
Markenbotschaften sozial zu erheben und sich selbst zu inszenieren.
Der Mitmach-Effekt verstärkt die emotionale Markenbindung. Hiervon zeugen regel-
mäßig die Kommentare, Bilder und Beiträge, die von den beteiligten Personen generiert
werden. Er löst zudem einen positiven Strahleffekt auf die Marke und andere Personen
im Netzwerk aus. Man geht davon aus, dass eine persönliche Empfehlung, z. B. durch
einen Freund, eine höhere Glaubwürdigkeit besitzt als die bloße Werbebotschaft eines
Unternehmens.
Für den Erfolg einer Social-Branding-Maßnahme spielen soziale Netzwerke eine beson-
dere Rolle: Soziale Netzwerke sind darauf ausgelegt, soziale, virale und interaktive Effekte
zu schüren. Die Nutzer werden über einfache technische Anwendungen dazu angeleitet
mitzumachen, ihren Netzwerk-Freunden zu folgen, sich zu bekennen, Teil einer Bewe-
gung zu werden. Das erzeugt eine hohe Verbreitungs-Geschwindigkeit und Reichweite.
Soziale Netzwerke bieten zudem technische Funktionen, wie z. B. „Like“-Buttons
und Ähnliches, anhand derer man den sozialen Effekt bzw. Recall nachvollziehen und
zu einem gewissen Grad steuern kann. Sie erzeugen somit nicht nur Reichweite, son-
dern erlauben auch eine Ausrichtung der Social-Branding-Aktivitäten auf bestimmte
Zielgruppen.
Da es üblich ist, mittels Social Networks Informationen und Meinungen zu verteilen,
werden die Branding-Mittel und Markenbotschaften mit einer gewissen Natürlichkeit
Wie Social Branding in der Praxis erfolgreich eingesetzt werden kann 85
Social Branding ist nicht neu: Dank Internet und der sozialen Netzwerke kann es heute
aber wesentlich gezielter und effektiver ein- und umgesetzt werden. Dies lässt sich am
Beispiel des Merchandisings, einem fast schon klassischen Instrument des Social Bran-
dings, verdeutlichen.
Durch den Einsatz attraktiver Branding-Mittel, wie z. B. T-Shirts, Mützen und Feuer-
zeuge, löst das Merchandising Begehrlichkeiten und Multiplikator-Effekte aus. Den glei-
chen Effekt macht sich das Social Branding in sozialen Netzwerken zunutze. Auch hier
werden Branding-Mittel, z. B. in Form von Logos und Videos, verbreitet. Die Branding-
Mittel verbreiten sich aber aufgrund der Netzwerk-Funktionalitäten rascher und umfas-
sender als beim „herkömmlichen“ Social Branding. Ein Logo, das ein User-Profil ziert,
wird nicht nur von dem User selbst betrachtet, sondern auch von seinen Freunden und
Freundesfreunden. Unter der Annahme, dass ein User im Durchschnitt etwa 100 Freun-
de hat, lassen sich auf diese Weise Rücklaufquoten um den Faktor 100 steigern.
Entscheidend ist dabei, dass Unternehmen Markenbotschaften und Branding-Mittel
zur Verfügung stellen, mit denen sich die Verwender-Gruppen bzw. die Multiplikatoren
gerne schmücken. Es geht darum, Botschaften und Mittel zu finden, die sich leicht und
gerne mit der persönlichen Selbstdarstellung im Netz verbinden lassen. Hierdurch ent-
wickeln sie einen glaubwürdigen Empfehlungscharakter.
Ob Social Branding in sozialen Netzwerken sinnvoll ist, hängt von den Marketing-Zielen
des Unternehmens ab. Interessant ist es, wenn Inhalte schnell und mit hoher Glaubwür-
digkeit verbreitet werden sollen. Hierzu müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt
sein. So sollte die Marke über gute Sympathiewerte verfügen und eine klare Positionie-
rung haben. Hilfreich ist zudem ein hohes Involvement der Nachfrager.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so sollte – bei einem positiven Social-Branding-
Entscheid – aus der Positionierung heraus ein Thema entwickelt werden, das für die
Mitglieder des Netzwerks relevant ist und ihnen Lust macht, Teil der Aktion und der
Markengeschichte zu werden.
Ein Beispiel hierfür ist die in 2008 entstandene Kampagne „Miss Jägermeister“ der
Mast-Jägermeister AG in Wolfenbüttel, deren primäres Ziel der Aufbau einer Online-
Community innerhalb des VZ-Netzwerks war. Ein anderes Beispiel ist die Social-Bran-
86 Sven Markschläger, Eva Werle
ding-Kampagne „KrawallTOUR“, durch die die Marke schülerVZ in nur drei Phasen
gestärkt wurde. Beide Kampagnen werden nachfolgend vorgestellt.
Schon 1935 wird der Kräuterlikör der Marke Jägermeister erfunden und auf dem deutschen Markt ein-
geführt. Hergestellt wird er aus 56 Kräutern, Hölzern, Wurzeln und Früchten aus aller Welt. Die ge-
heime Rezeptur bleibt bis heute unverändert. Doch um dauerhaft erfolgreich zu sein und Rezeptur und
Tradition des Familienunternehmens Mast-Jägermeister AG zu wahren, erfindet man sich in Wolfen-
büttel immer wieder neu.
Im Jahr 2007 wurde eine solche Phase abgeschlossen. Mit der Umpositionierung vom
Altherrengetränk hin zu einem Lifestyle-Drink war den Marketing-Verantwortlichen
eine radikale Verjüngung der Marke geglückt. Man konnte sich über hohe Awareness-
Werte und ein klares, eindeutiges Markenbild in der Zielgruppe freuen. Mit viel Herz-
blut und Mut wurde in einschlägige TV-Kampagnen, Promotion-Aktionen und BTL-
Maßnahmen investiert.
Die erfolgreiche Umpositionierung brachte aber auch neue Anforderungen mit sich.
Man sah sich mit einer Zielgruppe konfrontiert, die nicht nur abwechslungsreiche Mar-
kenbotschaften verlangte, sondern sich auch in ihrer Mediennutzung rasant zu verändern
schien. Laut einer repräsentativen Studie der Nürnberger Forschungswerk GmbH waren
unter den 18–29-jährigen Internet-Nutzern mittlerweile 90 % in mindestens einem sozia-
len Netzwerk angemeldet (vgl. [1]). E-Mail war gestern. Die junge Zielgruppe kommuni-
zierte über Plattformen wie studiVZ, Facebook, Xing oder wkw. Es war absehbar, dass
sich das Internet zum Primär-Medium entwickelte.
Um die gerade gewonnenen jungen Konsumenten nicht wieder zu verlieren, machte
Jägermeister sich bereit. Im Sinne einer integrierten Kommunikationsstrategie, die eine
Steigerung von Reichweite und Markenbekanntheit sowie eine Vertiefung von Image
und Kundenbeziehung vorsah, wurden digitale Maßnahmen ins Auge gefasst.
Als erster Trikot-Sponsor Deutschlands war Social Branding schon immer ein Thema
für die Marke Jägermeister. So zählte man bereits im Merchandising-Bereich zu den First
Movern. Die Verbraucher schmückten sich gerne mit dem Jägermeister-Logo, z. B. auf
T-Shirts, Kappen, Einrichtungsgegenständen etc., um ihre Verbundenheit mit der Marke
zu demonstrieren und sich im sozialen Umfeld zu positionieren.
Dementsprechend verzeichnete der Jägermeister E-Commerce-Store, über den ledig-
lich Fan-Artikel verkauft wurden, beträchtliche Umsätze. Man hatte also gute Gründe zu
glauben, dass Social Branding auch in sozialen Netzwerken funktionieren kann.
Wie Social Branding in der Praxis erfolgreich eingesetzt werden kann 87
Abgesehen von den Merchandising-Erfolgen war die Hinwendung zum Social Bran-
ding in sozialen Netzwerken bereits dahingehend beschlossen, dass die Jägermeister-
Webseite nicht nur zur Unternehmens- und Markendarstellung diente, sondern auch
zum Aufbau einer Jägermeister-Community genutzt werden sollte. Doch das Aufkom-
men extrem schnell wachsender sozialer Netzwerke veränderte die Möglichkeiten und
bot bis dato ungekanntes Potenzial.
Man entdeckte, dass die Marke bereits in sozialen Netzwerken stattfand. Allerdings
frei von gesteuerten Marketing-Maßnahmen. Verwender tauschten sich aus, schilderten
Erfahrungen und Verwendungssituationen, die nicht immer dem Bild entsprachen, das
die Marken- und Unternehmensverantwortlichen begrüßten. Es galt ein unbestelltes
Feld, das einigen Wildwuchs aufwies, zu bespielen.
Hierzu entschloss man sich, Webseite und soziales Netzwerk voneinander abzugren-
zen. Auf der Webseite sollten die Marke positioniert und ihre Werte gezielt kommuni-
ziert werden. Die Webseite sollte ein Ort sein, an dem der Konsument wieder zu seiner
Marke zurückfindet, wenn er sich in der Weite des Web oder durch zu viele fremde
Meinungen verirrt hatte. Die interaktive Kommunikation sollte hingegen ausgelagert
und auf die Spielwiese der Social Networks, abseits der eigenen Webseite, verlegt werden.
Eine Art Brücke musste geschaffen werden, die die bisherigen Mitglieder der Marken-
Webseite zu ihrem neuen Platz begleitete und unter Nutzung der besseren Möglichkei-
ten des Social Networks eben auch neue Mitglieder generierte.
Jägermeister ist für die Zielgruppe 18–29 ein einschlägiges Partygetränk. Etwas „on the edge“, macht
man mit Jägermeister nicht nur einen drauf: Mit diesem Wegbegleiter verbringt man den Abend, erlebt
großartige Momente, genießt das Leben. Das verbindet! Abgesehen von Jägermeister und guter Musik
gehören zu solch einer Sause: klasse Frauen, super Typen und die richtige Einstellung.
Jägermeister entschloss sich, eine Kampagne, die die Suche nach der „Miss Jägermeister“
zum Inhalt hatte, zu lancieren. Die wurde über sämtliche digitalen Kanäle, wie z. B. die
eigene Webseite, die VZ-Startseite und Display-Werbung beworben (vgl. Abb. 1). Im
Rahmen der Suche nach der „Miss Jägermeister“ sollten Frauen im Alter von 18–29 ein
Bild von sich einstellen und in einer knappen Begründung darstellen, was sie zur „Miss
Jägermeister“ macht.
Auch wenn man als Gewinnerin des anschließenden Votings ein Fotoshooting ge-
wann – die Aktion „Miss Jägermeister“ war keineswegs ein Abklatsch der TV-Casting-
Shows oder abgedroschener Disco-Misswahlen. Sie war vielmehr die akrobatische Leis-
tung, verschiedene Anforderungen und Ziele in einer einzigen Aktion zum Erfolg zu
führen. Es musste ein relevantes Thema gefunden werden, das gleichermaßen Frauen
und Männer anspricht. Die Aktion sollte begeistern und ausreichend Material liefern,
um 8 Wochen die Spannung aufrechtzuerhalten.
88 Sven Markschläger, Eva Werle
In dieser Zeit wollte man möglichst viele Teilnehmer generieren und in aktive Mar-
kenbotschafter verwandeln. Darüber hinaus plante man weibliches Personal für die zu-
künftig geplanten Promotion-Aktionen zu rekrutieren. Man rechnete sich aus, dass die
Bewerberinnen stark an die Marke gebunden sind und die Werte von Jägermeister ver-
körperten.
Die Aktivierung über eine Misswahl sprach Frauen an. Und die wollte man erreichen.
Nicht zuletzt deshalb, weil das nachgelagerte Voting wiederum die männliche Zielgruppe
begeisterte und wie von selbst aktivierte. So zog man mit einer Story gleichermaßen
Männer und Frauen auf das neue Jägermeister-Profil. Die Social-Branding-Aktivitäten
richteten sich somit an alle Community-Mitglieder von studiVZ. Jeder, der mitmachte,
konnte dies mit einem Jägermeister-Logo auf seinem VZ-Profil ausweisen. Das hatte
natürlich nicht nur Auswirkungen auf die Jägermeister-Aktion, sondern auch einen
enormen Multiplikator-Effekt auf den gesamten Socialgraph der Teilnehmer.
Primäres Ziel der Kampagne war es, die Community-Mitglieder von jaegermeister.de auf
das neue VZ Brand-Profile zu ziehen. Das Jägermeister Brand-Profile auf studiVZ sollte
dabei von Anfang an mit authentischen markenbildenden Themen angereichert werden.
Wie Social Branding in der Praxis erfolgreich eingesetzt werden kann 89
Durch die Aktivierung der Fans und die Verteilung des Logos wollte man Multiplikator-
Effekte erzielen und weitere Markenkontakte generieren. Die Rekrutierung von Promo-
tion-Personal innerhalb der Community sollte eine Auswahl an Marken-verkörpernden
Jägerettes hervorbringen. Zur Erreichung dieser Ziele stand ein Budget von 50.000 € zur
Verfügung. Davon wurde ca. die Hälfte in Medialeistung wie Display- und Bannerwer-
bung investiert.
Die Aktion „Miss Jägermeister“ motivierte über 1.000 Teilnehmerinnen, sich mit ei-
nem Bild sowie einem entsprechenden Statement zur Marke Jägermeister zu bekennen
(vgl. u. a. Abb. 2 und 3). Innerhalb von 6 Tagen registrierten sich 7.000 Fans und veröf-
fentlichten Kommentare wie: „Wäre Jägermeister eine Frau, ich würde sie heiraten“ oder
„Ohne Dich zu feiern wäre wie ein Sommer ohne Sonne“. Die eingestellten Bilder der
Kandidatinnen und Sprüche wie „Ich bin Miss Jägermeister, weil ich WILD aus der Rei-
he tanze“ aktivierten insgesamt 80.000 Viewer zum Voting.
Im Laufe des Kampagnen-Zeitraums von 8 Wochen konnte die Aktion 180.000 Fans
gewinnen, die das Logo auf ihrer eigenen Profilseite posteten und etliche ähnliche Lie-
besbekundungen wie „Rock am Ring rockt nur mit Jägermeister“ auf der Pinnwand
eintrugen und zur Schärfung des Markenimages beitrugen. Die Aktivierung brachte
insgesamt 590.000 Besucher auf das Jägermeister-Profil. Die Aktion „Miss Jägermeister“
war nicht nur quantitativ und qualitativ erfolgreich, auch die Rekrutierung des Promoti-
on-Personals war vielversprechend. 650 Frauen mit hoher Affinität zu Jägermeister be-
warben sich, um für ihre Marke zu arbeiten.
Mit der außergewöhnlichen Misswahl entwickelte Jägermeister eine Story, die den ge-
wünschten Aktivierungs-Effekt ermöglichte und es schaffte, dass die bisherigen Commu-
nity-Mitglieder innerhalb des 8-wöchigen Kampagnen-Zeitraums auf das Jägermeister-
Edelprofil im studiVZ konvertierten. Der Erfolg lässt sich auf drei Faktoren zurückführen:
Relevanz
Jägermeister hatte es geschafft, eine Kampagnen-Idee zu entwickeln, die für Männer wie
Frauen gleichermaßen relevant war. Man schaffte es, die Positionierung auf attraktive
Art und Weise erlebbar zu machen, so dass die Teilnehmerinnen ihre positiv erlebte
Beziehung zu Jägermeister demonstrierten. Die Teilnehmerinnen erfuhren durch die
Aktion Aufmerksamkeit, also einen für sie relevanten Nutzen, der dazu verleitete mit-
zumachen und andere zu aktivieren. Die Männer sowie das Voting sorgten für den vira-
len Effekt und die Verbreitung des Logos.
Brand Fit
Die Teilnahme-Mechanik und die direkte Ansprache der Zielgruppe passten zur Marke
Jägermeister. „Ich bin Miss Jägermeister, weil …“ brachte 1.000 Bilder und Confession-
90 Sven Markschläger, Eva Werle
Statements wie „Ich bin Miss Jägermeister, weil ich zielsicher bin wie ein Jäger und trin-
ke wie ein Meister“ generierten noch weitere Liebeserklärungen wie „Jägermeister, wir
lieben Dich“ oder „Er heißt Jägermeister und wir führen eine Wochenendbeziehung“,
die das Markenimage positiv aufluden.
Mechanik
Die Methodik war einfach und effektiv. In einem sozialen Netzwerk wie studiVZ, wo
sich die Zielgruppe traf, ließ sich das Bedürfnis nach Darstellung und Profilierung im
sozialen Umfeld für die Marke nutzen. Die Teilnehmer wurden dabei von der Kampag-
ne geführt, ohne dass sie sich begrenzt fühlten. Das Logo war aus zwei Gründen als
Branding-Mittel erfolgreich. Zum einen war es aufgrund seiner beeindruckenden Iko-
nographie begehrt. Zum anderen war es leicht verteilbar. Es wurde an jeden neuen Jä-
germeister-Fan weitergegeben und auf dessen Profil eingebunden. Bei durchschnittli-
Wie Social Branding in der Praxis erfolgreich eingesetzt werden kann 91
chen 100 Kontakten jedes Fans konnte der Multiplikator-Effekt eine Viewer-Zahl von
9 Mio. erzeugen.
Für ein soziales Netzwerk ist es selbstverständlich, die Mechanismen des Social Bran-
dings für sich zu nutzen, beispielsweise um den Aktivitätsgrad der Mitglieder zu steigern
oder um sich als Netzwerk attraktiver zu machen.
Ein soziales Netzwerk lebt von der Lust der Menschen, ihre Meinung zu verbreiten,
sich als Person zu positionieren und zu profilieren. Um diese Menschen innerhalb eines
sozialen Netzwerks zu binden, ist es wichtig, sie und ihre Bedürfnisse zu verstehen und
ihnen alle Möglichkeiten zu bieten, das Netzwerk als Ventil zu nutzen. So heterogen die
Community auch sein mag, ein erfolgreiches soziales Netzwerk versteht es, den Mitglie-
dern das Gefühl zu geben, unter ihresgleichen zu sein.
Das 2007 lancierte soziale Netzwerk schülerVZ ist exklusiv nur für Schüler zugänglich. Die Online-
Community umfasst ca. 5 Mio. Mitglieder zwischen 10 und 21 Jahren. Das sind knapp 70 % der 7 Mio.
deutschsprachigen Schüler (vgl. [2]). Bei schülerVZ wird jedes Mitglied seiner Schule zugeordnet. Das
macht es leicht, klassenübergreifend andere Mitschüler kennenzulernen, Kontakte zu pflegen und ein
Netzwerk an Interessengenossen aufzubauen. Innerhalb des Netzwerks tauscht man sich im sozialen
Umfeld und unter Ausschluss von Erwachsenen über gemeinsame Themen aus, ohne den für Schüler
häufig hemmenden Weg der direkten Kommunikation zu gehen. Gruppen zu bestimmten Motti, An-
sichten oder Ideen können gegründet und mobilisiert werden. Das unterstützt den Community-Effekt
und macht VZ zum erfolgreichsten Netzwerk dieser Altersgruppe.
Die VZ.net Netzwerke Ltd. stand im Jahr 2010 vor der Herausforderung, die Positio-
nierung von schülerVZ als Marke speziell für Schüler zu stärken. Im Vergleich zu ande-
ren SchülerNetzwerken war man mit nur wenigen speziellen Produkt-Features für die
Zielgruppe ausgestattet, die eine produktseitige Positionierung eindeutig gemacht hätten.
Doch im Gegensatz zu altersübergreifenden Netzwerken hatte man verstanden, dass sich
Schüler dort wohlfühlen, wo sie unter sich sein, den Regeln und Beschränkungen der
Erwachsenen, aber auch der Langeweile des Alltags entfliehen können.
Es musste also eine Kampagne entwickelt werden, die auf der emotionalen Ebene ef-
fektiv war und den Community-Gedanken im Sinne der Schüler bewies. Geplant war, die
hohe Mitglieder-Akzeptanz nach außen zu kommunizieren, um sich auch für neue Mit-
glieder attraktiv zu machen. Man wollte reale, erlebbare Begeisterung auslösen, die sich
innerhalb des Netzwerks wie ein Lauffeuer verbreiten sollte.
92 Sven Markschläger, Eva Werle
SchülerVZ ist das spezielle Netzwerk für Schüler. Besondere Momente und Erlebnisse schaffen, teilen
und bewältigen ist das Erfolgskonzept einer jeden Gemeinschaftsbildung. Die Zielgruppe der Oberschü-
ler im Alter von 12–15 Jahren sind in einer Phase des Aufbegehrens und der Selbstfindung, die sich
häufig in der Revolte gegen Eltern und Lehrer ausdrückt. Und wenn man das verstanden hat, sind
phantasievolle Ventile eine Lösung.
Sechs pinke Affen machen zwei Wochen lang die Schulhöfe der Republik unsicher
und sorgen für schräge Abwechslung im tristen Schulalltag. Nach dem Motto: Wir
schenken Dir die „abgedrehteste“ Schulpause Deines Lebens tauchen die pinken Affen in
schülerVZ-Bussen und mit quietschenden Reifen und tosender Megafon-Sirene plötzlich
und unerwartet vor den Schulen auf. Sie klettern an Zäunen hoch, animieren die Schüler
zum Tanzen und Fotos machen und verteilen bei lauter Musik und Gegröle Krawallpa-
kete mit Merchandise-Artikeln wie Zungentatoos, Flummis, Glibber-Händen, Knicklich-
tern und Trillerpfeifen.
Mit dieser Aktion sollte auf emotionale Weise Aufmerksamkeit und Involvement er-
zeugt werden. Dazu musste man dorthin gehen, wo Schüler sind: in die Schule. Genau
hier, wo für Schüler der Ernst des Lebens stattfindet, war es auch leicht, Aufmerksam-
keit im Sinne der Schüler zu erzeugen. Die Schüler sollten eine solche Begeisterung
erfahren, dass sie durch das Einstellen eigener Fotos, Kommentare etc. einen einschlägi-
gen viralen Effekt im Netzwerk erzeugten und auch bei weiteren Schülern Begehrlich-
keit weckten.
Für die KrawallTOUR konnte sich grundsätzlich jede Schule in Deutschland bewer-
ben. Die Mechanik war einfach: Schüler mussten lediglich ein „verrücktes“ Foto von sich
und ihren Freunden im schülerVZ hochladen und mit dem Edelprofil zur KrawallTOUR
verknüpfen (vgl. Abb. 4).
An ausgelosten Schulen der Tour wurde dann die Aktion wiederholt. On top wurde
unter allen Einsendungen ein Kurztrip in einen Freizeitpark, inklusive kostenlosem
Eintritt sowie der An- und Abreise verlost. Die Aktion fand in den folgenden drei Pha-
sen statt:
1. Die Mystery-Phase:
Die Online-Aktivierung sollte neugierig machen und startete 5 Tage vor Tour-Beginn.
Nur einen Tag lang wurde auf schülerVZ ein Homepage-Takeover in dem Tenor: „Psst
… bald passiert hier was ganz Besonderes“ eingesetzt. Die entstandene Neugier wurde
dann in den folgenden Tagen mit verschiedenen Teaser-Videos auf der VZ-Startseite
sowie verschiedenen YouTube-Channels aufgelöst. Das Runterzählen eines Countdowns
auf der Startseite sowie ein Paket aus VZ-Medialeistungen wie News-Teaser, Rectangles
und die Login-Seiten steigerte Spannung und Aufmerksamkeit.
Unter dem Motto „Zeig uns, wie verrückt du bist?“ und durch Verlinkung mit dem
Krawalltour-Edelprofil auf schülerVZ konnten Schüler sich und ihre Schule mit einem
Foto, Text oder Video für die Tour bewerben.
Wie Social Branding in der Praxis erfolgreich eingesetzt werden kann 93
2. Aktions-Phase:
In dieser Phase war es nicht nur wichtig, an den Schulen vor Ort Krawall zu machen,
sondern Begeisterung und Involvement zu erzeugen. Mit dem richtigen Gefühl für die
Schüler wurden die aufmerksamkeitsstarken, pinken Affen zum Highlight im trist emp-
fundenen Schulalltag (vgl. Abb. 5). Dass Lehrer nicht allzu begeistert waren, schürte bei
den Schülern lediglich die Begehrlichkeit und den Mitmach-Effekt.
Diese Offline-Aktion wurde online durch den permanenten Aufruf begleitet: „Wer
hat den Bus gesehen? Bewirb dich und wenn er zu dir kommt, mach ein Foto!“, wodurch
die Verbreitung von Fotos angeregt werden konnte.
94 Sven Markschläger, Eva Werle
VZ hatte sich zum Ziel gesetzt, mittels realer Aktionen an Schulen aus Schülern Marken-
Fans zu machen. Durch das emotionale Erlebnis konnte ein positiver Imagetransfer als
„das coole Netzwerk für Schüler“ erreicht werden. Die erzeugte Begeisterung der Teil-
nehmer löste einen viralen Effekt innerhalb der Online-Community aus. Als Multiplika-
toren trugen die Schüler mit emotionalen Pinnwand-Beiträgen, Fotos und Videos inner-
halb ihres Netzwerkes selbst zur Aufladung der Marke und zur viralen Verbreitung bei.
Über die Begehrlichkeit der Aktion wurde außerdem eine hohe Bindung an die Marke
erzeugt. Die Strategie ging auf.
Die Teaser-Videos in der Mystery-Phase erreichten bereits in den ersten zwei Tagen
über 250.000 Views. Von 1.500 Anmeldungen wurden 60 Schulen ausgewählt, die inner-
halb der 10-tägigen Aktionsphase besucht wurden. Vor Ort sorgten insgesamt ca. 10.000
Krawallpakete für ordentlichen Spaß und Lärm, was auf dem Krawalltour-Edelprofil
weitere 14.000 positive, Image-bildende Kommentare einbrachte (vgl. Abb. 6). Die Be-
sonderheit der Kampagne, nämlich die Offline-Aktivierung der Schüler, war zielführend
für den Erfolg innerhalb der Online-Community: Aus 14.000 Marken-bildendenden
Beiträgen auf dem Edelprofil wurden im Kampagnen-Zeitraum etwa 65.000 Markenfans
mit positiven Meinungsäußerungen im Sinne der Positionierungsstrategie erzeugt. Der
Multiplikator-Effekt bescherte der Seite darüber hinaus über 1 Mio. Besucher. Das Ziel
der Aktivitätssteigerung, kombiniert mit einem positiven Markentransfer, wurde erfüllt.
Virale Kampagnen verbreiten sich normalerweise dann, wenn Personen die Weitergabe
von Botschaften mit einem persönlichen Nutzen verbinden. Bei Social-Media-Kampag-
Wie Social Branding in der Praxis erfolgreich eingesetzt werden kann 95
nen geht es dabei meist um den psychologischen Nutzen der Selbstdarstellung oder
Aufwertung der eigenen Person. Im Falle der Kampagne für das schülerVZ, das gewis-
sermaßen der Host für das Selbstdarstellungsprofil des Nutzers ist, wäre dieser Effekt nur
schwer herstellbar gewesen. Dem VZ-Marketing ist es jedoch geglückt, eine andere Form
der Aktivierung zu finden: die reale Begeisterung für Erlebtes. Das Seeding nicht nur
online umzusetzen, sondern offline beginnen zu lassen war der treibende Erfolgsfaktor
und die Besonderheit dieser Social-Branding-Kampagne. Die Schüler hatten die Mög-
lichkeit, Teil der Kampagnen-Story zu werden, sie mitzugestalten, sie zu erleben. Die
Aktion war exklusiv, unterhaltsam und überraschend und entsprach den Anforderungen
der Schüler, diese Aktion im eigenen Netzwerk zu verbreiten und den gewünschten
Schneeball-Effekt auszulösen. VZ hat es damit gewagt, nicht nur die eigene Media-
leistung zur Verbreitung einzusetzen, sondern eine Promotion-Aktion als Kick-off zu
nutzen und diese in die Online-Community zu führen.
Durch den Presse-Hype hinsichtlich digitaler Medien gewinnt man leicht den Eindruck,
Social-Media-Marketing sei eine nahezu kostenlose Wunderwaffe. Dies ist in den meis-
ten Fällen falsch. Dass eine gute Idee automatisch durch das bloße Online-Stellen Auf-
merksamkeit erzeugt, ist bestenfalls eine glückliche Ausnahme.
Eine große Bedeutung haben die zielgerichtete Kampagnen-Idee bzw. deren Inhalte.
Wer seine Zielgruppe, deren Interessen und Bedürfnisse nicht kennt, kann keine rele-
vante Story stellen, kein Interesse und keinen Mitmach-Effekt erzeugen. Eine Kampag-
nen-Idee, die die Zielgruppe nicht ins Herz trifft, ist aussichtslos. Schafft man es jedoch,
gezielt Multiplikatoren zu begeistern, kann man aktiv Massen bewegen.
Maßnahmen mit hohem Interesse und Verbreitungsgrad, aber ohne Verbindung zur
Marke sind allerdings sinnlos. Nur dann, wenn sich die Werte der Marke in der Kam-
pagnen-Idee wiederfinden, können die richtigen Bilder, Kommentare und Beiträge er-
zeugt und die richtige Positionierung in die Masse transportiert werden.
Die Mechanik des Social Brandings sollte für den Verbraucher einfach sein. Anwen-
dungsmöglichkeiten und Technologie dürfen keine Barrieren aufweisen. Nicht durch-
dachte bzw. zu komplizierte Methodik und hohe technische Hürden schwächen die
Mitmachquote und den viralen Effekt.
Häufig sind Kampagnen nicht ausreichend durchdacht. Will man Social Branding er-
folgreich nutzen, sollte die Überlegung vorausgehen, welche Kommentare, Bilder und
Beiträge innerhalb der Kampagnen-Idee entstehen könnten. Gibt die Story nur in unzu-
reichendem Maße Leitplanken vor, besteht die Gefahr, dass die Aktion unerwünschte
Beiträge produziert. Wichtig ist es, anhand der Story einen Rahmen vorzugeben, inner-
halb dessen sich das Branding ausbreitet.
96 Sven Markschläger, Eva Werle
1. Erforschen Sie Ihre Zielgruppen: Was sind ihre Einstellungen, was ihre Motive? Wo
halten sie sich auf und welche Themen bewegen sie?
2. Entwickeln Sie Kampagnen-Ideen, die relevant und interessant für die Zielgruppen
sind.
3. Achten Sie auf eine positive Verknüpfung mit den gewünschten Markeninhalten.
4. Überlegen Sie, welche Beiträge innerhalb der Story entwickelt werden könnten und
geben Sie geschickt Leitplanken vor.
5. Entwickeln Sie eine Mechanik, die leicht verständlich und durchführbar ist.
6. Vermeiden Sie Barrieren, z. B. komplizierte Technik und besonderes Equipment.
7. Entwickeln Sie eine Seeding-Strategie.
8. Gehen Sie dahin, wo Ihre Zielgruppe ist. Wählen Sie Verbreitungswege und Multi-
plikatoren nach den ohnehin bestehenden Gewohnheiten Ihrer Zielgruppe.
9. Budgetieren Sie Medialeistung, um eine ausreichende Entzündungsenergie zu erzeu-
gen.
10. Haben Sie Mut, sich auf die Zuwendung der Konsumenten zu verlassen. Planen Sie
Kapazitäten für den „After-Media-Kontakt“ mit den Kunden.
Literaturverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
_______________________
Jana Riedel ()
Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden,
Friedrich List Platz 1, 01069 Dresden, Deutschland
e-mail: riedel@htw-dresden.de
Prof. Dr. Ralph Sonntag ()
Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden,
Friedrich List Platz 1, 01069 Dresden, Deutschland
e-mail: sonntag@htw-dresden.de
„Das Berufsbild der für Unternehmen in Social Media kommunizierenden Fachkräfte ist ebenso neu
wie unscharf. Einheitliche Anforderungen und Beschreibungen für diese Tätigkeiten fehlen. Der Erfolg
der Kommunikation ist jedoch abhängig von spezifischen Kompetenzen.“ Jana Riedel
„Social Media stellt sämtliche Bereiche und Funktionen eines Unternehmens vor neue zwingende Her-
ausforderungen. Eine methodische Vermittlung entsprechender Kompetenzen wird zunehmend Gegens-
tand der Aus- und Weiterbildung.“ Prof. Dr. Ralph Sonntag
Mit der verstärkten Nutzung von Social Media durch Unternehmen entstehen neue
Perspektiven der Markenbildung, das sogenannte Social Branding. Darunter ist zunächst
jedwede Form der Markenführung zu verstehen, die interaktiv und partizipativ im Social
Web erfolgt. Sie entsteht aus dem Dialog, der durch unterschiedlichste Akteure über eine
Marke geführt wird.
Die Hauptakteure dabei sind Unternehmen, Einzelnutzer und die Social Crowd. Diese
können wiederum über verschiedene Social Brands kommunizieren. So gibt es Unter-
nehmensmarken, die Corporate Brands, und Personenmarken, die Personal Brands. In
der Markenkommunikation von Unternehmen kann weiter zwischen Employer Brands
(Arbeitgebermarke) und Product Brands (Produktmarke) unterschieden werden. Das
Zusammenspiel der unterschiedlichen Markenarten und Akteure verdeutlicht Abb. 1.
Marke wird hier mit Burmann et al. verstanden als ein „Nutzenbündel mit spezifi-
schen Merkmalen, die dafür sorgen, dass sich dieses Nutzenbündel gegenüber anderen
Nutzenbündeln, welche dieselben Basisbedürfnisse erfüllen, aus Sicht relevanter Ziel-
gruppen nachhaltig differenziert“ ([4], S. 5). Sie erfüllt dabei drei Funktionen: eine Ori-
entierungs- und Navigationsfunktion zur Vereinfachung der Auswahl und Entscheidung
aus einer Vielzahl von Angeboten, eine Vertrauens- und Risikoreduktionsfunktion, die
durch das Vertrauen in die Qualität der Marke entsteht, und eine Identifikations- und
Prestigefunktion, durch die sozialer Status und Zugehörigkeit demonstriert werden kön-
nen (vgl. [4]).
Reputation wird als Teil einer Marke verstanden, der das Ansehen und das Vertrauen
in das zukünftig erwartbare Handeln einer Marke widerspiegelt (vgl. [22], [23]). Reputa-
tion setzt sich dabei zusammen aus einer Vielzahl von Bewertungen der unterschiedli-
chen Zielgruppen (vgl. [15], S. 152).
Reputation entsteht damit unabhängig vom Ort der Kommunikation. Unterschieden
werden kann jedoch das Management der Reputation im realen und im digitalen Raum.
Online-Reputation-Management umfasst dabei die Maßnahmen, die geeignet sind, die
Handlungen des Unternehmens im digitalen Raum transparent und sichtbar werden zu
lassen, um die Reputation zu steigern. Die neuartigen Kommunikationswege und For-
men des Social Web bieten hierbei die Möglichkeit, dass dieser Prozess mit einer großen
Kompetenzen für das Online-Reputation-Management 99
Social Branding
Corporate Branding
Social Einzel-
Crowd personen
Dynamik, Reichweite und Schnelligkeit verlaufen kann, wenn bestimmte Regeln berück-
sichtigt werden.
Im Folgenden werden zunächst die Spezifika der Kommunikation im Social Web
betrachtet, um danach auf die Regeln für die erfolgreiche Verwendung dieses Mediums
für das Online-Reputation-Management und die dafür notwendigen Kompetenzen ein-
zugehen.
bildet beispielsweise das Modell der interaktiven Kommunikation von Oenicke ab (vgl.
[16]). Es gibt verschiedene Zwischeninstanzen und Multiplikatoren, die eine Nachricht
weiterverbreiten und modifizieren können. Die Kommunikationskanäle sind durch
Vernetzung der Kommunikationspartner geprägt (vgl. [13]). Kommunikation im Social
Web kommt ihrer ursprünglichen Definition nahe, bei der es um die Beziehungen zwi-
schen Menschen geht (vgl. [1]). Diese können im Social Web beobachtet werden, wo-
durch eine neue Öffentlichkeit entsteht (vgl. [13]).
Die Empfänger sind keine anonyme und disperse Masse, sondern Individuen mit ei-
genen Profilen, die für die Kommunikationspartner einsehbar sind. Bei der Kommuni-
kation mit bekannten Kommunikationspartnern sind die Persönlichkeit, die Authentizi-
tät und das Vertrauen elementare Faktoren im Kommunikationsprozess. Es handelt sich
um eine ideale Sprechsituation, in der die Gesprächspartner jederzeit die gleiche Chance
auf Beteiligung an der Kommunikation haben, wie sie Habermas bereits 1981 forderte
(vgl. [11]). In dieser haben alle Kommunikationspartner die gleiche Chance auf Äuße-
rung und die Kommunikation verläuft frei von Handlungszwängen.
Jeder Empfänger wird aufgrund der Vielzahl von Informationen, die im Social Web
auf ihn einströmen, zu seinem eigenen Gatekeeper, der nur die für ihn relevanten Inhalte
wahrnimmt. Für die Verbreitung zählen nicht mehr reine Botschaften, sondern Kom-
munikationsangebote, die verändert, weiterentwickelt, gekürzt oder umgedeutet werden
können. Hierbei kommt es auf die Resonanzfähigkeit (vgl. [13]) bzw. den Verankerungs-
faktor (vgl. [10]) der Nachricht an.
Die Weiterverbreitung der Nachricht ist auch abhängig von Gruppenprozessen.
Gladwell (vgl. [10]) betont das Potenzial von Gruppen und der jeweiligen Gruppenstär-
ke, die eine Anzahl von 150 nicht übersteigen sollte. Die Macht der Masse, die sich von
wenigen Personen steuern lässt, ist daher auch Gegenstand des Konzepts des Schwarm-
Marketings (vgl. [17]).
Für die Kommunikation im Social Web lässt sich als Besonderheit feststellen, dass es
sich um eine überwiegend indirekte, schriftliche, asynchrone und an mehrere Empfänger
gerichtete (d. h. öffentliche) Kommunikation handelt. Hier greifen andere Mechanismen
als in der direkten und persönlichen Kommunikation. Vor allem das Fehlen von Mimik
und Gestik erschwert das gegenseitige Verständnis, ebenso wie die Reaktion des Emp-
fängers nicht unmittelbar erlebbar ist. Dennoch wird der Feedback-Prozess im Social
Web erleichtert. Außer einem direkten Feedback (Antwort des Empfängers an den Sen-
der) ermöglichen Social Media auch ein technisches Feedback durch die Messung von
Klick- oder Like-Raten, Retweets, @Erwähnungen und Kommentaren. Dadurch entsteht
ein offener Rückkanal, der den Dialog auf Augenhöhe ermöglicht und erfordert. Hierzu
ist eine Kollaborationsfähigkeit, die auch Empathie umfasst, notwendig (vgl. [13]).
Gleichzeitig wird über die Weiterverbreitung und Modifikation der Kommunikationsin-
halte das Fremdbild der Marke transparenter, wodurch sich für die Markeninhaber allein
durch das Zuhören wichtige Informationen für die Markengestaltung gewinnen lassen.
Zuhören wird daher auch als erste Stufe eines Social Media Measurements verstanden
(vgl. [7]).
Kompetenzen für das Online-Reputation-Management 101
Hierbei bieten sich für die Wertschöpfung des Unternehmens in vielen Bereichen Po-
tenziale, die gleichzeitig die Nutzer an die Marke binden. Das Einbeziehen der Social
Crowd (Crowdsourcing) in die Wertschöpfung beschreibt beispielsweise das Konzept
der interaktiven Wertschöpfung (vgl. [18]). Durch Open Innovation, Co-Creation oder
Mass Customization werden die Nutzer direkt am Entstehungsprozess des Produktes
beteiligt und in die Marke involviert. Die Kreativität der Social Crowd nutzen etablierte
Firmen wie Dell, Tchibo oder Edelight (Swarovski), aber auch Start-ups wie MyMuesli,
Spreadshirt oder Chocri sind mit diesem Prinzip erfolgreich.
Die Diskussion über die veränderten Kommunikationsformen im Social Web identi-
fiziert bereits einige Fähigkeiten, die für das Social Branding und Online-Reputation-
Management benötigt werden. Diese werden im übernächsten Abschnitt wieder aufge-
griffen. Zunächst werden der Kompetenzbegriff geklärt sowie etablierte und für die
Thematik relevante Konzepte spezifischer Kompetenzen vorgestellt.
3.1 Kompetenzbegriff
1. Das Gesetz der Wenigen, demzufolge kleine Gruppen von Menschen eine große Wir-
kung auslösen und verbreiten können. Gladwell unterscheidet diese Gruppe von
Menschen anhand der drei Typen Vermittler, Kenner und Verkäufer. Sie haben die
Eigenschaft, eine große Anzahl von Menschen begeistern zu können, sei es durch ihre
Persönlichkeit, durch ihr Wissen oder ihre rhetorischen Fähigkeiten. Eigenschaften,
die auch beim Aufbau eine Marke von Vorteil sind. Diese liegen vor allem im Bereich
102 Jana Riedel, Ralph Sonntag
der kommunikativen Kompetenz (vgl. [11]) und betreffen die Kenntnis der Beson-
derheiten der Kommunikation im Social Web sowie der wichtigsten Aspekte der
Kommunikation als Gestaltung von Beziehung zwischen Menschen. Die Kommuni-
katoren müssen fähig sein, Dialoge und Kommunikation auf Augenhöhe zu führen.
Und sie sollten eine empathische Grundeinstellung anderen gegenüber einnehmen.
2. Weiterhin setzt der Verankerungsfaktor (Stickyness) voraus, dass der Inhalt der Bot-
schaft geeignet sein muss, sich beim Empfänger festzusetzen und diesen zum Handeln
anzuregen. Dies gilt auch für die Gestaltung einer Markenbotschaft. Die Gestaltung
der richtigen Nachricht, sowohl unter technischen als auch unter gestalterischen As-
pekten, erfordert vorwiegend Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen aus dem Be-
reich der Medienkompetenz (vgl. [20]).
3. Nach der dritten Regel von der Macht der Umstände ist die Reichweite und Tiefe der
Verbreitung einer Botschaft abhängig von der Wahl des richtigen Zeitpunktes und
des richtigen Ortes. Dies betrifft vor allem das Konzept der Markenführungskompe-
tenz (vgl. [2]), die durch hohe Kundenakquisitions- und -bindungskompetenz er-
leichtert wird. Mit Hilfe der Überwachungs- und Steuerungskompetenz können die
für die Marke relevanten Themen gezielt dort gestreut werden, wo sie gerade beson-
dere Aufmerksamkeit erfahren. Dies erfordert unternehmens- und themenspezifi-
sches Wissen, analytische und strategische Fähigkeiten und die Einstellung zum lang-
fristigen Planen.
gen Menschen mit der richtigen Nachricht zum richtigen Zeitpunkt zu infizieren. Dann
ist eine schnelle und weite Verbreitung möglich, die durch den Aufbau persönlicher
Beziehungen und damit von Vertrauen und Authentizität geprägt ist. Der Aufbau einer
Reputation bleibt dennoch ein langfristiger Prozess (vgl. [22]). Das Social Web sollte
trotz seiner Katalysatorfunktion daher nicht als Kanal verstanden werden, der kurzfristig
zu hohem Erfolg führt. Auch hier steht der Vertrauensaufbau und -beweis an erster Stel-
le. Dafür braucht es Analyse, Strategie und Zeit.
Die nächsten Abschnitte befassen sich zunächst mit der Beschreibung der benannten
Kompetenzkonzepte kommunikative Kompetenz (vgl. [11]), Medienkompetenz (vgl.
[20]) und Markenführungskompetenz (vgl. [2]), in Abschn. 4 werden die Kompetenzen
für das Online-Reputation-Management entlang der Kompetenzdimensionen Wissen,
Fertigkeiten, Eigenschaften beschrieben. Diese sind jeweils Teile der vier Kompetenzdi-
mensionen Fach-, Methoden-, Personal- und Sozialkompetenz. Abbildung 2 verdeutlicht
dieses Vorgehen.
Im Zentrum jeglicher Markengestaltung stehen die Kommunikation und damit die Fä-
higkeit, Informationen an den Nutzer/Empfänger vermitteln zu können. Das Konzept
der kommunikativen Kompetenz nach Habermas ist für die Beschreibung der notwendi-
gen Fähigkeiten zur Kommunikation im Social Web besonders geeignet, da Habermas
hierin explizit Kommunikations- und Gesellschaftstheorie verbindet. Es geht dabei nicht
mehr nur um grammatische und linguistische Fähigkeiten, sondern vor allem um den
kontextspezifischen Einsatz der Sprache in der jeweiligen Gesellschaft. Kommunikative
Kompetenz setzt daher die Kenntnis der Kultur einer Gesellschaft voraus und befähigt
dann zur Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen. Dies wiederum fördert die Weiter-
entwicklung einer Gesellschaft (vgl. [11]).
Übertragen auf die Kommunikation im Social Web setzt dies die Kenntnisse der Neti-
quette und der Besonderheiten der Kommunikation im Social Web voraus (vgl. [2]). Das
Social Web ermöglicht es einer Vielzahl von Personen, sich barrierefrei an gesellschaftli-
chen Prozessen zu beteiligen. Es gibt kaum noch technische Hürden, um selbsterstellte
Nachrichten für einen großen Nutzerkreis in kürzester Zeit zur Verfügung zu stellen.
Vielmehr macht es die Menge und Beliebigkeit der zur Verfügung stehenden Informati-
onen notwendig, sich von diesen abzuheben und herausragende Inhalte bereitzustellen.
Hierfür sind Fähigkeiten für die redaktionelle Aufbereitung von Themen und das Story-
telling von besonderer Bedeutung. Auch der Aufbau einer (Online)-Reputation ist hier-
bei von Vorteil.
Kommunikation zielt laut Habermas immer auf Verständigung und Interaktion zwi-
schen Kommunikationspartnern. Kommunikatives Handeln ist dementsprechend stets
auch eine soziale Handlung (vgl. [11]). Die Kommunikationspartner müssen sich dabei
aufeinander einstellen. Zum gegenseitigen Verständnis der Kommunikationspartner
104 Jana Riedel, Ralph Sonntag
müssen diese sich der verschiedenen Ebenen einer Nachricht bewusst sein. Habermas
identifiziert hierfür drei Welten (vgl. [11]): die objektive Welt, in der real existierende
Sachverhalte im Zentrum stehen, die soziale Welt, in der es um die Regelung interperso-
naler Beziehungen geht, und die subjektive Welt als Spiegel der inneren Erlebnisse und
Selbstrepräsentation. Nach dem Kommunikationsmodell von Schulz von Thun (vgl.
[21]) entsprechen diese den Seiten der Sach-, der Beziehungsebene und der Selbstoffen-
barung. Schulz von Thun ergänzt hier noch den Apell. Nur wenn die Kommunikations-
partner alle Ebenen einer Nachricht erfassen und dementsprechend darauf Bezug neh-
men können, ist Kommunikation erfolgreich.
Ein Fallbeispiel verdeutlicht dieses. In der Jubiläumskampagne zum 100-jährigen Ge-
burtstag von Nivea Creme ist es der Beiersdorf AG gelungen, diese verschiedenen Ebenen
anzusprechen, indem sie die Bedeutung von Nähe vielfältig interpretiert. Auf der Sach-
ebene wird körperliche Nähe in Form von Hautkontakt dargestellt, wobei die gepflegte
Haut im Vordergrund steht. Auf der Beziehungsebene stellt sich Nivea als treuer und
beständiger Partner auf dem Weg zu gepflegter Haut dar. Über sich selbst offenbart Ni-
vea, dass es seine Kunden schätzt und den besonders treuen Kunden die Ehre erweist,
ihren Namen auf der Creme-Dose abzudrucken. Der Apell dieser Nachrichten ist dann
gleichzusetzen mit der zentralen Werbebotschaft: Nutze Nivea und fühle dich wohl in
deiner Haut. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für die Markenkommunikation im So-
cial Web, sondern auf allen Kanälen. So zeigt die Nivea-Kampagne auch, dass eine Kam-
pagne mehrere Kanäle bespielen sollte, anstatt sich nur auf Social Media zu verlassen.
3.3 Medienkompetenz
Dabei lässt sich die weite Verbreitung und Nutzung von Social Media auch anhand
des Technology Acceptance Modells (TAM) erklären. Erst nach einer wahrgenommenen
einfachen Bedienbarkeit (perceived ease of use) und einem wahrgenommenen Nutzen
(perceived usefulness), der zu einer Verbesserung der eigenen beruflichen Handlungs-
fähigkeit führt, kommt es zu einer positiven Nutzungseinstellung und anschließend zu
einer Nutzung der Technologien (vgl. [6], zitiert nach [3]). Die Schwelle für das Funkti-
onswissen in Social Media ist demnach geringer als bei anderen Medienformaten und
führt zu einer höheren Nutzungsakzeptanz. Dies vermehrt die Chancen zur Teilhabe an
gesellschaftlichen Prozessen im Sinne der kommunikativen Kompetenz.
Die besondere Herausforderung der Markenkommunikation liegt hierbei in der
cross- und transmedialen Vernetzung der Medienangebote und -gattungen, welches um-
fassenderes Medienwissen erfordert. Doch auch die Multimedialität der Social-Media-
Kanäle mit Videos auf YouTube, Storytelling in Blogs oder Fotodokumentationen auf
Flickr beansprucht Kenntnisse aus unterschiedlichen Medienbereichen.
Medienbewertung meint die kritische Reflexion und Bewertung der Medieninhalte.
Dies kann zum bewussten Genuss ebenso wie zur begründeten Ablehnung bestimmter
Medieninhalte führen. Die Bewertung ist somit Voraussetzung für das eigene Medien-
handeln.
Die Crowd kann – wie die Masse – hierbei als Indikator für Beliebtheit und Nütz-
lichkeit spezieller Medienangebote genutzt werden. Eine Fanpage mit vielen Fans und
einem hohen Maß an Interaktivität hat scheinbar mehr zu bieten als ein Angebot mit
wenigen Fans und geringer Stimulation zur Mitwirkung. Im Social Web werden indi-
viduelle Bewertungen durch Bewertungsportale und andere Angebote jedoch transpa-
renter und Bewertungen anderer können für die eigene Medienbewertung adaptiert
werden.
Medienhandeln meint die aktive Verwendung von Medien zur Kommunikation eige-
ner Inhalte bis hin zur Mitwirkung an gesellschaftlichen Entwicklungen im Sinne der
kommunikativen Kompetenz. Dies wird durch die einfache Nutzung und den wahrge-
nommenen Nutzen von Social Media verstärkt möglich, führt jedoch auch zu einer
zunehmenden Anzahl von weniger anspruchsvollen Inhalten, aus denen der Einzelne
auswählen und sich auf sein Urteilsvermögen der Medienbewertung verlassen können
muss.
