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Über die Patentprüfung von Programmen für Datenverarbeitungsanlagen

Article · January 2001

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Swen Kiesewetter-Köbinger
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Über die Patentprüfung von Programmen für
Datenverarbeitungsanlagen

Dr. Swen Kiesewetter-Köbinger

2. November 2000

Zusammenfassung 3 Der Technikbegri 8


3.1 Sprachanalyseeinrichtung
Dieser Artikel soll einige der Probleme und und Logikverikation . . . . 9
Ungereimtheiten verdeutlichen, mit denen 3.2 Die Glocke . . . . . . . . . . 10
sich der Autor als ehemaliger Software-
3.3 Zusätzlicher technischer Eekt 10
Entwickler und jetziger Patentprüfer bei
der Prüfung programmbezogener Lehren 3.4 Programme zur Hardware-
konfrontiert sieht. beschreibung . . . . . . . . 11
3.5 Grenzen des Technikbegris 11

Inhaltsverzeichnis 4 Der objektive Schutzgegen-


stand 12
1 Ein Programm als solches 2 4.1 Oenbarung des Programm-
1.1 Der objektive Erndungsge- codes . . . . . . . . . . . . . 13
genstand . . . . . . . . . . . 3 4.2 Patentierung von Lösungen 13
1.2 Erndungen müssen Lösun- 4.3 Programme als Lösungen . . 14
gen sein . . . . . . . . . . . 3 4.3.1 Idee und Lösung . . 15

2 Der technische Charakter 5 5 Der Ausschluÿkatalog als ge-


2.1 Die Grundannahme . . . . . 6 setzlicher Disclaimer 16
2.2 Der Umkehrschluss . . . . . 6
2.3 Ausschluÿ auch technischer 6 Quellcode im Patentanspruch 18
Lehren . . . . . . . . . . . . 7 6.1 Klarheit von Quellcode . . . 18
2.4 Technizität von Computer- 6.2 Die wesentlichen Merkmale . 19
programmen . . . . . . . . . 7 6.3 Schutzbereich von Patentan-
∗ sprüchen mit Quellcode . . . 19
Patentprüfer des Deutschen Patent- und Mar-
kenamtes, Abteilung 1.53. Der Beitrag gibt die pri-
vate Meinung des Verfassers wieder. 7 Schlussbemerkung 20
1
1 Ein Programm als sol- fehlerhaften Zeichenkette F i in ei-

ches nem digital gespeicherten


der die entsprechende fehlerfreie
Text,

Zeichenkette S i enthält,
In einer seiner jüngsten Entscheidungen 1
hatte der 17. Senat des Bundespatentge- dadurch gekennzeichnet, daÿ
richts darüber zu entscheiden, ob folgende
a) die Auftretenshäugkeit
Gegenstände patentfähig sind:
H(Si ) der fehlerfreien Zei-
chenkette S i ermittelt wird,
Digitales Speichermedium, ins-
besondere Diskette, mit elektro- b) die fehlerfreie Zeichenkette

nisch auslesbaren Steuersignalen, Si nach einer Regel R j ver-

die so mit einem programmierba- ändert wird, so daÿ eine mög-

ren Computersystem zusammen- liche fehlerhafte Zeichenkette

wirken können, daÿ ein Verfahren fij erzeugt wird,

nach einem der Ansprüche 1 bis c) die Auftretenshäugkeit H( ij )


17 ausgeführt wird. der Zeichenkette f ij in dem
Text ermittelt wird,
Computer-Programm-Produkt d) die Auftretenshäugkeiten
mit auf einem maschinenles- H(ij ) und H(S i ) verglichen
baren Träger gespeichertem werden und
Programmcode zur Durchführung
e) basierend auf dem Vergleich
des Verfahrens nach einem der
in Schritt d) entschieden
Ansprüche 1 bis 17 wenn das Pro-
wird, ob die mögliche feh-
grammprodukt auf einem Rechner
lerhafte Zeichenkette f ij die
abläuft.
gesuchte fehlerhafte Zeichen-
kette F i ist.
Computer-Programm mit Pro-
grammcode zur Durchführung des beansprucht, und vom Patentprüfer als pa-
Verfahrens nach einem der An- tentfähig gemäÿ den ŸŸ 1-5 PatG erachtet.
sprüche 1 bis 17 wenn das Pro- Dies impliziert nach derzeitigem Verständ-
gramm auf einem Computer ab- nis zumindest stillschweigend, dass der An-
läuft meldungsgegenstand technischen Charak-
ter besitzt. Der 17. Senat hat hiergegen kei-
Im Patentanspruch 1, auf den sich die ge- ne Bedenken.
nannten Patentansprüche beziehen, wurde Die beanspruchten Gegenstände sollen
ein die Aufgabe lösen, ein verbessertes Ver-
fahren und Computersystem zur Suche
Verfahren zur computergestützten und/oder Korrektur einer fehlerhaften Zei-
Suche und/oder Korrektur einer 2
chenkette in einem Text zu schaen .
1 Bundespatentgericht 17 W (pat) 69/98 2 DE 43 23 241 A1, Seite 2, Zeilen 35-36

2
Die Frage, worin denn objektiv die Er- der gewünschten Verfahrensschrit-
ndung zu sehen ist, ob in dem Verfah- te zu bewirken.
ren des Patentanspruchs 1, dem Programm Die gewünschten Verfahrensschritte wer-
des Patentanspruchs 24, oder aber einem den hier ganz klar nicht selbst als Lösung
dem Patentanspruch 1 zugrundeliegendem der Aufgabe angesehen. Weiter unten unter
Algorithmus, wurde leider nicht gestellt. Da 1.4.3 heiÿt es:
diese Frage gar nicht aufgeworfen wurde,
Ein Potential zur Erzeugung ei-
wird der BGH hierzu vermutlich nicht ex-
nes technischen Eekts ... kommt
plizit Stellung nehmen. Dies könnte jedoch
... erst dem Computersystem
ein entscheidender Punkt zum Verständ-
mit dem vom Speichermedium
nis der Problematik der Patentierung von
in den Arbeitsspeicher geladenen
Programmen für Datenverarbeitungsanla-
Programm, das tatsächlich in
gen generell sein.
der Lage ist, ein ggf technisches
Verfahren auszuführen
1.1 Der objektive Erndungs- zu.
gegenstand Anhand dieser Ausführungen läÿt sich
aber nur ein Schluÿ ziehen: nicht das
Der 17. Senat hat in seiner Entscheidung
(Arbeits-)Verfahren stellt die Lösung der
unter 1.3.2 erklärt:
Aufgabe und damit den objektiven Anmel-
dungsgegenstand dar, sondern einzig das
Nach ständiger Rechtsprechung
Computersystem mit dem vom Speicher-
ist unter dem Begri Erndung
medium in den Arbeitsspeicher geladenen
eine Lehre zum technischen Han-
Programm, dessen Aufzeichnung quasi voll-
deln zu verstehen, die in Aufga-
ständig interpretiert und ausgeführt werden
be und Lösung dierenziert ist;
muÿ. Das Arbeitsverfahren ist lediglich die
die Lehre zum technischen Han-
Wirkung der Ausführung des Programmco-
deln besteht aus der Lösung eines
3 des durch das in den Patentansprüchen 1,
technischen Problems. 
22, 23 und 24 nicht näher charakterisierte
Gleich im nächstem Absatz heiÿt es: Computersystem. Angesichts der Tatsache,
dass bei praktisch allen programmbezoge-
Eine Ausführung des Verfahrens nen Anmeldungen diese Verfahren als Wir-
gelingt nur mit einem Computer- kungen beansprucht und auch häug paten-
system, das in der Lage ist, die tiert werden, ist diese richterliche Erkennt-
einzelnen Teile der Aufzeichnung nis von besonderer Bedeutung!
quasi vollständig zu interpretieren
und dadurch eine Durchführung 1.2 Erndungen müssen Lö-
3 Er bezieht sich hierbei auf Busse, PatG, 5. Au. sungen sein
Ÿ1 Rdn 18, 72 mwN; Benkard, PatG, 9.Au, Ÿ1
Rdn 40, 60; sowie BGH BlPMZ 1985, 28 - Acrylfa- Nun lautet der Ÿ1 PatG wörtlich: Pa-
sern. tente werden für Erndungen erteilt, ... .

