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Au allen im Tarnmuster

In den Großstädten wird es heiß und neben vielen gepiercten Bauchnabeln und
schlappenden Flip-Flops sieht man vermehrt den Hang zum Tarnmuster. Gedruckt auf die
hüfthohe Cargohose, kombiniert mit dem schlichten Favoriten des Sommers: dem weißen
Tanktop. Aber auch die Kappe im Tarnmuster zum Schutz vor der prallen Mittagssonne
gewinnt wieder an Bedeutung. Diesen Sommer trägt Berlin wieder Camou age.

Gerade jetzt bringen vermehrt andere wichtige Themen das Tarnmuster wieder in unsere
Köpfe. Ohne jeglichen Modeaspekt verfolgen wir seit Wochen Selenskyj und die
Klitschko-Brüder in den Medien. Als 2014 die ukrainische Halbinsel Krim von russischen
Milizen besetzt wurde, galt auch da das Tarnmuster wieder als eine Inspiration für die
Kollektionen der Zeit. Givenchy und Stella McCartney druckten das Muster damals auf
Taschen und Jacken. Der Aufruf zum grün-ge eckten Print kam zuletzt von Designer
Glenn Martens, der sich in der aktuellen Diesel-Kollektion für Camou agemuster auf
Röcken, Hosen und Tops entschied. Auch Carhartt WIP, seit Jahren die Adresse, wenn es
um robuste Cargohosen geht, hat dieses Jahr wieder eine breite Palette an natürlichen
Tönen und Tarnfarben mit in ihre neue Kollektion aufgenommen. So kann man neben dem
Trendmuster, welches jetzt auch auf Schuhe und Socken gedruckt wird, khakifarbene
Hemden nden, die durch Aufnäher an der Brust und überdurchschnittlich viele Taschen
an Oberteile des Militärs erinnern.

Camou age bringt jedes Mal wenn es zum Modetrend wird gesellschaftliche und
politische Fragen mit sich. Dabei ist die Funktion des Tarnmusters ganz praktisch
gedacht. Es soll die Natur in ihre geometrischen Formen legen und den Tragenden damit
in der Natur unkenntlich machen. Während wir hier im Großstadtdschungel versuchen,
uns mit dem Tarnmuster ganz individuell modisch zu entfalten und aufzufallen ist das auf
vielen karibischen Inseln bis heute nur dem Militär gestattet. Hat man das grüne
Fleckenmuster trotzdem an drohen einem hohe Bußgelder. Seit man das Tarnmuster mit
Kriegen in Verbindung setzt wurde es genauso auch mit Frieden gleichgesetzt. Während
des Vietnamkrieges trugen viele Menschen in den 60er Jahren Kleidung im Militärstil mit
„No War“-Aufnähern und Friedenstauben, um so auf ihre Art den Wunsch nach Frieden
auszudrücken. Später nutzten die Punks das Muster als Protest gegen die Gesellschaft.

Schlendert man durch die Second-Hand-Shops ndet man in den gut sortierten
Sammelsurien garantiert eine Ecke für die beliebten Army-Sachen. Aber kann man die
Jacke im Tarnmuster mit alten bedeutenden Flaggen einfach bequem nden und vom
lässigen Schnitt überzeugt sein, ohne sich mit der Bedeutung und der Geschichte dieses
Musters auseinander zu setzen?

Auf den Laufstegen heute ndet man keine versteckten Botschaften. Das Muster hat mit
dem Gebrauch in der Mode an Bedeutung verloren. Was einst als Au ehnung gegen das
Patriarchat galt oder als ein Friedenswunsch im Kontrast zum Krieg gesehen werden
konnte, wird heute wie ein Accessoire getragen und damit behandelt als wäre es die
angesagte Variante des Pünktchenmusters. Dabei geht es doch in der Mode genau
darum sich selbst zu verkörpern, Statements zu setzen und nicht jedem Trend
hinterherzulaufen ohne ihn zu hinterfragen.
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