3.4 Markenführungskompetenz
Die Anwendung dieser drei etablierten Kompetenzkonzepte auf die Beschreibung der
Kompetenzen im Online-Reputation-Management verdeutlicht die Komplexität des
Kompetenzen für das Online-Reputation-Management 107
Journalisische Eigeninitiative/
Konzept-/ Selbstständigkeit
Fähigkeiten/
Strategie-
Medienproduktion
erstellung
Kontaktfähigkeit/ Menschen-
Beziehungsmanagement, kenntnis/
Vertiefende Kenntnis Kundenakquise/
der einzelnen Einfühlungs-
-bindung vermögen
Allgemeine Einsatzbereiche von
Kenntnisse über Social Media entlang Projekt-
Social Media management Analysefähigkeit
der Wertkee
Kenntnisse und Überwachungs-
Wisse n Fertigkeiten und Steuerungs- Einste llung
Identifikation der Marke
Kenntnisse der Geistige fähigkeit
Etikee im Technische Beweglichkeit/
Kenntnisse zum Krisensituationen
Social Web Flexibilität
Auau von erkennen und
Kenntnisse der Social-Media- Webbasierte entschärfen
Dialogführung Ständige
Rechtslage Plaformen Rasche Erreichbarkeit
Gängige Auffassungs- über verschiedene
Management von Ausdrucksformen gabe Kanäle
Web-Communities Organisation von
Information
1
Informationen zum Projekt unter: http://social-media-experten.de
108 Jana Riedel, Ralph Sonntag
Die überwiegende Zahl dieser Bestandteile ist auch in den unter 3 beschriebenen
Kompetenzkonzepten erfasst. Teilweise können weitere Bestandteile ergänzt werden. Die
systematische Aufarbeitung eines Social-Media-Kompetenzmodells steht daher erst am
Anfang und erfordert eine stetige Weiterentwicklung und Ergänzung sowie die Bewer-
tung eines Kataloges an Wissensbestandteilen, Fähigkeiten und Einstellungen für eine
Social-Media-Kompetenz.
Die Markenkommunikation in Social Media ist ein relativ neues und dynamisches Feld,
in welchem sich eine zunehmende Zahl von Unternehmen zunächst austestet. Diese
Erprobungsphasen werden von den Unternehmen in unterschiedlicher strategischer
Tiefe und Ganzheitlichkeit verfolgt. Auch die wissenschaftliche Erforschung des Gebietes
steht noch am Anfang. Forschungsschwerpunkte lassen sich in den Bereichen des Social
Media Governments, des Social Media Measurements, des Social Media Marketings und
des Lernens mit Social Media identifizieren. Kompetenzen für die (Marken)-Kommuni-
kation in Social Media sind dabei bisher ein untergeordnetes Thema.
Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass sich bestehende Kompetenzkonzep-
te für die Beschreibung spezifischer Bestandteile von Kompetenzen für das Online-Repu-
tation-Management eignen und daraus ein eigenes Kompetenzmodell entwickelt werden
kann. Die Entwicklung eines solchen steht jedoch noch am Anfang und muss systema-
tisch fortgeführt werden. Die Herausforderung besteht dabei in der Dynamik der Social-
Media-Welt. Der Gegenstand, für den Kompetenzen beschrieben und perspektivisch
entwickelt werden sollen, unterliegt selbst einem ständigen Wandel. Somit ändern sich
auch die Anforderungen und Bestandteile eines Social-Media-Kompetenzmodells, wel-
ches diese Dynamik aufnehmen muss.
Die Komplexität eines solchen Modells zeigt sich auch in der Vielfalt der betroffenen
Kompetenzfelder, welche sozial-kommunikative ebenso wie technische und gestalteri-
sche sowie strategische und analytische Kompetenzen umfassen. Diese lassen sich an-
hand theoretischer Betrachtungen ebenso identifizieren wie durch empirische Untersu-
chungen. Eine Kombination beider Herangehensweisen kann dabei die systematische
weitere Erforschung vorantreiben, um Aussagen zur Relevanz und Praxistauglichkeit der
einzelnen Bestandteile treffen zu können.
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24 Weinert, F. (1999): Definition and Selection of Competencies. Concepts of Competence, München.
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Social Brand Loyalty – Soziale Markenloyalität
durch systematisches Interagieren mit Fans
8
Artur Mertens, Markus Caspari
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung.................................................................................................................................. 112
2 Aktuelle Entwicklungen............................................................................................................ 113
2.1 Soziale Medien legen zu............................................................................................. 114
2.2 Interaktionsraten nehmen ab ................................................................................... 114
2.3 Folgen für die Marke.................................................................................................. 116
3 Ursachen für den Rückgang der Interaktionsrate ................................................................ 117
3.1 Qualität der Inhalte .................................................................................................... 118
3.2 Qualität der Interaktion............................................................................................. 119
4 Maßnahmen zur Steigerung der Interaktionsrate ................................................................ 120
4.1 Zahl der Posts optimieren ......................................................................................... 120
4.2 Themen der Posts besser auf Interaktionen zuschneiden .................................... 120
4.3 Interaktionsangebote schaffen.................................................................................. 120
4.4 Differenzierter auf Fans eingehen............................................................................ 120
4.5 Systematisch Brand Advocates gewinnen............................................................... 122
5 Steigerung der Interaktionsraten am Beispiel Starbucks ..................................................... 123
6 Zusammenfassung und Fazit ................................................................................................... 125
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 126
_______________________
Artur Mertens ()
Otto-Hesse-Straße 19, 64293 Darmstadt, Deutschland
e-mail: a.mertens@branddevelop.de
Markus Caspari ()
Jakob-Kaiser-Weg 9, 64572 Büttelborn, Deutschland
e-mail: mail@markus-caspari.de
„Soziale Markenloyalität durch Facebook & Co. aufzubauen und zu festigen, gewinnt weiter an Bedeu-
tung. Marken inhaltlich und formal auf den Dialog mit dem Konsumenten und Interessenten auszu-
richten, wird daher immer wichtiger.“ Artur Mertens
„Systematische Interaktion mit Fans ist der entscheidende Erfolgsfaktor, um die Effizienz und Perfor-
mance von Social-Branding-Aktivitäten nachhaltig zu steigern.“ Markus Caspari
1 Einführung
Erfolgreiche Marken leben – sie entwickeln sich, und zwar nicht nur aus einem inneren
Antrieb heraus, sondern auch durch sich verändernde Rahmenbedingungen und Not-
wendigkeiten. Im Idealfall reift die Marke mit diesen dynamischen Herausforderungen
wie ein Mensch im Laufe seines Lebens. Sie entwickelt Charakter, Ausstrahlung und
zeigt Profil.1
Seit geraumer Zeit schaffen die sozialen Medien2 neue Bedingungen für die Marken-
führung. Die dynamischen Aspekte und Prozesse sozialer Medien stellen Markenverant-
wortliche vor die Aufgabe, die eigene Marke mittels Social Media zu öffnen,3 ohne dabei
in Aktionismus zu verfallen und somit die Identität der Marke zu gefährden (vgl. hierzu
u. a. [3], [14], S. 54 und [5]).
Ziel der identitätsorientierten Markenführung ist „eine funktions- und unterneh-
mensübergreifende Integration aller mit der Markenführung zusammenhängenden
Entscheidungen und Aktivitäten zum Aufbau von langfristig stabilen und werthaltigen
Marke-Kunden-Beziehungen“ ([8], S. 75).
Dabei sind derartige Markenbeziehungen aber nicht nur ein theoretisches Konstrukt,
um die Verbundenheit4 eines Kunden mit einer Marke zu erklären (vgl. hierzu [7]), son-
dern vor allem eine lebendige Beziehung zwischen Kunden und Marken. Wie zwischen-
menschliche Beziehungen leben sie von Nähe, Austausch und Reibung. Kunden und
Interessenten für die Marke zu begeistern, um so den Aufbau einer langlebigen und
1
Zur kritischen Würdigung der Analogie zwischen menschlichen Beziehungen und Markenbeziehun-
gen siehe Diehl (vgl. [12], S. 199 f.).
2
Laut BITKOM (vgl. [2]) sind 74 % der deutschen Internetnutzer mindestens in einem sozialen Netz-
werk angemeldet. 66 % sind dabei aktive Nutzer.
3
Zur Öffnung der eigenen Marke mittels sozialer Medien siehe Buck et al. (vgl. [5]).
4
Zur Abgrenzung des Zustands der Verbundenheit von dem der Gebundenheit siehe Diehl (vgl. [12],
S. 3 f.). Dabei verweist Diehl auf Studien, die diese beiden Bindungszustände um eine weitere Form der
Markenbeziehung erweitern, und untersucht Indikatoren und Wirkungen des „Brand Attachments“.
Das über eine rationale Zufriedenheit hinausgehende Brand Attachment stellt eine Verbundenheit auf
emotionaler Ebene dar, differenziert sich allerdings vom „Lovemarks-Konzept“ von Roberts: „There had
to be something new, something that would create loyalty beyond reason“ ([40], S. 66) und Roberts:
„Lovemarks sind Marken, Events und Erlebnisse, die von den Menschen geliebt werden“ ([41], S. 15), da
Liebe und Leidenschaft nur eine Form emotionaler Markenbeziehungsqualität ist (vgl. [12], S. 27 ff.).
Social Brand Loyalty – Soziale Markenloyalität durch systematisches Interagieren mit Fans 113
2 Aktuelle Entwicklungen
Die aktuellen Entwicklungen sind geprägt von zwei auseinanderdriftenden Werten: Die
Zahl der „Fans“ (vgl. [52]), also der User, die sich per Klick auf einen „Gefällt mir“-
Button für eine Marke aussprechen, steigt immens.9 Gleichzeitig nimmt die Zahl der
5
Zur Etablierung erfolgreicher Markenbeziehungen als zentraler Aufgabenstellung des Markenmanage-
ments siehe Mattenklott (vgl. [33], S. 257).
6
Zur Doppelfunktion der Marke als Objekt und Partner im Interaktionsprozess siehe Esch und Stenger
(vgl. [15], S. 293 f.).
7
Größere Marken setzen pro Monat durchschnittlich 38 Posts auf Facebook ab (vgl. [51]).
8
Zum Konstrukt der Markenloyalität und den dazu existierenden unterschiedlichen Auffassungen siehe
Lorenz (vgl. [32], S. 58–71).
9
„Facebook“ unterscheidet „Friends“ (bis 5.000 Follower), meist bei privaten Einträgen, von den „Fans“
(über 5.000 Follower). Da die meisten Marken-Aktivitäten bei „Facebook“ stattfinden, entscheiden wir
uns hier für die „Facebook“-basierte Terminologie.
114 Artur Mertens, Markus Caspari
Soziale Netzwerke werden immer größer. Immer mehr Menschen sind beispielsweise bei
„Facebook“ registriert und dort aktiv (vgl. [30]). Facebook besaß Ende des Jahres 2011
bereits eine Gemeinde von etwa 800 Mio. Mitgliedern weltweit (vgl. [54]). Zu Beginn des
Jahres waren es noch 600 Mio. Aber auch andere soziale Netzwerke wachsen rasant.
Google+ konnte beispielsweise in einem Zeitraum von nur 7 Monaten bereits 90 Mio.
Mitglieder gewinnen (vgl. [38]).
Facebook behauptet derzeit in Hinsicht auf Bekanntheit und Beliebtheit bei den
Nutzern sozialer Netze seine Vorreiterrolle – auch bei der Markeninteraktion. Eine US-
amerikanische Studie zeigt, dass über ein Drittel der Nutzer am liebsten über Facebook
mit ihrer Lieblingsmarke kommunizieren. Bei den unter 35-Jährigen sind es sogar über
die Hälfte (vgl. [11]).
Kein Wunder also, dass Unternehmen immer mehr auf Social Media setzen und hier
vor allem auf Facebook. Der Facebook Trendreport 2011, der 150 Top-TV-Werbetrei-
bende untersuchte (vgl. [57], S. 8 und 26), konnte ermitteln, dass diese ihre Aktivitäten
stark mit „Facebook“ verlinken. 72 % der TV-Spots verweisen demnach zunächst auf die
Marken-Website und 76 % der Websites verlinken dann auf die „Facebook“-Fanseite.
45 % der Unternehmen nutzen dabei die Empfehlungsfunktionen von Facebook (vgl.
[57], S. 2 und 25).
Aktivitäten, die scheinbar rasant zu hervorragenden Ergebnissen führen: Bei den
untersuchten Marken wurden, im Vergleich zum Vorjahr, die Fanzahlen um den Faktor
sieben auf durchschnittlich 25.124 Fans vervielfacht (vgl. [57], S. 10 und 26). Sieben
Marken haben inzwischen sogar über 20 Mio. Fans (vgl. Abb. 1).
Wie bereits angeführt, ist Interaktion eine Möglichkeit, Markenloyalität aufzubauen bzw.
zu intensivieren (vgl. [39], S. 39 und [36], S. 74f.). Die sozialen Medien scheinen daher
das ideale Medium für einen intensiven Austausch von Konsumenten und Marken zu
sein. Kaplan und Haenlein definieren Social Media als „eine Gruppe von Internetanwen-
dungen, die auf den technologischen und ideologischen Grundlagen des Web 2.0 auf-
10
Zu den Möglichkeiten, auf Facebook zu interagieren, siehe Holzapfel und Holzapfel (vgl. [25], S. 46).
Social Brand Loyalty – Soziale Markenloyalität durch systematisches Interagieren mit Fans 115
Abb. 1 Top-10-Brands mit den meisten Facebook-Fans (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung
an [17]11)
bauen und die Herstellung und den Austausch von User Generated Content ermög-
lichen“ [28]. Man möchte hinzufügen: nicht nur ermöglichen, sondern geradezu för-
dern. Es gibt vielfältige Anwendungen wie Blogs, Kollektivprojekte, Communities, so-
ziale Netzwerke, MMORPGs12, soziale virtuelle Welten und vieles mehr (vgl. [28], [24],
S. 338ff. und [42], S. 273), die für jeden Nutzer ideale Voraussetzungen zum Austausch
bieten. Daher wird fleißig gepostet, gebloggt, gechattet, geshared und getwittert. Aber
profitieren Marken, die in den sozialen Medien aktiv sind, auch davon?
Leider nicht – der Facebook Trendreport 2011 hat für die 150 untersuchten Marken
festgestellt, dass die Interaktionen im Vergleich zum Vorjahr deutlich abgenommen
haben. Lag die durchschnittliche Interaktionsrate13 auf Facebook im Jahr 2010 noch bei
4,3 %, so sank sie 2011 um mehr als die Hälfte auf 1,5 % (vgl. [57], S. 18).
11
Ohne die Facebook-Seiten von Facebook, YouTube und iTunes. Bei Converse ist nur die Facebook-
Seite der Brand angegeben. Vgl. hierzu auch Tab. 1.1 von Kilian (vgl. [29]), der den Top Brands mit den
meisten Facebook-Fans die Prominenten-Fanseiten auf Facebook gegenüberstellt.
12
Massively Multiplayer Online Role-Playing Game.
13
Zur Berechnung der Interaktionsrate siehe Allfacebook.de (vgl. [43]).
116 Artur Mertens, Markus Caspari
0,500
0,477
0,375
0,250 0,308
0,125 0,178
Zudem zeigt eine Untersuchung: Je größer die Fangemeinde einer Facebook-Seite ist,
desto geringer fällt die Interaktionsrate aus. Wie Abb. 2 verdeutlicht, scheint es dem-
nach einen natürlichen oder durch einen Algorithmus bestimmten Grenzwert zu geben
(vgl. [53]).
Dieser Trend gilt über alle Branchen hinweg, auch wenn der Facebook Trendreport
2011 einige Branchen ausmachen konnte, die überdurchschnittliche Interaktionsraten
erreichen konnten. Zu nennen sind hier vor allem die Automobilhersteller mit 2,3 %
(vgl. [57], S. 18).
Nur jeder 70. Fan interagierte 2011 mit seiner Marke. Zudem haben die „Lightweight
Interactions“ zugenommen – also die Klicks auf die „Gefällt mir“-Buttons: von 61 % in
2010 auf 65 % in 2011. Nur 10 % der Fans engagieren sich mit Postings (vgl. [57], S. 18).
Hinzu kommt, dass bei einer zu geringen oder fehlenden Interaktion auch die Tech-
nik dafür sorgt, dass Mensch und Marke nicht zueinander finden. Ein Rückgang des
EdgeRanks führt dazu, dass Markeninformationen bei Facebook vom Fan nicht mehr
gesehen werden. Bei Seiten mit 1.000 bis 10.000 Fans liegt die Wahrnehmung bei 9,38 %,
d. h., ein Post wird von nur 9,38 % der Fans gesehen. Bei Seiten mit 10.001 bis 100.000
Fans liegt die Wahrnehmung bei 6,02 %, bei 100.001 bis 1.000.000 Fans bei 6,11 % und
bei Seiten mit mehr als 1.000.000 Fans nur noch bei 2,79 % (vgl. Abb. 3). Im Durch-
schnitt werden folglich nur noch 7,49 % der Posts im Newsfeed der Fans wahrgenom-
men (vgl. [10]).
Die Folgen liegen auf der Hand: Die Kommunikationsleistung von Marken in sozia-
len Medien nimmt ab. Damit wird die Markenloyalität der Kunden und Interessenten
erheblich gefährdet.
Social Brand Loyalty – Soziale Markenloyalität durch systematisches Interagieren mit Fans 117
9,38%
6,02% 6,11%
2,79%
1000 bis 10.000 10.001 bis 100.000 100.001 bis Mehr als 1.000.000
Fans Fans 1.000.000 Fans Fans
Bei der Interaktion über die sozialen Netzwerke werden die neue Rolle und die ver-
änderte Position der Marke im Kommunikationsprozess deutlich. In der ersten Inter-
netphase lief Markenkommunikation über bewährte Sender-Empfänger-Modelle. Die
Marke stand als Sender am Beginn des einseitigen Kommunikationsprozesses und ver-
mittelte die Botschaften über einen Informationskanal an die Zielgruppe. In Zeiten des
Web 2.0 hat sich dies grundlegend geändert. Die Marke steht nun im Zentrum des
Mediums (vgl. [31], S. 38 und 49) und ist Sender und Empfänger gleichzeitig, da die
Community nicht mehr konsumierender Rezipient, sondern aktiver Mitspieler gewor-
den ist.14
War es gemäß dem Sender-Empfänger-Modell der klassischen Kommunikation aus-
reichend, durch Aussenden der Botschaft zu kommunizieren, so gilt es in den sozialen
Medien, den Kommunikationsprozess permanent in Gang zu halten, sozusagen immer
im Gespräch zu bleiben.15
Der Rückgang der Interaktionsraten kann demnach darauf zurückzuführen sein, dass
es Unternehmen nicht gelingt, den Kommunikationsprozess dauerhaft anzuregen. Sie
nutzen die Bedingungen des Mediums sowie die Bedürfnisse der Community nicht
optimal und interagieren nicht systematisch genug mit ihren Fans.
14
Vgl. hierzu das netzwerkorientierte Interaktionsmodell (Abb. 1.1) von Burmann et al. (vgl. [7]) sowie
zur Kategorisierung moderner Kommunikationsansätze Abb. 2.1 von Schmitz und Ahlers (vgl. [44]).
Schögel und Mrkwicka verdeutlichen den Rollenwechsel der Unternehmen vom Sender zum Netzwer-
ker (Abb. 1) mit dem „Communication Shift“ (vgl. [45] S. 6 ff.).
15
Zur Transformationsmöglichkeit mittels Social Media vom einseitigen Monolog zum vielseitigen
Dialog siehe Grabs und Bannour (vgl. [21], S. 35) sowie zu den drei Evolutionsstufen des E-Brandings
siehe Henseler (vgl. [23], S. 136 ff.).
118 Artur Mertens, Markus Caspari
Fans stellen ihre eigenen Anforderungen an die Inhalte. Eine aktuelle Studie ermittelt,
dass Facebook-Seiten die folgenden Kriterien erfüllen sollten, um attraktiv zu sein:
Inhalte, die wenig animierend aufbereitet sind und offensichtlich werblichen Charak-
ter haben oder keine Gemeinschaftserlebnisse generieren, werden demnach wenig bis
gar nicht rezipiert.16
Gleichwohl sollte man sich nicht allein von den Präferenzen der Fans leiten lassen.
Denn diese suchen die „schnelle Befriedigung“, was zwar ein schnelles Wachstum der
Fanzahlen generieren kann, jedoch nicht gerade die Markenloyalität fördert. Ginge es
nämlich nach den Konsumenten, würde es vorwiegend spezielle Angebote und Deals wie
z. B. Coupons, Rabatte und Promotions geben (vgl. Abb. 4).
Interessant scheint zudem die hohe Anzahl von Usern zu sein (32,9 %), die Fan einer
Marke werden, weil sie bereits Kunden des Unternehmens sind. Das bedeutet, dass der
Weg zu einer Markenbeziehung hier bereits geebnet wurde und die Marke „lediglich“
über ein systematisches Interagieren dauerhaft interessante Kommunikationsangebote
bieten sollte, die sich durch eine Balance aus Information, Unterhaltung, speziellen
Angeboten und Service auszeichnen und dabei anschlussfähig sind.
Fest steht allerdings, dass Interaktionsangebote nur dann zu einer Markenloyalität
führen, wenn sie helfen, Markenwissen aufzubauen, und auf diese Weise das an-
gestrebte Markenbild festigen (vgl. [16]). Dadurch wird die zentrale Bedeutung einer
klaren Markenidentität deutlich, denn Marken, die für austauschbare Werte stehen,
werden es schwer haben, relevante Inhalte für Markenfans zu bieten (vgl. hierzu [14],
S. 81).
16
Dietrich und Schmidt-Bleeker sprechen von einer „Stickiness“ der Markenbotschaften, die sich im
Netz schnell verbreiten (vgl. [13], S. 31 f.).
Social Brand Loyalty – Soziale Markenloyalität durch systematisches Interagieren mit Fans 119
Service Support
oder Produkt-
News: 5,0%
Freunde sind Fans Andere: 0,7%
der Marke: 6,2%
Gegenwärtig
Kunde des
Unternehmens:
32,9%
Abb. 4 Warum werden Sie Facebook-Fan einer Marke? (Quelle: vgl. [55])
Neben den Inhalten ist für die sozialen Medien auch der formale Aspekt der Interak-
tionen ausschlaggebend. Es kommt sozusagen darauf an, die Kommunikation den
„Sitten und Gebräuchen“ sozialer Netze anzupassen. Fans wollen als Partner der Marke
ernstgenommen und einbezogen werden, sie wollen „gefragt“ sein (vgl. [26]).
Dieser qualitativ hochwertige Kommunikationsstil wird von Unternehmen, wenn
überhaupt, häufig nur bis zu einer kritischen Fanzahl durchgehalten. Ein Grund dafür
ist, dass sich aufgrund der steigenden Fanzahl die Kommunikation von „One-to-One“
immer mehr zu „One-to-Many“ verändert und sich dadurch wieder der klassischen
Kommunikation nähert (vgl. [57], S. 23 und [22], S. 138).
Das zweite Problem, das die formale Seite der Kommunikation betrifft, ist ein
technisches. Wie schon angesprochen, erreichen Marken aufgrund des EdgeRanks ihre
Fans kaum noch. Für diesen technischen Algorithmus spielen die folgenden Faktoren
eine wichtige Rolle (vgl. [50]):
Dabei scheint es bei Facebook offenbar eine Hierarchie der Inhalte zu geben: Fotos
und Videos liegen vor Links und Status Updates (vgl. [48]). Werden die Inhalte auf die
oben genannten Faktoren zugeschnitten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Posts
der Marke im Newsfeed beim jeweiligen Nutzer angezeigt werden. Die Interaktion kann
so auch in technischer Hinsicht wieder „fließen“.
120 Artur Mertens, Markus Caspari
Um Interaktionen anzuregen, ist das erste Mittel zunächst einmal die klassische Steige-
rung der Anzahl der Posts, denn mehr Posts erzeugen mehr Interaktion. Allerdings gibt
es hierfür einen natürlichen Grenzwert, den es unternehmensintern zu identifizieren
gilt. Das Optimum liegt im Durchschnitt bei ca. einem Brand Post pro Tag (vgl. [51]).
Um erfolgreich mit Fans zu interagieren, müssen demzufolge nicht unbedingt viele
Posts veröffentlicht werden. Vielmehr kommt es auf eine adäquate Anzahl der Posts an,
die kompakt,17 glaubwürdig (vgl. [24], S. 346f.) und authentisch (vgl. [7]) formuliert
werden sollten.
Um die Qualität der Inhalte zu verbessern, ist es ratsam, Posts thematisch zu optimieren.
Dazu gehört die Identifizierung relevanter Themen für die Fans. Eine aktuelle Unter-
suchung zeigt, wie Abb. 5 verdeutlicht, dass vor allem Produkt-Highlights, Unterneh-
mensinfos und Fragen von den Fans gut angenommen werden (vgl. [20], S. 12).
Eine Interaktion muss angeregt werden, das Gegenüber muss einen Anreiz haben, aktiv
zu werden und zu reagieren. Von Buddy Media stammen hierzu Ratschläge, die eine
Interaktion anregen können (vgl. Abb. 6). Wie bereits aufgezeigt, wird durch eine rege
Interaktion des Fans mit der Marke zudem der Newsfeed positiv beeinflusst. Das heißt,
Posts erreichen ihn auch wieder vermehrt.
Die Inhalte sollten nicht nur generell auf die Interessen und Präferenzen der
Konsumenten zugeschnitten sein. Es lohnt sich vielmehr auch, differenzierte Inhalte zu
liefern, die Fans sozusagen „näher bei sich“ abholen und involvieren.
17
Vor allem kurze Posts, die sich auf maximal 80 Zeichen beschränken, erhöhen die Interaktionsraten
(vgl. [46]).
Social Brand Loyalty – Soziale Markenloyalität durch systematisches Interagieren mit Fans 121
Unternehmensinformationen 0,15%
Fragen 0,14%
Kundenaulärung 0,12%
Webewerbe 0,08%
Werbung 0,07%
Abb. 5 Facebook-Interaktionsrate: Interaktion pro Anzahl „Gefällt mir“-Klicks (Quelle: vgl. [20],
S. 12)
1 Fragen stellen
7 Videos verwenden
Tab. 1 Interaktionsraten (Interaktion nach Anzahl der Page Likes) (Quelle: vgl. [20], S. 13)
Die Interaktionsraten von Marken, die gleichzeitig globale und regionale Facebook-
Fanseiten betreiben, sind um ein Vielfaches höher als von solchen, die nur eine globale
Seite haben. Um das zu verdeutlichen, wurde in der Tab. 1 die Spalte „Hebelwirkung“
eingefügt, die den „Interaktions-Multiplikator“ anzeigt (vgl. [20], S. 12).
Gerade beim Betreiben von globalen und regionalen Seiten gibt es für viele
Unternehmen noch Potenzial. „Facebook IQ“ zeigt, dass von den 100 untersuchten
Marken zwar schon 40 % regionale Facebook-Seiten betreiben, um lokale Märkte zu
adressieren, aber die restlichen 60 % der Marken nur eine einzige globale Facebook-Seite
betreiben (vgl. [20], S. 13).
Brand Advocates für die Marke zu gewinnen, trägt dazu bei, die Interaktion mit Fans und
anderen Usern zu verbessern. Brand Advocates sind Meinungsführer in Social Networks.
Sie sind äußerst gut vernetzt und überdurchschnittlich aktiv, dabei helfen sie, Informa-
tionen zu verbreiten und Meinungen zu bilden. Sie genießen eine hohe Glaubwürdigkeit
in der Community, da sie unabhängig, kommunikativ und gut informiert sind. Brand
Advocates setzen sich besonders intensiv mit Produkten und Marken auseinander, für
die sie sich interessieren, und können so zu Multiplikatoren für Markenbotschaften
werden, wenn sie sich im Netz für eine Marke aussprechen (vgl. [56]).
Zudem haben Brand Advocates bezogen auf einen durchschnittlichen User eine
große „Reichweite“. Einen Brand Advocate zu gewinnen, bedeutet demnach im dop-
pelten Sinn einen Zugewinn für die Marke.
Auf die Unterstützung eines Brand Advocates sollte man jedoch nicht warten. Man
sollte ihn ausfindig machen und dann gezielt ansprechen (vgl. [27]). Außerdem gibt es
technische Möglichkeiten, um potenzielle Fürsprecher zu identifizieren. So ermittelt
beispielsweise das „Social Media Scoring System“ von Klout, welche Reichweiten User
haben, und weist User mit hohen Reichweiten aus. Zugleich kann ermittelt werden,
welche Themenschwerpunkte diese User haben (vgl. [18]).
Social Brand Loyalty – Soziale Markenloyalität durch systematisches Interagieren mit Fans 123
Solche potenziellen Brand Advocates können dann mit dem Ziel, sie für die Marke zu
gewinnen, angesprochen werden. Dabei sollte jedoch die „Net-Ikette für Brand Advo-
cates“ (vgl. [27], und [9], S. 17) beachtet werden:
Um die Umsetzung der Methoden zur Steigerung der Interaktionsraten in die Praxis zu
illustrieren, wird im Folgenden die Social-Media-Strategie des Unternehmens Starbucks
vorgestellt.
Starbucks ist ein auf Kaffeeprodukte spezialisiertes Einzelhandelsunternehmen mit
Standorten in 50 Ländern. Als Unternehmen mit Lifestyle-orientiertem Image bedient
sich Starbucks einer Vielzahl verschiedener Social-Media-Angebote u. a. bei Facebook,
YouTube, Flickr, Twitter sowie eines eigenen Unternehmensblogs „My Starbucks Idea“.
Die Aktivitäten zielen auf die Bedürfnisse, Wünsche und Vorlieben der Kunden ab und
stärken das Unternehmen sowohl im Rahmen der Kundenbindung als auch der Kun-
dengewinnung. Starbucks steht derzeit mit 27.242.035 Fans (Stand 22.01.2012) weltweit
auf Platz vier der größten Facebook-Fanseiten.
Interaktionsangebote schaffen
Mit der Website „My Starbucks Idea“ (vgl. [48] und Abb. 7) wird den Kunden ermög-
licht, eigene Ideen zu teilen und die Ideen anderer Kunden zu bewerten. Die Kunden
werden aktiv in den Produktentwicklungsprozess eingebunden und fühlen sich so der
Marke verbunden. Im entsprechenden Blog (vgl. [49]) schreiben dann Starbucks Mitar-
beiter, was aus den Ideen von „My Starbucks Idea“ wird. Die Kunden erfahren damit
eine Wertschätzung und fühlen sich ernst genommen. Mit den Beiträgen realer Mitar-
beiter bekommt die Marke ein „Gesicht“.
Regionale Seiten
Als international agierendes Unternehmen betreibt Starbucks bei Facebook für jedes
Land eigene Seiten, die mit individuellen Inhalten aufbereitet sind. Damit kann das
Unternehmen gezielt auf Menschen zugehen, die schon allein aufgrund von Mentalitäts-
unterschieden einen ganz eigenen Zugang zur Marke Starbucks haben. Zudem können
landesspezifische Themen integriert werden.
Der vorliegende Beitrag setzte sich mit der Frage auseinander, wie sich soziale Mar-
kenloyalität durch systematisches Interagieren mit Fans nachhaltig entwickeln bzw.
festigen lässt.
Es konnte verdeutlicht werden, dass vielfach die Möglichkeiten der sozialen Medien
noch nicht optimal genutzt werden. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass das
Gewicht zu lange auf die schnelle Gewinnung möglichst vieler Fans gelegt wurde.
Nunmehr wird deutlich, dass allein die Erhöhung der Fanzahl nicht automatisch zu
mehr Markenloyalität führt. Denn ohne den direkten, lebendigen und emotionalen Aus-
tausch zwischen Marke, Konsument und Interessent verkommt Social Media zu einem
monologischen Kommunikationskanal.
Die Ursachen für den dramatischen Rückgang der Interaktionsraten sind vielfältig.
Neben den skizzierten Gründen erschweren sicherlich auch die ständig wachsenden so-
zialen Kontakte der Nutzer selbst sowie die zunehmende Professionalisierung der Fan-
seitenbetreiber und die damit ansteigende Konkurrenz um die Fan-Gunst den Aufbau
und die Pflege einer intensiven Markenbeziehung.
„However, strong brands do not just happen“ ([1], S. 358), von daher gilt es auf
Seiten der Unternehmen eine Interaktionskompetenz aufzubauen, die die inhaltlichen
sowie die formalen Anforderungen von Social Media berücksichtigt und den zuneh-
126 Artur Mertens, Markus Caspari
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Authentizität in der Interaktion
als zentraler Erfolgsfaktor der Markenführung
9
in Social Media
Christoph Burmann, Frank Hemmann, Daniela Eilers, Barbara Kleine-Kalmer
Inhaltsverzeichnis
_______________________
Prof. Dr. Christoph Burmann ()
Hochschulring 4, 28359 Bremen, Deutschland
e-mail: burmann@uni-bremen.de
Frank Hemmann ()
Hochschulring 4, 28359 Bremen, Deutschland
e-mail: f.hemmann@uni-bremen.de
Daniela Eilers ()
Hochschulring 4, 28359 Bremen, Deutschland
e-mail: deilers@uni-bremen.de
Barbara Kleine-Kalmer ()
Hochschulring 4, 28359 Bremen, Deutschland
e-mail: barbara.kleine-kalmer@uni-bremen.de
„Die Authentizität entscheidet über den langfristigen Erfolg von Social Branding. Hierfür müssen Mar-
ken sich öffnen und ihre Mitarbeiter durch die interne Markenführung auf die Interaktion mit den
Nachfragern vorbereiten.“ Prof. Dr. Christoph Burmann
„Die direkte Interaktion mit den Nachfragern in Social Media stellt die größte Chance des Social Bran-
dings dar. Noch nie war es für Marken so einfach, mehr über die Nachfrager zu erfahren und von ihnen
zu lernen.“ Frank Hemmann
„Markenauthentizität ist der Schlüssel zum Erfolg – offline wie auch online. In Social Media ist Mar-
kenauthentizität aber besonders relevant, da hier unpassendes Markenverhalten schneller und vor al-
lem weitreichender geahndet wird. Einen Fehler zuzugeben ist mehr wert, als ihn zu vertuschen.“
Daniela Eilers
„Authentizität erfordert ein konsistentes Auftreten einer Marke in allen Kommunikationskanälen, ins-
besondere in den sozialen Medien. Ein nicht-authentisches Verhalten kann einer Marke nachhaltigen
Schaden zufügen.“ Barbara Kleine-Kalmer
Die sozialen Medien sind heute fester Bestandteil in der alltäglichen Mediennutzung
eines Großteils der Nachfrager. Allein in Deutschland hat Facebook als größtes soziales
Netzwerk mehr als 20 Mio. Mitglieder, d. h., jeder vierte Deutsche insgesamt und fast
jeder Dritte mit Internetzugang nutzt mehr oder weniger regelmäßig allein dieses soziale
Medium. Die Relevanz dieser Entwicklung für die Markenführung zeigt sich auch daran,
dass die nach den 24–35-Jährigen am stärksten wachsende Altersgruppe in den sozialen
Medien Nachfrager über 35 Jahre sind und inzwischen ein Drittel der Mitglieder ausma-
chen (vgl. [46]). Damit bieten die neuen Medien der Marke die Möglichkeit, mit ver-
schiedensten Mitgliedern ihrer Zielgruppe über die neuen Medien zu kommunizieren.
Verstärkt wird die Relevanz der sozialen Medien durch Veränderungen in der Nut-
zung klassischer Medien. Eine Studie von Forrester Research kommt zu dem Ergebnis,
dass ein Drittel der Probanden bereits die Online-Nutzung zulasten des TV erhöht.
Auch bei überregionalen Tageszeitungen zeigt sich die steigende Online-Affinität, da
einige der Zeitungen bereits jetzt mehr Leser mit ihren Online-Angeboten als mit den
Print-Ausgaben erreichen. Da inzwischen ein Großteil der Marken mit Profilen in den
sozialen Medien vertreten ist, sehen sich diese der Erwartung der Nachfrager gegenüber,
aktiv mit ihnen zu kommunizieren. Eine genauere Betrachtung der Vernetzung von
Facebook-Usern mit Facebook-Pages, Gruppen und Events verdeutlicht die Relevanz für
die Markenführung. So ist der durchschnittliche User mit 80 Seiten, Gruppen und
Events verbunden (vgl. [23]). Alleine diese Vernetzung bietet Marken jedoch noch kei-
nen Vorteil. Entscheidend hierfür ist die Interaktion mit den Nachfragern.
Die besonderen Eigenschaften und Merkmale der neuen Medien wie die hohe Dialog-
orientierung steigern hierbei die Effektivität der Kommunikation. Dabei ist es insbeson-
dere die Interaktion, die die Wirkung von Kommunikation entscheidend erhöhen kann.
Diese kann zu höherem Vertrauen gegenüber dem Verkäufer und einem besseren Pro-
Authentizität in der Interaktion als zentraler Erfolgsfaktor der Markenführung 131
duktverständnis (vgl. [53], S. 125), einer Steigerung der Kaufabsicht (vgl. [14], S. 39)
sowie einer insgesamt positiveren Markenwahrnehmung führen (vgl. [50], S. 24).
Grundlegend für diese Entwicklungen ist die Veränderung des Nutzerverhaltens im
Web 2.0. Dieses lässt sich wie folgt definieren:
„Web 2.0 definiert sich nicht als technologische Innovation, es beschreibt vielmehr eine neue Verhal-
tensweise der Internetnutzer: Die bisherige eindimensionale Kommunikation im Internet hat sich auf-
gelöst, Nutzer generieren heute eigenständig Inhalte und treten in direkten Dialog mit ihrer Umwelt
und den Unternehmen“ ([3], S. 176).
In engem Zusammenhang hierzu stehen die sozialen Medien. Der Begriff der sozialen
Medien umfasst „Web 2.0“-Ausprägungsformen wie u. a. Blogs, Video- und Fotoportale
sowie soziale Netzwerke, welche die Kommunikation, Interaktion und Zusammenarbeit
im Internet fördern und als Plattform für User Generated Content dienen (vgl. [10],
S. 9). Damit können soziale Medien in Anlehnung an Kaplan und Haenlein (vgl. [33],
S. 61) wie folgt definiert werden:
Soziale Medien sind eine Gruppe internetbasierter Anwendungen, die auf dem veränderten Nutzerver-
halten im Web 2.0 aufbauen und die Veröffentlichung und den Austausch von Brand- und User Gene-
rated Content unterstützen.
„Web 2.0“ hat die Interaktivität der Markenführung verändert. Während früher die
Nachfrager passive Empfänger der Markenkommunikation waren, sind sie heute aktiv
an deren Gestaltung beteiligt (vgl. Abb. 1). Das einseitige Transaktionsmodell beschreibt
hierbei das Verhalten der klassischen Markenkommunikation mit der einseitigen Ver-
mittlung von Informationen an die Nachfrager. Dieser Ansatz wurde durch die bezie-
hungsorientierte Sichtweise ersetzt (vgl. [55], S. 15ff.). Sie betont die Bedeutung der
Kundenbedürfnisse und verhalf dem Direktmarketing durch die Eigenschaft der Inter-
aktion mit den Nachfragern zu einer gestiegenen Bedeutung. Heute sehen sich viele
Marken jedoch dem interaktionsorientierten Netzwerkmodell ausgesetzt (vgl. [51],
S. 525f.).
Nachfrager kommunizieren heute im Internet markenrelevante Inhalte in vielen ver-
schiedenen Formen. Dies kann z. B. als Produktbewertung und Erfahrungsbericht bei
E-Commerce-Anbietern, als Artikel in einem Blog, über soziale Netzwerke wie Facebook
und Twitter, in Brand-Communities oder in Internet-Foren geschehen. Einem solchen
markenbezogenen User Generated Content wird meist eine höhere Glaubwürdigkeit
geschenkt als klassischer Markenkommunikation, da Nachfrager die Meinung anderer
Nachfrager als glaubwürdiger ansehen (vgl. [2], S. 347).
Welche Auswirkungen sinkendes bzw. geringes Vertrauen gegenüber Marken haben
kann, wird momentan an Bewegungen wie „Occupy Wall Street“ und „We are the 99
percent“ deutlich. Diese Bewegungen entstanden aus dem verlorenen Vertrauen der
Nachfrager gegenüber Finanzmärkten, insbesondere durch das wiederholte Fehlverhal-
ten bei Banken in 2008 und 2011. Verschärft wird der Vertrauensverlust durch den in
weiten Bevölkerungskreisen wahrgenommenen Verlust an Problemlösungsfähigkeit von
132 Christoph Burmann et al.
N N N N N N
N N N N N N
N Nachfrager
Politikern. Große Finanzinstitutionen und vor allem Investmentbanken haben aus Sicht
vieler Nachfrager ihre Legitimität verloren, immer mehr Bürger entziehen ihnen ihr
Vertrauen, sie werfen ihnen von Gier getriebenes unethisches Verhalten vor und rufen
mit Aktionen wie dem „Bank Transfer Day“ dazu auf, private Konten von großen Fi-
nanzinstituten zu regionalen Instituten und Genossenschaftsbanken zu verlagern (vgl.
[42]). In enger Verbindung mit diesen Entwicklungen steht die Furcht vor den Auswir-
kungen der Finanzkrise auf die eigene Zukunft. Dies ist besonders kritisch zu betrachten,
da Vertrauen vor allem bei Finanzdienstleistungen eine große Bedeutung hat und hohes
Markenvertrauen gerade in Krisenzeiten als Schutzschild für das Markenimage und das
gesamte Unternehmen dienen kann (vgl. [28], S. 8f.). Hierbei spielen die Interaktion
zwischen Marke und Nachfrager und das dadurch entstehende Wissen über den Interak-
tionspartner eine entscheidende Rolle, weil beides wichtige Voraussetzungen für den
Aufbau von Markenvertrauen sind (vgl. [28], S. 14ff.).
„Inside-out-
Perspektive
Positionierung
Markenidentität Markenimage
Marke
(Selbstbild der Marke) (Fremdbild der Marke)
Feedback
„Outside-in-
Perspektive
Abb. 2 Grundidee des identitätsbasierten Markenmanagements (Quelle: in enger Anlehnung an
[37], S. 13ff.)
[38], S. 8). Burmann et al. definieren die Markenidentität als „[…] die Ganzheit derje-
nigen raum-zeitlich gleichartigen Merkmale einer Marke, die aus Sicht relevanter Ziel-
gruppen in nachhaltiger Weise den Charakter der Marke prägen“ ([9], S. 6).
Die Markenidentität beinhaltet demnach die wesensprägenden Merkmale der Marke,
die sich zunächst an die interne und später auch an die externe Zielgruppe richten. So-
mit kann die Markenidentität als Aussagen- und Erklärungskonzept verstanden werden
(vgl. [32], S. 4). Aus Sicht des identitätsbasierten Markenmanagementansatzes entsteht
die Markenidentität immer erst aus der Interaktion der internen Zielgruppen untereinan-
der sowie mit der externen Zielgruppe (vgl. [37]). Aus diesem Grund kann die Marken-
identität im weitesten Sinne als Führungskonzept aufgefasst werden. Während die Mar-
kenidentität somit im Unternehmen direkt beeinfluss- und gestaltbar ist, gestaltet sich
das Fremdbild der Marke in Form des Markenimages bei der externen Zielgruppe über
die von der Markenidentität ausgesendeten Signale erst zeitverzögert und über einen
längeren Zeitraum.
Das Markenimage wird nach Burmann et al. definiert als „ein in der Psyche relevanter
externer Zielgruppen fest verankertes, verdichtetes, wertendes Vorstellungsbild von
einer Marke“ ([9], S. 6).
Das Markenimage stellt somit ein Akzeptanzkonzept der Nachfrager gegenüber der
Marke dar (vgl. [32], S. 45, und [13], S. 52). Abbildung 2 verdeutlicht das Zusammen-
spiel von Markenidentität und -image.
Basierend auf der internen und externen Sichtweise des identitätsbasierten Marken-
managements wird die Marke definiert als „ein Nutzenbündel mit spezifischen Merkma-
len, die dafür sorgen, dass sich dieses Nutzenbündel gegenüber anderen Nutzenbündeln,
welche dieselben Basisbedürfnisse erfüllen, aus Sicht relevanter Zielgruppen nachhaltig
differenziert“ ([9], S. 3).
134 Christoph Burmann et al.
Die obige Definition unterstreicht in der Betonung der sozialen Interaktionen zwischen
Marke und Kunde bereits deren hohe Wichtigkeit. In diesem Zusammenhang zeigt
Wenske, dass eine starke MKB das Markenimage positiv beeinflusst. Ebenso kann Wens-
ke nachweisen, dass eine starke Beziehung zwischen Konsumgütermarken und ihren
Kunden die Wiederkauf- und Weiterempfehlungsintention positiv beeinflusst und die
Preisbereitschaft erhöht (vgl. [55], S. 275). Folglich kann eine starke MKB die Umsätze
einer Marke steigern (vgl. [49], S. 21).
An diesem Punkt zeigt sich die große Relevanz der Interaktion für die identitätsba-
sierte Markenführung. Die Interaktion zwischen Marke und Nachfrager ist Vorausset-
zung für die Gewinnung detaillierter Kenntnisse über den Kunden. Diese Kenntnisse
Authentizität in der Interaktion als zentraler Erfolgsfaktor der Markenführung 135
ermöglichen die Anpassung der eigenen Markenleistungen und in der Konsequenz eine
höhere Kundenbindung.
Im Vergleich zu den anderen Medien der Markenkommunikation weisen die Inter-
netkommunikation und insbesondere die sozialen Medien verschiedene Besonderheiten
auf. Hierzu gehören die Multimedialität, die Diffusionsgeschwindigkeit und -reichweite,
die Heterogenität der Internetnutzer und die Interaktivität des Mediums. Hierbei besitzt
die Interaktivität eine besonders hohe Relevanz für die Markenführung. Die Multime-
dialität ist gekennzeichnet durch die Möglichkeit der Vermittlung statischer sowie dy-
namischer Informationen. Die Markenkommunikation kann Informationen sowohl in
statischer Text- und Bildform als auch in bewegten Bildern vermitteln und dabei visuelle
und akustische Signale einsetzen. Die Diffusionsgeschwindigkeit und -reichweite be-
schreibt die große Geschwindigkeit und Reichweite, mit der sich Informationen im In-
ternet ausbreiten können. In diesem Zusammenhang mussten mehrere Marken negative
Erfahrungen machen, wenn sie nicht rechtzeitig auf die Kritik von Kunden eingegangen
sind und diese ihr Anliegen dann im Internet veröffentlicht haben. Zu diesen Unter-
nehmen gehört u. a. Domino’s Pizza, das 2009 (neben Verfehlungen einiger Mitarbeiter,
die diese auf YouTube veröffentlichten) zu lange nicht auf die in den sozialen Medien
formulierte Kritik am Produkt eingegangen sind (vgl. [16]). Die zu späte Reaktion führte
letztendlich zu einer 75 Mio. US-Dollar teuren Kampagne, um den entstandenen Image-
schaden zu beheben (vgl. [8]).
Die Interaktivität unterscheidet die Internetkommunikation aufgrund der in Echtzeit
stattfindenden Interaktion zwischen Nachfrager und Marke von anderen Massenkom-
munikationsmedien (vgl. [22], S. 130).
Interaktion bezeichnet hier die wechselseitige Beziehung zwischen zwei oder mehr
Kommunikationspartnern, unter denen Kommunikationsinhalte ausgetauscht werden.
Zusätzlich ist die Interaktion dadurch gekennzeichnet, dass Aktion und Reaktion der
Partner voneinander abhängig sind (vgl. [20], S. 325). Die Interaktivität hingegen be-
schreibt die Fähigkeit von Kommunikationspartnern oder Kommunikationsmedien,
Interaktion zu ermöglichen (vgl. [20], S. 99).
Die Interaktion zwischen Marke und Nachfrager muss jedoch in verschiedenen Di-
mensionen einen hohen Interaktionsgrad erfüllen, um die beschriebenen Vorteile zu
ermöglichen. Die bisher in der Forschung identifizierten Dimensionen der Interaktion
können als Interaktionsqualität und Interaktionsintensität zusammengefasst werden.
Hierbei bestimmen die Interaktionsrelevanz, -konsistenz und inhaltliche Gestaltungs-
möglichkeit die Interaktionsqualität, während die Interaktionsdauer, -häufigkeit und
-geschwindigkeit die Interaktionsintensität determinieren (vgl. [12], S. 49ff.). Ein hoher,
dauerhafter Interaktionsgrad ist jedoch keinesfalls einfach zu erreichen. Exemplarisch
verdeutlichen dies Eisend und Küster-Rohde: „Eine Herausforderung der Marketing-
kommunikation in der Zukunft wird es sicherlich sein, das richtige Maß an Aufdringlich-
keit zu finden, um Reaktanz zu vermeiden“ ([19], S. 13). Die Markenführung muss sich
also den Spielregeln der sozialen Medien und ihrer Nutzer anpassen. Hohe Bedeutung
besitzt hierbei die Authentizität der Marke.
136 Christoph Burmann et al.
Nach Schallehn lässt sich die Authentizität als „Dominanz identitätsbezogener vs. um-
weltbezogener Handlungsverursachung“ ([45], S. 37) definieren. Folglich beruht die Beur-
teilung der Authentizität immer auf einem Bewertungsprozess, welcher eine Identitäts-
vorstellung von dem Bezugsobjekt voraussetzt (vgl. [45], S. 36). Ob eine Marke vom
Nachfrager als authentisch wahrgenommen wird, ist entsprechend den voran-
gegangenen Ausführungen vom Eindruck des Nachfragers abhängig, dass „die Marke
sich also nach außen nicht anders darzustellen versucht, als sie von ihrer Identität her ist“
([45], S. 68). Markenauthentizität ist demnach keine ursprüngliche Eigenschaft, sondern
Ergebnis der Wahrnehmung durch die externe Zielgruppe der Marke.
Ein eng mit der Authentizität verwandtes, aber davon abzugrenzendes Konstrukt ist
die Glaubwürdigkeit. Diese beschreibt „eine Eigenschaft, die Menschen, Institutionen
oder deren kommunikativen Produkten (mündliche oder schriftliche Texte, audiovisuel-
le Darstellungen) zugeschrieben wird und sich darauf bezieht, dass der Rezipient darauf
vertraut, dass die Aussage des Kommunikators über ein Ereignis wahr ist bzw. dieses
adäquat beschreibt“ ([4], S. 408). Schallehn fasst die Charakteristika der Glaubwürdigkeit
wie folgt zusammen: Als Rahmenbedingung der Glaubwürdigkeit fungiert die Kommu-
nikation einer Botschaft an einen Empfänger, wobei die Kommunikationsquelle das
Bezugsobjekt darstellt (vgl. [45], S. 40). Basierend auf den Ausführungen nach Unger
kann die Glaubwürdigkeit zudem als kontinuierliche Eigenschaft des Bezugsobjekts
gesehen werden (vgl. [52], S. 24). Tabelle 1 stellt den Unterschied zwischen Authentizität
und Glaubwürdigkeit zusammenfassend dar.
Von der Authentizität ist auch das Konstrukt Vertrauen abzugrenzen. Gegenstand
von Vertrauen ist die zukünftige, risikobehaftete Situation (vgl. [40], S. 14). Nach Hegner
handelt es sich bei dem Vertrauenskonstrukt um einen psychologischen Zustand, der die
Bereitschaft des Vertrauensgebers umfasst, sich aufgrund positiver Erwartungshaltung
gegenüber dem Vertrauensobjekt „verwundbar“ zu machen (vgl. [28], S. 18). Folglich
grenzt Schallehn das Vertrauenskonstrukt von der Authentizität über die Faktoren Be-
zugsobjekt und Zeitraum ab. Beim Vertrauen wird auf eine interaktionsbezogene, zu-
künftige Leistung Bezug genommen, wohingegen bei der Authentizität das Selbst-
verständnis beurteilt wird. Weiterhin wird beim Vertrauen eine in der Zukunft liegende
Konsequenz beurteilt, wohingegen sich die Authentizität auf eine gegenwärtige Hand-
lung bezieht (vgl. [45], S. 44f.).