3
Als Lösung des angemeldeten Problems Weise so zusammenwirken, daÿ
sieht der Senat in seiner Urteilsbegrün- das Computersystem die in Fig. 4
dung ausdrücklich weder das (Arbeits-) gezeigte Konguration annimmt.
Verfahren, das digitale Speichermedium,
das Computer-Programm-Produkt oder das Das beanspruchte Arbeitsverfahren soll
Computer-Programm, sondern erst das demnach vorrangig durch ein geeignetes
Computersystem mit dem vom Speicher- Programm realisiert werden, das von einem
medium in den Arbeitsspeicher geladenen Prozessor 2 abgearbeitet wird und dabei
Programm, das tatsächlich in der Lage ist, über den Bus 16 auf dessen Speicher 1, 3,
ein ggf technisches Verfahren auszuführen . 4, 10, 12, 14 und 17 zugreift. Computer-
Nimmt man Ÿ1 (1) in Verbindung mit systeme mit einem Prozessor, welcher über
der Denition Erndungen sind Lösungen einen Bus auf seine Speicher zugreift und
wörtlich, so dürfte allenfalls auf diesen Ge- ein Programm aus dem Speicher abarbeitet,
genstand ein Patent erteilt werden, sofern sind spätestens seit von Neumann bekannt.
er neu ist, auf einer ernderischen Tätigkeit Die übrigen Merkmale (Aufteilung des Spei-
beruht und gewerblich anwendbar ist. chers und Mittel zum ... ) sind demnach  so-
Mit welchem Wortlaut ein derartiges weit nachvollziehbar oenbart  durch das
Computersystem derzeit beansprucht wird, Programm im Speicher 17 bewirkt. Ein Pro-
ist leider noch nicht veröentlicht. Aus der gramm für eine Datenverarbeitungsanlage
Oenlegungsschrift 4 lässt sich ein derarti- wird nach Ÿ1 (2) 3. PatG aber nicht als
ges Computersystem aber erkennen. Neben Erndung angesehen. Wenn aber das Pro-
den Speichermitteln 1, 3, 4, 10, 12, 14 und gramm selbst auf keiner ernderischen Tä-
17 sind anscheinend die Mittel 5, 6, 7, 8, 9, tigkeit beruht, wie kann dann seine Ausfüh-
11 und 13 zur Ausführung des Verfahrens rung auf einem bekannten Computersystem
wesentlich. Hierzu wird beschrieben: zu einer ernderischen Wirkung in Form ei-
nes ernderischen Verfahrens führen?
Die in den Prozessormitteln 2 Eine zweite Lösungsvariante ist in obigem
beinhalteten Mittel 3, 5, 6, 7, 8, Zitat aber noch mit aufgeführt, da die Mit-
11 und 13 sowie der Bus 16 müs- tel 3, 5, 6, 7, 8, 11 und 13 auch als diskrete
sen nicht als diskrete elektroni- elektronische Bauteile ausgeführt sein kön-
sche Bauteile ausgeführt sein, son- nen. Über die Beschaenheit diese Bautei-
dern können durch eine entspre- le lässt sich kein Hinweis nden. Selbst ih-
chende Programmierung des Pro- re genaue Funktionalität erscheint dem Au-
zessors 2 erzeugt werden. Ein ent- tor unklar. Über diese lieÿe sich erst nach
sprechendes zur Realisierung des Kenntnis des zu bearbeitenden Programm-
erndungsgemäÿen Verfahrens ge- codes etwas sagen. Zwar ist bekannt, wie
eignetes Programm wird dabei mit man mit bekannten IP-Blöcken z.B. über
dem Betriebsprogramm des Com- Rapid Silicon Prototyping 5 ASICs entwi-
putersystems in an sich bekannter ckelt, jedoch müssste man hierzu eine Zu-
4 DE 43 23 241 A 1, Fig. 4 mit Beschreibung
5 Richard Forster Wie man IP na HDLi anpaÿt
Seiten 9-10 in elektronik industrie 3-1999, 52-55

4
ordnung zwischen der gewünschten Funk- 2 Der technische Charak-
tionalität der Mittel 3, 5, 6, 7, 8, 11 und 13
und bekannten Logikblöcken erkennen kön-
ter
nen. Dem Autor ist dies anhand der Oen-
Als Ausweg aus dem Ausnahmekatalog des
legungsschrift nicht möglich.
Ÿ1 PatG hat die Rechtsprechung jedoch We-
ge gefunden, wie trotz der Eindeutigkeit
des Ÿ1 PatG explizit ausgenommene Gegen-
stände dennoch einer Patentierung zugäng-
Als einigermaÿen erkennbare Hardware-
lich gemacht werden können.
lösung bleiben folglich nur mehr die Merk-
Zu Ÿ1 Abs 2 und 3 PatG begründet hier
male eines von Neumann Computersys-
der 17. Senat 6
tems mit nicht näher deniertem Prozes-
sor, Speicher und Bus oenbart, bei dem die
Dieser sog Ausschluÿkatalog be-
Funktionalität des Prozessors ausschlieÿ-
ruht nach allgemeiner Auas-
lich durch die Ausführung eines geeigne-
sung auf dem Gedanken, daÿ
ten Programms erzeugt wird. In der Of-
den dort genannten Gegenstän-
fenelgungsschrift ist zwar kein Programm-
den der erforderliche technische
code oenbart, jedoch erscheint das ange-
Charakter fehlt (vgl Busse, PatG,
gebene Ausführungsbeispiel der Tippfehler-
aaO, Ÿ1 Rdn 37; Schulte, PatG,
korrektur nach Ansicht des Autors in einer
5. Au, Ÿ1 Rdn 60, jeweils
objektorientierten Programmiersprache wie
mwN; auch die Gesetzesbegrün-
C++ mit Template-Klassen der Standard
dung, BlPMZ 1976, 332 li Sp,
Template Library (STL) für die Instanzen
weist in diese Richtung, wenn es
des linked tree durchaus programmierbar.
dort ua heiÿt, daÿ der Negativ-
Dieses Programm als solches ist nach Ÿ1 (3)
katalog lediglich Gegenstände aus-
in Verbindung mit Ÿ1 (2) 3. nicht patentier-
schlieÿe, die in der höchstrichter-
bar. Das Programm alleine kann aber die
lichen Rechtsprechung bisher nicht
Aufgabe auch nicht lösen. In Verbindung
als Erndungen anerkannt sind
mit dem Computersystem, das es ausführen
(Computer-Programme); vgl auch
soll, wird zwar kein Programm als solches
EPA, BK 3.5.1 Computerpro-
beansprucht, jedoch kann es nach Ÿ1 (2) 3.
grammprodukt/IBM, GRUR Int
dem Computersystem keine ernderischen
1999, 1053, 4.1) .
Merkmale hinzufügen.
Welche Interessensgruppe diese allgemeine
Auassung trägt, wird nicht thematisiert.
Der betroene Kreis der Softwareentwick-
Man möchte daher annehmen, dass nach
ler scheint jedoch nur zu einem geringen
dem Wortlaut des Ausnahmekatalogs des Ÿ1
Prozentsatz diese Auassung zu teilen. Bei
PatG ein derartiger Gegenstand mangels er-
den Computerprogrammen gibt es sogar bei
nderischer Tätigkeit nicht patentfähig wä-
re. 6 17 W (pat) 69/98