Aufgrund ihrer Ähnlichkeit lassen sich die Konstrukte Authentizität, Glaubwürdig-
keit und Vertrauen in einen theoretisch-konzeptionellen Zusammenhang bringen. So
konstatiert Schallehn, dass die Wahrnehmung einer Person als authentisch dazu führt,
dass diese auch als glaubwürdig wahrgenommen wird. Dies wiederum hat im Falle eines
Leistungsversprechens positive Auswirkung auf das Vertrauen (vgl. [45], S. 47). Abbil-
dung 3 stellt den Zusammenhang der Konstrukte dar.
Schallehn stellt drei Determinanten fest, die auf die wahrgenommene Markenauthen-
tizität wirken. Die gegenwartsbezogene Determinante der Konsistenz bezieht sich auf das
Authentizität in der Interaktion als zentraler Erfolgsfaktor der Markenführung 137
Konzept Erkenntnisinteresse
Glaubwürdigkeit Feststellung der Wahrheitswahrscheinlichkeit einer kommunizierten Infor-
mation
Authentizität Feststellung der Existenz eines handlungsleitenden Selbstbilds des Kommu-
nikators
Eine entscheidende Begründung der Relevanz von Authentizität für die Markenführung
ist in der Kongruenztheorie zu finden. Demnach wählen Nachfrager Marken gezielt
danach aus, ob diese zu ihrem idealen Selbstkonzept passen (vgl. [1]). Der Nachfrager
muss folglich das Gefühl haben, dass die Marke in ihrem Auftreten ihre tatsächliche
Persönlichkeit verkörpert, also authentisch ist (vgl. [31], S. 291).
Besonders im Kontext von Social Media ist der Begriff Authentizität zu einem viel
verwendeten Modewort geworden (vgl. [34], S. 222). Die hohe Bedeutung der Authenti-
zität im Rahmen von Social Media ergibt sich aus den Eigenschaften von Social Media
selbst. Die Veröffentlichung des Privatlebens von Personen in sozialen Netzwerken (vgl.
[34], S. 222), die Nutzung des Internets zur Recherche von realen Informationen und die
als persönlich wahrgenommenen Kontakte in sozialen Medien haben die Erwartungen an
dieses Medium verändert. In diesem Kontext wird auch von einer Personalisierung von
Medieninhalten gesprochen (vgl. [39]). Weinberg et al. stellen die Bedeutung der Au-
thentizität besonders für den Aufbau von persönlichen Beziehungen zum User in Social
Media heraus (vgl. [54], S. 278). Dementsprechend bezeichnet Hermes die Authentizität
138 Christoph Burmann et al.
Markenauthentizität
Abb. 4 Authentizität als Wirkungsmoderator im Rahmen sozialer Medien (Quelle: eigene Dar-
stellung)
als Ingredienz der Markenführung im Web (vgl. [30], S. 38). Die Anforderungen an ein
authentisches Verhalten der Marke sind in Social Media somit besonders hoch.
Auf Grundlage dieser Ausführungen kann für die Authentizität der markeninitiierten
Inhalte in Social Media ein moderierender Effekt vermutet werden. Nach der Konsistenz-
theorie streben Individuen nach kognitiver Konsistenz, d. h. nach Widerspruchsfreiheit
zwischen Erfahrungen und Kognitionen (vgl. [35], S. 227). Es lässt sich schlussfolgern,
dass die positive Wirkung eines Stimulus auf das Markenimage wahrscheinlicher ist,
wenn dieser Stimulus konsistent zu den dem Nachfrager bereits bekannten Markenasso-
ziationen ist. Konkret bedeutet dies, dass die positive Imagewirkung nur dann entstehen
kann, wenn die Marke als authentisch wahrgenommen wird (vgl. Abb. 4).
Im Kontext von Social Media sollten verschiedene Aspekte bei der Erstellung von In-
halten beachtet werden, damit die Marke als authentisch wahrgenommen wird. Entspre-
chend den von Schallehn belegten Determinanten der Markenauthentizität sollte die
Marke sich in Social Media zum einen konsistent zu allen anderen Kundenkontaktpunk-
ten verhalten. Alle Social-Media-Aktivitäten müssen deswegen Teil eines integrierten
Kommunikationskonzeptes sein, um inhaltliche Konsistenz und stimmige Tonalität des
Markenauftritts sicherzustellen. Eine besonders in Social Media relevante Determinante
ist die Kontinuität. So werden in Social Media alle Aktionen der Marke gespeichert,
weshalb sie zu jedem späteren Zeitpunkt abrufbar sind. Ein Verstoß gegen die Kontinui-
tät im Markenverhalten führt somit in Social Media besonders schnell zu einem Verlust
von Authentizität. Zur Erfüllung der Authentizitätsdeterminante der Individualität sollte
Social Media nicht als undifferenziertes Massenmedium missverstanden werden, son-
dern auf einer individuellen und persönlichen Ebene mit den Nachfragern interagieren.
Auf diese Weise werden persönliche Bindungen geschaffen, die nur schwer vom Wett-
bewerb kopiert werden können (vgl. [5], S. 316).
Weiter sollte der Autor der von der Marke generierten Inhalte in Social Media klar als
Unternehmensangehöriger zu erkennen sein, im besten Fall eine Führungsposition inne-
Authentizität in der Interaktion als zentraler Erfolgsfaktor der Markenführung 139
haben. Zudem führt Ehrlichkeit und Offenheit dazu, dass Marken als authentisch wahr-
genommen werden (vgl. [41]). Daraus lässt sich schlussfolgern, dass auch die Interaktion
selbst, vorausgesetzt diese wird offen gestaltet, der Wahrnehmung als authentisch dient.
Trotz der Relevanz authentischen Verhaltens in Social Media darf nicht übersehen
werden, dass das Markenmanagement sich in einem ökonomischen Kontext befindet. Es
ist demnach nicht in jeder erdenklichen Situation möglich, nach dem Maßstab authenti-
schen Verhaltens zu agieren. Besonders zur Generierung von Aufmerksamkeit oder zur
Markenprofilierung ist Inszenierung notwendig (vgl. [39]). Nach Buggisch geht es dar-
um, das richtige Maß zwischen Authentizität und Stilisierung zu finden (vgl. [7]).
Im Folgenden soll anhand von Beispielen aus der Praxis verdeutlicht werden, inwiefern
sich die Authentizität einer Marke auf den Erfolg eines Unternehmens in Social Media
auswirken kann.
Ende 2009 rief das Management von Domino’s Pizza1 in den USA die Kampagne „Pizza
Turnaround“ [16] ins Leben. Grund dafür waren Beschwerden von Kunden, die ihr
negatives Feedback über Domino’s Pizza nicht nur in Fokusgruppen und Produkttests
äußerten, sondern auch öffentlich über soziale Medien wie Twitter und Facebook. Das
Management von Domino’s Pizza stand vor der Herausforderung, auf diese Kommen-
tare zu reagieren und Stellung zu dem von Kunden veröffentlichten markenbezogenen
User Generated Content zu nehmen.
Auf einer eigens für diesen Zweck eingerichteten Website, www.pizzaturnaround.com
veröffentlichte das Unternehmen ein Video, das viele Diskussionen auslöste. Zu Beginn
des Videos werden negative Kundenkommentare über Domino’s Pizza eingeblendet. In
Blogs oder Videomitschnitten aus Fokusgruppen beschreiben Kunden die Produkte als
„mass produced, boring, bland pizza“ oder „Domino’s pizza crust to me is like card-
board“ [16]. Der CEO des Unternehmens erklärt daraufhin, dass die Kritik an Domino’s
als Anlass diente, die Produkte und Prozesse grundlegend zu verändern. Die Produkt-
entwicklung wurde mit der Aufgabe betraut, eine neue Pizza zu entwickeln, die den
Anforderungen der Kunden entsprechen sollte. Die Unternehmensführung verfolgte
damit die Zielsetzung, die Marke-Kunde-Beziehung zu stärken und das Markenimage
wieder positiv aufzuladen. Die Mitarbeiter zeigen sich im Video zunächst enttäuscht
1
Domino’s Pizza Inc. ist der weltweit größte Pizza-Lieferservice und wurde 1960 in den USA gegründet.
Das börsennotierte Unternehmen beschäftigt weltweit 10.000 Mitarbeiter in 66 Ländern (vgl. 18).
140 Christoph Burmann et al.
über die ernüchternde Kritik an ihrer Arbeit seitens der Konsumenten, dann aber hoch-
motiviert, an der Neugestaltung der Pizza mitzuwirken (vgl. [16]).
Das neue Produkt wurde schließlich den teilnehmenden Personen aus den Fokus-
gruppen an die Haustür gebracht und persönlich überreicht. Die Verkostungen ergaben
positive Rückmeldungen. Große Anerkennung wurde dem Umstand beigemessen, dass
die Meinungen der Kunden angehört wurden und diese sich dadurch ernst genommen
fühlten. Das authentische Verhalten der Marke in der Interaktion mit den Kunden er-
zeugte somit eine positive Wirkung. Die Videos der Hausbesuche wurden ebenfalls auf
pizzaturnaround.com veröffentlicht (vgl. [16]). Darüber hinaus bestätigten Produkttests
die Qualität der neuen Pizza (vgl. [15]).
Mit dieser Kampagne, deren zentraler Bestandteil Social Media waren, erreichte Do-
mino’s eine erhöhte Aufmerksamkeit sowohl bei seinen Kunden als auch in der Presse.
Das Video wurde allein bei YouTube 844.100 Mal aufgerufen (vgl. [57]). Positive Äuße-
rungen über die Ehrlichkeit des Unternehmens fanden sich schließlich in vielen Medien.
Finanziell erwies sich die Kampagne ebenfalls als Erfolg. Das Unternehmen Domino’s
berichtete von einem Anstieg des Profits auf US-Dollar 23,6 Mio. im vierten Quartal
2009, was mehr als einer Verdoppelung der Quartalszahlen aus dem Vorjahr entsprach.
Darüber hinaus seien die Umsätze in den Franchise-Filialen um 1,4 % gestiegen (vgl.
[47]). Belegt wurden diese Aussagen durch den Anstieg des Aktienkurses im Zeitraum
der Kampagne (vgl. [15]).
Im Folgenden soll kurz diskutiert werden, aus welchem Grund sich Domino’s Risiko-
bereitschaft „auszahlte“, mit der schonungslosen Kritik an ihrer Pizza an die Öffentlich-
keit zu gehen.
Wie eingangs erläutert, besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen den Konstruk-
ten Authentizität, Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Authentisch zeigte sich das Unter-
nehmen Domino’s, indem es die Verbraucheraussagen ungeschönt darstellte und sich
unerwartet offen im Umgang mit der Kritik am Produkt zeigte. Infolgedessen erreichte
der Pizza-Hersteller einen hohen Grad an Glaubwürdigkeit und gewann somit das Ver-
trauen seiner Kunden. Verstärkt wurde dieses Vertrauen zusätzlich aufgrund der Tatsa-
che, dass das Unternehmen die Kundenwünsche in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten
stellte. Die Kunden fühlten sich wertgeschätzt, da ihre Kritik ernst genommen wurde
und als Anlass diente, eine neue Pizza zu entwickeln. Die Resonanz verbreitete sich viral
in den Medien (vgl. [36]). Der moderierende Effekt der Markenauthentizität zwischen
den von der Marke generierten Inhalten in Social Media und dem Markenimage wird in
diesem Beispiel deutlich. Die Authentizität der Marke in der Interaktion mit den Kun-
den trug zur Verbesserung des Markenimages von Domino’s Pizza bei.
Die persönliche Ansprache des CEO und die Personifizierung der Mitarbeiter, die als
reale Personen mit Namen und Gesichtern in Erscheinung traten, trugen maßgeblich zur
Steigerung der Authentizität bei. Durch die Einbindung der Mitarbeiter in die Social-
Media-Kommunikation wurde die Interaktion mit der Marke ermöglicht. Zwar gab es
auch viele negative Kommentare über den Geschmack der neuen Pizza, jedoch sorgte
Domino’s dafür, dass den Kunden die Möglichkeit gegeben wurde, ihre Meinung zu
Authentizität in der Interaktion als zentraler Erfolgsfaktor der Markenführung 141
äußern und mit den Mitarbeiten zu diskutieren (vgl. [17]). Aufgrund des authentischen
Auftretens in der Interaktion mit seinen Kunden konnte Domino’s das Vertrauen in
seine Produkte wiederherstellen.
Das Unternehmen Henkel rief die Kunden der Marke Pril Anfang April 2011 zur Teil-
nahme am Wettbewerb „Mein Stil – mein Pril“ (vgl. [29]) auf. Die Verbraucher wurden
dazu aufgefordert, kreative Etiketten für eine Spülmittelflasche zu entwerfen und diese
auf der Website hochzuladen. Die User hatten die Möglichkeit, online ihre Stimme für
die Designs abzugeben. Die beiden Gewinner-Etiketten sollten als limitierte Auflage in
den Handel gebracht werden (vgl. [29]). Zielsetzung von Henkel war es, die Kampagne
viral über soziale Medien zu verbreiten und eine Interaktion zwischen Marke und Kunde
zu ermöglichen.
Eine rege Teilnahme brachte der Marke Pril mehr als 50.000 Entwürfe ein (vgl. [43]).
Darunter das Design eines Werbetexters aus Hamburg. Er kreierte ein ungewöhnliches
Etikett. Auf der von ihm entworfenen Spülmittelflasche war ein Grill-Hähnchen abge-
bildet (vgl. Abb. 5) mit dem Untertitel „Schmeckt lecker nach Hähnchen!“ (vgl. [44]).
Über Twitter animierte der Designer sein Netzwerk, für ihn zu stimmen. Obwohl oder
gerade weil dieses Etikett eher unüblich für eine Spülmittelflasche erschien, bekam das
Hähnchen-Design viele Stimmen von anderen Usern. Mit mehr als 3.500 Stimmen Vor-
sprung zum Zweitplatzierten erreichte das Hähnchen-Etikett den ersten Platz (vgl. [6]).
Zu einem Sieg reichte dies jedoch nicht. Eine Jury, bestehend aus fünf Personen, wählte
aus den besten zehn Designs zwei Gewinner. Das Hähnchen war nicht darunter.
Der Ablauf des Auswahlverfahrens wurde von Mitarbeitern der Marke Pril im Vor-
feld angekündigt und seitens der User akzeptiert. Für Aufruhr in der Facebook-Com-
munity sorgte, dass im Vorfeld die Votes einiger Designs mit Top-Platzierung um ver-
meintlich gefälschte Stimmen „bereinigt“ (vgl. [26]) wurden. Darüber empörten sich die
Facebook-Fans von Pril und verlangten Aufklärung über das Vorgehen. Pril kommen-
tierte die Forderungen auf Facebook folgendermaßen: „Wie genau wir die Fake-Votes
ermittelt haben, würde an dieser Stelle zu weit führen, da es sich hierbei um sehr kompli-
zierte, technische Prozesse handelt“ [24]. Viele der Teilnehmer fühlten sich betrogen
und waren der Meinung, dass das Unternehmen Henkel auf diese Weise versucht habe,
unerwünschte Designs aus dem Wettbewerb zu verdrängen (vgl. [26]).
Die fehlende Transparenz in der Vorgehensweise des Unternehmens führte dazu, dass
die Situation auf Facebook eskalierte. Die Teilnehmer äußerten öffentlich ihre Enttäu-
schung: „Mein Kommentar wurde gelöscht. Da ich sachlich und ohne Anschuldigungen
oder Vorwürfe argumentiert habe, gehe ich davon aus, dass es voll ins Schwarze getroffen
hat. Leider hat Pril sich mit dieser Aktion erfolgreich von meiner Favoriten-Liste geschos-
sen. Nie wieder Pril.“ [24]. Das nicht-authentische Verhalten in der Interaktion mit den
Kunden führte in diesem Fall dazu, dass der Kunde die Marke nicht mehr verwendete.
142 Christoph Burmann et al.
Dieses Beispiel verdeutlicht, wie fehlende Authentizität der Interaktion sich negativ
auf die Marke-Kunde-Beziehung auswirken kann. Aufgrund der Tatsache, dass die Mit-
arbeiter von Henkel die Abstimmung durch Bereinigung von Stimmen beeinflusst hat-
ten, verlor die Marke Pril für die Kunden an Integrität. Darüber hinaus verursachte die
Geheimhaltung über das Vorgehen bei der Ermittlung vermeintlich gefälschter Stimmen
einen Verlust der Glaubwürdigkeit der Marke Pril. Das Vertrauen, das die Kunden Pril
entgegengebracht hatten, wurde verletzt. In diesem speziellen Fall führte die fehlende
Authentizität in der Interaktion sogar zum Boykott der Marke durch große Teile der
Fangemeinde.
4 Fazit
Pizza zeigt, dass ein Eingeständnis von Fehlern und der Wille zur Besserung, wenn au-
thentisch kommuniziert, zu einer Verbesserung des Markenimages führen kann. Ein
Unternehmen, das wie im Fall der Marke Pril von Henkel diese Rahmenbedingungen
missachtet, verpasst nicht nur die Chancen von Social Media, sondern beschädigt auch
sein Markenimage außerhalb der sozialen Medien.
Literaturverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
_______________________
Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch ()
Automotive Institute for Management sowie
Institut für Marken- und Kommunikationsforschung,
Rheingaustraße 1, 65375 Oestrich-Winkel, Deutschland
e-mail: Franz-Rudolf.Esch@ebs.edu
Elisabeth von Einem ()
Institut für Marken- und Kommunikationsforschung,
Rheingaustraße 1, 65375 Oestrich-Winkel, Deutschland
e-mail: Elisabethv.Einem@ebs.edu
Dominika Gawlowski
Automotive Institute for Management,
Rheingaustraße 1, 65375 Oestrich-Winkel, Deutschland
e-mail: Dominika.Gawlowski@ebs.edu
Marcel Isenberg ()
ESCH. The Brand Consultants, Gutenbergstraße 1, 66740 Saarlouis, Deutschland
e-mail: M.Isenberg@esch-brand.com
Vanessa Rühl ()
Institut für Marken- und Kommunikationsforschung,
Rheingaustraße 1, 65375 Oestrich-Winkel, Deutschland
e-mail: Vanessa.Ruehl@ebs.edu
„Social Media ist kein Allheilmittel. Die strategische Einbindung in die gesamte Markenkommunika-
tion entscheidet über Erfolg oder Mißerfolg.“ Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch
„Das Internet hat sich zum Sprachrohr der Konsumenten entwickelt. Kommunikation zwischen Unter-
nehmen und Konsumenten muss auf Augenhöhe stattfinden. Nur wer etwas zu sagen hat, kann Kon-
sumenten langfristig für sich gewinnen.“ Elisabeth von Einem
„Social Media macht die Interaktion mit dem Kunden sehr viel einfacher, Unternehmen müssen diese
Chance nur noch ergreifen.“ Dominika Gawlowski
„Social Media: Dabei sein ist nicht alles. Eine professionelle Strategie ist Voraussetzung für ein erfolg-
reiches Engagement.“ Marcel Isenberg
„Social Media bietet eine einmalige Gelegenheit, dem Konsumenten auf Augenhöhe zu begegnen. Da-
durch kann eine langfristige Bindung an die Marke entstehen.“ Vanessa Rühl
Beispiel: Facebook dient in erster Linie dazu, mit bereits vorhandenen Freunden zu kom-
munizieren und diese zu binden. Entsprechend wollen viele wissen, was ihre Freunde
bewegt (84 %), aber nur 11 % der Facebook-Nutzer suchen aktiv nach Marken und Pro-
dukten. Zudem haben 84 % der Nutzer, die „Fan“ von einer Marke sind, diese schon
vorher gekannt bzw. genutzt (vgl. [31]).
Aus Markenperspektive stellen sich somit folgende Fragen:
Durch den Einsatz von Social Media können Unternehmen auf veränderte Kommunika-
tionsbedingungen adäquat reagieren. Zum einen wird das Informationsverhalten der
Konsumenten weiter reduziert. Medien werden nur noch selektiv genutzt, die Informa-
tionsaufnahme erfolgt auf Knopfdruck. Zum anderen haben sich zusätzlich die Anforde-
rungen der Konsumenten an die Kommunikation geändert. So ist die Möglichkeit der
Interaktion und damit die Einbeziehung der Kunden ein wichtiger Bestandteil der
Kommunikation geworden (vgl. [21]).
Der Nutzen von Social Media für Unternehmen zeichnet sich durch eine intensivere
Vernetzung und einen leichteren Austausch aus. Die größte Chance durch die Einbin-
dung von Social Media sehen Unternehmen dabei in der schnellen Verbreitung von
Informationen (82,3 %), der Verbesserung des Services und der Kundenbindung
(45,7 %), der vereinfachten Beobachtung der öffentlichen Meinung (44,0 %), dem direk-
ten dialogischen Kontakt zu Stakeholdern (37,5 %) sowie der Möglichkeit der Marktfor-
schung und Nutzung von Kundenwissen (26,2 %) (vgl. [35]).
Durch die intensive Einbindung externer Anspruchsgruppen in den Kommunikations-
prozess ergeben sich jedoch Risiken, die es zu kontrollieren gilt. Die größten Risiken aus
Unternehmenssicht stellen der schlecht steuerbare Kommunikationsverlauf (66,2 %), die
Notwendigkeit eines schnellen Reagierens (64,1 %), der Kontrollverlust über die Selbst-
darstellung der Organisation (38,2 %), das unproduktive Verzetteln in Details (30,9 %)
und das nicht adäquate Auftreten von Mitarbeitern im Social Web (25,9 %) dar (vgl. [35]).
So verlockend die Chancen der Social-Media-Kommunikation sind, so beunruhigend
sind die Risiken. Ein strategisch geplantes und operativ schlüssiges Konzept zum Mana-
gement von Social Media ist deshalb unabdingbar, um den Hauptängsten der Unter-
nehmen entgegenzuwirken.
150 Franz-Rudolf Esch et al.
lungsübergreifenden Aufgabe für das gesamte Unternehmen. Hier empfiehlt sich die
Etablierung eines Social Media Councils. Das Unternehmen Microsoft setzt beispiels-
weise auf ein derartig koordinierendes Gremium. Teilnehmer dieses Councils sind Ent-
scheider aus allen relevanten Business-Bereichen, die die Social-Media-Strategie und
Social-Media-Prioritäten festlegen. Zielführend kann es zudem sein, einen Social-Media-
Officer zu benennen. So stellt beispielsweise der Hidden Champion Krones seinen Mit-
arbeitern einen zentralen Ansprechpartner zur Verfügung, der Aufklärungsarbeit leistet
und die Social-Media-Aktivitäten koordiniert. Dieser Ansprechpartner sollte jedoch im
Unternehmen gut vernetzt sein und durch ein Social-Media-Team unterstützt werden,
das insbesondere Inhalte pflegt und Anfragen beantwortet. Nicht minder relevant ist die
Einbeziehung und Sensibilisierung der Mitarbeiter für das Thema Social Media. Dabei
empfiehlt es sich, unternehmensspezifische Social-Media-Guidelines zu erstellen, die den
Mitarbeitern Klarheit und Sicherheit im Umgang mit sozialen Medien geben.
Ein Einstieg in Social Media ist nicht für alle Unternehmen gleichermaßen geeignet.
Wirft man einen Blick auf das Facebook-Fan-Ranking, wird der Unterschied zwischen
den verschiedenen Branchen augenscheinlich. Während Marken wie Coca-Cola, Disney
oder Starbucks zu den Gewinnern auf Facebook gehören und das Ranking neben Stars
wie Rihanna, Michael Jackson oder Lady Gaga anführen, fällt das Interesse an Unter-
nehmen bspw. aus dem Banken- oder Versicherungssektor eher gering aus. Auch im
B2B-Bereich verfehlt eine Social-Media-Kommunikation häufig das gewünschte Ziel. Es
stellt sich also die Frage: Wer sollte auf Social Media verzichten und wer nicht?
Die Eignung der Marken für den Einsatz von Social Media hängt von dem Grad des
Involvements der Nutzer ab. Unter Involvement versteht man die „Ich-Beteiligung“ bzw.
das Engagement, mit dem man sich einer Aktivität oder einem Gegenstand zuwendet
(vgl. [22]). Das langfristige Involvement der Konsumenten wird bestimmt durch
und nur das Produkt- und Markeninvolvement als Grundlage zur Erfassung des andau-
ernden Involvements herangezogen.
Um für die Zielgruppe relevant zu sein, ist es für Marken von essentieller Bedeutung,
die Kommunikation auf das langfristige Involvement der Zielgruppe abzustimmen. Die
sich daraus ableitenden Implikationen für die Social-Media-Strategie werden im Folgen-
den kurz dargestellt.
Dieses langfristige Involvement kann wiederum kognitiv und/oder emotional hoch
oder niedrig ausgeprägt sein. Daraus ergeben sich entsprechend vier Felder (Abb. 1).
duktfeatures, zum anderen bindet BMW seine Fans durch das Posten von sportlichen
Autobildern oder Erlebnissen emotional ein.
ben sich bezahlt gemacht. Auch wenn die Marke Charmin mittlerweile nicht mehr auf
dem deutschen Markt vertreten ist, vereint der Bär immer noch mehr als 100.000 Fans.
Der Einsatz einer Social-Media-Kampagne eignet sich besonders für Marken, deren
Kunden emotional hoch involviert sind, da primär ein größeres Interesse an allen Bot-
schaften der Marke besteht und sich zum anderen die Verbreitung innerhalb der beste-
henden Fangemeinschaft leichter und schneller gestaltet (vgl. [10]). Bei hohem kogniti-
ven Involvement suchen Kunden hingegen aktiv nach individuell relevanten Informa-
tionen, die das Informationsbedürfnis befriedigen. Um die Eignung einer Social-Media-
Kampagne für die eigene Marke zu ermitteln, sind folgende Fragen aus Unternehmens-
sicht zu beantworten. Je mehr Fragen mit ja beantwortet werden können, desto besser ist
die Eignung:
1. Fühlen sich die Kunden mit der Marke oder dem Produkt verbunden?
2. Spielt die Marke oder das Produkt im alltäglichen Leben des Kunden eine wichtige
Rolle?
3. Löst die Marke oder das Produkt Informationsbedarf auf Seiten der Kunden aus?
4. Bildet die Marke oder das Produkt einen geeigneten Rahmen oder ein Thema für
Unterhaltung und interaktive Aktivitäten?
Der richtige Einsatz von Social Media bietet ein enormes Potenzial zum Aufbau und
Festigen des Markenwissens und somit zur Stärkung einer Marke. Die langfristige Kun-
denbindung ist der Königsweg der Social-Media-Kommunikation. Es gilt, Konsumenten
zu integrieren und den Dialog zu fördern, um Insights und Ideen zu generieren. Um
dieses Potenzial gewinnbringend auszuschöpfen, sind jedoch zwei wesentliche Beson-
derheiten dieses Instrumentes zu beachten:
• Die Aktivität der Nutzer variiert zwischen passiven und aktiven Fans einer Marke.
Passive Fans identifizieren sich lediglich durch den „Gefällt mir“-Button mit einer
Marke. Aktive Fans hingegen ergreifen eigenständig die Initiative und produzieren ei-
gene Inhalte oder multiplizieren Kommunikationsinhalte der Marke.
• Durch die Aktivität der Nutzer ist seitens des Unternehmens zwischen gesteuerter
und ungesteuerter Kommunikation zu unterscheiden. Unter gesteuerter Kommuni-
kation versteht man jeglichen vom Unternehmen selbst produzierten und selbst ver-
breiteten Kommunikationsinhalt. Ungesteuerte Kommunikationsinhalte werden hin-
gegen von Konsumenten oder Fans einer Marke erstellt und gestreut.
che Ziele ableiten lassen. Zunächst geht es um den Auf- und Ausbau markenspezifischen
Wissens und um das Festigen des Markenbildes. Darüber hinaus sollte das Unternehmen
bestrebt sein, durch den intensiveren Austausch mit aktiven Markenfans die Marken-
bindung zu stärken und passive Fans zu aktiven Markenbotschaftern zu machen, die die
Multiplikation wünschenswerter Markeninformationen selbstständig vorantreiben.
Die erste Kommunikationsstufe von Social Media ist durch passive „Fans“ und durch
vollständig steuerbare Kommunikationsinhalte seitens des Unternehmens gekennzeich-
net. Durch den „Gefällt mir“-Button auf Facebook können Konsumenten bspw. zu Fans
einer Marke werden, ohne in weitere aktive Interaktion mit der Marke treten zu müssen.
Hier ist die komplette Kommunikation durch das Unternehmen steuerbar. Das Unter-
nehmen kann in einem solchen Fall gezielt ausgewählte Informationen an seine Fange-
meinde vermitteln, um Markenwissen aufzubauen und damit das angestrebte Marken-
bild zu festigen.
In dieser Phase ist es Aufgabe der Social-Media-Kommunikation, die Positio-
nierungsideen an den neu geschaffenen Kontaktpunkten einheitlich und integriert um-
zusetzen und andere Leitmedien wie bspw. TV- und Printmedien im Aufbau des Mar-
kenbildes und in der Vermittlung der Markenpositionierung zu unterstützen. Das
Fundament für die Umsetzung bildet die Identität einer Marke – das gilt sowohl für
klassische Kommunikation als auch im Social-Media-Bereich (vgl. [9]). Grundsätzlich
sind alle auf Basis der Markenidentität entwickelten Kommunikationsbotschaften auf-
einander abzustimmen sowie formal und inhaltlich mit der Marke in Einklang zu brin-
gen. Vermittelt eine Marke auf unterschiedlichen Kanälen völlig verschiedene Botschaf-
ten, so kommt es unweigerlich zu Gedächtnisüberlagerungen und zu einem
kontraproduktiven Ergebnis: Die Maßnahmen schwächen einander, statt sich gegenseitig
zu stärken. Um dies zu vermeiden und Kommunikationsbudgets intelligent einzusetzen,
muss eine integrierte Kommunikation stattfinden.
Integrierte Kommunikation bezeichnet die durchgängige Umsetzung eines Kommu-
nikationskonzeptes durch die Abstimmung der Kommunikation im Zeitablauf und aller
eingesetzten Kommunikationsinstrumente zur Optimierung der Kontaktwirkungen.
Durch die Vermittlung formal und inhaltlich konsistenter Eindrücke sollen die Erinne-
rung an die Kommunikation erleichtert sowie Präferenzen für das Angebot verstärkt
oder gefestigt werden, um dadurch klare Gedächtnisspuren bei den Konsumenten zu
hinterlassen (vgl. [9]). Für die Durchsetzung einer Positionierung ist daher eine integ-
rierte Kommunikation auch bei Social Media von besonderer Bedeutung, da gerade im
Internet viele Informationen auf Konsumenten einströmen. Die Folge ist ein immer
weiteres Ansteigen der Zugangsbarrieren zu den Konsumenten. Einmalige Botschaften
156 Franz-Rudolf Esch et al.
können diese Barriere kaum überwinden. Erst viele konsistente Eindrücke hinterlassen
bei dieser Reizüberflutung klare Gedächtnisspuren (vgl. [9]). Allerding sind hier die
Freiheitsgrade der Gestaltung größer, weil die Nutzer von Social Media sich in aller Regel
intensiver mit den vermittelten Inhalten auseinandersetzen.
Zur Integration der Social-Media-Kommunikation sind inhaltliche und formale An-
knüpfungspunkte festzulegen. Diese sind jedoch in das neue Medium zu „übersetzen“
(vgl. [21]). Die inhaltliche Abstimmung der Integration ist durch verwendete Bilder oder
sprachliche Aussagen zu erreichen, die formale Integration durch Corporate-Design-
Maßnahmen oder durch die Verwendung von Präsenzsignalen, welche die Wiederer-
kennung erleichtern und somit helfen, die Marke im Gedächtnis der Konsumenten zu
verankern (vgl. [8]). Darüber hinaus ist auf die zeitliche Abstimmung und Konsistenz
der Social-Media-Aktivitäten mit den klassischen Kommunikationsmitteln zu achten.
Nicht selten werden großangelegte Kampagnen auf Facebook in der Hoffnung verlän-
gert, dadurch mehr Fans der eigenen Marke zu generieren. Das Problem ist jedoch, dass
Markenverantwortliche in Kampagnenzyklen denken – Fans einer Marke dagegen nicht,
sie wollen auch nach der Beendigung einer Kampagne mit der Marke interagieren.
Abb. 2 Vermittlung der Positionierungsinhalte bei Hess Natur (Quelle: eigene Darstellung)
Neben der Größe der Fangemeinde spielt vor allem die Interaktionsrate eine bedeutende
Rolle. Im Jahr 2011 interagierten auf offiziellen deutschen Facebook-Seiten nur etwa
1,5 % der Fans mit der Marke (vgl. [37]). Unter Interaktion ist ein aktives, individuelles
(Kommunikations-)Verhalten der gegenseitigen Beeinflussung und der wechselseitigen
158 Franz-Rudolf Esch et al.
Abhängigkeit zu verstehen (vgl. [14]). Durch eine stärkere Interaktion mit der Marke
können Konsumenten die Marke intensiver erleben, ein tieferes Verständnis und eine
größere Identifikation mit dieser aufbauen. Somit können eine stärkere Markenbindung
erzielt und Wechselbarrieren geschaffen werden (vgl. [9]).
Der Charakter von sozialen Netzwerken fördert automatisch einen Austausch in
Form von Bewertungen, Fragen oder Meinungen der Fans. Dieser Austausch kann dabei
zwischen Marke und Kunde, aber auch zwischen Kunden untereinander stattfinden und
entweder
schaftlichen Austausch zu Themen und Inhalten, die nicht zwingend an ein Angebot
gebunden sein müssen. Die Marke nimmt hier sowohl die Rolle des Senders als auch die
des Empfängers ein und wird in den Augen der Konsumenten vermenschlicht. Bereits
Fournier wies in ihren Untersuchungen Beziehungen zwischen Konsument und Marke
nach. Sie zeigte dabei, dass Konsumenten höchst affektive Beziehungen zu Marken auf-
bauen können und starke Beziehungen eine hohe Interdependenz zwischen Marken und
Konsumenten aufweisen (vgl. [12]). Diese Art der Social-Media-Kommunikation setzt
ein hohes Markeninvolvement und eine damit verbundene emotionale Bindung an die
Marke voraus. So schaffen es Marken wie Coca-Cola oder Red Bull auch ohne „echte“
Produktinformationen, eine hohe Interaktion zu erzeugen, indem sie Bilder posten oder
über Sponsoringaktivitäten und Freizeit-Events informieren, die zu der Marke passen.
der virtuellen Mitsingaktion auf. In 5 Wochen stellten 12.000 Internetnutzer den Song
„Million Voices“ zusammen. Er wurde in Kino- und TV-Spots vorgestellt und stieg sogar
in die Charts ein. Seinen emotionalen Höhepunkt fand die größte virtuelle Mitsingaktion
in einem extralangen Werbespot sowie in der Ausstrahlung bei der großen Silvester-
Party am Brandenburger Tor in Berlin. Dieses Beispiel zeigt, welches Potenzial zur Stär-
kung der Beziehung zwischen Marke und Konsument sowie zur Markenbindung im
Umgang mit Social Media steckt (vgl. [9]).
Neben der Art der Ansprache können Unternehmen ganz unabhängig vom Marken-
und Produktinvolvement durch den Einsatz gezielter Maßnahmen Konsumenten zur
Interaktion auffordern. Über direkte Meinungsumfragen oder Produkttests hinaus hat
vor allem das Crowdsourcing an Beliebtheit gewonnen, um Kundeninsights zu gewin-
nen. Denn nichts ist so wertvoll wie die Meinung der eigenen Käufergruppe.
Seit Social Media avanciert das Internet immer stärker zum Sprachrohr der Konsumen-
ten, die das Bedürfnis haben, sich mitzuteilen und Inhalte zu „multiplizieren“. Inzwi-
schen kommen von den Konsumenten genauso viele, wenn nicht sogar mehr Marketing-
informationen wie von den Unternehmen selbst (vgl. [27]). Konsumenten können damit
die Marke stärken oder schwächen, wobei negative WoM-Kommunikation einen stärke-
ren Effekt hat als positives WoM und sogar zur Verwässerung der Marke führen kann
(vgl. [13], [29]).
ment der Nutzer (vgl. [10]). Durch WoM werden Informationen sehr schnell verbreitet
und erreichen in kürzester Zeit eine große Menge an Menschen (vgl. [30]). Laut der
Advertising Research Foundation spielt WoM eine bedeutende Rolle bei der Beeinflus-
sung und Bildung von Meinungen zu Produkten und Marken (vgl. [21], [5]). WoM im
Internet wird als persönliche Kommunikation mit einem nicht kommerziellen Fokus
wahrgenommen. Vor allem Empfehlungen persönlicher Art, aber auch Kundenrezensi-
onen auf Social Networks stoßen bei den Konsumenten auf größeres Vertrauen als klas-
sische Werbemittel (vgl. [33], [3]). Dadurch ergeben sich für die Nutzer eine höhere
Überzeugungskraft durch mehr Glaubwürdigkeit, Vertrauen und stärkere Empathie (vgl.
[10]). Aus diesem Grund ist es für das Unternehmen erstrebenswert, die aktiven Fans zu
pflegen und sie zu Markenbotschaftern zu machen, um durch deren Multiplikatorwir-
kung das volle Potenzial des WoM auszuschöpfen.
Um Interaktion initiieren zu können, sollte man sich immer die folgenden zentralen
Fragen stellen:
1. Sind die vermittelten Inhalte für die Fans der Marke relevant und nutzenstiftend bzw.
kann man mit den Inhalten Interesse wecken?
2. Kann man durch die geposteten Inhalte Erlebnisse, Emotionen, Spaß und Unterhal-
tung bieten?
3. Bieten die vermittelten Inhalte Anknüpfungspunkte zum Weiterleiten an Dritte?
über die Marke beobachten und somit auch kontrollieren. Web-Monitoring bezeichnet
die systematische Beobachtung geäußerter Meinungsbilder, Einstellungen und Stimmun-
gen über Produkte, Marken und Unternehmen im Internet. Diese Beobachtung dient
einerseits zur Kontrolle des öffentlichen Meinungsbildes und andererseits als Grundlage
für ein Eingreifen bzw. eine Reaktion des Unternehmens bei negativen Äußerungen im
Sinne eines erfolgreichen Beschwerdemanagements. Durch ein professionelles Beschwer-
demanagement lässt sich Kundenzufriedenheit wiederherstellen. Darüber hinaus können
die in Beschwerden erhaltenen Hinweise auf Schwächen nach systematischer Analyse im
Sinne von Frühwarnsystemen in Chancen umgewandelt werden und dadurch das Risiko
weiterer Beschwerden minimiert werden (vgl. [32]). Die durch erfolgreiches Beschwerde-
management zufriedengestellten Kunden sind in der Folge dem Unternehmen gegenüber
besonders loyal eingestellt (vgl. [11], [15]). Erfolgreiche Fanseiten zeigen, wie man auf
„nicht steuerbare“ Einträge von Konsumenten zielführend reagieren kann und dadurch
deren Zufriedenheit steigert. So hat beispielsweise das Unternehmen Telekom mit „Tele-
kom-hilft“ einen erfolgreichen Servicekanal auf Twitter und Facebook initiiert und zeigt
dabei öffentlich, dass die Hilfe des Supports dem Kunden nutzt. Wie auch negative oder
unangenehme Inhalte durch erfolgreiches Beschwerdemanagement zu einer starken und
nachhaltigen Markenbindung führen können, weiß auch das Unternehmen FRoSTA und
ließ sogar Bilder von Würmern, die Kunden angeblich in ihrem Essen gefunden hatten,
auf der Facebookseite für jedermann ersichtlich stehen. FRoSTA ist damit sicher noch ein
Einzelfall, zeigt aber, dass ein adäquates, ehrliches und vor allem sofortiges Reagieren ein
gutes Beschwerdemanagement ausmachen und derartige Probleme im Keim ersticken
kann. Denn auf sozialen Netzwerken zählt der offene und ehrliche Austausch zwischen
Kunden und Marken auf Augenhöhe.
Social Media ist aus dem Alltag der Konsumenten nicht mehr wegzudenken. Es scheint
eine Leichtigkeit, mit der eigenen Zielgruppe in engen Kontakt zu treten. Blinder Ak-
tionismus und eine unkontrollierte Kommunikation verhindern jedoch die Ausschöp-
fung des großen Potenzials, welches Social-Media-Kommunikation ohne Zweifel bietet.
Um die Risiken von Social Media zu reduzieren und deren Potenziale auszuschöpfen,
müssen Markenmanager ihre Perspektive ändern und mit den Konsumenten in einen
Dialog treten, indem sie informieren, weiterbilden oder unterhalten (vgl. [6]). Das voll-
ständige Potenzial der Social-Media-Kommunikation zum Aufbau und zur Intensivie-
rung der Kundenbindung kann nur ausgeschöpft werden, wenn Unternehmen bereit
sind, alle drei Stufen der Social-Media-Kommunikation zu durchschreiten:
Festigen:
Die steuerbare Kommunikation mit passiven Konsumenten und Fans einer Marke ist
dazu geeignet, um das Markenbild zu festigen. Durch eine inhaltliche und formale Integ-
164 Franz-Rudolf Esch et al.
Intensivieren:
Die Kommunikation mit passiven Fans ist ein guter Beginn, aber nicht ausreichend, um
eine langfristige Kundenbindung zu erreichen. Passive Fans sollten durch interessante
und inspirierende Kommunikationsinhalte aktiviert und der Austausch mit interaktions-
freudigen Konsumenten intensiviert werden, indem ihnen genügend Freiräume für Mei-
nungsäußerungen gegeben werden.
Multiplizieren:
Die Kommunikation zwischen den Konsumenten ist Chance und keine Gefahr! Man
sollte die Konsumenten für die Marke sprechen lassen, aber niemals die Kontrolle über
diese Kommunikation verlieren. Schnelle und zielführende Reaktionen auf negatives
WoM sind zwingend notwendig, um einen möglichen Schaden für die Marke abzu-
wenden.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass diejenigen Unternehmen zu den Gewin-
nern der Social-Media-Bewegung zählen werden, denen es gelingt, ihre Social-Media-
Aktivitäten sowohl nach innen strategisch und organisatorisch zu verankern als auch
nach außen mit relevanten Botschaften glaubwürdig und integriert zu kommunizieren.
Literaturverzeichnis
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35 Universität Leipzig/Fink & Fuchs PR (2010): Social Media Governance 2010, URL: http://www.
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Die Bedeutung selbstbestimmter
Markenfürsprecher in den sozialen Medien
11
Karsten Kilian
Inhaltsverzeichnis
_______________________
Prof. Dr. Karsten Kilian ()
Sonnenhalde 7, 97922 Lauda-Königshofen, Deutschland
e-mail: kilian@markenlexikon.com
„Mit selbstbestimmten Markenfürsprechern hat sich in den sozialen Medien ein neuer Typus Testimo-
nial herausgebildet, der die Markenwahrnehmung maßgeblich mitprägt.“ Prof. Dr. Karsten Kilian
1 Personalisierte Markenprofile
In den Profilen der meisten Marken spiegeln sich die Personen und Persönlichkeiten,
denen sie anvertraut wurden und die sich ihnen vertraut fühlen. Das war schon immer
so und hat sich auch in Zeiten von Social Media nicht wirklich geändert, sondern ledig-
lich weiterentwickelt, wie im Folgenden gezeigt wird.
Waren es früher vor allem die Unternehmer selbst, die ihre Waren direkt an ihre Kun-
den verkauften und dabei mit der Marke in Verbindung gebracht wurden, so sind es seit
vielen Jahrzehnten vor allem Markenmanager, die über den medialen Markenauftritt
und damit über einen möglichen Personenbezug der Marken entscheiden, z. B. durch
das Engagement von Markenfürsprechern, allen voran bekannten Persönlichkeiten des
öffentlichen Lebens. Wie Abb. 1 zeigt, treten Prominente heute in etwa jedem neunten
Werbespot als Fürsprecher einer Marke auf.
Neben Prominenten werden häufig auch Charaktere wie seit 1898 der Michelin
Mann, seit 1959 der Esso-Tiger und seit 2006 Paula die Kuh als Testimonials eingesetzt.
Fallweise werden auch die noch lebenden oder mittlerweile verstorbenen Gründer einer
Marke in die Markenkommunikation einbezogen, z. B. Michael Dell bzw. Gottlieb
Daimler. Häufig entsteht der Bezug zum Gründer auch indirekt über den Markennamen.
Wie eine Studie von Markenlexikon.com gezeigt hat, gehen gut 40 % der 100 wertvolls-
ten Marken der Welt auf den Vor- und/oder Nachnamen des Gründers oder der Grün-
der zurück (vgl. [6], S. B2). Fallweise treten auch Manager ins Rampenlicht. Seit Ap-
ril 2011 beispielsweise wirbt der Vorstandschef von ERGO Direkt, Peter M. Endres, im
Fernsehen für die Direktversicherungen seines Unternehmens. Ähnlich verleiht Marcell
D’Avis, der Leiter Kundenzufriedenheit, seit Anfang 2010 dem Internet-Provider 1&1
ein Gesicht und bei Alpecin erläutert seit einiger Zeit Laborchef Dr. Adolf Klenk die
außergewöhnliche Wirkung des eigenen Shampoos. Bei Obi wiederum zeigen seit 2008
die Mitarbeiter, welche Produkte und Serviceleistungen Kunden in den Baumärkten
erwarten. In Einzelfällen kommen auch echte bzw. gespielte Ratgeber oder Kunden zum
Einsatz. Während jahrelang der selbständige Waschmaschineninstallateur Dieter Bürgy
aus Leimen die Verbraucher über „Lochfass“ aufklärte, macht „morgens um halb 10“
eine beim Einkauf oder Familienausflug gefilmte (Haus-)Frau und Mutter deutlich, wa-
rum Knoppers das ideale „Frühstückchen“ ist.
Die Bedeutung selbstbestimmter Markenfürsprecher in den sozialen Medien 169
15
13,1
12,5
11,8
10,7
10 9,0
7,4
in %
6,2
5
2,8 3,2
2,6
0
1991/ 1993/ 1995/ 1997/ 1999/ 2001/ 2003/ 2005/ 2007/ 2009/
1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010
Allen genannten Beispielen ist gemeinsam, dass die Testimonials bewusst vom Unter-
nehmen ausgewählt wurden, um der jeweiligen Marke Authentizität zu verleihen und sie
vor dem eigentlichen Kontakt mit dem Produkt oder der Dienstleistung am POS erleb-
bar zu machen. Nach mehrmaligem Sehen der Werbespots hat man fast schon den Ein-
druck, die gezeigten Personen persönlich zu kennen (vgl. [9], S. 107).
Als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2007 bis 2009 und der dadurch
entstandenen Vertrauenskrise haben die mit einer Marke in Verbindung gebrachten
Personen in den letzten Jahren weiter an Bedeutung gewonnen. Viele Kunden suchen
verstärkt nach Orientierung und Sicherheit, was sich am ehesten durch eine (zumindest
medial) vertraute Person erreichen lässt. Zudem führen bekannte, fachlich kompetente
und/oder attraktive Testimonials zu einer erhöhten und länger anhaltenden Zuwendung
zur Marke und damit einhergehend zu einer besseren und umfassenderen Erinnerung.
Daneben untermauern glaubwürdige Testimonials häufig die Beweiskraft und bewirken
Image- bzw. Persönlichkeitstransfereffekte auf die Marke (vgl. [12]). Aus diesem Grund
gehören Testimonials mittlerweile bei fast allen Unternehmen zum Standardrepertoire.
Die auch als Endorser, Präsenter, Markenfürsprecher oder Spokesperson bezeichneten
Testimonials sprechen sich meist explizit für eine Marke aus und bezeugen deren Leis-
tungsfähigkeit. Sie bürgen für deren Qualität, Güte, Nützlichkeit und/oder Preiswürdig-
keit (vgl. [8], S. 86 und [1], S. 109f.).
Auch in den sozialen Medien sind prominente Persönlichkeiten des öffentlichen Le-
bens mittlerweile von herausragender Bedeutung. Während die weltweit stärkste Marke
Coca-Cola auf ihrer größten Fanseite 41 Mio. Fans auf sich vereint, sind es beim füh-
renden Prominenten Eminem über 55 Mio. Ein Vergleich der führenden Marken- und
Prominenten-Fanseiten auf Facebook zeigt, dass die Top 15 Prominenten-Fanseiten im
1
Anzahl untersuchter TV-Werbespots im 2-Jahreszeitraum: n ≥ 750.
170 Karsten Kilian
Tab. 1 Die Top 15 Marken- und Prominenten-Fanseiten auf Facebook2 (Quelle: vgl. [21])
Schnitt gut 72 % mehr Fans auf sich vereinen als die führenden Marken-Fanseiten (vgl.
Tab. 1).
Dominiert wird die Top 15 von Musikern wie Eminem, Rihanna und Lady Gaga.
Aber auch Sportler wie Cristiano Ronaldo und Schauspieler wie Vin Diesel finden sich in
den Top 15 wieder. Rihanna beispielsweise ist seit März 2011 offizielles Testimonial von
Nivea. Wenig überraschend deshalb auch, dass sich unter www.facebook.com/rihanna
neben „Armani“ und „Vita Coco Coconut Water“, für die sie seit Sommer 2011 als Testi-
monial aktiv ist, auch „Nivea USA“ in ihren „Likes“ findet. In der Detailansicht erfährt
man, dass Rihanna bei insgesamt 20 Nivea-Fanseiten von „Nivea Chile“ bis „Nivea
Ukraine“ als Fan geführt wird.
Zugleich zeigt eine aktuelle Studie von Visibli einen entscheidenden Unterschied zwi-
schen Marken- und Prominenten-Fanseiten. Während bei Marken-Fanseiten die Kom-
mentar- und „Gefällt mir“-Aktivitäten mit zunehmender Fanzahl leicht abnehmen, wes-
halb gerade kleinere und mittelgroße Fanseiten das meiste Potenzial für die Interaktion
zwischen Marke und Fan ermöglichen, steigt das durchschnittliche Fan-Engagement bei
Prominenten (insb. Musikern) mit steigenden Fanzahlen geringfügig an. Auch variiert
das Niveau des Fan-Engagements deutlich. Während Marken-Fanseiten als Reaktion auf
ihre Veröffentlichungen (Posts) im Schnitt 9 Kommentare und 54 „Gefällt mir“-Klicks
erhalten, sind es bei Musikern im Schnitt 17 Kommentare und 92 „Likes“. 50 % der
„Gefällt mir“-Klicks erfolgen dabei innerhalb von 80 Minuten, 95 % in weniger als
2
Beachte: Ohne Computerspiele, Social Media Portale, Charaktere und bereits verstorbene Prominente.
Die Bedeutung selbstbestimmter Markenfürsprecher in den sozialen Medien 171
einem Tag, was die Schnelligkeit, aber auch die Schnelllebigkeit des Mediums untermau-
ert (vgl. [23]).
Artikuliert sich
Mitarbeiter Ratgeber Kunde
unzensiert in
Obi-Kunden- Installateur Knoppers- Foren & Blogs
berater Dieter Bürgy Frau Netzwerken
Markenbestimmt Selbstbestimmt
(in den Werbemedien) (in den sozialen Medien)
der Therme reagiert. In den meisten Fällen antwortet das Therme-Team innerhalb von
zwei bis drei Stunden mit einem Kommentar, was nur möglich ist, weil die Therme über
ein festes Mitarbeiter-Team verfügt, das sich abwechselnd um den eigenen Facebook-
Auftritt kümmert.
Ähnlich agiert z. B. auch das Hotel Sonnenpark aus dem Burgenland, bei dem ein
dreiköpfiges Team abwechselnd in die Rolle des hoteleigenen Maskottchens „Sunny
Bunny“ schlüpft − und auf der Hotel-Fanseite (mit mehr als 4.700 Fans) sowie auf der
Fanseite des Hasen-Maskottchens (mit über 1.100 Fans) im „Sunny Bunny“-Stil an sie-
ben Tagen in der Woche Rede und Antwort steht. Der weltweit tätige österreichische
Babyartikel-Hersteller MAM wiederum betreibt auf Facebook aktuell 16 länder- bzw.
sprachenspezifische Fanseiten, um mit jungen Müttern und Vätern in Kontakt zu treten
und deren Produktfragen, aber auch Ängste und Sorgen fachkundig zu beantworten,
u. a. durch mehrere für das Unternehmen tätige Hebammen. Immer häufiger kommt es
auch vor, dass Bewunderer einer Marke, die (insbesondere bei Luxusmarken) nicht not-
wendigerweise selbst Kunden der Marke sind, regelmäßig Fragen, Tipps und Kommen-
tare posten oder sich in Diskussionen einschalten und z. B. Fragen anderer beantworten
oder auf Kritik an der Marke reagieren.
Dabei gilt: Auch selbstbestimmte Markenfürsprecher erhalten für ihr Engagement
häufig einen Gegenwert. Dieser lässt sich jedoch nicht in Euro ausdrücken, sondern in
einem Gewinn an persönlichem Wissen oder in Form von sozialem Status im eigenen
Freundeskreis bzw. der weit verzweigten Internet-Community. Unternehmen wiederum
stehen vor der Herausforderung, dass sich diese neue Form der Markenfürsprache nicht
ohne weiteres kontrollieren lässt. Vielmehr empfiehlt es sich, die zufälligen, unbeab-
sichtigten und unautorisierten Fürsprecher (bzw. Kritiker) der Marke so weit wie nur
möglich mit einzubeziehen. Häufig ist es ratsam, sie gezielt mit Neuigkeiten zu versorgen
und ihnen umfassenden Zugang zu Informationen und innovativen Leistungsangeboten
zu verschaffen. Wird selbstbestimmten Markenfürsprechern reichlich Aufmerksamkeit
geschenkt, so führt dies meist dazu, dass sich ihre Begeisterung für die Marke verstetigt
und mit der Zeit möglicherweise sogar weiter zunimmt, so dass das Engagement für die
Marke immer mehr zu einem wichtigen Bestandteil ihres eigenen Persönlichkeitsprofils
wird (vgl. [9], S. 109).
Wie bedeutsam diese persönlichen Einschätzungen sind, zeigt eine aktuelle Nielsen-
Studie, der zufolge 90 % der Konsumenten Empfehlungen von Leuten vertrauen, die sie
kennen. Es folgen Marken-Websites und online veröffentlichte Einschätzungen von
Konsumenten mit jeweils 70 % sowie redaktionelle Beiträge mit 69 %. Erst mit deutli-
chem Abstand folgen verschiedene Formen klassischer Werbung (vgl. [19], S. 2). Min-
destens genauso wichtig wie das Vertrauen in die verschiedenen Informationsquellen ist
deren tatsächliche Nutzung. Von den Internet-Nutzern, zu denen mittlerweile rund drei
Viertel der Bevölkerung zählen, greifen einer aktuellen Studie von Fittkau & Maaß zufol-
ge 85 % vor geplanten Anschaffungen auf das Internet als Informationsquelle zurück,
64 % ziehen Testberichte und Testzeitschriften bzw. -magazine heran und 62 % orientie-
ren sich an Empfehlungen bzw. Ratschlägen von Freunden und Verwandten. Mit deutli-
174 Karsten Kilian
Testberichte 28,7
Produktbewertungen anderer Internetnutzer 24,5
Online-Shops 19,4
Empfehlungen/Beratung von Freunden/Verwandten 18,0
Preisvergleichs-Websites 17,3
Websites von Herstellern, Unternehmen, Marken 16,4
Berichte/Artikel auf Websites 15,4
Kataloge/Prospekte 12,9
Suchmaschinen/Webkataloge 10,7
Beratung in einem Geschä außerhalb des Internet 7,0
0 5 10 15 20 25 30 35
Abb. 3 Genutzte Informationsquellen von Online-Einkäufern (Top 10)3 (Quelle: vgl. [4])
chem Abstand folgen die Offline-Beratung in Geschäften mit 48 % sowie Kataloge und
Prospekte mit 42 % (vgl. [4], S. 14).
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den genutzten Informationsquellen vor Online-
Käufen. Auf die Frage, welche Quellen Käufer vor ihrem zuletzt getätigten Internet-Ein-
kauf zu Rate gezogen hatten, nannten 28,7 % der Befragten Testberichte. Demgegenüber
wurden Websites von Herstellern, Unternehmen und Marken nur von 16,4 % der Befrag-
ten angeführt. Im Prinzip keinen direkten Einfluss üben aktuell soziale Netzwerke aus. Sie
wurden von weniger als 2 % der Befragten als Informationsquelle genannt. Das bedeutet
aber nicht, dass Empfehlungen aus dem Bekanntenkreis oder fremde Einschätzungen für
Online-Einkäufe unwichtig wären. Denn immerhin 18 % hören auf Empfehlungen von
Freunden und Verwandten und 24,5 % verlassen sich auf Produktbewertungen anderer
Internet-Nutzer (vgl. [4], S. 20) und damit auf selbstbestimmte Markenfreunde, wie
Abb. 3 verdeutlicht.
Dem Informations- und Kaufverhalten der Kunden entsprechend zählen das Marken-
image und der Kundendialog zu den zentralen Unternehmenszielen in den sozialen
Medien. Nach einer aktuellen Studie von Planung & Analyse und Research Tools zählt
bei 85 % der Unternehmen das eigene Image zu den zentralen Zielen ihrer Social-Media-
Aktivitäten. An zweiter Stelle folgt mit 71 % der Dialog mit den Kunden, dicht gefolgt
von der Bekanntheit der eigenen Marke mit 68 %. Demgegenüber werden die Generie-
rung von Produktideen (32 %), der Vertrieb und Verkauf (23 %), das Personalmarketing
(21 %) und das Beschwerdemanagement (21 %) von jeweils weniger als einem Drittel der
Befragten als Ziele genannt. Zieht man ergänzend die Einschätzung der Wichtigkeit der
genannten Ziele heran, so zeigt sich, dass das Image höchste Priorität besitzt. 92 % der
Befragten stufen das Image auf einer fünfstufigen Likert-Skala als „wichtig“ oder „sehr
3
Befragt wurden Online-Käufer, deren letzter Online-Einkauf maximal vier Wochen zurücklag (Mehr-
fachnennungen waren möglich).
Die Bedeutung selbstbestimmter Markenfürsprecher in den sozialen Medien 175
100%
Image
Kunden-
dialog
Bekanntheit
Relevanz
der Ziele 50%
(Nennungen) Produkt-
anregungen/
Vertrieb/ -ideen
Verkauf
Personal- Beschwerde-
marketing management
0%
0% 50 % 10 0 %
Wichtigkeit der Ziele
(Top Two Boxes)
wichtig“ ein. Es folgen der Kundendialog mit 87 % und die Bekanntheit mit knapp 77 %
(vgl. [20], S. 17f.).4
Wie Abb. 4 verdeutlicht, dominieren die drei genannten Ziele die Kommunika-
tionsaktivitäten in den sozialen Medien. Demgegenüber sind Produktanregungen
(53 %), Vertrieb und Verkauf (45 %), Beschwerdemanagement (49 %) und Personalmar-
keting (36 %) vielfach weniger wichtig.
2 Webbasierte Mundpropaganda
Wenngleich die persönliche Mundpropaganda nach wie vor zentral für den eigenen
Markenerfolg ist, wie die Studienergebnisse von Nielsen deutlich gemacht haben, so hat
sich mit der medialen Mundpropaganda im Internet, die auch als Word-of-Web-Pro-
paganda, kurz WOW-Propaganda, bezeichnet wird, ein weiterer wichtiger Endorse-
ment-Kanal für Marken etabliert, wie die Studienergebnisse von Fittkau & Maaß gezeigt
haben.
4
Sowie bisher unveröffentlichte Studiendetails.
5
Bei der Relevanz waren Mehrfachnennungen möglich; zur Ermittlung der Wichtigkeit wurden die Top
Two Boxes „sehr wichtig“ und „wichtig“ (auf einer fünfstufigen Likert-Skala) herangezogen (n = 82).
176 Karsten Kilian
1. Reichweite
2. Reproduzierbarkeit
3. Langfristigkeit
allein auf YouTube fast 12 Mio. Mal erklungen ist. Der virale Superhit führt die Schwä-
chen bei der Gepäckbeförderung und beim Beschwerdemanagement von United plas-
tisch und drastisch vor Augen. Und doch haben die meisten Menschen davon noch nie
etwas gehört – oder können sich zumindest nicht mehr daran erinnern. Das Internet
vergisst zwar nie, wir schon! Wir schenken vielen Markenereignissen kaum noch Auf-
merksamkeit, da tags darauf bereits ein neuer Markenskandal auf allen Kanälen verbrei-
tet wird (vgl. [15]).
Neben den meist nur temporär wirksamen Skandalen um bekannte Marken sind es ak-
tuell vor allem Mitmachkampagnen (z. B. gemeinsame Produktentwicklung bei Balea)
oder Rate- und Gewinnspiele (z. B. das Städteratespiel der Lufthansa), die für positive
WOW-Propaganda sorgen sollen. Leider sind die meisten Kampagnen nur temporär
wirkungsvoll oder entwickeln sich in die falsche Richtung. So geschehen bei Otto (Tra-
vestiekünstler gewinnt Model-Contest), Pril (Rage Guy gewinnt Designwettbewerb) und
L’Oréal (71-Jährige gewinnt Model-Wettbewerb, wird ausgeschlossen und von Wettbe-
werber Schwarzkopf unter Vertrag genommen). Selbst wenn eine Kampagne erfolgreich
ist, enden mit ihr meist auch die Aktivitäten der Fans und Follower. Hauptgrund hierfür
ist, dass viele Kampagnen noch immer nicht oder nur unzureichend aus dem Marken-
selbstverständnis heraus entwickelt werden. Kreative Ideen sind gut und wichtig. Aber
nur wenn sie zur Marke passen, sind sie auch glaubwürdig und richtig. Und führen ans
Ziel: zu mehr Markenbegeisterung, die sich in rege artikuliertem Gefallen und freudigem
Weiterempfehlen manifestiert (vgl. [11], S. 9).
Wesentlich Erfolg versprechender für eine dauerhafte Markenfürsprache ist eine an
sich attraktive Marke, die auch ohne große, meist temporäre Werbekampagnen die eige-
nen Kunden elektrisiert. Hierzu ist ein hohes Involvement und damit eine ausgeprägte
Ich-Beteiligung der Kunden erforderlich. Dabei gelten die gleichen Erfolgsbedingungen,
wie sie auch für die Entstehung von Markengemeinschaften ermittelt wurden. Nur wenn
die folgenden fünf Fragen überwiegend mit „ja“ beantwortet werden können, ist ein über
die reine Transaktion hinausgehender Beziehungsaufbau in Form von Online-Marken-
gemeinschaften sinnvoll und möglich (vgl. [18], S. 93):
Entscheidend für den Markenerfolg sind vielfach eng mit einer Marke verbundene Erzäh-
lungen, Mythen und Geschichten, die Kunden untereinander austauschen. Starke Mar-
ken liefern reichlich Gesprächsstoff, machen neugierig und sorgen für Erstaunen. Mit
gezielt eingesetztem Storytelling können die besonderen Vorzüge einer Marke anschau-
lich und ansprechend aufgezeigt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Geschichten
einfach, unerwartet, konkret, glaubwürdig und emotional gestaltet sind (vgl. [5]). Auch
sollte darauf geachtet werden, dass die Geschichten nicht mehrdeutig sind. Dies kann
möglicherweise zu verfälschter Weitergabe verleiten. Es kann aber auch zu kognitiver
Reaktanz führen, weil die Geschichten aufgrund von Übertreibungen oder nur schwer
nachprüfbaren Sachverhalten weniger glaubhaft erscheinen (vgl. [16], S. 370).
Doch es gibt auch Ausnahmen, die zeigen, dass gerade Übertreibungen oder Mehr-
deutigkeiten gezielt als Gesprächsstoff-Turbo eingesetzt werden können, um Neuigkei-
ten − einem Virus gleich − flächendeckend zu streuen. Damit Geschichten viral wirken,
gilt es die Prinzipien des Retro-Marketings zu berücksichtigen. Grundidee des Retro-
Marketings ist es, dass etwas umso mehr begehrt und besprochen wird, je schwieriger es
zu haben ist bzw. je mehr Raum es für Spekulationen bietet. Zu den fünf Prinzipien des
Retro-Marketings zählen Brown zufolge Exklusivität, Geheimniskrämerei, Verstärkung-
seffekte, Unterhaltsamkeit und kleine Schwindeleien (vgl. [2]).
3 Souveräner Markendialog
Grundsätzlich gilt: Die Unternehmen konzipieren, die Medien kommentieren und die
Kunden, Künstler und Kritiker interpretieren die Marke – auf ihre „Art“, für sich und
ihre soziale Netzwelt bzw. Fangemeinde. Der Übergang vom Pressevertreter über den
Kunstschaffenden zur Privatperson ist dabei fließend. Während ein Journalist meist
versucht, einer Marke so weit als möglich gerecht zu werden, indem er nach weitestge-
hender, faktenbasierter Objektivität strebt, verhält es sich bei einer Privatperson meist
genau umgekehrt. Als mündiger Bürger, der bloggt, kommentiert oder twittert, versucht
er vor allem sich selbst gerecht zu werden und seine ganz persönliche Sicht auf die Marke
kundzutun − in all ihrer Subjektivität.
Während sich das „Faktische“ recht gut durch klassische PR beeinflussen lässt, ent-
steht das „Gefühlte“ aus der Marke selbst. Es ist deshalb besonders wichtig, eine Marke
„souverän“ zu führen und aus sich heraus zu entwickeln. Entscheidend ist, dass eine
Marke aus diesem Selbstverständnis heraus situationsbezogen handelt oder abwartet,
kommentiert oder schweigt. Einem Erdbeben gleich übertragen sich dann die Schwin-
gungen der Marke konzentrisch nach außen. Zunächst auf Pressevertreter und Kultur-
schaffende, im weiteren Verlauf auf private Kunden und Kritiker. Sie alle nehmen die
Schwingungen auf und verarbeiten sie (vgl. [10], S. 6f.).
Dementsprechend zeigen die bisherigen Erfahrungen mit selbstbestimmten Marken-
fürsprechern, dass es sich lohnt, aktiv den Dialog mit ihnen zu suchen. Durch das not-
wendige Fingerspitzengefühl lässt sich die Begeisterung von Markenfans weiter steigern,
was wiederum zu regeren Aktivitäten führt und damit zu mehr „Gefällt mir“-Klicks,
Mitteilungen, Kommentaren und Weiterempfehlungen. Im Ergebnis lässt sich damit die
Markenwahrnehmung positiv beeinflussen, was wiederum zu steigenden Verkaufszahlen
beiträgt und bei „normalen“ Kunden zu einer erhöhten Markenbindung beitragen kann
im Sinne von „Gefällt mir“ − auch.
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180 Karsten Kilian
10 Kilian, K. (2010): Vorwort, in: Kramer, K.: Souveräne Markenführung, Managementkonzept zur
Führung von Marken im Zeitalter von Social Media, S. 6–8.
11 Kilian, K. (2011): Nur kein blinder Aktionismus, in: Werben & Verkaufen (W&V Extra September),
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12 Kilian, K. (2011): Determinanten der Markenpersönlichkeit, Dissertation, Universität St. Gallen.
13 Kilian, K. (2011): Die Chancen von Social Media für die Markenführung, in: Media Spectrum, Nr. 11,
S. 32–33.
14 Kilian, K. (2011): Immer mehr Marken-Fans auf Facebook, in: Absatzwirtschaft, Nr. 6, S. 38–40.
15 Kilian, K. (2011): Markenexperte Karsten Kilian zu Social Media, URL:
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Mittler der Markenidentität, in: Baumgarth, C. (Hrsg.), B2B-Markenführung, S. 357–377.
17 Kramer, K. (2010): Souveräne Markenführung, Managementkonzept zur Führung von Marken im
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Die neue Freiwilligkeit – Von sozialen Medien
zu sozialisierenden Medien
12
Sven Henkel, Tim Oliver Brexendorf
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung.................................................................................................................................. 182
2 Zum Verhaltenseinfluss von Social-Media-Testimonials auf Mitarbeiter........................ 183
2.1 Mitarbeiter als bisher vernachlässigte Zielgruppe
der externen Kommunikation.................................................................................. 183
2.2 Social-Media-Testimonials als Verhaltensvorbilder ............................................. 186
2.3 Bezugsrahmen zum Einfluss von Social-Media-Testimonials
auf das Mitarbeiterverhalten..................................................................................... 187
3 Zur Gestaltung verhaltensprägender Social-Media-Testimonials ..................................... 188
3.1 Wiedererkennbarkeit schafft Relevanz ................................................................... 188
3.2 Moderate Übertreibungen motivieren.................................................................... 190
3.3 Best Practice – Intel’s Kampagne „Sponsors of Tomorrow“ ............................... 192
4 Zusammenfassung und Ausblick ............................................................................................ 194
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 195
_______________________
Prof. Dr. Sven Henkel ()
Universität St. Gallen, Center for Customer Insight, Bahnhofstr. 8, 9000 St. Gallen, Schweiz
e-mail: sven.henkel@unisg.ch
Prof. Dr. Tim Oliver Brexendorf ()
WHU – Otto Beisheim School of Management, Henkel Center of Consumer Goods,
Burgplatz 2, 56179 Vallendar, Deutschland
e-mail: tim.brexendorf@whu.edu
„Less is more! Soziale Medien bieten enorme Chancen für das Branding. Sie bergen aufgrund ihrer ein-
fachen und kostengünstigen Handhabung aber auch die Gefahr, ohnehin informationsüberladene
Kunden mit Belanglosigkeiten zu überfordern. Erfolgskritisch wird es deshalb zukünftig sein, diese Me-
dien sinnvoll und in Maβen einzusetzen, damit sie Mehrwert kreieren und nicht Nerven strapazieren.“
Prof. Dr. Sven Henkel
1 Einführung
Soziale Medien sind fester Bestandteil unseres Lebens. Spätestens 2012 wird Facebook
eine 1 Mrd. aktive Nutzer haben (vgl. [13], S. 48). 47 % der Befragten einer weltweiten
Studie aus dem Jahr 2010 geben an, in Brand Communities aktiv zu sein. 30 % nutzen
Social Media über ihre Smartphones (vgl. [29], S. 8). Beeindruckende Zahlen, die aktuell
bereits übertroffen sein dürften. Was bedeutet diese Entwicklung für die Unternehmens-
kommunikation? Soziale Medien prägen das Verhalten der Kunden und ihre Erwartun-
gen an die Kommunikation. Diese Erwartungen betreffen die Interaktionsfrequenz, die
Antwortgeschwindigkeit, die Antwortqualität und den Erlebnisfaktor der vermittelten
Inhalte. Bezogen auf die Praxis bedeutet dies: Wenn Greenpeace eine eigene Version der
Darth-Vader-Kampagne von Volkswagen in den viralen Kreislauf gibt, die im Gegensatz
zu den Markenzielen von Volkswagen steht, dann muss Volkswagen schnell, kreativ und
schlagfertig reagieren, um das Heft des Handels in der Hand zu behalten. Eine entspre-
chende Reaktion wird erwartet. Erfolgt diese nicht, bildet sich in den sozialen Medien
eine eigene Meinung.
Was jedoch häufig übersehen wird: Der Einfluss sozialer Medien endet nicht an den
Grenzen des World Wide Web, sie prägt auch die Erwartungen an das Kommunika-
tionsverhalten im realen Leben. Die digitale Generation transferiert ihre in den sozialen
Medien geprägten Interaktionsgewohnheiten und -erwartungen auch auf die soziale
Interaktion mit Mitarbeitern einer Marke. Für VW bedeutet dies: Jeder Mitarbeiter im
Kundenkontakt muss (a) von den Geschehnissen um Darth Vader wissen und (b) eine
Vorstellung haben, wie man sich angesichts dieser Situation markenkonsistent verhalten
kann. Andernfalls droht ein negativer Imageeffekt, der bis zur Abwendung von der Mar-
ke führen kann (vgl. [20], S. 311). Diese Konsistenz und Flexibilität über alle Marken-
kontaktpunkte sicherzustellen, ist eine Herausforderung für Marketing- und Kommuni-
kationsexperten, die sich mit bestehenden Ressourcen der internen Kommunikation und
Personalentwicklung kaum realisieren lässt.
Das Ziel dieses Beitrags besteht darin, den Treiber der veränderten Kundenerwartun-
gen, die Social-Media-basierte Unternehmenskommunikation, als Mittel zur markenori-
entierten Prägung der eigenen Mitarbeiter einzuführen. Externe Kommunikation, so
These 1, ist in der Lage, Verhaltenserwartungen und -vorbilder nach innen zu kommu-
nizieren. These 2 geht davon aus, dass die extern kommunizierten Inhalte bei Mitarbei-
tern eine hohe Akzeptanz erfahren, da sie sich freiwillig mit diesen auseinandersetzen.
Soziale Medien, so These 3, verstärken diesen Effekt: Sie bieten die Möglichkeit, inspirie-
Die neue Freiwilligkeit – Von sozialen Medien zu sozialisierenden Medien 183
rende Markenerlebnisse zu teilen und die Marke in den beruflichen und privaten Alltag
der Mitarbeiter zu integrieren.
Es wird ein Modell vorgestellt, das den Einfluss der externen Kommunikation auf das
Mitarbeiterverhalten erklärt. Zudem werden erste Handlungsimplikationen für eine
optimale Kommunikationsgestaltung abgeleitet.
Unternehmen beginnen nach und nach zu realisieren, dass es sich bei Mitarbeitern um
eine bisher übersehene Zielgruppe der Unternehmenskommunikation handelt. Kom-
munikation wirkt identitätsstiftend und beeinflusst die Wahrnehmung und daraus resul-
tierend das Selbstbewusstsein der Mitarbeiter im privaten und sozialen Umfeld (vgl.
[10], S. 240 und [16], S. 70). Erfahrungen in der Praxis bestätigen diesen zweifach positi-
ven Einfluss der Kommunikation auf Mitarbeiter.
So berichtet Stefan Lauer, Vorstand der Lufthansa AG, von sehr positiven Mitarbei-
terreaktionen auf eine Imagekampagne anlässlich des 50-jährigen Firmenbestehens:
„Unsere Mitarbeiter haben sich begeistert über Inhalte und Umsetzung der Kampagne geäußert. Auch
berichteten sie darüber, dass Freunde sie auf die gelungene Kommunikation ihres Arbeitgebers ange-
sprochen hätten. Hier war deutlich spürbar, dass die Kampagne auch nach innen gewirkt hat. Sie hat
den Stolz unserer Mitarbeiter, Lufthanseaten zu sein, gesteigert und ihre Identifikation mit der Marke
erhöht.“
„Neue Sixt-Kampagnen sind regelmäßig ‚Talk of Town‘ in Deutschlands Großstädten. Diese positive
Aufmerksamkeitswirkung strahlt auch auf die Mitarbeiter des Unternehmens ab. Mitarbeiter von Sixt
fühlen sich trendy und schlagfertig, weil sie für eine Marke arbeiten, die sich ebenso positioniert.“
184 Sven Henkel, Tim Oliver Brexendorf
„Advertising can affect its employees [by] telling them how the company expects them to behave“
([2], S. 53).
„[Advertising] is an important tool for ‚selling‘ jobs; it is a tool for motivating, educating or otherwise
communicating with employees“ ([14], S. 53).
Hierbei gilt es zu beachten, dass eine positiv motivationale Wirkung der Werbung
nur dann zu erwarten ist, wenn das im Werbeauftritt dargestellte Verhalten für den Mit-
arbeiter umsetzbar, d. h. mit Blick auf seine Erfahrungen und Fähigkeiten realisierbar ist
(vgl. [21], [31]). Im Falle zu starker Übertreibungen ist hingegen von einer Frustration
des Mitarbeiters und daraus resultierend von kontraproduktivem (vgl. [14], S. 56) bzw.
zynischem (vgl. [2], S. 56) Verhalten auszugehen.
Die Gründe für den starken Effekt von Werbung auf Mitarbeiter sind dabei vielseitig.
Zusammenfassend lassen sich drei zentrale Ursachen identifizieren:
Zunächst stehen Mitarbeiter in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Arbeitgeber.
Folglich sind sie an jeglichen Informationen interessiert, die Aufschluss über die aktuelle
Lage des Unternehmens und somit über die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes geben. Wer-
bung liefert Informationen darüber, wie selbstbewusst und auf Basis welcher Argumente
Die neue Freiwilligkeit – Von sozialen Medien zu sozialisierenden Medien 185
sich der Arbeitgeber gegenüber Konkurrenten positioniert. Auch gibt sie implizit Aus-
kunft darüber, auf welche Leistungen und Geschäftsfelder sich das Unternehmen aktuell
und zukünftig schwerpunktmäßig konzentriert (vgl. [35], S. 23). Schließlich finden sich
Hinweise darauf, dass Mitarbeiter aus der Glaubwürdigkeit werblicher Maßnahmen
Rückschlüsse auf die Vertrauenswürdigkeit und das Commitment ihres Arbeitgebers
gegenüber der Belegschaft ziehen.
„False claims will lead an employee to believe that the organization is not credible, and therefore may
not fulfill its commitment on other issues“ ([34], S. 217).
Die eigene Kommunikation dient Mitarbeitern folglich als Gradmesser für den zu-
künftigen Erfolg des Arbeitgebers und für die Sicherheit des Arbeitsplatzes.
Ferner beeinflusst die Qualität der Kommunikation die soziale Positionierung des Mit-
arbeiters. Betroffen ist dabei sowohl seine Positionierung innerhalb des Unternehmens
als auch seine soziale Stellung außerhalb des Unternehmens (vgl. [10], S. 241 und [16],
S. 70). Häufig lassen Kampagnen Rückschlüsse darauf zu, welchen Mitarbeitergruppen
bzw. Unternehmensbereichen das Management eine besondere Bedeutung beimisst. Die
Nicht-Berücksichtigung des eigenen Stellenprofils kann das Rollenverständnis und das
Selbstvertrauen des Mitarbeiters erheblich beeinflussen (vgl. [34], S. 217). Darüber hinaus
werden Mitarbeiter auch in ihrem privaten Umfeld mit dem kommunikativen Auftritt
ihres Arbeitsgebers assoziiert und entsprechend behandelt (vgl. [10], S. 241 und [16],
S. 70). So berichten Deutsche Bahn-Mitarbeiter davon, ihre berufliche Identität in neuen
sozialen Umfeldern zunächst geheim zu halten, um einen Imagetransfer des tendenziell
ungünstig positionierten Arbeitgebers auf die eigene Person zu vermeiden. MINI-Mitar-
beiter sind hingegen stolz darauf, auf ihr Unternehmen angesprochen zu werden, das
allein bei Facebook 2.577.651 Fans hat.
Schließlich finden sich Hinweise darauf, dass Werbung einen signifikanten Einfluss
auf die Identifikation des Mitarbeiters mit der Marke ausübt (vgl. [8], [10], [30], [35]).
Mitarbeiter weisen ein hohes Involvement gegenüber eigenen Leistungen auf. Da Wer-
bung dazu dient, diese Leistungen publik zu machen, erzeugt auch sie ein gesteigertes
Interesse auf Seiten des Mitarbeiters. Dieses Eigeninteresse führt dazu, dass Mitarbeiter
kommunizierte Inhalte mit dem Bild vergleichen, das sie selbst von der Marke haben
(vgl. [30], S. 1). Weisen dabei das Markenbild des Mitarbeiters und das kommunikativ
erzeugte Fremdbild einen hohen Übereinstimmungsgrad auf, so wirkt dies positiv, eine
große Abweichung erzeugt den gegenteiligen Effekt (vgl. [2], S. 56, [30], S. 2 und [35],
S. 29ff.). Bestätigt wird diese wissenschaftlich fundierte Erkenntnis durch Stefan Lauer
(Lufthansa AG). Er bezeichnet seine Mitarbeiter als „Anwälte der Marke Lufthansa“.
Positive Kommunikationsaktivitäten führen zu Wohlwollen gegenüber der Unterneh-
mensführung und zu Markencommitment. Negative Entwicklungen erzeugen hingegen
Reaktanz und Misstrauen gegenüber dem Management.
186 Sven Henkel, Tim Oliver Brexendorf
Wie und warum kommt es nun zu Verhaltensanpassungen? Indem wir das in der
Kommunikation geschilderte oder durch die Kommunikation ausgedrückte Verhalten
kopieren!
Die von Bandura (vgl. [3]) begründete sozial-kognitive Lerntheorie basiert auf der
Annahme, dass sich der überwiegende Teil menschlichen (Sozial-)Verhaltens entwickelt,
indem Menschen Verhaltensmuster relevanter Bezugspersonen beobachten, strukturiert
abspeichern und bei Bedarf an die eigene Situation adaptieren:
„By observing others one forms rules of behavior and on future occasions this coded information serves
as a guide for action“ ([3], S. 47).
Ein Kleinkind erlernt Verhaltensweisen wie Lächeln oder Winken, indem es diese bei
seinen Eltern beobachtet und imitiert. In ähnlicher Weise ist bei Jugendlichen eine An-
passung des Kleidungsstils an den Stil ihrer Mitschüler zu beobachten.
Soziales Lernen ist jedoch keinesfalls auf die Phase des Erwachsenwerdens beschränkt.
Auch in der Wirtschaft gelten herausragende Manager als Leitbild für spätere Genera-
tionen. So geben in einer von Accenture durchgeführten Studie 51 % der weiblichen und
34 % der männlichen Führungskräfte an, ihr Führungsverhalten an Vorbildern zu orien-
tieren (vgl. [1]). Daniel Goeudevert, ehemaliges Vorstandsmitglied von Citroen, Renault,
Ford und VW, erklärt diesen Sachverhalt wie folgt: „Vorbilder dienen als Maßstab für
Verhaltensmuster oder Weltanschauungen. Man braucht sie, solange man glaubt, dass
man unvollständig ist“ ([18], S. 6). Ähnlich äußert sich Prof. Ulrike Detmers, Gesellschaf-
terin der Mestemacher Gruppe: „Vorbilder sind Leitbilder mit der wichtigen Funktion,
bewusst oder unbewusst Orientierung zu geben. Vorbilder liefern Orientierung und zei-
gen, ob Handlungen zu positiven, negativen oder neutralen Effekten führen“ ([9], S. 13).
Neuere Arbeiten im Feld der sozialen Kognitionstheorie attestieren den Medien oder
medialen Angeboten eine verstärkende Wirkung. Bandura bezeichnet mediale Szenarien
als soziale Realitäten im Auge des Betrachters, im Rahmen derer sich spezifische Verhal-
tensmuster und damit verbundene Konsequenzen akzentuierter vermitteln lassen als in
realen Situationen (vgl. [4], S. 132f.). Ein an medialen Vorbildern orientiertes Lernen
erscheint folglich möglich. Aufgrund der fehlenden physischen Nähe ist es im massen-
medialen Kontext allerdings umso wichtiger, dass die präsentierten Vorbilder Aufmerk-
samkeit beim Betrachter erzeugen und aufgrund ihrer Eigenschaften und ihres Betäti-
gungsfelds als relevant wahrgenommen werden (vgl. [5], S. 83). Durch die Medien
werden neue Verhaltensweisen weltweit penetriert und in den Köpfen der Zuschauer
verankert. Aufgrund der technischen Möglichkeiten haben Medien die Möglichkeiten,
spezifische Verhaltensmuster detailliert zu illustrieren. Ferner kann die Verhaltenswir-
kung dieser Muster durch häufige Wiederholungen gesteuert und bei Bedarf intensiviert
werden. Bandura schreibt hierzu:
„New ideas, values, behavior patterns and social practices are rapidly diffused by symbolic modelling
worldwide in ways that foster globally distributed consciousness“ ([4], S. 127).
Die neue Freiwilligkeit – Von sozialen Medien zu sozialisierenden Medien 187
Inszeniertes
Verhaltensvorbild
Indirekter Direkter
Effekt Effekt
Indirekter Effekt
Kunde Mitarbeiter
Erwartungen Selbstregulation
Tatsächliches Verhalten
tionssituationen zu realisieren (vgl. [4], S. 127 und [5], S. 76f.). Im Rahmen der sozialen
Kognitionstheorie wird der Prozess der Verhaltensanpassung als Selbstregulation be-
zeichnet (vgl. [3], S. 230).
Verhaltensleitend wirkt ein Vorbild, wenn es als relevant beurteilt wird. Relevanz liegt
laut Bandura vor, wenn (1) zentrale Aspekte der aktuellen Situation des Beobachters
Die neue Freiwilligkeit – Von sozialen Medien zu sozialisierenden Medien 189
Araktivität
Problemlösung
Relevanz
Abb. 4 Relevanz als notwendige Voraussetzung für soziales Lernen (Quelle: eigene Darstellung)
durch das Verhaltensvorbild adressiert werden und wenn das Verhaltensvorbild (2)
einen funktionalen Nutzen zur Lösung aktueller Herausforderungen des Beobachters
beisteuert. Finden sich diese Aspekte nicht, wird das Verhaltensvorbild „ignoriert oder
abgelehnt“, um einer Informationsüberlastung vorzubeugen. Ist das Vorbild hingegen
relevant, so wird die beobachtete Verhaltenslösung gespeichert und in entsprechenden
Situationen ausgeführt (vgl. [3], S. 54).
Auf vergleichbaren Annahmen fußt die von Festinger begründete Theorie sozialer
Vergleichsprozesse (vgl. [11], [12]). Danach ist es ein zentrales menschliches Bedürfnis,
sich mit relevanten Personen oder Gruppen zu vergleichen, um so Rückschlüsse auf
eigene Fähigkeiten und das eigene Entwicklungspotenzial zu ziehen (vgl. [11], S. 117 und
[12], S. 217). In Einklang mit der sozial-kognitiven Lerntheorie geht Festinger davon aus,
dass Vergleichs- und Verhaltensanpassungsprozesse hauptsächlich durch die Relevanz
des Gegenübers ausgelöst werden. Als zentralen Treiber der Relevanz identifiziert Fes-
tinger die Ähnlichkeit zwischen vergleichender Person und Vergleichsperson (vgl. [11],
S. 117). Darüber hinaus wird die Relevanz einer Vergleichsperson gemäß der Social-
Comparison-Theorie gesteigert, wenn diese (1) attraktiv ist, wenn (2) von ihr repräsen-
tierte Fähigkeiten oder Meinungen bedeutsam sind und wenn (3) vergleichende Person
und Vergleichsperson Ähnlichkeiten in selbstrelevanten Dimensionen wie Image und
Einstellung aufweisen (vgl. [11], S. 133 und [28], S. 116f.).
Den Einfluss von Ähnlichkeitsurteilen auf die Aufmerksamkeitswirkung und Rele-
vanz medial inszenierter Persönlichkeiten belegen Henkel und Huber (vgl. [19]). In einer
Studie unter Fernsehzuschauern zeigen sie, dass die wahrgenommene Ähnlichkeit zu
190 Sven Henkel, Tim Oliver Brexendorf
einem TV-Akteur das Interesse an Formaten erhöht, in denen der Akteur auftritt. Ferner
ergibt die Studie, dass Zuschauer im Falle ähnlicher Akteure eine höhere Bereitschaft
zeigen, durch den TV-Akteur präsentierte Inhalte zu reflektieren und auf ihre Situation
zu beziehen.
Diese Erkenntnisse indizieren, dass ein in der Werbung dargestelltes Verhaltensvor-
bild genau dann die größte Aufmerksamkeits- und Verhaltenswirkung erzeugt, wenn es
hinsichtlich seines Arbeitsumfelds und der dargestellten Leistungserbringung Ähnlich-
keiten mit der anvisierten internen Zielgruppe aufweist. In Anlehnung an Bandura, der
feststellt
„People cannot learn much by observation unless they attend to the relevant aspects of modelled activi-
ties“ ([3], S. 56).
lässt sich hieraus als erste Gestaltungsempfehlung für die Praxis ableiten:
Gestalten Sie ihr werbliches Verhaltensvorbild so, dass es hinsichtlich seines Tätigkeitsum-
felds Ähnlichkeiten mit dem anvisierten Mitarbeitersegment aufweist. Ein ähnliches Testi-
monial hat eine höhere Relevanz für die Zielgruppe und wirkt folglich eher als Impuls für
Verhaltensanpassungen als ein unähnliches Testimonial.
unähnlich
Relevanz
ähnlich
Status der Vergleichsperson (Self-Improvement) (vgl. [24], S. 255ff. und [23], S. 96ff.).
Dabei wird davon ausgegangen, dass eine motivationale Wirkung genau dann eintritt,
wenn das Vorbild in Bezug auf die interessierende Dimension „slightly better“ ist (vgl.
[17], S. 264). „Slightly better“ heißt: besser, aber in einer für die vergleichende Person
erreichbaren (moderaten) Weise. Ist die Leistungshürde hingegen nicht erreichbar, so
droht eine Distanzierung von der fokussierten Dimension bzw. eine Abwertung dieser
Dimension (vgl. [24], S. 250 und [23], S. 98).
Konkrete Verhaltensreaktionen infolge sozialer Vergleiche identifiziert Tesser (vgl.
[27]). Seine Theorie der Selbstwerterhaltung basiert auf der Annahme, dass Menschen
grundsätzlich bestrebt sind, ihr Selbst in ein positives Licht zu tauchen und diese positive
Selbstwahrnehmung aufrechtzuerhalten. Als Strategien, um diesem Bedürfnis im Falle
einer Konfrontation mit besser agierenden Personen gerecht zu werden, identifiziert
Tesser drei Verhaltensmuster (vgl. [27], S. 181 und [28], S. 118): (1) Die Abwertung der
inkonsistenten Dimension, um den eigenen Status zu rechtfertigen. (2) Die aktive Dis-
tanzierung von der dissonanten Dimension. (3) Die Anpassung des eigenen Verhaltens
an die Vergleichsperson, um die Dissonanz aufzuheben. Dabei fallen verhaltensbezogene
Reaktionen umso stärker aus, je relevanter die Vergleichsdimension für das Selbst ist
(vgl. [32], S. 4f.).
Als Zwischenfazit lässt sich an dieser Stelle festhalten:
In Bezug auf den Einfluss von Werbung auf Mitarbeiter kann hieraus gefolgert wer-
den, dass ein werbliches Vorbild Mitarbeiter vermutlich genau dann zu einer Verhal-
tensanpassung motivieren kann, wenn es (1) als relevant wahrgenommen wird, und
(2) seine Leistungsfähigkeit im Auge des Beobachters ambitioniert, aber erreichbar er-
scheint.
Hieraus lässt sich als zweite Gestaltungsempfehlung für die Praxis ableiten:
Gestalten Sie Ihr Kommunikationsszenario so, dass das Werbeversprechen aus Sicht des
Mitarbeiters ambitioniert, aber einlösbar ist. Ist dies der Fall, so ist von einer inspirierenden
Wirkung des Vorbilds und von einer Anpassung des Mitarbeiterverhaltens auszugehen. Im
Falle zu starker Übertreibungen wird sich der Mitarbeiter hingegen vermutlich gegenüber
dem Kunden vom Werbeversprechen des Arbeitgebers distanzieren.
Mit der Multimedia-Kampagne „Sponsors of Tomorrow“ definierte Intel 2009 den An-
spruch an exzellente Cross-Media-Kommunikation neu. Bereits kurz nach dem Launch
erzielte die Kampagne vergleichbare Erinnerungswerte wie die „Refresh Everything“-
Kampagne des B2C-Giganten Pepsi – und das aufgrund der intelligenten Integration
von sozialen Medien und klassischen Medien zu einem Drittel der Kosten. Die Kampag-
ne „I’m a PC“ von Microsoft, die bis dato als ein herausragendes Beispiel für erlebnisori-
entierte B2B-Kommunikation galt, verwies man deutlich auf die Ränge (vgl. Abb. 6).
Das Erfolgsrezept der Intel-Kreativen ist dabei relativ einfach: Um die Marke aus der
Ecke des technologiegetriebenen Komponentenlieferanten herauszuholen und emo-
tionaler und erlebnisorientierter zu positionieren, setzte man auf die Magie der eigenen
Mitarbeiter. Unter dem Motto „Your Rock Stars aren’t like Our Rock Stars“ werden
eigene Mitarbeiter in ihrem Arbeitsumfeld mit einem Augenzwinkern inszeniert und
dabei zwei zentrale Botschaften via Fernsehwerbung, vor allem aber über YouTube an
die intendierte Zielgruppe vermittelt: Intel-Mitarbeiter haben außergewöhnliche Fähig-
keiten und gestalten die Zukunft aktiv mit. Darüber hinaus sind sie aber auch ganz nor-
male Menschen mit Humor, Herz und einem gesunden Maß an Selbstironie. Menschen
und Geschichten, an die man sich gerne erinnert, wenn man sich beim Kauf eines neuen
Notebooks für Intel oder einen Wettbewerbsprozessor entscheidet, ohne seine Entschei-
dung wirklich rational begründen zu können.
Deborah Conrad, Intel Vice President and General Manager, Corporate Marketing
Group, erklärt die Ziele der Kampagne wie folgt:
„For more than 40 years Intel has been delivering tomorrow’s ‚normal‘, and our new marketing cam-
paign is a way for the world to be made aware of this fact. Our image, our brand are far too powerful to
just be a microprocessor when, in fact, the greatest strength of the Intel brand will always be what is still
to come“ ([22], S. 2).
Die neue Freiwilligkeit – Von sozialen Medien zu sozialisierenden Medien 193
$45
260
245
$32
$14
Peak # mentioned (per day)
45
Launch Media Spend (in Mio)
Abb. 7 Intel’s „Sponsors of Tomorrow“-Kampagne in den klassischen und in den sozialen Me-
dien (Quelle: Intel Corporation (oben) und YouTube (unten))
194 Sven Henkel, Tim Oliver Brexendorf
Intel definiert sich nicht länger als Produkthersteller, sondern als Lösungsentwickler
und Zukunftsgestalter. Es zeigt seinen Kunden, dass man weit mehr darstellt als den
Chip-Produzenten, und kommuniziert gleichzeitig an bestehende und potenzielle Mit-
arbeiter, wie man diesen Status erreicht hat und wie man den Intel-Weg zukünftig ge-
hen möchte.
„Marketing, design, and communication produce meaning for both for consumers and for organiza-
tions and their members at one and the same time.“
Literaturverzeichnis
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ling Self-Enhancement Models With the Mood-Cognition Priming Model, in: Journal of Personality
and Social Psychology, Vol. 79, No. 4, S. 563–579.
Web-Videos – Social Branding
und Performance-Optimierung
13
Carsten Kreilaus
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung.................................................................................................................................... 198
2 Web-Videos................................................................................................................................ 198
2.1 Emotion ist der entscheidende Schlüssel zur Verbreitung von Botschaften..... 199
2.2 Der Turbo – Soziale Netze ........................................................................................ 199
2.3 Die „CHECK24 24.000 Euro Video Challenge“ .................................................... 199
2.4 Viel mehr als nur Emotion – Content mit Klasse ................................................. 201
2.5 Video Search Engine Optimization (VSEO) .......................................................... 202
3 Sind Videos also die Zukunft? ................................................................................................. 203
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 204
_______________________
Carsten Kreilaus ()
Giechstraße 39, 81249 München, Deutschland
e-mail: carsten@kreilaus.de
„Emotionen sind der entscheidende Schlüssel zur Verbreitung von Botschaften und Web-Videos der
Turbo dafür in sozialen Netzen.“ Carsten Kreilaus
1 Einleitung
Keiner interessiert sich für sie, aber jeder nutzt sie – Online-Vergleichsportale wie
CHECK24, die bei der Suche nach den passenden Tarifen für Versicherungen, Finan-
zen, Energie, Telekommunikation und Reisen helfen, indem sie mehr Markttrans-
parenz schaffen. Denn in der Geschäftsidee selbst liegt das Problem: Vergleichsportale
sind vergleichbar, austauschbar. Namen, Inhalte und Services ähneln sich. Die Ver-
gleichsrechner, das Herzstück der Vergleichsportale, sind aus Verbrauchersicht techno-
logisch weitgehend identisch. Egal, ob man eine Kfz-Versicherung, einen günstigen
Kredit oder neuen Stromanbieter sucht – das Ergebnis ist immer eine nüchterne Liste
von Tarifen.
Um im stark wachsenden Markt der Vergleichsportale bestehen zu können, ist es ergo
zwingend notwendig, eine Marke aufzubauen und sie emotional aufzuladen, um sie so
im Denken der Zielgruppe zu verankern. Dies wird wiederum am schnellsten erreicht,
wenn man die Menschen dazu bringt, sich mit CHECK24 nicht nur im kurzen Moment
des Vergleichs auseinanderzusetzen, sondern die Marke auch sonst in den Köpfen der
Verbraucher verankert. Aber wie schafft man das? Am besten online – das verlangt ja
schon die Natur eines Online-Portals – und am besten Performance-optimierend. Aber
wie bringt man dies alles unter einen Hut?
2 Web-Videos
Alleine auf YouTube werden jeden Tag weltweit rund 3 Mrd. Online-Videos aufgerufen
und pro Minute 35 Stunden selbst produziertes Videomaterial hochgeladen. Auch in
Deutschland generieren Videos millionenfache Views. Im April 2011 haben insgesamt
44,9 Mio. Internet-User in Deutschland jeweils mindestens ein Video online betrachtet.
Das bedeutet einen Rückgang um 4,6 % gegenüber dem Vorjahr, wobei die durchschnitt-
liche Nutzungszeit je Besucher hingegen um 11,9 % auf insgesamt 19,6 Stunden stieg. Die
durchschnittliche Betrachtungszeit je Video betrug 6,3 Min. – 19,5 % mehr als 12 Monate
zuvor (vgl. [3]).
Ein Trend, der in mehrfacher Weise Marketing-Relevanz besitzt und noch weiter an
Relevanz gewinnen dürfte (vgl. [11]). Denn Videos verschmelzen Markenbildung mit
Performance. Dies und die Bedeutung der Emotionen für die Verbreitung von Botschaf-
ten untermauert auch die Studie „What makes Online Content Viral?“ von Berger und
Milkman von der Universität Pennsylvania (vgl. [2]).
Web-Videos – Social Branding und Performance-Optimierung 199
Videos sind multisensorisch, d. h., sie bündeln eine Vielzahl von Sinneswahrnehmun-
gen. Dadurch sind Aufmerksamkeit, Involvement und Merkfähigkeit im Gegensatz zu
eindimensionalen Inhalten deutlich erhöht. Bewegt-Bild findet schnell Zuschauer und
kann somit ebenso schnell zum Multiplikator der Marke, auch außerhalb der eigenen
Website, werden. Wenn der Inhalt der Videos dazu noch unterhaltsam und interessant
aufbereitet ist und dem Betrachter einen echten Mehrwert liefert, haben Videos das
Potenzial, viral verbreitet zu werden und so die Markenbekanntheit zu steigern und die
Marke stärker im „relevant set“ der Verbraucher zu verankern.
Eine Studie von Tomorrow Focus zeigt, dass Personen, die eine Video-Werbung ge-
sehen haben, die betreffende Marke überdurchschnittlich oft als unverwechselbar und
sympathisch beurteilen (vgl. [1]). Die Werbewirkung von Video kann somit die Werbe-
effekte klassischer Online-Werbeformen wie Banner bei Weitem übertreffen, zumal
Banner und Pop-ups immer öfter über technische Hilfsmittel blockiert werden und da-
durch die Werbebotschaft erst gar nicht beim Verbraucher ankommt. Aus diesen Grün-
den wurde das Thema „Video“ bei CHECK24 strategisch im Kommunikations-Mix
integriert mit dem Ziel, existierende Absatz- und Verkaufsprozesse zu optimieren.
Abb. 1 Traffic für Webseiten über Aktivitäten in sozialen Netzwerken (Quelle: vgl. [10])
Abb. 2 CHECK24-Facebook-Seite mit Countdown und App zum Video-upload (Quelle: eigene
Darstellung)
Web-Videos – Social Branding und Performance-Optimierung 201
Abb. 3 Eigene Website für diese Aktion: www.spendierhoeschen.de (Quelle: eigene Darstellung)
Die Video Challenge wurde über Seeding verbreitet. Zudem wurden gezielt Film-
hochschulen angeschrieben, um die Qualität und damit die Attraktivität des Wettbe-
werbs zu erhöhen.
Für die Challenge wurden eine eigene Facebook-Fanpage, eine eigene Website
(www.spendierhoeschen.de) sowie ein Markenkanal auf YouTube aufgesetzt.
Die User hatten die Möglichkeit, die einzelnen Videos zu bewerten (vgl. Abb. 3). Aus
den Top-Videos bestimmte eine hochkarätige Jury die Gewinner. Der 1. Platz bestand aus
einem Preisgeld in Höhe von 20.000 Euro (vgl. Abb. 4) und einer Ausstrahlung zur Prime
Time, direkt vor dem Samstagabend-Film auf Pro7. Durch diese Rückführung in einen
klassischen Kanal konnte die Reichweite noch einmal signifikant gesteigert werden.
Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn seit dem letzten großen Google-Up-
date (Panda/Farmer) werden Websites im Index bevorzugt, auf denen sich Nutzer lange
aufhalten (vgl. [9]). Durch relevante Videos kann die Verweildauer auf der Website
deutlich gesteigert werden.
Zudem hat ein Video auch Vorteile im Hinblick auf die Ergebnisdarstellung von
Google-Suchen. Normalerweise nehmen Google-Sucher nur die ersten Treffer am lin-
202 Carsten Kreilaus
Abb. 4 TV-Bildschirm des Gewinnervideos der „24.000 Euro Video Challenge“ (Quelle: eigene
Darstellung)
ken oberen Seitenrand wahr. Über die Vorschaubilder der Videos in der „Universal
Search“ können aber auch untere Platzierungen Aufmerksamkeit generieren und damit
geklickt werden. Und mit Google lässt sich nicht nur nach Bildern und Websites su-
chen. Es gibt auch eine eigene Videosuchmaschine, mit der User gezielt nach Bewegt-
Bildern suchen können.
Daher sollte eine gut geführte Webpräsenz nicht nur über Texte und Bilder verfügen,
sondern auch über Video-Content.