5
bekannten Patentfachleuten völlig konträre Grundannahme widerlegt ist, da sie in die-
Meinungen7 . ser allgemeinen Fassung Ausnahmen auf-
weist. Der technische Charakter des Anmel-
dungsgegenstands kann somit nur ein not-
2.1 Die Grundannahme wendiges, nicht ein hinreichendes Merk-
In der Grundannahme wird behauptet, daÿ mal für die Patentfähigkeit darstellen.
nach allgemeiner Auassung allen in dem
Ausschluÿkatalog des Ÿ1 Abs 2 genannten
Gegenständen der erforderliche technische
Charakter fehlt .
Anstatt nun zu beurteilen, ob es sich bei
2.2 Der Umkehrschluss
den Anmeldungsgegenständen um einen der
in dem Ausschluÿkatalog genannten Gegen- Statt dessen wird aber der Umkehrschluss
stände handelt, wird in der täglichen Praxis gezogen, dass auch bei den in Ÿ1 Abs
nur mehr vereinfachend untersucht, ob der 2 genannten Gegenständen eine Erndung
Anmeldungsgegenstand technischen Cha- und damit Patentfähigkeit vorliegen kann,
rakter aufweist. Im Ÿ1 PatG wird das Wort wenn sie eine technische Lehre enthalten 9 .
Technik vom Gesetzgeber überhaupt nicht Die Grundannahme wurde durch zahlreiche
erwähnt. Ein mittelbarer Bezug ergibt sich Entscheidungen des BGH und des BPatG
erst über den Stand der Technik der Fol- widerlegt, wie gerade zuvor aufgezeigt wur-
geparagraphen 3 und 4 PatG, woraus zu de. Jede Schlussfolgerung, die auf einer feh-
schlieÿen ist, dass damit auch eine Ern- lerhaften Grundannahme beruht, kann aber
dung im Sinne des Ÿ1 PatG notwendigerwei- nur selbst fehlerhaft sein. Zwischen not-
se technischen Charakter aufweisen muss. wendig und hinreichend wird plötzlich
Bei zahlreichen Anmeldungen pro- nicht mehr unterschieden; ganz im Sinne
grammbezogener Lehren ist nun die Justiz des Art 27 Abs 1 TRIPS, dessen Anwend-
zu dem Schluÿ gekommen, daÿ diese Lehren barkeit noch zu klären wäre 10 . Für einen
doch einen technischen Charakter aufwei- Programmentwickler, der durch die tägli-
sen8 . Ganz oensichtlich gibt es folglich che Praxis gezwungen ist, streng logisch zu
Gegenstände in dem Ausschlusskatalog denken, ist die Argumentation zur hinrei-
des Ÿ1 Abs 2 welche einen technischen chenden Patentfähigkeit technischer Lehren
Charakter aufweisen. damit nicht nachvollziehbar. Die alleinige
Nach allen Regeln der Logik müÿte man Beschränkung auf technische Lehren steht
an dieser Stelle erkennen, daÿ damit die so nicht im Ÿ1 PatG, und die Argumentati-
on, die versucht, den Ausschlusskatalog des
7 vgl. Melullis GRUR 1998 843, der den aus-
Ÿ1 PatG darauf zu beschränken, ist schlicht
führbaren Programmen technischen Charakter zu-
falsch.
schreibt und Tauchert GRUR 1999 829, der dies bei
dem Quelltext der Programme und dem ausführba-
ren Binärcode anscheinend verneinen möchte
8 vgl. z.B. Schulte 5. Auage, Ÿ1 Rdn 77 mwN 9 vgl. Melullis GRUR 1998, 843 844
aber auch X ZB 11/98 - Logikverikation
10 vgl 17 W (pat) 69/98 1.4.5

6
2.3 Ausschluÿ auch techni- Melullis nennt dies allerdings eine Fikti-
scher Lehren on. Nach dem üblichen Verständnis von ei-
nem Rechtsstaat ist es Sache des Gesetz-
Die logische Folgerung hieraus wäre, daÿ gebers, Gesetze allgemeingültig zu erlassen;
auch technische Lehren vom Patentschutz die Verwaltung hat diese Gesetze im Ein-
ausgeschlossen sein können, wenn sie un- zelfall anzuwenden; die Justiz hat für je-
ter den Negativkatolog fallen. Melullis führt de einzelne Verwaltungsmaÿnahme einzeln
hierzu aus: zu entscheiden, ob die jeweilige Ausführung
Der gesetzliche Tatbestand ist so
gesetzeskonform war. Wie der Wortlaut des
formuliert, daÿ er nach Art einer
Gesetzes in einem Rechtsstaat als Fiktion
Fiktion sogar eine technische Leh-
angesehen werden kann, und Justizentschei-
re vom Patentschutz ausschlieÿen
dungen in der Folge den Wortsinn des Ge-
kann, wenn sie unter den Negativ-
setzes ins Gegenteil verwandeln können, ist
katalog des Art. 52 Abs. 2 EPÜ
für den Autor völlig unverständlich.
fällt. Geht man vom reinen Wort-
Aber ohne diese ganzen Konstruktionen
laut des Gesetzes aus, liegt es nä-
wären Computerprogramme als solche so-
her, den Grund für den Ausschluÿ
wie neue Anwendungen bekannter Gegen-
nicht darin zu sehen, daÿ den dort
stände mit neuen Programmen nicht paten-
genannten Gegenständen ein tech-
tierbar.
nischer Inhalt fehlt, sondern dar-
in, daÿ sie aus der Sicht des Ge- 2.4 Technizität von Computer-
setzes einen Schutz durch das Pa- programmen
tentrecht nicht verdienen oder die-
sem aus übergeordneten Gründen Bei seiner Betrachtung geht Melullis
11 grundsätzlich von der Technizität jedes
nicht unterstellt werden sollen. 
Computerprogramms aus. Genauer gesagt
Genau hierin liegt der Punkt! Der Gesetzge- dierenziert er zwischen
ber hat als Kriterium gegen die Patentfähig-

keit nicht auf das Fehlen einer technischen
dem gedanklichen logischen
Konzept ..., das der durch die
Lehre abgezielt, denn dieses wäre sehr ein-
Software zu lösenden Aufga-
fach zu formulieren gewesen. Vielmehr hat
be zugrunde liegt, d.h. dem
er diese Gegenstände gerade als solche vom
eigentlichen Programminhalt
Patentschutz ausnehmen wollen. Auch hat
einschlieÿlich der ihm zu-
der Gesetzgeber mit keinem Wort techni-
sche Lehren dem Patentschutz zugänglich
grundeliegenden Programmi-
dee und
gemacht, denn eine Lehre ist eine Regel für
eine gedankliche Tätigkeit und damit eben- • deren Umsetzung in die zur

so wie Programme für Datenverarbeitungs- Ausführung erforderlichen

anlagen nicht als Erndung angesehen 12 . einzelnen Schritte.

11 GRUR 1998, 843 851 Computerprogramm als solches


12 Ÿ1 (2) 3. PatG ist bei diesem Verständnis mithin

7
das auÿertechnische Konzept; d.h. Alle diese Schluÿfolgerungen scheinen
die der Umsetzung in eine Hand- aber wieder auf der unrichtigen Grundan-
lungsanweisung an den Rechner nahme über den Ausschluÿkatalog zu beru-
vorausgehende Konzeption. hen.

Dem Autor ist bislang jedoch noch keine


einzige deutsche oder europäische Patent- 3 Der Technikbegri
schrift über programmbezogene Lehren be-
gegnet, in der nicht gerade diese Konzep- Melullis14 verwendet eine häug anzutref-
tion als Wirkungsanspruch in Form ei- fende Argumentationslinie, indem er dem
nes Verfahren zum ... beansprucht worden Begri Computerprogramm als solches
wäre. eine eigene Denition gibt als auÿer-
Für Melullis ist demgegenüber technisches Konzept; d.h. die der Um-
setzung in eine Handlungsanweisung an
Grundsätzlich patentfähig  auch den Rechner vorausgehende Konzeption .
weil technisch  ... die Umsetzung Nun ist das Gebiet der Technik aber fak-
dieser zunächst nur gedanklichen tisch nicht eingrenzbar. Der jeweilige Fach-
Lösung in eine Handlungsanwei- mann spricht iA von Programmiertechnik,
sung für den Computer und des- Maltechnik, Vortragstechnik, Fuÿballtech-
sen Ansteuerung, das heiÿt die der nik, Redetechnik, Kulturtechniken (Lesen,
Verwirklichung dieses Programms Schreiben, Rechnen), Lauftechnik, Gri-
dienenden technischen Konzepti- technik zum Spielen eines Musikinstru-
on, wie sie ihren Niederschlag in ments. Selbst beim Geschlechtsakt wird ge-
dem fertigen Programm gefunden legentlich von besonderen Techniken ge-
hat. sprochen. Im Brockhaus 15 beginnt die um-
fangreiche Denition von Technik mit
Das fertige Programm ist für ihn somit
kein Programm als solches mehr und damit [von technica im internat. Ge-
dem Patentschutz grundsätzlich zugänglich. lehrtenlatein, dies aus grch. tech-
Die Konzeption scheint auch er als einen ne >Kunst<, >Fertigkeit<] hat-
Plan für eine gedankliche Tätigkeit anzuse- te im alten Griechenland die
hen. Andere Autoren 13 bezeichen aber ge- Bedeutung von Kunst, Gewerbe,
rade diese codierten Befehlsfolgen als Pro- Handwerk, auch Wissenschaft und
gramm als solches; haben aber keinerlei Be- Kunsthandwerk sowie Kunstfer-
denken, die zugrundeliegende Programmi- tigkeit, etwas bestimmtes zu errei-
dee oder Geschäftsidee trotz ihrer Eigen- chen (z.B. T. der Malerei). I. e. S.
schaft als Plan für gedankliche Tätigkeit als ist T. heute konstruktives Schaf-
technisch einzustufen und damit zu paten- fen von Erzeugnissen, Vorrichtun-
tieren.
14 aaO
13 Tauchert, Mitt. 1999, 248 oder van Raden, 15 Der Grosse Brockhaus, Kompaktausgabe, 18.
GRUR 1995, 451 Auage 1983