Ein Unternehmen kann also, wie oben dargelegt, über Videos gezielt die Suchmaschi-
nenplatzierung verbessern. Dazu müssen die Videos für Google optimiert werden. Bei
der Video-Optimierung müssen vor allem der Titel, die Beschreibung sowie die Tags der
Videos möglichst viele relevante Keywords enthalten, mit denen der Internet-User bei
Google in der Regel nach den entsprechenden Produkten oder Dienstleistungen sucht.
Wer hier frühzeitig branchenrelevante Keywords belegt, kann sich dauerhaft die Top-
Plätze bei Google und somit einen Wettbewerbsvorteil erarbeiten. „If your competition
has a video and you don’t, the competition wins. So I think we’re going to see video on
almost every site that at least wants to rank“ ([4], zit. nach [8]). Um die Relevanz von
Videos für Google zu erhöhen, ist es ratsam, von möglichst vielen Kanälen auf das Onli-
ne-Video zu verlinken.
Web-Videos – Social Branding und Performance-Optimierung 203
Der „Hintergrund“ kann noch so gut aufgebaut sein. Geklickt wird erst, wenn die Vi-
deo-Vorschau neugierig auf den Inhalt macht. Die Klickrate kann entsprechend über die
originelle Bildsprache signifikant gesteigert werden. Der positive Nebeneffekt: Je öfter
die Video-Suchtreffer geklickt werden, desto relevanter für Google und desto höher die
Gewichtung bei künftigen Suchanfragen (vgl. [6]).
Die Videos müssen auf der eigenen Website gehostet werden, wenn die potenziellen
Nutzer direkt auf der eigenen Website landen sollen. Dazu sollte eine Video-Sitemap
angelegt werden, in der steht, auf welchen Seiten der Website Videos zu finden sind.
Im Zuge der Suchmaschinenoptimierung müssen sich Web-Videos dem Vergleich
mit SEO-Texten stellen. SEO-optimierte Texte sind als Standard sehr kostengünstig zu
bekommen. Die Kosten für Videos sind im Vergleich auf den ersten Blick höher. Das
Einsatzgebiet von Videos gegenüber Texten ist jedoch um ein Vielfaches größer. Mit
einem SEO-Text kann man versuchen, ein Keyword zu belegen. Mit einem Video kann
man dank unterschiedlicher Platzierungen im Web zehn oder mehr Keywords beset-
zen. Videos unterliegen zudem nicht der Duplicate-Content-Problematik. Gleichwohl
stehen Videos im Wettbewerb mit den SEO-optimierten Texten. Unternehmen müssen
daher kreative Wege finden, wie Videos kostengünstig erstellt werden können. Ein
möglicher Weg besteht darin, Videos über Social-Media-Kampagnen, wie beispielswei-
se der CHECK24 Video Challenge, zu generieren oder aber Ratgeber-Videos in klassi-
scher Fernsehstudio-Optik zu erstellen.
CHECK24 hat zum Zeitpunkt der Textverfassung erste Ratgeber-Produktvideos im
Test. Das Ziel: das CHECK24 Web-TV mit Ratgeber-Videos zur Umsatzsteigerung.
CHECK24 konzipiert dazu ein virtuelles Studio als 3D-Modell, in dem Markenelemente
mit Wiedererkennungswert integriert werden.
Die Videos werden vor einem BlueScreen gedreht und im Anschluss in das virtuelle
CHECK24-Studio eingebunden (vgl. Abb. 5). Des Weiteren lassen sich die Sendungen
durch zusätzliches Bildmaterial auf virtuellen Screens im Studio unterstützen. Denkbar in
diesem Format sind Ratgeber, Infos über neue Produkte/Dienstleistungen oder aktuelle
Neuigkeiten rund um CHECK24. Die Videos werden auf der eigenen Webpräsenz und
über die CHECK24-Social-Media-Kanäle sowie die einschlägigen Video-Plattformen im
o. g. Sinne gestreut. Auch die themenrelevante Platzierung in Blogs und Foren ist geplant.
Video ist eines der am stärksten wachsenden Internet-Inhalte. Dr. Horst Joepen, CEO
von Searchmetrics, bringt es auf den Punkt: „It makes sense for marketers to increase the
volume of video and image content they’re creating and to optimize it both on their own
sites and on third party sites such as YouTube and Flickr“ (zit. nach [12]).
Die Informationsbeschaffung über das Internet unterliegt dabei einem permanenten
Wandel. Der Suchende passt sich den technischen Möglichkeiten an und umgekehrt. Die
204 Carsten Kreilaus
Literaturverzeichnis
4 Clay, B. (2011): Video Has Changed The Search Results Forever, URL: http://www.youtube.com/
watch?v=iYR9nj-vkAI, abgerufen am: 12.12.2011.
5 Meixner, S. (2010): Internet World Business, Heft 18/10, S. 32–33.
6 Meixner, S. (2011): Internet World Business, Heft 16/11, S. 24–26.
7 National Endowment for the Arts (2007): To read or Not to Read – A Question of National Cone-
quence.
8 Robertson, M. R.(2011): Video at SMX about how video has impacted search results, Bruce Clay,
President of Bruce Clay Inc., SEO company, URL: http://www.reelseo.com/video-changed-search-
results/, abgerufen am: 03.09.2011.
9 Roggio, A. (2011): 4 Ways Video Can Drive Traffic and Conversions, URL:
http://www.practicalecommerce.com/articles/2845-4-Ways-Video-Can-Drive-Traffic-and-
Conversions, abgerufen am: 03.09.2011.
10 Textprovider (2011): Infografik: Videopille, URL: http://www.textprovider.de/leistungen/
videoproduktion/infografik-traffic-uber-videos-generieren, abgerufen am: 03.09.2011.
11 Von der Haar, S. (2010): Interactive Media Strategies: Growing Momentum in Video use on Corpo-
rate Web Sites: 2010. Quantifying Extent of Use of Online Video for External Business Communica-
tions.
12 Young, R. D. (2011): Universal Search: Which Formats Dominate in Google’s Results?, URL:
http://searchenginewatch.com/article/2099640/Universal-Search-Which-Formats-Dominate-in-
Googles-Results-Study, abgerufen am: 11.09.2011.
Teil C
Branchenspezifisches Social Branding
Die Markenführung von MasterCard®
im Zeitalter der digitalen Evolution 14
Dagmar Nedbal
Inhaltsverzeichnis
1 Das digitale Umfeld als Chance und Herausforderung an die Markenwelt ..................... 210
2 Das MasterCard® Geschäftsmodell im digitalen Kontext .................................................... 212
3 Social Branding bei MasterCard® ............................................................................................ 214
4 Integration von Social Media in den Marketing-Mix von MasterCard® ........................... 217
5 Potenzial und Zukunftsaussichten von Social Branding für MasterCard® ....................... 221
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 222
_______________________
Dagmar Nedbal ()
MasterCard Europe, Unterschweinstiege 10, 60549 Frankfurt am Main, Deutschland
e-mail: dagmar_nedbal@mastercard.com
„Social Media stellen die Weichen für eine neue und aktivere Kommunikation von Finanzdienstleistern
und werden so zum integralen Bestandteil einer für den Verbraucher transparenten und glaub-
würdigen Markenführung.“ Dagmar Nedbal
Social Media sind heutzutage in aller Munde. Jeder Zweite ist in Deutschland Mitglied in
digitalen Netzwerken – und das nicht nur in einem, sondern durchschnittlich gleich in
2,4. Marktführer ist Facebook mit 20 Mio. Nutzern allein in Deutschland (vgl. [1], [2]).
Fast täglich sprießen neue Shopping- und Bewertungsportale sowie Community-Platt-
formen aus dem Boden. Damit geht eine Revolution der gesamten Kommunikation ein-
her. Ein Markenmanagement, das ausgewählte Social-Media-Bausteine nicht berück-
sichtigt und integriert, ist nicht mehr denkbar. Und dabei stehen wir in Deutschland mit
dieser Entwicklung im internationalen Vergleich erst am Anfang. Fraglich ist, ob alle
Marken und vor allem Marken aus dem Finanzbereich das Potenzial für die für Social
Media charakteristische intensive Kundeninteraktion bieten und was Unternehmen
hierbei berücksichtigen müssen.
Am Beispiel der Community-Plattformen wird deutlich, dass es einige aus der analo-
gen Welt vertraute Bereiche gibt, die sich mühelos in die digitale Welt übertragen lassen.
Beispielsweise profitiert die Lebensmittel- und Konsumgüterindustrie von den jahrelang
aufgebauten Test- und Mitmachaktionen, bei denen die Hemmschwelle, seine Meinung
Freunden oder Fremden mitzuteilen, erfahrungsgemäß niedrig ist (vgl. [3]). Zusätzlich
erleichtert die Tatsache, dass es sich hier um Verbrauchs- und Genussartikel des tägli-
chen Bedarfs handelt, den Transfer ins digitale Zeitalter.
Fragt man sich, was Konsumenten wirklich wollen, wenn sie in den Social Media un-
terwegs sind, lässt sich schnell ein gemeinsamer Nenner im Suchverhalten finden: Inter-
netnutzer suchen in der Regel nach Themen oder Produkten, weniger nach Marken (vgl.
[4]). Erst das Angebot von Rewards, Rabatten und Coupons aktiviert die Nutzer, sich
mit einer Marke auseinanderzusetzen. Die Begeisterung für und die hohe Interaktion bei
Loyalitätsangeboten ist meist branchenabhängig: Die Industriezweige Lebensmittel,
Touristik, Gastronomie, Bekleidung und Automobil schneiden in der Verbraucherbe-
wertung positiv ab. Loyalitätsprogramme in Branchen wie Finanzdienstleistungen und
Telekommunikation oder in vergleichbaren Bereichen, die auf einer vertraglichen Kun-
denbeziehung basieren, bewerten nur noch 27 % der Verbraucher positiv (vgl. [5]).
Trotz allgemeiner Begeisterung ist der deutsche Internetnutzer eher ein passiver und
weniger ein aktiver Social-Media-Nutzer. Mit nur 44 % sind die aktiven Social-Media-
Nutzer, die selbst Blogs oder eigene Beiträge schreiben und Videos hochladen, im Ver-
gleich zu den 56 % passiven Nutzern wenig präsent (vgl. [6]).
Ausschlaggebend für den Erfolg einer Social-Media-Kampagne ist die Art und Weise
der Kommunikation und die Frage, inwiefern es sich um einen wahren Dialog, ein ech-
Die Markenführung von MasterCard® im Zeitalter der digitalen Evolution 211
tes Commitment zu einer Botschaft oder eher um eine versteckte Push-Maßnahme mit
Informationen handelt. Das erfordert eindeutig ein Abwenden von der althergebrachten
einseitigen Kommunikation, bei der Unternehmen ein Angebot aussprechen und die
Verbraucher gemäß dem Motto „you take, you listen“ darauf lediglich reagieren. Inner-
halb dieser neuen Kommunikation ist der Wunsch der Verbraucher nach Ehrlichkeit,
Transparenz und Glaubwürdigkeit zu respektieren und zu erfüllen. Marken, die nicht
nach den Regeln des Social Web kommunizieren, geraten schnell ins Straucheln.
tuelle „Giro sucht Hero“-Kampagne der Sparkassen auf Facebook und YouTube beweist,
und bieten eigene Fanseiten auf Facebook an (vgl. [9]). Die Finanzwelt hat durchaus
verstanden, dass es ohne Social Media nicht geht. Denn gerade der mit der Finanzkrise
einhergehende Vertrauensverlust in diese Branche generiert einen wachsenden Informa-
tions- und Interaktionsbedarf. Facebook stellt hierfür nicht das maßgebliche Medium
dar, aber eine sinnvolle Ergänzung innerhalb der Social-Media-Kommunikation.
Wie geht MasterCard mit den Entwicklungen im digitalen Bereich um, und wie stellt sich
das Unternehmen den gewachsenen Anforderungen der Konsumenten? MasterCard
gehört weltweit zu den führenden Anbietern von Zahlungsverkehrsdienstleistungen und
trägt dazu bei, den Alltag einfacher und effizienter zu gestalten. Als Franchisegeber,
Prozessor und Berater im Zahlungsverkehr ist MasterCard eine entscheidende Schnitt-
stelle zwischen Banken, Unternehmen, Händlern sowie Karteninhabern und vereinfacht
den Handel weltweit. Diese Konstellation wird auch als Vier-Parteien-Modell bezeich-
net.
Was viele nicht wissen, ist, dass die Marke als Franchisegut an Banken und Sparkas-
sen als kartenausgebende Institute lizenziert wird. Letztere gestalten aus verschiedenen
Produktmerkmalen ihre eigenen Klassik-, Gold- oder Platinumprodukte und können
sich so gegenüber dem Wettbewerb differenzieren. Deshalb gibt es eine Vielzahl von
ähnlichen, aber selten identischen MasterCard Produkten.
Innovationen haben bei MasterCard einen hohen Stellenwert. MasterCard lanciert
diese in Form neuer Produkte, Technologien oder Prozesse über seine Geschäftspartner
im Markt. Damit der Verbraucher ein Erfolgserlebnis beim Einsatz seiner Karte erfährt,
bedarf es der Akzeptanz eines Händlers. MasterCard arbeitet deshalb eng mit den Händ-
lern sowie deren Banken zusammen, um zu gewährleisten, dass die für einen reibungslo-
sen Ablauf beim Bezahlen erforderliche Infrastruktur gegeben ist.
Das Vier-Parteien-Modell birgt viele Vorteile, stellt aber auch große Herausforderun-
gen an die Markenkommunikation der Marke MasterCard. Sie erfordert im Vergleich zu
anderen Branchen wie der Lebensmittelindustrie einen anderen Umgang beim Einsatz
der verschiedenen Social-Media-Module, zum Beispiel im Rahmen des zunehmend von
Marken genutzten Crowdsourcings, bei dem Konsumenten aktiv in die Produktentwick-
lung eingebunden werden. Das A und O einer solchen Maßnahme ist ein kontinuier-
liches Feedback an die Community über den Entwicklungsstand und -prozess des Pro-
dukts und letztendlich das aktive Angebot des Produkts der Wahl am Markt. Für
MasterCard bedeutet dies mit zunehmend final gestaltetem Produkt die Suche nach
einem geeigneten Kartenherausgeber, zu dessen Positionierung das neue Produkt passt.
Deutlich einfacher ist es, wenn ein Unternehmen die Produkte selbst produziert und
vertreibt und somit die Wertschöpfungskette bis zum Point of Sale kontrolliert.
Die Markenführung von MasterCard® im Zeitalter der digitalen Evolution 213
Bei der Markenkommunikation von MasterCard spielen neben dem eigenen Media-
Mix im digitalen Bereich auch die Kommunikationsaktivitäten der kartenausgebenden
Institute eine wichtige Rolle. Da in der Kommunikation das Produkt gezeigt wird, findet
sich eine Vielzahl unterschiedlicher Werbeformate der Kreditinstitute, in denen die
MasterCard Karte abgebildet und in den jeweiligen Kontext der Werbebotschaft des
Partners integriert wird. Dies ist von großem Vorteil, birgt aber unter Markenführungs-
aspekten auch Gefahren, sobald ein Kundenprodukt ganz anders positioniert wird als die
Marke MasterCard. Im digitalen Netz werden diese Aktivitäten augenfälliger und über
Suchmaschinen oft plakativ nebeneinander gestellt. Die ursprüngliche Markenbotschaft
kann so schnell an Aussagekraft verlieren. MasterCard setzt daher weniger auf Produkt-
kommunikation, sondern auf eine stringente und fokussierte Markenkommunikation
und stellt den Verbraucher ganz klar in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten. In der Mar-
kenwerbung stehen integrierte Kampagnen mit intelligentem Zielgruppenmanagement
im Vordergrund, die sich auf die Verankerung der Marke im sogenannten Evoked Set
der Verbraucher konzentrieren – unabhängig davon, ob diese bereits Karteninhaber sind
oder nicht.
Eine Kreditkarte gehört zu der Kategorie der Gebrauchsgüter und steht somit nicht
wie ein klassisches Konsumgut auf der täglichen Einkaufsliste der Verbraucher. Sie zählt
214 Dagmar Nedbal
daher heute noch immer eher zu den „low involvement“-Produkten wie Versicherungen
und andere Finanzdienstleistungen. MasterCard hat sich zum Ziel gesetzt, mit seinen
Produkten und Marken für den Verbraucher begehrlich und involvierend zu sein. Hier-
für baut MasterCard seine Social-Media-Aktivitäten behutsam und in mehreren Phasen
aus. Es gilt, dem Verbraucher eine thematische Relevanz und der Marke eine Plattform
zu bieten, um Kundenbindung zu generieren, sich effizient zu vermarkten und die Nach-
frage nach neuen Produkten als Consumer Pull zu wecken. Dafür müssen sich die Marke
und das Unternehmen MasterCard zuerst anders als bisher aufstellen. Eine solche Stra-
tegie betrifft das ganze Unternehmen und muss über Ländergrenzen hinweg kongruent
sein. Dennoch muss der globale Markenauftritt Freiräume lassen, um regionale Beweg-
gründe für die Nutzung sozialer Netzwerke und Plattformen adressieren zu können.
Champions League beim Fußball seinen Nutzern und Kunden eine digitale Plattform
und berücksichtigt hierbei, was für Mitglieder digitaler sozialer Netzwerke von Belang
ist, um sich an Marken-Communities zu beteiligen: das Gefühl, etwas zu unterstützen,
das ihnen gefällt, und mit etwas verbunden zu sein (vgl. [6]). So kann über populäre
Sportarten eine Markenbindung an MasterCard erreicht werden. Auf der MasterCard
Fanseite erfahren die Besucher deshalb in der Knock-out-Phase der UEFA Champions
League Neuigkeiten zu Spielen und Sportlern, können an Gewinnspielen teilnehmen
und Mehrwertangebote mit für sie relevantem Inhalt nutzen.
Zugleich spricht MasterCard auf Facebook im Rahmen seiner Customer-Social-Re-
sponsibility-Aktivitäten das soziale Verantwortungsgefühl und die Empathie der Nutzer
an. Auf der Plattform „Every Moment is priceless – Let’s celebrate each of them. Stand
up to cancer.“ offeriert MasterCard den Mitgliedern die Möglichkeit, sich ohne Eigen-
investition sozial zu engagieren. Dort können Nutzer Fotos von eigenen „unbezahlbaren
Momenten“ hochladen und von anderen Nutzern über den „Like“-Button bewerten las-
sen. Für jedes „Like“ spendet MasterCard einen US-Dollar an eine Krebsstiftung. Auf
diese Art und Weise kann der Verbraucher anderen durch eigenes Verhalten etwas Gu-
tes tun (vgl. [10]).
tion mit exklusiven und leicht zugänglichen Anreizen und Mehrwerten macht den Soci-
al-Media-Auftritt für die breite Masse an Mitmachern und Zaungästen interessant. Das
Ergebnis ist eine positive Resonanz und Wahrnehmung der Marke.
Die Einstellung des Verbrauchers in Sachen Finanzen wird, wie eingangs erwähnt,
stark vom vertrauten Umfeld beeinflusst. Daneben haben sich aber gerade durch die
sozialen Netzwerke und das Social Web einflussreiche Multiplikatoren entwickelt. So-
bald man diese identifiziert hat, kann die Kommunikation so gestaltet werden, dass die
Multiplikatoren aktiviert werden. Es handelt sich hierbei meist um Personen mit höhe-
rem Einkommen, die in leitender Position tätig sind, eine hohe Bereitschaft zum Geldan-
legen aufweisen und in Finanzfragen versiert sind. Es sind Meinungsführer, die nicht
nur in der Familie, sondern auch im Zusammensein mit Freunden und Kollegen über
ihre Erfahrungen berichten und zunehmend als Ratgeber gefragt sind (vgl. [7]). Sie sind
häufig in Verbraucherforen zu finden, die gerade in Deutschland eine besondere Rele-
vanz für den Verbraucher und seine Entscheidungsfindung im Kaufprozess besitzen
(vgl. [11], [12]). Für den Finanzsektor und den Dienstleistungsbereich sind Foren ein
zentraler Bestandteil von Social Media. Selbst bei abstrakten Produkten, bei denen Ver-
braucher erst Basisinformationen über das Finanzinstitut und Testberichte einholen, die
Optionen mit der Familie erörtern und priorisieren, dienen Foren zur Bestätigung von
bereits recherchierten Informationen. Beinahe jeder zweite Verbraucher informiert sich
vor dem Einkauf von Produkten in Online-Foren, und gerade hochwertige Produkte
werden erst nach vorheriger Recherche auf Bewertungsportalen gekauft (vgl. [13]).
Die Markenführung von MasterCard® im Zeitalter der digitalen Evolution 217
MasterCard befindet sich, was Social Media angeht, noch in der Anfangsphase. Für Mas-
terCard sind aber auch nicht alle Social-Media-Kanäle gleichermaßen sinnvoll – es
kommt vielmehr auf einen ausgeklügelten und effektiven Medien-Mix an. Digitale sozia-
le Netzwerke und Social Media bieten die Chance, in kürzester Zeit Marken und Pro-
dukte nachhaltig bekannt zu machen und im Gedächtnis der Verbraucher zu verankern.
Wichtiger Bestandteil einer Social-Media-Strategie ist das Erkennen der Verbraucher-
bedürfnisse und der Voraussetzungen für die kreative Beteiligung der Verbraucher.
Daher ist es ratsam, einige Testmechanismen der Zielgruppen im Social Web einzuset-
zen, bevor die erarbeitete Social-Media-Strategie vollständig umgesetzt wird.
MasterCard spricht in seinen Kampagnen Kernbedürfnisse der Verbraucher nach
Vereinfachung und Handlungsfähigkeit an. Im Marketing geht es darum zu zeigen, dass
MasterCard den Verbrauchern das Leben etwas einfacher macht und sie dank Master-
Card ihre Ideen schneller und unkomplizierter verwirklichen können. Dabei wird immer
verdeutlicht, dass der Verbraucher nicht zu verschwenderischem Konsum verleitet wer-
den soll oder dazu, über seine Verhältnisse zu leben.
In den aktuellen Kampagnen verbindet MasterCard die virtuelle mit der realen Welt.
Kern der Kampagnen ist jeweils ein Dankeschön an den Karteninhaber für seine Loyali-
tät und tägliche Entscheidung, die MasterCard Karte als Zahlungsmittel zu nutzen. Mit
einem Dankeschön reagiert man auf das Verbraucherverhalten, stellt den Verbraucher
auf Augenhöhe mit der Marke und gibt ihm ein positives Feedback auf sein Verhalten.
Für die Auswahl des richtigen Dankeschöns, das die erforderliche Relevanz und Attrak-
tivität für den Verbraucher sowie eine für die Marke adäquate Wertigkeit aufweist, wird
analysiert, welche Interessengebiete die größten Begehrlichkeiten wecken. Ein dominan-
ter Bereich aus dem Unterhaltungssektor sind Videos und Filme. Die Verbraucher
schauen am liebsten Filme, die sie entweder direkt aus dem Netz herunterladen oder
online bestellen. Auch die Zugriffe auf YouTube belegen das intensive Interesse an der
Online-Videonutzung. YouTube dominiert bei allen relevanten Kennzahlen wie Besu-
cherzahlen, Nettoreichweite und Verweildauer, wenn es um witzige, humorvolle Video-
218 Dagmar Nedbal
clips, Musikvideos, Filmtrailer und Nachrichten geht (vgl. [6]). In einer der jüngsten
Kampagnen von MasterCard erhielt der MasterCard Karteninhaber deshalb jedes Mal,
wenn er mit der MasterCard Karte online bezahlt hatte, ein Dankeschön in Gestalt eines
Videofilms, den er mit Freunden oder mit der Familie selbst anschauen oder sogar an
Freunde weiterverschenken konnte und so ein emotionales Erlebnis hatte. Die große
Filmauswahl bei dem Kooperationspartner Videobuster stellte dabei sicher, dass jeder
Karteninhaber einen Film von persönlicher Relevanz auswählen konnte.
Diese Aktion wurde durch eine neue TV-Kampagne bekannt gemacht, die die Vortei-
le und Annehmlichkeiten des Zusammenspiels von virtueller und realer Welt plakativ
visualisierte. Anzeigenwerbung, klassisches Online-Marketing und eine hochwertige
Landing Page rundeten die Kommunikation ab.
Integrierte Social-Media-Komponenten wie Verbraucherforen, Newsletter-Marketing
und Empfehlungsfunktionen ergänzen die der klassischen Kommunikation. Hier geht es
darum, digital Interesse beim Verbraucher zu wecken und emotional im realen Leben zu
überzeugen.
Die gängigen digitalen Bannerformate setzte MasterCard ebenfalls ein, auch wenn ih-
re Wirkung zunehmend umstritten ist. Einerseits drohen Banner ihre Wirkung durch
eine zunehmende Abstumpfung der Verbraucher gegenüber Bannerwerbung etwas zu
verlieren, andererseits scheinen sie eine andere, sogar bessere Performance aufzuweisen,
als dies anhand rein klickbasierter Modelle zu erfassen ist. Da viele Internetnutzer die
eingeblendete Werbung nur sehen, aber nicht anklicken, kann ein Großteil der Wirkung
nicht beurteilt werden.
Die Idee, die virtuelle Welt als Gestaltungshilfe zu nutzen, um etwas für sich Relevan-
tes verwirklichen zu können, zog sich durch die gesamte Kampagne. Der Dankeschön-
Charakter wurde auch gleich bei Kampagnenstart von den Konsumenten aufgegriffen:
Das Thema wurde umgehend positiv in den Foren diskutiert. Einzelheiten der Kampag-
ne und die Rahmenbedingungen wurden dort von den Nutzern im Detail erläutert. Für
den Erfolg ist es ausschlaggebend, ob sich Meinungsführer mit der Kampagne anfreun-
den können und sich quasi als Botschafter der Kampagne selbst einbringen. Das scheint
hier gelungen zu sein.
Die Mundpropaganda sprang umgehend beim Kampagnenstart an, verbreitete sich
wie ein Lauffeuer durch die Verbraucherforen und übernahm eigenständig den eduka-
tiven Teil der Aktion: die Erläuterung der Teilnahmemechanik sowie Informationen
dazu, wie der Karteninhaber sein Dankeschön anfordern kann. Die interaktiv auftreten-
den Nutzer lenkten somit eine große Aufmerksamkeit auf die Kampagne und stellten die
Maßnahme in einen positiven Kontext: „MasterCard hat gerade eine sehr coole Aktion
gestartet“ [14], enthielten die Postings in den Foren. Die Stärke und Geschwindigkeit der
Word-of-Mouth-Propaganda hat zum Erfolg der Kampagne und zu einer Beschleuni-
gung der Kommunikation mit wesentlich größerer Reichweite beigetragen als bei Bu-
chung rein klassischer Medien (vgl. [15], S. 95). Ab einem gewissen Punkt diskutierten
die Forumsteilnehmer jedoch die Frage, inwiefern man den Registrierungsmechanismus
aushebeln und die Aktion missbrauchen könnte. Dies ist bekannterweise der Zeitpunkt,
Die Markenführung von MasterCard® im Zeitalter der digitalen Evolution 219
1
AIDA = Awareness – Interest – Desire – Action, klassisches Media-Steuerungsinstrument.
220 Dagmar Nedbal
Abb. 4 Markenkampagne Friend – Verknüpfung virtueller und realer Welt (Quelle: MasterCard)
MasterCard entschied sich bei diesen Maßnahmen bewusst für ein behutsames Vor-
gehen und nicht für die geballte Social-Media-Präsenz. Es darf nicht vergessen werden,
dass Verbraucher die für sie unwichtigen Maßnahmen sehr leicht auch mit einem Klick
vom Bildschirm verbannen und ins digitale Nirwana befördern (vgl. [16]). So war es
möglich, aus dem Zusammenspiel der Maßnahmen zu lernen und durch leichtes Gegen-
steuern in der Media-Planung und den Aktionen mit den Kooperationspartnern die
Wirksamkeit der Maßnahmen zu steigern. Entscheidend für den Erfolg der Kampagnen
war für MasterCard, dass die Zielgruppe der Marke den Anspruch zugesteht, ein attrak-
tives Unterhaltungspotenzial zu besitzen. Auch geht es darum, die Relevanz der Ange-
bote im Bereich E-Commerce zu erforschen und die Korrelation auf den Karteneinsatz
neben den qualitativen Marken- und Imagefaktoren zu erkunden. Der Einsatz eines
garantierten Gratisangebots trifft dabei den Nerv der Zeit, wenn man den hohen Bedarf
an Mehrwert- und Zusatzangeboten betrachtet, ganz abgesehen vom Charme einer net-
ten Geste.
MasterCard legte durch die Kampagne bei der Beurteilung der Markenattribute zu
und erzielte ein zweistelliges Wachstum bei der Kartennutzung (vgl. [17], [18]). Dies ist
vor allem unternehmensintern ein schlagkräftiges Argument für die Fortsetzung von
Kampagnen mit verstärktem Social-Media-Einsatz. Es steht außer Frage, dass Social
Media den traditionellen Marketing-Mix auf bemerkenswerte Weise ergänzt.
MasterCard beabsichtigt, seinen Kunden auf diese Art zuzuhören, Flexibilität und Be-
reitschaft zu zeigen, sein Angebot an deren Wünschen auszurichten, um ein dauerhaft
gutes Verhältnis zur eigenen Zielgruppe aufzubauen (vgl. [19]).
Die Markenführung von MasterCard® im Zeitalter der digitalen Evolution 221
Elementar für die zukünftige Markenkommunikation von MasterCard ist, sich grund-
sätzlich vom reinen, klassischen Consumer Push zu verabschieden und sich einer Social-
Branding-Konzeption zuzuwenden. Dies ermöglicht, Kundenbedürfnisse zu analysieren
und Lösungen zu entwickeln, die sich qualitativ besser und schneller kapitalisieren als
die des Wettbewerbs. So kann die Unique Selling Proposition von MasterCard über
emotional aufgeladenen Inhalt gestärkt werden. Die Kommunikation verändert sich
hierbei in Richtung einer Markenkommunikation, die Transparenz, Interaktion und
Animation sowie ein gewisses Maß an Unvorhersehbarkeit erlaubt.
MasterCard beabsichtigt, das Niveau der kritischen Masse an aktiven Nutzern sicher-
zustellen, sich hierbei aber auf Klasse statt Masse zu konzentrieren. Es gilt, das Bedürfnis
nach aktiver Beteiligung der Social-Web-Nutzer realistisch einzuschätzen (vgl. [6]). Dies
hat Auswirkungen auf die Definition und Interpretation von Erfolgsfaktoren und KPIs2
wie die Anzahl aktiver und registrierter Nutzer sowie die Korrelation zwischen passiver
Wahrnehmung und dem Return on Investment (ROI) der Kampagne. Je nachhaltiger
eine Kampagne auf das Markenimage und die Kundenloyalität wirken soll, desto schwie-
riger wird eine ROI-Betrachtung im Vier-Parteien-Modell. Allerdings ermöglicht das
Geschäftsmodell auch die Zusammenarbeit mit Partnern, die in Bezug auf Positionie-
rung und Kommunikation komplementär zu MasterCard sind. Als Beispiel sei hier aus
der Systemgastronomie Vapiano zu nennen, das MasterCard für eine Aktion in seine
Fanpage auf Facebook und in den eigenen Kundenclub „Vapiano People“ eingebunden
hat (vgl. [20]).
Eine andere Herausforderung, der sich MasterCard stellt, ist die Schaffung von Bran-
ding-Infrastrukturen und somit die Verankerung der neuen Kommunikationsmodelle
innerhalb der Organisation. Dies betrifft nicht nur das Marketing oder die PR-
Abteilungen, in denen zunehmend Teams mit speziellen Community-Managern etab-
liert werden müssen, sondern jeden Mitarbeiter, der als Markenbotschafter in der digita-
len Welt bewusst oder unbewusst agiert. Die organisatorische Einbettung von Social
Media verlangt nach Verhaltensregeln und -prozessen sowie nach in der Praxis gelebter
neuer Kommunikation jenseits von Bürokratie, rechtlich hundertprozentig abgesicher-
ten Statements und behäbigen Reaktionen auf Verbraucheranregungen und -anfragen.
Bis jetzt hat die Finanzbranche wahrscheinlich noch nicht allzu viel verpasst und
kann sich den Luxus leisten, Elemente von Social Media für die eigene Marke selektiv zu
beleuchten und zu testen – zumal die etwas wohlhabendere Zielgruppe für Finanzdienst-
leistungen im Feld der aktiven Netzwerknutzer noch unterrepräsentiert zu sein scheint.
Die ersten Kennzeichen einer weiteren Dynamisierung von Social Media sind jedoch
bereits erkennbar. Durch die zunehmende Verbreitung von Smartphones wird Social
2
KPI = Key Performance Indicator, Erfolgskennzahl und -messgröße.
222 Dagmar Nedbal
Media mittels der Nutzung und Integration von Location-based Services (LBS) revoluti-
oniert. Bei LBS verwenden Smartphone-Apps die Positionsdaten des Nutzers, der selbst
festlegt, wann er geortet werden kann beziehungsweise möchte. So erhält der Nutzer
direkt am Point of Sale Informationen auf sein Smartphone. Werden diese Services zu-
dem mit Behavorial Targeting verknüpft, erhält der Nutzer Zugriff auf für ihn relevante
Inhalte und Angebote. In Deutschland gibt es bereits 18 Mio. Smartphone-Nutzer, von
denen schon 70 % LBS als Einkaufshilfe verwenden (vgl. [21], [22]). Für MasterCard
eröffnet sich dadurch die Gelegenheit, dem Verbraucher durch entsprechende Leis-
tungsangebote bei der Orientierung zu helfen und sich als Wegbereiter zu positionieren.
Dadurch kann MasterCard den Verbraucher bei seiner Suche nach dem besten Produkt
zum besten Preis unterstützen.
Daneben bietet MasterCard seinen Kunden mit dem „Budget Pilot“ eine eigene App,
mit der sie ihre Ausgaben kontrollieren und vermeiden können, dass der Blick auf die
Ausgaben eventuell zu unangenehmen Überraschungen führt. Der Budget Pilot kann
vom Nutzer eigenständig kategorisiert und aktualisiert werden.
Für MasterCard und Markenartikler ergeben sich spannende Chancen in der Kon-
sumenteninteraktion und Markenkommunikation. Mit einer zielgruppengerechten
Kommunikation erfährt das Marketing eine neue Schlagkraft in einer Welt, in der Wer-
bung beim Verbraucher zunehmend willkommen ist.
Literaturverzeichnis
15 Kimmel, Allan J. (2010): Connecting with consumers – marketing for new marketplace realities,
S. 95ff.
16 Engeser, M. (2011): Gier nach Wirklichkeit, in: Wirtschaftswoche 32/2011, S. 75.
17 MasterCard (2011): Umsatzstatistik.
18 IPSOS MORI (2011): Global Consumer Tracking (MasterCard Tracking Studie 2011), UK.
19 Pansch, C. (2011): Mehr Fans für Brands dank Social Media Marketing, in: eCommerceMagazin,
3/2011, S. 12–13.
20 Vapiano (2011): Unbezahlbar – Ein Premierenabend in Hamburg, URL:
http://www.facebook.com/Vapiano; http://www.vapiano-people.com/News/, abgerufen am:
13.7.2011.
21 ComScore (2011): MobiLens Daten, Stand: Juli 2011 (Basis: Bevölkerung ab 13 Jahren).
22 Universal McCann (2011): Places into Spaces, Studie.
Der Wettbewerb um Verbindlichkeit oder:
Kann Facebook Bier verkaufen?
15
Thorsten Terlohr, Ben Künkler
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung.................................................................................................................................... 226
2 Ziele der Kampagne................................................................................................................... 226
3 Strategie....................................................................................................................................... 227
4 Flow.............................................................................................................................................. 228
5 Umsetzung.................................................................................................................................. 230
5.1 Flirt ............................................................................................................................... 230
5.2 Small Talk .................................................................................................................... 230
5.3 Date............................................................................................................................... 232
5.4 Beziehung .................................................................................................................... 233
5.5 Community ................................................................................................................. 234
6 Ausblick....................................................................................................................................... 234
7 Fazit.............................................................................................................................................. 235
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 236
_______________________
Thorsten Terlohr ()
Warsteiner Brauerei, Domring 4–10, 59581 Warstein, Deutschland
e-mail: tterlohr@warsteiner.com
Ben Künkler ()
Saint Elmo’s, Gormannstraße 22, 10119 Berlin, Deutschland
e-mail: B.Kuenkler@saint-elmos.com
„Unternehmen müssen noch stärker lernen, dass Marken zunehmend interaktiv geführt werden.
Brands müssen in den Dialog treten und möglichst transparent, authentisch und stringent auf unter-
schiedlichsten Ebenen kommunizieren. Dann haben sie das Potenzial, sich zur einer ‚Social Brand‘ mit
‚echten Fans‘ zu entwickeln.“ Thorsten Terlohr
„Wenn sich Menschen in sozialen Netzwerken bewegen, sind sie dort in erster Linie aus privatem Inte-
resse. Der erfolgreiche Zugang zu dieser Zielgruppe ist für kommerzielle Marken also nur dann möglich,
wenn sie sich nachhaltig und loyal gegenüber diesen Menschen verhalten.“ Ben Künkler
1 Einleitung
Abb. 1 Anzahl der Fans der WARSTEINER-Seite von Juli 2010 bis August 2011 (Quelle: Auszug
aus der Facebook-Statistik)
gewinnung von Kunden und somit für den Aufbau einer loyalen Marken-Community
besonders geeignet. Die so entstehende Verbindlichkeit kann dann aber mittelbar zu
einer Steigerung des Absatzes führen.
3 Strategie
Die Entwicklung der Beziehung zwischen Marke und Konsument folgt einem ähnlichen
Muster wie die Entwicklung von Beziehungen zwischen Menschen. Im einen wie im
anderen Fall treffen Menschen fortwährend eine Auswahl aus einer praktisch unbe-
grenzten Menge von Beziehungsmöglichkeiten und entwickeln sie zu echten Beziehun-
gen weiter. Dabei nimmt der Grad der Verbindlichkeit mit der Anzahl der Beziehungen
ab – schon aus zeitökonomischen Gründen kann jeder Mensch nur eine kleine Menge
wirklich enger Beziehungen unterhalten.
Es gibt also eine Art Kontinuum der Verbindlichkeit, das sich in fünf Phasen untertei-
len lässt:
Flirt, Small Talk, Date, Beziehung und Community.
Beim Flirt geht es darum, zunächst einmal auf einen möglichen Beziehungspartner
aufmerksam zu werden bzw. ihn auf sich aufmerksam zu machen. Beim Small Talk
„kommt man ins Gespräch“, noch ganz unverbindlich. Ein Date ist eine unverbindliche
gemeinsame Aktivität, eine Verabredung. Eine echte Beziehung dagegen ist mit verbind-
lichen Erwartungen verknüpft. Eine Community schließlich entsteht dann, wenn diese
Verbindlichkeit über die Zweierbeziehung hinaus ausgeweitet wird, wenn Menschen
zum Beispiel einen gemeinsamen Freundeskreis aufbauen oder eine Familie gründen.
Der Übergang von einer Phase zur nächsten erfolgt jeweils dann, wenn beide Bezie-
hungspartner so zufrieden mit ihren bisherigen Erfahrungen miteinander sind, dass sie
228 Thorsten Terlohr, Ben Künkler
die Aussicht auf eine verbindlichere Beziehung mit positiven Erwartungen verknüpfen.
Diese Weiterentwicklung tritt aber nur in einigen Fällen auf. In den meisten Fällen
bleibt die Beziehung über einen längeren Zeitraum auf einem bestimmten Niveau stabil
oder verliert wieder an Verbindlichkeit. Für die Social-Media-Strategie bedeutet das,
dass für alle Phasen der Beziehung jeweils angemessene Angebote zur Beteiligung ge-
macht werden sollten, die jeweils zur Markenidentität passen und dadurch authentisch
wirken.
4 Flow
Abb. 2 Facebook-App „Die Suche nach dem einzig wahren Verein“ (oberer Teil) (Quelle: eigene
Darstellung)
„Suche nach der einzig wahren Urlaubsinsel“ wurde eine Gewinnerin ausgelost – und
zwar Beata. Sie bekam Flugtickets im Wert von 4.000 € und hatte so die Möglichkeit, ihre
Familie zu ihrer Hochzeit auf die brasilianische Insel einzuladen. Sie war gerne bereit,
ihre Freude über diesen Preis mit den anderen Marken-Fans zu teilen, so dass ihr Foto
und ihre Geschichte in dem Blog, das die Kampagne begleitet (www.daseinzigwahre.de),
veröffentlicht werden konnten. Beata wurde so zum Marken-Botschafter, zum Fan, der
auch andere involviert. Sie hat sich im Jahr nach ihrem Gewinn immer wieder mit posi-
tiven Kommentaren auf der Pinnwand der Facebook-Seite zu Wort gemeldet und sich
außerdem an allen weiteren Aktionen beteiligt.
Das Resultat von Beatas Interaktion mit der Marke WARSTEINER ist zwar ein Son-
derfall. Aber mit dem Ende der Abstimmung sind auch die anderen Teilnehmer eine
Beziehung zu der Marke eingegangen, die über das rein Spielerische ein Stück weit hi-
nausgeht. Denn mit der Verleihung des Titels der „einzig wahren Urlaubsinsel“ haben
die Teilnehmer gemeinsam eine verbindliche Realität geschaffen – das zeigt sich zum
Beispiel daran, dass Juist, die Gewinner-Insel, in ihren Medien auf die Warsteiner-Kam-
pagne aufmerksam machte und ihren Sieg so für ihr Marketing nutzen konnte. Vom
ersten „Flirt“ bis zur echten „Beziehung“ konnte die Kampagne den Teilnehmern also in
allen Phasen Angebote machen, die sie als positiv empfanden und die entsprechend auch
positive Auswirkungen auf ihre Beziehung zur Marke WARSTEINER hatten.
230 Thorsten Terlohr, Ben Künkler
5 Umsetzung
5.1 Flirt
Der zweite Erfolgsfaktor für den Aufbau einer engen Beziehung zwischen Marke und
Konsument ist eine klare Markenidentität und eine entsprechend prägnante Kommuni-
kation. In der „Flirt“-Phase ist die Prägnanz von ganz besonderer Bedeutung, weil die
Konsumenten die Marke sonst gar nicht erst als Beziehungspartner wahrnehmen. Be-
sonders deutlich zeigte sich das bei den Facebook-Ads, die für die Kampagne geschaltet
wurden: Bei einigen Motiven lagen die Klickraten unter 0,01 %, bei anderen über 0,1 %.
Ein dritter Erfolgsfaktor ist die Vorbildfunktion der Marke. Die Bedeutung dieses Faktors
zeigt sich vor allem beim „Small Talk“, bei der Interaktion von Marke und Konsument
auf der Pinnwand. Ein Beispiel dafür ist die Verwendung von „Du“ und „Sie“ – wenn die
Marke die Konsumenten duzt, wird das Duzen auf der Pinnwand zum Standard. Aber
auch die Konzeption der Angebote wirkt sich auf den Umgangston aus. Gewinnspiele
etwa, die bei niedrigem Anspruch hohen Konkurrenzdruck erzeugen („Wer die meisten
Freunde zum Mitmachen einlädt, gewinnt!“), provozieren Interaktionen auf einem einfa-
chen Niveau und mitunter recht resolute Diskussionen über die Verteilung der Gewinne.
Umgekehrt kann die Mechanik von Gewinnspielen aber auch erwünschtes Verhalten
fördern. Bei der „Suche nach dem einzig Wahren“ zum Beispiel wurde jeder ernst ge-
Der Wettbewerb um Verbindlichkeit oder: Kann Facebook Bier verkaufen? 231
Abb. 3 Das Musical „Tanz der Vampire“ in Stuttgart wurde von den WARSTEINER-Fans zur
„einzig wahren Show“ gewählt. Das Bild zeigt die Hauptfigur, Graf von Krolock, mit der Urkunde
(Quelle: Stage Entertainment)
meinte Vorschlag der Teilnehmer aufgenommen und von einer Redaktion recherchiert.
Auf diese Weise entstanden pro Suchaktion mehrere hundert Steckbriefe von Museen,
Nationalparks, Skigebieten etc., die von den Nutzern durchstöbert werden konnten. Für
alle, die ein tieferes Interesse an dem jeweiligen Thema hatten, wurden im Blog pro Mo-
nat zwei Beiträge veröffentlicht, in denen prominente Journalisten ihre Sicht auf das
jeweilige Thema darstellten.
Darüber hinaus wurde bei einem Großteil der Suchaktionen ein „Community-Preis“ in
Höhe von einem Euro pro abgegebene Stimme ausgeschrieben. Dieser Preis kam einem
gemeinnützigen Projekt zu Gute, das von dem Gewinner der Abstimmung vorgeschlagen
werden konnte – bei der „Suche nach der einzig wahren Arena“ zum Beispiel kamen auf
diese Weise 1.557 € zusammen, die entsprechend dem Vorschlag der Kölner LANXESS
arena an die DKMS Deutsche Knochenmarkspenderdatei GmbH gespendet wurden.
Und auch die Gewinner selbst honorierten das Engagement ihrer Unterstützer, indem
sie jeweils ein Foto mit der WARSTEINER-Urkunde zur Verfügung stellten, das bei
Flickr veröffentlicht wurde (vgl. Abb. 3). Diese hohe Wertschätzung der Beteiligung an
der Kampagne wurde von den Teilnehmern erwidert: Auf Tausende von positiven, oft
sehr sorgsam formulierten Kommentaren zu den Kandidaten der „Suche“ kamen nur
einige wenige unpassende Äußerungen – die Kampagne ist damit auch ein Beispiel für
gelungenes Crowdsourcing.
232 Thorsten Terlohr, Ben Künkler
Die Wertschätzung der User spielt auch bei dem vierten Erfolgsfaktor eine Rolle, der
Dialogbereitschaft. Auf der Pinnwand der WARSTEINER-Seite bei Facebook wurden die
Fragen und Kommentare der Nutzer unter anderem von zwei leitenden Mitarbeitern der
Warsteiner Brauerei beantwortet. Bei diesen Antworten wurde großer Wert darauf ge-
legt, sehr zeitnah und persönlich auf die Fans einzugehen. Sie sind dementsprechend
nicht wie offizielle Stellungnahmen des Unternehmens formuliert, sondern eher wie
private Facebook-Kommentare.
Neben der Kampagnenmechanik und dem Interaktionsverhalten der Redakteure
bestimmen aber auch die Inhalte, die auf der Pinnwand gepostet werden, den Dialog. Wie
bei normalem Small Talk erzeugen für alle Nutzer relevante Äußerungen, etwa über das
fehlende Sommerwetter, relevante Tagesereignisse oder das aktuelle Sport-Geschehen,
das höchste Maß an Interaktion. Eine Beschränkung auf solche Inhalte ist allerdings nicht
sinnvoll, da sie auf Dauer oberflächlich wirken und so die Markenidentität verwischen.
Entscheidend ist deshalb eine ausgewogene Mischung von unverbindlichen und marken-
relevanten Posts, um somit auch auf die Heterogenität der Nutzer einzugehen und den
Markenauftritt bzw. die Themenauswahl nicht eindimensional werden zu lassen.
Dieses Gleichgewicht zwischen persönlich und offiziell, zwischen allgemein und spe-
zifisch ist mitunter recht fragil. Der fünfte Erfolgsfaktor ist deshalb die Führungsstärke
der Redaktion, die dafür sorgen muss, dass der Dialog im Sinne der Marke verläuft. Dazu
gehört nicht nur, eine Netiquette zu formulieren und sie als Vorbild zu leben, sondern
auch, den Gesprächsverlauf aktiv zu steuern. Das Social Web ist innerhalb des Marke-
tings eines der schnellsten und direktesten Rückkanäle für die Kommunikation mit den
Konsumenten. Es ist daher essentiell, zuzuhören und durch das unmittelbar erhaltene
Feedback der Nutzer zu „lernen“. Die Marke darf sich allerdings nicht nur an den Erwar-
tungen der Nutzer orientieren, sondern muss auch selbst aktiv führen.
5.3 Date
Menschen lassen sich auf ein Date ein, wenn sie sich etwas erhoffen und unverbindlich
ausprobieren möchten, ob sich diese Hoffnung erfüllt. Eine einfache Art, eine solche
Hoffnung im Bereich der Markenkommunikation zu wecken, sind Gewinnspiele. Einige
Monate nach dem Start der „Suche nach dem einzig Wahren“, die den Nutzern ein ver-
gleichsweise hohes Involvement abverlangt, wurde die Facebook-Seite deshalb um eine
Gewinnspiel-App ergänzt. Mit dieser App sollten zum einen die bereits vorhandenen
Fans zu einem weiteren „Date“ mit der Marke animiert werden, zum anderen sollte sie
neuen Nutzern einen unverbindlichen und weniger aufwändigen Zugang zur Marken-
welt eröffnen.
Bei „WARSTEINER Bier gewinnt!“ können die Teilnehmer mit einem Klick ein vir-
tuelles Glas WARSTEINER leeren und sich so gewissermaßen ein Los für eine Verlosung
sichern. Um eine möglichst hohe Beteiligung zu erzielen, können die Nutzer außerdem
Der Wettbewerb um Verbindlichkeit oder: Kann Facebook Bier verkaufen? 233
Abb. 4 Facebook-App „WARSTEINER Bier gewinnt!“ (oberer Teil) (Quelle: eigene Darstellung)
ihre Facebook-Freunde zum Mitmachen einladen. Als Belohnung dafür können sie zu-
sätzliche Tulpen leeren und sich so weitere „Lose“ sichern (vgl. Abb. 4).
Diese Mechanik nutzen die Teilnehmer, wenn der Gewinn entsprechend attraktiv ist.
Damit zeigt sich auch an dieser Stelle die Bedeutung des sechsten Erfolgsfaktors, der
Relevanz. Bei „WARSTEINER Bier gewinnt!“ wurden zum Beispiel mit großem Erfolg
Tickets für das Melt!-Festival verlost, das von der Warsteiner Brauerei gesponsert wird,
oder auch Plätze im WARSTEINER Village bei Rock am Ring, einem „Dorf“ aus beson-
ders komfortablen Unterkünften. Auf diese Weise konnte die Marke vielen Festival-
Fans deutlich machen, dass sie einen Bezug zu ihrer Lebenswirklichkeit hat.
5.4 Beziehung
Der siebte Erfolgsfaktor ist die Wiederholung, oder, etwas differenzierter ausgedrückt, die
Balance zwischen Neuem und Vertrautem. Eine Beziehung zu einer Marke können die
Konsumenten nur aufbauen, wenn sie die Marke wiedererkennen können, wenn die
Marke charakteristische Merkmale hat, die bei jeder Begegnung gleich bleiben. Um nicht
langweilig zu werden, muss sie aber auch immer wieder neu erscheinen. Diese Balance
ist besonders in der Informationsflut, die in den Social Media geboten wird, nicht ein-
fach herzustellen, weil Kontinuität ebenso unterzugehen droht wie Neuigkeit.
234 Thorsten Terlohr, Ben Künkler
Für die Facebook-Seite von WARSTEINER wurde deshalb eine klare Kampagnen-
struktur eingeführt. Im monatlichen Rhythmus fand zunächst in der „Suche nach dem
einzig Wahren“-App eine dreiwöchige Abstimmung statt, danach folgte eine einwöchige
Gewinnspiel-Phase in der „Bier gewinnt!“-App. Dieser Rhythmus wurde zwar immer
wieder durch Sonderaktionen unterbrochen – regelmäßige Nutzer wussten aber trotz-
dem sehr genau, was sie auf der Seite erwartet. Die Neuerung wurde dadurch gewährleis-
tet, dass bei der „Suche nach dem einzig Wahren“ die Themen und bei den Gewinnspie-
len die Preise wechselten.
5.5 Community
Der achte Erfolgsfaktor beim Aufbau einer Community im Social Web besteht darin, die
Möglichkeiten der Social Media zu nutzen und auf bestehende soziale Strukturen aufzu-
setzen – denn erfahrungsgemäß werden die meisten neuen Mitglieder einer Gemein-
schaft durch Freunde und Bekannte hinzugewonnen.
Ein Beispiel für die Nutzung dieser Möglichkeiten ist die Einbeziehung von Multipli-
katoren, also von Menschen, die sehr viele andere Menschen auf die Kampagne auf-
merksam machen. Diese Multiplikatoren wurden bei der „Suche nach dem einzig Wah-
ren“ gezielt angesprochen und zu einem Wettbewerb herausgefordert. Bei der
Abstimmung ging es also ausdrücklich nicht um ein repräsentatives Meinungsbild –
stattdessen sollte herausgefunden werden, welcher Kandidat die engagiertesten Unter-
stützer hat. So lieferten sich bei der „Suche nach dem einzig wahren Verein“ ein Cheerle-
ader-Verein und ein Football-Club einen spannenden Kampf um den ersten Platz, bei
dem sich die Cheerleader knapp durchsetzten. Durch das Engagement der Multiplikato-
ren stimmten allein für diese beiden Kandidaten 2.744 Nutzer, von denen entsprechend
viele zu WARSTEINER-Fans wurden (vgl. Abb. 2).
Dieses Beispiel veranschaulicht auch den neunten Erfolgsfaktor: Um eine hohe Reich-
weite zu erzielen, sollte eine Kampagne nicht nur Angebote mit unterschiedlichen Gra-
den an Verbindlichkeit machen, sondern auch mit unterschiedlichen Niveaus an Auf-
wand. Die Multiplikatoren beispielsweise, die teilweise mehrere Tage damit verbracht
haben, ihre Unterstützer für die „Suche nach dem einzig Wahren“ zu motivieren, hatten
nicht zwingend eine besonders enge Beziehung zur Marke WARSTEINER. Umgekehrt
gibt es sicher auch Konsumenten, die sich der Marke sehr verbunden fühlen, sich bei
Facebook aber allenfalls mit einem Klick beteiligen möchten.
6 Ausblick
Der zehnte Erfolgsfaktor ist eine der größten Herausforderungen – die crossmediale Ver-
netzung. Die Social-Media-Kampagne von WARSTEINER sollte eigentlich die User von
Der Wettbewerb um Verbindlichkeit oder: Kann Facebook Bier verkaufen? 235
YouTube zu Facebook und von dort zum Blog und zu Flickr leiten. Jeder Kanal sollte
also einen eigenen Beitrag zur gesamten Kampagne leisten. In der Praxis hat sich jedoch
schnell herausgestellt, dass die User sich eher schwertun, die Plattform zu verlassen, die
sie gerade nutzen – Facebook stand hinsichtlich der Beteiligung immer klar im Mittel-
punkt der Kampagne. Im Bereich der Crossmedialität gibt es für die WARSTEINER-
Kampagne also noch Entwicklungspotenzial. Dabei ist vor allem die Verknüpfung von
Offline und Online relevant. Bei Facebook kann man schließlich kein Bier zusammen
trinken, aber sich dennoch zu einem gemeinsamen Bier verabreden. In diesem Bereich
wird WARSTEINER in 2012 weitere innovative Ansätze testen.
7 Fazit
Die Planung der Social-Media-Kampagne von WARSTEINER begann mit der Frage, wie
sich der „Premium-Anspruch“ der Marke, der sich in klassischen Medien durch eine
künstlerische Inszenierung der Flüssigkeit ausdrückt, auf ein extrem involvierendes Me-
dium wie Facebook übertragen lässt. Bei der Strategieentwicklung zeigte sich, dass sich
ein Aspekt dieses Premium-Anspruchs geradezu perfekt für das Social Web eignete: Der
Führungsanspruch.
Bei der „Suche nach dem einzig Wahren“ belohnte die Marke in verschiedenen Berei-
chen jeweils die Community, die sich mehr als alle anderen für ihr Anliegen engagierte
und schlussendlich die Rangliste anführte. Dadurch füllte sie einerseits den Claim „Das
einzig Wahre“ mit Inhalt – zum anderen machte sie aber auch die „Anführer“ der füh-
renden Communities zu Markenbotschaftern, die ihren Unterstützern nahelegten, Fan
von WARSTEINER zu werden. Dadurch übernimmt die Marke auch im „Wettbewerb
um Verbindlichkeit“ eine Führungsrolle.
Bei der Umsetzung der Kampagne war eine Reihe von Erfolgsfaktoren ausschlagge-
bend, die sich auch auf die Kampagnen anderer Marken übertragen lassen: die Organisa-
tion des Social-Media-Teams, die Prägnanz und die Relevanz der Kampagne, die Vor-
bildfunktion der Marke, die Dialogbereitschaft, die Führungsstärke der Redaktion, die
Balance zwischen Kontinuität und Neuigkeit, die Nutzung bestehender sozialer Struktu-
ren, das Angebot der Marke an die Fans, sich mit wenig oder mit viel Aufwand an der
Kampagne zu beteiligen, sowie die Verknüpfung von Online- und Offline-Maßnahmen.
Gemeinsam ist allen diesen Erfolgsfaktoren, dass sie mit zwischenmenschlichen Be-
ziehungen zu tun haben und sich auch sinnvoll in menschliche Beziehungsmuster ein-
ordnen lassen. Insbesondere die Entstehung von Beziehungen zwischen Marken und
Konsumenten weist große Ähnlichkeiten mit der Entstehung von Beziehungen von
Mensch zu Mensch auf – wie Menschen bei der Werbung um einen Partner stehen auch
Marken im Social Web in einem „Wettbewerb um Verbindlichkeit“.
Festzuhalten bleibt weiter, dass das Social Web sicherlich erst am Anfang einer Ent-
wicklung steht, deren weiterer Verlauf, so schwer er sich im Detail prognostizieren lässt,
236 Thorsten Terlohr, Ben Künkler
Literaturverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
_______________________
Dr. Christian Arnezeder ()
Harley-Davidson GmbH, Starkenburgstraße 12, 64546 Mörfelden, Deutschland
e-mail: christian.arnezeder@harley-davidson.com
„Social Branding kann nur gelingen, wenn eine klar umrissene Strategie dahintersteht und die ergriffe-
nen Maßnahmen mit geeigneten Methoden gemessen und bewertet werden.“ Dr. Christian Arnezeder
Kollege Moritz Bleibtreu kritisierte: „Soziale Netzwerke treiben uns unter dem Vorwand
der Freiheit in die Isolation. […] Wir vereinsamen in unseren Selbstinszenierungen“ [5].
Und Marc-Uwe Kling gibt in seinen „Känguru Chroniken“ und im Berliner „Radio Fritz“
zu Protokoll: „Das Tolle am Internet ist, dass endlich jeder der ganzen Welt seine Mei-
nung mitteilen kann. Das Furchtbare ist, dass auch jeder es tut“ ([11], S. 13).
jeder 130 ‚Freunde‘ (…) Jeder Zweite geht täglich auf Facebook, sechs Stunden pro Mo-
nat auf der Seite sind normal.“
Fazit: Allerorten gieren die Menschen nach dem Mitmachfaktor der sozialen Netz-
werke. Die Zahlen sprechen für sich – und für ein Unternehmens-Engagement im Be-
reich Social Media. Zumal die Nutzer der Social Networks von Unternehmen geradewegs
zu erwarten scheinen, dass sie sich am Web 2.0 aktiv beteiligen.
Vielen Unternehmen erscheint der Zeitpunkt richtig und das Phänomen fast wie einst
der Goldrausch: Sie lassen stehen und liegen, was ihnen zuvor wichtig erschien, und
machen sich auf den Weg ins gelobte Land, wo sie das Edelmetall Gerüchten zufolge
vermuten. Dieses Land ist das Web 2.0, und den größten Schürferfolg verspricht man
sich in sozialen Netzwerken wie Facebook. Also auf in das Land, in dem die Nuggets mit
bloßen Händen aus dem Fluss gefischt werden können – nicht zuletzt, weil so viele ande-
re Digger längst da sind.
Die hohe Bedeutung der Gesamtstrategie unterstreicht die Studie „Warum Social Media
Projekte scheitern und das gut so ist“ des Brand Science Institute (vgl. [2]) und sie zeigt
auf, dass 81 % der untersuchten Unternehmen keine klare Social-Media-Strategie haben,
wobei sich große Firmen noch schwerer tun als kleinere Start-ups. Nur wenige, so besagt
die Studie, verstehen den Wert der Kunden-Interaktion, nur wenige verstehen ihre Kun-
den überhaupt.
Dass das Verständnis für die Kunden über Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens
und seiner Produkte entscheidet, war uns glücklicherweise schon recht lange klar.
Schließlich pflegen wir – zum Beispiel über die Harley Owners Group H.O.G. und über
unsere zahlreichen Großveranstaltungen – einen sehr engen Draht zu den Kunden. Nä-
heres zu diesen Themen werde ich später noch erläutern. Bei unserer Strategie für Face-
book jedoch betraten wir natürlich Neuland.
Gemeinsam mit unserer Agentur machten wir uns daran, Ideen zu entwickeln. Was
könnte eine Harley-Davidson-Web-2.0-Gemeinde interessieren, wofür würde sie bren-
nen, woran könnten sich die für User spannenden Diskussionen entwickeln? Als wahre
Fundgrube entpuppte sich dabei zum Beispiel die lange Geschichte unserer Marke. Doch
schon beim Sichten und Selektieren unseres großen Fundus erwies sich, dass uns das
Web 2.0 Zeit und Arbeit abfordert. Ein Unternehmen erliegt einem gravierenden Irrtum,
wenn es annimmt, ein Engagement im Web 2.0 sei so gut wie kostenlos.
Auch ein weiterer typischer Irrweg blieb uns erspart: Aus der bereits zitierten Studie
des Brand Science Institute geht hervor, dass 91 % der untersuchten Unternehmen ihre
Budgets falsch verteilen. Um ihre Social-Media-Aktivitäten finanzieren zu können, fah-
ren sie traditionelles Marketing stark herunter. Daher war es uns wichtig, dass bei Har-
ley-Davidson beides Hand in Hand geht.
Unser Plan sah vor, zunächst auf Facebook durchzustarten und später andere Web-
2.0-Aktivitäten hinzuzunehmen. Wir begannen 2011 damit, ihn in die Tat umzusetzen.
Unsere Grundüberlegung war simpel: Wenn künftig sehr viele Menschen unsere Face-
book-Seite mögen, wird unsere Marke häufiger erwähnt, es wird eine virtuelle Commu-
nity rund um sie herum entstehen, es werden noch mehr positive Emotionen mit der
Marke verknüpft, und unsere Produkte werden infolgedessen häufiger gekauft. Schließ-
lich lebt kein Unternehmen allein von Freunden in der digitalen Welt, sondern letztlich
vom erzielten Gewinn in Euro, Dollar oder Yen.
Mit Communities kennen wir uns grundsätzlich bereits bestens aus, denn im Gegensatz
zu vielen anderen Firmen zeichnet sich unser Unternehmen seit vielen Jahrzehnten da-
Social Branding bei Harley-Davidson Deutschland 243
durch aus, dass es eine „Familie“ um sich schart – ein beträchtlicher Part unseres wirt-
schaftlichen Erfolgsrezepts! Der folgende kleine Exkurs soll Ihnen verdeutlichen, wie es
dazu kam.
Dass Harley-Davidson die wirtschaftlich stürmischen Zeiten der Fünfziger-, Sechzi-
ger- und Siebzigerjahre überlebte, ist zu großen Teilen den Bikern zu verdanken, die sich
in MCs (Motorcycle Clubs) zusammengeschlossen hatten – kurz: den Rockern. Sie hiel-
ten Harley-Davidson stets die Treue. Viele MCs entstanden nach dem Zweiten Welt-
krieg, als sich Kriegsheimkehrer nicht mehr in die aus ihrer Sicht spießige US-Gesell-
schaft eingliedern konnten. Die Bürger fuhren Autos, also fuhren sie Motorrad, und
zwar Harleys. In den folgenden Jahren erhielt die Szene regen Zulauf aus den Reihen
rebellischer Jugendlicher, die gegen die Bevormundung ihrer Eltern aufbegehrten und
sich nach einer neuen Freiheit sehnten. Zahlreiche Hollywood-Filme wie „The wild one“
mit Marlon Brando und „Easy Rider“ mit Dennis Hopper und Peter Fonda griffen das
Thema auf und trugen dazu bei, dass das Motorrad im Allgemeinen und die Harley-Da-
vidson im Besonderen zum Synonym für Freiheit, Individualität und Nonkonformismus
wurde.
Inzwischen haben sich Motorcycle Clubs mehr und mehr zur etablierten Subkultur
entwickelt. Ihre Members zählen indes ebenso selbstverständlich zu unseren Kunden wie
Politiker, Manager, Rechtsanwälte und Architekten. Eine Harley-Davidson verbindet
beide Seiten miteinander und sorgt dafür, dass auch der aufgedrehteste Manager den
coolen Rocker in sich spürt. Wie keine andere Motorradmarke repräsentiert Harley-
Davidson heutzutage ein Lebensgefühl. Dazu zählen die Musik, die Lebensfreude, das
gemeinsame Feiern und natürlich die Leidenschaft für das Motorradfahren, die die un-
terschiedlichsten Menschen allerorten unter dem Bar & Shield-Logo zusammenführt. So
fühlen sich Harley-Fahrer seit Jahrzehnten als Mitglieder einer ebenso großen wie hete-
rogenen Familie miteinander verbunden. Wer sich einmal für eine Harley-Davidson
entschied, wird auch künftig kaum eine andere Marke wählen, denn Harley-Kunden
sind die markentreuesten unter den Motorradfahrern.
Aber nicht nur Harley-Davidson-Fahrerinnen und -Fahrer begreifen sich als eine
Familie, auch die Firma Harley-Davidson selbst ist eine Art „Familienunternehmen“.
Hier stehen Menschen hinter dem Markennamen: Noch heute sind charismatische
Nachfahren der Unternehmensgründer in der Firmenspitze tätig, Menschen wie Willie
G. Davidson, der Enkel eines der Firmengründer. Noch heute – im hohen Alter – ver-
bringt er alljährlich Tausende von Meilen im Sattel. Willie G. ist überzeugt: „Unsere
enge Beziehung zu Motorradfahrern ist davon bestimmt, dass wir selbst Motorrad
fahren.“
Nicht nur die Familie Davidson, sondern das gesamte Harley-Davidson-Management
ist nur allzu gern mit von der Partie, wenn sich Harley-Enthusiasten treffen – zum Bei-
spiel auf den großen von unserer Marke organisierten Motorradevents. Bei derartigen
Begegnungen zwischen Kunden und Managern gibt es keinerlei Berührungsängste, denn
alle Harley-Manager fahren Motorrad, und sie verstehen sich ebenso als Biker wie ihre
Kundschaft. „We ride with you“, brachte es Willie G. Davidson vor Jahren auf den Punkt.
244 Christian Arnezeder
Wenn man von der weltweiten Harley-Familie spricht, darf die Harley Owners Group
(H.O.G.) nicht unerwähnt bleiben. Seit 1983 existiert dieser Motorcycle Club der etwas
anderen Art. H.O.G. ist die weltweit größte Kundenvereinigung, die von einem Motor-
radhersteller unterstützt wird. Rund um den Erdball ist die Mitgliederzahl inzwischen
siebenstellig. Ziel der Harley Owners Group ist es, den Kontakt der Harley-Davidson-
Fahrer untereinander zu fördern und eine noch direktere Tuchfühlung zwischen der
Company und den Kunden zu pflegen – ganz im Sinne der „Close to the Customer“-
Philosophie, die Harley-Davidson seit Jahrzehnten pflegt.
Social Branding bei Harley-Davidson Deutschland 245
All das bringt uns zurück zum Web 2.0. Sie werden erkannt haben, dass die Bildung
einer Community auf Facebook für uns die logische Übertragung unseres sehr realen
und klassischen Community-Gedankens in die virtuelle Welt war. Fachautorin Anja
Neumann bestätigt unseren Ansatz: „Dem Aspekt des Gefühls einer Community kommt
bei der Kundenbindung auf Facebook eine große Rolle zu. […] Der unpersönliche Cha-
rakter des Internets wird durch die Verknüpfung mit Freunden und Freundes-Freunden
aufgehoben. Diese emotionale Bindung hat Auswirkungen auf das Vertrauen der Nutzer
und deren Zufriedenheit mit dem in der Community aktiven Unternehmen“ [13].
Sobald unsere Community entstanden war, wurde ein Eingehen auf deren Fragen un-
erlässlich. Dabei gilt es, den Finger am Puls der sozialen Bedürfnisse der Nutzer und der
Technologie des Webs zu behalten, was Zuverlässigkeit und Kreativität unseres Marke-
tings und unserer Agentur erfordert – schließlich geht nur derjenige nicht in der Masse
unter, der permanent aus ihr hervorsticht. Wir lernten auch, dass derjenige, der „auf
Facebook kommunizieren möchte, den direkten Dialog zum Kunden sucht und zugleich
unternehmerische Offenheit suggeriert“, damit leben muss, „die Kontrolle über eigene
Inhalte und Themen ein Stück weit an die Community zu verlieren“ [16]. Man kann hier
mit Fug und Recht noch weitergehen als Medienwissenschaftler René Rübner: Es kann
nämlich durchaus passieren, dass man sie mehr als „ein Stück weit“ verliert.
So mussten also auch Notfallpläne, etwa zum Umgang mit Beschwerden, erstellt wer-
den (86 % der Unternehmen haben laut der Studie des Brand Science Institute keinen
Plan, wie sie mit Kritik umgehen; man denke etwa an die berühmten „Nestlé Killer“).
„Zu den wichtigsten Regeln einer starken Social-Media-Strategie auf Facebook gehört es,
die Meinung der Nutzer ernst zu nehmen und ihnen gerade dann besonders genau zu-
zuhören, wenn sie ihren Ärger äußern“ [16], bestätigt Rübner. Wir werden also den Dialog
auf Augenhöhe pflegen und nicht gekränkt und beleidigt auf angemessene Kritik reagie-
ren, sondern die Relevanz des Kommentators bewerten und bei Bedarf so zeitnah, ehr-
lich, offen und sachlich wie möglich damit umgehen. Als „populärstes Beispiel für den
falschen Umgang mit Beschwerden“ [16] beschreibt Rübner den Fauxpas des Unter-
nehmens TelDaFax, „dem ein klassisches Eigentor gelang, als es seine Kunden auf der
eigenen Fanpage darum bat, doch bitte keine Beschwerden und Kundenanliegen mehr
vorzubringen. Die Kunden reagierten prompt – mit einer digitalen Kritikwelle, die sich
gewaschen hat und bereits nach kürzester Zeit das gesamten Web eroberte“ [16]. Bei
ungerechtfertigter Kritik – so empfiehlt es auch Rübner in seinem Beitrag – wird der
Autor um eine Richtigstellung gebeten, wozu man ihm entsprechende Quellen zur Ver-
fügung stellt. Geht er nicht darauf ein, werden wir Falschinformationen richtigstellen,
indem wir entsprechende Fakten benennen. Bei alledem erweisen sich Floskeln und
vorgefertigte Antwortschablonen als wenig sinnvoll. Ehrlichkeit und Authentizität – wie
sie den traditionellen Prinzipien der Kommunikation in unserem Unternehmen entspre-
chen – helfen hingegen dabei, Gerüchten keinen Raum zu lassen. Tiefgreifende Probleme
246 Christian Arnezeder
werden aus der öffentlichen Diskussion genommen, indem der direkte „private“ Kontakt
angeboten wird.
Abb. 3 Harley-Davidson Deutschland auf Facebook – „Aktion Blackline“ (Quelle: vgl. [7])
Wie und was trägt das Ganze aber nun zur Erreichung unserer Unternehmensziele bei?
Um die Frage beantworten zu können, müssen wir zunächst einen Blick auf die dafür
relevanten Faktoren werfen.
Dass im Web 2.0 nicht Masse, sondern Klasse ausschlaggebend ist, zeigte unlängst ein
Experiment des Bloggers Roskos, der für eine fiktive Firma eine Facebook-Seite anlegte,
die im Wesentlichen aus einer Pinnwand bestand – ohne Produkt, ohne Story, ohne
Gewinnspiel und ohne Videos. Er bat seine Kontakte, ihm zu folgen und hatte nach
248 Christian Arnezeder
einigen Stunden 25 und wenig später bereits 1.000 Follower (vgl. [10]). Der Versuch
zeigt, dass nicht die schiere Zahl der Follower, sondern vielmehr Engagement und Inter-
aktion der Community-Mitglieder – etwa interessante „Gespräche“ und der Austausch
von Links – entscheidend sind. Es kommt nicht auf 1.000 Mitläufer, sondern auf 200
Aktive an, und es geht um nicht weniger als um die eigene Reputation im Web 2.0, um
Customer Relationship Building!
Ist die reine Quantität der Follower schon nicht entscheidend, so hinterfragen wir also
die Qualität ihrer Aussagen. Was posten sie über unsere Marke? Wie viele Posts sind
negativ, wie viele positiv? Wie entwickelt sich die Loyalität der User? Wer sind diese
Menschen überhaupt? Wie viele Kunden machen mit? Wie viele potenzielle Kunden
sind dabei? Die Wechselbeziehungen zwischen den Antworten auf diese Fragen werden
uns Hinweise auf etwaige Fehler im bisherigen Vorgehen und auf die Marschrichtung im
weiteren Vorgehen geben.
Innerhalb weniger Wochen war es uns gelungen, 3.000 Likers auf Facebook zu gene-
rieren. Konnten wir uns nun stolz und zufrieden zurücklehnen? Wenn man – wie es
manche Agenturen nahelegen – jeden dieser Likers mit einem virtuellen Wert in harter
Währung bemisst, durchaus. Doch an dieser Stelle macht sich zu Recht ein schaler Bei-
geschmack breit: Wie viel ist ein Facebook-Fan „wert“? 71 Dollar? Mehr? Weniger? Und
warum soll er das überhaupt wert sein? Die Studie des Hamburger Brand Science Institu-
te (vgl. [2]), die über sieben Monate 52 Marken in zwölf europäischen Ländern in den
Fokus nahm, bestätigte, dass 87 % der untersuchten Unternehmen die Erwartungen an
ihren Social-Media-Einsatz korrigieren mussten. Google-Mitarbeiter Avinash Kaushik
brachte es unlängst auf den Punkt: „Social media is like teen sex. Everyone wants to do it.
Nobody knows how. When it’s finally done there is surprise that it’s not better“ (Kaushik
zit. nach [2]).
Das „Gschmäckle“ ergibt sich aus der ebenso bangen wie berechtigten Frage, was man
denn nun eigentlich von alledem habe, nachdem man es eine gewisse Zeit über prakti-
ziert hat. Viel Geld ist geflossen und man ist es gewohnt, eine erkleckliche Rendite für
seine Anlagen zu erzielen. Blogs, Twitter und Facebook mögen Spaß bereiten, sie müssen
sich für ein Unternehmen aber auch bezahlt machen. Was man stattdessen sieht, sind
endlose Ketten von Aktionen und Reaktionen, die Zeit und Ressourcen verschlingen.
Doch wie misst man Inspirationen und wie Beziehungen? Wer kann am Ende noch
sagen, ob eine Veränderung in den Absatzzahlen tatsächlich auf einen Erfolg oder Miss-
erfolg des Web-2.0-Engagements zurückgeht? Als „weitere Hürde“ bezeichnet Consul-
tant Erik Meierhoff von Key-Work Consulting die Kausalität: „Folge ich einer Marke auf
Facebook, weil ich sowieso ‚Hardcorekäufer‘ von ihr bin oder werde ich zum ‚Hardcore-
käufer‘, weil ich auf Facebook folge? Wenn Letzteres der Fall wäre, wäre die Investition
in einen umfassenden Facebook-Auftritt und zahlreiche ‚Werde Fan‘-Kampagnen à la
‚Viel hilft viel‘ mehr als gerechtfertigt. Wenn nicht, so wäre Facebook ‚nur‘ der Sammel-
platz für meine ‚Hardcorekäufer‘“ [12].
Viele Unternehmen stellen sich solche richtigen und wichtigen Fragen erst sehr spät.
Daher erscheint uns beim Web-2.0-Engagement neben dem planvollen Vorgehen auch
Social Branding bei Harley-Davidson Deutschland 249
die Messung der Ergebnisse mit geeigneten Methoden so aufwändig wie unerlässlich. Zu
diesem Zweck ist das Zusammenlegen und Korrelieren diverser Datensätze unumgäng-
lich. Meierhoff empfiehlt in seiner Social-Media-Analyse folgendes Vorgehen:
In einem ersten Schritt identifiziere man die Facebook-Fans innerhalb der eigenen
Kundenbasis. „Welchen Kundenwert haben diese? Konzentriert sich die Verteilung auf
bestimmte Segmente?“ [12].
In einem zweiten Schritt gelte es, festzustellen, wie die Facebook-Fans im Vergleich zu
Nicht-Facebook-Fans über die Zeit zwischen den Kundenwertsegmenten gewandert
seien: „Haben sie sich tendenziell verbessert, vielleicht sogar mehr als Nicht-Fans?“ [12].
Die Beantwortung dieser Frage ist allerdings recht schwer, da auch andere Faktoren wie
z. B. ein E-Mail-Newsletter Einfluss genommen haben können. Meierhoff empfiehlt pro-
fessionelle Data-Mining-Methoden zur Evaluation.
Es mag noch besser sein, dem zentralen Rat von Meierhoff zu folgen und bei Web-
2.0-Kampagnen bereits im Vorfeld eine zufallsverteilte Kontrollgruppe zu definieren, die
nicht über die Aktion informiert wird, und in zeitlichem Abstand zur Aktion den durch
Mitglieder der informierten Gruppe und Mitglieder der nicht informierten Gruppe er-
zielten Umsatz und Gewinn zu vergleichen. Doch ist dieses Vorgehen für unser Geschäft
und mit unserem Datenpool nicht praktikabel.
Weiter oben hatten wir festgehalten, dass es bei Web-2.0-Aktivitäten um die eigene
Reputation und letztlich um Customer Relationship Building geht. Auch dessen Wert
lässt sich nach Meierhoff (vgl. [12]) messen, wenn Faktoren wie Loyalität, Retouren-
häufigkeit und -gründe sowie Abwanderung nach Reklamationen in Abhängigkeit vom
Fanstatus bei Facebook betrachtet werden.
Die meisten Experten sind sich einig über die zentrale Bedeutung der Erfolgskontrolle
bei Web-2.0-Aktivitäten. Zu Recht gibt Meierhoff zu bedenken: „Wenn Ihre bisher wert-
vollsten Kunden durch Ihr Facebook-Engagement immer mehr abrutschen bzw. abwan-
dern, dafür aber immer mehr ‚Schnäppchenjäger‘ angezogen werden, dann läuft definitiv
etwas falsch!“ [12].
Fazit: Die Entwicklung einer tragfähigen Strategie zählt vom ersten Konzept bis hin
zur Erfolgsmessung einzelner Kampagnen zu den wichtigsten Aspekten für ein Unter-
nehmen, das im Web 2.0 erfolgreich sein will. Was unser Web-2.0-Engagement angeht,
so sind wir noch nicht im Stadium des Monitorings angelangt, so dass wir zum gegen-
wärtigen Zeitpunkt keinerlei Wertung über Messverfahren, deren Nachvollziehbarkeit,
Stichhaltigkeit und Relevanz für unsere Unternehmensziele sowie für unsere Ziele im
Web 2.0 treffen können.
Und wie sieht es mit Sättigungseffekten aus? Ob Facebook-Nutzer am Ende sogar die
Langeweile packt, fragte sich der „Spiegel“ (vgl. [20]) im August 2011. Das IT Marktfor-
250 Christian Arnezeder
schungs- und Beratungsunternehmen Gartner hatte Ende 2010 bis Anfang 2011 in einer
Studie mit 6.000 Internet-Nutzern in 11 Ländern festgestellt, dass viele Menschen zwi-
schen 18 und 29 von Social Media offenbar gelangweilt seien. Ein Viertel der Mitglieder
von sozialen Netzwerken gab an, das Angebot nach der ersten Anmeldung zunehmend
weniger zu nutzen.
Dennoch wachsen die sozialen Netzwerke insgesamt weiter. In Japan, Großbritan-
nien und den USA stieg die Nutzung leicht an oder sie blieb zumindest gleich. In ande-
ren Ländern, in denen soziale Netzwerke noch nicht so weit verbreitet sind, stieg die
Nutzung deutlicher an. Offenbar mache sich ein Sättigungseffekt dort bemerkbar, wo so
gut wie alle Jugendlichen Mitglied in einem solchen Netzwerk sind. Angebote wie Face-
book erzielen hier ihre größten Zuwachsraten bei Menschen, die dem Teenager-Alter
entwachsen sind. Dies gilt offenbar inzwischen auch für Deutschland, wo der große
Facebook-Report von BILD (vgl. [1]) konstatiert, dass die meisten Nutzer zwischen 18
und 34 Jahre alt seien, die größten Zuwächse jedoch in der Gruppe der Älteren erzielt
würden.
Auch hier sehen wir ein interessantes Potenzial für unsere Marke. Unsere Kunden
sind derzeit im Durchschnitt etwa 45 Jahre alt. Sie bilden die real existierende Communi-
ty, die unsere Motorräder fährt. Von Facebook erhoffen wir uns die Ansprache einer
tendenziell jüngeren Community, die jetzt oder in naher Zukunft das Harley-Fahren als
ihr Hobby entdeckt. Unser Ziel bei allen Web-2.0-Aktivitäten besteht darin, dem User
am Bildschirm eine zentrale Plattform für seine Leidenschaft zu bieten, ihn dort mit
unseren Produkten und Aktivitäten zu begeistern und ihn davon zu überzeugen, dass er
die virtuelle immer wieder zugunsten der realen Welt verlässt, um den nächstgelegenen
Vertragshändler zu besuchen: Rauf aufs Bike und rein ins Abenteuer! Wir wünschen
uns, dass diese Abenteuer und Erlebnisse mit unseren Produkten geteilt werden und sich
die viralen Effekte der Verbreitung sowohl positiv auf unser Image als auch auf unseren
Absatz auswirken.
Eine weitere Studie des IT Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Gartner
bestätigt uns in unserem Vorgehen. Unternehmen, die kollektive Verhaltensweisen für
sich nutzen, werden im Social Web erfolgreich sein, fanden die Forscher in ihrer Unter-
suchung zum Potenzial von Social Media für Unternehmen heraus (vgl. [9]). Über einen
Zeitraum von zehn Monaten hatte Gartner 200 erfolgreiche Social-Media-Aktivitäten
untersucht, um aufzuzeigen, wie kollektive menschliche Verhaltensweisen einen ge-
schäftlichen Mehrwert erzielen können. Die Freigabe kollektiven Wissens (etwa über
Blogs und Wikis), die Vergrößerung von Interessengruppen oder die Koordination grö-
ßerer Personenkreise (etwa bei Marketingkampagnen) zählen zu den kollektiven Verhal-
tensweisen, die demnach via Social Media genutzt werden können. Wichtig sei, dass Un-
ternehmen Social Media nicht als geschlossenes System betrachten sollen, sondern als
ein Werkzeug, um geschäftlichen Erfolg zu generieren.
So sind wir derzeit der Überzeugung, mit unserer Strategie auf dem richtigen Weg zu
sein. Dieser ist definitiv noch lang, denn wir sind erst vor kurzem gestartet und glauben
nicht an kurzfristige Erfolge.
Social Branding bei Harley-Davidson Deutschland 251
Literaturverzeichnis
19 Sindermann, D. (2011): Interview mit George Clooney. Lieber einen Prostata-Check als eine Face-
book-Seite, in: Blick.ch, URL: http://www.blick.ch/unterhaltung/kino/lieber-prostta-check-als-eine-
facebook-seite-176909, abgerufen am: 02.09.2011.
20 Spiegel (2011): Facebook-Nutzer plagt die Langeweile, in: spiegel.de, URL: http://www.spiegel.de/
netzwelt/web/0,1518,780484,00.html, abgerufen am: 02.09.2011.
21 Wikipedia (2011): Artikel – Facebook, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Facebook, abgerufen am:
02.09.2011.
22 Wikipedia (2011): Artikel – Web 2.0, URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Web_2.0, abgerufen am:
02.09.2011.
„Telekom hilft“ – Kundenservice im Social
Web ist mehr als das neue Marketing
17
Andreas H. Bock
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung.................................................................................................................................... 254
2 Meilensteine des Programms und assoziierter Projekte ...................................................... 254
3 Die bisherigen Erfahrungen in der Zusammenschau .......................................................... 255
4 Randbedingungen im Marktumfeld ....................................................................................... 257
5 Modelle zur konzeptionellen Entwicklung von „Telekom hilft“........................................ 258
6 Wohin geht die „Customer Service Journey“? ...................................................................... 260
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 261
_______________________
Andreas H. Bock ()
Landhausstraße 36, 10717 Berlin, Deutschland
e-mail: andreas.bock@telekom.com
„Es wird Zeit, Kundenservice nicht mehr nur als Cost Center zu betrachten, sondern als eine strategi-
sche Speerspitze für die Markenführung.“ Andreas H. Bock
1 Einleitung
Marke machen mit Kundenservice im Social Web. Das war eines der wesentlichen Ziele
des Programms „Telekom hilft“. „Customer Service is the new, new marketing“, war
schon 2008 einer der „Schlachtrufe“ aus der Social-Media-Avantgarde ([14], S. 3). Aber
Kundenservice im Social Web stärkt nicht nur die Positionierung einer Marke, sondern
auch Kundenzufriedenheit und Kundenbindung – vorausgesetzt, die öffentlich arbeiten-
den Service-Teams liefern exzellente und überraschende Service-Erlebnisse an die ver-
netzten Kunden der Word-of-Mouth-Welt des Internets.
„Telekom hilft“ ist das Social-Media-Programm des Bereichs Internet Vertrieb & Ser-
vice der Telekom Deutschland GmbH. Das Programm wurde im Herbst 2009 initiiert
und soll das Potenzial des Social Web erkunden, um agil und iterativ die Social-Media-
Strategie und -Roadmap für die kommenden Jahre zu definieren und die Umsetzung zu
steuern. Zum Start des Programms wurden folgende Ziele definiert (vgl. [2], S. 449f.):
Kundenservice im Social Web funktioniert. Das Social Web ist der öffentliche Raum des
Dialogs von Konsumenten über Marken, Produkte und Services – mit vielen leicht zu-
gänglichen und intuitiv bedienbaren Instrumenten vom Fünf-Sterne-Rating in Shops
und Bewertungsportalen über spontane Meinungsäußerungen in Blogposts und Kom-
mentaren bis hin zur qualitativ hochwertigen und elaborierten Hobby-Rezension in Bild,
Ton und Schrift. In dieser Do-it-Yourself-Ratgeberwelt wird das ernst gemeinte Angebot
von Unternehmen für einen Kundendialog umgehend angenommen, wenn den Be-
standskunden und Interessenten ein Mehrwert geboten wird. Kundenservice im Social
Web ist ein Mehrwert.
Vertrieb im Sinne von „klassischer Schweinebauch-Verkaufe“ über Facebook funktio-
niert zumindest mit Telekommunikationsverträgen nicht. Marktschreierische Aktionen,
oberflächliche, Aufmerksamkeit heischende Werbebotschaften zum Produktabverkauf
werden umgehend von aleatorisch organisierten „Sozialen Konsumenten-Teams“ auf
ihre Substanz hin analysiert und einem mehr oder minder fundierten Wettbewerbsver-
gleich unterzogen – und das auf der Unternehmens-Page auf Facebook.
256 Andreas H. Bock
Innovation zu bieten und darüber das Image der Telekom positiv zu beeinflussen, war
eines der Hauptziele des Projekts. Mit „Telekom hilft“ wurde dieses erfolgreich umge-
setzt. Umfassende „Funktionstests“ insbesondere durch Kommunikatoren und Influen-
cer zu diesem am Markt ganz neuen Service erbrachten fast ausschließlich positive
Ergebnisse. In der Folge sind bereits zahlreiche Posts, Artikel und Buchbeiträge über
„Telekom hilft“ als Best Practice für Kundenservice im Social Web erschienen.
Dies führt zu der Frage: Was eigentlich macht das Innovative von „Telekom hilft“
aus? Worin liegen die Unterschiede von „Telekom hilft“ im Social Web zur Kommuni-
kation im „etablierten“ Kundenservice?
4 Randbedingungen im Marktumfeld
„Our 8095 research also found that Millennials are taking action on behalf of brands, both online and
offline, every week. And, those actions aren’t just for high profile lifestyle brands. They’re talking and
sharing opinions about all types of brands, from house cleaners to cookware to clothing and food. One
organic conversation thread on our 8095 Live focus group tracked passionate chatter about carpet clea-
ners“ [1].
Die Nutzung von digitalen Medien hat in den USA ganz offensichtlich nationale und
kulturelle Eigenheiten, aber auch die ARD-ZDF-Onlinestudie 2011 zeigt Verschiebungen
bei elektronischen Kommunikationsmitteln zugunsten von Web 2.0 in Deutschland auf:
„Nach wie vor werden die Web-2.0-Angebote am stärksten von Jüngeren (14 bis 29 Jahre) genutzt. Bei
den Teenagern liegt die Nutzung privater Communitys erstmals vor der E-Mail-Kommunikation, wäh-
rend in allen anderen Altersgruppen die E-Mail die wichtigste Kommunikationsanwendung im Netz
bleibt“ ([3], S. 360).
gemodell hat Forrester den Kundenlebenszyklus (Customer Life Cycle) mit folgender
Definition eingeführt: „Customers’ relationship with a brand as they continue to disco-
ver new options, explore their needs, make purchases, and engage with the product expe-
rience and their peers“ [10].
Die wesentlichen Merkmale dieser neuen Modelle sind:
Unternehmen haben begonnen, auf Social Media als Kontaktkanal zu reagieren: An-
hand einer Befragung von 78 Experten, überwiegend aus den Bereichen Kundenservice,
CRM, Marketing und Unternehmensführung, durch Detecon (vgl. [7], S. 6) zu den we-
sentlichen Trends des Kundenservices der Zukunft wurden folgende Ergebnisse ermittelt:
Detecon schließt die Studie mit einer Einschätzung zur Entwicklung des „Kanalan-
teils“ und erwartet, „dass Unternehmen im deutschsprachigen Raum bis 2015 bran-
chenübergreifend durchschnittlich rund 25 % ihres gesamten Servicekontakt-Volumens
über automatisierte Web-Self Services und Social Media abbilden und steuern werden“
([7], S. 40).
„Social CRM is a philosophy and a business strategy, supported by a technology platform, business ru-
les, processes, and social characteristics, designed to engage the customer in a collaborative conversation
in order to provide mutually beneficial value in a trusted and transparent business environment. It’s
the company’s response to the customer’s ownership of the conversation“ ([9], Position 1064).
Greenberg unterscheidet Social CRM von klassischem CRM wie folgt: Durch „klassi-
sches CRM“ werden die internen Unternehmensprozesse bereitgestellt, um ein effizien-
„Telekom hilft“ – Kundenservice im Social Web ist mehr als das neue Marketing 259
1. Social Support Insights generieren durch Monitoring, Listening und die Analyse, wel-
che Chancen und Risiken im Social Web existieren.
2. Rapid Social Response aufbauen durch das Reagieren auf Kundenanfragen und -feed-
back, also den Aufbau von Kundenkontaktpunkten und Kontaktkanälen im Social
Web.
3. Peer-2-Peer (P2P) Unpaid Armies (SP3) ermöglichen, um Fürsprecher der eigenen
Marke zu aktivieren und kollektiven Support im Zusammenwirken von Unterneh-
mensmitarbeitern und engagierten Kunden zu ermöglichen (vgl. [15], S. 14f.).
„‚Moments of truth' refer to those moments and situations in which customers turn to a company con-
cerning a matter which is great importance for them.
Typical examples: complaints, questions about inconsistent offers via various distribution channels, the
provision of a new product requiring explanation, or a malfunction which needs to be corrected on lo-
cation.
If not handled properly, such critical customer contacts can have a detrimental effect on customer loyal-
ty or even lead to termination by the customer“ ([6], S. 4).
„Gerade an den onlinebasierten Kundenkontaktpunkten zeigt sich, was die Versprechen eines Unter-
nehmens wert sind: Vorbildliches wird belohnt und Gutes kräftig weiterempfohlen, Fehlverhalten und
Minderwertiges hingegen herbe abgestraft. Und die Menschen machen rigorosen Gebrauch davon. Da-
bei ist die Meinung der Kunden immer subjektiv, häufig verallgemeinernd, manchmal unfair, vielleicht
sogar falsch – aber es ist die Meinung der Kunden, die sie gefragt oder ungefragt weitergeben. Nur leider
tun sie dies selten genug beim Anbieter selbst. Das Internet ist der neue Helfershelfer, dem man alles er-
zählt. Und das, was dann dort dann die Runde macht, ist nicht mehr zu löschen“ ([13], S. 420).
Das ist die Kommunikationssituation für das „Telekom hilft“-Team: Für Fragen zur
Verfügung stehen, negative Äußerungen entdecken, Hinweisen auf Probleme nachspü-
ren, Kunden durch unerwarteten Support überraschen, schwierige Diskussionen mode-
rieren, Trolle ertragen, Kunden und Kollegen aus anderen Unternehmensbereichen
wertschätzen, Shitstorms im Ansatz eindämmen, Parodien lustig finden oder Despek-
tierliches überlesen, hilfreichen Kunden eine Bühne bieten. Ein „Moment of Truth“ nach
dem anderen, der sich in das Gedächtnis des Webs speichert und Tweet für Tweet die
Marke „Telekom“ prägt.
Abschließend ein Fallbeispiel: Im Oktober 2010 wurden 80 Testgeräte eines neuen Fo-
kusprodukts unter bestimmten Voraussetzungen zum Testen, Darüber-Schreiben und
zur Teilnahme an einer strukturierten Befragung an Bestandskunden „verschenkt“.
Wenn in solchen Situationen ein gutes Service-Team mit unkomplizierten technischen
Mitteln im Social Web arbeiten kann, dann entsteht die gemeinsame „Brand Communi-
ty“ durch Fürsprecher und Fans, die gemeinschaftlich mit dem „Telekom hilft“-Team die
Telekom zum „bestangesehenen Serviceunternehmen der Branche“ entwickeln und
solche Dialoge ins Social Web speichern:
Facebook-Nutzer A: „Was ein Müll, man muss Telekom Kunde sein um da mitmachen zu können! Ihr
*** echt. Das ist ja mal wieder typisch Telekom, nur Müll verzapfen. Hier wieder das beste Beispiel.“
Facebook-Nutzer B: „Wieso den Müll verzapfen? Ich finde es nur gerecht… Das nennt man Kunden-
bindung, vorteil wenn man Telekomkunde ist….:-)
Das würde jeder Provider so machen… xD.“
Facebook-Nutzer C: „finde es auch echt schade das man aus blindem hass gegenüber der telekom hier
solche sachen postet! Ich beseitze 3 T-Mobile verträge und bin im festnert Entertain VDSDL kunde! Top
zufrieden… daher bedanke ich mich bei der telekom das Sie solche aktionen startet um uns kunden
auch mal zu sagen „danke“, was sie in meinen augen mit solchen aktionen tut.“
Facebook-Nutzer D: „Jo, ich gebe es offen zu das ich die Telekom toll finde. Sonst währe ich wohl kaum
8 Jahre lang voll zufriedener Kunde. Sowohl im Festnetz als auch im Mobilefunkbereich…“
„Telekom hilft“ – Kundenservice im Social Web ist mehr als das neue Marketing 261
Dieser Dialog ist Ziel bisheriger und Ausgangspunkt weiterer Aktivitäten im Pro-
gramm:
• Das Social Web wurde analysiert, und es wurden geeignete Plattformen für Kunden-
kontaktpunkte und die erforderlichen kommunikativen Kompetenzen im Unterneh-
men entwickelt.
• Die Projekte werden iterativ und agil weiterentwickelt, um sowohl das Kundenkon-
taktpunktnetz zu erweitern als auch das interne Know-how auszubauen.
• Die neuen Kundenkontaktpunkte liefern durch die kommunikative Kompetenz des
Kundenservice-Teams den Mehr- und Erlebniswert für die Kunden.
• Um die installierten Kundenkontaktpunkte herum werden loyale Kunden und Po-
werkunden sichtbar gemacht.
• Loyale Powerkunden werden durch die initialen Aktivitäten sichtbar und so rekru-
tierbar für eine eigene Community-Plattform, um die effiziente Skalierbarkeit von
Kundenservice im Social Web durch Kunden-helfen-Kunden zu gewährleisten.
• Kollaborativer Kundenservice im Social Web durch das Kernteam ist die Wegberei-
tung der „Brand Community“, um vernetzte Kunden mit vernetzten Mitarbeitern aus
allen Wertschöpfungsbereichen des Unternehmens zu konnektieren.
Literaturverzeichnis
10 Noble, S. (2010): It’s Time To Bury The Marketing Funnel, URL: http://www.forrester.com/rb/
Research/time_to_bury_marketing_funnel/q/id/57495/t/2, abgerufen am: 19.10.2011.
11 Salmen, S./Bock, A. H./Stalp, O. (2009): „Telekom_hilft“ – Pilotprojekt Kundenservice via Twitter.
in: Salmen, S./Beckmann, H. (Hrsg.), Twitter-Marketing: Wer mitmacht, gewinnt! Stuttgart,
S. 85–98.
12 Schmitt, B. H./Mangold, M. (2004): Kundenerlebnis als Wettbewerbsvorteil: Mit Customer Expe-
rience Management Marken und Märkte Gewinn bringend gestalten, Wiesbaden.
13 Schüller, A. M. (2010): Die neuen Momente der Wahrheit: WOM im Kontaktpunkt-Management, in:
Schüller, A. M./Schwarz, T. (Hrsg.): Leitfaden WOM Marketing: Die neue Empfehlungsgesellschaft,
Waghäusel: marketing-BÖRSE, S. 420–436.
14 Solia, B./Carroll, B. (2008): Customer Service: The Art of Listening and Engagement Through Social
Media, URL: http://www.scribd.com/doc/2233036/Customer-Service-The-Art-of-Listening-and-
Engagment-Through-Social-Media, abgerufen am 20.05.2011.
15 Wang, R/Owyang, J. (2010): Social CRM, The New Rules of Relationship Management: 18 Use Cases
That Show Business How to Finally Put Customers First, Altimeter, San Mateo, URL:
http://www.slideshare.net/jeremiah_owyang/social-crm-the-new-rules-of-relationship-management,
abgerufen am: 19.10.2011.
16 Weinberger, D./Locke, C./Levine, R./McKee, J. (2009): The Cluetrain Manifesto: 10th Anniversary
Edition.
Digitale Inszenierung – Strategien
zur Markenführung bei Scout24
18
Volker Wohlfarth
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung.................................................................................................................................... 264
2 Basis Brand Identity .................................................................................................................. 264
3 Brutstätte Community .............................................................................................................. 266
3.1 Nähe schaffen.............................................................................................................. 266
3.2 Gemeinschaft pflegen ................................................................................................ 267
4 Maßnahmen zur Inszenierung ................................................................................................ 268
4.1 Empowerment ............................................................................................................ 268
4.2 Agenda Setting mittels Corporate Blog................................................................... 270
4.3 Kampagnen sorgen für Reichweite und positive Touchpoints ........................... 271
4.4 B2B-Branding rundet ab ........................................................................................... 273
4.5 Ideen mit Zukunft ...................................................................................................... 274
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 277
_______________________
Volker Wohlfarth ()
Immobilien Scout GmbH, Andreas Str. 10, 10243 Berlin, Deutschland
e-mail: volker.wohlfarth@immobilienscout24.de
„Social-Media-Produkte und -Kommunikation können dem Konsumenten den funktionalen und emo-
tionalen Marken-Nutzen näherbringen und die Markenloyalität steigern. Die Nutzung des daraus re-
sultierenden Konsumentenverständnisses bietet die Möglichkeit, die Marke zielgerichtet zu führen, und
sichert somit den zukünftigen Erfolg einer Marke.“ Volker Wohlfarth
1 Einleitung
Scout24 begeistert seit 1998 ein immer größer werdendes Publikum im Netz. Mit seinen
Marken AutoScout24, ElectronicScout24, FinanceScout24, FriendScout24, Immobilien-
Scout24, JobScout24 und TravelScout24 liefert es Informationen, Angebote und Aus-
tausch zu relevanten Themen des Alltags.
Auch wenn der Erfolg von Scout24 von einer lebendigen Community abhängt, sehen
wir unser Erfolgsgeheimnis nicht im kommunikativen Wildwuchs, sondern im Gegenteil
in der aktiven, lenkenden Mitbestimmung der Kommunikation. Gut gemachtes Social
Branding führt dazu, dass Unternehmen auch im Zeitalter des Social Web die Hoheit
über die Markenwahrnehmung behalten. Anstatt abwartend zu beobachten und Stake-
holder unkommentiert auf sämtlichen Plattformen diskutieren zu lassen, führt Scout24
durch aktives Eingreifen und positives Erlebbarmachen die Marke zentral. Dafür arbei-
ten wir aktiv an der digitalen Inszenierung unserer Marken.
Das zweite Standbein unserer Strategie ist eine fundierte, verinnerlichte Kenntnis der
technischen und kommunikativen Regeln des Social Web. Nur so können wir den ent-
scheidenden, prägenden Einfluss auf die Markenführung behalten. Wer sich fahrlässig
auf Kundenwünsche einlässt, ohne diese zu moderieren, muss den Preis eines gewissen
Kontrollverlusts zahlen. Ein strategisches Social-Media-Engagement ist die Vorausset-
zung dafür, dass Unternehmen auch in schwierigen Zeiten die Markenwahrnehmung
steuern können.
Im Web verschmelzen Produkte und die Kommunikation immer stärker. Ein Produkt soll-
te daher den Werten der Brand Identity (vgl. Abb. 1) entsprechen und auch online in sei-
nen Werten erkennbar sein. Nur wenn wir uns beständig fragen, wie wir unsere Kunden
inspirieren können, wie das Markenerlebnis noch mehr im Sinne des Social Brandings
gestaltet werden kann, werden wir dauerhaft auf dem Markt eine führende Rolle spielen.
Ein gut strukturiertes, kreatives Branding im klassischen Sinne ist daher noch immer
der Ausgangspunkt für alle weiteren Branding-Anstrengungen. Denn für die meisten
Konsumenten schafft eine starke Marke nach wie vor Vertrauen.