8
gen und Verfahren unter Benut- hat der BGH Anweisungen an den mensch-
zung der Stoe und Kräfte der lichen Geist als nicht unbedingt patenthin-
Natur und unter Berücksichtigung dernd bezeichnet und für den Erfolg auf die
der Naturgesetze. ... Unmittelbarkeit des Einsatzes beherrsch-
barer Naturkräfte verzichtet. Auch in der
Der BGH deniert: Entscheidung Logikverikation 19  bei der
Technisch ist eine Lehre zum nurmehr gefordert wird, dass
planmäÿigen Handeln unter Ein-
Wenn eine Lehre für ein Pro-
satz beherrschbarer Naturkräfte
gramm für Datenverarbeitungsan-
zur Erreichung eines kausal über-
lagen durch eine Erkenntnis ge-
sehbaren Erfolgs, der ohne Zwi-
prägt ist, die auf technischen Über-
schenschaltung menschlicher Ver-
legungen beruht, ist mithin ein
standestätigkeit die unmittelbare
auch anderweit akzeptiertes und
Folge des Einsatzes beherrschbarer
16 eine einheitliche Patentrechtspra-
Naturkräfte ist.
xis für Europa förderndes Ab-
grenzungskriterium gegeben, das
3.1 Sprachanalyseeinrichtung die Feststellung des erforderlichen

und Logikverikation technischen Charakters einer Leh-


re für ein Programm für Datenver-
Dass sich auch der Technikbegri des BGH arbeitungsanlagen erlaubt. 
ändert, verdeutlicht folgendes: Anweisun-
gen an den menschlichen Geist wurden hat der BGH den Einsatz beherrschbarer
bislang vom BGH immer als nicht tech- Naturkräfte als unmittelbare Vorausset-
nisch zurückgewiesen. Seit der Entschei- zung der Patentfähigkeit verworfen und
dung Sprachanalyseeinrichtung 17 , in wel- dies damit gerechtfertigt, dass
cher der Senat feststellt,
der Technikbegri des Patent-
daÿ vom menschlichen Verstand rechts nicht statisch, das heiÿt
Gebrauch gemacht werden kann, ein für allemal feststehend ver-
ohne daÿ allein dadurch der Be- standen werden kann. Er ist viel-
reich des Technischen bereits ver- mehr Modikationen zugänglich,
lassen wird, ergibt sich schon dar- sofern die technologische Entwick-
aus, daÿ dem Patentschutz Leh- lung und ein daran angepaÿter ef-
ren zum planmäÿigen Handeln un- fektiver Patentschutz dies erfor-
20
ter Einsatz beherrschbarer Natur- dern  .
kräfte zur Erreichung eines kau-
sal übersehbaren Erfolgs zugäng- Mit einiger Böswilligkeit lassen sich diese
18 beiden Entscheidungen auch so verstehen,
lich sind . ,
16 Schulte 5. Au Ÿ1 Rdn 24 mwN 19 X ZB 11/98
17 X ZB 15/98 20 unter Berufung auf BGHZ 52, 74, 76 - Rote
18 unter Verweis auf BGHZ 53, 74, 79 - rote Taube Taube.

9
dass selbst die Anweisung an den Program- für den Glockengieÿer üblichen Sprache of-
mierer, ein Programm zu schreiben, das auf fenbart wurde.
technischen Überlegungen beruht, vom Se-
nat als technisch angesehen wird. Eine sehr
anmelderfreundliche Interpretation zur Zu- 3.3 Zusätzlicher technischer
sammenschau beider BGH-Entscheidungen Eekt
ndet sich gleichfalls bei Hössle 21 , der in
dem nicht-statischen Technikbegri  ei- Mit Hilfe von Programmen steuert jeder
ne würdige und grige Verallgemeinerung Rechner seine Peripherie. Es ist dabei vom
(sieht), die in der Praxis gute Dienste leis- Gesichtspunkt des Programmierers neben-
ten wird. sächlich, ob diese Peripherie ein Bildschirm,
ein Drucker, eine I/O-Karte, ein oder meh-
rere A/D- D/A-Wandler oder ein sonsti-
3.2 Die Glocke ger für die Ansteuerung durch einen Pro-
zessor gedachter Gegenstand ist. Mit einem
Ein anderes böswilliges Beispiel: Für Me-
Programm in Assemblersprache beschreibt
lullis ist grundsätzlich von der Technizi-
man die Ansteuerung der zugrundeliegen-
tät jedes Computerprogramms auszugehen,
den Hardware am unmittelbarsten; jeder
da das Programm den Computer steuert.
einzelne Assemblerbefehl beschreibt und er-
Nun werden mit Hilfe von Programmen
zeugt bei seiner Ausführung einen unmit-
auch technische Informationen wiedergege-
telbar technischen Eekt 26 . Unter einem
ben22 , die auf technischen Überlegungen be-
zusätzlichen technischen Eekt, der über
ruhen23 . Der Unterschied, ob es sich um
das übliche Zusammenwirken zwischen Pro-
eine technische CAD-Zeichnung im Quell-
gramm und Computer hinausgeht  wie er
code mit Steueranweisungen für ein CAD-
neuerdings von den Technischen Beschwer-
Programm oder Druckprogramm handelt,
dekammern des EPA gefordert wird 27  läÿt
oder aber um die in HTML geschriebene
sich dem gegenüber genau genommen nur
Darstellung von Schillers Die Glocke 24 ,
mehr ein Eekt verstehen, der durch keinen
mit Steueranweisungen für ein Browserpro-
der ausgeführten Programmschritte hervor-
gramm, ist dabei eher akademischer Na-
gerufen wird, von der programmbezogenen
tur, denn beide enthalten Steueranweisun-
Lehre folglich unabhängig ist und mit ihr
gen, die von einem Rechner mit dem dafür
nicht im Zusammenhang steht. Wieso ein
vorgesehenen Programm zur Interpretation
solcher zusätzlicher technischer Eekt dann
der Steueranweisungen ausgeführt werden
überhaupt mit einem Programm in Zusam-
können; selbst die wiedergegebene Informa-
menhang zu bringen ist, bleibt unklar. Wird
tion25 ist jeweils technisch, auch wenn der
der besagte technische Eekt jedoch durch
metallurgische Aspekt bei Schiller in keiner
die Ausführung eines oder mehrerer Pro-
21 Mitt. 2000 343-346
grammschritte hervorgerufen, so läÿt sich
22 Ÿ1 (2) 4. PatG
23 X ZB 11/98 - Logikverikation 26 vgl. hierzu Melullis GRUR 1998 843 850 3a)
24 http://www.fulgura.de/etc/glocke.htm 27 T 1173/97 - Computerprogrammprodukt und
25 Ÿ 1 (2) 4. PatG T 935/97 - Computer program product II

10
mit keiner Berechtigung mehr von einem ben und mit ihnen konkrete Halbleiterto-
zusätzlichen Eekt sprechen, da dies ja der pographien erzeugt werden können. Aber
beabsichtigte Eekt ist. fast niemand meldet den Code dieser Pro-
gramme zum Patent an  obwohl deren
eindeutige Befehlsabfolge als VHDL- bzw.
3.4 Programme zur Hardware- VERILOG-Programm zum Verkauf ange-
beschreibung boten wird und damit vollständig oenge-
legt ist  sondern fast ausschlieÿlich de-
VHDL- oder VERILOG-Programme be- ren gewünschte Funktionalität (also eine ir-
schreiben den Aufbau von hochintegrierten gendwie zu lösende Aufgabe, siehe weiter
Schaltkreisen und steuern die Kongurati- unten).
on von FPGAs (Field Programmable Gate
Arrays) 28 . Diese Schaltkreise werden über
diese Programme entworfen, mit Hilfe wei- 3.5 Grenzen des Technikbe-
terer Programme veriziert und auf ent-
sprechenden Logiksimulatoren getestet. Die
gris
Masken für die Waferproduktion werden Letztendlich läÿt sich demnach je nach
auch von Programmen erzeugt, welche die Zeitgeist alles von Menschen gemachte als
VHDL- bzw VERILOG-Programme aus- technisch verstehen 31 . Abzugrenzen hier-
werten 29 . Der fertige IC, Prozessor, ASIC von wäre allenfalls die göttliche Schöpfung.
ist letztlich nichts anderes mehr als ein Pro- Über jegliche andere Abgrenzung des Tech-
dukt mehrerer Computerprogramme, bei nikbegris läÿt sich nach Belieben streiten,
dem die Lösung, wie die gewünschte Funk- da hierunter ein Maler etwas anderes ver-
tionalität herzustellen ist, letztlich einzig stehen wird, wie ein Physiker, ein Musi-
auf den in der gewählten Hardwarebeschrei- ker etwas anderes wie ein Handwerker, ein
bungssprache geschriebenen Programmen Schriftsteller etwas anderes wie ein Inge-
beruht30 . Derartige Programme beinhalten nieur und ein Informatiker letzlich etwas an-
sicherlich technische Überlegungen, da diese deres wie ein Jurist. Eine rein juristisch ge-
Programme ja konkrete Hardware beschrei- prägte Technik-Denition zur Abgrenzung
28 vgl z.B. die unzähligen IP-Core-Angebote der von Patentfähigem gegen Nichtpatentfähi-
FPGA-Hersteller XILINX, ALTERA und Latti-
ges, welche den Technikbegri der jewei-
ce/Vantice oder auch Richard Yuan, Neue Lö- ligen Zielgruppe unberücksichtigt läÿt, er-
sungen für CompactPCI-Anwendungen, Elektro- scheint vor diesem Hintergrund willkürlich.
nik Informationen, 2-2000, 110-112; Ulf Pansa, Als notwendiges und zugleich hinreichendes
Requirement-Enginering im Bereich Automotive,
Kriterium für die Entscheidung ob ein Ge-
Elektronik Informationen 8-2000, 54-56; Rainer
Kress et al., Java-basiertes Codesign, Elektronik
genstand patentfähig sein soll oder nicht,
Praxis, 8. Februar 2000, 110-114 erscheint der Technikbegri daher ungeeig-
29 vgl X ZB 11/98 Logikverikation 4h) mit Ver-
net, da dem Gebot der Rechtssicherheit ab-
weis auf Schmidtchen, Mitt. 1999, 282,291 f.
30 Dave Bursky, Leveraging Intellectual Property 31 Diamond v. Chakrabarty, 447 U.S. 303, 309
Gets Easier As Standards Make Headway, Electro- (1980); vgl. auch Esslinger, Hössle in Mitt 1999 327-
nic Design, 26. Juni 2000, 91-102 329