Der Social-Media-Auftritt der Scout24 Gruppe ist konsequent um eine klar definierte
Brand Identity herum konstruiert. Die Ziele, Stakeholder und Strukturen des Social
Brandings basieren auf einer empirischen Studie des Unternehmens. Die Ergebnisse
Digitale Inszenierung – Strategien zur Markenführung bei Scout24 265
Extended Identitiy
Markencharakter
Brand Benefits kompetent
Funktionale Benefits
vertrauens-
Brand Values Übersicht über den
würdig
Transparenz gesamten relevanten Markt
Brand Essence Schnell und einfach zum Ziel zielgerichtet
Best Match Effizienz
Bei Produkten, Services und Kon-
Individuelle Unterstützung positiv über-
takten finden unsere Nutzer sicher und positive Überraschung raschend
und souverän das beste Ergebnis, Inspiration Emotionale Benefits
überraschend und effizient
Spaß am Suchen und Entdecken Markensignale
Empowerment
Sicherheit durch Souveränität
und Kontrolle
Das gute Gefühl der richtigen CI / Website
Entscheidung Design
Logo
erlauben es uns, ein sehr zielgerichtetes, auf die Bedürfnisse, Vorstellungen und Wün-
sche der Stakeholder abgestimmtes Social Branding zu betreiben. Das heißt konkret, dass
die Scout24 Gruppe genau auf den für die jeweiligen Teilmarken relevanten Kanälen mit
auf die Brand Identity und das Social Branding abgestimmten Kommunikationsstruktu-
ren und Auftritten für ihre Kunden erreichbar ist.
Ausgehend von der Brand Identity erschließt Scout24 das Social Branding und die
Positionierung der Marke im Social Web. Dabei ist es uns wichtig, ein paar wesentliche
Grundregeln zu beachten:
Dies führt aber nur dann zum Erfolg, wenn sich sämtliche Kanäle und alle an der
Kommunikation Beteiligten an die festgelegten Regeln halten. Abweichungen führen
schnell zu Verwirrung und können ein Bild der Unprofessionalität beim Kunden hinter-
lassen.
266 Volker Wohlfarth
Bei Scout24 bedeutet das beispielsweise, dass definierte ‚Benefits‘ der Marke wie
‚Schnell und einfach zum Ziel‘ oder ‚Individuelle Unterstützung und positive Überra-
schung‘ durch gezielte und persönliche Hinweise auf Wohnungsangebote auf den Kanä-
len von ImmobilienScout24 genauso umgesetzt werden wie durch persönliche Unter-
stützung bei der Suche nach einem passenden Auto auf den Portalen von AutoScout24.
3 Brutstätte Community
Durch die Präsenz auf Social-Media-Portalen wie Facebook, Twitter, XING, Google+
oder YouTube kann ein ganz neues Vertrauensverhältnis aufgebaut, eine digitale Nähe
zu Kunden entwickelt und die Reichweite immens vergrößert werden.
Eine lebendige Community ist daher für Scout24 wichtig. Und die funktioniert: So
wurden beispielsweise die Videos auf dem YouTube-Kanal von AutoScout24 bereits
über 4,5 Mio. Mal angesehen, geteilt und mit Fragen und Kommentaren versehen. Auf
der AutoScout24 Facebook-Seite interagieren über 172.000 Nutzer1 regelmäßig mit der
Marke – teilen ihre Meinungen, Fotos, beantworten Fragen, geben interessante Inhalte
an ihre Facebook-Netzwerke weiter und machen AutoScout24 somit zum festen Be-
standteil ihres alltäglichen Umgangs mit Social Media.
Durch diese nahtlose Integration und die damit verbundene Vertrautheit mit der
Marke entsteht eine sehr starke Kundenloyalität, die darüber hinaus Kunden neugierig
auf die weiteren Social-Media-Aktivitäten von Scout24 macht und bislang durchaus
erfolgreich ist: So hat ImmobilienScout24 über 350.000 Aufrufe auf YouTube und zählt
über 35.000 Facebook-Abonnenten, während FriendsScout24 über 170.000 Aufrufe auf
YouTube verbucht. Durch eine Vernetzung der einzelnen Kanäle – durch Links, Hin-
weise und Buttons – wird eine einheitliche Brand Identity vermittelt, was wiederum ein
engagiertes, zeitgemäßes, transparentes und professionelles Bild der Marke Scout24
beim Kunden hinterlässt – die beständig steigende Zahl der Abonnenten, Followers und
Videozuschauer bestätigt uns das.
Die Scout24 Marken bauen eine digitale Nähe zu den Markplatzbesuchern auf. Durch
eine direkte und persönliche Ansprache der Kunden werden positive Touchpoints ge-
schaffen und Vertrauen durch die regelmäßig demonstrierte Hilfsbereitschaft, Kompe-
tenz und Nähe aufgebaut. Das Social-Element ist hierbei entscheidend für den Branding-
Erfolg. Wer auf Standardantworten in der Kundenkommunikation auf Facebook setzt,
1
Stand: April 2012.
Digitale Inszenierung – Strategien zur Markenführung bei Scout24 267
wirkt wenig authentisch und glaubwürdig, schließlich lässt sich der Mitarbeiter nur abs-
trakt auf die Menschen (Kunden) ein und erzeugt online keine Nestwärme.
Eine besondere Rolle kommt hierbei den Mitarbeitern zu. Einzelne erhalten eine her-
ausragende Stellung als Markenbotschafter. Sie geben als Sprecher der Marke im Social
Web ein menschliches Antlitz. Wem es gelingt, seiner Marke ein Gesicht und somit
menschliche Emotionen zu verleihen, lädt seine Produkte mit Menschlichkeit, Emotio-
nen und Nähe auf, die der Online-Reputation zugutekommen und insgesamt für eine
positive Markenwahrnehmung sorgen. Der direkte Kundendialog wird online zum zent-
ralen Markenkontakt. Ein wichtiges Element ist der Einsatz von (realen!) Mitarbeitern
auf allen Social-Media-Kanälen.
Ein konkreter Fall auf der Facebook-Seite von ImmobilienScout24 sieht zum Beispiel
so aus:
14.42 Ramona Krieger: Hallo, Suche dringend 2 Zimmer- Wohnung in Satrup! Bis 400€ warm. Kann
jemand helfen!?
14.49 ImmobilienScout24: Hier ist ein einziges Angebot, das zu deinen Angaben passt (link). Der Link
aktualisiert sich aber bei jedem Aufruf. Also viel Glück (cl)
Besonders hilfreich für die Inszenierung echter Menschen sind Videos. Ein authenti-
scher, ungeschönter Einblick hinter die Kulissen eines Unternehmens interessiert User
brennend. Auf diese Weise verliert eine Marke ihre Anonymität, Stakeholder können
sich mit den Mitarbeitern identifizieren, weil diese sich „kennenlernen“. Über diese
konkrete Ausprägung des Social Brandings wirkt ein Unternehmen in Gänze sympathi-
scher. Natürlich sind solche Videos auch ein sehr wirkungsvolles Instrument für das
Employer Branding, das das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber für neue Mitar-
beiter darstellt. Diese Art des Brandings via Videos findet bei Scout24 sowohl auf der
B2C- als auch auf der B2B-Ebene statt. So finden User auf dem unternehmenseigenen
Kanal unterschiedliche Spots, Mitarbeitervideos und andere markenspezifische Inhalte.
Genauso wie Kontakte in jedem anderen Netzwerk gepflegt werden wollen, müssen auch
Gemeinschaften auf Social-Media-Portalen aktiv, frisch und aktuell bestückt werden.
Denn Online-Netzwerke haben zwar ihre eigenen Regeln, verlangen aber genauso Pflege
wie Offline-Netzwerke.
Bei Scout24 wird über Social Branding nicht das Ziel verfolgt, rein funktionelle Netz-
werke aufzubauen, sondern werden den Stakeholdern zeitgemäße Kommunikations-
Plattformen zur Verfügung gestellt, auf denen sie so natürlich wie möglich mit der Mar-
ke in Kontakt kommen. Um das zu schaffen, müssen einige Grundlagen der Markenfüh-
rung neu definiert werden. Denn längst wird die Markenwahrnehmung neben klassi-
268 Volker Wohlfarth
Mit welchen konkreten Maßnahmen lassen sich solche Communities aktiv gestalten?
Communities, die engagiert, lebendig, inspirierend, informativ und voller Energie sind –
und gleichzeitig immer mit der Marke in einem fruchtbaren Austausch stehen. Ein paar
unserer Maßnahmen aus unserer Praxis für den Umgang mit solchen Communities und
für ein erfolgreiches Social Branding stellen wir Ihnen jetzt vor.
4.1 Empowerment
Scout24 setzt auf das Empowerment seiner Kunden. Wir räumen Mitgestaltungsmöglich-
keiten und klaren Reaktionsmöglichkeiten viel Raum ein, um das Feedback gezielt dafür
zu nutzen, die eigenen Produkte und Services attraktiver zu machen. Es kann sinnvoll
sein, diese Interaktionsmöglichkeiten bewusst zu forcieren, emotionale Anreize aufzu-
bauen, damit die Marke im Social Web wahrgenommen wird. Schweigen ist online Silber.
Durch gezielte gemeinschaftsfördernde Aktionen kann zudem das Community-
Wachstum angeregt werden. So wird auf der ImmobilienScout24 Facebook-Seite gleich
nach dem Klick auf den ‚Like‘-Button gefragt, ob der User eine Empfehlung für die Seite
schreiben möchte. Diese Aufforderung lädt zum aktiven Ausgestalten der Gemeinschaft
ein und signalisiert darüber hinaus Offenheit und Wertschätzung.
Digitale Inszenierung – Strategien zur Markenführung bei Scout24 269
Abb. 2 Interaktionsmöglichkeiten auf der Facebook-Seite von AutoScout24 (Quelle: eigene Dar-
stellung)
Es gibt viele Gründe, warum Onliner eine Marke oder ein Unternehmen auf Social
Media aufsuchen. Wichtig ist, dass der angebotene Content sie dann zu ‚Like‘-Klickern
macht und das Angebot sie von diesem Moment an zur aktiven Teilnahme am Dialog
mit der Marke bewegt. Je mehr Faktoren der Social-Media-Erwartungen der Stakeholder
erfüllt werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie dem Unternehmen durch einen
Klick auf ein ‚Like‘ ihre Loyalität bekunden und die Marke zum Teil ihrer Online-Per-
sönlichkeit machen.
Möglichst vielfältige Anreize sowie das Schaffen eines individuell nutzbaren Kommu-
nikationsraumes sind hierbei positive Verstärker. So lässt sich beispielsweise die Face-
book-Seite von AutoScout24 (vgl. Abb. 2) gleichzeitig als Autosuch- und -verkaufsbörse,
aber auch zum Teilen von Fotos von Autoevents und zur Diskussion unter Usern über
270 Volker Wohlfarth
Themen rund ums Auto verwenden. Diese Art von Austausch und Offenheit für Erleb-
nisse und Meinungen der User begünstigt die positive Interaktion mit der Marke und
macht sie somit wahrscheinlicher.
Während die Facebook-Fanpages hauptsächlich zum Dialog und zur Diskussion über
markennahe Themen einladen, werden die YouTube-Kanäle und auch die Twitter-Prä-
senzen von Scout24 hauptsächlich zur Informationsweitergabe benutzt. Auch das kann
Empowerment stiften. Viele User erhoffen sich durch den Kontakt mit einer Marke, als
Erste neue, vielleicht sogar exklusive, Informationen über Aktionen und Produkte zu
bekommen (vgl. [3]). Die kontinuierliche Kommunikation via Mikroblogging und Vi-
deobeiträge erlaubt uns, nicht nur markeneigene Inhalte wie Autotests oder die neuesten
Werbespots für Stakeholder digital verfügbar und somit ‚teilbar‘ zu machen, sondern
fördert auch das Gefühl bei unseren Kunden, Zugang zu exklusiven Inhalten zu haben,
die sie ohne den Klick auf das „Like“ nicht bekämen. Je mehr Begehrlichkeiten hierbei
erzeugt werden, desto besser. Es genügt im Social Web längst nicht mehr, Nice-to-Have-
Content zu produzieren. Nur wertige Inhalte ziehen die Onliner an, alles andere erreicht
seine Stakeholder nicht.
Ein weiteres Instrument, das sich ebenfalls sehr gut zur Informationsverbreitung und für
das Agenda Setting eignet, ist ein Corporate Blog. Dieser bietet im Idealfall lesenswerte
und spannende Corporate-Publishing-Inhalte, die in Bild, Text und Video für Story
Telling sorgen. Nur wer gute Inhalte beibringen kann, kann seine Experten im Unter-
nehmen in der digitalen Öffentlichkeit und darüber hinaus sichtbar machen.
Auf den Corporate Blogs von Scout24 (vgl. Abb. 3) werden Neuigkeiten, Rezensio-
nen, Tipps und Tricks rund um die verschiedenen Marken online-freundlich und mul-
timedial aufbereitet. Dadurch erhalten User auf ihre Interessen und Bedürfnisse abge-
stimmte Inhalte, die durch Qualität und vor allem durch die professionelle, kostenlose
Bereitstellung von Informationen mit Mehrwert ein positives Licht auf die Marke wer-
fen. User können so dauerhaft an eine Marke gebunden werden, und es wird außerdem
wahrscheinlicher, dass sie derartige Inhalte mit ihren Netzwerken teilen.
Scout24 ist sich bewusst, dass gerade auch die Pflege von Multiplikatoren ein wichti-
ger Bestandteil der Aktivitäten im Social Web ist. Denn gepflegte Netzwerke führen im
besten Fall dazu, dass einmal gepostete Inhalte sich verselbstständigen, weil sie von den
Multiplikatoren geteilt werden. Ein Schritt in diese Richtung ist beispielsweise die Ko-
operation mit dem bekannten Blogger und Influencer Richard Gutjahr. Anstatt Werbe-
anzeigen auf Gutjahrs Blog zu schalten, ist der Scout24 Twitter-Stream eingebettet. Ri-
chard Gutjahr kommentiert das so:
„Mir waren Partner wichtig, die zu meinem Blog passen – Produkte und Marken, zu denen ich
stehe“ [2].
Digitale Inszenierung – Strategien zur Markenführung bei Scout24 271
Mit dieser Aussage empfiehlt der Münchner Influencer Scout24 seinem gesamten
Netzwerk. Solche Empfehlungen führen im besten Fall zu einer viralen Verbreitung der
Inhalte über das Web, was den Erfolg von (Social-)Branding-Anstrengungen enorm
potenziert. Um diesen Effekt zu erreichen, müssen die geteilten Inhalte allerdings nicht
nur neu sein, sondern auch Mehrwert liefern. Das kann zum Beispiel eine für viele
User wichtige oder hilfreiche Information sein, aber auch ein Inhalt mit Entertain-
mentfaktor.
Brand Experience und User Experience müssen Hand in Hand gehen. Hierbei sind digi-
tale Kontakte mit der Marke, die über die Online-Erfahrung ins reale Leben verlängert
werden, wichtig.
ImmobilienScout24 startete bereits einige Kampagnen erfolgreich. Bei der „Sage Dan-
ke“-Kampagne (vgl. Abb. 4) rief das Unternehmen User auf, sich zu bedanken – für was
272 Volker Wohlfarth
und bei wem sie wollten. Das führte dazu, dass über 11.000 User in kürzester Zeit auf der
eigens eingerichteten Website www.sage-danke.de ihr Dankschön posteten und das dann
über die zur Verfügung gestellten Share-Buttons mit ihren Netzwerken auf Twitter und
Facebook teilen konnten. Auf diese Weise wurde die vom Corporate Design der Marke
geprägte Seite viral durch das Internet geschickt. Die Teilnahme an Aktionen wie dieser
macht es wahrscheinlicher, dass der entsprechende User anschließend dann auch ein Fan
oder Follower wird, da er bei ähnlichen Aktionen in der Zukunft auch wieder teilnehmen
will. Nur ein Beispiel dafür, wie positive Touchpoints geschaffen werden können.
Mit einer Aktion namens „Die Lange Nacht der Wohnungsbesichtigungen“ (vgl.
Abb. 5), bei der sich die Community einen Abend zu nächtlichen Wohnungsbesichti-
Digitale Inszenierung – Strategien zur Markenführung bei Scout24 273
Abb. 5 Aktion „Die Lange Nacht der Wohnungsbesichtigungen“ von ImmobilienScout24 (Quelle:
eigene Darstellung)
Auf einem weiteren YouTube-Kanal von Scout24 (vgl. Abb. 6), dem „IS24Impulse“-
Kanal, werden alle 14 Tage Inhalte für Makler gepostet – hier wird also B2B-Branding
betrieben. Eingerahmt vom Branding des Unternehmens werden Tipps mit Mehrwert
274 Volker Wohlfarth
Abb. 6 B2B-Branding auf dem YouTube-Kanal für Makler von Scout24 (Quelle: eigene Darstel-
lung)
wie beispielsweise zur Akquise und zu anderen Themen kostenlos bereitgestellt. Auf
diese Weise etabliert sich Scout24 auch bei B2B-Kunden im Rahmen der Marktführer-
position als kompetenter Ansprech- und letztendlich Kooperationspartner.
Social Media bleibt, so viel ist klar. Aus diesem Grund lässt Scout24 auch die Zukunft
und die Entwicklung dieser Kanäle und Plattformen nicht außer Acht.
Ein deutlicher Trend sind Angebote, die dem User jederzeit mobil zur Verfügung ste-
hen – egal wo er ist. In Deutschland gibt es bereits über 12 Mio. private Smartphone-
Nutzer, die sich per mobiles Internet über Produkte und Marken informieren (vgl. [1]).
Die Nutzungshäufigkeit von Handys, Tablet-PCs und Co. mit ständig verfügbarem In-
ternetzugang nimmt weiter zu. Deshalb bedeutet zukunftsorientiertes Social Branding
für Scout24 auch, attraktive Lösungen für die Nutzer solcher Geräte unter Beachtung
aktueller Software- und Social-Media-Entwicklungen anzubieten, um dauerhaft als fort-
schrittlich und kundenorientiert wahrgenommen zu werden.
Digitale Inszenierung – Strategien zur Markenführung bei Scout24 275
Abb. 7 Zukunftsorientiertes Social Branding mit Apps wie der FriendScout24App von Scout24
(Quelle: eigene Darstellung)
Durch die Entwicklung von passenden Applikationen (‚Apps‘) für Smartphones und
deren unterschiedliche Betriebssysteme sowie Tablet-PCs kann sich ein Unternehmen
noch deutlicher die Interaktion von Kunden mit der Marke im Alltag sichern. Die
Scout24 Gruppe hat es sich zur Aufgabe gemacht, immer da zu sein, wo ihr Kunde ist.
Deshalb bietet sie bereits eine Brandbreite unterschiedlicher Apps an, die auf die Key-
words und Inhalte der jeweiligen Marken zugeschnitten sind.
Durch zukunftsorientiertes Social Branding liefert die ImmoScout24 App derzeit
Deutschlands größtes Angebot an Immobilienanzeigen auf derartigen Plattformen und
die AutoScout24 App wurde von nationalen Medien als eine der führenden der Branche
bezeichnet.
Besonders beliebt sind die ImmoScout24 App, die MeinUmzug App, die Friend-
Scout24App (vgl. Abb. 7) und die AutoScout24 App, die kostenlos über den App Store
heruntergeladen werden können. Die Apps bieten Kunden eine mobile Version des
Website-Angebots mit speziellen, auf eine App abgestimmten Designs und Features.
Besonders durch Ratings der Kunden und deren Feedback konnte nicht nur ein positives
Bild von der Offenheit und der Bereitwilligkeit zum Dialog vermittelt, sondern auch
Einblick in die exakten Bedürfnisse der Zielgruppe und eventuelle Schwächen der Apps
gewonnen werden.
Durch eine permanente Weiterentwicklung der Apps signalisiert Scout24 Respekt
und Wertschätzung gegenüber Kundenmeinungen und erreicht außerdem, dass die
Produkte noch optimaler auf Benutzerfreundlichkeit abgestimmt sind. Auch hier lautet
das Stichwort wieder: Empowerment. Nur ein Produkt, das das liefert, was der Kunde
276 Volker Wohlfarth
Abb. 8 „VisualSearch“ von AutoScout24 für Smartphones und Tablet-PCs (Quelle: eigene Dar-
stellung)
braucht, das ihm konkret im Alltag hilft, wird auch von ihm verwendet und weiteremp-
fohlen werden. Feedback und dessen Umsetzung sind deshalb sehr wichtig.
Eine App-Entwicklung neuester Art ist die Beta App „VisualSearch“ von Auto-
Scout24. Sie bietet Usern das Erleben einer sogenannten ‚Augmented Reality‘ – einer
zweiten Realitätswahrnehmung innerhalb der Realität, die sie umgibt. User können mit
dieser App ein beliebiges Fahrzeug von hinten mit ihrem Smartphone fotografieren,
dessen Nummernschild wird vom System unkenntlich gemacht und alle Angebote auf
AutoScout24 werden auf Marke, Modell und Baujahr hin mit dem Foto verglichen. Hin-
zu kommt, dass die App quasi selbstlernend ist – denn je mehr Fotos von einem be-
stimmten Auto gemacht werden, desto höher die Erkennungsrate. Die Ergebnisse kann
der User direkt an Ort und Stelle mit der Realität vergleichen. Auf diese Weise wird ein
online und offline Erfahren und Nutzen der Marke ermöglicht.
Diese App ist – so wie die anderen auch – eine kostenlose Serviceleistung innerhalb
des Social Brandings, die für dauerhafte Kundenbindung sorgt und die Markenportale
von Scout24 in der Kundenwahrnehmung ebenfalls als potenziell hilfreich etabliert.
Aber es kommt beim Social Branding der Zukunft nicht nur auf die Beherrschung
der neuen Kommunikationswege an und darauf, ihre Verhaltensregeln zu verstehen,
alle Kanäle zu vernetzen und im Rahmen der bereits definierten Brand Identity zu nut-
zen. Es ist auch wichtig, aktiv neue interessante Inhalte anzubieten, die auf die jeweilige
Zielgruppe zugeschnitten und den aktuellen Entwicklungen des Social Web angepasst
sind. So wird es Scout24 auch zukünftig gelingen, die Markenwahrnehmung online und
offline durch Social Branding dauerhaft positiv zu beeinflussen und die Reichweite
stetig zu erhöhen.
Digitale Inszenierung – Strategien zur Markenführung bei Scout24 277
Literaturverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung.................................................................................................................................... 280
2 Warum ORM?............................................................................................................................ 280
3 Von ORM zu SMC – Entwicklung einer Strategie ............................................................... 281
4 Channel-Management im Social Web.................................................................................... 283
5 Monitoring und Erfolgskontrolle............................................................................................ 285
6 Fazit.............................................................................................................................................. 287
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 287
_______________________
Andreas Maurer ()
1&1 Internet AG, Elgendorfer Straße 57, 56410 Montabaur, Deutschland
e-mail: andreas.maurer@1und1.de
1 Einleitung
„Wir sind keine Zuschauer oder Empfänger oder Endverbraucher oder Konsumenten. Wir sind Men-
schen – und unser Einfluss entzieht sich eurem Zugriff“1 [2].
Jedes Unternehmen, das sich im Social Web bewegt, trägt – ob bewusst oder unbewusst
– zur Markenbildung, vor allem aber zur Markenwahrnehmung bei den Konsumenten
und Nutzern der Online-Plattformen bei. In der Regel werden Firmen und Organisa-
tionen entsprechende Maßnahmen gezielt einsetzen, um auch im Netz das auf „her-
kömmlichen“ Kanälen gepflegte Markenbild zu etablieren.
Allerdings kann in den sozialen Medien per Definition kein Unternehmen, keine
Marke, keine Organisation ihr Image selbst und vor allem alleine definieren. Die Nutzer,
Kunden, Freunde oder Gegner der Marke verfügen hier plötzlich über eine enorme
Macht. Darüber sollte sich jeder Firmenlenker, Marketingleiter oder Kommunikator, der
den Weg ins Web 2.0 gehen möchte, im Klaren sein.
Diese Veränderung des Kräftegleichgewichts erfordert vor allem von Unternehmen,
die erklärungsbedürftige Produkte und Dienstleistungen vertreiben, welche auch in der
„Vor-Web-2.0-Zeit“ häufig Ziel öffentlicher Kritik waren oder deren Geschäft sich zu
einem großen Teil im Internet abspielt, ein professionelles Online-Reputation-Manage-
ment (ORM).
Am Beispiel des Telekommunikations-Anbieters 1&1, auf den alle drei genannten
Punkte zutreffen, soll gezeigt werden, wie eine entsprechende Strategie entwickelt und
umgesetzt werden kann. Gleichzeitig zeigt das Beispiel 1&1, dass Social-Media-Kommu-
nikation nur in enger Zusammenarbeit mit anderen Kommunikationsabteilungen bzw.
-Kanälen erfolgreich sein kann.
2 Warum ORM?
1&1 ist in Deutschland vor allem als Anbieter von DSL-Anschlüssen und mobilem In-
ternet bekannt. Seine Wurzeln hat das Unternehmen aber im Webhosting, also dem
Anbieten von Speicherplatz im Internet, auf dem Privatkunden und Unternehmen dann
ihre Homepages ablegen. Mit diesem Angebot ist der Provider auch auf zahlreichen
1
Im „Cluetrain Manifest“ haben drei US-amerikanische Autoren Ende der 1990er Jahre versucht zu
skizzieren, wie Unternehmen und ihre Kunden in einem neuen, durch das Internet geprägten „Markt-
platz“ interagieren. Insbesondere weisen die Autoren auf die neue Macht hin, die Verbraucher durch die
Vernetzung mit anderen erhalten.
Online-Reputation-Management im Social Web – Der Ansatz von 1&1 281
Der vermutlich wichtigste Erfolgsfaktor für die ORM-Strategie von 1&1 war der klare
Auftrag des Managements. Nur wenn die Geschäftsleitung eines Unternehmens hinter
dem Schritt in die aktive Partizipation in sozialen Medien steht, können die Aktivitäten
langfristig erfolgreich sein. Denn – das war der große Unterschied zu den von den US-
Agenturen vorgeschlagenen, SEO-getriebenen Maßnahmen – letztlich muss zumindest
eine prinzipielle Bereitschaft zur Veränderung von möglicherweise langjährig gelebten
Geschäftsprozessen bestehen.
282 Andreas Maurer
Die Vorarbeiten in den USA und das Webmonitoring in Deutschland nahmen für
1&1 die „Nullmessung“ vorweg, die zu Beginn jeder Planung von Online-Reputation-
Management- bzw. Social-Media-Maßnahmen stehen sollte: das Zuhören, was über das
eigene Unternehmen oder die eigene Marke gesprochen wird. Erst aus einer solchen
Erhebung des Status quo lassen sich sinnvoll konkrete Aktivitäten ableiten.
Der Weg ins Social Web:
1. Zuhören
2. Mitreden
3. Eigene Akzente setzen
Nach dieser ersten Analyse sollte eine möglichst konkrete Zieldefinition für die künf-
tigen Maßnahmen erfolgen – nicht nur, um überhaupt sinnvolle Aktivitäten zu ent-
wickeln, sondern auch um eine spätere Erfolgskontrolle zu gewährleisten.
Für 1&1 stand schnell das übergeordnete Ziel fest, das Image des Unternehmens im
Web 2.0 zu stabilisieren und mittelfristig zu verbessern. Aus den vorangegangenen Ana-
lysen der Diskussionen wurden die weiteren Ziele Deeskalation kritischer Diskussionen
und Dialog mit Meinungsführern und anderen wichtigen Stakeholdern definiert.
Schließlich sollten im nächsten Schritt auch die eigenen Stärken kommuniziert und
letztlich auch die Eignung der neuen Kommunikationskanäle für Marketing und Ver-
triebsaktivitäten getestet werden.
Basierend auf dieser Zieldefinition wurden dann die relevanten Kanäle (siehe nächs-
ter Abschnitt) und Aufgaben definiert und eine Organisationsstruktur entwickelt, um
diese Aufgaben umzusetzen.
Als Kernaufgaben identifizierte 1&1:
Zur Umsetzung dieser Maßnahmen wurde im Rahmen der ORM-Strategie der Auf-
bau eines eigenen Teams innerhalb der PR-Abteilung vorgeschlagen, das sämtliche Akti-
vitäten sowie die Fortentwicklung der Strategie zentral steuern und koordinieren sollte.
Gleichzeitig wurden Schnittstellen und Feedback-Kanäle in die einzelnen Bereiche des
Unternehmens festgelegt.
Online-Reputation-Management im Social Web – Der Ansatz von 1&1 283
Für 1&1 waren die Schnittstellen zu den Bereichen Customer Care, Unternehmens-
kommunikation/PR sowie Marketing am wichtigsten. Gleichzeitig wurden aber auch zu
nahezu allen Abteilungen formelle Schnittstellen definiert oder informelle Kontakte
aufgenommen.
Schließlich beinhaltete die Strategie auch einen konkreten Budgetvorschlag zur Um-
setzung der geplanten Maßnahmen. Bei 1&1 fiel die Entscheidung, alle Aktivitäten mit
eigenen Mitarbeitern, ggf. punktuell mit externer Unterstützung, zu realisieren. Jedem
Unternehmen sollte aber klar sein, dass aktives Online-Reputation-Management, egal ob
mit eigenem Personal oder mit Hilfe einer spezialisierten Agentur, nicht zum Nulltarif
zu haben ist.
Erfolgsfaktoren für eine Online-Reputation-Management-Strategie in sozialen Medien:
Für die aktive Kommunikation fiel die Wahl auf die beiden wohl immer noch be-
kanntesten Plattformen: den Kurznachrichtendienst Twitter und das größte Social Net-
work Facebook. Mit der Auswahl war klar, dass diese Dienste intensiv beobachtet wer-
den mussten. Hintergrund der Entscheidung war – neben der allgemeinen Bedeutung
der beiden Dienste –, dass 1&1 von vornherein plante, die Social-Media-Aktivitäten
international auszurollen. Und Twitter und Facebook dürften bis heute die weltweit am
weitesten verbreiteten Plattformen sein. Für Deutschland wurde außerdem frühzeitig ein
Unternehmensblog geplant.
Gleichzeitig wurden auch eher lokal bedeutsame Plattformen in eine Watchlist aufge-
nommen, in Deutschland etwa „wer-kennt-wen“ oder die VZ-Netzwerke. Allerdings
wurden Aktivitäten auf diesen Kanälen nach einer Beobachtungsphase auf ein Minimum
zurückgefahren. Auch beim Eintritt in neue Märkte evaluiert 1&1 regelmäßig, welche
Social-Media-Plattformen lokal bedeutsam sind.
Der Channel-Mix sollte allerdings nicht statisch sein. Das Verhalten von Internetnut-
zern ändert sich, neue Plattformen entstehen – siehe etwa Google Plus –, andere verlie-
ren oder gewinnen an Bedeutung. So wurde etwa der Twitter-Account von 1&1 in
Deutschland ein gutes Jahr lang deutlich stärker von Kunden und Nichtkunden frequen-
tiert als die Facebook-Seite des Unternehmens, bis sich dieser Wert Anfang 2011 plötz-
lich umkehrte. Entsprechend müssen ORM-Verantwortliche die Auswahl ihrer Kanäle
regelmäßig überprüfen. Nach Beginn einer TV-Werbekampagne zum Thema Kunden-
zufriedenheit startete der Internetprovider z. B. kurzfristig einen YouTube-Kanal, den es
mittlerweile in allen Ländern gibt.
Nach der grundsätzlichen Auswahl der Kanäle galt es, die Kommunikationswege zu
justieren. Zahlreiche Fragen stellten sich: Welche Rubriken soll die Facebook-Seite um-
fassen, sollen Diskussionen auf der Pinnwand möglich sein, (wie) werden Kommentare
moderiert, wie werden Nutzer angesprochen, treten ein anonymes Social-Media-Team
oder Mitarbeiter mit Gesicht auf? Auf all diese Fragen gibt es keine pauschalen Antwor-
ten. Sie müssen für jedes Unternehmen, jede Marke, jedes Land und auch für jede Social-
Media-Plattform mehr oder minder individuell beantwortet werden.
1&1 entschied sich für eine persönliche Ansprache, bei der die Mitarbeiter mit vollem
Namen (auf Twitter aus Platzgründen mit Kürzel) in Erscheinung treten, einen eher
lockeren aber dennoch professionellen Umgangston pflegen. Dabei war es wichtig, diese
Entscheidung auch in andere Teile des Unternehmens zu tragen – etwa zu den Mitarbei-
tern des Customer-Care-Teams, die Kundenanfragen aus sozialen Medien bearbeiten
und gewöhnlich deutlich strengere Vorgaben für ihre Kommunikation haben.
Ein weiterer Aspekt des Channel-Managements war die Unterstützung von verschie-
denen Fachabteilungen bei der Auswahl geeigneter Plattformen für eigene Kommuni-
kationsmaßnahmen. So signalisierte etwa die Personalabteilung frühzeitig Interesse,
soziale Netzwerke für Rekrutierungsmaßnahmen und Employer Branding zu nutzen,
auch Vertriebseinheiten wollten ihre Zielgruppen über die „neuen Medien“ ansprechen.
Hier zeigte sich deutlich der Nutzen einer zentralen Social-Media-Abteilung als Koor-
dinationsstelle, die bereits bei der Kanalauswahl unterstützend tätig werden kann.
Online-Reputation-Management im Social Web – Der Ansatz von 1&1 285
Web-2.0-Kanälen verschließt, riskiert einen großen Schaden für seine Marke, der sich im
Falle einer Krise nur schwer wieder beheben lässt.
In monatlichen Management Reports informiert die Social-Media-Abteilung von 1&1
über ihre Aktivitäten. Dabei stehen neben quantitativen Größen wie Fans/Follower oder
eigene Beiträge vor allem die Interaktionen mit den Nutzern und die Erfolgsquote bei
der Bearbeitung von Kundenanliegen im Vordergrund.
6 Fazit
Kommunikationsverantwortlichen muss klar sein, dass sich derzeit kaum ein Feld so
schnell verändert wie die Online-Medien. Neue Plattformen wie Google Plus kommen
hinzu, neue Darstellungsformen – Stichwort Video und YouTube – gewinnen an Be-
deutung und die Kommunikation findet auf immer breiterer Ebene statt. Ein kleines,
lokal tätiges Unternehmen kann so plötzlich im Blickpunkt des internationalen Interes-
ses stehen.
Daneben entdecken immer mehr Abteilungen die tatsächlichen und vermeintlichen
Vorzüge des Social Web, Mitarbeiter bewegen sich im Privaten ohnehin auf vielen der
professionell genutzten Plattformen. Die neuen Kanäle scheinen ein idealer Kanal für
Marketing- und Vertriebsaktivitäten zu sein. Hier ist es an den Kommunikatoren und
Social-Media-Experten, in der eigenen Organisation beratend zur Seite zu stehen, er-
folgversprechende Maßnahmen zu fördern oder anzuregen, aber auch vor Risiken zu
warnen.
Professionelles Online-Reputation-Management sollte vor diesem Hintergrund ein
Baustein jeder Social-Media-Strategie zumindest von größeren Unternehmen und Or-
ganisationen sein und alle Kommunikations- und Marketing-Abteilungen mit ins Boot
nehmen.
Die eigenen Kunden nutzen die neuen Plattformen und sprechen über ihre Erfahrun-
gen mit Unternehmen und Marken – ob es diesen gefällt oder nicht. So haben sie unmit-
telbaren Einfluss auf das Markenimage und damit letztlich auch den Wert und das
Schicksal von Unternehmen. Das Social Branding bleibt eben nicht im Social Web ge-
fangen. Die Umsetzung einer durchdachten Online-Reputation-Management-Strategie
kann hier nach innen wie nach außen wirken.
Literaturverzeichnis
1 Einleitung.................................................................................................................................... 290
2 Facebook: Ziele – Strategien – Maßnahmen ......................................................................... 291
2.1 Überlegungen zum Markt......................................................................................... 291
2.2 Das Facebook-Engagement der Mang Medical One............................................. 292
3 Organisatorische und rechtliche Aspekte .............................................................................. 293
3.1 Organisatorische Aspekte ......................................................................................... 294
3.2 Rechtliche Aspekte ..................................................................................................... 294
4 Ergebnisse ................................................................................................................................... 296
4.1 Quantitative Ergebnisse............................................................................................. 296
4.2 Qualitative Ergebnisse ............................................................................................... 300
5 Fazit & Ausblick......................................................................................................................... 304
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 305
_______________________
Philipp Morsbach ()
Mang Medical One AG, Im Teelbruch 55, 45219 Essen, Deutschland
e-mail: pmo@mangmedicalone.de
Hanna Laura Kasberg ()
Mang Medical One AG, Im Teelbruch 55, 45219 Essen, Deutschland
e-mail: lka@mangmedicalone.de
„Gerade bei hauptsächlich emotional motivierten Kaufentscheidungen, wie der für eine ästhetische
Operation, fällt bereits heute den sozialen Medien eine besondere Bedeutung zu.“ Philipp Morsbach
„Die Vermittlung von Vertrauen stellt beim Social Branding im medizinischen Sektor eine der wichtigs-
ten Größen dar. Kommunikation über Social Media ist für Unternehmen in diesem Bereich somit zu-
gleich Herausforderung und Chance.“ Hanna Laura Kasberg
1 Einleitung
Das Wesen von Dienstleistungen besteht darin, dass die Qualität der gekauften Leistung
letztendlich erst bei oder nach Leistungserbringung beurteilt werden kann. Im Falle der
Schönheitschirurgie kann der Patient eben erst nach der Operation und der Abheilungs-
phase beurteilen, ob das Ergebnis den Erwartungen entspricht.
292 Philipp Morsbach, Hanna Laura Kasberg
Mit anderen Worten: Der Kunde kauft die sprichwörtliche Katze im Sack. Und das in
einem Bereich, der direkt das körperliche Wohlergehen betrifft, ein nicht unerhebliches
gesundheitliches Risiko mit sich bringt und sich im Preissegment für Investitionsgüter
bewegt.
Folgerichtig ist die Entscheidungsfindung komplex und langwierig. Studien belegen,
dass der Entscheidungszyklus im Bereich der Schönheitschirurgie von der Information-
seeking-Phase bis zur Operation je nach Operationsart durchschnittlich 2–4 Jahre dauert.
Auf der anderen Seite finden die Patienten einen recht intransparenten, fragmentier-
ten und unreglementierten Markt vor. Die Bezeichnung „Schönheitschirurg“ ist weder
definiert noch geschützt. Es gibt keine eindeutigen Regeln dafür, welche Facharztgrup-
pen welche Art von Eingriff vornehmen dürfen. Es gibt keine Verpflichtung für Ärzte
oder Kliniken, Zahlen und Statistiken, z. B. zur Anzahl der durchgeführten Operationen
oder zur Komplikations- und Infektionsrate, zu veröffentlichen oder sich gar extern
auditieren zu lassen. In Deutschland wird der Markt dominiert von kleinen Einzelpraxen
und Einzelkliniken mit meist 1–2 partnerschaftlich organsierten Ärzten. Es gibt keine
medizinischen Standards, keine sog. Evidence Based Medicine (EBM).
Es treffen also ein hohes Informations- und Sicherheitsbedürfnis auf der Nachfrage-
seite und eine intransparente, fragmentierte Angebotsseite aufeinander.
In einem solchen Umfeld fällt dem Empfehlungsmarketing eine besondere Bedeu-
tung zu. Empfehlungsmarketing war für Dienstleistungsunternehmen wie die Mang
Medical One schon immer ein wesentlicher Teil ihres Erfolges. Was man früher unter
Word-of-Mouth-Propaganda verstanden hat – also die Empfehlung durch Kunden
oder Befürworter – hat durch die Möglichkeiten des Web 2.0 eine völlig neue Dimen-
sion erlangt.
Um die Ziele des Facebook-Engagements abzuleiten, hilft ein Blick auf den Konversions-
funnel der Mang Medical One (vgl. Abb. 1).
Auf den verschiedenen Ebenen des Funnels werden bei der jährlichen Marketingpla-
nung Ziele definiert, Strategien abgeleitet und Maßnahmen beschlossen. Im Rahmen der
Marketingplanung 2010 wurde zum ersten Mal geprüft, inwieweit ein Engagement bei
Facebook als strategischer Ansatz dazu beitragen kann, die quantitativen Lead-und Kon-
versionziele zu erreichen.
hatte, dass „klassische“ TKP-Bannerkampagnen einen negativen ROI hatten, kam das
CPC-Preismodell von Facebook dem Unternehmen entgegen. Als konkrete Maßnahmen
wurden verschiedene Kampagnen mit unterschiedlichen Anzeigentypen entwickelt,
getestet und implementiert.
Durch den kontinuierlichen Ausbau der Facebook-Seite von einem „Testballon“ hin zu
einem zusätzlichen Marketingkanal für die Mang Medical One hat sich der Arbeits-
aufwand für die Pflege der Seite ständig vergrößert, was eine strukturierte Vorgehens-
weise notwendig macht, die den Bedürfnissen des Mediums, z. B. dem der ständigen
Aktualisierung, gerecht wird. Darüber hinaus sind bei der inhaltlichen Pflege bestimmte
rechtliche Aspekte zu beachten, die für einen Dienstleister im medizinischen Bereich
gelten.
294 Philipp Morsbach, Hanna Laura Kasberg
Die Pflege der Facebook-Seite der Mang Medical One Klinikgruppe (vgl. Abb. 2) ist von
Anfang an in der Abteilung Marketing & PR der Mang Medical One AG in Essen ange-
siedelt, in der sämtliche Marketing- und PR-Aktivitäten des Unternehmens koordiniert
und umgesetzt werden. In den regelmäßigen Verantwortungsbereich der PR-Managerin
fallen folgende Aufgaben:
Inhalt
• die tägliche Generierung von News für die Pinnwand,
• die kontinuierliche Aktualisierung der Reiter Info, Fotos, Video, YouTube,
• der Dialog mit den Fans,
• seit Mitte Juni 2011: Betreuung des „Frag-den-Arzt“-Reiters, über den User den Ärz-
ten anonym Fragen stellen können, die innerhalb von zwei Tagen beantwortet wer-
den.
Controlling
• die potenzielle Entfernung von pornografischen oder anzüglichen Kommentaren von
der Pinnwand,
• die wöchentliche Auswertung der Facebook-Statistiken
− zur Entwicklung der Fan-Anzahl,
− zu den Interaktionen (Feedback zu Beiträgen, Beitragsaufrufe),
− zur Demografie, Aktivität und zum Medienkonsum der Fans.
Werbung
• Juni 2011: die Aufsetzung von drei Landingpages für die Geschäftsbereiche Ästheti-
sche Chirurgie, Haartransplantation und Magenballon inklusive Kontaktformular
durch eine Agentur und die IT,
• das Aufsetzen verschiedener Ad-Kampagnen mit Verlinkung auf die Landingpages,
• die kontinuierliche Überprüfung der Performance der Anzeigengruppen,
• das Tracking der über die Facebook-Landingpages generierten Leads und ihre Kon-
version.
Bei der Betreuung der Facebook-Seite müssen wie bei der Kommunikation über alle
anderen Marketingkanäle die Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes beachtet werden,
Social Branding bei Facebook – Markenaufbau, Kundenbindung & -gewinnung 295
das in Deutschland relativ strenge Richtlinien vorsieht. So ist es zum Beispiel nicht er-
laubt, auf der Seite mit Vorher-Nachher-Bildern von Patienten zu werben. Auch die
Verwendung von Superlativen, z. B. „wir sind die besten Ärzte“, oder Heilsversprechen
ist untersagt.
In Bezug auf die Verwendung von Bildern für die geschäftsbereichsbezogenen Anzei-
gen-Kampagnen stellt sich im Vergleich zur Homepage bei Facebook die Schwierigkeit,
solche zu verwenden, die zwar einen Bezug zur Dienstleistung haben, aber weder
• sexuell oder
• provokant sind noch
• zu viel Haut zeigen oder
• bestimmte Körpertypen idealisieren.
Dies ist mitunter insofern schwierig, als die Dienstleistungen der Mang Medical One
sich auf den Körper beziehen. Ferner ist es wichtig, solche Bilder zu verwenden, die die
User dazu bewegen, auf die Anzeige zu klicken. Hier einen Mittelweg zwischen der Ein-
haltung der ethischen Richtlinien und einer attraktiven Aufmachung zu finden, stellt
eine Herausforderung dar.
296 Philipp Morsbach, Hanna Laura Kasberg
4 Ergebnisse
Die Erfolgsmessung bei Facebook stellt eines der stark diskutierten Themen dar: „Um
den Return on Investment (ROI), also die Kapitalrendite für Aktivitäten in Social Media
zu berechnen, gibt es noch keine Formel. Vielleicht wird es auch nie eine geben, die für
alle Aktivitäten gilt“ [4]. Ist es die Anzahl der Fans oder das Ausmaß der Interaktion,
das den Erfolg ausmacht? Fest steht: Für die Bewertung des bisherigen Erfolgs der Face-
book-Seite „Mang Medical One Schönheitskliniken“ muss zwischen qualitativen und
quantitativen Aspekten unterschieden werden. Die Agentur AG Social Media unterteilt
diese in drei verschiedene Ebenen, anhand derer im Folgenden die bisherigen Erfahrun-
gen mit der Facebook-Seite der Mang Medical One Klinikgruppe analysiert werden
sollen (vgl. [1]):
Abb. 3 Anstieg der Fan-Anzahl Ende Dezember 2010 bis Ende August 2011 (Quelle: Facebook)
einmal im Monat mit der Seite interagierten. Auch hier lässt sich wieder ein deutlicher
Zusammenhang mit den parallel geschalteten Werbeanzeigen erkennen.
Anzahl Beitragsaufrufe
Bereits ab November 2010, als die Frequenz der Facebook-Posts erstmalig erhöht wur-
de, ließ sich ein Anstieg der Beitragsaufrufe verzeichnen (vgl. Abb. 5). Waren es Ende
2010 noch rund 80 Beitragsaufrufe am Tag, so waren es im August 2011 ungefähr sechs-
mal so viele.
298 Philipp Morsbach, Hanna Laura Kasberg
Abb. 4 Entwicklung der täglich, wöchentlich und monatlich aktiven User Ende Dezember 2010
bis Ende August 2011 (Quelle: Facebook)
Abb. 5 Entwicklung der täglichen Beitragsabrufe Ende Dezember 2010 bis Ende August 2011
(Quelle: Facebook)
Abb. 6 Gesamte und einmalige Seitenaufrufe Ende Dezember 2010 bis Ende August 2011 (Quelle:
Facebook)
Der am häufigsten aufgerufene Tab ist die Pinnwand, was sich dadurch erklärt, dass
diese jeder User, der auf die Seite kommt, sofort sieht (vgl. Tab. 1). An zweiter Stelle folgt
die Landingpage Ästhetische Chirurgie, die in den Monaten Juni bis August 2011 inten-
siv beworben wurde. Der Foto-Tab steht an dritter Stelle, gefolgt von den zwei anderen
Landingpages zu den Themen Magenballon und Haartransplantation.
Am meisten Traffic wird von der Homepage auf die Facebook-Seite geleitet, gefolgt
von Google, wo die Facebook-Seite bei Eingabe des Suchwortes „Mang Medical One“
mittlerweile auch auf Seite 1 positioniert ist.
Leads
Ende Mai 2011 wurden für die Facebook-Seite drei Landingpages angelegt, auf die über
verschiedene Ad-Kampagnen verlinkt werden kann. Ziel war und ist es, herauszufinden,
300 Philipp Morsbach, Hanna Laura Kasberg
inwieweit über Facebook als neuen Marketingkanal Leads generiert werden, die idealer-
weise zu Patienten konvertieren.
Von Juni bis Ende August wurden als erste Phase des Tests 4.020,33 € für verschiede-
ne überregional und regional ausgesteuerte Ad-Kampagnen ausgegeben, die explizit auf
eine der drei Facebook-Landingpages verlinkten (ausgenommen ist hier also das Budget
für gesponserte Meldungen und Verlinkungen auf andere Tabs). Die Werbung führte zu
insgesamt 101 Neukontakten. Der Cost pro Lead lag hier also bei 39,80 €. Dies liegt in
der Preisspanne, die auch bei anderen Kanälen wie SEA oder Affiliate Marketing anfällt.
Demografie
Besonders spannend ist der Einblick in die demografische Struktur der Fans über Face-
book-Insights (vgl. Abb. 7): 66 % sind weiblich, 32 % männlich. Diese Verteilung der
Geschlechter stimmt ungefähr mit der Verteilung der Interessenten und Patienten in der
Klinikgruppe überein. 39 % der weiblichen Fans sind in der Kernzielgruppe der 25–44-
Jährigen – auch dies eine weitgehende Übereinstimmung mit der Realität. Deutlich we-
niger vertreten sind männliche und weibliche Fans ab 45, was mit der allgemeinen De-
mografie bei Facebook übereinstimmt (vgl. [2]). Diese sieht die 14–18-Jährigen als größ-
te Nutzergruppe in Deutschland. Zur Hauptzielgruppe der Mang Medical One gehören
diese jedoch nicht.
Aus der regionalen Verteilung über Länder und Städte lassen sich keine besonderen
Erkenntnisse gewinnen (vgl. Tab. 2). Lediglich eine Dominanz der Herkunftsstädte
Frankfurt, München und Düsseldorf ist zu erkennen. Ostdeutsche Städte tauchen in der
Auswertung gar nicht auf, was sich mit dem deutlich geringeren Interesse ostdeutscher
Mitbürger an dem Dienstleistungsspektrum deckt (Analysen Google Insights).
• 26.08.11: 25 Personen gefällt eine Ankündigung über Prof. Mangs soziales Engage-
ment,
• 18.07.11: 19 Personen gefällt eine Ankündigung für eine TV-Sendung mit einem der
Ärzte,
• 30.07.11: 19 Personen gefällt ein Gruppenfoto der Mitarbeiter,
• 17.07.11: 14 Personen gefällt ein Beitrag zu einer Erfolgsstory mit dem Magenballon,
• 18.08.11: 13 Personen gefällt ein Foto des Fussballers Wayne Rooney nach seiner
Haartransplantation.
Social Branding bei Facebook – Markenaufbau, Kundenbindung & -gewinnung 301
Abb. 7 Demografie der Facebook-Fans Mai 2010 bis Ende Juli 2011 (Quelle: Facebook)
Tab. 2 Herkunft der Facebook-Fans Mai 2010 bis Ende Juli 2011 (Quelle: Facebook)
Möchte man aus diesen Erfahrungen bereits Rückschlüsse ziehen, so deuten sie dar-
auf hin, dass bei Facebook eine inhaltliche Mischung aus Unterhaltung, Prominenz, Er-
folgsgeschichten und Firmeninterna am häufigsten auf Resonanz in Form von „Gefällt
mir“ stößt.
Persönliche Kommentare werden deutlich seltener abgegeben als „Gefällt mir“-Klicks
(vgl. Abb. 9). Da hier auch häufig Mitarbeiter partizipieren, ist es schwieriger, eine ge-
302 Philipp Morsbach, Hanna Laura Kasberg
Abb. 8 Tägliches Feedback für Meldungen Januar 2011 bis Ende August 2011 (Quelle: Facebook)
Abb. 9 Tägliche Kommentare für Meldungen Januar 2011 bis Ende August 2011 (Quelle: Face-
book)
naue Aussage zum Involvement zu tätigen. In den meisten Fällen, in denen User einen
Kommentar posten, führt dieser maximal zu ein bis zwei weiteren.