11
32
träglich. Als ein notwendiges Merkmal ne- nischen Konzept , dem er keinen Patent-
ben anderen erscheint es durchaus sinnvoll schutz zubilligen möchte. Das Konzept für
und mit der langjährigen Rechtstradition die Erstellung eines Programms ist nichts
des deutschen Patentrechts konform. anderes wie ein Plan für eine gedankliche
Tätigkeit 33 . Ein Patent hierauf würde es an-
deren verbieten, in gleicher Art zu denken.
4 Der objektive Schutzge- Das beanspruchte Arbeitsverfahren kann
auch als Wirkungsanspruch mit ausschlieÿ-
genstand lich funktionalen Merkmalen gewertet wer-
den. Hierzu sagt Schulte 34 :
Einen weiteren Weg zur Patentierung von
Software zeigt schon der Ÿ1 Abs 3 selbst auf, Funktionelle Merkmale (functio-
indem er besagt nal features) denieren Teile des
Gegenstandes des Schutzbegehrens
Absatz 2 steht der Patentfähigkeit nicht mit körperlichen Merkma-
nur insoweit entgegen, als für die len, sondern durch die Angabe
genannten Gegenstände oder Tä- der Wirkung oder von Eigenschaf-
tigkeiten als solche Schutz begehrt ten. Sie sind als technische Merk-
wird. male zu werten, die die Neuheit
begründen können. Solche Wir-
Da das Schutzbegehren durch die Patent- kungsangaben oder Gestaltungs-
ansprüche (Ÿ34 Abs 1 (2) PatG) festge- prinzipien sind eine Verallgemei-
legt wird, ist die folgerichtige Reaktion, nerung der Lehre, weil alle Mit-
anstelle dieser konkreten Gegenstände da- tel gleicher Wirkung unter Schutz
von abgeleitete zu beanspruchen. Anstelle gestellt werden, während die kon-
des konkreten Programmes wird nur mehr kret oenbarten Mittel nur Bei-
das von dem Programm in einer Datenver- spiele sind. Sie sind zulässig, wenn
abeitungsanlage hervorzurufende Arbeits- durch die Angabe der Wirkung,
verfahren als Wirkungsanspruch angemel- der Eigenschaft oder des Prinzips:
det. i) eine technische Lehre ausrei-
Auch der Gegenstand, welcher der Ent- chend oenbart ist; ii) der Stand
scheidung 17 W (pat) 69/98 des Bundespa- der Technik die Verallgemeine-
tentgerichts im Patentanspruch 1 zugrun- rung der Lehre zuläÿt; iii) Klar-
de lag, wurde nach diesem Strickmuster ge- heit des Anspruchs darunter nicht
neriert. Die Beschreibung des gewünschten leidet; iv) das Merkmal objektiv
Arbeitsverfahrens geht in der Programm- präziser nicht umschrieben werden
entwicklung aber immer der eigentlichen kann.
Codierung voran und steht zumeist am Be- 32 GRUR 1998 843 852
ginn der Designphase. Die Beschreibung 33 dieser Plan wird nach Ÿ1 (2) 3. PatG nicht als
des Arbeitsverfahrens entspricht demnach Erndung angesehen
dem von Melullis so genannten auÿertech- 34 Schulte, 5. Auage Ÿ35 Rdn 54f

12
Für ein Computerprogramm kann aber die 4.2 Patentierung von Lösun-
von ihm hervorgerufene Wirkung norma- gen
lerweise nicht als ausreichende Oenbarung
angesehen werden, da die Lösung der Auf- Diese weltweit praktizierte Vorgehenswei-
gabe Wie bringe ich das meinem Computer se, Wirkungen zu patentieren, hat jedoch
bei? nicht oenbart wird. Objektiv präziser verhängnisvolle Folgen. Ÿ1 Abs 1 PatG be-
beschreibt auf jeden Fall der Programmco- sagt, dass jeder Erndung, so sie neu ist
de die Lösung der Aufgabe. und auf einer ernderischen Tätigkeit be-
ruht, Patentschutz zusteht. Daraus folgt je-
doch, dass jeder neuen, nicht naheliegenden
4.1 Oenbarung des Pro- Lösung derselben Aufgabe Patentschutz zu-
grammcodes steht36 . Gewährt man jedoch Patentschutz
auf die zu lösende Aufgabe, so erteilt man
Möglicherweise geht die Praxis der Anmel- damit ein Monopol für alle möglichen Lö-
der, keinen Quellcode für programmbezoge- sungen der zu lösenden Aufgabe. Man ver-
ne Lehren zu oenbaren, selbst wieder auf letzt damit das Recht am geistigen Eigen-
den Ausschluÿkatalog des Ÿ1 (2) PatG zu- tum derer, die eine andere, neue, nicht na-
rück, da ein Merkmal, das als nicht ern- heliegende Lösung der selben Aufgabe ent-
derisch angesehen wird, auch nicht oen- wickeln. Auch wenn es nicht explizit Sache
bart werden muss. Wenn aber die Program- des Prüfers ist, sich über mögliche zukünf-
mierung der Lösung von programmbezoge- tige Verletzungen eines Patents Gedanken
nen Lehren nur so weit oenbart werden zu machen37 , so ist er doch schon aufgrund
braucht, dass sie jeden Fachmann in die des Ÿ52 Abs 1 Bundesbeamtengesetz dazu
Lage versetzen (muÿ), ohne eigene ernde- verpichtet, bei seiner Amtsführung auf das
rische Tätigkeit die gegebene Lehre zu voll- Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu neh-
35
ziehen , so kommt man zu dem paradoxen men.
Zustand, dass für programmbezogene Leh- Sinnvollerweise kann über den Schutzbe-
ren so gut wie nichts mehr oenbart wer- reich eines Patentes  d.h. der Bereich aller
den muss, da ja auch die Lösung beliebig naheliegenden, nicht ernderischen Gegen-
schwieriger Programmieraufgaben keine er- stände  nicht der Patentprüfer entschei-
nderische Tätigkeit begründen kann. den, da er mögliche spätere Verletzungsfälle
Wendet man folglich bei Computerpro- noch nicht kennen kann. Dies ist einzig die
grammen deren Ausschluss nur mehr auf die Aufgabe des Verletzungsrichters.
Oenbarungspicht des Anmelders an, aber Melullis will anscheinend aus einem ver-
nicht mehr generell auf die Patentierbar- gleichbaren Grunde lediglich die Umset-
keit, so gelangt man zu einem Zustand, wel- zung in die zur Ausführung erforderlichen
cher der allgemeinen Anmeldung- und Pa-
tentierungspraxis nicht unähnlich erschei- 36 mündlicher Vortrag LRD Flad, Patentrechts-
nen mag. kurs 1 für Patentprüfer im DPMA
37 vgl. Lindenmaiersche Dreiteilungslehre in
35 vgl Schulte 5. Auage Ÿ1 Rdn 39 mwN Kurt von Falck, GRUR 1984 392-397

13
38
Schritte patentieren. Er begründet hier- weisungen zur Lösung einer bestimm-
zu: ten Aufgabe als Programm. (Der Be-
gri Anweisung ist hier im allgemei-
Dieser gedankliche Ansatz ver- nen Sinn zu verstehen, nicht in dem be-
meidet die Gefahr, daÿ die Pa- sonderen, der ihm als Anweisung einer
tentierung von Software zu einer Programmiersprache zukommt.) und
Monopolisierung des Denkens füh- später: Das Ausarbeiten von Program-
ren könnte, die alle anderen Men- men wird als programmieren bezeich-
schen von bestimmten Formen der net.
Benutzung ihres Verstandes aus-
schlieÿen würde, und trägt da- • Der Grosse Brockhaus 42 : 1) Daten-
mit einem Anliegen Rechnung, das technik: vollständige Anweisung für au-
hinter dem Verbot in Art. 52 Abs tomatisch gesteuerte Maschinen wie
2 steht. Werkzeug- oder Textilmaschinen, Re-
chenanlagen u. a., nach der die zur
Dem kann der Autor nur zustimmen.
Bearbeitung einer Aufgabe erforderl.
Arbeitsgänge nacheinander, z.T. auch
4.3 Programme als Lösungen gleichzeitig, ablaufen sollen. und im
nächsten Absatz: Bei der Datenver-
Dass eine Aufgabe keine Erndung ist, son-
arbeitung mit digitalen Rechenanlagen
dern eine Erndung nur in der Lösung der
ist der Lösungsgang einer auszufüh-
Aufgabe liegen kann, hat der BGH be-
renden Aufgabe derart in allen Ein-
reits festgestellt 39 . Auch das Bundespatent-
zelheiten darzustellen (zu programmie-
gericht erkennt, dass die Tätigkeit des ein-
ren), daÿ die Rechenanlage eindeutige
schlägigen Fachmanns erst bei der Reali-
Anweisungen für den Arbeitsablauf er-
sierung einsetzt 40 . Um festzulegen, was bei
hält.
programmbezogenen Erndungen nun Auf-
gabe und Lösung darstellt, lohnt es sich
• Lexikon der Informatik und Daten-
einen Blick in ein Lexikon bzgl. Program-
verarbeitung 43 : Eine zur Lösung ei-
me zu werfen. Der Autor zitiert hier nur aus
ner Aufgabe vollständige Anweisung
den 4 gerade greifbaren Quellen. Die Aus-
zusammen mit allen erforderlichen
wahl ist dadurch rein willkürlich.
Vereinbarungen. Ergänzung: (1) Der
Begri Aufgabe ist in der vorlie-
• Lexikon der Datenverarbeitung 41 : In
genden Denition nicht speziziert.
der Datentechnik bezeichnet man ei-
In der Praxis wird hierunter meist
ne Anweisung oder eine Folge von An-
eine Datenverarbeitungsaufgabe oder
38 GRUR 1998 843 851f
- von einem anderen Blickwinkel
39 Kreiselegge GRUR 1984, 194-196
40 20 W (pat) 50/96 Radio-Daten-System in 42 Kompaktausgabe, aktualisierte 18. Au. 1983.
BlPMZ 1998, 87-88 unter Programm
41 2. Auage, 1969, Verlag Moderne Industrie: un- 43 2. Au. 1986, Oldenbourg Verlag. unter Pro-
ter Programm gramm

14
betrachtet - ein Teilstück aus ei- steht vordergründig der Patentierung nichts
nem menschlichen Informationsverar- mehr entgegen. Aber ein Patent auf das Ar-
beitungsprozeÿ (Informationsverarbei- beitsverfahren einer DVA beansprucht ge-
tung) verstanden, der vollständig for- rade wieder Schutz gegenüber allen ande-
malisiert, in Algorithmen überführt ren Programmen mit der selben Wirkung,
schlieÿlich von einem Rechner ausge- unabhängig davon, ob diese neu und nicht
führt werden kann. naheliegend sind oder nicht. Das Recht am
geistigen Eigentum anderer wird verletzt
• Encyclopædia Britannica 44 computer und der technische Fortschritt wird behin-
program, detailed plan or procedure for dert.
solving a problem with a computer; mo-
re specically, an unambiguous, orde-
red sequence of computational instruc-
4.3.1 Idee und Lösung
tions, necessary to achieve such a so- Zur Verdeutlichung ist hier vielleicht ein
lution. Beispiel angebracht. Der Autor dieses Ar-
tikels hatte vor seiner Zeit als Patentprüfer
Konsens unter den Fachleuten scheint unter anderem die Instrumentensteuersoft-
hier also zu sein, dass immer das Programm ware für die beiden FoRS-Fokalinstrumente
die Lösung der Aufgabe darstellt 45 . Hier des Very Large Telescope Projekts der Eu-
beiÿt sich die Katze wieder in den eige- ropäischen Südsternwarte (ESO) zu entwi-
nen Schwanz: bei der Lösung einer Auf- ckeln. Jedes diese Instrumente weist über 50
gabe durch einen Computer ist immer das motorische Antriebe und eine Vielzahl wei-
ausführbare Programm selbst (als solches) terer sensorischer und aktuatorischer Ele-
mit seinen eindeutigen Anweisungen die Lö- mente auf. Die Idee (das Lösungsprinzip)
sung. Da nur in der Lösung einer Aufga- wie die Ansteuerung, Koordination und
be eine Erndung gesehen werden kann, für Überwachung dieser Vielzahl von Kompo-
Programme für Datenverarbeitungsanlagen nenten zu bewerkstelligen sein könnte, wur-
als solche aber kein Schutz begehrt wer- de während der Rückreise von einer Ar-
den darf, dürften Programme für Datenver- beitsbesprechung im Zug von Göttingen
arbeitungsanlagen folglich nicht patentiert nach München geboren. Der zeitliche Auf-
werden. wand hierfür betrug ca. eine Stunde. (Nach
Ignoriert man jedoch, dass nur für die Lö- den Bestimmungen des Reisekostengesetzes
sungen von Problemen Patente erteilt wer- wurde diese Zeit nicht einmal als Arbeits-
den, und beansprucht statt dessen das Ar- zeit anerkannt.) Die Suche nach geeigneten
beitsverfahren (die Idee, Aufgabe oder Wir- Bibliotheksfunktionen, Objektklassen und
kung) der Datenverarbeitungsanlagen, so Datenstrukturen, mit denen sich diese Idee
programmieren lassen könnte, dauerte ca.
44 http://www.britannica.com/bcom/eb/-
2 Arbeitsmonate. Für die erste lauähige
article/printable/9/0,5722,25459,00.html [recher-
chiert am 11.09.2000]
Programmversion, welche die zugrunde lie-
45 wie dies auch der 17. Senat in 17 W (pat) 69/98 gende Idee konkret verwirklichte, mussten
feststellt weitere 4 Monate Programmierarbeit ver-

15
gehen. Nach einem halben Mannjahr konn- 5 Der Ausschluÿkatalog
te die Lösung folglich erstmals präsentiert
werden. Dies geschah durch einen Vortrag
als gesetzlicher Disclai-
beim Auftraggeber ESO, dessen Vortrags- mer
folien am gleichen Tage im Internet veröf-
fentlicht wurden 46 . Für die Fertigstellung Es wird auch häug versucht, den Begri
des Programms incl. der üblichen Behebung Programm als solches unklar erscheinen
von Fehlern müssen ca. 2 Mannjahre veran- zu lassen4950 oder dieses neu zu denieren 51 ,
schlagt werden. um damit die Zahl der vom Patentschutz
Das Arbeitsverfahren lieÿ sich nach ca. ausgeschlossenen Gegenstände zu minimie-
einer Stunde Nachdenkens so konkret for- ren. Aber folgende Argumentation erscheint
mulieren wie dies bei den heutzutage üb- dem Autor überzeugender: Wenn für die
licherweise beanspruchten Verfahren zum genannten Gegenstände oder Tätigkeiten
Betreiben eines Computers geschieht. Die als solche kein Patentschutz begehrt wer-
Ausführung des Programms (der Lösung den kann, so entspricht dies einem gesetz-
der Aufgabe wie bringe ich es meinem lich aufgezwungenem Disclaimer. Bei pro-
Computer bei) gelang jedoch erst mit grammbezogenen Erndungen hätte dies
der geschilderten Programmierarbeit. Wenn zur Folge, dass ein Programm als solches
durch das Patentrecht nunmehr die Ideen niemals ein Patent verletzen könnte, da ei-
und Grundsätze
47
geschützt werden sollen, nem Programm als solchem kein Schutz ge-
ist dies blanker Hohn gegenüber der Leis- bührt. Auch ein aus dem Stand der Tech-
tung dessen, der diese Ideen und Grundsät- nik bekannter Gegenstand, der lediglich ein
ze in die Tat umzusetzen vermag. Auf wel- neues (nach Ÿ1 (2) 3. nicht ernderisches)
cher gesetzlichen Grundlage dieser Schutz Programm ausführt, kann kein Patent ver-
von Ideen und Grundsätzen basieren soll, letzen, da die Verletzungsform gegenüber
ist nicht erkenntlich. Ideen und Grundsätze dem StdT keine patentfähige Erndung
52
sind nichts anderes als Pläne für gedank- darstellt . Eine Patentverletzung scheidet
liche Tätigkeiten und damit explizit durch damit aus. Die Möglichkeit der freien Pro-
Ÿ1 (2) 3. nicht ernderisch. Ein Schutz die- grammgestaltung der Programmierer wäre
ser Ideen und Grundsätze als solche 48 würde dadurch gewährleistet. Vieles spricht da-
anderen verbieten so zu denken. für, dass es dem Gesetzgeber ehedem dar-
um ging, eben diese freie Programmgestal-
tungsmöglichkeit zu wahren; ebenso wie er
46 http://bigbang.usm.uni-muenchen.de:8002/-
DOKU/icsTalk
49 Schmidtchen aaO 1.1. a) - d)
47 Statusbericht über die Rechtsprechung und 50 Betten: Clarication of the Exclusion of Com-
Erteilungspraxis in Bezug auf softwarebezogene puter Programs in Art. 52(2) EPC In: UNION
Erndungen, Konferenz über wirtschaftspolitische ROUND TABLE Patenting of Computer Softwa-
Aspekte der Patentierung von Software, Bundesmi- re 9./10. Dezember 1997 EPA München
nisterium für Wirtschaft und Technologie, 18. Mai
51 Melullis GRUR 1998 843 852
2000
52 Schulte 5. Auage Ÿ14 Rdn 30 7.22 unter Beru-
48 Ÿ1 (3) in Verbindung mit Ÿ1 (2) 3. fung auf BGH GRUR 86, 803 (6) Formstein mwN