Der bisher größte Erfolg bei der User-Einbindung wurde durch eine Umfrage mit
dem noch relativ neuen Umfrage-Tool erreicht (vgl. Abb. 10). Hier beteiligten sich im-
merhin 54 User und gaben ihre Antwort auf die Frage „Was macht Ihrer Meinung nach
einen Mann attraktiv?“.
Ein Mehrwert der Facebook-Seite wurde mit der Einrichtung des „Frag-den-Arzt“-
Tabs Mitte Juni 2011 geschaffen (vgl. Abb. 11). Fünf User nutzten schon die Gelegenheit,
anonym eine Frage einzureichen, die von einem der Ärzte per E-Mail beantwortet wird.
Diese Applikation hat zudem den Vorteil, dass Inhalte für die Pinnwand generiert wer-
den, die u. U. auch für andere Fans interessant sind.
Tonalität
Die Tonalität der Kommentare zu Meldungen ist überwiegend positiv. So kommentier-
ten User das Bild mit Prof. Mang und Michelle Hunziker zum Beispiel mit „Yes!“ oder
„Sehr schön!“. Anzügliche oder nicht ernst gemeinte Kommentare gibt es auch. So
schrieb ein männlicher User auf die gleiche Meldung hin: „Ist Jürgens Po auch geliftet?“
Hier wurde entschieden, den Beitrag zu entfernen.
Social Branding bei Facebook – Markenaufbau, Kundenbindung & -gewinnung 303
Positive Kommentare entstehen häufig auch dann, wenn User Ärzte der Mang Medi-
cal One und ihrer Leistungen in TV-Sendungen bewerten. So schreibt eine Userin zum
Beispiel „Würde sehr sehr gerne Dr. Mang näher kennenlernen. Er ist der beste Chirug
der Welt für mich:-)“ und eine andere „Die Ausstrahlung der gestrigen Extrem Schön
Sendung auf RTL2 mit Dr. Mang persönlich hat mich sehr berührt, … ich war bisher nur
bei einem Beratungsgespräch in Stuttgart, leider ist mir eine OP finanziell nicht möglich
und es ist schon seit vielen Jahren sehr belastend für mich, dennoch hat mich die Bera-
tung darin bestärkt die OP irgendwann machen zu lassen.“
Wie in Abschn. 2 beschrieben, verfolgt die Mang Medical One Klinikgruppe mit der
eigenen Facebook-Seite das Ziel, Kontakte zu generieren, die zum Jahresumsatz beitra-
gen, und Vertrauen in dem recht intransparenten Markt der Ästhetischen Chirurgie zu
schaffen.
Die bisherigen Erkenntnisse zur Kontaktgenerierung über Facebook (seit Juni 2011)
zeigen, dass Facebook als Marketingkanal durchaus dazu geeignet ist, Kontakte zu gene-
rieren. Die bisherigen Ergebnisse zur Konversion von Kontakt zu Behandlung sind im
Vergleich zu den anderen Marketingkanälen jedoch eher enttäuschend bzw. können zum
jetzigen Zeitpunkt aufgrund der zeitlichen Spanne zwischen Beratungsgespräch und tat-
sächlicher Behandlung noch nicht in Gänze beurteilt werden. Die Konversion von Neu-
kontakt zu durchgeführtem Beratungsgespräch lässt sich jedoch schon bewerten und liegt
leider unter der Rate anderer Marketingkanäle. Es bleibt hier jedoch abzuwarten, wie sich
die bislang generierten Kontakte entwickeln und inwiefern Optimierungen an den Face-
book-Landingpages vielleicht dazu beitragen können, die Konversion weiter zu steigern.
Das Erreichen des Ziels, Vertrauen zu schaffen, lässt sich nicht wirklich „messen“.
Was sich jedoch aus den bisherigen Ergebnissen zur Aktivität der User auf der Seite in
Form von „Gefällt mir“ oder Kommentaren schließen lässt, ist die Tatsache, dass der
Großteil der von Mang Medical One geposteten Beiträge durchaus auf das Interesse der
User stößt, viele sich sogar öffentlich auf der Pinnwand als Patienten zu erkennen ge-
ben. Darüber hinaus kommt es immer wieder dazu, dass User behandlungsspezifische
Fragen stellen, die zwar auf der Pinnwand nicht beantwortet werden, die User jedoch an
die richtigen Ansprechpartner verwiesen werden. Insofern ist dies zumindest auch ein
Indiz dafür, dass User das „Vertrauen“ haben, von Mang Medical One eine richtige
Antwort zu bekommen. Indem das Unternehmen bei Facebook „live“ jeden Fan-Kom-
mentar mitbekommt und ebenso „live“ gegenüber seinem Publikum reagieren kann,
besteht die Chance, sich bei den Usern als vertrauenswürdiger Ansprechpartner zu
etablieren.
Das Ziel der Mang Medical One Klinikgruppe ist es, die Kontaktgenerierung und
Vertrauensschaffung über die Facebook-Seite weiterzuverfolgen und u. U. auszubauen.
Social Branding bei Facebook – Markenaufbau, Kundenbindung & -gewinnung 305
Literaturverzeichnis
1 AG Social Media (2010): Arbeitsgemeinschaft Social Media, URL: http://ag-sm.de/, abgerufen am:
15.11.2011.
2 Allfacebook (2011): Facebook Nutzerdaten Deutschland (Stand 01.09.2010), URL:
http://allfacebook.de/userdata/, abgerufen am: 15.11.2011.
3 Innovation Area (2011): Was sind Social Media?, URL: http://www.innovation-area.de/allgemein/
definition-social-media-22.html, abgerufen am: 15.11.2011.
4 Internet World (2011): Messgrößen für Social-Media-Kampagnen, Das Ziel definiert die Erfolgskri-
terien, URL: http://www.internetworld.de/Specials/Facebook/How-to/Messgroessen-fuer-Social-
Media-Kampagnen-Das-Ziel-definiert-die-Erfolgskriterien, abgerufen am: 15.11.20011.
5 ISAPS (2010): Biennial Global Survey reveals trends in procedures and geographic leadership, URL:
http://www.isaps.org/uploads/news_pdf/BIENIAL_GLOBAL_SURVEY_press_release.pdf, abgeru-
fen am: 19.07.2011.
6 Mang Medical One Schönheitskliniken (2011): Facebook Unternehmensseite, URL:
www.facebook.com/mangmedicalone, abgerufen am: 10.07.2011.
7 Margraf, J. (2010): Studie „Wie beeinflusst Schönheitschirurgie das Leben der Patienten?“.
8 Online Marketing Praxis (2011): Was ist Social Media und wie wichtig ist es für Unternehmen?,
URL: http://www.onlinemarketing-praxis.de/social-media/was-ist-social-media-und-wie-wichtig-ist-
es-fuer-unternehmen, abgerufen am: 15.11.2011.
9 Wollowski, C. (2010): Alles aus Plastik, URL: http://www.tagesspiegel.de/medien/alles-aus-plastik/
1895414.html, abgerufen am: 15.11.2011.
Soziale Medien
im Business-to-Business-Geschäft –
21
Ein Praxisbericht
Christian Schmitz, Michael Ahlers
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung.................................................................................................................................... 308
2 Geschäftliche Anwendungsbereiche sozialer Medien.......................................................... 309
3 Arten sozialer Medien im Überblick ...................................................................................... 310
3.1 Soziale Medien im geschäftlichen Umfeld.............................................................. 315
3.2 Kontaktstrategien in sozialen Medien..................................................................... 318
4 Nutzung sozialer Medien im Mittelstand .............................................................................. 319
4.1 Besonderheiten der Mediennutzung im Mittelstand............................................ 319
4.2 Praxisbeispiel SUXXEED Sales for your Success GmbH...................................... 321
5 Bewertung sozialer Medien im B2B-Geschäft....................................................................... 324
5.1 Erfahrungen mit sozialen Medien aus Sicht von SUXXEED............................... 324
5.2 Schlussbetrachtung..................................................................................................... 325
Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 327
_______________________
Prof. Dr. Christian Schmitz ()
Universität St. Gallen, IfM-HSG, Dufourstr. 40, 9000 St. Gallen, Schweiz
e-mail: christian.schmitz@unisg.ch
Michael Ahlers ()
Suxxeed, Sales for your Success GmbH, Nordostpark 82, 90411 Nürnberg, Deutschland
e-mail: michael.ahlers@suxxeed.de
„Social Media sind in aller Munde. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen müssen entdecken,
ob und inwieweit sie von den neuen Entwicklungen profitieren können.“ Prof. Dr. Christian Schmitz
„Social Media ist GROSS und extrem schnell und man hat die Möglichkeit, mit kleinen Budgets eine
gute Wirkung zu erzielen.“ Michael Ahlers
1 Einleitung
Soziale Medien
Begriffe wie Web 2.0, Social Media oder Social Networking sind aus dem geschäftlichen
Umfeld heute nicht mehr wegzudenken. Das Internet hat nicht nur den Handlungsspiel-
raum von Unternehmen vergrößert, sondern auch Käufertypen und Käuferverhalten
beeinflusst. Käufer investieren heute mehr Zeit in Informationsrecherche, bevor sie eine
Entscheidung fällen, und sind zunehmend besser informiert. Das gilt für Consumer
ebenso wie für Kaufentscheider im B2B-Umfeld (vgl. [7], S. 155).
Auch die Durchführung von Internetrecherchen ist bei vielen Entscheidungsträgern in
deutschen Unternehmen fester Bestandteil des Arbeitsalltags geworden. Aktuelle Studien
zeigen, dass das Web der einflussreichste Informationskanal zur Vorbereitung von B2B-
Investitionsentscheidungen ist – unabhängig von Branche und Investitionsvolumen.
Die Herausforderung liegt für Unternehmen zunächst darin, relevante Netzwerke zu
identifizieren und dann für sich zu nutzen. Möchte ein Unternehmen in sozialen Medien
Soziale Medien im Business-to-Business-Geschäft – Ein Praxisbericht 309
aktiv werden, gilt es, deren Potenziale zu erkennen, aber auch die jeweiligen Chancen
und Risiken einzuschätzen.
Der Begriff soziale Medien setzt einen Rahmen für soziale Netzwerke und Gemein-
schaften, die als Plattform dienen, um benutzergenerierte Inhalte wie Erfahrungen, Mei-
nungen und Eindrücke zu teilen und auszutauschen. Als Kommunikationsmedien wer-
den Text, Bild, Video- sowie Audiodateien verwendet. Die sozialen Medien basieren auf
Interaktion und unterscheiden sich dadurch grundsätzlich von den klassischen Massen-
medien. Sender und Empfänger von Informationen agieren auf Augenhöhe. Exemplari-
sche Beispiele für soziale Medien sind Facebook, Twitter, Blogs, XING und LinkedIn.
Der große Teil der sozialen Netzwerke ist offen, d. h. nicht zugangsbeschränkt. Die
Nutzung der Grundfunktionen eines sozialen Netzwerkes ist in der Regel kostenlos.
Manche Netzwerke bieten erweiterte Funktionalität oder Premium-Funktionen an, die
kostenpflichtig sind und zu einem kostenlosen Basis-Account hinzugebucht werden
können. Ein Beispiel hierfür ist die Premium-Mitgliedschaft auf XING.
Ein wichtiger Bestandteil von Social-Networking-Plattformen ist, dass die User ohne
großen Aufwand über aktuelle Ereignisse und Veränderungen innerhalb ihres Kontakt-
kreises auf dem Laufenden gehalten werden. Im Umkehrschluss können sie selbst ihr
Netzwerk einfach und schnell mit neuen Informationen erreichen.
Der Nutzen sozialer Netzwerke liegt grundsätzlich darin, auf privater oder beruflicher
Ebene Kontakt mit anderen aufzubauen, zu pflegen und zu intensivieren. Bei Business-
Netzwerken wie XING oder LinkedIn stehen berufliche Ziele oder geschäftliche Interes-
sen im Vordergrund.
Die Auswahl an sozialen Medien ist groß und ebenso vielfältig sind die Möglichkeiten
der Interaktion.
Der vorliegende Beitrag soll aus einer praxisnahen Sicht einen Überblick über soziale
Medien und deren Anwendungsbereiche im geschäftlichen Umfeld geben. Dabei werden
viele Beispiele aus der geschäftlichen Praxis aufgeführt, auf theoretische Ausführungen
wird weitgehend verzichtet.
In diesem Kapitel sollen folgende Fragen beantwortet werden: a) Welche sozialen Me-
dien gibt es? b) Welche Anwendungen finden die jeweiligen Medien im B2B-Umfeld?
Soziale Medien lassen sich nach dem von Schögel und Mrkwicka entwickelten An-
satz, der auf Arbeiten der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung (AGOF) beruht, nach
den vier Kategorien Contribution, Networking, Messaging und Sharing einteilen (vgl.
[7], S. 143ff.): Die Kategorisierung erfolgt dabei nach dem Grad der Interaktivität zwi-
schen den Kunden und der Interaktivität zwischen Kunden und dem Unternehmen
(vgl. [10]).
310 Christian Schmitz, Michael Ahlers
h och
Interaktivität zwischen Kunden und Unternehmen Contribution N e tw orking
Servicehotline
O in Twier O
Innovations- Lead-User-
K K webewerbe Entwicklungs- K K
portal
Kunden-helfen-
K K K K Kunden-Forum
Mobile Service- Blogs Fansite in
Anwendungen Social Network
Me ssa ging Sha ring Virales
O Microblogging O Marketing
E-Mail- Guerilla
Marketing Fotos/Videos zur Marketing Social
K K K K
Verfügung stellen Bookmarking
n iedrig
Suchmaschinen- Monitoring
K K Eintrag in K K
marketing
Wikipedia pflegen
niedrig hoch
Interaktivität zwischen Kunden
• Blogs können als Plattform zur Verbreitung von Geschäftsinformationen dienen. Sie
gehören mittlerweile zum Standardinstrument für Branding, Imagepflege und Kom-
munikation bei Medien, Unternehmen, Analysten und Journalisten.
• Das Führen eines eigenen Blogs kann sich zudem positiv auf das Suchmaschinen-
ranking auswirken (Stichwort: SEO – Search Engine Optimization).
Soziale Medien im Business-to-Business-Geschäft – Ein Praxisbericht 311
Microblogging
Als Microblogging wird eine Form des Bloggens bezeichnet, bei der die veröffentlichten
Textnachrichten (sogenannte Tweets) meist nicht länger als 200 Zeichen sind. Der wohl
populärste Microblogging-Dienst Twitter beschränkt die Länge der Tweets auf maximal
140 Zeichen.
Tweets können Links zu weiteren Informationsmedien wie Webseiten, Videos oder
Fotos beinhalten und können daher durchaus gehaltvoll gestaltet werden. Die virale
Verbreitung von Informationen erfolgt über das Re-Tweeting, d. h., Leser einer Meldung
leiten diese über ihre Twitter-Seite wiederum an ihre Leserschaft weiter. Auf diesem Weg
kann sich eine aktuelle Meldung im Schneeballsystem verbreiten.
Die Kürze der Information, zahlreiche Tools zur Optimierung des Dienstes sowie die
unkomplizierte Nutzung machen Twitter zum idealen Informationsmedium.
Anwendungsbereich und Relevanz im B2B-Umfeld:
XING
Das Business-Netzwerk XING wurde im Jahr 2003 unter der Bezeichnung Open Busi-
ness Club ins Leben gerufen; in 2006 wurde das Netzwerk in XING umbenannt. Die
Bezeichnung XING (X-ing, engl. Crossing) bedeutet Kreuzung und kann als Begegnung
von Geschäftskontakten interpretiert werden.
XING bietet je nach Zugangsprofil (kostenfreie Accounts oder kostenpflichtige Pre-
mium-Accounts) unterschiedliche Funktionalitäten zum Aufbau, zur Verwaltung und
zur Pflege von Geschäftskontakten an. Auf XING vernetzen sich Berufstätige aller Bran-
chen. Die Art des Austauschs ist dabei vielfältig: In themenspezifischen Gruppen organi-
sieren sich Nutzer mit gleichem Interesse, in Foren findet fachlicher Austausch statt, Jobs
und Aufträge werden ausgeschrieben und Projektpartnerschaften geschlossen. Außer-
dem können Unternehmen eine eigene Profilseite anlegen und Mitarbeiterprofile damit
verknüpfen.
Über 11,1 Mio. Mitglieder weltweit nutzen die Plattform für Geschäft, Job und Kar-
riere (Stand: Juni 2011). In Deutschland stellt XING das wohl bedeutendste Business-
Netzwerk dar.
312 Christian Schmitz, Michael Ahlers
LinkedIn
Das Business-Netzwerk LinkedIn wurde Ende 2002 in Kalifornien, USA, gegründet. Es
ist mit weltweit über 100 Mio. registrierten Nutzern die derzeit größte Plattform dieser
Art; in Europa sind über 26 Mio. Nutzer registriert (Stand: Mai 2011).
LinkedIn ist im Vergleich zu XING auf die internationale Vernetzung ausgerichtet.
Das Netzwerk bietet ebenfalls Event- und Gruppenfunktionalität, ein Unternehmenspro-
fil kann angelegt werden und es besteht die Möglichkeit, sich im Fragen- und Antwor-
ten-Bereich als Experte zu etablieren.
Anwendungsbereich und Relevanz im B2B-Umfeld:
• Facebook kann sich als wertvolles Instrument für Branding, Event Promotion und
virales Marketing erweisen. Zahlreiche Entscheider verwenden Facebook bereits auf
privater Ebene. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Personen ihren privaten Face-
book-Account nutzen, um Informationen für geschäftliche Zwecke zu beschaffen,
steigt zunehmend. Denn die Grenzen zwischen privater und geschäftlicher Kommu-
nikation und Recherche verschwimmen auf Facebook stetig. Somit ergeben sich hier
interessante Möglichkeiten der Entscheider- bzw. Käuferansprache im B2B-Bereich.
• Dem eigenen Facebook-Auftritt sollte grundsätzlich ein Marketing- und Kommu-
nikationskonzept zugrunde liegen. Außerdem empfiehlt es sich, Kommunikations-
Soziale Medien im Business-to-Business-Geschäft – Ein Praxisbericht 313
regeln für Facebook zu definieren und die beteiligten Mitarbeiter entsprechend zu in-
struieren.1
• YouTube wird bereits von zahlreichen Firmen genutzt, um eigene Inhalte zu verbrei-
ten, beispielsweise Berichte von Firmenevents, Präsentationen von News im Stile einer
Nachrichtensendung, Tutorials, Produktpräsentationen etc. Videos, die einen hohen
Informationsgehalt haben, bieten echten Mehrwert für Kunden und Interessenten.
• Durch das Einstellen von Videos auf YouTube kann zudem die eigene Position in den
Suchmaschinenrankings verbessert werden. Im besten Fall kann das eigene Videoma-
terial auf YouTube als Werbefläche fungieren und virale Verbreitung finden.
• Slideshare und Scribd werden von Firmen, Universitäten, Instituten und Analysten-
häusern genutzt, um Studien, Portfolios, Fachinformationen und Whitepapers zu
veröffentlichen und zur Verfügung zu stellen. Den Verfassern der Informationen bie-
tet sich so eine Möglichkeit, ein breites Publikum anzusprechen und die eigene Exper-
tise darzustellen.
• Für Unternehmen, die sich in Nischenmärkten bewegen, bietet sich hier die Möglich-
keit, ausführliche Informationen zu Einsatzbereichen ihrer Produkte, Best Practice
Studies etc. einzustellen.
1
Anmerkung: Mit Google+ startete Google im April 2011 den Versuch, eine eigene Social-Media-
Plattform zu etablieren. Der augenscheinlichste Unterschied zu Facebook liegt in der Verwaltung der
Kontakte: Diese werden in sogenannten Circles (Kreisen) organisiert. So ist es möglich, eigene Perso-
nenkreise für Freunde, Kollegen oder Interessengruppen anzulegen und Inhalte gezielt zu veröffentli-
chen. Ob Google+ sich zum Konkurrenten für Facebook entwickelt und ähnliche Relevanz im geschäftli-
chen Umfeld erlangt, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden.
314 Christian Schmitz, Michael Ahlers
• Social Bookmarking bietet die Möglichkeit, auf eigene Inhalte hinzuweisen und für
mehr Traffic auf den eigenen Angebotsseiten zu sorgen. Mit einer fach- und themen-
spezifischen Zusammenstellung von Links, somit einer Sammlung qualifizierter In-
formationen, können Unternehmen Fachleute und Entscheider im B2B-Bereich an-
sprechen und diesen einen besonderen Service bieten. Wird die Linksammlung
regelmäßig aktualisiert, kann sich daraus ein Linkkatalog mit Mehrwert entwickeln.
Foren, Communities
Eine der ältesten „Mitmach“-Optionen im Web sind Communities und Foren. Vor allem
technisch interessierte Nutzer und Entwickler haben sich schon in den späten 80er Jah-
ren zu Usergroups und Foren zusammengeschlossen. Hier tauschen sie sich aus, disku-
tieren Probleme und holen sich Rat. Die modernen Business-Netzwerke haben diese
Funktionalität in Form von Gruppen integriert. Aber dennoch haben sich Communities
und Foren als eigenständige Form erhalten (vgl. [7], S. 151).
Anwendungsbereich und Relevanz im B2B-Umfeld:
Wikis
Wikis sind auf die Zusammenführung und Dokumentation von gemeinschaftlichem
Wissen ausgelegt. Sie funktionieren nach dem Prinzip einfach zu erstellender Webseiten,
die miteinander verknüpft und mit Schlagworten versehen werden. Die prominenteste
Online-Enzyklopädie dieser Art ist Wikipedia.
Anwendungsbereich und Relevanz im B2B-Umfeld:
• Im Stile von Wikipedia angelegte und auf bestimmte Themen ausgerichtete Wikis
finden im unternehmerischen Umfeld meist auf interner Ebene ihren Platz. Im Vor-
dergrund steht hier die Wissenssammlung, z. B. bei der Bearbeitung von Projekten im
Allgemeinen, bei Innovationsprojekten und beim internen Informationsmanagement
(vgl. [7], S. 151).
Soziale Medien im Business-to-Business-Geschäft – Ein Praxisbericht 315
Die Gründe, die ein Unternehmen dazu bewegen können, an den sozialen Medien zu
partizipieren, sind vielfältig (vgl. [9], S. 28ff.):
• Das Unternehmen möchte mehr Besucher auf die Webseite, den Shop oder Weblog
bringen.
• Eine Marke soll bekannter gemacht werden.
• Das Unternehmen möchte sich innerhalb einer Marktnische als Experte positionie-
ren.
• Mitarbeiter des Unternehmens sollen sich im Internet als Botschafter betätigen.
• Neue Kontakte sollen geknüpft, das eigene Netzwerk erweitert werden.
• Strategische Partnerschaften sollen geschlossen werden.
• Der Austausch mit Kunden, Interessenten, Spezialisten und Influencern (Meinungs-
machern) soll intensiviert werden.
• Der Kundendienst soll um zusätzliche Kommunikations- und Supportkanäle erwei-
tert werden.
• Aktuelle Informationen aus dem Unternehmensumfeld sollen schnell und einfach
publiziert werden.
• Bestehende Inhalte sollen einer größeren Nutzergruppe zugänglich gemacht werden.
• Mitbewerber sind bereits in sozialen Medien aktiv.
Gründe
• Warum will sich das Unternehmen an sozialen Netzwerken beteiligen?
• Welche Zielsetzungen und Beweggründe stehen hinter dem Engagement?
• Welche Zielgruppe soll vorrangig adressiert werden? Kooperationspartner, Neukun-
den, Influencer?
• Partizipation an sozialen Netzwerken birgt Chancen und Risiken. Sind die Stärken
und Schwächen der eigenen Produkte und Dienstleistungen hinlänglich bekannt?
Zielgruppen
• Welche relevanten Geschäftskontakte sind in welchen sozialen Netzen unterwegs?
• Wie und wann äußern sich diese (Themen, Diskussionen, Meinungen, Trends etc.)?
• Welche Meinungsmacher bzw. Influencer sind auf welchen Plattformen vertreten?
• Wie äußern sich Influencer über mein Unternehmen? Wie äußern sich Influencer
über Mitbewerber?
Wettbewerb
• Welche Mitbewerber sind auf sozialen Plattformen vertreten?
• Wie präsentieren sich die Mitbewerber?
• Gibt es branchenspezifische Plattformen, Gruppierungen? Wenn ja: Welche Themen
werden dort diskutiert?
• Gibt es themenspezifische Blogs?
Entscheidet sich ein Unternehmen dafür, an sozialen Medien, Plattformen und Netz-
werken teilzunehmen, dann sollte zunächst ein entsprechendes Kommunikationskon-
zept erstellt werden. Sind Mitbewerber auf sozialen Plattformen aktiv und erfolgreich,
sollte sich ein Unternehmen nicht dazu verleiten lassen, überstürzt aktiv zu werden und
schnelle Lösungen zu präsentieren. Verwaiste Facebook-Seiten oder veraltete Blogs wer-
fen ein trübes Licht auf das Unternehmen.
Die Chancen-Risiken-Analyse ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der kritischen
Auseinandersetzung mit sozialen Medien. B2B-Geschäfte beruhen auf durchschnittlich
zeitlich längeren Entscheidungs- und Einkaufsprozessen als B2C-Geschäfte. Die Preis-
modelle sind meist komplexer als im B2C-Umfeld. Hier haben Werte wie Transparenz,
Offenheit und Nachhaltigkeit eine hohe Bedeutung für den Aufbau langfristig erfolgrei-
cher Geschäftsbeziehungen. Letztendlich geht es im B2B-Bereich um Menschen, die
Beziehungen zueinander haben und deshalb Geschäfte abschließen, weil sie einander
vertrauen (vgl. [2]).
Unternehmen, die soziale Medien nutzen, signalisieren Offenheit und zeigen ihre Be-
reitschaft zur Konversation. Äußern sich Geschäftspartner und Kunden positiv, dann
profitiert ein Unternehmen von der Mundpropaganda im sozialen Netz ebenso wie beim
klassischen Empfehlungsmarketing.
Soziale Medien im Business-to-Business-Geschäft – Ein Praxisbericht 317
• Ein Mitarbeiter listet das Unternehmen als Arbeitgeber auf seinem Profil. Die sozialen
Medien, die er auf seinem Profil veröffentlicht (Bilder, Kommentare etc.), entspre-
chen jedoch in keiner Weise den Ansichten des Unternehmens. Auch wenn das Profil
einen entsprechenden Disclaimer enthält, wird der Leser eine Verknüpfung der Inhal-
te mit dem Unternehmen herstellen.
• Die Bewertungen eigener Produkte auf einer Händlerseite fallen schlecht aus. Auch
wenn die Schwächen mittlerweile behoben wurden und das Produkt in verbesserter
Form auf den Markt gebracht wurde, bleiben diese Bewertungen bestehen und wer-
den wahrgenommen.
318 Christian Schmitz, Michael Ahlers
• Die Social-Media-Seite steht nicht unter der Kontrolle des Unternehmens, sondern
wird z. B. von Fans des Unternehmens geführt. Dann ist ein Unternehmen auf die
Fürsprache der Beteiligten angewiesen.
• In einem Job-Forum wird Ihr Unternehmen als Arbeitgeber schlecht bewertet. Auch
diese Form der Kritik verursacht Image- und Markenprobleme.
Chancen und Risiken sollten sorgfältig gegeneinander abgewogen werden, bevor ein
Unternehmen in sozialen Medien aktiv wird.
Soziale B2B-Kommunikation zielt nicht in erster Linie auf erkaufte Reichweite (Page
Impressions, Clicks) ab, sondern darauf, intensiver mit interessanten Geschäftspartnern,
Kunden und wichtigen Meinungsmachern, den sogenannten Influencern, in Kontakt zu
kommen.
Geschäftspartner und Kunden, die vor einer Kauf- oder Kooperationsentscheidung
stehen, benötigen neutrale, sachlich fundierte und transparente Informationen. In dieser
Situation orientieren sie sich oftmals an Influencern, denen Eigenschaften wie Integrität,
Neutralität, Expertise und Erfahrung zugesprochen werden.
Wie können Unternehmen relevante Influencer identifizieren? Außerhalb des Web 2.0
lassen sie sich in Cluster-Berater, Analysten, Lobby-Gruppen, Industrievertretungen,
akademische Einrichtungen und Journalisten einteilen (vgl. [4], S. 18f.). Im Web 2.0
finden sich jedoch neue Influencer, die über Medien wie Blogs und Nutzerforen Märkte
beeinflussen. Bisher war diese Gruppe vorrangig für das B2C-Geschäft relevant, da meist
Endverbraucherthemen und -produkte behandelt werden. Treten Themen von gesamt-
gesellschaftlichem Interesse in den Vordergrund, dann können sich die Äußerungen der
Influencer jedoch auch indirekt auf das B2B-Geschäft auswirken. „Wenn über Internet-
Foren Unternehmen aufgefordert werden, ihre Zulieferer nach Kriterien der Nachhaltig-
keit auszuwählen, so greift die Web 2.0-Dynamik bereits in das B2B-Segment ein“ ([4],
S. 18f.).
Problematisch ist zudem: Influencer äußern sich nicht nur positiv – das dürfen sie
auch nicht, wenn sie nicht an Glaubwürdigkeit und Vertrauen verlieren wollen. Und
vielleicht lenken sie die Aufmerksamkeit des Kunden auf einen kritischen Punkt des
Produktangebots, der den Geschäftsabschluss erschwert oder sogar unmöglich macht.
Kein Marketing- und Kommunikationsverantwortlicher kann dem Vertrieb garantieren,
dass so etwas nicht passiert (vgl. [4], S. 19).
Betrachtet man die Gruppe der Blogger als Influencer und soll der Einfluss eines
Bloggers beurteilt werden, dann sind folgende Fragestellungen relevant:
Im Gegensatz zu professionellen Medien definieren Blogger zunächst meist keine Zielgruppe, sondern
beschäftigen sich eben mit jenen Themen, für die sie sich persönlich interessieren. Ihre Leser sind also in
der Regel „Gleichgesinnte“ – Menschen, die sich mit ähnlichen Themen und Fragen beschäftigen, die
auf der Suche nach Information und Diskussion zu diesem Thema sind. Innerhalb dieser Gruppe ist der
Blogger ein wichtiger Multiplikator und Meinungsbildner (vgl. [5], S. 94).
Neben der Reichweite bzw. der Leserzahl ist entscheidend, wie eng der Blog mit seiner
Zielgruppe verknüpft ist. Ein Blog, der oft kommentiert wird, auf dem Diskussionen
stattfinden, der verlinkt ist, der von anderen zitiert wird, steht in einer sehr engen Bezie-
hung mit seiner „Community“. Beiträge finden Beachtung und haben damit Einfluss.
Influencer können ebenso auf sozialen Netzwerken wie XING und LinkedIn aktiv
sein, z. B. durch das Verfassen von themenspezifischen Gruppenbeiträgen oder das Par-
tizipieren an Diskussionsforen und Frage- und Antwort-Bereichen.
Unternehmen, die mit Influencern in Kontakt treten und diese als Multiplikatoren
gewinnen möchten, sollten sich zunächst an Beiträgen des Influencers auf den verschie-
denen Plattformen beteiligen, z. B. in der fachlichen Diskussion in Business-Netzwerken
oder über das Verfassen von Kommentaren im Blog des Influencers. So besteht die Mög-
lichkeit, mit interessanten Meinungsmachern in Kontakt zu treten und diese im besten
Falle für das eigene Unternehmen zu gewinnen.
in vielen Fällen die treibende Kraft, wenn es um neue Anwendungen geht. Hinzu
kommt der Ansporn, zeitgemäß und modern zu bleiben, und die Furcht, ins Hinter-
treffen zu geraten.
Ist das Thema „soziale Medien“ schließlich in der Diskussion, erfolgt eine tieferge-
hende Auseinandersetzung damit: Mögliche Ziele werden herausgefiltert und Chancen
gegen vielfältige Vorbehalte abgewogen. Unsicherheiten entstehen häufig aus mangeln-
den Erfahrungen mit dem neuen Themengebiet oder aus der Angst vor kritischen Äuße-
rungen über das eigene Unternehmen, eigene Dienstleistungen und Produkte. Die virale
Verbreitung von Inhalten in sozialen Medien kann durch das Unternehmen nicht kon-
trolliert oder gesteuert werden. Furcht vor Kontrollverlust ist die Folge. Zudem stellt sich
für viele Unternehmen die Frage, inwieweit Aktivitäten in sozialen Medien greifbare
Erfolge liefern und ob sich diese überhaupt messen lassen. Dazu kommt die Auswahl der
geeigneten Plattformen.
1. Facebook
Wird oft schon privat genutzt, ist vertraut, bietet einen informellen Zugang zur Ziel-
gruppe. Bei den Jüngeren beliebt; sie vermischen Privates und Berufliches zusehends.
2. XING, LinkedIn
Decken die berufliche, professionelle Ebene der Zielgruppen-Ansprache ab. Gerade
ältere Personen trennen konsequent zwischen privaten und beruflichen Interessen.
Die Plattform LinkedIn ist insbesondere für stark international tätige Unternehmen
interessant.
3. Twitter
Vorwiegend dann interessant, wenn regelmäßig aktuelle Informationen verbreitet
werden sollen.
4. YouTube
Bereits vorhandene, aber auch eigens hierfür erstellte Videos werden einfach auf die-
ser Plattform verbreitet, die zunehmend auch als Suchmaschine fungiert.
5. Flickr, Shareslides
Die Plattform Flickr eignet sich zur Verbreitung von Fotos (z. B. aus dem Arbeitsall-
tag). Auf Shareslides können Präsentationen eingestellt werden, die die eigene Exper-
tise nach außen vermitteln.
6. Special Interest Communities
Expertenblogs, Foren zu speziellen Themen, News Rooms etc.
Soziale Medien im Business-to-Business-Geschäft – Ein Praxisbericht 321
• Suchmaschinenoptimierung
• Engerer Kontakt zu Mitarbeitern, deren Familien und Bekannten
• Informationsgewinn: zu Produkten (Feedback, Verbesserungspotenzial) und Kunden
(Zufriedenheit, Wünsche und Ideen)
• Effizienter Dialog und Expertenaustausch
• Wissensvermittlung
• Empfehlungsmarketing, das sich an potenzielle Kunden, aber insbesondere auch an
potenzielle Mitarbeiter richtet
Die Suxxeed Sales for your Success GmbH realisiert als Vertriebsdienstleister mit über
250 Mitarbeitern umsatzorientierte Vertriebskonzepte für bedeutende Unternehmen –
sowohl national als auch international. Die Kompetenz des Unternehmens liegt vor al-
lem darin, Märkte auszuschöpfen, die durch eine große Anzahl an B2B-Kunden geprägt
sind. Hier ergänzt SUXXEED den firmeneigenen Vertrieb ihrer Kunden durch die er-
folgshonorierte vertriebliche Betreuung der kleinen und mittelständischen Kunden.
Social-Media-Aktivitäten wurden erst in Angriff genommen, als sich konkrete Be-
dürfnisse abgezeichnet hatten. Einen wesentlichen Impuls setzte das Ressort Human
Resources, da SUXXEED beständig Personalbedarf aufweist und klassische Rekrutie-
rungswege wie Stellenanzeigen und Jobbörsen zu wenig Erfolg brachten. Empfehlungen
322 Christian Schmitz, Michael Ahlers
aus dem Mitarbeiterkreis erwiesen sich dagegen als weit besseres Rekrutierungsmedium.
Daher sollte der Ansatz „Empfehlungsmarketing“ nun ausgeweitet werden, wofür sich
das virale Online-Marketing hervorragend anbot. Als die Idee geboren war, wurden Po-
tenziale der sozialen Medien identifiziert und weitere Zielsetzungen definiert:
Ziele SUXXEED für eigene Social-Media-Kampagnen:
Mitarbeitern des Marketings eingepflegt. Aus Kostengründen wurde keine Agentur he-
rangezogen, außerdem erschien die Aufgabe als lösbar. Fehlende Informationen zum
Editieren der Seite wurden in Eigenarbeit recherchiert.
Zu 3. Social-Media-Richtlinien
Alle feststehenden Inhalte (Informationen, Videos, Jobausschreibungen) werden von
den Abteilungen HR und Marketing freigegeben. Bei Aktionen wie Wettbewerben wer-
den die jeweiligen Ziele und die Herangehensweise im Team besprochen und entschie-
den. Die Administratoren agieren nach einem Verhaltenskodex, der ihnen Sicherheit im
Umgang mit den sozialen Medien vermittelt und Do’s und Dont’s beinhaltet. Für die
täglichen Postings gilt zudem eine Social-Media-Richtlinie, die allgemeine Grundsätze
beinhaltet und geltende Datenschutzrichtlinien beachtet. Hierzu wurden verschiedene
Vorlagen aus dem Internet zugrunde gelegt und den eigenen Bedürfnissen angepasst.
SUXXEED hat Regelungen zu folgenden Punkten getroffen:
• Ziele
• Geltungsbereich
• Prozessverantwortung
• Betriebliche und private Nutzung
324 Christian Schmitz, Michael Ahlers
• Die Zugriffe über Suchmaschinen steigen, man wird eher gefunden. Die Internet-
Recherche über Social-Media-Kanäle nimmt zu, gerade jüngere User erwarten eine
Online-Präsenz.
• Social Media liefert enorm viel Wissen über Kunden, Experten, Meinungen über das
eigene Unternehmen und Produkte, Themen, die die User bewegen; außerdem sind
Informationen zugänglich, die anderweitig nicht einfach zu erheben sind.
• Die Social-Media-Kommunikation beweist Modernität. Um seinen Expertenstatus
auszubauen bzw. als Innovationsführer wahrgenommen zu werden, muss ein Unter-
nehmen auch eine zeitgemäße Kommunikation anbieten. Gerade junge Leute bewe-
gen sich täglich in den sozialen Netzwerken. Sie werden gerne über dieses Medium
angesprochen und erwarten auch, dass ein potenzieller Arbeitgeber damit umgeht.
• Egal, wie speziell die Produkte und Dienstleistungen sein mögen, es finden sich im-
mer Interessenten auf der Seite ein; auch Kunden und Zulieferer freuen sich über ein
Special-Interest-Forum.
• Die Verbreitung einer neu angelegten Webpräsenz gelingt nicht von heute auf mor-
gen. Geduld mitbringen!
5.2 Schlussbetrachtung
Synergien entstehen
Social-Media-Kanäle wie Facebook und Twitter bieten ein großes Potenzial im Hinblick
auf virales Marketing. Inhalte, die gefallen, können über einen Klick mit Freunden und
Followern geteilt werden. Klassische Medien der Ansprache von Kunden und Geschäfts-
partnern wie E-Mail- oder Newsletter-Marketing haben dennoch nicht ausgedient. Hier
gilt es, Konzepte zur Kombination verschiedener Kommunikationskanäle zu erarbeiten
und Synergien zu nutzen, z. B. durch die crossmediale Verbreitung von Informationen.
Literaturverzeichnis
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Wasting Your Time, Florida.
2 Meyer-Gossner, M. (2011): B2B vs. B2C, in: TheStrategyWeb – Tools, Tactics, Trends, URL:
http://www.thestrategyweb.com/b2b-vs-b2c-wofuer-sich-social-media-eignet, abgerufen am:
25.08.2011.
3 Stelzner, M. A. (2011): Social Media Marketing Industry Report, How Marketers Are Using Social
Media to Grow Their Businesses, URL: http://www.socialmediaexaminer.com/
SocialMediaMarketingReport2011.pdf, abgerufen am: 20.11.2011.
4 Pieper, S. (2011): Welche Wege führen nach Rom? – Strategien für indirekte Kundenkommunika-
tion, Kap. 3, in: IT-Berater und soziale Medien, Leinemann, R. (Hrsg.), Berlin, Heidelberg.
5 Schall, H./Müller, C. (2011): Blogger – die neuen Influencer, mit Knapp, J. und Knobloch, C., Kap. 9,
in: IT-Berater und soziale Medien, Leinemann, R. (Hrsg.), Berlin, Heidelberg.
6 Haffa A./Höfflin, H. (2011): Alles fließt – PR in den Zeiten von Social Media und Web 2.0, Kap. 15,
in: IT-Berater und soziale Medien, Leinemann, R. (Hrsg.), Berlin, Heidelberg.
7 Schall, H. (2011): Social Media, in: Influencer Relations, Kap. 13, in: IT-Berater und soziale Medien,
Leinemann, R. (Hrsg.), Berlin, Heidelberg.
8 Mang, K. (2011): Richtig umgehen mit Kundenkritik in Social Media-Kanälen, URL:
http://www.vertriebszeitung.de, abgerufen am: 25.10.2011.
9 Stuber, R. (2010): Erfolgreiches Social Media Marketing mit Facebook, Twitter, XING & Co., Düssel-
dorf.
10 Schögel, M./Mrkwicka, K. (2011): Communication Shift – Chancen und Herausforderungen aus
Marketingsicht, Marketing Review St. Gallen, 5 (2011), S. 8.
Social Media Recruiting
bei der Polizei Niedersachsen
22
Christoph Zydorek, Schahab Hosseiny
Inhaltsverzeichnis
_______________________
Prof. Dr. Christoph Zydorek ()
Hochschule Furtwangen, Fakultät Digitale Medien,
Robert-Gerwig-Platz 1, 78120 Furtwangen, Deutschland
e-mail: zyd@hs-furtwangen.de
Schahab Hosseiny ()
Am Westerfeld 40, 49696 Molbergen, Deutschland
e-mail: kontakt@schahab.com
„Die Nutzung des Kommunikationskanals Social Media für die Personalgewinnung ist im Sinne des
EmployerBrandings gerade für Behörden eine besondere Herausforderung. Es erschließen sich dort aber
zur Zeit besondere Brandingeffekte schon allein aufgrund des Pilotcharakters professionell realisierter
Projekte.“ Prof. Dr. Christoph Zydorek
„Social Media Recruiting erlangt durch einen rasanten Anstieg von Social-Media-Anwendungen eine
immer bedeutendere Rolle in der Personalgewinnung. Um neu erschlossene Kontakte für Unternehmen
auch aktiv zu konvertieren, bedarf Social Media Recruiting spezieller Rahmenbedingungen, die je nach
Branche zu berücksichtigen sind.“ Schahab Hosseiny
Betrachtet man die Personalgewinnung der Unternehmen aus der Perspektive strategi-
schen Managements, so geht es dabei unternehmensintern um die Optimierung der Res-
source Mitarbeiter, während es unternehmensextern um die Gewinnung strategischer
Überlegenheit gegenüber den Wettbewerbern in Bezug auf diese Ressource geht (vgl.
[20], S. 431).
Dabei ist der kommunikationspolitische Aspekt der Personalgewinnung neben den
Anreizinstrumenten und der Beschaffungsmethode des Unternehmens nur eine der
Handlungsvariablen des Managements. Auch im Wirkungsbereich dieser Instrumental-
variablen gilt eine Orientierung am ökonomischen Prinzip der Deckung des gegebenen
Personalbedarfs mit möglichst geringen Mitteln (vgl. [6], S. 2299) oder auch an der Er-
reichung eines Optimums in Qualität und Quantität des gewonnenen Personals mit
möglichst niedrigem Mitteleinsatz.
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass in den letzten 2–3 Jahren vermehrt der Einsatz des So-
cial Media Recruitings (SMR) durch Unternehmen in Betracht gezogen wird, da hierin Chancen der
Optimierung des Aufwand-Ertrag-Verhältnisses vermutet werden und von Seiten der relevanten Ak-
teure, z. B. Social-Media- und Unternehmensberatungen, auch offensiv vermarktet werden.
Der Begriff des Social Media Recruitings beschreibt die Nutzung des „Kommunika-
tionskanals Social Media“ für die Personalgewinnung von Unternehmen. Eine Sichtung
entsprechender Internet-Quellen ergibt, dass eine wachsende Anzahl von Unternehmen
Anwendungen wie Blogs, Kurznachrichtendienste (Twitter), Social Communities (Face-
book) oder Business Communities (XING, LinkedIn) für die Personalbeschaffung ein-
setzt.
Noch sind die Häufigkeit und die Intensität der Nutzung dieses Recruitingkanals
nicht in einem Maße ausgeprägt, dass man von einem „Standard“ sprechen könnte.
Gegenüber den 94 % aller deutschen Unternehmen, die laut BITKOM in der Mitar-
beitergewinnung aktiv über das Internet tätig sind (vgl. [1]), wird das Social Media Rec-
ruiting bislang nur von einer Minderheit der Unternehmen umgesetzt bzw. erprobt.
Doch wächst gegenwärtig die Bedeutung dieser Instrumente. Die Kienbaum Com-
munications Studie „Private soziale Netzwerke im Personalmarketing und Recruiting“
Social Media Recruiting bei der Polizei Niedersachsen 331
Tab. 1 AllfacebookStats Top 100 Fan-Entwicklung auf Karriere-Pages: Juli 2011 (Ausschnitt)
(Quelle: vgl. [12])
verweist zunächst auf ein grundsätzliches Potenzial für die unternehmensseitige Anspra-
che der Zielgruppe von Studierenden innerhalb der aktiven Nutzerschaft1 privat genutz-
ter Social Networks (vgl. [10]).
„36,9 % von ihnen können sich vorstellen, in Zukunft Fan oder Follower eines Unternehmens zu wer-
den.“ [10]
Nach Aussage des „Social Media Recruiting Report“ (vgl. [7])2 verdoppelte sich im
letzten Jahr sowohl der Anteil der Bewerbungen wie auch der Einstellungen, die über
Social Media erfolgt sind (vgl. Abb. 1).
1
Nutzung mindestens einmal oder häufiger pro Tag.
2
Es handelt sich um eine Online-Befragung, die von einem privaten Heidelberger Recruiting-Bera-
tungsunternehmen im Frühjahr 2011 durchgeführt wurde. Der Aussagewert der Befragungsergebnisse
ist aus der Studie selbst nicht eindeutig zu ersehen. Auch die Stichprobe der hier zitierten Ergebnisse
wird nicht explizit angegeben (nmax für die Gesamte Studie = 334). Die hier zitierten allgemeinen Aus-
sagen können unabhängig davon als bestätigt gelten.
332 Christoph Zydorek, Schahab Hosseiny
Arbeitgeberbewer-
bungsplaformen
Rechtfertigen allein schon obige Ergebnisse eine Beschäftigung mit dem Themenfeld
SMR, so erscheint uns dieses zudem vor dem Hintergrund einer weiteren Überlegung
interessant: Für die Ansprache einer möglichst optimalen Zielgruppe beschäftigt sich seit
einiger Zeit das Employer Branding mit der „(…) gezielten Planung, Steuerung, Koor-
dination und Kontrolle einer Marke für das Unternehmen in seiner Funktion als Arbeit-
geber. (…) Diese Marke ist als Nutzenbündel zu verstehen, die das Unternehmen als
Arbeitgeber mit spezifischen Nutzenmerkmalen versieht, die es in den Augen der Ziel-
gruppen der potenziellen und aktuellen Mitarbeiter nachhaltig von anderen Arbeitge-
bern differenziert“ ([21], S. 269).
Social Media Recruiting befasst sich aus dieser Sicht auch mit dem Employer Bran-
ding gegenüber einer spezifischen Zielgruppe.
Dies geschieht aus Sicht eines Beschaffungsmarketings, das aufgrund einer Verknappungssituation am
Markt (Stellennachfrage) oder aufgrund hoher Handlungsmacht der Anbieter (der qualifizierten Be-
werber) gezwungen ist, größere Anstrengungen zu unternehmen, um geeignete Stellenbewerber zu ge-
winnen.
Gerade in dem auf den nachfolgenden Seiten diskutierten Fallbeispiel scheint sowohl
die Positionierung als Arbeitgeber gegenüber der Zielgruppe wie auch die Beschränkung
des Handlungsspielraums des Arbeitgebers als Behörde in Bezug auf die Gestaltung der
Anreize (Besoldung, Arbeitsinhalte, Gestaltung der Arbeitsbedingungen etc.) als beson-
dere Herausforderung.
Social Media Recruiting bei der Polizei Niedersachsen 333
Mit insgesamt ca. 23.500 Bediensteten stellt die Polizei Niedersachsen einen der größten
Arbeitgeber des Bundeslandes dar. Die Präsentation der Polizei Niedersachsen zum
Zwecke der Mitarbeitergewinnung erfolgte herkömmlich eher über die klassischen Me-
dien wie Zeitung oder Out-of-Home-Medien.
Im Februar 2011 rief die Leitung der Polizeiakademie Niedersachsen eine Arbeits-
gruppe mit dem Namen „Werbekonzept“ ins Leben, welche sich dem Thema einer Neu-
konzipierung der Nachwuchswerbung für die gesamte Polizei Niedersachsen widmen
sollte. In diesem Zusammenhang kam die Frage auf, welche Relevanz sozialen Medien
im Hinblick auf das Employer Branding und ihren operativen Einsatz zur qualifizierten
Mitarbeitergewinnung für die niedersächsische Polizei zukommen könne. Man ent-
schied, dass man sich als erste Polizei Deutschlands des Einsatzes sozialer Medien für die
Nachwuchsgewinnung bedienen wolle. Als dem Ministerium für Inneres und Sport zu-
geordnete Bildungseinrichtung des Landes Niedersachsen ergaben sich allerdings gegen-
über Unternehmen der Privatwirtschaft besondere Anforderungen, was Rahmenbedin-
gungen und Compliances im Umgang mit Social Media im Recruitingprozess betrifft.
Eine Evaluation des Kommunikationskanals Social Media in der Mitarbeitergewinnung
war an die Definition von Zielerwartungen gebunden.
3
Dieser Ansatz wird dadurch bestätigt, dass Messungen der Aufenthaltsdauer der User im Social-Net-
work-Bereich gegenüber der auf der eigenständigen Webseite geringer sind.
4
Die Social-Media-Recruiting-Aktionen wurden jeweils möglichst an das Corporate Design und die
Farbwelten der Webseite www.polizei-studium.de angeglichen, wobei in den Social Media eigene Gestal-
tungselemente aufgrund der nicht komplett autonom zu beeinflussenden Rahmenbedingungen berück-
sichtigt und auch umgesetzt wurden.
Social Media Recruiting bei der Polizei Niedersachsen 335
Daneben galt es zu berücksichtigen, mit welchem Medium die aktiven Mitarbeiter der Polizei kommu-
nizieren. Aufgrund begrenzter Ressourcen seitens der Polizei Niedersachsen in der operativen Betreu-
ung und Pflege der Social-Media-Aktivitäten war es zudem notwendig, eine Beurteilung der Marktseg-
mente nicht nur auf die rein zahlenmäßige Attraktivität zu reduzieren (vgl. [13], S. 118), sondern auch
bewusst das Wachstumspotenzial wie auch die geografische Durchdringung in Niedersachsen und Um-
land mit einzubeziehen.
5
Ein Nischennetzwerk mit einer hohen Konzentration an potenziellen Nutzern innerhalb der geografi-
schen sowie soziodemografischen Zielgruppe sind z. B. die regionalen stayblue.de-Netzwerke. Hier
entfallen knapp 95 % der insgesamt 565.000 angemeldeten Nutzer auf die geografische Zielgruppe um
Niedersachsen.
6
Stand 13.05.2011 Facebook Deutschland – Facebook.de.
336 Christoph Zydorek, Schahab Hosseiny