16
dies für Pläne, Regeln und Verfahren für ge- nern der EuroLinux-Petition bestätigt dies.
dankliche Tätigkeiten vorgesehen hatte. In den Computerwissenschaften wie auch
Eine vergleichbare Argumentation führt in der Computerindustrie ist der treibende
auch Melullis für das hinter den Computer- Faktor der Entwicklung die Oenlegung der
programmen stehende gedanklich logische eigenen Entwicklung und die Verbesserung
Konzept an und führt hierzu aus: bestehender Programme. Ohne die schnelle
und ungehinderte Verbreitung und Diskus-
Bei dieser Betrachtung stellen
sion der Request for Comments, welche
die Programme für Datenverar-
die Basis des Internets bilden, ist der heu-
beitungsanlagen nur eine weite-
tige Boom der Softwareindustrie undenk-
re Erscheinungsform der Sachver-
bar. Den wesentlichen Charakter der wis-
halte dar, in denen auch denk-
senschaftlichen Entwicklung und Meinungs-
bare Regelungen und Vorschlä-
bildung hat Wilhelm Busch einmal sehr an-
ge für das menschliche Verhal-
schaulich dargelegt:
ten erfaÿt werden können, bei de-
nen die Begründung eines Aus-
Die Wissenschaft sie ist und bleibt
schlieÿlichkeitsrechts eine Gefahr
was einer ab vom andern schreibt.
für die Freiheit des Denkens be-
deuten könnte.
Programme in Form des Quellcodes als
Der Sicherung dieser Freiheit gewährt er je- Sprachwerke leben davon, daÿ sie den jewei-
doch nur eine untergeordnete Rolle, damit ligen Erfordernissen schnell angepasst wer-
er den Patentschutz der ausführbaren Pro- den können. Nur mit dieser Freiheit kann es
gramme begründen kann. freischaende Programmentwickler geben 
Spricht man dem Schutz dieser Freiheit so wie freischaende Ärzte, Künstler oder
des denkens wie des Programmierens jedoch Schriftsteller.
eine zumindest gleichwertige Rolle zu  wie Aber zurück zur Betrachtung des Aus-
dies der Autor tut  so wäre die Ausschluÿ- schlusskatalogs als gesetzlicher Disclaimer.
liste des Ÿ1 PatG dahingehend zu verste- Es wäre sicherlich interessant, wie ein
hen, dass genannte Gegenstände oder Tä- Verletzungsrichter darauf reagieren würde,
tigkeiten vom Patentrecht nicht gehindert wenn der Beklagte zu seiner Verteidigung
werden dürfen; unabhängig davon, ob sie angäbe, er hätte nur ein Programm als
eine Lehre zum technischen Handeln auf- solches programmiert, aus der durch den
weisen oder nicht. Diese Sichtweise scheinen gesetzlichen Wortlaut begründeten Über-
auch die Mehrzahl der Gegner der Softwa- zeugung heraus, dass Programme als sol-
repatentierung zu teilen, die durch die Pa- che keine Patente verletzen können, da auf
tentierung von Software  egal ob in Form Programme als solche ja auch kein Patent-
von Ideen, Konzepten, Algorithmen (ma- schutz gewährt werden könne.
thematischen Methoden) oder aber in Form Dass bei jeder Programmierung das Pro-
des konkreten Quellcodes  den boomen- gramm gespeichert, getestet und damit ein
den Fortschritt ihres Wirtschaftssektors ge- Arbeitsverfahren ausgeführt werden muss,
fährdet sehen. Die hohe Zahl an Unterzeich- war und ist selbstverständlich. Ein auf diese

17
Teilaspekte der Programmentwicklung ge- va, C++, Tcl/Tk, Perl, Lisp, Phyton, Post-
richteter Patentschutz kann folglich eben- script, HTML, TEX, Ada, Fortran, Pas-
sowenig vom Gesetzgeber gewollt gewesen cal, Basic, Cobol, ...). Auch Mischformen
sein. Wenn die vorgenannte Argumentation graphischer Programmierung mit textuellen
vielleicht nicht jeden zu überzeugen vermag, Ergänzungen sind bekannt (LabView und
so muss sie jedoch zumindest berechtigte andere). Ist das Programm auf einem Rech-
Zweifel aufwerfen. Wenn manchmal in du- ner ausführbar und bewirkt es das zu imple-
bio pro inventore gefordert wird 53 , so kann mentierende Verfahren, so ist es als Lösung
man in diesem Falle mit zumindest gleicher der Aufgabe zu betrachten, egal ob es di-
Berechtigung ein in dubio pro reo fordern, rekt durch den Prozessor ausführbar ist 
auch wenn Zweifel im Patentrecht nicht an- oder erst mit Hilfe weiterer bekannter Pro-
gebracht sind. Ob die genannte Argumen- gramme (Betriebssystem, Compiler, Inter-
tation logisch einwandfrei ist, mag die öf- preter, Emulator, Virtual Machine, ...). Zu-
fentliche Diskussion oder aber ein konkreter sammen mit der Angabe, unter welchen Be-
Einzelfall ergeben. dingungen dieses Programm ausführbar ist
(Prozessortyp, Betriebssystem, Programm-
bibliotheken oder was auch immer die Aus-
6 Quellcode im Patentan- führbarkeit beeinuÿt,) ist der Programm-
code nach Ansicht des Autors sogar die
spruch einzig unzweideutige Oenbarungsform der
Lösung der Aufgabe (bei Brockhaus heiÿt
Will man Programme für Datenverarbei- es eindeutig, bei britannica.com unambi-
tungsanlagen selbst als Erndungen anse- guous).
hen54 und diese als solche 55 dem Patent-
schutz zugänglich machen  wie dies bei
der geplanten Novelle des EPÜ vorgesehen 6.1 Klarheit von Quellcode
ist  so sollte man sich genauere Gedanken Da jeder Programmcode einer mathema-
darüber machen, was dies für Folgen haben tischen Formel, einem chemischen Struk-
könnte. turdiagramm oder einer mikrobiologischen
Betrachtet man nochmals die oben zi- DNA-Sequenz an Eindeutigkeit, Kürze und
tierten Denitionen eines Programms, so Prägnanz in der Beschreibung der Lösung
erkennt man, dass alle für einen Com- in nichts nachsteht, sollte er als Merk-
puter verständlichen Anweisungen, die ei- mal eines Patentanspruchs nicht zu bean-
ne Aufgabe lösen, ein Programm darstel- standen sein, da alle Umschreibungen ge-
len. Der Fachmann kennt nun Program- eignet sind, die einen technischen Tatbe-
me in binärer Form bzw. deren Darstel- stand wiedergeben, zB auch Formeln, die
lung in Hexcode, sowie Programme in ei- mathematische Beziehungen zwischen Phy-
ner der vielen Programmiersprachen (Ja- sikalischen Gröÿen enthalten. Nichttechni-
53 vgl. Beier GRUR Int. 1989 1 14 sche Merkmale sind dagegen zu streichen,
54 Ÿ1 (2) 3. PatG es sei denn, sie tragen zum besseren Ver-
55 Ÿ1 (3) PatG ständnis der technischen Lehre bei, wie uU

18
56
ein Algorithmus . Das Pochen auf die müÿten mit anderen Quelltexten aus dem
Erfordernis der deutschen Sprache macht Stand der Technik auf Neuheit und ernde-
hier keinen Sinn, da man zwar jedes Pro- rische Tätigkeit verglichen werden. Der Au-
gramm auch in deutscher Sprache abfassen tor kann sich dies zwar vorstellen; dass dies
kann, dies aber der Erfordernis an Klar- aber von den Befürwortern der Patentier-
heit und Knappheit, die sich nach dem barkeit von Software so gewollt wird, kann
Verständnis des Fachmanns richtet 57 , zu- er sich beim besten Willen nicht vorstellen.
wiederläuft. Schickedanz 58 listet hier zahl-
reiche deutsche, US-amerikanische und eu-
ropäische Patentanmeldungen auf, bei de- 6.3 Schutzbereich von Patent-
nen Formel-Ansprüche enthalten sind. Er ansprüchen mit Quellcode
bringt auch einen wunderschönen Vergleich
von Quellcode in verschiedenen Program- Der Schutzbereich eines Patentanspruchs
miersprachen für den Euklidischen Algo- mit Quellcode sollte sich danach richten, in
rithmus. welcher Form der Anmelder seine Lösung
oenbaren will.
Würde jemand beispielsweise ein Pro-
6.2 Die wesentlichen Merkma- gramm in binärer Form beanspruchen, so
le beschränkt sich sein Schutzbereich aus-
schlieÿlich auf diese eine Ausführungsform
Streicht man Programme für Datenverar- auf den hierfür angegebenen Prozessor-
beitungsanlagen aus dem Ausschluÿkatalog plattformen. Ist auch nur ein Bit anders,
des Ÿ1 PatG bzw. des Art. 52 EPÜ, so wer- so kann man nicht einmal von einer nahe-
den folglich auch Programme als Erndun- liegenden Änderung sprechen, denn woher
gen angesehen. Für jedes Programm sind soll der Fachmann wissen, welches Bit re-
dessen einzelne Anweisungen wesentlich. levant ist und welches nicht. Der Anmelder
Wird ein Programm selbst, oder aber ein wäre in diesem Falle mit seinem Urheber-
Gegenstand der ein Programm umfasst be- recht (Copyright) sicherlich besser bedient.
ansprucht, so müssen folglich auch die we- Würde er ein Programm z.B. in Java
sentlichen Anweisungen des Programms als Sourcecode beanspruchen, so sind sicherlich
notwendige Merkmale zur Lösung der Auf- einige Abwandlungen dieses Programms als
gabe im Patentanspruch angegeben wer- naheliegend anzusehen. So darf die Na-
den59 . Jede Anweisung eines Programms mensgebung für Variablen, Klassen und In-
kann dann einen ernderischen Schritt be- stanzen keine Rolle spielen. Auch so man-
gründen. Gleiches müsste dann auch für cher Programmteil zur Fehlerbehandlung
neue und ernderische Datendeklaratio- dürfte nur geringe Bedeutung haben, au-
nen gelten. Diese Merkmale (Quelltext) ÿer diese Fehlerbehandlung wäre für das
56 vgl. Schulte 5. Au. Ÿ35 Rnr 54a mwN Lösungsprinzip wichtig. Bei einer Umset-
57 vgl Schulte 5. Au, Ÿ35 Rdn 54 zung des Java-Codes in C++-code hätte
58 Mitt 2000 173 - 180 der Autor jedoch bereits starke Bedenken,
59 vgl. Schulte Ÿ35 Rdn 54b mwN ob dies immer mit ausschlieÿlich nahelie-

19
genden Schritten möglich ist (Trivialpro- Es besteht jedoch dann auch die Ge-
gramme ausgenommen). Eine Übersetzung fahr, dass versucht wird, jeden dieser einzel-
in Lisp würde sicherlich weit mehr als nur nen Schritte separat zu beanspruchen. Dies
naheliegende Schritte benötigen. Selbst ei- hätte jedoch katastrophale Folgen für je-
ne Portierung von einem Betriebssystem zu den Programmierer. Er müsste faktisch bei
einem anderen oder der Wechsel von ei- jeder Zeile Programmtext überprüfen, ob
ner Programmbibliothek zu einer anderen nicht darauf gerade ein Patent erteilt wur-
kann haarsträubende Schwierigkeiten mit de. Freies Programmieren wäre praktisch
sich bringen. Welche Änderungen hier noch nicht mehr möglich.
naheliegend sind und welche nicht, lässt sich Beansprucht man jedoch nur seine
von auÿen praktisch nicht mehr erkennen, prozessor-, sprach- und betriebssystem-
auÿer man portiert den Code selbst. Der unabhängige Programmidee als Wirkungs-
tatsächliche Schutzbereich eines Anspruchs anspruch, und bekommt dafür auch noch
mit Quellcode in einer hardwarefernen Pro- ein Patent auf ein Verfahren zum ... , so ist
grammiersprache wäre aber sicherlich auch man fein raus. Jede Lösung, die diese Pro-
sehr nahe am Programmtext. Es scheint da- grammidee  als Plan für eine gedankliche
her auch in diesem Falle für den Anmelder Tätigkeit  realisiert, verletzt das Patent.
besser zu sein, sich auf sein Urheberrecht Hierzu muss man seine Programmidee noch
zu berufen, anstatt kostspielige Patente zu nicht mal selbst realisiert, geschweige denn
beantragen. diese Realisierung oenbart haben. Nur lei-
Im praktischen Beispiel kann bereits die der wurde dann gar keine Lösung als pa-
Festlegung der richtigen Endebedingung ei- tentfähige Erndung beansprucht, sondern
ner einzelnen Iterationsschleife Ideen benö- nur eine Plan für eine gedankliche Tätig-
tigen, die nicht naheliegend sind, so dass keit.
durch die Festlegung der Endebedingung
der Iterationsschleife bereits ein ernderi-
scher Schritt getan wurde. Der Leser mag 7 Schlussbemerkung
daraus einen kleinen Eindruck gewinnen,
welche unübersehbare Vielzahl an Lösungs- Wie man an dieser langen Aufzählung von
möglichkeiten bereits ein kleiner Ausschnitt Problemen bei der derzeitigen Patentierung
eines Programmtextes liefern kann. Da aber von Programmen für Datenverarbeitungs-
dann praktisch jede mögliche Neuschöpfung anlagen sehen kann, gäbe es mehr als ge-
eines Programms selbst patentierbar wäre nügend Streitgründe für Einspruchs- und
und als nicht naheliegende Lösungen der Nichtigkeitsverfahren. Die Tatsache, dass
selben Aufgabe auch die anderen Patente gegen die derzeitige Praxis der Patenter-
nicht verletzen könnte, wären diese Patente teilungen für Programmbezogene Lehren
praktisch wertlos und würden lediglich vor bei gleichzeitig erbittert ausgetragenen Dis-
dem Kopieren der eigenen Werke schützen. kussionen zwischen Befürwortern und Geg-
Man besäÿe das Urheberrecht nochmals in nern, keine wahre Einspruchs- und Prozess-
Patentform, garniert mit zusätzlichen Ge- ut hereinbricht, kann einen nur verwun-
bühreneinnahmen für die Ämter. dern. Möglich, dass die Schmerzschwelle der

20
Software-Entwickler noch nicht überschrit-
ten ist. Spätestens wenn die Patentierbar-
keit von Software vom Gesetzgeber abge-
segnet ist, wird aber diese Schmerzschwelle
erreicht sein.
Gleichfalls möglich ist aber auch, dass
keine der Seiten die andere mehr verstehen
kann, da beide von unvereinbaren Grund-
sätzen ausgehen. Ein Indiz für letzteres mag
folgende Episode sein: Bei dem hilosen
Versuch des Autors einem befreundeten In-
formatiker zu erklären, wieso Programme
als solche nicht patentierbar wären, pro-
grammbezogene Lehren mit einem zusätz-
lichen technischen Eekt jedoch schon, er-
klärte dieser unverblümt: Ihr spinnts ja
komplett!. Diese deutliche Aussprache hat
dem Autor doch einiges zu Denken gege-
ben60 .

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60 Der geneigte Leser mag den teilweise emotiona-
len Stil dieses Artikels entschuldigen, aber wer keine
Emotionen äuÿert, ist nicht mit Herz und Seele bei
der Sache.

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